Frank Callahan
Apachen töten lautlos Apache Cochise Band Nr. 24 Version 1.0
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, ...
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Frank Callahan
Apachen töten lautlos Apache Cochise Band Nr. 24 Version 1.0
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre.
Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
*** Eine Kerosinlampe erhellte notdürftig den Zellentrakt des Gefängnisses von Tombstone. Der Lichtschein gaukelte bizarre Schatten auf die schmutzigen Wände. Glenn Morgan, der nach einer Schießerei mit Wyatt Earp leicht verwundet im Jail gelandet war, erhob sich von der stinkenden Pritsche, als er schlurfende Schritte vernahm. Der großgewachsene und schlanke Bandit strich sich eine Strähne seines dunklen Haares aus der Stirn. Ein düsteres Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er auf die Tür, die zum Zellentrakt führte. Sie wurde geöffnet. Ein schon älterer Mann schob sich herein. Er balancierte ein Tablett auf beiden Händen. Der Duft von Kaffee und gebratenem Fleisch breitete sich aus. Glenn Morgan lief das Wasser im Mund zusammen. Erst jetzt spürte er den nagenden Hunger in seinen Eingeweiden. Er nickte dem Oldman zu, der sich näherte und seinen linken Fuß nachzog. Hank William, der Deputy Marshal, blieb stehen. Unfreundlich musterte er Morgan. »Geh zurück zur Pritsche«, krächzte er dann. »Dir traue ich keinen Augenblick, Morgan. Ich weiß zu genau, daß du mir am liebsten ein Ding überbraten würdest, nur um hier rauszukommen. Da läuft nichts, Bandit. Also verzieh dich, sonst nehme ich dein Abendessen wieder mit. Es ist viel zu schade für einen Dreckskerl wie du einer bist.« Glenn Morgans Lippen preßten sich hart aufeinander. Die Wangenknochen traten hervor. Man sah dem Outlaw an, daß er sich nur mit großer Mühe beherrschen konnte, als er zur Pritsche zurücktrat. »Hör zu, Alter«, sagte er dann. »Ich weiß nicht, warum du
dir vor wir die Hose vollmachst. Ich bin unschuldig. Dieser Hurensohn von Wyatt Earp hat mich hereingelegt, nur weil ich ihm nichts von meinem Gold abgeben wollte. Okay, schieb das Tablett unten durch die Öffnung. Ich habe Hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf.« Hank William trat zögernd näher. Mißtrauisch sah er zu dem Banditen, ehe er das Tablett in den Zellenkäfig schob und schnell zurückwich. Glenn Morgan trat grinsend näher, holte sich sein Abendessen und setzte sich auf die Pritsche. Kauend sagte er: »Das schmeckt ausgezeichnet, Alter. Wo ist übrigens Sheriff Marley? Er hat sich schon lange nicht mehr blicken lassen. Ich muß ihn unbedingt sprechen. Danach wird auch er überzeugt sein, daß ich unschuldig bin. Wenn ich ihm erst das Gold zeige, das ich einige Meilen von Tombstone entfernt versteckt habe, bleibt ihm überhaupt keine andere Wahl. Dieser verdammte Wyatt Earp ist doch nur sauer, weil ich keine Unze von dem gelben Metall herausgerückt habe.« »Gold?« fragte der Oldtimer. »Das glaube ich dir nicht. Du bluffst doch nur und willst dich interessant machen, Morgan.« Der Bandit winkte ab. »Was verstehst du schon davon, William? Du könntest doch mit dem gelben Zeugs überhaupt nichts anfangen.« Glenn Morgan grub seine Zähne in das Steak, kaute schmatzend und schlürfte an dem Becher mit der heißen und schwarzen Kaffeebrühe. Unter gesenkten Augenlidern beobachtete er den kriegsinvaliden Wächter und fragte sich, ob er ihn bereits am Angelhaken hatte. »Wo ist Sheriff Marley?« wiederholte der Outlaw seine Frage. »Unterwegs«, antwortete der Deputy mürrisch. »Er ist hinter einigen Banditen her, die der Bank einen Besuch abgestattet haben und einige tausend Dollar mitgehen ließen. Der Marshal
wird so schnell nicht zurückkommen.« »Schade«, murmelte Glenn Morgan. »Dann werden meine Freunde das Gold aus dem Versteck holen. Ich habe das Nachsehen.« Diesen Worten folgten einige lästerliche Flüche, bei denen jede Lady in Schreikrämpfe ausgebrochen wäre. Hank William stand noch immer vor dem Gitterkäfig. In seinem faltigen Gesicht zuckte es. Unverhohlene Gier stand in seinen tief in den Höhlen liegenden Augen. »Gold«, flüsterte er. »Yeah, davon müßte man einen Haufen voll haben, dann hätte man für den Rest der Tage ausgesorgt.« Nach diesen Worten wandte sich Hank William um und schlurfte müde davon. Er sah nicht die spöttischen Blicke von Glenn Morgan, der ahnte, daß der alte Hilfsmarshal bereits angebissen hatte. * »Hör zu, Hank«, sagte Glenn Morgan eine halbe Stunde später, als William das Tablett mit dem leeren Geschirr wieder abholen wollte. »Ich habe mir etwas einfallen lassen.« Er lächelte gewinnend, als er den mißtrauischen Blick des Oldtimers sah. »Was hältst du davon, wenn wir uns gemeinsam das Gold holen, Hank? Wir teilen brüderlich und trennen uns dann wieder. Ich erhalte meine Freiheit und verschwinde über alle Berge. Und du hast für den Rest deines Lebens ausgesorgt. Niemand wird uns finden. Überleg dir meinen Vorschlag gut, denn er bedeutet für dich die große Chance, auf die du vielleicht schon seit vielen Jahren gewartet hast.« Hank William reagierte nicht, stand regungslos vor dem Gitterkäfig, als habe er überhaupt nicht verstanden, was der Bandit gesagt hatte. Glenn Morgan fuhr schnell fort: »Natürlich denkst du jetzt,
daß ich dich reinlegen will. So ist es wirklich nicht. Hank. Es ist genügend Gold für uns beide vorhanden. Ich hätte auf jeden Fall mit zwei Partnern teilen müssen. Es ist Apachengold. Ich erhielt es, als ich den Indianern Waffen lieferte«, bluffte Morgan weiter. »Ich will nur, daß du diese verdammte Zellentür aufschließt. Vorher besorgst du mir ein Pferd und meinen Revolver. Die Waffe brauchst du mir erst zu geben, wenn du das Gold in den Händen hältst. Wir dürfen natürlich keine Zeit verlieren, sonst räumen meine beiden Partner das Versteck aus.« Hank William antwortete noch immer nicht. Auf Glenn Morgans Stirn bildeten sich feine Schweißperlen. Am liebsten hätte er losgeflucht, oder wäre dem Alten an die Kehle gesprungen, wenn nicht die zolldicken Gitterstäbe dazwischen gewesen wären. Der Deputy Marshal wandte sich wortlos ab und verließ den Zellentrakt. Morgan starrte ihm sprachlos nach und setzte sich auf die Pritsche. Schwer stützte er seinen Kopf in beide Hände. In seinem Gesicht zuckte es. Ich muß hier raus, koste es was es wolle, dachte der Bandit. Es geht um meinen Kopf. Der Marshal wird mich aufhängen, wenn es mir nicht gelingt, zu fliehen. Warum nur stellt sich dieser alte Narr so dämlich an? Eine halbe Stunde verging. Stimmenlärm erscholl von der Main Street her. Irgendwo peitschten Schüsse. Tombstone war eine wilde und rauhe Stadt, die von Tag zu Tag gewalttätiger wurde. Längst hatte sich die Dunkelheit wie ein samtener Schleier über Stadt und Land gelegt. Fern funkelten die Sterne in majestätischer Pracht am Firmament, glichen glitzernden Diamanten. Glenn Morgan trat von dem kleinen, vergitterten Fenster zurück und ließ sich wieder auf die übelriechende Pritsche
fallen. Angst und Wut entstellten sein Gesicht. Die Tür zum Zellentrakt öffnete sich knarrend. Hank William trat zögernd ein. Der Schlüsselbund in seinen Händen klirrte. Glenn Morgan wußte von einer Sekunde zur anderen, daß sein Plan klappen wurde. Der Hilfsmarshal hatte sich umgezogen, trug nun Reitkleidung. Außerdem schleppte er ein Bündel mit sich, wie man es nur für einen längeren Ritt benötigt. »Okay, Morgan«, sagte er schniefend. »Wir holen das Gold. Ich bin mit deinem Vorschlag einverstanden. Dein Pferd wartet am Hinterausgang. In den Satteltaschen befindet sich dein Revolver und auch Proviant für einen längeren Trail. Nun solltest du deine Hände durch die Gitterstäbe strecken. Ich werde dir stählerne Armbänder anlegen, um kein Risiko einzugehen.« Glenn Morgans Gesicht verzog sich, als habe er in eine Zitrone gebissen. Er sah den entschlossenen Blick des Oldtimers und nickte verärgert. »Okay, Hank, ich verstehe, daß du mir nicht über den Weg traust. An deiner Stelle würde ich bestimmt auch nicht anders handeln. Los, leg mir schon die Handschellen an. Dann aber sollten wir schnellstens verschwinden.« Einige Minuten später verließen Glenn Morgan und Hank William das Gefängnis. Der Hilfsmarshal hielt seinen Revolver in der Faust, als er den Banditen in den Sattel dirigierte. Und Glenn Morgan ahnte plötzlich, daß es gar nicht so einfach sein würde, den Alten zu übertölpeln. * Der Mann war ungefähr 22 oder 23 Jahre alt. Er war großgewachsen, hatte ein schmales Gesicht, einen DragonerSchnurrbart und zurückgekämmtes Haar.
Ein lässiges Grinsen teilte seine Lippen. Er war wie ein Cowboy gekleidet. Nur der sehr tief sitzende Revolver deutete darauf hin, daß Wyatt Earp noch niemals in seinem Leben hinter halbwilden Longhorns hergejagt war. »Das also ist San Manuel am San Pedro River«, sagte der junge Mann, der in späteren Jahren zu einem der legendärsten Revolvermänner des Westens werden sollte. Hier werde ich meinen Bruder Virgil treffen, dachte Earp und stützte beide Hände auf das Sattelhorn. Vor sich sah er die Lichter der kleinen Stadt, die Wärme und Geborgenheit versprachen. Wyatt Earp wußte aber zu gut, wie sehr dies täuschte. Hier im Westen galt das Recht des Stärkeren. Und wer sich nicht behaupten konnte, ging meistens sang- und klanglos unter. Earp trieb sein Pferd an. Vor einem Saloon zügelte er den Rapphengst und sprang aus dem Sattel. Er dehnte seinen jugendlichen Körper und betrat die Schenke. Viele Augenpaare richteten sich auf den Eintretenden, der freundlich grüßte und den Tresen ansteuerte. Von seinem Bruder Virgil war nichts zu sehen. Er ist noch nicht da, dachte Wyatt. Er wird aber bald eintreffen. Ihn wird die Goldmine genauso interessieren wie mich. Gemeinsam wird es uns schon gelingen, an das Gold heranzukommen. Wyatt Earp bestellte sich einen Whisky, leerte das Glas und nickte, als er den fragenden Blick des Keepers sah. Mit dem gefüllten Glas in der Rechten drehte er dem Tresen den Rücken zu und sah sich um. An einigen Tischen wurde gepokert. Wyatt leckte sich über die Lippen. Ein Spielchen war so ganz nach seinem Geschmack, um sich die Zeit bis zur Ankunft seines Bruders zu vertreiben. Außerdem war er mit Bargeld nicht besonders reich gesegnet. Ein kleiner Spielgewinn könnte nicht schaden, dachte
Wyatt Earp und steuerte einen Tisch an, als sich einer der Spieler erhob. »Ich habe genug, Jungs«, sagte der breitschultrige Mann mit der Figur eines Preiskämpfers. »Diese verdammte Pechsträhne will und will einfach nicht aufhören. Und das Glück läßt sich nun einmal nicht zwingen, wie wir alle wissen.« Die vier anderen Männer am Tisch nickten. Sie alle wirkten sehr verwegen und grinsten hinter dem Bulligen her, der wie ein wütender Bär davonstampfte. »Ist es gestattet, Gentlemen?« fragte Wyatt Earp höflich. »Ich würde gern für den Gent einspringen. Natürlich nur, wenn sie alle nichts dagegen einzuwenden haben.« Earp wurde forschend gemustert. Er hielt den prüfenden Blicken stand und nahm Platz, als die vier Männer wie auf ein geheimes Kommando hin nickten. Ein bärtiger Mitspieler, dessen stahlgraue Augen ein verwegenes Gesicht beherrschten, sagte: »Wir hoffen nur, daß du genügend Bucks dabei hast, Mister. Das hier ist ein Spiel unter rauhen Männern, die alle ausgezeichnet pokern können. Ich möchte vorbeugen, damit du später nicht behauptest, unter die Räuber gefallen zu sein.« Er grinste, wie auch die drei anderen Mitspieler. Auch Wyatt Earp zeigte lächelnd seine Zähne. »Haltet mich nur nicht für ein Greenhorn, Leute«, sagte er bedächtig. »Von mir aus kann es losgehen. Ich freue mich immer, wenn es beim Pokern nicht langweilig zugeht.« * Die wilde Frontiertown Tombstone lag hinter Glenn Morgan und dem Hilfsmarshal Hank William. Bleiches Mondlicht sickerte vom wolkenlosen Himmel. Der Schrei eines jagenden Falkens zerriß die nächtliche Stille. »Wie weit ist es noch?« fragte William heiser. Er ritt seitlich
versetzt hinter Morgan und hielt nach wie vor seinen Revolver auf den Gefangenen gerichtet. Glenn Morgans Handschellen klirrten, als er sich im Sattel umwandte und den Oldtimer ansah. »Wir haben die Stelle in wenigen Minuten erreicht, wo ich die Goldbeute vergraben habe. Du solltest endlich dein Eisen wegstecken, Hank. Es könnte sich ein Schuß lösen. Dann würdest du keinen Krümel Gold in die Finger kriegen.« Auf Hank Williams Gesicht legte sich ein Lächeln. Er schüttelte den Kopf. »Dir traue ich nicht, Morgan. Du bist ein ganz gerissener Hundesohn. Du würdest sogar deine eigene Großmutter für ein paar lausige Cents verkaufen. Und nun willst du einen Goldschatz mit mir teilen? Wenn ich nicht höllisch aufpasse, werde ich nicht nur kein Gold erhalten, sondern auch noch mein Leben verlieren.« Glenn Morgan schüttelte sich vor Lachen, was den Oldman sichtlich irritierte. Noch immer grinsend antwortete Morgan: »Du spinnst ja, Hank. Mein Leben bedeutet mir mehr, als ein paar Unzen Gold. Du bist meine einzige Chance, um dem Galgen zu entgehen. Okay, dann behalte den Colt. Bevor wir uns aber trennen, mußt du mir wenigstens die Handschellen lösen, sonst komme ich nicht weit. Versprichst du mir das, Alter?« Der Hilfsmarshal zögerte, ehe er nickte. Die Gier nach dem Gold war nun einmal stärker als die heiße Angst, die seit der Flucht aus Tombstone durch seinen Körper pulsierte. Glenn Morgan blickte wieder geradeaus und grinste spöttisch. Mit dir werde ich schon fertig, Alter, dachte er. Du bist einige Nummern zu klein für mich. Die beiden so ungleichen Männer setzten ihren Ritt fort. Morgan hielt auf eine Waldinsel zu. Vor den ersten Büschen und Bäumen sprang der Outlaw aus dem Sattel. »Wir sind da«, verkündete er. »Hier zwischen den Bäumen
habe ich das Gold vergraben. Willst du mitkommen, oder lieber hier auf mich warten, Hank?« William rutschte aus dem Sattel. Er sah sich nach allen Seiten um und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Der Revolver in seiner Rechten bewegte sich unruhig. Ohne eine Antwort abzuwarten, stiefelte der Bandit los und zwängte sich zwischen Salbeibüschen hindurch. Hank William folgte ihm mit zögernden Schritten. Und dann geschah es auch schon. Glenn Morgan wollte nicht länger herumtändeln. Er blieb plötzlich stehen und hatte alles so berechnet, daß Hank William gegen seinen Körper prallen mußte. »Paß doch auf, Alter«, schimpfte Morgan. Hank William fluchte und wollte zurückweichen, doch es war bereits zu spät. Der Outlaw wirbelte herum. Er schlug den Revolverarm seines Gegners zur Seite. Der Colt fiel aus Williams Hand. Der Hilfsmarshal schrie gellend auf. Er wollte davonlaufen, schaffte es aber nicht, denn Glenn Morgan war schneller. Er schlug zu. Seine Hände, die zu einer Faust zusammengeballt waren, schmetterten gegen Hank Williams Schädel. Der Oldtimer schrie auf, verdrehte die Augen und fiel zur Seite, wo er regungslos liegenblieb. »Na also«, murmelte der Bandit. »Ich habe doch gewußt, mit dir halber Portion werde ich schnell fertig.« Zuerst suchte er den Revolver, den er zwischen zwei Steinen fand und schob sich die Waffe in den Hosenbund. Dann beugte sich Glenn Morgan über den Bewußtlosen und durchsuchte seine Taschen. Er stieß ein zufriedenes Brummen aus, als er den Schlüssel fand, der zu den Handschellen paßte. Sekunden später klickten die stählernen Armreife um Williams Gelenke. Glenn Morgan blieb vor dem noch immer bewußtlosen Oldtimer stehen und blickte ihn finster an. Seine Hand lag auf
dem Griff des Revolvers. Morgan überlegte, ob er den Alten umlegen sollte, ließ es dann aber bleiben. »Du wirst dich nicht mehr in Tombstone blicken lassen können«, sagte er leise. »Du mußt verschwinden. Okay, ohne deine Hilfe würde ich noch immer in der stinkenden Zelle sitzen. Ich rate dir aber, mir nicht nochmals unter die Augen zu treten.« Glenn Morgan verließ die Waldinsel und holte aus seiner Satteltasche den Revolvergurt hervor. Er band sich ihn um und überzeugte sich von der Funktionsfähigkeit der Waffe. Zufrieden kletterte der Bandit in den Sattel, scheuchte Hank Williams Pferd davon und ritt los. Er wußte auch schon, wohin er reiten wollte. Dort würde er vor dem Marshal von Tombstone in Sicherheit sein. * Tabakqualm hing über den Köpfen der fünf Pokerspieler, die mit unbewegten Gesichtern auf ihre Karten starrten. Nichts verriet den anderen Spielern, welches Blatt jeder von ihnen in den Händen hielt. Mitternacht war vorüber. Im Saloon war es ruhiger geworden. Die meisten Gäste hatten längst die Schenke verlassen. Vor Wyatt Earp häuften sich Dollarmünzen und Scheine. Er hatte in den vergangenen Stunden Spiel um Spiel gewonnen und kräftig abgesahnt. Die Gesichter seiner Mitspieler wurden immer mürrischer. Schon längst mußten sie sich eingestehen, daß sie den schlanken, jungen Mann mit dem Dragoner-Schnurrbart gewaltig unterschätzt hatten. Das Spiel ging weiter. Wyatt Earp bluffte einen der Mitspieler nach dem anderen
aus dem Spiel. Nur noch der bärtige Bursche hielt mit. Und es schien, als wollte er es diesmal wissen. Die Dollarnoten in der Tischmitte häuften sich immer mehr. Einige Gäste versammelten sich um die Spieler. Gespanntes Schweigen legte sich über den Saloon. Wyatt Earps Gesicht wirkte wie versteinert, als er einen kurzen Blick auf seine Karten warf. Seine Lippen verzogen sich plötzlich zu einem spöttischen Lächeln, das seinem Gegenspieler gewaltig an die Nieren zu gehen schien. Der Bärtige preßte seine Lippen so hart zusammen, daß sie an eine schlecht verheilte Narbe erinnerten. »Deine fünfzig Dollar, Mister, und nochmals fünfzig Bucks. Dann möchte ich die Karten sehen.« Der bärtige Mitspieler war nervös. Wyatt erkannte dies. Sein Lächeln verstärkte sich. »Okay«, antwortete er. »Hier sind meine Dollars, Mister. Und nun wollen wir uns die Karten ansehen.« Dumpf klangen Wyatt Earps Worte in die eingetretene Stille. Die Spannung unter den Spielern und den Gästen erreichte ihren Höhepunkt. Der Bärtige lächelte nun ebenfalls siegessicher und deckte seine Karten auf. Er hielt einen Flush, fünf beliebige Karte einer Farbe, in der Hand. Sein Blick traf Wyatt Earp, dessen rechte Augenbraue unmerklich zuckte. »Du hast verloren, Mister«, sagte der Gambler ruhig und legte seine Karten offen auf den Tisch. »Fullhouse, Mister!« Der Bärtige fluchte tonlos und blickte auf die drei Damen und die beiden Sechsen, die Wyatt Earp hingeblättert hatte. Dagegen kam er mit seinem Flush nicht an. Er zuckte resignierend mit den Achseln. Wyatt Earp strich den Dollarbetrag von der Tischmitte zu sich herüber. Er schätzte, mindestens 300 Dollar, vielleicht auch mehr,
gewonnen zu haben. »Wollen wir aufhören, Gentlemen?« Wyatt Earps vier Mitspieler starrten sich an. Und es schienen Burschen zu sein, die bisher selten am Pokertisch verloren hatten. Trotzig sahen sie den schlanken Mann an, ehe sie die Köpfe schüttelten. »Jetzt geht es erst richtig los, Mister«, ließ sich der bärtige Mann vernehmen. »Noch sind wir nicht pleite. Wir werden dir die gewonnenen Bucks wieder abnehmen. Darauf kannst du dich verlassen.« »Wir werden sehen«, erwiderte Earp und mischte die Karten. Die umstehenden Saloongäste stiefelten laut diskutierend zu ihren Plätzen zurück. Einige von ihnen starrten zu den halbhohen Schwingtüren hinüber, die nun zurückwichen. Ein großgewachsener und schlanker Mann, dem dunkles Haar unter dem staubigen Stetson hervorkam, blieb hinter den ausschwingenden Pendeltüren stehen. Ein längerer Ritt schien hinter dem Fremden zu liegen. Etwas gehetztes lag in seinen Augen, als er die wenigen Gäste forschend musterte. Sein Blick blieb am Pokertisch hängen. Es war kein geringerer als Glenn Morgan nach seiner Flucht aus dem Gefängnis von Tombstone, der dort am Salooneingang stand. Er war nach San Manuel geritten, um hier Unterschlupf zu finden. Außerdem wußte er von einigen rauhen Burschen, die in den Galiuro Mountains ihrem blutigen Handwerk nachgingen. Morgan wollte hier in San Manuel eine Pause einlegen und sich dann diesen Banditen anschließen. Um so erstaunter war Glenn Morgan, als er Wyatt Earp am Pokertisch sitzen sah. Das Erstaunen, das sein Gesicht beherrschte, wandelte sich innerhalb von Bruchteilen von Sekunden in Entsetzen. Zu genau wußte Morgan, daß er dem großgewachsenen
Wyatt Earp nicht das Wasser reichen konnte. Der Revolvermann und Spieler würde wieder alles daransetzen, um ihn die gesiebte Luft einer Zelle in Tombstone atmen zu lassen. Glenn Morgan übersah den neugierigen Gesichtsausdruck des Wirtes, drehte sich auf den Absätzen um und verließ überhastet die Schenke. Er war sicher, von Wyatt Earp nicht bemerkt worden zu sein. Der dürre Salooner runzelte die Stirn und zuckte dann mit den Achseln. Draußen vor dem Saloon hämmerten Hufschläge durch die nächtliche Stille. Der Fremde verließ in wilder Panik die Stadt. * »Schon wieder verloren«, sagte der Bärtige und warf seine Karten auf die Tischplatte. »Zum Henker, Mister, du bist wirklich nicht zu schlagen. Wenn ich dir in der letzten Stunde nicht sehr genau auf die Finger gesehen hätte, würde ich behaupten, du hast deinem unverschämten Glück ein wenig nachgeholfen.« Wyatt Earps zufriedenes Lächeln erstarrte. Rasch fuhr der bärtige Mitspieler fort: »Es ist alles mit rechten Dingen zugegangen. Das können auch die drei anderen Gents bezeugen. Okay, wir haben verloren. Du bist der große Sieger dieser Pokerrunde. Ich höre auf, denn sonst kann ich mir morgen nicht mehr einmal einen Whisky leisten.« Bitter lächelnd erhoben sich die vier Männer, nickten Wyatt Earp kurz zu und stiefelten davon. Gleich darauf verließen sie den Saloon, nachdem sie ihre Zeche am Tresen bezahlt hatten. Earp grinste und verstaute den Spielgewinn in seinen Taschen. Er war äußerst zufrieden mit sich. Er blickte auf, als der schlaksige Wirt an den Tisch trat. »Da haben Sie aber mächtig abgesahnt, Mister«, sagte er. »Diese vier Burschen gehören zusammen. Sie haben in den
letzten Tagen schon manchen meiner Gäste wie eine Weihnachtsgans ausgenommen. Diesmal sind sie an den Falschen geraten.« Der Keeper zog sich einen Stuhl herbei und setzte sich. Nachdenklich blickte er seinen Gast an. »Ich kenne Sie zwar nicht, doch ich will Ihnen einen Tip geben. Vor etwa einer halben Stunde betrat ein Fremder den Saloon. Als er Sie sah, verließ er wieder fluchtartig die Schenke. Er wollte von Ihnen nicht erkannt werden.« Wyatt Earp blickte den dürren Wirt interessiert an, der ihm eine genaue Beschreibung des Fremden gab. Und der junge Revolvermann wußte sofort, daß es nur Glenn Morgan gewesen sein konnte, der hier in San Manuel aufgetaucht und sofort wieder verschwunden war, als er ihn hier gesehen hatte. »Danke für den Tip«, sagte Earp und schob dem Salooner einen Geldschein zu. Der Salooner sah ihn fragend an. Er erwartete eine Erklärung. »Ich habe mit diesem Burschen eine alte Rechnung zu begleichen«, entgegnete Wyatt Earp ausweichend. »Der Hombre tut wirklich gut daran, mir aus dem Weg zu gehen.« Nun lächelte der dürre Wirt verstehend und spendierte noch einen Drink, ehe der junge Revolvermann den Saloon verließ. * Wyatt Earp sog die frische Nachtluft in seine Lungen und blickte in die Dunkelheit. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an das Dämmerlicht von Mond und Sterne. Wyatt stiefelte los und näherte sich einem weiteren Saloon. Obwohl er damit rechnete, daß Glenn Morgan die Stadt verlassen hatte, wollte er doch sichergehen, von dem Banditen nicht eine Kugel aus dem Hinterhalt zu erwischen. Weder in diesem Saloon noch im Restaurant war Glenn
Morgan zu finden. Ein wenig enttäuscht ging der junge Revolvermann und Spieler auf das einzige Hotel zu, in dem er die Nacht verbringen wollte. Er dachte an seinen Bruder Virgil, der noch immer nicht eingetroffen war. Und er nahm sich vor, Morgan zu folgen, der wohl noch immer auf der Suche nach der Goldmine war. Sein Bruder Virgil würde bestimmt damit einverstanden sein. Wyatt Earp hatte sich dem Hotel bis auf wenige Schritte genähert und kam an einer dunklen Gasseneinmündung vorbei, als er ein Geräusch vernahm. Ehe er herumwirbeln konnte, spürte er den harten Lauf eines Revolvers in seinem Rücken. Eine rauhe Stimme sagte: »Keine Bewegung, Mister, sonst bist du schneller in der Hölle, als du Luft holen kannst!« Wyatt Earp erstarrte. Heißer Atem traf seinen Nacken. Rauhe Hände zerrten ihn in die dunkle Gasse hinein. »Okay, Mister, nun rück die Dollars raus, die sich in deinen Taschen befinden!« Earp erkannte die Stimme des Bärtigen, mit dem er noch vor einer halben Stunde gepokert hatte. Und den Geräuschen nach zu urteilen, hielten sich die drei anderen Mitspieler ebenfalls in der dunklen Gasse auf. »Ihr seid verdammt schlechte Verlierer, Jungs«, sagte Earp mit spöttischer Stimme. »Okay, ich rücke die Bucks wieder raus. Wie gewonnen, so zerronnen.« Der junge Gambler lachte leise. Er fühlte, wie der Revolverdruck nachließ und dann gänzlich verschwand. Langsam drehte er sich um und blickte auf die vier Burschen, deren Konturen nur sehr undeutlich zu erkennen waren. Trotzdem sah Earp, daß sie sich Halstücher über Mund und Nase geschoben hatten. Zwei der Männer hielten Revolver in den Händen, die auf ihn zielten. »Wir wollen nur das Geld, Mister«, zischte der Bärtige. »Du interessierst uns nicht die Bohne. Du solltest uns auch nicht
folgen, denn dann müssen wir dich umlegen. Ich hoffe, du hast das kapiert?« Wyatt nickte. Die vier Halunken sahen nicht das geringschätzige Lächeln, das seine Mundwinkel teilte. Wie sollten sie auch wissen, daß ein Mann wie Wyatt Earp nicht so schnell aufgab. Er war gefährlicher als eine Klapperschlange. Außerdem war den vier Outlaws ein Fehler unterlaufen: Sie hatten dem Revolverkämpfer den Colt nicht aus dem Halfter gezogen. Das aber sollte sich in den folgenden Sekunden bitter rächen, denn Earp war nun einmal ein Bursche, der sich nicht ungestraft einen Hosenknopf wegnehmen ließ. »Okay, Leute, ich greife nun in meine Jackentasche und hole den Zaster hervor. Ich werde die Bucks auf den Boden legen. Seid ihr damit einverstanden?« Der Bärtige nickte und sagte: »Einverstanden, Mister. Du solltest aber keine üblen Tricks versuchen. Du mußt wissen, ich habe einen verdammt nervösen Zeigefinger!« Wyatt Earps Lächeln verstärkte sich. Er griff mit der linken Hand in seine Tasche. Geldmünzen klimperten, als sie gegeneinander stießen. Earp zog seine Hand hervor und bückte sich. Er legte die Dollarmünzen auf den Boden. Die Blicke der Banditen folgten jeder seiner Bewegungen. Sie erwarteten wohl alle, daß sich ihr Gegner wieder aufrichten würde, doch Earp schnellte sich nun wie ein Panther nach vorn. Er riß die beiden Burschen von den Beinen, die aufschrien und ihre Revolver fallen ließen. Wyatts Überraschungsangriff war geglückt. Es zeigte sich, daß der junge Mann nicht nur mit seinem Revolver ein As war, sondern auch mächtig hart mit den Fäusten zuschlagen konnte. Er ließ sie wirbeln, landete immer wieder Treffer, die den Halunken schwer zusetzten. Schließlich gaben die Banditen auf und ergriffen die Flucht.
