Vorwort Im ersten Teil dieses Bandes gebe ich eine Einf¨ uhrung in die Theorie der gew¨ohnlichen Differentialgleichunge...
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Vorwort Im ersten Teil dieses Bandes gebe ich eine Einf¨ uhrung in die Theorie der gew¨ohnlichen Differentialgleichungen. Sie sind den meisten Studenten schon in den Anf¨angerkursen der Physik als eine gewisse Sorte von Formeln begegnet, f¨ ur die L¨osungsformeln gesucht werden. Ich beginne daher gleich mit einem systematischen Aufbau der allgemeinen Theorie im H¨oherdimensionalen. Hauptthemen sind der lokale Fluß eines Vektorfeldes, lineare Differentialgleichungen, Stabilit¨ at und erste Integrale. Der zweite Teil handelt von der globalen Integrationstheorie mit den Integrals¨atzen von Stokes und Gauß als zentralen Ergebnissen. Hier ist von Mannigfaltigkeiten die Rede, nicht nur von Untermannigfaltigkeiten des Rn . Dieser kleine Schritt der Abstraktion bringt sp¨ ater große Erleichterung und reichen Gewinn auch in sehr konkreten Anwendungen, wie zum Beispiel einem einfachen Beweis des Brouwerschen Fixpunktsatzes. Man braucht eben nicht nur die Mannigfaltigkeiten als Objekte des Studiums, man braucht eine handliche Kategorie. Zum Schluß findet man auch den Kalk¨ ul der klassischen Vektoranalysis im Dreidimensionalen. Dieser Band ist nicht frei von Wiederholungen, zumal wenn man die beiden vorhergehenden B¨ ande hinzunimmt. Ich hoffe, daß man so leichter in der Mitte zu lesen beginnen kann. Wer liest denn auch ein Mathematikbuch durch? Im ganzen sind die drei B¨ande als Begleitlekt¨ ure f¨ ur einen dreisemestrigen Grundkurs der Analysis gedacht, und so sind sie auch entstanden. Nat¨ urlich sollte in den ersten vier