Sie hetzten wie Hasen davon und verschwanden in der Dunkelheit. Die dröhnenden Schritte verklangen. Wyatt Earp fuhr sich über sein Gesicht. Er blutete an der Wange. Der Kampf war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Wyatt klopfte sich den Staub und Schmutz aus den Kleidern und suchte die Geldmünzen zusammen, die verstreut in der dunklen Gasse lagen. »Hoffentlich habt ihr genug, ihr Bastarde«, murmelte Wyatt Earp. »Sollten wir uns nochmals begegnen, dann lasse ich die Luft aus euren dummen Schädeln.« Nach diesen Worten stiefelte er auf das Hotel zu, in dem er Sekunden später verschwand. * Der einsame Reiter zügelte seinen struppigen Mustang und richtete den Oberkörper kerzengerade auf. Nur der mächtige Brustkorb des großgewachsenen und breitschultrigen Indianers bewegte sich. Bekleidet war er mit einem grauen Calicohemd, einer wollenen Hose und kniehohen Wüstenmokassins. Um die Stirn wand sich ein farbiges Schweißtuch wie ein dünngewickelter Turban. Wie versteinert wirkte Cochises Gesicht mit der großen Adlernase. Die dunklen Augen blickten über das vor ihm liegende Land. Wild, einsam und zerklüftet lagen die Galiuro Mountains vor dem Apachen-Chief. Er verfolgte den Flug eines Adlers, der auf lautlosen Schwingen immer höher kreiste und sich bald als kleiner Punkt in der Bläue des Himmels verlor. Der Häuptling der Chiricahuas ließ sein Pferd wieder angehen, folgte einem schmalen Pfad, der sich zwischen grauen Felsschroffen hindurchzog. Mesquitebüsche, Kakteen und verkrüppelte Bäume glichen
grünen Tupfern in der wüstenähnlichen Einöde. Eine Klapperschlange sonnte sich auf einem Felsbrocken und stieß ein warnendes Rasseln aus, als sie die Hufschläge registrierte. Cochise reagierte nicht, sondern ritt weiter. Er durchkämmte seit Tagen rastlos das Land, um Geronimo und fremde Indianer von Taten abzuhalten, die unweigerlich den Chiricahuas angekreidet würden. Der Apachen-Häuptling war nach wie vor bestrebt, den mit General Howard geschlossenen Friedensvertrag einzuhalten. Und gerade Geronimo war es, der alles daransetzte, Haß und Zwietracht zu säen, nur um sich selbst einen Namen unter den Apachen zu machen. So weit Cochises Blicke reichten, er konnte kein menschliches Wesen entdecken. Heiß sengte die Sonne hernieder, glich einem gefräßigen Ungeheuer, die dem einsamen Reiter das Mark richtig aus den Knochen zu ziehen schien. Die Berge schimmerten messingfarben bei der Hitze. Cochises Gesicht blieb unbewegt. Er war ein Kind dieses Landes, mit Wind und Wetter vertraut und litt nicht so sehr darunter wie die weißen Eindringlinge, die in immer größeren Scharen in das Apachenland eindrangen. Erneut zügelte Cochise seinen Mustang. Er legte eine Hand über die Augen. Er sah eine Staubwolke einige Meilen von sich entfernt. Die Entfernung war aber zu groß, um nähere Einzelheiten erkennen zu können. Entschlossen trieb Cochise seinen Pinto an. Das gefleckte Pferd setzte sich willig in Bewegung. Der Chiricahua-Chief ließ die Staubwolke nicht aus den Augen, hielt auf sie zu, achtete aber immer darauf, in guter Deckung zu bleiben, um nicht gesehen zu werden. Deckungsmöglichkeiten gab es zahllose in diesem unwegsamen Gelände, die den Apachen-Häuptling immer wieder vor neugierigen Blicken schützten.
Die Staubwolke wurde größer. Bald erkannte Cochise eine Rinderherde von annähernd 100 Tieren und ein Dutzend Reiter, die sich um die Longhorns verteilt hatten. Cochise kletterte einen Hügel hoch und verbarg sich hinter einem Manzanitas-Gebüsch. Wenige Schritte von ihm entfernt leuchteten die gelben und roten Blüten eines Ocatillostrauches in der tristen Einöde. Der Apachen-Häuptling wartete geduldig in seinem Versteck. Wenn die Rinderherde nicht urplötzlich die Richtung wechselte, und danach sah es nicht aus, mußte sie nur einige Steinwurfweiten entfernt unterhalb des Hügels vorbeiziehen. Minuten vergingen. Eine Eidechse schob sich zwischen zwei Felsbrocken hervor und huschte schnell davon. Die Herde näherte sich immer mehr. Bald konnte Cochise das Muhen der Tiere hören und nun auch die Reiter deutlicher erkennen, die Lassoenden und Bullpeitschen schwangen, um besonders störrische Rinder wieder zur Herde zurückzutreiben. Viehdiebe, dachte Cochise. Das sind Banditen, die eine Herde gefleckter Tiere gestohlen haben und sie nun in Sicherheit bringen. Das alles erriet Cochise, denn er war ein erfahrener Mann. Er sah auch, daß sich die Weißhäutigen immer wieder in den Sätteln umwandten und in die Richtung blickten, aus der sie gekommen waren. Sie schienen mit Verfolgern zu rechnen. Cochise beschloß, die weißen Banditen und die Herde vorerst nicht aus den Augen zu lassen. Einige Minuten später folgte er ihnen. * Nach seiner überstürzten Flucht aus San Manuel war Glenn Morgan in Richtung der Galiuro Mountains geritten. Er befand sich nun auf der Ebene zwischen diesem Gebirge und den
Pinaleno Mountains. Die Nacht schlich sich wie ein Dieb davon. Im Osten kündeten erste Lichtexplosionen das Nahen des neuen Tages. Bodennebel waberten zwischen den Hufen des grauen Wallachs, der den geflüchteten Outlaw einem Ungewissen Ziel entgegentrug. Immer wieder hatte Glenn Morgan auf seine Fährte zurückgeblickt. Er atmete stets auf, wenn er keinen Verfolger entdecken konnte. Irgendwie hatte er damit gerechnet, von Wyatt Earp verfolgt zu werden. Er wußte, daß Earp ein unerbittlicher Gegner war, der alles daransetzten würde, um ihn wieder ins Gefängnis von Tombstone zu bringen. Glenn Morgan parierte sein Pferd unter einem Cottonwood und sprang aus dem Sattel. Die morgendliche Kühle kroch durch seine Kleidung und ließ den Banditen frösteln. Er verfluchte seinen überstürzten Aufbruch. Zu gern hätte er sich in San Manuel einen Whisky durch die Kehle gejagt. Morgan tröstete sich aber mit dem Gedanken, bei Jeff Cooper einen Drink zu erhalten. Er kannte Cooper von früher, als sie gemeinsam geritten und mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Jeff Cooper mußte hier in der Gegend ein verborgenes Camp unterhalten und lebte vom Viehdiebstahl und anderen Überfällen. Glenn Morgan hoffte, in dem Outlaw einen Partner zu finden, der ihm bei der Suche nach der legendären Goldmine der Apachen helfen sollte. Morgan lief auf und ab, dehnte und reckte seinen schlanken Körper, um die verkrampften Muskeln zu lockern. Später suchte er in seinen Satteltaschen nach Proviant, konnte aber nichts finden. Er verfluchte Hank William, den Hilfsmarshal von Tombstone, und kletterte wieder auf den Rücken des Grauen. Glenn Morgan setzte seinen Ritt fort. Leider wußte er nur die
ungefähre Richtung, in der sich das Camp der Outlaws befinden sollte. Das aber bedeutete in der grenzenlosen Weite dieses Landes nicht allzuviel. Es konnte leicht passieren, am Ziel vorbeizureiten. Es wurde noch heller. Die Konturen nahmen an Schärfe zu. Es dauerte nicht mehr lange, bis die ersten Sonnenstrahlen auf das Land fielen. Tautropfen erinnerten an funkelnde Diamanten. Die nächtliche Frische wich. Schon bald zeigten sich die ersten Schweißperlen auf Glenn Morgans Stirn. Es würde wieder ein heißer Tag werden, der von Mensch und Tier alles abverlangte. Der Bandit zuckte zusammen, als er Hufschläge vernahm, die sich schnell näherten. Er blickte aus zusammengekniffenen Augen auf die beiden Reiter, die hinter einer Felsgruppe auftauchten. Die Fremden hielten auf ihn zu und parierten ihre Pferde sehr rauh, als sie Morgan fast erreicht hatten. Träge senkte sich der aufgewirbelte Staub zu Boden. Morgan fluchte unterdrückt, als er die beiden auf ihn gerichteten Revolver sah. »Laß das Gewehr dort, wo es ist«, sagte einer der beiden Reiter. Er war untersetzt, trug abgewetzte Cowboykleidung und einen riesigen Lederhut. Der andere Reiter nickte zu diesen Worten. Unfreundliche Blicke musterten Glenn Morgan. »Ein Überfall?« Morgan schluckte und räusperte sich. Außerdem verwünschte er seine Nachlässigkeit, diesen beiden Burschen in die Hände gefallen zu sein. »Bei mir gibt es nichts zu holen, Gents«, fuhr Morgan fort. »Bitte nehmen Sie Ihre Revolver weg.« Die beiden Männer lächelten. »Wir sind keine Banditen, Mister«, ließ sich der untersetzte
Fremde vernehmen. »Du stehst aber im Verdacht, einer zu sein.« »Ein Viehdieb«, sagte der andere Mann knurrend. »Rustler haben uns eine hundertköpfige Herde gestohlen. Und nun wirst du verstehen, daß wir uns jeden Fremden näher ansehen.« Glenn Morgan lächelte und zuckte mit den Achseln. »Okay, Leute, dann seht euch um. Vielleicht habe ich die 100 Rinder in meinen Satteltaschen versteckt. Seht nur nach. Soll ich aus dem Sattel klettern?« Seine Stimme klang spöttisch. Die Gesichter der beiden Rindermänner verfinsterten sich noch mehr. »Riskier nur nicht eine zu große Lippe«, sagte der untersetzte Rancher und schob den riesigen Lederhut in den Nacken. »Woher kommst du, und wohin willst du?« »Ich bin in San Manuel gewesen, Gents, und will weiter nach Fort Grant. Ich habe mit den Viehdieben nichts zu tun. Warum folgt ihr nicht einfach den Fährten eurer Rinder? Das dürfte euch doch nicht schwerfallen?« »Das tun wir, Mister. Dort drüben hinter dem Hügel warten noch einige unserer Leute. Natürlich wollten wir dich näher unter die Lupe nehmen. Es hätte ja sein können, daß du zu diesen verdammten Rustlern gehörst, die schon seit Wochen hinter unseren Rindern her sind.« Glenn Morgan nickte und lächelte zufrieden, als die beiden Rancher ihre Revolver halfterten. »Wir haben uns dein Gesicht gut gemerkt, Mister«, sagte der untersetzte Rindermann. »Wenn wir dich jemals in der Nähe eines Rinderschwanzes sehen, bist du dran!« Die beiden Rancher zogen ihre Pferde herum und ritten davon. Glenn Morgan blickte ihnen grinsend nach. »Na also«, murmelte er. »Nun brauche ich nur euren Fährten zu folgen und werde bestimmt auf Jeff Cooper treffen. Ich wette jeden Betrag, daß er seine Hände in diesem Spiel hat.« Glenn Morgan beschloß, eine längere Pause einzulegen, dann
wollte er der Ranchmannschaft folgen. * »Schön Sie zu sehen, Mr. Haggerty«, sagte General Oliver O. Howard und reichte dem Armee-Scout die Hand, der den herzlichen Druck erwiderte. Der einarmige Offizier deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Der hochgewachsene Mann mit den breiten Schultern und der schlanken Taille setzte sich. Braune, gewellte Haare umsäumten ein schmales, bartloses Gesicht. »Die Ruhepause der letzten Tage hat Ihnen gutgetan, Haggerty«, sagte der General, nachdem er seinen fähigsten Scout forschend gemustert hatte. »Zum Glück konnten wir das Schlimmste von Fort Bowie abwenden. Ich hoffe nur, daß dieser Geronimo mit seinem bunt zusammengewürfelten Haufen endlich Ruhe gibt.« John Haggerty lächelte kaum merklich. »Dafür wird Cochise schon sorgen, Sir. Ihm bleibt überhaupt keine andere Wahl, als diesen Emporkömmling in die Schranken zu weisen. Der Chiricahua-Häuptling will unnötiges Blutvergießen vermeiden, wo immer es möglich ist.« »Das ist mir bekannt, Haggerty. Wir können von großem Glück reden, daß Cochise so vernünftig ist. Trotzdem sorge ich mich. Das Apachenland gleicht einem Pulverfaß. Nur der zündende Funke fehlt noch, um unsere Bemühungen der letzten Wochen und Monate zunichte werden zu lassen.« Eine tiefe Falte grub sich über der Nasenwurzel in die Stirn des Generals. Sein forschender Blick ruhte auf John Haggerty, der die linke Augenbraue hochzog. »Was soll ich tun, Sir?« »Reiten Sie in Richtung Fort Bowie, und halten Sie die nördliche Gegend im Auge, Haggerty. Ich werde das Gefühl
nicht los, daß sich dort etwas zusammenbraut. Vielleicht versucht dieser Geronimo nochmals Zwietracht zu säen. Sie wissen, daß ich inzwischen meine Truppen von Fort Bowie abgezogen habe?« »Yes, Sir, das ist mir bekannt. Gut, ich reite sofort los.« John Haggerty erhob sich. »Soll ich Ihnen einen indianischen Scout mitgeben, Haggerty? Sie können auch zwei oder drei meiner Blauröcke mitnehmen. Diese Entscheidung überlasse ich aber Ihnen.« »Das ist nicht nötig, Sir. Ich kenne mich in der Gegend um Fort Bowie gut aus. Allein falle ich auch nicht so auf, als wenn mich einige Männer begleiten.« General Oliver O. Howard erhob sich und trat zu seinem fähigsten Scout. Er legte ihm seine unversehrte Hand auf die Schulter. »Alles Glück dieser Welt, mein Junge.« »Danke, Sir«, antwortete John Haggerty nach diesen persönlich gemeinten Worten. »Ich werde Sie nicht enttäuschen.« »Das weiß ich, Haggerty. Achten Sie gut auf sich. Niemand ist gegen eine Kugel aus dem Hinterhalt gefeit. Dort draußen in der Wildnis treibt sich zweibeiniges Raubzeug herum. Es gibt auch einige Indianer, die Ihnen nicht gerade wohlgesinnt sind.« Er reichte dem Scout die Hand. John Haggerty verließ die Kommandantur. Eine halbe Stunde später ritt er auf seinem ausgeruhten Pferd los. * Cochise hatte es keinerlei Schwierigkeiten bereitet, den Viehdieben und der Herde unbemerkt zu folgen. Er lag auf einem Hügel in sicherer Deckung und sah zu, wie die Rustler die Rinder in ein kleines Tal trieben. Der Häuptling der Chiricahua-Apachen wollte schon seinen
Beobachtungsplatz verlassen, als er eine Staubwolke bemerkte, die auf der weiten Ebene sichtbar wurde. Es mußte sich um einen Reitertrupp handeln, der den Fährten der gestohlenen Rinder folgte. Auf Cochises Lippen zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. Er ahnte, daß die Besitzer der gestohlenen Rinderherde im Anmarsch waren, um sich die Rinder wieder zurückzuholen. Auch einige der Rustler hatten die Staubwolke bemerkt. Warnende Rufe drangen hoch bis an Cochises Ohren. Die Banditen beeilten sich noch mehr, auch den letzten Rinderschwanz in das Tal zu treiben. Der Apachen-Häuptling zählte fünfzehn Viehdiebe, die Minuten später rechts und links am Taleingang hinter allen nur erdenklichen Deckungen Schutz suchten. Gewehre blitzten in der Sonne. Tödliches Schweigen breitete sich aus. Die Verfolger ritten langsam näher. Es handelte sich um sieben Reiter, die eine halbe Meile vor dem Taleingang ihre erschöpften Pferde zügelten. Sie schienen erkannt zu haben, daß der Taleingang zu einer tödlichen Falle geworden war. Die sieben Männer beratschlagten. Im ersten Moment sah es aus, als wollten sie aufgeben, dann aber kletterten sie aus den Sätteln, zogen ihre Gewehre aus den Scabbards und verteilten sich im kniehohen Büffelgras. Sie konnten von den Rustlern nicht mehr gesehen werden. Natürlich fiel es Cochise aus seiner erhöhten Position nicht schwer, die sieben Männer zu beobachten, die sich immer näher an den Taleingang heranschlichen. Es war Cochise klar, daß dort unten bald ein heißer Kampf entbrennen würde. Und seiner Ansicht nach hatten die Verfolger kaum Chancen, den Rustlern die Beute abzunehmen. Minuten vergingen. Noch war kein Schuß gefallen. Die fünfzehn Verteidiger spähten hinter ihren Deckungen hervor in
die Ebene hinaus. Noch konnten sie die anschleichenden Gegner nicht entdecken, die sich immer näher heranschoben. Cochise saß wie auf dem Logenplatz eines Theaters und wollte sich das bevorstehende Drama nicht entgehen lassen. Um so verwunderter blickte der Apachen-Chief, als er in weiter Ferne einen Reiter erkannte, der den sieben Männern gefolgt sein mußte. Der Fremde näherte sich, parierte sein Pferd einige Minuten später hinter einer Dornenhecke und sprang aus dem Sattel. Cochise erkannte sehr schnell, daß dieser Mann ebenfalls heranschlich. Bald hatte er die zurückgebliebenen Pferde der Verfolger erreicht. Cochise sah, daß sich der Fremde an den Satteltaschen zu schaffen machte und dann ebenfalls auf den Taleingang zuschlich. Der Apachen-Häuptling richtete seine gespannte Aufmerksamkeit wieder auf die sich anschleichenden Männer und auf die Rustler am Eingang des Valleys. Die beiden feindlichen Gruppen waren nun nur noch höchstens fünfzig Yards auseinander. Es konnten nur noch Sekunden vergehen, ehe das Gefecht lostoben würde. Cochises Augen verengten sich leicht, als er zwei der Anschleicher sah, die indianische Kriegsbogen mit sich führten. Sie banden längliche Gegenstände an die Pfeilschäfte. Es mußten Dynamitpatronen sein, ahnte Cochise. Bald flammten auch Zündhölzer auf. Funken sprühten und fraßen sich die Lunten entlang. Dann zogen auch schon die Pfeile ihre Bahn, flogen auf die Deckungen rechts und links des Taleinganges zu. Gleich darauf explodierten die Teufelsgeschosse. Die Hölle brach auf. Die ohrenbetäubenden Detonationen jagten den Verteidigern des Tales einen gehörigen Schrecken ein. Zwei der Rustler blieben liegen, nachdem sich die Rauchund Staubwolke verzogen hatte. Neue Pfeile sirrten heran. Die
anderen Männer feuerten einen Bleihagel auf die Banditen ab. Wieder brüllten die Explosionen auf. Erneut breitete sich eine große Rauch- und Staubwolke aus. Die Angreifer huschten näher und feuerten aus allen Rohren. Sie hatten nach wie vor den Überraschungseffekt auf ihrer Seite. Die Rustler hätten sich niemals träumen lassen, derart in Schwierigkeiten zu geraten. Cochise sah von seinem erhöhten Beobachtungsplatz aus, daß insgesamt vier der Viehdiebe den Dynamitpatronen zum Opfer gefallen waren. Die anderen Rustler suchten sich andere Deckungsmöglichkeiten und wehrten sich nun erfolgversprechend ihrer Haut. Drei der Verfolger brachen unter gut gezielten Schüssen zusammen und blieben regungslos liegen. Die vier übriggebliebenen Männer wehrten sich tapfer ihrer Haut, hatten aber gegen die erdrückende Übermacht der Outlaws keine Chance. Bald ergriffen sie die Flucht. Einer der zur Ranchmannschaft gehörenden Leute wurde von einer Kugel getroffen, stolperte noch einige Schritte, ehe er zusammenbrach. Die drei anderen Burschen hetzten auf die Pferde zu. In diesem Augenblick brüllte vor den Fliehenden eine Winchester auf. Die Flüchtenden hatten keine Chance. Sie wurden gnadenlos von den Kugeln der heimtückischen Schützen niedergemäht. Die Schüsse verstummten. Eine fast unheimliche Stille breitete sich aus. Pulverdampf zerfaserte. Der Kampf war vorbei. Cochise richtete seinen Blick auf den Mann, der sich nun hinter seiner Deckung erhob, das Gewehr über seinem Kopf schwang und dann langsam auf die Rustler zumarschierte. Der Chiricahua-Häuptling kannte diesen Burschen. Schon einmal war er ihm entkommen. Es war kein anderer als Glenn Morgan.
* »Da bist du ja endlich«, sagte Wyatt Earp und erhob sich, um seinen Bruder Virgil zu begrüßen. Die beiden Brüder schüttelten sich die Hände. Während sich Virgil setzte, winkte Wyatt zum Keeper hinüber und bestellte noch ein Frühstück. Wyatt blickte seinen Bruder lächelnd an. Er sah ein volles Gesicht, tiefliegende Augen und einen Schnurrbart, der Virgil einen verwegenen Anstrich gab. Virgil Earp war ungefähr zwei oder drei Jahre älter als Wyatt, von starkem Körperbau und ein wenig träge in seinen Bewegungen. Er lächelte ebenfalls und nickte zufrieden, als der Wirt das Frühstück brachte. Kauend sagte er: »Ich bin unterwegs aufgehalten worden, Bruderherz. Nun bin ich aber da. Und ich frage mich seit Tagen, was es so wichtiges gibt, daß wir uns unbedingt treffen müssen.« Wyatt Earps verwegenes Lächeln verstärkte sich. Er dämpfte seine Stimme, als er antwortete: »Gold, Virgil. Es geht um eine Goldmine. Ich kenne die ungefähre Lage. Dazu benötige ich dich, denn allein ist es mir zu gefährlich, ins Apachengebiet zu reiten. Ich bin zwar mit Cochise gut bekannt, trotzdem ist das Risiko sehr groß. Es gibt da einige Outlaws, die ebenfalls hinter der Goldmine her sind. Zu zweit können wir es scharfen. Na, was sagst du jetzt?« Virgil Earp hatte zu kauen aufgehört, als er seinen Bruder von der Goldmine berichten hörte. Nun fuhr er lässig über seinen Schnurrbart. »Okay, das ist natürlich ein triftiger Grund, um mich kommen zu lassen. Und du glaubst wirklich, daß du keinem Hirngespinst hinterherjagst, Wyatt?« Wyatt Earp berichtete von Glenn Morgan, der ebenfalls hinter der Goldmine her war.
Der junge Revolvermann und Spieler endete mit den Worten: »Wir müssen diesem Glenn Morgan folgen, Virgil. Es ist verdammt schade, daß du erst heute eingetroffen bist. Der Vorsprung des Höllenhundes ist nun sehr groß geworden. Wir werden den Burschen aber irgendwie finden. Diese Chance lassen wir uns nicht entgehen.« Virgil Earp nickte, schob seinen leeren Teller zurück und seufzte zufrieden. »Wir schaffen das schon«, sagte er und winkte dem Barkeeper zu. »Zwei Drinks«, rief er. »Whisky, Mister.« Die Brüder prosteten sich zu und stürzten dann den goldgelben Whisky in die Kehlen. Virgil erhob sich. »Ich sehe mich nach einem frischen Pferd um, Wyatt. In zehn Minuten können wir losreiten. Übernimmst du die Zeche?« »Du bist noch immer der alte«, antwortete Wyatt lächelnd. »Okay, ich zahle, Bruderherz. Besorge dir ein ausdauerndes Pferd, denn vor uns liegt ein langer und harter Ritt.« Virgil stülpte sich den staubigen Stetson auf den Schädel und verließ den Saloon mit schnellen Schritten. Wyatt Earp blickte ihm zufrieden nach, ehe er beim Salooner zahlte. Eine halbe Stunde später verließen die beiden Earps San Manuel. Die Sonne meinte es trotz der frühen Morgenstunde schon gut und sengte heiß hernieder. Wyatt hielt auf die Ebene zwischen den Galiuro und den Pinaleno Mountains zu. »Da ist die ungefähre Richtung, in der die Goldmine liegen soll«, erklärte er seinem Bruder. »Wir werden schon irgendwelche Hinweise auf Morgan finden. Natürlich müssen wir darauf achten, daß uns dieser Hundesohn nicht aus dem Hinterhalt abknallt. Dem Burschen wird dabei kein Auge übergehen. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie er aus dem Gefängnis von Tombstone fliehen konnte. Dieser Marshal
dort ist wirklich ein erfahrener Bursche.« Die beiden Männer schwiegen und ritten weiter. Bald zeichneten sich auf den Oberschenkeln und unter den Achselhöhlen dunkle Schweißflecken ab. Die beiden Reiter näherten sich einem Hügel. Um sie herum lagen Felsbrocken wahllos durcheinander, als hätte sie ein Riese im Spiel verteilt. Virgil Earp saß in sich zusammengesunken im Sattel und hatte den Stetson tief in die Stirn gezogen. Ohne seine Haltung zu verändern, stieß er plötzlich hervor: »Vorsicht, Wyatt. Ich habe es auf dem Hügel vor uns aufblinken sehen. Es sah so aus, als würde ein Gewehrlauf vom Sonnenlicht reflektiert. Wenn mich nicht alles täuscht, dann lauern einige Burschen auf uns.« Wyatt Earp war erfahren genug, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl ihn die Worte seines Bruders erschreckten. »Das wird dieser Morgan sein«, fuhr Virgil fort. »Das glaube ich nicht«, entgegnete Wyatt Earp. »Der Bursche hat schon längst etliche Meilen zurückgelegt. Vielleicht hofft er noch immer, daß ich von seinem Auftauchen in San Manuel nichts erfahren habe.« »Wer will uns dann ans Leder?« Virgil fragte dies nervös. Er spähte unter der Krempe seines Stetsons hervor und sah es erneut auf dem Hügel aufblitzen. Die Distanz betrug noch eine halbe Meile. Vorerst befanden sich die beiden Earps noch außer Gewehrschußweite. »Vielleicht sind es diese vier Hundesöhne, mit denen ich gestern abend gepokert habe«, sagte Wyatt Earp nach einigen Sekunden des Nachdenkens. »Die Burschen haben noch immer nicht aufgegeben, obwohl ich ihnen heute nacht eine gründliche Abfuhr erteilte. Die wollen ihre Dollars wieder zurück, die sie im Spiel an mich verloren haben.« Virgil brummte etwas, was Wyatt nicht verstehen konnte. Dann sagte er: »Die Story kannst du mir später erzählen. Siehst du die Felsbrocken vor uns, Wyatt? Wir müssen sie erreichen
und dort die Pferde verstecken. Weiter dürfen wir uns auf keinen Fall vorwärts wagen, denn sonst knallen uns die Kerle ab wie die Hasen. Wenn es wirklich diese vier Männer sind, dann wird es nicht einfach werden, unsere Köpfe aus der Schlinge zu ziehen.« »Ach was, Virgil«, antwortete Wyatt Earp lässig. »Mit diesen Kerlen werden wir leicht und locker fertig. Die fühlen sich nur stark, wenn sie in der Übermacht sind. Wenn es uns gelingt, einen von ihnen zu erwischen, dann laufen die anderen wie die Hasen davon. Okay, wir reiten bis zu den Felsen. Dann beträgt die Distanz zu den Halunken noch ungefähr 100 Yards. Es gibt genügend Deckungsmöglichkeiten, um uns anzuschleichen. Wir besorgen es diesen hinterhältigen Bastarden.« Damit war alles gesagt. Die Earps ritten weiter, als hätten sie die im Hinterhalt liegenden Gegner noch nicht entdeckt. Trotzdem war es ein risikoreiches Spiel, das die beiden Männer trieben. Sie atmeten beide auf, als sie sich dicht vor den Felsen befanden. Sekunden später waren sie hinter den Steinen verschwunden. Grinsend glitten sie aus den Sätteln und griffen ihre Gewehre fester. »Okay, Virgil«, sagte Wyatt. »Du schleichst dich von rechts auf den Hügel zu, während ich die linke Seite nehme. Halte die Ohren steif, alter Junge.« Die beiden Männer schlichen los. Es dauerte nicht lange, dann wehte ihnen heißes Blei um die Ohren. Trotzdem näherten sich die Earp-Brüder immer mehr dem Hügel, von dem die Gegner pausenlos feuerten. Sie vergeudeten aber nur Munition, denn Virgil und Wyatt Earp nutzten jede Deckungsmöglichkeit aus. Sie waren erfahren genug, um sich keine Blöße zu geben. Es dauerte nicht lange, dann hatten sie sich dem Hügel bis
auf etwa 50 Yards genähert. Nun schossen auch sie. Wyatt Earp hatte den bärtigen Burschen deutlich erkannt, als sich dieser zu weit hinter seiner Deckung hervorwagte. »Na warte, Bürschchen«, murmelte der junge Spieler und Revolvermann. »Dir werde ich es beibringen, anständig beim Pokern zu verlieren.« Wyatt feuerte. Die Kugel traf den Outlaw in die Brust, der hinter dem Felsbrocken in die Höhe wuchs und dann zur Seite kippte. Für einen Moment stellten die drei anderen Banditen das Feuer ein. Wyatt Earp nickte nur zufrieden und huschte noch näher an das Versteck der Outlaws heran. Auch sein Bruder war bis auf wenige Yards an den Hügel herangekommen. Sie nahmen die Banditen erneut unter Beschuß. Einer der Kerle schrie auf, als er von einer Kugel gestreift wurde. Es dauerte nur noch wenige Sekunden, dann vernahmen Wyatt und Virgil hämmernde Hufschläge. Die Banditen ergriffen die Flucht, nachdem ihr heimtückischer Plan nicht aufgegangen war. Kurze Zeit darauf standen die beiden Earps vor dem Bärtigen, der am Boden lag und stöhnte. Der Verwundete preßte eine Hand auf seine linke Brustseite. Blut quoll unter seinen zuckenden Fingern hervor. Sein Gesicht schimmerte grau wie Holzasche. In seinen Augen lag bereits die Starre des sich nahenden Todes. Wyatt Earp kniete neben dem bärtigen Mann nieder, aus dessen Mund ein Stöhnen brach. Der Revolvermann sah, daß jede Hilfe zu spät kam. Der Verwundete würde die Schußverletzung nicht überleben. »Aus und vorbei«, murmelte Wyatt Earp. »Du bist ein verdammter Narr gewesen, Mister. Man muß auch verlieren können. Ich hatte dich in San Manuel gewarnt.« Die Lippen des Sterbenden bewegten sich, aber die Earps konnten keinen Laut verstehen. Ein letztes Aufbäumen lief
durch den Körper des Bärtigen, ehe der Kopf zur Seite fiel. Seelenlose Augen starrten in die Bläue des Himmels. Wyatt drückte dem Toten die Augenlider zu und erhob sich. Virgil trat auf seinen Bruder zu. Er war auf dem Hügel gewesen, um nach den anderen Banditen zu sehen. »Sie sind auf und davon«, sagte er. »Ich glaube nicht, daß sie es nochmals mit uns aufnehmen werden.« Wyatt nickte nur. »Das glaube ich auch, Virgil. Ehe wir unseren Ritt fortsetzen, sollten wir den Toten begraben und ihn nicht für die Geier zurücklassen. Einverstanden?« Virgil Earp nickte nur. * Glenn Morgan schwang seine Winchester über dem Kopf, als er auf Jeff Cooper und dessen Leute zustiefelte. »Nicht schießen, Jeff«, rief Morgan. »Sieh mich nur genau an, dann wirst du mich erkennen. Außerdem habe ich euch geholfen. Ich muß mit dir sprechen, Cooper.« Furchtlos marschierte Glenn Morgan auf die Outlaws zu, die sich um Jeff Cooper versammelt hatten. Cooper war ein breitschultriger, untersetzt wirkender Mann von undefinierbarem Alter. Ein wuchernder Vollbart bedeckte Kinn und Wangen. Zwei Revolver im Kreuzgurt deuteten auf die Gefährlichkeit des Viehdiebs hin. Er musterte Morgan aus zusammengekniffenen Augen. Noch schien er den Outlaw nicht erkannt zu haben. Glenn Morgan sah ein halbes Dutzend Gewehrläufe auf sich gerichtet und fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut. Fast sah es aus, als wollte der Bandit stehenbleiben, doch dann ging er furchtlos weiter. Erst wenige Pferdelängen vor Jeff Cooper und dessen Rustlern verhielt Glenn Morgan. »Erkennst du mich wirklich
nicht wieder?« fragte er. »Denk mal nach, Jeff. Ich bin es, Glenn Morgan. Wir sind uns vor einiger Zeit in Tucson begegnet. Und dann steckte mir ein Hombre, daß du dich hier in dieser Gegend aufhalten sollst.« Jeff Cooper nickte plötzlich. Noch immer lag Mißtrauen auf seinem harten Gesicht. »Yeah, nun erinnere ich mich, Morgan«, sagte er. »Mit dir habe ich längst nicht mehr gerechnet. Was willst du von mir?« Glenn Morgan biß sich auf die Unterlippe. Er hatte mit einem freundlicheren Empfang gerechnet. Ein gewinnendes Lächeln legte sich um Morgans Mundwinkel. »Das erzähle ich dir später, Cooper. Du kannst dich aber darauf verlassen, daß ich nicht mit leeren Händen vor dir stehe. Ich brauche deine Hilfe. Dem Marshal von Tombstone konnte ich entkommen, denn der wollte mich doch glatt aufhängen.« Glenn Morgen grinste. Die Gesichter der Viehdiebe blieben ausdruckslos. Morgan erkannte, daß er es mit einem harten Rudel zu tun hatte. Es waren Burschen, denen ein Menschenleben nichts bedeutete. »Okay, Morgan«, sagte Jeff Cooper und fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißbedeckte Stirn. »Wir sprechen später miteinander. Zuerst müssen wir nach den Toten und Verwundeten sehen. Einer meiner Leute wird dich in das Tal bringen. Zuvor wirst du ihm deine Waffen übergeben. Du kriegst sie später wieder zurück, wenn wir uns unterhalten haben.« Das schmeckte Glenn Morgan überhaupt nicht. Er hatte aber keine andere Wahl, als Jeff Coopers Befehl zu befolgen. Einer der Rustler brachte ihn in das Tal. Ein Bach schlängelte sich silbern durch das Gras. Die gestohlenen Rinder weideten in der Nähe des Wassers. Unter einigen Cottonwoods stand eine Blockhütte. In einem Corral tummelte sich über ein Dutzend Pferde. »Das ist also euer Camp«, sagte Morgan zu seinem Begleiter,
der seitlich versetzt hinter ihm ging und seinen Revolver in der Faust hielt. »So ist es, Morgan. Und wenn du ein Spitzel sein solltest, dann wirst du keine Gelegenheit mehr haben, dieses Geheimnis auszuplaudern. Das verspreche ich dir.« Morgan wandte den Kopf und sah den Outlaw an, der gemein grinste und ihn spöttisch ansah. »Euer Mißtrauen ist unbegründet«, erwiderte Glenn Morgan. »Ich habe eine größere Sache vor, und dazu benötige ich die Hilfe einiger rauher Jungs. Es springt mehr dabei raus, als ein paar gehörnte Tanten zu stehlen. Das hier ist billiger Krimskram. Ich verstehe nicht, daß sich Cooper überhaupt mit solchen Dingen abgibt.« »Die Rinder werden gut bezahlt, Morgan«, antwortete der Bandit unfreundlich. »Das alles ist nur vorübergehend. Und wir werden…« Der hagere Bursche, der an einen Wüstenwolf erinnerte, winkte ab. »Was geht es dich an?« fragte er. »Cooper wird entscheiden, was mit dir geschieht.« Sie erreichten die Blockhütte. »Hinein mit dir, Morgan«, stieß der Rustler hervor. Glenn Morgan befand sich gleich darauf in der Blockhütte. Die Tür schloß sich knarrend hinter ihm. Ein schwerer Riegel wurde vorgeschoben. Morgan hörte die Schritte des Outlaws, die sich entfernten. Er nahm aber an, daß sich der hagere Kerl irgendwo in den Schatten setzte und die Blockhütte nicht aus den Augen lassen würde. Morgan warf sich auf die harte Pritsche und schloß die Augen. Er fühlte die Müdigkeit, die durch seinen Körper pulsierte. Seit vielen Stunden hatte er nicht mehr schlafen können. Es wird schon alles klappen, dachte Glenn Morgan. Wenn Cooper erst von der legendären Goldmine erfährt, wird er begeistert sein.
Mit diesem Gedanken schlief Glenn Morgan ein. * Cochise hatte genug gesehen. Er schlich zu seinem Pinto, hechtete auf den Pferderücken und ritt davon. Sein Plan war längst gefaßt. Er wollte die weißen Banditen aus seinem Land vertreiben. Dazu benötigte er aber die Hilfe seiner Blutsbrüder. Obwohl der Chiricahua-Häuptling ein mutiger Krieger war, wollte er nicht allein gegen die weißen Viehdiebe kämpfen. Cochise war nicht so verblendet, zu glauben, daß er es allein gegen ein Dutzend Banditen schaffen könnte. Außerdem ahnte er, daß sich Geronimo mit seiner bunt zusammengewürfelten Schar Krieger in der Nähe aufhielt. Er traute Geronimo zu, daß sich dieser mit den weißen Banditen verbünden würde, nur um ihm zu schaden. Der Häuptling der Chiricahua-Apachen aber mußte alles dransetzen, daß Geronimos zunehmende Macht eingedämmt wurde. Cochise mußte ihm zeigen, daß er der Anführer aller Apachen war und sich nicht von einem Burschen wie Geronimo einschüchtern ließ. Cochise ritt mehr als eine Stunde und hielt auf eine Stelle der Galiuro Mountains zu, wo er vermutete, daß Geronimo dort sein Lager aufgeschlagen hatte. Schüsse schreckten Cochise aus seinen Gedanken. Sie fielen hinter einem Hügel und zerrissen die Stille des Tages. Der Chiricahua zügelte sein Pferd, sah sich um und ritt dann auf ein Dickicht zu. Schon bald eilte er auf den Hügel zu, kletterte hoch und legte sich bäuchlings in eine Bodenmulde, von wo aus er das vor ihm liegende Gelände gut überblicken konnte. Er sah eine Postkutsche, die von Indianern angegriffen wurde. Berittene Indianer mit Federhauben näherten sich von
unten auf einem Hang der Stage Coach. Cochise erkannte auch einige Krieger ohne Federschmuck. Die Angreifer feuerten mit Pfeil und Bogen und auch mit Gewehren auf die Postkutsche. Heißes Blei schlug ihnen entgegen, denn nicht nur Fahrer und Beifahrer erwiderten das Feuer. Auch einige der Passagiere schossen. Cochise erkannte Geronimo, der den Angriff leitete. Mit ernstem Gesicht verfolgte der Chiricahua-Häuptling das weitere Geschehen. Er erkannte aber rasch, daß der Angriff der abtrünnigen Apachenhorde nichts einbringen würde. Geronimo hatte seine Krieger schlecht geführt und die Stelle des Überfalls nicht richtig gewählt. Zwei der Angreifer stürzten von den Pferderücken. Die Stage Coach jagte dahin und zog eine riesige Staubwolke hinter sich her. Die Männer auf dem Kutschbock und in der Kutsche verstanden es ausgezeichnet, mit ihren Gewehren umzugehen. Den Angreifern blieb letztlich keine andere Wahl, als den Angriff abzubrechen. Sie sammelten sich, holten ihre Toten und Verwundeten und ritten auf die Berge zu. Cochise aber fragte sich, um was für eine Stage Coach es sich gehandelt hatte. Er wußte zu genau, daß es hier keine Postkutschenverbindung gab. Es konnte nur eine Sonderkutsche gewesen sein. Durch den Körper des Apachen-Häuptlings ging ein Beben. Er fühlte heißen Zorn in sich aufsteigen, als er zu seinem Pinto lief. Ungestüm schwang er sich auf den Rücken des gefleckten Pferdes und trieb das Tier hart an. Cochise ließ den Mustang tüchtig ausgreifen, ritt eine Abkürzung und wollte so Geronimo und dessen zusammengewürfelten Haufen überholen. Er schonte weder sich noch sein Pferd. Eine halbe Stunde später zügelte Cochise den Pinto im Schutze eines Felsens, der wie ein erhobener Zeigefinger in den blauen Himmel ragte.
Der Chiricahua-Häuptling wußte, daß Geronimo hier an dieser Stelle vorbeireiten würde. Minuten vergingen, ehe die ersten Hufschläge zu vernehmen waren. Cochises muskulöser Körper richtete sich auf. Stolz saß er auf dem Pferderücken, als er den Pinto antrieb und Geronimo und dessen Rotte aus Mimbrenjos und White Mountain Apachen entgegenritt. Der Trupp geriet ins Stocken. Überraschung zeigte sich auf den Gesichtern der Krieger. Geronimos breitflächiges Gesicht wirkte wie versteinert. Seine schwarzen, langen Haare, die von einem Stirnband gehalten wurden, wehten im leichten Wind. Waffen richteten sich auf Cochise, der dies mit einem verächtlichen Lächeln ignorierte. Er zügelte eine Steinwurfweite von dem Indianerrudel sein Pferd. Sein fester Blick ruhte auf Geronimo, der plötzlich den Kopf senkte, dann aber sein Pferd antrieb und sich dem Häuptling der Chiricahuas näherte. Die beiden Apachen starrten sich an. Haß lag in Geronimos dunklen Augen. Wieder verzogen sich Cochises Mundwinkel zu einem überlegenen Lächeln. Das Schweigen behagte Geronimo in keinster Weise. Nervös rutschte er auf dem Pferderücken hin und her. Er wartete darauf, daß Cochise das Wort an ihn richtete, so wie es diesem als oberster Häuptling der Apachen geziemte. Cochise hob seine rechte Hand. »Dies ist meine letzte Warnung, Geronimo«, sagte der Apachen-Chief mit vibrierender Stimme. »Ich habe den Überfall auf die Postkutsche der Weißhäutigen gesehen und auch, wie ihr kläglich gescheitert seid. Du bist noch jung und unerfahren und kein Vorbild für deine Krieger. Sie werden bald erkennen, daß du ein Versager bist. Darum gebe ich dir den guten Rat, dieses Land zu verlassen. Noch ist Zeit dazu.« Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, zog Cochise seinen Pinto herum und ritt davon. Furchtlos wandte er
Geronimo seinen Rücken zu, der vor Zorn bebte, sich aber zu keiner Blöße hinreißen ließ. Er blickte dem Chiricahua-Häuptling wütend nach, der schon bald den Felsen erreichte und dahinter verschwand. * John Haggerty zügelte sein Pferd, blickte zurück und schüttelte dann den Kopf. Er wurde den Verdacht nicht los, verfolgt zu werden. Es war ein rein instinktives Gefühl, das den erfahrenen Mann mit Unbehagen erfüllte. Der Armee-Scout konnte niemanden hinter sich entdecken, beschloß aber, sich Gewißheit zu verschaffen. Er versteckte sein Pferd zwischen einigen Salbeibüschen und kroch auf einen Felsen zu, hinter dem er sich verbarg. Haggertys Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn zuerst rührte sich nichts im weiten Rund. Dann aber sah er in der Ferne einen dunklen Punkt auftauchen, der rasch größer wurde und sich als ein Reiter entpuppte, der seiner Fährte folgte. Haggertys Kinn wurde hart und kantig. Er fragte sich vergebens, wer ihn verfolgte. Der Verfolger näherte sich rasch. Es mußte sich um einen Apachen handeln, stellte John Haggerty schnell fest, als der Reiter bis auf zwei Steinwurfweiten herangekommen war. Johns Gesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an, als er Gelbvogel, einen Apachen-Scout, erkannte, den er zuletzt im Fort gesehen hatte. Es gab nur eine Möglichkeit: General Howard mußte den Scout hinter ihm her geschickt haben. John Haggertys schlanker Körper entspannte sich, wänrend er zu lächeln begann. Der Armee-Scout trat hinter dem Felsen hervor und sah den
Apachen zusammenzucken. Dann lief ein Lächeln über das bronzefarbene Gesicht von Gelbvogel. Er zügelte sein Pferd. »How«? sagte er kehlig. »Ich haben geahnt, du bestimmt bald bemerken Verfolger.« John Haggerty nickte. »Was willst du, Gelbvogel? Schickt dich der General?« »So sein, Falke.« John fragte sich in diesen Sekunden, wie der Apachen-Scout seinen Kriegsnamen kennen konnte. Falke wurde er von Cochise genannt. John zeigte seine Überraschung nicht. »Ich sollen aufpassen«, sagte Gelbvogel mit guttural klingender Stimme. »Auf mich?« John Haggerty tat erstaunt, obwohl er ahnte, daß General Howard in Sorge um ihn war und nur aus diesem Grund den Apachen-Scout hinter ihm her geschickt hatte. Nun nickte Gelbvogel und verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen. »Wir gemeinsam reiten, Falke. Vier Augen mehr sehen. Ich haften mit Skalp für Leben deines.« »Mann, o Mann«, antwortete John Haggerty. »Wo hast du nur dieses schauderhafte Englisch gelernt?« »Gelbvogel gutes Englisch. Bestes Englisch aller Scouts. Er seien darauf stolz.« John Haggerty zuckte nur mit den Achseln, als er den strahlenden Blick des Apachen-Scouts sah. »Dann wir reiten los«, sagte Haggerty und kratzte sich am Haaransatz. »Zum Henker, Gelbvogel. Wenn wir erst einige Tage zusammen sind, dann werde ich genauso rückwärts sprechen wie du.« Gelbvogel sah den weißen Scout erstaunt an. »Du gutes Englisch«, erwiderte er. »Gelbvogel von dir lernen, und nicht lernen du von Gelbvogel. Alles klar?« »Alles klar«, entgegnete John Haggerty erschüttert und lief los, um sein Pferd zu holen.
* »Die drei anderen Hundesöhne scheinen es nicht nochmals mit uns aufnehmen zu wollen«, sagte Wyatt Earp und blickte seinen Bruder Virgil nachdenklich an. »Nun müßten wir nur noch einen Hinweis finden, wohin sich Glenn Morgan gewandt hat. Das würde unsere Aufgabe sehr erleichtern.« Virgil Earp nickte nur. »Wir werden diesen Morgan schon finden, Bruderherz. Okay, das Land hier ist groß. Fast sieht es so aus, als befänden wir uns auf der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, doch die Richtung stimmt, wie du mir versichert hast. Wir werden…« Virgil legte plötzlich eine Hand über die Augen, um besser sehen zu können. Wyatt folgte dem Blick seines Bruders und kniff die Augen zusammen. »Eine Schafherde«, sagte er zufrieden. »Ich möchte nur wissen, wohin die Tiere getrailt werden. Die Hirten müssen aber großes Gottvertrauen haben, denn dies hier ist Apachenland. Und die roten Jungs lassen sich solch eine Beute nicht entgehen, wenn sie die Herde bemerken.« Virgil trieb sein Pferd an. »Wir sollten dort mal nachfragen, ob einer der Hirten Glenn Morgan gesehen hat.« »Das wollte ich gerade vorschlagen«, ließ sich Wyatt Earp vernehmen. Er folgte seinem Bruder, der auf die Schafherde zuhielt. Sie bestand aus höchstens 100 Tieren. Ihr Blöken schallte schon bald an die Ohren der beiden Reiter. Dann klang auch das Gebell von einigen Hunden auf, die vorher die Schafherde umkreist hatten und sich nun zu einem Rudel zusammenballten und den Reitern entgegensprangen. Die Hunde bellten wütend, achteten jedoch darauf, nicht in den Bereich der Pferdehufe zu geraten. Virgil und Wyatt ritten auf zwei Hirten zu. Es waren
Mexikaner. Sie trugen weite Umhänge und hielten lange Stöcke in den Händen, an deren einem Ende kleine Schaufeln angebracht waren. Die mexikanischen Schafhirten waren unbewaffnet. Wenigstens konnten die Earp-Brüder weder Gewehre noch Revolver sehen. Dicht vor den Mexikanern parierten sie ihre Pferde. Sie lasen Furcht in den dunklen Augen der braunhäutigen Mexikaner. Einer stieß nun einen Pfiff aus. Die sich wie toll gebärdenden Hunde wurden von einer Sekunde zur anderen lammfromm und liefen schwanzwedelnd zur Schafherde zurück. »Wir möchten von euch nur eine Auskunft«, sagte Wyatt Earp. Er sah die Erleichterung der beiden Viehhirten. Bestimmt hatten sie damit gerechnet, entweder weiße Banditen oder Gesetzesleute vor sich zu haben. Der Herdentrail schien nicht legal zu sein. »Wir suchen einen Freund von uns«, fuhr Wyatt Earp fort. »Leider haben wir den Treffpunkt versäumt. Es könnte sein, daß ihr unseren Compadre gesehen habt. Ich beschreibe ihn euch sehr genau. Wir wollen nur wissen, in welche Richtung er geritten ist. Das ist schon alles, Hombres.« Wyatt langte in seine Jackentasche und zog zwei Dollarmünzen hervor, die er den Schafhirten zuwarf. Sie griffen blitzschnell zu und ließen die Münzen unter ihren Umhängen verschwinden. Die beiden Mexikaner grinsten. Trotzdem wirkten sie nach wie vor sehr wachsam. Wyatt Earp beschrieb Glenn Morgan sehr ausführlich und war enttäuscht, als die beiden mexikanischen Schafhirten die Köpfe schüttelten. »Überlegt gut, Muchachos!« ließ sich Virgil Earp mit harter Stimme vernehmen. »Es ist sehr wichtig für uns. Vielleicht habt ihr auch nur einen Reiter aus größerer Entfernung
gesehen. Es würde uns schon genügen, wenn ihr uns die genaue Richtung sagt, in die er geritten ist. Denkt mal genau nach, Leute.« Einer der Mexikaner nickte plötzlich. In einem schauderhaften Englisch, das mit spanischen Brocken durchsetzt war, sagte er: »Wir haben einen Reiter gesehen, Senor. Das war vor vielen Stunden. Er ritt dort drüben auf die Hügel zu und war sehr schnell wieder verschwunden. Von uns und der Herde hat er keine Notiz genommen. Vielleicht wollte er nicht gesehen werden.« Der andere Viehhirte zuckte mit den Achseln. »Leider konnten wir sein Gesicht nicht sehen, Senores. Die Entfernung war zu groß.« »Gracias, Amigos«, sagte Wyatt Earp. »Ihr habt uns sehr geholfen.« Wyatt nickte seinem Bruder zu und trieb sein Pferd an. Die Mexikaner und die Schafherde blieben zurück. »Es kann nur Glenn Morgan gewesen sein, Virgil«, sagte Wyatt nach einiger Zeit. »Er wollte nicht gesehen werden und wich aus diesem Grund der Schafherde aus. Wir sind auf der richtigen Fährte. Verlaß dich darauf.« »Mir soll es recht sein, Bruder«, antwortete Virgil Earp. »Ich bin schon ganz heiß auf die Goldmine. Mann, das wäre ein Ding. Wir hätten für den Rest unserer Tage ausgesorgt.« Virgil Earp grinste selbstgefällig und schien sich wohl schon den künftigen Reichtum in den grellsten Farben auszumalen. Sein Bruder lächelte nur. »Noch ist es nicht soweit, Virgil«, sagte er. »Die Goldmine liegt in einer anderen Richtung, wie ich glaube. Es sieht also so aus, als reite Morgan einen Umweg. Entweder will er uns in die Irre führen, oder er hat ein anderes Ziel vor Augen.« »Vielleicht will er sich mit jemanden treffen«, vermutete Virgil. Und er ahnte bei seinen Worten nicht, wie nahe sie der Wahrheit gekommen waren.
* Die Abenddämmerung senkte sich hernieder und legte ihre dunklen Schleier über das Tal, in dem sich Glenn Morgan befand. Er hielt sich noch immer notgedrungen in der Blockhütte auf und fühlte sich wie ein Gefangener. Längst hatte er es nicht mehr auf der harten Pritsche ausgehalten. Er tigerte die wenigen Yards auf und ab und erinnerte an ein eingesperrtes Raubtier. Es wurde rasch dunkel. Die ersten Sterne flammten am Firmament auf und erinnerten an funkelnde Silberdollars. Bleiches Mondlicht sickerte hernieder und legte einen silbernen Schein über das Land. Glenn Morgan trat an das kleine Fenster und spähte hinaus. Das Muhen der Rinder durchdrang die Stille. Im Corral wieherten und schnaubten einige Pferde. Wenige Yards von der Hütte entfernt flackerte ein Feuer, warf gaukelnde Schatten und ähnelte dem rotglühenden Auge eines Zyklopen. Morgan erkannte ein halbes Dutzend Männer, die um das Lagerfeuer saßen. Leises Stimmengemurmel drang an seine Ohren. Der aus Tombstone geflüchtete Outlaw versuchte Jeff Cooper zu erkennen. So sehr er auch seine Augen anstrengte, der Boß der Viehräuberbande war nicht zu sehen. Eine wilde Wut stieg in Glenn Morgan hoch. Fluchend trat er zur Tür und donnerte mit den Fäusten dagegen. Dann packte er die Türklinke und rüttelte voller Zorn daran. Es näherten sich stampfende Schritte, die vor der Blockhütte verhielten. »Aufmachen, verdammt noch mal«, schrie Morgan. »Was soll das? Bin ich vielleicht euer Gefangener?« Spöttisches Gelächter trieb Glenn Morgan das Blut in die Wangen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er atmete
keuchend aus und tobte erneut wie ein Verrückter los. Knarrend wich der Riegel zurück, ehe sich die Tür öffnete. Glenn Morgan wollte die Blockhütte verlassen, blieb dann aber wie erstarrt stehen, als er in die dunkle Mündung eines auf ihn gerichteten Colts blickte. »Nur ruhig Blut, Freundchen«, sagte ein hagerer Mann, dessen Augen tief in den Höhlen lagen und dessen Gesicht an einen Totenschädel erinnerte. »Ich mag nicht, wenn sich jemand wie ein Wilder aufführt, Freundchen. Hast du das kapiert?« Glenn Morgans Brustkorb hob und senkte sich schwer. Fast sah es aus, als wolle er den Rustler mit den bloßen Händen angreifen. Der Bandit mit dem totenkopfähnlichen Gesicht grinste gefährlich. Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. »Laß es bleiben«, klirrte seine Stimme. »Du bleibst in der Hütte, bis unser Boß wieder zurück ist. So hat es Jeff Cooper angeordnet. Ich schicke dir dann etwas zu essen. Und verhalte dich ruhig, sonst werden ich und einige andere Jungs verdammt ungemütlich werden.« Glenn Morgan schluckte schwer. Diese Behandlung behagte ihm in keinster Weise. Er sah aber ein, daß sich dieser Bursche hier nicht umstimmen lassen würde. Er mußte warten, bis Jeff Cooper wieder in das Tal zurückkehrte. Morgan warf dem Mann mit dem Totenschädel noch einen wütenden Blick zu, ehe er sich umwandte und zur Pritsche lief. Fluchend setzte sich der Outlaw darauf und stützte den Kopf in beide Hände. Er überlegte, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, Cooper aufzusuchen. Alles schien sich anders zu entwickeln, als er es vorher geplant hatte. Glenn Morgan fluchte erneut unbeherrscht los. Ihm blieb
aber keine andere Wahl, als auf Jeff Coopers Rückkehr zu warten, um mit dem Boß der Viehdiebe ins Gespräch zu kommen. * Nach seinem Monolog mit Geronimo war Cochise wieder in die Richtung des Rustler Valleys geritten. Er wollte herausfinden, was Glenn Morgan bei den Viehdieben suchte. Daß der Bandit etwas im Schilde führte, war Cochise klar. Und der Häuptling der Chiricahuas ahnte, daß Morgan die Suche nach der legendären Goldmine noch immer nicht aufgegeben hatte. Die Dunkelheit legte sich wie ein samtener Baldachin über das unwegsame Gelände. Rasch verloren die Konturen an Schärfe. Cochise aber konnte dies nicht beeindrucken. Er war mit diesem Land verwachsen und würde das Tal auch bei völliger Dunkelheit finden. Eine Stunde später erreichte der Apachen-Häuptling den Hügel, von wo aus er die Auseinandersetzung zwischen den Viehdieben und dem Rancheraufgebot mitverfolgt hatte. Er versteckte den Pinto und hielt von der Spitze des kleinen Berges Ausschau. Der Taleingang wurde von silbernem Mondlicht überflutet. Cochise konnte keine Wächter entdecken, nahm aber an, daß der Eingang des Valleys bewacht wurde. Sanft lächelnd setzte sich der Indianer-Chief in Bewegung. Er wollte in das Tal eindringen. Vielleicht konnte er herausfinden, welche weiteren Pläne die Viehdiebe und auch Glenn Morgan hatten. Geschickt näherte sich Cochise dem Taleingang, nutzte jede sich nur bietende Deckungsmöglichkeit aus und blieb dann drei Pferdelängen davor hinter einem Mesquitestrauch liegen. Cochise lauschte in die nächtliche Stille. Irgendwo fiepste
eine Maus. Eine schwarze Spinne kroch auf haarigen Beinen davon und verschwand zwischen einigen Gräsern. Cochise vernahm ein Hüsteln und sah kurze Zeit darauf den dunklen Körper eines Mannes, der sich hinter einem Felsblock erhoben hatte, sich nun dehnte und reckte und einige Schritte auf und ab marschierte. Dann war der Wächter wieder verschwunden. Cochise schlängelte sich vorwärts, verschmolz immer wieder mit seiner Umgebung und näherte sich so dem Taleingang, der nur so breit war, um zwei Postkutschen aneinander vorbeifahren zu lassen. So schlich er an dem Wächter vorbei, der nicht ahnte, wie nahe er dem Tode war. Cochise wollte aber das Bleichgesicht nicht töten, sondern nur unbemerkt in das Tal eindringen. Cochise erhob sich, nachdem er 50 Yards zurückgelegt hatte. Geräuschlos lief er weiter, blieb einmal stehen, um sich zu orientieren, ehe er weiterhuschte. Seine scharfen Augen waren das Lagerfeuer, die Herde und auch die Blockhütte nicht entgangen. Bald entdeckte er auch ungefähr zehn Weißhäutige, die in der Nähe des niedergebrannten Feuers lagerten und sich unterhielten. Eine Whiskyflasche kreiste. Cochise verzog das Gesicht. Was sind diese weißen Coyoten nur für Dummköpfe, dachte der Indianer-Häuptling. Es würde mir mit einigen Kriegern gelingen, diese Bleichgesichter zu töten, denn sie scheinen alle mit Blindheit geschlagen zu sein. Die Bleichgesichtigen gaben sich ganz so, als befände sich ihr Camp nicht inmitten des Apachengebietes. Cochise huschte weiter, schlug einen Bogen um das Lagerfeuer und näherte sich geräuschlos der Blockhütte. Er sah einen Mann vor der Eingangstür sitzen. Bisher hatte der Chiricahua Glenn Morgan nirgends entdecken können. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu vermuten, daß sich der Bandit im Innern der Hütte befand.
Cochise preßte ein Ohr gegen die rohen Baumstämme, aus der die Hütte gezimmert war. Er vernahm Schritte im Innern, die polternd die Stille erfüllten. Hufschläge klangen durch die Nacht, näherten sich vom Taleingang. Cochise erkannte vier Reiter, die in der Nähe des Lagerfeuers aus den Sätteln sprangen. Die am Feuer sitzenden Viehdiebe waren aufgesprungen und umringten Jeff Cooper, auf den die Fragen nur so einprasselten. Der Boß der Rustler übertönte schließlich seine Gefährten. »Gebt doch endlich Ruhe, ihr verdammten Strauchdiebe«, schrie er. »Es ist alles in Ordnung. Ich habe die Herde verkauft. Sie wird im Laufe des morgigen Tages von den neuen Besitzern übernommen. Es ist alles so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. So, und nun möchte ich einen Happen zwischen die Zähne kriegen. Hoffentlich habt ihr Höllenhunde etwas für mich und meine Begleiter übriggelassen.« Jeff Cooper und seine drei Partner erhielten zu essen und tranken auch aus der Whiskyflasche. Dann erhob sich der Banditenboß, wischte sich mit dem Handrücken über die fettigen Lippen und nickte einem seiner Männer zu. »Wo steckt dieser Glenn Morgan, Billy? Befindet er sich noch in der Hütte?« Der großgewachsene Mann mit dem Totenschädel nickte. »Gewiß, Boß. Dein Freund aus vergangenen Tagen ist mächtig wütend. Der Bursche hätte sich am liebsten mit uns allen angelegt. Sei nur vorsichtig, wenn du die Hütte betrittst. Es könnte sein, daß er dich in der Luft zerreißt!« Jeff Cooper grinste nur lässig, rülpste und spuckte dann aus. »Okay, Jungs«, sagte er. »Dann will ich meinen alten Kumpel mal besuchen. Ich kann mir vorstellen, daß er sauer ist, wie eine alte Jungfer, bei der schon wieder ein Mann nicht angebissen hat.« Die Outlaws grinsten. Jeff Cooper trat auf die Hütte zu. »Ich bin es, Glenn. Schluck deinen Ärger wieder runter. Wir
werden uns nun wie alte Freunde unterhalten. Und ich bin mächtig gespannt, was du mir zu erzählen hast.« Cooper nickte einem der Männer zu, der den Riegel zurückschob. Die Tür schwang zurück. Ein anderer Bandit brachte eine Kerosinlampe, die er Cooper reichte. Der Bandit der Viehdiebe betrat die Hütte. Knarrend schloß sich die Tür wieder hinter ihm. Die Banditen gingen zum Lagerfeuer zurück. Keiner von ihnen hatte Cochise, den Häuptling der Chiricahua-Apachen, gesehen. * Cochise kauerte noch immer an der Hüttenwand und zwar genau unter dem kleinen Fenster. So konnte er jedes Wort verstehen, das in der Blockhütte gewechselt wurde. Glenn Morgan sagte: »Na endlich, Cooper. Das ist ein dicker Hund, den du dir da geleistet hast. Du kannst mich doch nicht so ohne weiteres hier einsperren. Ich…« Jeff Cooper unterbrach den aufgebrachten Outlaw. »Reg dich ab, Morgan. Ich mußte zuerst mein Geschäft zum Abschluß bringen. Das ist nun geschehen. Zuerst möchte ich einmal wissen, wie du mich gefunden hast, alter Freund? Wenn das nämlich so einfach ist, dann muß ich hier verschwinden. Wenn du mich gefunden hast, dann können das andere auch.« »Ich brauchte doch nur der Fährte der Rinder zu folgen«, sagte Glenn Morgan. »Außerdem bin ich von zwei Männern des Rancheraufgebots dumm angequatscht worden. Natürlich wußte ich, daß du dich irgendwo hier in dieser Gegend herumtreibst und den Ranchern das Leben schwermachst. Das ist schon alles. Dein Camp ist gut gewählt. Niemand wird es so leicht finden.« Jeff Cooper hatte die niedrig brennende Kerosinlampe auf den Boden gestellt, zog sich einen wackligen Stuhl herbei und
setzte sich rittlings darauf. Forschend starrte er seinen ehemaligen Gefährten an. So ganz richtig schien er Glenn Morgan noch immer nicht zu trauen. »Was willst du, Morgan?« Cooper lächelte hämisch. »Du mußt schon einen besonderen Grund haben, sonst lassen dich meine Jungs nicht am Leben. Die haben nämlich Bedenken, daß du uns verpfeifen könntest. Ich bin zwar der Boß, Morgan, doch das zählt in diesem Fall nicht viel. Du mußt…« »Hör mit diesem dummen Gequatsche auf!« fauchte Glenn Morgen zornig. Er zog seine Hand hinterm Rücken hervor und richtete den Lauf seines Colts auf Jeff Cooper. »Mann, o Mann, Cooper«, er griente. »Du müßtest mich doch eigentlich kennen. Wenn ich von hier fort gewollt hätte, würde ich es geschafft haben, ob du damit einverstanden gewesen wärst oder nicht. Deine Freunde haben nicht einmal den Colt in meinem Stiefel gefunden.« Glenn Morgan zeigte die Zähne und blickte grinsend auf den Boß der Rustlerbande, der zusammengezuckt war und nun nicht mehr einen so überheblichen Eindruck machte. Morgan steckte den Revolver ins Halfter und sah, daß sich Jeff Coopers Körper entspannte. »Kommen wir zur Sache, Cooper. Ich habe da etwas im Auge, das mich und deine Männer reich machen wird. Das ist etwas ganz anderes, als dämliche Rindviecher zu stehlen.« Glenn Morgan schwieg. Er nickte dem Rustlerboß zu, der kein besonders geistreiches Gesicht zog und dann wie ein mexikanischer Mulitreiber losfluchte. »Wenn du dich über mich lustig machst, Morgan, dann schneide ich dir dein Fell in Streifen«, stieß er drohend hervor. Morgan winkte ab. »Gold!« sagte er nur. Er wartete nach diesem Zauberwort die Reaktion auf Jeff Coopers Gesicht ab. Und es war so, wie er es sich gedacht hatte.
Cooper schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, der unversehends von einer Woge ans Land gespült worden war. Seine Augen quollen fast aus den Höhlen. »Was?« schrie er. »Mann, wenn du mich auf den Besen laden willst, Morgan, dann – dann…« »Halte die Klappe, Cooper. Wüste und Sonne scheinen dir nicht bekommen zu sein. Die Sonne scheint dir den letzten Rest deines Verstandes ausgetrocknet zu haben. Ich weiß, daß es hier in der Gegend eine Goldmine gibt, Cooper. Und wir werden uns das Gold holen. Aus diesem Grund habe ich dich aufgesucht. So ist es und nicht anders. Nun mußt du dich entscheiden, ob du mein Partner werden willst.« Jeff Cooper hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, der polternd umstürzte, als der Boß der Viehdiebe aufsprang. »Natürlich bin ich einverstanden, Glenn. Wer wäre das nicht? Auch meine Jungs werden Feuer und Flamme sein, wenn es darum geht, einen Goldschatz an Land zu ziehen.« »Dann ist ja alles klar, Cooper. Es gibt nur noch ein kleines Problem zu lösen.« Jeff Cooper hob den Stuhl auf und ließ sich wie ein nasser Sack darauffallen. »Es gibt also einen Haken?« fragte er. Morgan nickte und zuckte mit den Achseln. »Die Mine ist irgendwo in der Nähe. Nur kenne ich leider den genauen Ort nicht. Das ist das Problem.« Coopers Gesicht verfinsterte sich. Ehe er wieder losfluchen konnte, sprach Morgan schnell weiter. »Das Problem ist zu lösen, Mann. Diese legendäre Goldmine ist den Apachen bekannt. Wir brauchen uns nur einen der roten Halunken zu schnappen. Der wird froh sein, uns die genaue Lage der Miene sagen zu können, wenn wir rauh zu ihm werden.« Jeff Cooper kaute einige Sekunden an seiner Unterlippe, ehe er zustimmend nickte.
»Okay, Morgan. Das ändert natürlich alles. Du bist uns herzlich willkommen. Bevor wir meine Jungs informieren, mußt du mir noch nähere Einzelheiten erzählen.« »Das werde ich tun, Jeff. Und glaube mir, bald werden wir reiche Männer sein.« Cochise hatte genug gehört. Er kannte Glenn Morgans Pläne. Es war dem Outlaw gelungen, sich der Hilfe der Rustlerbande zu versichern. Und der Häuptling der Chiricahuas beschloß in diesen Sekunden, alles daranzusetzen, um die weiteren Pläne der weißen Banditen zu durchkreuzen. * »Was du suchen eigentlich, Falke?« Gelbvogel sah John Haggerty mit treuem Blick an. Die beiden Männer saßen auf einer kleinen Lichtung, die von Büschen und Bäumen umsäumt war. Sie hatten etwas von dem kalten Proviant gegessen und wollten hier die Nacht verbringen. John lehnte mit dem Rücken an dem Stamm eines Cottonwoods und blickte nun zu dem Apachen-Scout hinüber, auf dessem breitflächigen Gesicht silbernes Mondlicht lag. »Ich suche nichts Besonderes, Gelbvogel«, erwiderte der Scout. »General Howards Auftrag lautet, mich umzusehen. Er befürchtet, daß dieser Geronimo mit seinem zusammengewürfelten Haufen aus Indianern verschiedener Stämme wieder Ärger verursacht. Und das alles würde man Cochise in die Schuhe schieben. Es gibt einige Strömungen in den Reihen der Apachen, die Cochises Pläne eines friedlichen Nebeneinander zwischen Rot und Weiß vereiteln wollen.« Gelbvogel nickte gewichtig. Haggerty war nicht so ganz überzeugt, daß der Apache auch wirklich alles verstanden hatte. »Du wollen verhindern großes Krieg zwischen Apachen und
Blauröcken. So das sein?« »So ist es, Gelbvogel. Ich weiß nicht, ob sich diese Auseinandersetzung auf Dauer aufhalten läßt, doch vorerst wollen Männer wie ich alles tun, um ein neues Blutvergießen zu verhindern.« »Alles klar«, sagte Gelbvogel. John Haggerty war längst klargeworden, daß dies die Lieblingsworte des Scouts waren. Er lächelte, was den Apachen irritierte. »Nicht sein alles klar?« fragte er neugierig. »Du halten Gelbvogel für dumm, nur weil er sprechen deine Sprache schlecht. Ich aber lernen von dich, Falke. Du hören.« Und dann ließ Gelbvogel einen ellenlangen Fluch los, der kaum noch zu übertreffen war. John erinnerte sich, daß ihm diese lästerlichen Worte im Laufe des Tages hervorgerutscht waren, als sein Pferd vor einer Klapperschlange scheute, und er beinahe aus dem Sattel geschleudert worden war. »Alles klar, Falke?« fragte Gelbvogel ernst. »Alles klar«, entgegnete John Haggerty. »Du solltest diese Worte aber nicht in der Gegenwart einer Lady aussprechen, denn sie würde aufschreiend davonlauten.« Gelbvogel schüttelte den Kopf. »Das ich verstehen nicht«, murmelte er. »Schöne Worte, ich beibringen andere Scouts, wenn zurück in Fort.« John Haggerty schüttelte entsetzt den Kopf. Ehe er aber dem Scout das alles ausreden konnte, vernahmen die beiden Männer Hufschläge, die sich langsam näherten. John Haggerty und Gelbvogel griffen nach ihren Waffen. Sie huschten zwischen die Büsche, näherten sich dem Rand der kleinen Waldinsel und spähten auf die Ebene hinaus, die von bleichem Mondlicht erhellt wurde. Sie sahen zwei Reiter, die ihre Pferde zügelten und zur Waldinsel herüberspähten, als ahnten sie, von dort beobachtet zu werden. Die beiden Weißen hielten Gewehre in den Fäusten.
Lauschend saßen sie auf den Pferderücken. Nur langsam entspannten sich ihre Körper. Die Männer wechselten einige Worte, ehe sie ihre Reittiere wieder antrieben. Sie hielten auf die Waldinsel zu. John Haggerty warf seinem Scout einen beschwichtigenden Blick zu und senkte den Lauf seines Gewehres. Gelbvogel nickte und grinste herüber. Die Hufschläge wurden wieder lauter. Bald hatten sich die beiden Reiter bis auf wenige Pferdelängen genähert. Sie sprangen aus den Sätteln. John Haggerty hatte bisher nur gesehen, daß er es mit zwei Weißen zu tun hatte. Es war zu dunkel, um die Gesichter der Ankömmlinge erkennen zu können. Außerdem hatten die beiden Männer ihre Stetsons tief in die Stirn gezogen »Keine Bewegung, Gentlemen«, rief John plötzlich. »Das ist kein Überfall. Wir wollen nur sehen, mit wem wir es zu tun haben!« Schon bei den ersten Worten waren die weißen Männer zusammengezuckt. Sprungbereit standen sie da, hielten ihre Gewehre auf das Dickicht gerichtet und versuchten den Sprecher zu erkennen. »Keine Aufregung, Gents«, rief der Armee-Scout. »Ihr habt euch zufällig ebenfalls diesen Platz ausgesucht. Und wir möchten wissen, mit wem wir es zu tun haben.« »Okay«, vernahm John eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. »Wir treten näher. Wenn das aber ein Überfall sein soll, dann habt ihr euch die Falschen ausgesucht. Bei uns gibt es nämlich keinen rostigen Nickel zu erben.« Haggerty lachte leise. »Sie sind Wyatt Earp, nicht wahr?« rief er. »Hier ist John Haggerty. Wir sollten wirklich das Kriegsbeil begraben.« John erhob sich hinter seiner Deckung. Er hatte den Gambler erkannt. Wyatt Earps Gesicht drückte Überraschung aus, als er auf den hochgewachsenen Mann zuschritt und dessen
ausgestreckte Hand schüttelte. »Das ist aber eine Überraschung, John«, sagte er. »Wir hatten schon gedacht, irgendwelchen Buschräubern in die Hände gefallen zu sein. Was treiben Sie hier in dieser Wildnis?« »Das könnte ich Sie auch fragen«, antwortete John Haggerty und schmunzelte. Er blickte auf Wyatt Earps Begleiter, der regungslos stehengeblieben war. »Das ist mein Bruder Virgil«, sagte Wyatt. Er stellte auch John Haggerty vor. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. Gelbvogel trat zwischen den Büschen hervor. Bei seinem Anblick zuckte Wyatt Earps Hand unwillkürlich zum Griff seines Revolvers. »Das ist Gelbvogel, ein Apachen-Scout. Er ist mit mir im Auftrag von General Howard unterwegs. Es droht keinerlei Gefahr. Wir sollten aber hier draußen keine Wurzeln ziehen, sondern lieber in das Wäldchen hineingehen. Es besteht immer die Gefahr, daß sich menschliches Raubwild in der näheren Umgebung aufhält. Und ich möchte meinen Skalp noch recht lange behalten.« Die Earp-Brüder folgten den beiden Scouts und führten ihre Pferde an den Leinen mit sich. Bald saßen sich die drei Weißen gegenüber. Gelbvogel hatte die erste Wache übernommen und war nicht zu sehen. »Nun habe ich Ihnen gesagt, warum ich mich hier aufhalte, Wyatt. Dürfte ich nun erfahren, was Sie und Ihr Bruder in dieser Wildnis zu suchen haben?« Wyatt Earp zögerte. »Gold?« fragte Haggerty. »Sie sind noch immer hinter dieser legendären Goldmine her, Wyatt. Ich bin mir nur nicht sicher, ob Sie nicht hinter einem Hirngespinst herjagen. Die Spanier haben vor langer Zeit kräftig abgesahnt. Und sollte es diese Mine geben, dann wird sie bestimmt bis auf den letzten Goldkrümel ausgeräumt sein.«
Wyatt Earp schüttelte den Kopf. Er warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu. »So ist es, John. Ich bin noch immer auf der Suche nach der Mine. Mein Bruder Virgil und ich werden sie finden. Und bestimmt enthält sie noch so viel von dem gelben Metall, daß wir für den Rest unseres Lebens ausgesorgt haben.« John Haggerty zuckte mit den Achseln. »Mir soll es recht sein, Wyatt. Was ist eigentlich aus diesem Glenn Morgan geworden?« Der Gambler berichtete und endete mit den Worten: »Er konnte aus dem Jail fliehen. Mir ist nicht klar, wie ihm das gelingen konnte. Ich würde den Halunken schon gern wieder in Tombstone abliefern. Er ist ebenfalls hinter der Goldmine her.« John Haggerty nickte. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn wir die Nacht über hier in diesem Versteck bleiben«, fragte Virgil Earp und musterte den Armee-Scout forschend. »Natürlich nicht, Mr. Earp. Wir können uns mit den Wachen zeitlich besser ablösen. Und so bekommt jeder mehr Schlaf.« »Einverstanden«, sagten die Earp-Brüder wie aus einem Mund. John Haggerty lächelte. * Bodennebel waberten zwischen Büschen, Bäumen und Felsbrocken. Das Gezwitscher der Vögel verkündete das Erwachen der Natur. Die ersten Lichtexplosionen röteten den Horizont im Osten. Ein einsamer Reiter zügelte sein Pferd. Der Mustang scharrte ungeduldig mit den unbeschlagenen Hufen. Beruhigend strich ihm der junge Apachen-Krieger über den schlanken Hals. Es war Naiche, Cochises Zweitältester Sohn, der auf der Suche nach seinem Vater war. Der ungefähr 19 Jahre alte Häuptlingssohn ähnelte seinem Vater sehr.
Zusammengekauert saß er auf dem Pferderücken. Seine langen Haare spielten im leichten Wind. Sie wurden von einem Schweißband zusammengehalten. Ein langer Ritt lag hinter Naiche. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, nach Cochises Verbleib zu forschen. Schon zu lange war der Jefe nicht mehr in seiner Apacheria, der ApachenBergfestung, gewesen. Angst und Sorge um den geliebten Vater furchten das jugendliche Gesicht des Apachen. Er sah sich im weiten Rund um. Langsam traten die Konturen deutlicher hervor. Es dauerte auch nicht mehr lange, dann erhellten die Strahlen der aufgehenden Sonne das unwegsame Land. Naiche rutschte vom Pferderücken. Er fühlte sich müde und wie ausgebrannt. Der lange Ritt war an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Er führte seinen Mustang hinter einige Felsklippen, die wie spitze Nagezähne aus dem steinharten Boden ragten. Naiche setzte sich mit dem Rücken an einen der Felsen und hielt sein Gesicht der Sonne entgegen. Er schloß die Augen und spürte die Müdigkeit, die seinen Körper durchzog, der sein Recht nach den großen Strapazen eines langen Rittes forderte. Der Apache hätte anders reagiert, wäre ihm klargeworden, daß er seit geraumer Zeit von hartblickenden und haßerfüllten Augenpaaren gemustert wurde. So aber sank sein Kopf schon bald auf die Brust. * »Wir schnappen uns die Rothaut«, sagte Glenn Morgan zufrieden und blickte Jeff Cooper grinsend an. »Das nenne ich Glück und Zufall, daß uns so schnell einer dieser roten Heiden vor die Läufe unserer Gewehre reitet.« Jeff Cooper verzog sein bärtiges und verlebt wirkendes
Gesicht ebenfalls zu einem Lächeln. »Ich bin einverstanden, Glenn«, antwortete er. »Hoffentlich kennt der Bursche die genaue Lage der spanischen Goldmine, sonst haben wir in die Hosen gemacht.« »Wir werden die Wahrheit aus ihm herauskitzeln«, ließ sich der Outlaw vernehmen. »Wir kriegen diesen roten Bastard schon klein. Darüber lasse ich mir keine grauen Haare wachsen.« Die beiden Banditen blickten zu dem Reiter hinüber, der sein Pferd gezügelt hatte und sich umblickte. Im Osten wurde es immer heller. Das klagende Heulen eines Wolfes durchdrang die Stille. Ein anderer Lobo antwortete. Glenn Morgan und Jeff Cooper sahen sich nicht gerade begeistert an. Morgan sagte: »Ich hoffe nur, das sind richtige Wölfe und keine Rothäute, die sich auf diese Art und Weise verständigen.« »Wir werden es wohl bald merken«, erwiderte der Boß der Rustlerbande sarkastisch. »Hoffentlich reitet der Indianer weiter. Wenn er die Richtung beibehält, dann kommt er gerade an unserem Versteck vorbei.« Sie mußten aber mit ansehen, daß der junge Apache auf eine Felsgruppe zuritt und dort verschwand. Minuten vergingen, ohne daß sich die Rothaut nochmals zeigte. »Er wird sich ausruhen«, murmelte Jeff Cooper. »Vorwärts, Morgan. Uns bleibt keine andere Wahl, als uns anzuschleichen und den roten Halunken zu überrumpeln.« Glenn Morgan schlich los. Cooper folgte dicht hinter ihm. Die beiden Banditen schlichen auf die Felsgruppe zu. Eine Steinwurfweite davon entfernt blieb Glenn Morgan geduckt hinter einem Salbeibusch stehen. »Was ist los?« flüsterte Cooper. »Du wirst doch jetzt nicht aufgeben?« »Unsinn, Jeff. Wir müssen nur sehr vorsichtig sein. Der Mustang des Indianers wird uns wittern und vielleicht den
Apachen warnen. Wir benötigen den roten Heiden aber lebend. Also fang nicht gleich an zu ballern. Das ist es gewesen, was ich dir sagen wollte.« Jeff Cooper zog eine Augenbraue hoch. »Du hältst mich wohl für ein Greenhorn, was?« fragte er und schlich weiter. Er verhielt hinter dem Felsen, während sich Glenn Morgan zur anderen Seite der Felsgruppe bewegte. Der aus Tombstone geflüchtete Bandit vernahm nun das leise Schnaufen des Mustangs. Das Tier hatte die Witterung der beiden Weißhäutigen aufgenommen. Morgan spähte hinter seiner Deckung hervor, sah den jungen Apachen-Krieger, dessen Kopf auf die Brust gesunken war. Das Pferd schnaubte erneut. Naiche wurde unruhig. Seine Augen blieben aber noch immer geschlossen. Nun schob sich auch Cooper zwischen den Felsschroffen hervor. Er grinste und richtete seinen Revolver auf den Schlafenden, der noch immer nicht die tödliche Bedrohung bemerkt zu haben schien. Cooper huschte näher, packte seinen Colt am Lauf, um dem Häuptlingssohn den Revolvergriff über den Schädel zu ziehen. Es gelang ihm nicht, denn der junge Apache explodierte förmlich. Er stieß einen gellenden Schrei aus, federte hoch, schlug Coopers Arm zur Seite und rammte den Outlaw so hart, daß dieser rückwärtstaumelnd gegen einen Felsen prallte und aufstöhnte. Naiche wollte nach seinem Gewehr greifen, doch Glenn Morgan warf sich nach vorn. Die beiden Männer prallten gegeneinander. Natürlich wäre es Morgan vorher leicht gewesen, den Kampf mit einem schnellen Schuß zu entscheiden. Da er aber den Indianer lebend haben wollte, verzichtete er darauf. Sekunden später wünschte sich Glenn Morgan doch,
geschossen zu haben. Naiche riß den Weißen von den Beinen. Eng umschlungen rollten die beiden Kämpfer über den steinigen Boden. Es gelang Naiche, sein Büffelmesser zu ziehen. Morgan konnte in letzter Sekunde gerade noch die niederzuckende Hand des Apachen packen. Sein gellender Schrei erfüllte die Stille. Selten hatte er dem Tod so nahe gestanden. Morgan bäumte sich auf, um Naiche von sich zu werfen. Er starrte in die weit aufgerissenen Augen seines Gegners, in denen gnadenloser Haß funkelte. Jeff Cooper war es, der diesen Kampf zu Gunsten der Bleichgesichter entschied. Längst hatte er sich von seinem ersten Schrecken erholt, war zu den Kämpfern geeilt und schlug zu. Der Revolvergriff traf Naiches Kopf. Dessen Körper erschlaffte von einer Sekunde zur anderen. Der junge Apache kippte zur Seite und blieb regungslos liegen. Glenn Morgan quälte sich auf die Beine und fluchte lästerlich, um seiner Erregung Herr zu werden. »Heiliger Rauch«, murmelte er. »Das ist verdammt knapp gewesen. Wir haben alle beide diese stinkende Rothaut unterschätzt. Der hätte uns doch beinahe geschafft.« Nur langsam beruhigte sich sein schnellgehender Atem. Morgan hob seinen Revolver auf, der ihm bei dem Kampf aus der Hand gefallen war. »Das wäre beinahe wirklich ins Auge gegangen, Morgan«, sagte der Boß der Rustlerbande und schnappte nach Luft. »Wir sollten den Kerl verschnüren, ehe er wieder aufwacht, denn sonst geht dieses höllische Spiel wieder von vorn los.« Sie fesselten Naiches Hände. Der Apache stöhnte. Eine taubeneigroße Beule hatte sich auf seinem Kopf gebildet, die noch immer wuchs. Jeff Coopers Hieb mit dem Revolvergriff war nicht von schlechten Eltern gewesen. Minuten vergingen. Naiche lag noch immer regungslos am Boden. Cooper und Morgan standen neben dem Bewußtlosen
und hielten ihre Colts auf ihn gerichtet. »Der Bursche spielt nur den Besinnungslosen«, sagte Jeff Cooper böse. »Da wette ich jeden Betrag. Der ist schon längst wieder bei klaren Sinnen. Bestimmt lauert er auf eine Chance, um uns hereinlegen zu können.« Cooper zuckte mit den Achseln, trat an Naiche heran, um ihn auf die Beine zu stellen. Darauf hatte der Sohn des Häuptlings der Chiricahuas nur gewartet. Er trat wie ein wütender Mustang aus und fegte Glenn Morgan mit einem harten Tritt von den Beinen. Ehe er sich aber erheben und auf Cooper stürzen konnte, handelte der Viehdieb. Er schlug erneut mit dem Revolvergriff zu. Naiche sank zurück, schrie auf, ehe er wieder in eine bodenlose Dunkelheit stürzte, aus der es kein Entrinnen zu geben schien. * »Das ist ein Teufel«, sagte Glenn Morgan wütend, während er sich erhob und über seinen linken Oberschenkel fuhr, wo ihn Naiches Fuß getroffen hatte. »Wir legen ihn quer über den Rücken seines Pferdes und binden ihm Hände und Beine unter dem Pferdebauch zusammen«, ließ sich Jeff Cooper vernehmen. »Dieser rote Hundesohn hat es nicht anders verdient. Am liebsten würde ich ihm eine Kugel durch seinen roten Balg jagen. Mit Indianern habe ich bisher immer kurzen Prozeß gemacht.« »Wir brauchen ihn lebend, Cooper. Denk daran, sonst ist alles umsonst gewesen.« Die beiden Banditen hoben den Bewußtlosen hoch und schleppten ihn zu dem Mustang, der wiehernd zurückwich und mit den Vorderhufen auf die Weißen losging. »Noch so ein Teufel«, knurrte Cooper. Er ließ Naiche los und packte das Pferd am Zügel. Die Gesichter der Outlaws waren
schweißüberströmt, bis es ihnen gelang, den Apachen auf dem Pferderücken festzubinden. Morgan holte ihre Pferde. Einige Minuten später setzte sich der Reitertrupp in Richtung des Valley in Bewegung. Naiche lag quer über dem Rücken seines Mustangs und war noch immer nicht aus der Bewußtlosigkeit erwacht. Das Valley der Viehdiebe war höchstens noch zwei Meilen entfernt, als Glenn Morgan sein Pferd zügelte und erschrocken zu einem Hügel hinüberdeutete. Auch Jeff Cooper sah das Indianerrudel auf dem höchsten Punkt des kleinen Berges. Dunkel hoben sich die Silhouetten der Reiter ab, denn die Sonne stand in ihrem Rücken. Die Entfernung betrug ungefähr eine Meile. Morgan und Cooper konnten nicht ahnen, daß es sich um Geronimo und einige seiner Krieger handelte. »Das kann in die Hose gehen«, rief Cooper und schickte einen deftigen Fluch hinterher. »Los, vorwärts, Morgan. Wir müssen schnellstens das Tal erreichen, sonst sind wir unsere Skalps los. Bestimmt haben die Indianer gesehen, daß wir einen ihrer Leute gekidnappt haben. Wenn wir ihnen in die Hände fallen, dann ziehen die uns die Haut in Striemen vom Körper.« Die Banditen ritten los. Eine Staubwolke wehte hinter ihnen her. Immer wieder sahen sie sich um und atmeten jedesmal auf, als sie keine Verfolger entdecken konnten. Sie fühlten sich erst sicher, als der Taleingang vor ihnen auftauchte und sie einige Wachposten sahen, die ihnen zuwinkten. »Geschafft«, stieß Morgan einige Minuten später erleichtert hervor und wischte sich mit dem staubigen Halstuch über das schweißverklebte Gesicht. Einige Banditen brachten den Gefangenen in die Hütte. Cooper trat zu Morgan. »Das paßt mir überhaupt nicht, daß wir von den Rothäuten
gesehen worden sind. Bisher hatten wir Ruhe vor ihnen. Nun kennen sie unser Versteck und wissen, daß wir einen ihrer Leute in unserer Gewalt haben. Das gibt Ärger. Gewaltigen Ärger, den ich schon jetzt förmlich riechen kann.« »Ich kann es nicht ändern«, entgegnete Morgan. »Das kompliziert natürlich alles. Wir sollten so schnell wie möglich das Valley verlassen, ehe die Apachen Verstärkung holen. Die werden erstmal hier herumschleichen, um alles auszukundschaften. Wenn die erst sehen, daß sie es mit über einem Dutzend harter Burschen zu tun haben, werden sie auf ihre Vettern warten. So sehe ich es. Uns bleibt genügend Zeit, um heute nacht zu verschwinden. Vorher aber nehmen wir uns den Gefangenen vor, denn ich möchte nicht ziellos losreiten.« Jeff Cooper zeigte sich nach diesen Worten ein wenig beruhigt, obwohl er alles kritischer als Morgan sah. Er lief auf einige seiner Leute zu, die faul in der Nähe des Baches saßen, und scheuchte sie auf die Beine. Er verdoppelte die Wachen und befahl seinen Leuten, Augen und Ohren offenzuhalten, um der drohenden Indianergefahr zu begegnen. * John Haggerty, Gelbvogel und die Earp-Brüder waren beim ersten Morgengrauen losgeritten. Sie hatten beschlossen, einige Meilen zusammenzubleiben. Sie hielten auf die Galiuro Mountains zu. Das war die Richtung, in der Glenn Morgan geritten war, so wie es Wyatt und Virgil Earp von den Schafhirten erfahren hatten. Die vier Männer unterhielten sich kaum. Gelbvogel war besonders schweigsam, was an und für sich nicht seine Art war. Gegen Mittag lagerten die vier Männer in einer von Büschen und verkrüppelten Bäumen umgebenen Senke, die auch den Pferden Schutz bot. Sie aßen von ihrem Proviant und warteten
die größte Mittagshitze ab, ehe sie wieder weiterritten. Gelbvogel war es, der den Reiter bemerkte, der zwischen zwei Hügeln hervorritt und seinen Mustang zügelte. Seine langen schwarzen Haare wehten leicht. Der Kleidung nach mußte es sich um einen Apachen handeln. Virgil Earp zog sofort sein Gewehr aus dem Scabbard. Wyatt legte seine Rechte auf den Griff seines Revolvers. »Nur ruhig Blut«, sagte John Haggerty. »Der Indianer hat uns früher bemerkt, als wir ihn, denn sonst wäre er nicht so offen hinter den Felsen vorgeritten. Erst reden, dann schießen, Leute. Außerdem kann es auch eine Falle sein. Niemand von uns kann wissen, wie viele Indianer sich im weiten Rund verborgen halten.« Gelbvogel stieß plötzlich einen unterdrückten Schrei aus. Seine Augen glänzten. »Cochise«, sagte er. John Haggerty lächelte sanft. Er hatte nun auch den Häuptling der Chiricahuas erkannt. »Das ist Cochise«, sagte der Armee-Scout. »Der Reiter dort vorn ist der Häuptling der Apachen.« Wyatt Earp nickte ebenfalls und nahm seine Hand vom Revolver. Er winkte seinem Bruder beruhigend zu. »Uns droht keine Gefahr. Ich kenne den Jefe persönlich. Wir können ihm vertrauen. Er und Haggerty sind befreundet, wenn ich es einmal so ausdrücken will.« John Haggerty antwortete nicht. Er trieb sein Pferd an und ritt auf Cochise zu. John dachte in diesen Sekunden daran, daß er gemeinsam mit dem Indianer-Chief schon manches heiße Abenteuer überstanden hatte. Und er dachte in diesen Sekunden auch an Tla-ina, Cochises jüngere Schwester, die er liebte und die seine Gefühle erwiderte. Er fragte sich, wann er die bildschöne Apachin wieder einmal sehen würde. John Haggerty parierte sein Pferd dicht vor dem Häuptling
der Apachen. Die beiden so ungleichen Männer sahen sich lange in die Augen, tasteten sich mit Blicken ab und spürten das Gefühl der guten Gemeinsamkeit, das zwischen ihnen war. »Ich grüße dich, Falke«, sagte Cochise dann. Ein fast unmerkliches Lächeln teilte seine Lippen. »Ich bin erstaunt, dich zu sehen. Wolltest du nicht zu dem einarmigen Blaurock zurückreiten, den die Bleichgesichter Howard nennen.« »Ich bin bereits bei ihm gewesen, Cochise«, entgegnete der Armee-Scout. »General Howard ist in großer Sorge um das Wohlbefinden dieses Landes. Er schickte mich zurück, um hier nach dem Rechten zu sehen, damit keine weiteren Zwischenfälle den Frieden zwischen den Weißen und den Apachen stören.« »Cochise kann allein für sich und seine Chiricahuas sorgen«, stieß er grimmig hervor. »Ich werde alle Feinde vernichten, die sich gegen mich stellen.« »Das ist richtig, Cochise. Du sollst meinen Auftrag auch nicht so verbissen sehen. Es treiben sich Banditen in dieser Gegend herum, die davon profitieren, wenn es wieder zum Krieg zwischen deinen und meinen Leuten kommt.« Cochises Ärger verflog. Er nickte Gelbvogel und dann Wyatt Earp freundlich zu. Sein Blick verweilte ein wenig länger auf Virgil, der von der stolzen Haltung des Indianer-Chiefs tief beeindruckt war. »Du hast wahre Worte gesprochen, Falke«, sagte Cochise. »Es gibt ein Tal in der Nähe, in dem sich viele schlechte weiße Männer befinden. Auch den Mann, den ihr Glenn Morgan nennt, ist bei ihnen.« John Haggerty ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Wyatt Earp trieb sein Pferd an und zügelte es dicht neben dem großgewachsenen Scout. »Glenn Morgan?« fragte er. »Bist du sicher, Häuptling?« »Völlig sicher«, erwiderte Cochise. »Dieser Narr ist noch immer auf der Suche nach der
Goldmine der Spanier.« In Wyatt Earps Augen begann es zu funkeln. »Warum ist er ein Narr, wenn er sich das Gold holen will, Cochise? Ich würde auch gern diese Mine finden.« Cochise schüttelte den Kopf mit einer entschiedenen Geste, die nichts zu wünschen übrig ließ. »Das ist sinnlos. Ich kenne diese Mine. Es befindet sich kein Gold mehr in ihr. Die Soldaten mit den eisernen Rüstungen haben sie völlig ausgebeutet.« Wyatt Earp verzog das Gesicht. Virgil noch mehr. Die Brüder sahen ihren Traum vom schnellen Reichtum wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Virgils Blick war nicht gerade voller brüderlicher Zuneigung, als er Wyatt ansah. Der Gambler nickte Virgil kurz zu, was so viel heißen sollte: Noch ist nicht aller Tage Abend. Cochise war der Blickwechsel zwischen den Männern nicht entgangen. Und er nahm sich vor, dieses Thema nochmals zur Sprache zu bringen, sobald sich eine Möglichkeit dazu bot. »Was ist mit diesen Banditen in dem Valley?« fragte John Haggerty. »Was sind das für Burschen?« »Sie haben eine Herde gestohlen und in das Tal gebracht. Sie kämpften die Verfolger bis auf den letzten Mann nieder. Morgan ist bei ihnen. Sie wollen bald das Tal verlassen, um nach der Goldmine zu suchen.« Cochise lächelte düster. »Es sind Narren«, fuhr er fort. »Blinde Narren, die in ihr Verderben rennen werden. Sie jagen einem trügerischen Schein nach. Warum nur vernebelt der Gedanke an das gelbe Metall die Gehirne der weißen Männer?« Cochises Blick richtete sich auf Wyatt Earp, der ahnte, daß ihn der Chiricahua-Häuptling längst durchschaut hatte. »Gold ist nun einmal ein Zauberwort«, antwortete John Haggerty. »Es läßt Freunde zu Feinden werden und Partner zu unerbittlichen Gegnern. Es kann jeden Mann verrückt machen.
Er sieht nur seinen persönlichen Reichtum und will einen Zipfel des großen Glücks erhaschen.« »Das sind wahre Worte, Falke«, entgegnete Cochise. »Auch wir Apachen kennen den Wert des Goldes, obwohl wir uns nicht viel aus dem gelben Zeugs machen.« John Haggerty nickte dem Häuptling der Apachen zu. »Laß uns zu einem Ort reiten, wo wir in Ruhe über alles sprechen können, Cochise. Wenn du natürlich allein weiterreiten möchtest, dann wollen wir…« Cochise winkte ab. »Ich bin froh, dich zu sehen, Falke«, unterbrach der Chief den Armee-Scout. Und in seiner Stimme lag eine Herzlichkeit, die selbst den erfahrenen John Haggerty überraschte. * Leichter Wind säuselte in den Blättern der Cottonwoods. Der Bach murmelte sein ewiges Lied und schlängelte sich durch die Wiesen. Von der Rinderherde klang Muhen herüber. Über ein Dutzend Männer umringten einen Baum, an dessen Stamm man Naiche, den Sohn des Chiricahua-Häuptlings, gefesselt hatte. Der junge Apache war längst aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Mit versteinert wirkendem Gesicht und stolzem Blick stand Naiche am Stamm des Cottonwoods, gehalten von strammen Fesseln. Er übersah die spöttischen Blicke der Bleichgesichter, überhörte ihre höhnischen Worte und fühlte einen immer stärker werdenden Haß durch seinen schlanken Körper pulsieren. Jeff Cooper und Glenn Morgan zwängten sich zwischen den Banditen hindurch und blieben wenige Schritte vor dem gefangenen Apachen-Krieger stehen. Die beiden Banditen grinsten gemein und betrachteten den
Indianer wie ein seltenes Insekt. Dann verhärteten sich ihre Gesichter. Drohend funkelten ihre Augen. »Hör zu, Apache«, erklang Jeff Coopers befehlsgewohnte Stimme auf. »Wir werden dich laufen lassen, wenn du uns verrätst, wo sich die alte Goldmine der Spanier befindet. Mehr wollen wir nicht von dir wissen. Du wirst uns hinführen. Ist das in deinen roten Schädel hineingegangen, oder müssen wir nachhelfen?« Naiche reagierte nicht. Noch immer stand er stolz da, ignorierte die Schmerzen, die von den tief ins Fleisch dringenden Stricken ausgingen. Eine kleine Ader begann auf Jeff Coopers Stirn zu pulsieren, die auf den Zorn des Outlaws hindeutete, den dieser in sich aufsteigen fühlte. Der Bandit trat auf Naiche zu und hielt dem Gefangenen seine Faust unter die Nase. »Ich schlage dir den Schädel ein, du verlauster roter Bastard«, polterte Cooper los. »Wir können aber auch deine Füße über einem Feuer rösten, oder dich bis zum Hals eingraben und dich den Ameisen zum Fraß überlassen. Oh, es gibt viele Möglichkeiten, dich zum Sprechen zu bringen. Ist das klar?« Die letzten Worte brüllte Jeff Cooper unbeherrscht. Die Ader auf seiner Stirn schwoll noch mehr an. Naiche blickte den Outlaw an und spuckte ihn dann mitten ins Gesicht. Jeff Cooper stand im ersten Moment fassungslos da, als wäre ein Blitz dicht neben ihm in den Boden gefahren. Der Speichel lief über seine Wange. Er sah den verächtlichen Ausdruck auf dem Gesicht des jungen Kriegers und den tiefen Haß in seinen Augen. Jeff Cooper schlug unbeherrscht zu. Seine Faust traf das Kinn des Indianers, dessen Kopf hart gegen den Baumstamm prallte. Blut sickerte zwischen Naiches Lippen hervor. Kein Schmerzenslaut verließ seinen Mund. Der Sohn des Apachen-
Häuptlings lächelte sogar, was die Wut des Rustlers noch mehr anstachelte. Er wollte erneut zuschlagen, um seine Wut an dem Apachen abzureagieren, doch Glenn Morgan packte gerade noch rechtzeitig Jeff Coopers Arm, um einen weiteren brutalen Hieb zu verhindern. »Hör auf, verdammt«, fluchte Morgan. »Was nutzt es uns, wenn du den roten Halunken halbtot schlägst?« Jeff Cooper riß sich los und kreiselte herum. Fast sah es so aus, als wolle er sich auf Glenn Morgan stürzen, der erschrocken einen Schritt zurückwich. Dann entspannte sich Jeff Cooper plötzlich. Er grinste und nickte mehrmals. »Okay, Glenn, mir sind die Nerven durchgegangen. Das wirst du verstehen. Glaube aber nur nicht, daß ich diesen roten Bastard mit Samthandschuhen anfasse. Wenn der nicht gleich ausspuckt, was ich von ihm wissen will, dann lege ich erst richtig los. Und dann wird kein Auge trocken bleiben. Das verspreche ich ganz feierlich.« Cooper wischte sich mit dem Handrücken den Speichel von der Wange und wandte sich wieder Naiche zu. »Okay, mein roter Freund. Jeder von uns hat nun seinen Spaß gehabt. Jetzt wird es ernst. Ich will von dir wissen, wo sich die Goldmine befindet. Und wenn du mich nochmals anspuckst, dann schneide ich dir die Zunge ab.« Naiche reagierte nicht. Er schien durch den Boß der Viehdiebe hindurchzublicken. »Vielleicht versteht er unsere Sprache nicht, Boß«, rief der Mann mit dem Totengesicht. »Du solltest nicht vergessen, daß der Gefangene ein Apache ist.« Cooper fuhr sich über sein bärtiges Kinn und spuckte dann wütend aus. »Okay, okay, okay«, sagte er knurrend. »Wer von euch Heldensöhnen beherrscht die Sprache der Apachen?«
Ein kleinwüchsiger Mann, dem eine knollenförmige Nase wie eine überreife Erdbeere aus dem Gesicht ragte, trat neben Jeff Cooper. Seine stechenden Augen richteten sich auf den Sohn des großen Häuptlings der Chiricahuas. »Ich spreche ein paar Brocken dieser Sprache, Boß«, sagte der kleingeratene Bandit. »Es wird mir schon gelingen, der Rothaut zu erklären, was wir von ihr wollen.« * Fünf Männer lagerten im Schatten einiger Bäume. Die sengende Hitze lähmte jede ihrer Bewegungen. Fliegen und andere Insekten schwebten in dichten, sich auf und ab bewegenden Wolken über den beiden Indianern und den drei Bleichgesichtern. Gelbvogel warf hin und wieder dem Apachen-Häuptling bewundernde Blicke zu. Cochise starrte zu Boden. Man sah ihm an, daß er sich mit ernsten Problemen beschäftigte. John Haggerty unterbrach das Schweigen. »Was willst du unternehmen, Cochise? Willst du die weißen Banditen aus dem Tal vertreiben?« Cochise hob den Kopf. Fest blickte er den weißen ArmeeScout an, der seinem Blick standhielt. »Ich habe keine andere Wahl, will ich mein Gesicht und meine Ehre nicht verlieren, Falke. Geronimo wartet nur darauf, daß ich mir eine Blöße gebe. Er lauert irgendwo in der näheren Umgebung. Ich muß ihm beweisen, daß ich der Jefe bin, Falke. Vielleicht kannst du das nicht verstehen. Ich habe schon genügend Ärger mit Victorio, dem Häuptling der Mimbrenjos. Ich muß ein Bündnis zwischen ihm und Geronimo verhindern. Man wird es mir als Schwäche auslegen, wenn ich die weißen Eindringlinge ungeschoren entkommen lasse.« Damit war alles gesagt. Cochise deutete das auch mit einer abschließenden Handbewegung an.
John Haggerty nickte verstehend, obwohl er gern jeden Kampf vermeiden würde. Wyatt Earp leckte sich über die Lippen und lächelte dann hart. Er sagte. »Ich will mich zwar nicht einmischen, Cochise, doch ich würde mir schon gern diesen Morgan nochmals vorknöpfen. In Tombstone würde man große Augen machen, wenn ich den Outlaw zurückbringe.« Virgil Earp stimmte seinem Bruder zu. »Man könnte das alles mit einigen schnellen Schüssen erledigen«, sagte er. »Wenn du willst, Häuptling, dann helfen wir dir, die Outlaws zu besiegen.« »Das ist meine Angelegenheit«, stieß Cochise hervor. »Ihr Bleichgesichter solltet euch heraushalten.« Gelbvogel richtet seinen zusammengesunkenen Oberkörper auf und blickte Cochise fest an. »Ich Apache und helfen Cochise«, radebrechte er auf Englisch, damit die Weißen verstanden, was er sagte. »Ich kämpfen mit großes Häuptling der Apachen gegen Bleichgesichter. Eine große Ehre seien für Gelbvogel dieses Kampf.« Cochise blickte den Apachen nachdenklich an. »Du bist kein Chiricahua«, sagte er dann. »Es ist nicht dein Kampf. Außerdem mußt du dem Falken gehorchen. Er ist dein Boß und dessen Chief ist der einarmige Blaurock.« »Ich sein mutiges Krieger«, rief Gelbvogel. »Und Boß Falke geben Erlaubnis mich, Häuptling Cochise helfen.« »Ich werde dich nicht daran hindern, Cochise zu begleiten, Gelbvogel. Und ich frage Cochise, ob er meine Hilfe annimmt, sollte es zu einem schweren Kampf kommen?« »Cochise und Gelbvogel werden allein kämpfen. Wir benötigen keine Hilfe. Apachen töten lautlos, Falke!« Nach diesen Worten breitete sich wieder ein bedrückendes Schweigen aus. Die fünf Männer hingen ihren Gedanken nach. Ein Rennkuckuck stolzierte einige Yards entfernt an ihnen
vorbei und verschwand hinter einigen Orgelpfeifenkakteen. Wyatt Earp fragte plötzlich: »Bist du sicher, daß sich in der alten spanischen Mine kein Gold mehr befindet, Cochise?« Ohne aufzublicken, nickte der Häuptling der Apachen. »So ist es, weißer Mann. Die Männer in den stählernen Rüstungen, die ihr Spanier nennt, sind süchtig nach Gold gewesen. Sie haben gemordet und geraubt, gefoltert und schlimme Greueltaten vollbracht, nur um sich in den Besitz des Goldes zu bringen. So berichteten meine Ahnen und Väter. Ich kenne diese legendäre Mine, die in den Köpfen der Bleichgesichter herumgeistert. Sie ist ohne Bedeutung, denn sie wurde von den Spaniern völlig ausgebeutet. Immer wieder suchen weiße Männer nach dieser Mine und dem Gold.« Cochise hob den Kopf und blickte den jungen Revolvermann und Spieler mit zwingendem Blick an. »Wenn du willst, dann führe ich dich und deinen Bruder zur Mine, wenn ich mit den weißen Banditen abgerechnet habe.« Enttäuschung fraß sich in Wyatt Earps Gesicht. Ähnlich erging es Virgil. Er sah aus, als würde er plötzlich von starken Zahnschmerzen geplagt. Wyatt Earp schüttelte den Kopf. Keiner der Männer sah die Erleichterung auf Cochises Gesicht. Er glaubte nun daran, den beiden Earp-Brüdern die Goldmine ausgeredet zu haben. »Wir glauben dir, Häuptling«, sagte Wyatt tonlos. »Ich werde mich aber an diesem Morgan schadlos halten und ihn wieder nach Tombstone zurückbringen.« Nun schüttelte der Chiricahua den Kopf. »Ich werde auch diesen weißen Banditen töten, Wyatt Earp. Er wird, wie auch die anderen Weißhäutigen, bestraft werden.« Die Earp-Brüder nickten. Zu genau wußten sie, es hatte keinen Sinn, sich gegen den Willen des Apachen-Häuptlings aufzulehnen. Jonn Haggerty sah man an, daß er zu gern die Auseinandersetzung verhindert und mit friedlichen Mitteln
gelöst hätte. Aber auch er wußte, daß er Cochise von seiner einmal gefaßten Meinung nicht abbringen konnte. Trotzdem wollte er einen letzten Versuch wagen, um Cochise umzustimmen. »Ich möchte Blutvergießen vermeiden, Cochise«, sagte der Armee-Scout ernst. »Es würde doch genügen, die Banditen zur Aufgabe zu zwingen. Ich werde dann die Gefangenen dem Gesetz des weißen Mannes übergeben. Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Das verspreche ich dir. Du darfst nicht glauben, daß ich dir und Gelbvogel nicht zutraue, wie ein Unwetter über die Outlaws herzufallen. Du bist ein großer Krieger, Cochise. Einer der tapfersten Krieger, die ich kenne. Jeder bewundert deinen Mut. Niemand würde es dir verübeln, wenn wir die weißen Banditen auf diese Art und Weise ausschalten.« John Haggerty schwieg. Fragend blickte er den Häuptling der Chiricahuas an. »Es sind weise Worte, die du von dir gegeben hast, Falke«, antwortete Cochise ebenso ernst. »Du kennst aber diese räudigen Coyoten nicht. Sie werden sich nicht ergeben, sondern es auskämpfen wollen. Es sind keine feigen Memmen.« »Laß es auf einen Versuch ankommen«, bat John Haggerty. Der Häuptling antwortete nicht sofort. In seinem Gesicht arbeitete es. Schon glaubte John, er würde seine Bitte ablehnen, als der Chiricahua nickte. »Ich gehe auf deinen Vorschlag ein, Falke, denn ich will dir zeigen, daß ich nicht hartherzig bin, wie viele deiner weißen Brüder glauben. Wir fordern die weißen Banditen auf, sich zu ergeben. Sollten sie das aber nicht tun, dann werden Cochise und sein roter Bruder Gelbvogel gnadenlos zuschlagen.« Gelbvogels Augen leuchteten. Er nickte so heftig, daß sein Stirnband verrutschte. »So soll es sein, Cochise«, antwortete John Haggerty. Er
blickte die Earp-Brüder an. »Ihr seid doch mit von der Partie?« »Natürlich«, erwiderte Wyatt Earp. »Ich schätze, daß ihr auf unsere Colts nicht verzichten könnt. Wenn ihr nur zu dritt auftaucht, werden sich die Banditen totlachen.« John Haggerty grinste lässig. »Das wäre doch immerhin auch ein Erfolg, oder etwa nicht?« * Naiche hing zusammengekrümmt in den Fesseln. Sein Gesicht war blutverschmiert. Nichts war mehr von seiner stolzen Haltung übriggeblieben. Er atmete keuchend. Jeder Atemzug bereitete ihm höllische Schmerzen. Einige Rippen schienen angeknackst, oder sogar gebrochen zu sein. Jeff Cooper rieb sich die Knöchel seiner aufgeschlagenen rechten Faust. Kalter Zorn lag in seinen Augen. Er nickte dem totenkopfgesichtigen Billy Barns zu. »Hol einen Eimer voll Wasser, Bill, und schütte ihn diesem roten Bastard über den Schädel. Er muß wieder aufwachen, sonst erfahren wir niemals, wo diese verdammte Goldmine ist.« Barns stiefelte los. Glenn Morgan trat neben den Boß der Rustlerbande. »Ein zäher Bursche«, murmelte Morgan. »Ich hätte nicht gedacht, daß sich die Rothaut halbtot schlagen läßt und trotzdem nicht ausspuckt, was wir wissen wollen.« »Diese Kerle sind nun einmal so«, sagte Jeff Cooper. Widerwillige Bewunderung schwang in seinen Worten mit. Er fügte hinzu: »Wir werden den roten Heiden aber kleinkriegen. Er wird sprechen. Darauf verwette ich meinen letzten Cent.« Glenn Morgan nickte und wandte sich Bill Barns zu, der heranstiefelte und einen Eimer mit Wasser in den Händen hielt.
Er schüttete Naiche das Wasser über den Schädel. Einige der umstehenden Banditen lachten, als wäre dies alles ein besonders toller Spaß. Ein Stöhnen brach von Naiches Lippen. Seine Augenlider zuckten. Wohl unbewußt stemmte sich sein Körper gegen die Fesseln, die ihn noch immer am Stamm des Cottonwoods festhielten. Dann öffnete der so schwer geschundene junge Indianer die Augen. Sein Blick wurde klarer. Hart preßten sich seine aufgeschlagenen Lippen aufeinander. Jeff Cooper trat auf Naiche zu. Sein heißer Atem traf den Apachen, dem noch immer Wasser aus den Haaren tropfte und in kleinen Bächen über das angeschwollene Gesicht lief. »Das ist erst ein kleiner Vorgeschmack gewesen, Apache«, zischte der Rustlerboß. »Wenn du jetzt nicht bald Vernunft annimmst, dann wird es aber noch viel schlimmer für dich werden.« Cooper trat zurück. Naiche antwortete nicht. Er schloß die Augen, während sein Mund noch immer an eine schlecht verheilte Narbe erinnerte. Jeff Coopers Hände ballten sich zu Fäusten, als er die Reaktion des gefangenen Indianers sah. »Der Bursche stellt sich einfach tot« murmelte Cooper. »Der nimmt uns nicht für voll, Leute. Der Bastard hat noch immer nicht genug.« »Laß ihn ein oder auch zwei Stunden in Ruhe«, ließ sich Glenn Morgan vernehmen. »Der Apache braucht Zeit, um über alles nachzudenken. So sehe ich es. Wir könnten in der Zwischenzeit etwas essen. Ich habe einen fürchterlichen Hunger.« Jeff Cooper nickte widerstrebend, folgte dann Morgan, der in den Schatten der Hütte trat, wo bereits einige andere Banditen kauerten und es sich schmecken ließen. Hin und wieder blickten sie zu dem jungen Apachen hinüber,
der den ganzen Tag über weder etwas zu essen noch zu trinken erhalten hatte. Naiche ließ das alles ohne Regung über sich ergehen, obwohl ihn Hunger und Durst plagten. Er, der stolze Sohn dieses Landes, wollte gegenüber den verhaßten Weißbäuchen keine Schwäche zeigen. Natürlich hatte Naiche längst verstanden, was die weißen Banditen von ihm wollten. Er hatte auch schon von dieser legendären Goldmine gehört, kannte aber ihre genaue Lage nicht. »Wir kriegen ihn klein«, sagte Jeff Cooper schmatzend. »Wenn er nicht bald redet, müssen wir zu härteren Mitteln greifen.« Glenn Morgan sah seinen Banditenfreund zweifelnd an. Er war nicht so richtig davon überzeugt, daß der stolze Apache wirklich sprechen würde. Es wurde langsam dämmrig. Innerhalb weniger Minuten würde es dunkel werden. Die Banditen zuckten zusammen, als plötzlich eine Stimme erschallte, die ihnen durch Mark und Bein ging. »Hier spricht Cochise, der Häuptling der Apachen. Das Lager ist umzingelt. Ich fordere euch auf, euch zu ergeben, sonst werde ich den Befehl zum Angriff geben!« Jeff Cooper verschluckte sich an einem Fleischbrocken und keuchte und würgte. Glenn Morgan sprang auf die Beine und riß seinen Colt aus dem Halfter. Auch die übrigen Viehdiebe waren aufgesprungen. Sie griffen ebenfalls nach ihren Waffen. »Zum Henker«, fluchte Cooper, der endlich wieder Luft bekam. Sein Gesicht schimmerte rot wie eine überreife Tomate. Die Augen der Banditen richteten sich auf die schlanke und großgewachsene Gestalt eines Indianers, der über 100 Yards entfernt auf dem Talhang zwischen einigen Felsen stand. Obwohl die Dämmerung immer schneller herniedersank, war die Gestalt des Apachen gut zu erkennen.
Einige Männer rissen die Gewehre hoch, legten auf die Rothaut an, doch Glenn Morgans harte Stimme hielt die Outlaws zurück, die Finger am Abzug zu krümmen. »Cochise«, stöhnte Cooper. »Oh, verdammt, das hat uns gerade noch gefehlt. Der berühmte Cochise persönlich. Da haben wir uns ja eine heiße Suppe eingebrockt.« Wieder erscholl Cochises Stimme zu den Banditen herüber. Sie klang furchtlos und stolz. »Ich gebe euch eine Frist, die ihr Bleichgesichter eine halbe Stunde nennt. Wenn ihr euch bis dahin nicht ergebt, werden meine Krieger über euch herfallen und euch töten. Das ist meine einzige und letzte Warnung!« »Gebt diesem roten Bastard heißes Blei zu schlucken«, schrie Jeff Cooper los. Er riß seinen Revolver aus dem Halfter und jagte Kugel um Kugel zu dem Chiricahua-Häuptling hinüber, obwohl die Entfernung für einen Revolver viel zu weit war. Auch seine Männer schossen. Ihre Gewehrkugeln trafen die Stelle, an der sich Cochise noch vor wenigen Sekunden befunden hatte. Der Apachen-Chief war verschwunden, untergetaucht zwischen den Felsen und Büschen, die den Talhang bedeckten. »Aufhören, verdammt«, brüllte Cooper. »Ihr vergeudet nur unnötig Munition.« Seine Männer stellten das Feuer ein. Träge verzog sich bläulicher Pulverdampf. Sie starrten zum Hang hinüber. Cooper erkannte einige seiner Leute, die vom Taleingang herüberliefen und wie wild mit ihren Waffen fuchtelten. »Zurück«, schrie Cooper. »Indianer. Ihr müßt den Eingang besetzt halten.« Die Banditen drehten sich um und hasteten zum Taleingang zurück. Coopers Blick richtete sich auf Glenn Morgan, der fluchend einige Schritte von ihm entfernt stand.
Der aus Tombstone aus dem Jail geflüchtete Outlaw zuckte mit den Achseln, wußte in diesen Sekunden auch keinen Rat, wie man dieses schlechte Blatt noch wenden konnte. Erneut erschallte Cochises Stimme durch die Abenddämmerung. Der Apachen-Häuptling zeigte sich wieder auf dem Berghang. »Gegenwehr ist sinnlos«, rief er. »Ihr könnt euer Leben nur retten, wenn ihr aufgebt. Die Zeit läuft. Es verbleiben euch nur noch wenige Minuten, um eine Entscheidung zu treffen!« »Nicht schießen«, sagte Cooper knurrend. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Er lief auf den Baum zu, an dem Naiche noch immer gefesselt stand. Der junge Apache hatte aufgehorcht, als er die Stimme seines Vaters vernahm. Hoffnung, dem sicheren Tod zu entgehen, prägte sein zerschlagenes Gesicht. Noch im Laufen zog Jeff Cooper sein Bowiemesser. Und es sah so aus, als wolle er Naiche wie ein Tier abstechen. Dann schnitt er aber nur die Fesseln durch. Naiche taumelte nach vorn und brach in die Knie, obwohl er alles daransetzte, um diese Blöße, wie er meinte, zu vermeiden. Der Apache war aber bereits so geschwächt, daß er nicht mehr auf die Beine gelangte, obwohl er alles versuchte. Jeff Cooper trat von hinten heran, riß Naiche auf die Beine und setzte ihm das Messer an die Kehle. Mit der anderen Hand hielt er den kraftlosen Körper des jungen Kriegers umklammert. Naiche versuchte sich zu wehren, hatte jedoch gegen den harten Griff des Banditenbosses keine Chance. Cochise stand hochaufgerichtet zwischen den Felsen. Er spürte eine eisige Faust, die ihm das Herz aus der Brust zu reißen schien, als er seinen Sohn in der Gewalt der Banditen erkannte. Nur mühsam gewann Cochise wieder die Kontrolle über sich zurück. Sein Herz hämmerte schneller gegen die Rippen, als er
seinen Sohn Naiche so hilflos der Willkür des weißen Outlaws ausgesetzt sah. »Wir fordern freien Abzug, Cochise«, kreischte Cooper. »Wenn du auf unsere Bedingung nicht eingehst, dann wird dieser Krieger sterben. Überlege gut, was dir mehr wert ist: Das Leben dieses jungen Apachen, oder unser Leben!« Cochises Gesicht wirkte nun wie versteinert. Schwer bob und senkte sich seine Brust. Dann ging ein Ruck durch seine Gestalt. Ruhig, als schwebe nicht sein Sohn in Lebensgefahr, antwortete der Häuptling der Apachen: »Was ist schon ein Leben gegen eure Leben, Bleichgesichter? Ihr habt nur eine Möglichkeit, dem Tod zu entgehen, indem ihr euch ergebt. Und solltet ihr meinem Krieger auch nur ein Haar krümmen, dann ist auch diese Chance verspielt. Die Zeit läuft, und sie ist gegen euch!« Cochise duckte sich und huschte hinter einen Felsen. Von dort aus setzte er seinen Weg fort, um das Tal zu verlassen. Seine Gedanken überschlugen sich, suchten verzweifelt nach einer Lösung, um Naiche aus den Händen der Weißhäutigen zu befreien. Und Cochise wollte alles daransetzen, um das Leben seines Sohnes zu retten. * »Nicht schießen«, rief Cochise und zwängte sich zwischen zwei Salbeibüschen hindurch. John Haggerty senkte den Lauf seines Gewehres. Die EarpBrüder halfterten ihre Revolver. Gelbvogel trat zu den Männern und blickte den Chiricahua ernst an. »Die Banditen geben nicht auf. Ich habe es geahnt, Cochise. Wir vernahmen Schüsse. Was ist geschehen?« Haggerty schwieg. Obwohl Cochise seine Erregung zu unterdrücken versuchte,
konnte er den erfahrenen Armee-Scout nicht täuschen. Es gab einige Hinweise, die auf diesen Zustand Cochises hinwiesen. John Haggerty legte dem Apachen-Häuptling eine Hand auf die Schulter. Cochise lächelte gequält. »Sie haben Naiche in ihrer Gewalt. Ich wußte nichts davon, denn sonst hätte ich diesen weißhäutigen Bastarden kein Ultimatum gestellt. Nun ist die Chance vertan. Sie werden meinen Sohn töten, wenn wir angreifen und sie nicht ziehen lassen.« Haggerty hatte mit einer unangenehmen Nachricht gerechnet, aber nicht geahnt, daß sie so schlimm sein würde. Wyatt und Virgil schoben sich näher heran. John Haggerty schüttelte den Kopf, als Wyatt etwas sagen wollte. Er selbst wandte sich an Cochise. »Das Leben deines Sohnes geht vor, Cochise. Wir wollen alles tun, um es zu retten. Verfüge über uns. Wir werden deinen Befehlen folgen. Auch ich schätze Naiche sehr.« Damit war alles gesagt. Ein dankbarer Blick des Chiricahuas traf Haggerty. Dann verhärtete sich das edle Antlitz des Apachen-Häuptlings. »Ich habe ein Ultimatum gestellt, Falke, so wie du es gewollt hast. Soll ich nun in meiner Meinung schwankend werden? Die weißen Schufte werden es als Schwäche auslegen und Naiche auf jeden Fall ermorden. Diesen Männern bedeutet das Leben eines Indianers weniger als das eines Tieres.« »Du magst schon recht haben, Cochise«, entgegnete der Armee-Scout. »Noch ist nichts verloren. Die Banditen wissen nicht, daß Naiche dein Sohn ist. Das kann für uns gut, aber auch schlecht sein. Auf jeden Fall müssen wir schnell handeln.« »Cochise wird handeln«, antwortete der Apachen-Chief. »Er wird in das Lager eindringen und seinen Sohn befreien. Es gibt nur diese eine Möglichkeit.« »Ich helfen dich«, sagte Gelbvogel und trat entschlossen
neben den Jefe der Chiricahuas. »Uns gelingen Sohn befreien.« John Haggerty nickte. »Ich werde ebenfalls mit dir gehen, Cochise. Es wird uns gelingen, deinen Sohn zu befreien.« Der Jefe schüttelte den Kopf. »Das ist eine Angelegenheit von uns Apachen, Falke. Du und deine beiden weißen Freunde werden den Taleingang besetzen, damit die Bleichgesichter nicht fliehen können. Du solltest mich nicht falsch verstehen, Falke. Wenn es den Banditen gelingt, das Valley zu verlassen, dann sind meine Chancen gesunken, Naiche lebend in meine Arme zu schließen.« »So soll es sein, Cochise«, antwortete der Armee-Scout, obwohl er lieber dem Apachen gefolgt wäre. Wyatt Earp sagte: »Befreie deinen Sohn Naiche. Unsere besten Wünsche begleiten dich. Wir werden niemanden aus dem Tal herauslassen. Das verspreche ich dir.« Cochise nickte Gelbvogel zu. Die beiden Apachen legten ihre Gewehre auf den Boden. Nun waren sie nur noch mit ihren Büffelmessern bewaffnet. Sie nickten ihren weißen Freunden kurz zu, ehe sie losschlichen und gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden waren. »Apachen töten lautlos«, murmelte Haggerty. »Ich möchte nicht in der Haut der Outlaws stecken. Los, Leute, wir sichern den Taleingang. Die Banditen werden einen Ausbruch versuchen. Und wir müssen das mit allen Mitteln verhindern.« * Im Camp der Viehdiebe herrschte Hektik und Panik. Die Banditen eilten durcheinander, schrien sich gegenseitig sinnlose Befehle zu und erinnerten an eine Schafherde, in deren Mitte ein Blitz eingeschlagen hatte. »Verdammt noch mal«, wetterte Jeff Coopers heisere
Stimme plötzlich los. »Kommt alle mal her zu mir. Wir müssen beratschlagen, was wir tun wollen. Los, Leute, noch haben wir nicht verloren. Wir sind ein Dutzend harter Jungs, die es mit einem ganzen Apachenstamm aufnehmen können. Warum macht ihr euch die Hosen voll? Außerdem haben wir eine Geisel, die uns gute Dienste leisten wird.« Der Banditenboß starrte auf Naiche, der bäuchlings am Boden lag und sich nicht rührte. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Cooper hatte den Apachen niedergeschlagen, nachdem Cochise verschwunden war. Zögernd traten die Outlaws näher. Angst entstellte die Gesichter einiger Männer. Der Name Cochise hatte ihnen Furcht eingejagt. Zuviel hatten sie von dem Häuptling der Chiricahuas bereits gehört. Und meist waren es erfundene und erlogene Greuelgeschichten. »Ihr holt zuerst eure Pferde, Leute. Auch den Mustang dieses roten Halunken. Wir binden den Apachen auf dem Pferderücken fest. Damit wartet ihr aber, bis ich wieder zurück bin. Ich gehe zum Taleingang, um mich dort umzusehen. Vielleicht hat dieser Cochise nur wenige Krieger um sich versammelt und es gelingt uns, einen Ausbruch zu wagen. Ich bin sogar davon überzeugt, daß wir es schaffen werden.« Jeff Cooper blickte auf Morgan, der wenige Schritte neben der Blockhütte stand und unschlüssig zu ihm herübersah. »Du kümmerst dich hier um alles, Morgan. Wir müssen einen klaren Kopf behalten, sonst sind wir verloren.« Jeff Cooper stiefelte los, näherte sich mit schnellen Schritten dem Taleingang, wo er von vier seiner Leute erwartet wurde. »Draußen ist alles ruhig«, sagte Billy Barns, der Mann mit dem Totengesicht. Er spuckte aus und grinste dann. Cooper sah dem Outlaw aber an, daß auch er sich nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte. »Okay, Jungs, dann wollen wir mal feststellen, ob der Taleingang wirklich gesperrt ist. Außerdem müssen wir
herausfinden, wie stark unser Gegner ist. Los, Leute, wir wagen einen Ausbruchversuch. Unsere Feinde werden reagieren, wenn sie uns sehen. Achtet aber darauf, kein heißes Blei einzufangen.« Die vier Outlaws zogen nicht gerade begeisterte Gesichter, folgten aber Jeff Cooper, der die Führung übernahm. Die Banditen huschten hinter ihren Deckungen hervor und schoben sich zum Talausgang hinaus. Zuerst geschah überhaupt nichts. Schon glaubte Cooper, daß der Apachenhäuptling nur geblufft hatte, als plötzlich aufbrüllende Gewehrschüsse die nächtliche Stille zerrissen. Feuerlanzen erhellten die Nacht. Einer der Banditen kippte lautlos zur Seite und schlug dumpf zu Boden. Er blieb regungslos liegen. Cooper feuerte auf die aufzuckenden Feuerblumen und gab dann Fersengeld, um wieder die Deckung der Felsen am Taleingang zu erreichen. Er schaffte es. Auch seine drei anderen Gefährten gelangten hinter die schützenden Deckungen. Fluchend sahen sich die Outlaws an. Sie wußten, ein Ausbruch würde kaum möglich sein, ohne daß einige von ihnen an einer Bleivergiftung starben. Der Apache hat nicht geblufft«, seufzte Jeff Cooper. »Dort draußen lauern ausgezeichnete Gewehrschützen mit modernen Waffen. Heiliger Rauch, das kann ja heiter werden.« Seine drei Partner nickten. Sie blickten auf die Ebene hinaus und sahen ihren Gefährten noch immer regungslos am Boden liegen. Sie ahnten, daß er sich niemals wieder aus eigener Kraft erheben würde. »Ihr bleibt hier, Jungs«, bestimmte der Banditenboß. »Schießt auf alles, was sich dort draußen bewegt. Und bleibt nur hinter eurer Deckung. Ich sehe mich im Camp um. Vielleicht will dieser Cochise nochmals mit uns verhandeln.« Jeff Cooper eilte zum Lager zurück. Und er überlegte dabei verzweifelt, wie er sich und seine Leute in Sicherheit bringen
konnte, ohne den Apachen in die Hände zu fallen. * Zwei dunkle Schatten schlichen durch die Nacht, glichen lautlosen Phantomen, als sie sich dem Taleingang näherten. Cochise und Gelbvogel arbeiteten sich bis auf wenige Pferdelängen an den Taleingang heran und verhielten lauernd in einer Bodenmulde. Cochise warf dem Apachen-Scout einen anerkennenden Blick zu. Gelbvogel grinste breit und freute sich über dieses Lob. Er war stolz, zusammen mit dem großen Häuptling der Apachen, dieses gefährliche Unternehmen wagen zu dürfen. Und er hatte sich fest vorgenommen, den Jefe der Chiricahuas nicht zu enttäuschen. Die beiden Apachen verschmolzen mit dem Boden, als sie fünf Männer aus dem Tal herausschleichen sahen. Silbernes Mondlicht reflektierte auf ihren Gewehren. Cochise deutete Gelbvogel an, liegenzubleiben. Der Apachen-Chief ahnte, daß gleich ein höllischer Feuerzauber losbrechen würde. So war es auch. Die Banditen, die das Tal verlassen wollten, wurden zurückgetrieben. Vorher aber gelang es den beiden Apachen, in das Valley zu huschen. Cochise lächelte zufrieden. Er griff auch nicht ein, als er Jeff Cooper nur wenige Schritte entfernt vorbeilaufen sah. Ein Verschwinden des Banditenbosses hätte die anderen Outlaws nur stutzig gemacht. Cochise und Gelbvogel schlichen weiter, näherten sich vorsichtig der Blockhütte, wo reges Leben herrschte. Pferde wieherten, Männer fluchten. Die barsche Stimme von Jeff Cooper rief seine Leute zur Vernunft. Cochise hielt Ausschau nach seinem Sohn Naiche,
konnte ihn aber nicht entdecken. Sein Herz krampfte sich zusammen. Ein stechender Schmerz schien den Häuptling der Apachen zu lähmen. Er fühlte einen dumpfen Druck in seinem Magen, der nichts Gutes verhieß. Gelbvogel und Cochise schlichen noch näher heran. Endlich gelang es Cooper, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Er rief: »Hört zu, Jungs. Der Ausgang ist versperrt. Dort draußen lauern einige der roten Teufel, die verdammt gut mit ihren Gewehren umgehen können. Dave hat es erwischt. Wir müssen nun alles daransetzen, damit die Rothäute nicht in das Tal eindringen. Bis auf Ted, Joe, Clayd und Clark gehen wir alle zum Taleingang. Die vier von mir Genannten bleiben zurück und kümmern sich um den jungen Indianerbastard. Wenn er wieder bei Bewußtsein ist, bindet ihr ihn auf seinen Mustang und kommt zum Taleingang. Wir nehmen alle anderen Pferde mit. Wenn wir den roten Jüngling an die Spitze setzen, werden seine Indianerfreunde nicht schießen. Das ist vielleicht unsere einzige Chance, um auszubrechen.« Die Männer setzten sich in Bewegung, bis auf die vier Outlaws, die zu Naiche traten, der noch immer bewußtlos am Boden lag. Glenn Morgan und Jeff Cooper liefen gemeinsam los. Verbissen wirkten ihre Gesichter. »Schade um die Herde«, sagte der Boß der Rustlerbande mürrisch. »Das Geld kann ich nun auch abschreiben. Bis jetzt hast du mir kein großes Glück gebracht, Morgan.« Glenn Morgan hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, zuckte aber nur mit den Achseln. »Wir kommen hier schon raus«, sagte er. »Und du solltest an die Goldmine denken. Was sind schon ein paar Kuhschwänze gegen eine ganze Mine, gefüllt bis obenhin mit Gold?« Cooper blickte Morgan skeptisch von der Seite an. »Wollen wir es hoffen, Morgan«, sagte er. »Wenn du wirklich nur einem Hirngespinst hinterherjagst, dann werde ich
dich ungespitzt in den Boden rammen und zwar mit dem Kopf zuerst.« Glenn Morgan antwortete nicht. Er hoffte nur, daß sie bald aus dem Tal verschwinden konnten. Wenn er an Cochise dachte, dann lief es ihm kalt über den Rücken. * Cochises Augen funkelten. Zufrieden beobachtete er den Abmarsch der Banditen. Nun hatten er und Gelbvogel es nur mit vier Bleichgesichtern zu tun. Und mit denen würde er schnell fertig werden. Die beiden Apachen starrten zu den vier Weißen hinüber, die sich um den am Boden liegenden Naiche geschart hatten. Einer von ihnen trat dem Wehrlosen in die Seite und wollte den Bewußtlosen wohl so ins Leben zurückrufen. Cochise knirschte mit den Zähnen. Er zog sein Büffelmesser aus dem Rehledergürtel. Nachdem er Gelbvogel kurz zugenickt hatte, schlich der Häuptling der Apachen auf die vier Bleichgesichter zu. Der Apachen-Scout folgte ihm geräuschlos. Sie schlängelten sich auf die weißen Banditen zu. Jeder von ihnen wollte zwei ausschalten. Die Weißen hatten keine Augen und keine Ohren für die Anschleicher. Sie konzentrierten sich nur auf Naiche, von dessen Lippen nun ein Stöhnen erklang, das dumpf zu Cochise wehte. Noch härter wirkte das Gesicht des Chiricahuas. Seine Hand schraubte sich so fest um das Messer, daß die Knöchel fast weiß schimmerten. Noch entschlossener glitt Cochise auf die Weißhäutigen zu. Cochise und Gelbvogel trennten sich wenige Yards vor ihren Gegnern. Bald hatten sie sich den Weißen so weit genähert, daß sie nur die Hände auszustrecken brauchten, um ihre Feinde
zu berühren. Das taten die beiden Apachen dann auch. Ihre Messer funkelten im bleichen Mondlicht, als sie aufsprangen und sich auf die Bleichgesichter stürzten. Sie schalteten zwei ihrer Gegner aus, ehe die beiden anderen überhaupt kapierten, in welcher tödlichen Gefahr sie sich befanden. Die beiden Männer brachen aufstöhnend zusammen. Die Schreie der anderen Outlaws verstummten, als sie von den Apachen angesprungen wurden. Auch diese beiden weißen Banditen hatten gegen die zu alles entschlossenen Apachen keine Chance. Sie starben lautlos und sanken neben ihren Gefährten zu Boden. Gelbvogel und Cochise säuberten die blutigen Messer im Gras, steckten sie in die Scheiden zurück und beugten sich über Naiche, der noch immer hilflos am Boden lag. Ein Aufatmen ging durch Cochise, als er erkannte, daß sein Sohn noch lebte. * »Ich habe etwas vergessen«, sagte Jeff Cooper und blieb plötzlich stehen. Er und Morgan befanden sich nur noch wenige Pferdelängen vom Taleingang entfernt. »Geh nur, Morgan, ich muß nochmals zurück«, murmelte der Anführer der Rustlerbande. »In der Hütte befinden sich einige Dinge, die ich unbedingt mitnehmen möchte.« Jeff Cooper ging los. Plötzlich blieb er abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Barriere gelaufen. Er fuhr sich über die Augen. »Zum Henker«, stieß er hervor. »Das gibt es doch nicht.« Er starrte auf die beiden dunklen Gestalten, die gerade im Begriff waren, einen leblosen Körper hochzuheben. Und er sah vier andere dunkle Gestalten am Boden liegen. Er brauchte nicht allzuviel Phantasie, um sofort zu wissen, was geschehen
war. Apachen, dachte er. Diese Höllenhunde sind bereits im Tal. Sie haben meine vier Männer umgebracht und wollen nun den jungen Krieger in Sicherheit bringen. Der erste Schock legte sich in dem Banditenboß. Er riß seinen Colt aus dem Halfter und feuerte, aber er schoß zu überhastet. So verfehlte sein heißes Blei. Die beiden Männer liefen mit dem jungen Apachen los, erreichten die Blockhütte, hinter der sie in Deckung gingen. Jeff Cooper feuerte die Trommel seines Revolvers leer, fluchte und schrie dabei, als wäre er wahnsinnig geworden. Er vernahm hinter sich hastende Schritte. Es war Glenn Morgan, der bereits nach den ersten Schüssen losgespurtet war und mit keuchendem Atem seinen Banditenfreund erreichte. »Was ist los?« fragte Glenn Morgan verwundert, da er keinen Gegner erblicken konnte. »Zwei Apachen haben unsere Geisel befreit«, keuchte Cooper, während er die Trommel seines Colts auflud. »Zum Henker, wir müssen die roten Halunken schnappen, sonst befinden wir uns zwischen zwei Fronten. Dann aber haben wir nicht den geringsten Hauch einer Chance, diesen Kampf noch zu unseren Gunsten zu entscheiden.« Morgan duckte sich unwillkürlich. Er sah erst jetzt die vier leblosen Gestalten in der Nähe der Hütte am Boden liegen. »Wo stecken die Burschen?« »Hinter der Hütte. Wir müssen uns ihnen von zwei Seiten nähern, um sie ins Kreuzfeuer zu nehmen. Ich habe nur Messer bei den roten Teufeln gesehen. Gegen unsere Colts haben sie keine Chance. Los, vorwärts, Morgan. Wir knöpfen uns die Bastarde vor. Vielleicht ist es sogar Cochise, der mit einem seiner roten Freunde ins Tal eingedrungen ist. Ich würde es ihm zutrauen. Wenn es uns aber gelingt, den Häuptling der Apachen auszuschalten, dann haben wir gewonnen. Ohne Kopf werden die anderen roten Hundesöhne hilflos wie neugeborene
Kinder sein.« Die beiden Männer schlichen los, näherten sich der Blockhütte von zwei Seiten und hofften, die beiden Apachen mit schnellen Schüssen ausschalten zu können. * Cochise und Gelbvogel konnten sich mit Naiche hinter der Blockhütte in Sicherheit bringen. Der Chiricahua ließ seinen Sohn zu Boden gleiten. Naiche war noch immer bewußtlos. Längst hatte Cochise erkannt, wie brutal der junge Krieger von den Bleichgesichtern geschunden worden war. Ein heißer Haß auf die Banditen brachte Cochises Herz zum Lodern. Er fragte sich in diesen Sekunden, ob er nicht falsch handelte, wenn er auf einen Frieden mit den Weißen aus war. Gelbvogel spähte um die Hüttenecke. Er sah die beiden Weißen heranschleichen. Ohne Cochise etwas zu sagen, lief der Scout plötzlich los. Cochises leiser Ruf verhallte. Schüsse krachten, wurden dumpf von den Bergwänden als Echo zurückgeworfen. Cochise blickte hinter Gelbvogel her, der im Zickzack, wie ein flüchtender Hase, dahinjagte, sich plötzlich bückte und wieder auf die Blockhütte zuhielt. Geschosse furchten rechts und links den Boden. Cochise zog sein Messer und fühlte sich hilflos in diesem Augenblick. Er wußte nicht, wie er Gelbvogel helfen konnte. Der Scout warf sich nun mit einem letzten, verzweifelten Sprung in den Schutz der Blockhütte. Zwei Gewehre polterten zu Boden. Erst jetzt wußte Cochise, warum sein roter Freund sein Leben riskiert hatte. Gelbvogel hatte erkannt, daß sie beide ohne Schußwaffen verloren waren. Cochise und der Scout griffen nach den Gewehren, die den
toten Banditen gehört hatten, und schossen auf ihre beiden Gegner, die von dem Feuerhagel überrascht wurden. Jeff Cooper und Glenn Morgan blieb keine andere Wahl, als in Deckung zu gehen. Cochise nickte zufrieden. Gelbvogels Gesicht glänzte vor Schweiß. Der Chiricahua reichte dem Partner sein Gewehr und nahm Naiche auf die Arme. Er lief geduckt los, nutzte alle sich nur bietenden Deckungsmöglichkeiten aus und entfernte sich so immer mehr von der Blockhütte. Cochise hoffte, von den beiden Bleichgesichtern nicht gesehen worden zu sein. Natürlich wußte Cochise, wie schwer es sein würde, den Taleingang ungeschoren zu passieren, zudem er Naiche mitschleppen mußte, der noch immer bewußtlos war. Die beiden Apachen liefen in das Tal hinaus und näherten sich immer mehr der Rinderherde. Hinter ihnen peitschten Schüsse auf, die aber keinen Schaden anrichteten. Inmitten einer kleinen Buschinsel hielten Cochise und Gelbvogel inne. Während der Scout nach den Verfolgern Ausschau hielt, kümmerte sich Cochise um seinen Sohn. Es dauerte auch nicht lange, dann öffnete Naiche die Augen. Sein Blick wurde schnell klarer. Zuerst erkannte Cochise Freude in den Augen seines Sohnes, die sich dann aber vor Scham verdunkelten. Naiche hätte wohl in diesem Moment lieber sterben wollen, als sich so hilflos den Blicken seines Vaters auszusetzen. Cochise lächelte. »Du bist am Leben, Sohn«, sagte er leise. »Das ist die Hauptsache. Bestimmt hast du den Weißen nicht verraten, wo sich die Goldmine befindet, obwohl sie dich fast umgebracht haben. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn.« Naiche lächelte schwach. Jede Bewegung seines geschundenen Körpers bereitete ihm Schmerzen. Vorsichtig und mit Hilfe seines Vaters richtete sich der junge Apache auf. Er streifte Cochises helfende Hände zur Seite, knickte aber
gleich wieder ein. Sein Gesicht wirkte entstellt, während pfeifender Atem seinen Mund verließ. Cochise griff nicht wieder zu. Er wußte, daß Naiche dies nicht wollte. Der Apachen-Krieger würde mit aller Macht versuchen, mit seiner Not allein fertig zu werden. Naiche hielt sich auf den Beinen, obwohl sein Körper wie der eines uralten Mannes wirkte. Krumm stand er da. Seine ersten Schritte wirkten so unsicher, wie die eines Kindes, das die ersten Gehversuche unternahm. Cochise nickte stolz und lief dann zu Gelbvogel, der am Rande der Buschinsel kauerte und das vor ihm liegende Terrain nicht aus den Augen ließ. »Es sind vier Bleichgesichter, die sich heranschleichen«, sagte der Apachen-Scout. Es dauerte nicht lange, dann erkannte auch Cochise die vier dunklen Schatten, die sich heranschoben. Der Häuptling der Apachen griff nach einem der Gewehre, preßte es an die Schulter und feuerte. Der dunkle Körper eines Gegners wuchs in die Höhe. Ein gellender Schrei, der kaum etwas Menschliches an sich hatte, durchschnitt die nächtliche Stille. Dann fiel der Getroffene rückwärts zu Boden und rührte sich nicht mehr. Die drei anderen Weißen nahmen nun die Buschinsel unter Beschuß. Cochise und Gelbvogel mußten sich zurückziehen. Blätter und von den Geschossen abgerissene Zweige rieselten auf sie hernieder. Sie erreichten die Stelle, wo Cochise seinen Sohn zurückgelassen hatte. Naiche stand noch immer, obwohl sein Oberkörper schwankte, als wäre der junge Apache betrunken. Cochise lächelte düster. »Wir werden es schaffen«, sagte er zu Naiche. »Draußen vor dem Tal warten gute Freunde auf uns. Und wir werden ihnen zeigen, wie gut Apachen zu kämpfen verstehen.« *
Glenn Morgan zuckte zusammen, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Er riß den Lauf seiner Winchester hoch, erkannte im letzten Augenblick Jeff Cooper, der sich neben ihn schob. »Diese roten Bastarde werden uns wie die Hasen abknallen, wenn wir uns ihnen noch mehr nähern«, sagte der Anführer der Rustlerbande mit schnellgehendem Atem. »Wir sollten zum Taleingang zurückgehen«, ließ sich Glenn Morgan vernehmen. »Mit unseren restlichen Leuten müssen wir einen Ausbruchversuch unternehmen, sonst werden unsere Skalps bald an den Gürteln dieser roten Heiden hängen.« Seine Worte verklangen. Morgan fröstelte, als er über seine Worte nachdachte. Jeff Cooper nickte. »Okay, wir müssen raus aus diesem Valley, sonst ist es wirklich bald aus und vorbei mit uns.« Er winkte einem seiner Leute zu, der nur wenige Schritte entfernt hinter einem Salbeibusch kauerte. Die drei Banditen zogen sich zurück. Die Rinderherde muhte nervös. Morgan ahnte, daß die Schüsse die Tiere erschreckt hatten. Bestimmt fehlte nicht mehr viel bis zu einer Stampede. Einige Minuten später erreichten die drei Outlaws den Taleingang, wo sie von ihren Gefährten erwartet wurden. Jeff Coopers Streitmacht war bereits sehr zusammengeschmolzen, wie der Banditenboß mißmutig feststellte. »Wie sieht es draußen aus?« fragte er Billy Barns, der neben seinen Boß getreten war. »Ganz beschissen, Cooper. Die Kerle fangen sofort an zu schießen, sobald wir auch nur die Nasenspitze sehen lassen. Ohne größere Verluste kommen wir nicht durch. Wir sitzen bis zur Halskrause in der Klemme.« Coopers Gesicht verfinsterte sich noch mehr. Er fluchte los wie ein mexikanischer Mulitreiber. »Verdammt, hör auf!« fauchte Morgan. »Das bringt uns auch
nicht weiter. Laß dir lieber etwas einfallen, wie wir unsere Köpfe aus der Schlinge ziehen können.« Der Banditenboß bot für einige Sekunden den Anblick eines geschlagenen Mannes. Im Tal fielen Schüsse. »Das sind diese beiden verdammten Rothäute«, brummte Cooper zornig. »Warum nur haben wir uns so schlimm hereinlegen lassen? Wenn wir die Geisel noch hätten, dann…« Seine Augen weiteten sich plötzlich. Glenn Morgan schrie voller Entsetzen auf. Auch die übrigen Banditen erschraken. Sie starrten auf die Rinderherde, die sich in Bewegung setzte und auf den Taleingang zutrottete. Die Schüsse der Apachen hatten die Longhorns aufgescheucht. Noch waren sie nicht in Stampede geraten. Das konnte sich aber ganz schnell ändern. Die weißen Banditen wußten nur, daß sie der wogenden Masse aus Rinderleibern ausweichen mußten, um nicht zu Tode getrampelt zu werden. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder ins Tal zu fliehen, oder das Valley zu verlassen. Die Longhorns trotteten näher. Ihr Muhen und Brüllen war lauter geworden. Die langen, weit ausschwingenden Hörner rieben aneinander. Dieses Geräusch ging den Banditen an die Nieren. Die Nackenhaare begannen sich zu sträuben. Sie blickten auf Jeff Cooper. Der Anführer der Viehdiebe mußte eine Entscheidung fällen. * »Kannst du laufen?« fragte Cochise seinen Sohn, der noch immer unsicher auf den Füßen stand. Naiche setzte mühsam einen Fuß vor den anderen, taumelte und wäre gestürzt, wenn Gelbvogel nicht blitzschnell zugegriffen hätte. Unwillige Laute, die aus Verzweiflung
geboren wurden, verließen seinen weit aufgerissenen Mund. Er streifte Gelbvogels Hände von sich. Sein Körper straffte sich. Naiche holte neue Kräfte tief aus seinem Innern. Sein schmerzverzerrtes Gesicht glättete sich. »Es wird gehen, Vater.« Der Chiricahua nickte nur, warf Gelbvogel einen Blick zu, der sofort verstand, daß er sich um den Häuptlingssohn kümmern sollte. »Wir werden die Herde der gefleckten Büffel auf den Talausgang zutreiben«, sagte Cochise. »Im Schutze der Herde und der aufgewirbelten Staubwolke muß es uns gelingen, das Tal zu verlassen. Es ist unsere große Chance.« Der Apachen-Scout und Naiche nickten. Sie blickten auf die immer unruhiger werdende Herde. Alle Tiere hatten sich längst erhoben. Hunderte von Hufen zerstampften das Gras. Die drei Apachen näherten sich dem Herdenende. Gelbvogel blieb in Naiches Nähe, der nun nicht mehr so sehr schwankte. Natürlich war der Häuptlingssohn noch immer angeschlagen. Er verlangte seinem geschundenen Körper eine fast unmenschliche Leistung ab. Nachdem die Indianer die ersten Tiere erreicht hatten, hob Cochise sein Gewehr und feuerte einige Schüsse über die Köpfe der Longhorns ab. Das Muhen verstärkte sich, wurde zu einem angsterfüllten Brüllen, das sich immer mehr steigerte und das ganze Tal erfüllte. Die Rinderherde setzte sich erst langsam, dann immer schneller in Bewegung, hielt auf den Talausgang zu, der sich als hellere Öffnung zwischen den Talwänden abzeichnete. Staub wurde in riesigen Mengen aufgewirbelt, der die letzten Rinder und auch die drei Apachen einhüllte. Cochise, Naiche und Gelbvogel folgten den Longhorns. Immer wieder mußten sie darauf achten, nicht von langsamer gewordenen Rindern niedergetrampelt oder aufgespießt zu werden.
Sie näherten sich dem Talausgang, obwohl die drei Apachen fast völlig die Orientierung verloren hatten. Der Staub setzte ihnen zu. Sie schnappten nach Luft, gaben aber nicht auf, wußten sie doch, daß die Staubwolke Schutz und Sicherheit für sie bedeutete. Gelbvogel mußte hin und wieder zugreifen, wenn Naiche strauchelte. Einmal sah es aus, als wäre der junge Häuptlingssohn am Ende seiner Kräfte angelangt. Mit einem verzweifelten Lächeln auf den Lippen schleppte sich Naiche weiter, folgte seinem Vater, der vor ihm ging und sein Gewehr schußbereit hielt. Schüsse klangen vom Talende auf. Es schien, als feuerten die Banditen auf die nun immer schneller werdenden Longhorns, versuchten, den unaufhaltsamen Vormarsch der Tiere zu stoppen. Cochise lächelte hart. Er hoffte nur, daß sein Trick aufgehen würde. Und im Moment sah es wenigstens so aus. Die ersten Longhorns schoben sich durch den schmalen Durchlaß, stürmten dann schneller werdend aus dem Tal hinaus. So sehr Cochise auch seine Augen anstrengte, er konnte keinen der weißen Outlaws erkennen. Auch ihre Schüsse waren verstummt. Gelbvogel mußte Naiche stützen. Er schleppte den jungen Krieger mit sich, dessen Energie nun von Sekunde zu Sekunde abnahm. Noch immer wurden die drei Apachen von der Staubwolke eingehüllt. Außerdem half ihnen die Dunkelheit, von den weißen Banditen nicht gesehen zu werden. Sie hatten sich nun dem Talausgang bis auf wenige Pferdelängen genähert. Schüsse peitschten außerhalb auf. Cochise nickte unwillig. Er ahnte, daß die Bleichgesichter auf die gleiche Idee wie er selbst gekommen waren. Auch sie hatten sich im Schutze der Herde und der Staubwolke aus dem Valley ins Freie geschlichen, ungeachtet der Gefahr, von den
Rindern niedergetrampelt zu werden. Cochise verhielt mitten im Schritt und huschte zu seinen beiden Gefährten. Er deutete ihnen an, ihm zu folgen. Cochise wollte sich der Gefahr nicht aussetzen, außerhalb des Tales von John Haggerty und den Earp-Brüdern mit heißem Blei empfangen zu werden. Wie leicht konnte es geschehen, von den Freunden mit den flüchtenden Banditen verwechselt zu werden. Noch immer klangen Schüsse auf, die das Brüllen der Rinder übertönten. Die weißen Partner außerhalb des Tales mußten den fliehenden Outlaws höllisch einheizen. Die drei Apachen erreichten eine Felsgruppe, hinter der sie vor den letzten Herdennachzüglern Schutz suchten. Langsam senkte sich die Staubwolke zu Boden. Cochise hielt sein Gewehr schußbereit. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß einige Banditen im Valley zurückgeblieben waren. * Die ersten Rinder schoben sich an Jeff Cooper, Glenn Morgan und den anderen Banditen vorbei. Die Outlaws waren auf Felsbrocken geklettert, die bald Inseln zwischen den wogenden, stampfenden und brüllenden Rindern glichen. Cooper fluchte tonlos. Staub brannte schon bald in seinen Augen. Er hustete hohl. Seinen Leuten erging es nicht anders. Glenn Morgan verfluchte Cochise, den er für diesen Streich verantwortlich machte. Die erste Hälfte der Rinder zog vorbei. Dann wurden die Longhorns spärlicher. Lücken entstanden. »Vorwärts, Leute«, schrie Cooper, um den Lärm zu übertönen. »Wir müssen raus aus dem Tal. Vielleicht gelingt es uns.« Der Anführer der Rustler sprang vom Felsen und lief los.
Bald war er in der Staubwolke verschwunden. Glenn Morgan folgte ihm sofort. Die anderen Outlaws zögerten zuerst, rechneten sich dann aber ebenfalls eine Chance aus, auf diese Art und Weise das Tal verlassen zu können. Sie mußten immer wieder den Hörnern der Rinder ausweichen, deren erste Panik sich gelegt hatte. Die meisten Longhorns trotteten nur noch langsam. Es gab genügend Lücken zwischen den Tieren, um aus dem Valley zu gelangen. Schüsse peitschten auf. Einer der Outlaws griff sich an die Brust, stürzte zu Boden. Rinder trampelten über ihn hinweg. Es gab keine Rettung mehr für den verwundeten Banditen. Immer wieder fielen Schüsse. Die Outlaws schossen nicht zurück, um ihre Positionen nicht zu verraten. Glenn Morgan, Jeff Cooper, der totengesichtige Billy Barns und der kleingeratene Bandit mit der Knollennase, Clayd Hudson, hatten das Tal hinter sich gelassen. Sie kauerten zwischen einigen Felsen. Sie spuckten und räusperten sich. Ihre Kleidung war vom Staub gepudert. Die vier Banditen waren sicher, von den außerhalb des Valleys postierten Gegnern nicht erkannt worden zu sein. »Das wäre geschafft«, murmelte Jeff Cooper und spuckte erneut aus. »Nun benötigen wir Pferde, um verschwinden zu können. Ohne Reittiere sind wir verloren.« Glenn Morgan fluchte los. Daran hatte er in seiner ersten Freude überhaupt nicht gedacht. Die Pferde befanden sich noch im Tal. Auf den Rücken der Tiere wäre es den Banditen unmöglich gewesen, das Valley zu verlassen. Den Pferden wären garantiert die Bäuche von den spitzen Hörnern der Longhorns aufgeschlitzt worden. Die Outlaws waren selbst nur mit viel Glück diesem Schicksal entgangen. Immer weniger Rinder kamen aus dem Valley. Die Banditen verhielten sich ruhig. Glenn Morgan hätte beinahe einen Jubelruf ausgestoßen, als er ein halbes Dutzend Pferde sah, die nun wiehernd aus dem
Valley hervortrabten. »Laßt die Tiere näher herankommen«, flüsterte Jeff Cooper. »Wir müssen ruhig bleiben, oder wollt ihr in letzter Sekunde noch mit heißem Blei gefüllt werden?« Die drei Banditen nickten. Ungeduldig starrten sie auf die Pferde, die sich ihnen langsam näherten. Hinter ihnen tauchte ein Rinderrudel auf. Morgan und Cooper grinsten plötzlich. »Das schaffen wir schon, Jungs«, murmelte der Rustlerboß. »Haltet euch bereit. Es muß alles schnellgehen. Denkt an die Rothäute, die hier außerhalb lauern.« Die sechs Pferde trabten näher, wieherten und blähten die Nüstern. Sie wirkten erschreckt und nervös. Außerdem behagte ihnen nicht, von den Longhorns verfolgt zu werden. In diesem Moment tauchten zwei dunkle Gestalten hinter einem Felsbrocken auf. Ihr Ziel waren die Pferde. Es mußten zwei Männer von Coopers Bande sein. Es gelang den Outlaws, in die Sättel zweier Pferde zu hechten und die Tiere anzutreiben. Die Banditen ritten los. Bereits nach ungefähr fünfzig Yards hämmerten Winchestergewehre auf. »Vorwärts«, schrie Cooper, denn die vier restlichen Pferde hatten sich bis auf wenige Schritte genähert. Die vier Banditen stürmten auf die Pferde zu, schwangen sich in die Sättel und gaben den Tieren brutal die Sporen. Die Outlaws jagten in die entgegengesetzte Richtung als ihre beiden Gefährten. Noch immer feuerten Gewehre. Glenn Morgan wandte sich im Sattel um und sah, daß die beiden Fliehenden getroffen wurden und von den Pferderücken stürzten. Nun mußten ihre Gegner auch die vier übrigen Fliehenden bemerkt haben. Heißes Blei suchte nach den vier Outlaws, die sich auf die Pferdehälse duckten und hofften, nicht getroffen zu
werden. Die Outlaws überstanden bange Sekunden, ehe sie aus dem Schußbereich der Gewehre heraus waren. Sie ritten weiter, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihnen her. * Wyatt Earp senkte fluchend sein Gewehr, denn seine letzten Kugeln hatten die vier flüchtenden Reiter verfehlt. Auch Virgils Gesicht wirkte verdrossen. »Nichts zu machen«, ließ sich John Haggerty vernehmen. »Die vier Hundesöhne sind auf und davon. Ich schätze aber, daß es sonst keine Überlebenden der Rustlerbande gibt.« »Morgan, dieser verdammte Hundesohn, ist unter den Geflüchteten gewesen«, stieß Earp wütend hervor. Der Gambler fluchte schon wieder los. Der Armee-Scout verzog das Gesicht. »Wir sollten uns lieber um Cochise und Gelbvogel kümmern«, sagte John Haggerty. »Er befindet sich noch im Valley. Hoffentlich haben sie Naiche befreien können.« »Wir sollten hoffen, daß alle noch am Leben sind«, sagte Virgil Earp und erhob sich. Die drei Männer liefen los, hielten ihre Gewehre schußbereit, denn es konnte sein, daß es doch noch einen der Banditen gab, der den Kampf überlebt hatte. Geduckt näherten sie sich dem Taleingang, aus dem nur noch vereinzelte Rinder hervorliefen. Die Herde begann sich auf der Ebene zu verteilen. Viele Longhorns hatten sich bereits wiederkäuend niedergelegt. Das Muhen der Tiere klang nun friedlicher. John Haggerty riß den Lauf seiner Winchester hoch, als er eine dunkle Gestalt zwischen einigen Mesquitebüschen entdeckte. Der Scout schoß nicht, denn er erkannte Cochise, der nun seinen weißen Freunden entgegenlief. Haggerty atmete auf, als er den Häuptling der Chiricahuas
unversehrt vor sich sah. Cochise blieb vor ihm stehen. »Gelbvogel und Naiche leben«, sagte er, als er das fragende Gesicht des Armee-Scouts sah. Über Haggertys verwegenes Gesicht huschte ein Lächeln. »Das freut mich, Cochise«, antwortete er. »Dein Trick mit der Rinderherde war gut. So konntest du dir die Bleichgesichter vom Halse halten. Leider gelang vier von ihnen die Flucht. Wir konnten es nicht verhindern. Wenn sich im Valley keine Banditen mehr aufhalten, dann gibt es sonst keine Überlebenden.« »Ich habe mich bereits im Tal umgesehen«, entgegnete der Häuptling der Chiricahuas. »Dort hält sich keiner der weißhäutigen Coyoten mehr auf.« Cochise nickte den Earp-Brüdern zu, drehte sich um und marschierte voran. Bald erreichten sie die Stelle, an der Gelbvogel und Naiche zurückgeblieben waren. Der Häuptlingssohn lag am Boden, hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. John Haggerty erschrak, als er das zerschlagene Gesicht des jungen Apachen sah. Und er ahnte, daß es wohl am ganzen Körper des Kriegers kaum eine heile Stelle gab. Er fühlte eine heiße Wut gegen seine Rassegefährten in sich aufsteigen. Was waren sie nur für Teufel, die einen jungen Apachen so zurichteten. Cochise blickte den Scout fest an. »Ich werde den vier geflüchteten Bleichgesichtern folgen und sie zur Rechenschaft ziehen. Ich werde sie für ihre Taten bestrafen. Ich danke dir, Gelbvogel, und auch den beiden Brüdern für ihre Hilfe.« Wyatt Earp winkte nur lässig ab. Virgil nickte und trauerte wohl in diesen Sekunden der Goldmine nach, die nach den Worten des Chiricahua-Häuptlings längst abgebaut war. Cochise nahm eine Kette von seinem Hals, an der Bärenzähne befestigt waren. Der Häuptling der Apachen trat zu Gelbvogel und legte sie dem Scout um. Er sagte einige Worte
in der Apachensprache, die niemand verstand. Gelbvogel strahlte, als hätte er das große Los gezogen. »Gelbvogel ist ein großer Krieger. Ich bedaure, daß er kein Chiricahua ist. Ich danke ihm für seinen mutigen Kampf gegen die Bleichgesichter. Cochise wird ihm das nie vergessen.« John Haggerty hatte den Scout noch niemals so stolz gesehen. Und John wußte, daß es eine Auszeichnung für Gelbvogel war, die dieser aus der Hand Cochises empfangen hatte. Füt einige Sekunden herrschte Schweigen. Wyatt Earp unterbrach das Schweigen, in dem er sich räusperte und sagte: »Wir sehen nach den toten Banditen. Ihr wollt euch bestimmt in der Zwischenzeit um Naiche kümmern. Virgil wird die Pferde holen. In den Satteltaschen werdet ihr Verbandszeug finden.« So geschah es auch. Bald umspannten den schlanken Körper des jungen Kriegers Verbände. Naiche ließ die Prozedur mit zusammengebissenen Zähnen über sich ergehen. Alle sahen aber, wie sehr der Häuptlingssohn geschafft war. Er benötigte dringend eine Pause. Wyatt Earp erhob sich plötzlich hinter dem Felsen, von wo aus er das vor ihm liegende Gelände übersehen konnte. »Reiter«, sagte er. »Mehr als ein Dutzend. Sie halten genau auf das Tal zu.« Die drei Weißen und auch die beiden Apachen griffen nach ihren Waffen. Und sie fragten sich, wer das Tal als Ziel gewählt haben konnte. * Glenn Morgan, Jeff Cooper und die beiden anderen Banditen zügelten ihre Pferde. Sie sahen sich in den Sätteln um. Erleichterung prägte ihre Gesichter, als sie keine Verfolger
entdecken konnten. »Wir haben es geschafft«, sagte Morgan zufrieden. »Wir sind den Rothäuten entkommen. Das ist wirklich Rettung in letzter Sekunde gewesen. Mann, o Mann, wir haben wirklich bis zur Halskrause im Dreck gesteckt. Das werde ich wohl nicht so schnell vergessen.« Billy Barns und der knollennasige Clayd Hudson nickten zu diesen Worten. Jeff Cooper starrte Morgan unfreundlich an und fluchte dann ungehalten los. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Du hast mir kein Glück gebracht, Morgan. Seitdem du bei uns aufgetaucht bist, ist alles schiefgelaufen. Nun bin ich auch noch die Herde los, die einige Bucks eingebracht hätte. Und wir wissen noch immer nicht, wo diese verdammte Goldmine ist. Ich glaube wirklich, die gibt es nur in deinem verblödeten Schädel.« Glenn Morgan schluckte erst einmal, um diese bitteren Worte zu verdauen. »Unsinn, Cooper«, lenkte er ein. »Diese Mine gibt es. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt. Und wir werden sie finden und zu reichen Männern werden. Wir vier sind rauhe Burschen, die das schaffen. Die Indianer wären auch so über dich und deine Männer hergefallen. Das kannst du mir nicht in die Schuhe schieben. Wir finden schon wieder eine Rothaut, die wir in unsere Gewalt bringen und die uns erzählen wird, wo sich die Goldmine befindet. Jetzt sollten wir nicht mehr lange diskutieren, sondern unseren Trail fortsetzen. Den roten Bastarden traue ich nicht. Vielleicht sind die schon hinter uns her. Und ein altes Sprichwort lautet: Apachen sieht man nur, wenn sie gesehen werden wollen. Dann aber ist es meistens zu spät.« Jeff Cooper nickte brummend. »Okay, Morgan«, sagte er dann. »Ich hoffe in deinem Interesse, daß wir die Goldmine finden, denn sonst lernst du mich einmal richtig kennen.« Er trieb sein Pferd an. Die drei Reiter folgten ihm.
* »Das sind Indianer«, sagte John Haggerty. »Etwa ein Dutzend. Sie halten genau auf den Taleingang zu.« Sein fragender Blick traf den Häuptling der Apachen, der wie eine Statue dastand. Irgendwie wirkte Cochise in diesen Sekunden stolz und unnahbar. »Ich werde ihnen entgegengehen«, sagte der Apache. »Es sind keine Chiricahuas. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist es Geronimo mit seiner zusammengewürfelten Kriegsschar. Er will sich davon überzeugen, ob ich diesen Kampf zu meinen Gunsten entschieden habe. Bestimmt ist er in der Nähe gewesen.« John Haggerty zuckte mit den Achseln. Er faßte sein Gewehr fester, wie es auch die Earp-Brüder taten. Sie würden sofort zu schießen beginnen, sollten die näherreitenden Indianer Cochise feindlich gesinnt sein. Kerzengerade schritt Cochise den Reitern entgegen, die inzwischen ihre Mustangs gezügelt hatten. Der Apachenhäuptling erkannte Geronimo und glaubte Enttäuschung auf dessen Gesicht zu sehen. Es schien, als habe Geronimo damit gerechnet, daß der Häuptling bei dem Kampf gegen die weißen Banditen ums Leben gekommen war. Cochise blieb zwei Pferdelängen vor den Reitern stehen. Stolz lag in seinem Blick. »Ich lebe, Geronimo«, sagte Cochise. »Ich habe die weißen Eindringlinge getötet. Das ist es doch, was du wissen willst.« Die beiden Männer maßen sich mit harten Blicken. Dieses Duell entschied Cochise für sich. Geronimo senkte den Kopf, wendete sein Pferd und ritt davon. Die bunt zusammengewürfelte Kriegerschar folgte ihm. Der Häuptling der Apachen kehrte zu John Haggerty und den anderen Männern zurück. Der Armee-Scout kniete neben Naiche, der das Bewußtsein wiedererlangt hatte.
»Die Bleichgesichter sind besiegt. Nur vier von ihnen konnten fliehen. Ich werde ihnen folgen«, sagte Cochise. »Was soll aus deinem Sohn werden?« fragte Haggerty. »Du kannst ihn hier nicht zurücklassen. Und allein ist der Ritt bis zur Apacheria zu beschwerlich.« Cochise nickte nur. »Ich hoffe, du bist einverstanden, wenn ich Naiche zu deinem Stamm zurückbringe«, sagte der Armee-Scout. »Außerdem würde es mich sehr freuen, Tla-ina, deine Schwester, zu sehen.« Naiches Stimme klang heiser, als er sagte: »Ich kann allein reiten und für mich sorgen, Vater.« »Das weiß ich«, antwortete Cochise. »Ich möchte aber, daß dich der Falke begleitet.« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. »Was wird aus der Rinderherde?« fragte Wyatt Earp interessiert. »Willst du sie haben?« fragte Cochise. »Ich schenke sie dir, weil du mir geholfen hast.« Die beiden Earp-Brüder winkten ab. »Wir setzen uns doch nicht wegen einiger gestohlener Rindviecher in die Nesseln«, sagte Wyatt. »Das ist uns zu riskant. Wir beide reiten nach San Manuel zurück. Leider ist aus der Goldmine nichts geworden. Schade, denn wir hatten uns eine ganze Menge davon versprochen.« »Ich danke euch«, sagte Cochise und reichte den Earps nach der Art der Weißen die Hand. Wyatt und Virgil Earp verabschiedeten sich auch von John Haggerty, Gelbvogel und Naiche. Wenige Minuten später ritten sie davon und tauchten bald in der Dunkelheit unter. »Was soll nun mit den Rindern geschehen?« fragte Haggerty. »Wir treiben sie in das Tal zurück und versperren den Eingang durch einige Baumstämme, Falke. Du wirst unterwegs auf einige meiner Krieger treffen. Sie sollen sich die Tiere
holen. Mein Stamm kann Fleisch gebrauchen.« »Das werde ich tun, Cochise.« »Gelbvogel Wache halten bis treffen ein tapferes Krieger Chiricahua«, radebrechte der Apachen-Scout. »Dann Gelbvogel reiten zu Einarm-General und melden. Du das erlauben, Falke?« »Einverstanden, Gelbvogel. Sollten sich aber irgendwelche Reiter dem Tal nähern, dann wirst du dich verziehen. Egal ob es Weiße oder Indianer sind. Das ist ein Befehl, Gelbvogel. Hast du mich verstanden?« »Verstanden genau, Falke. Obwohl Gelbvogel großes Krieger, er nicht kämpfen, sondern reiten weg.« John Haggerty lächelte. »Dann sollten wir uns jetzt ausruhen und im Morgengrauen die Longhorns ins Tal zurücktreiben.« »Schafft ihr das auch ohne meine Hilfe?« fragte Cochise. »Du willst den vier geflüchteten Banditen nach und zwar sofort, damit der Vorsprung nicht noch größer wird, nicht wahr, Cochise?« »So ist es, Falke. Ich habe keine andere Wahl, denn diese vier Weißhäutigen sind wie blutgierige Bestien, denen nichts heilig ist. Sie werden wieder morden, wenn ich sie nicht finde.« »Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt auf deinem Trail, Cochise. Und nun solltest du reiten. Ich bringe Naiche zur Apacheria. Er wird mir den Weg zeigen.« Cochise holte seinen Mustang und schwang sich auf den Pferderücken. Er beugte sich leicht zu John Haggerty hinüber und sagte: »Grüße Tla-ina von mir, Falke. Sieh ihr aber nicht zu tief in die Augen. Denke daran, sie ist eine Apachin und du bist ein Weißer.« Nach diesen Worten ritt Cochise los. Bald verklangen die Hufschläge seines Pintos. John Haggerty wußte, daß Cochise ihn schätzte. Aber trotz allem war er selbst ein Bleichgesicht, gegen das der Häuptling
der Apachen vielleicht eines Tages kämpfen mußte, wenn ihm keine andere Wahl mehr blieb. John Haggerty hoffte, daß dieser Tag niemals kommen würde.
ENDE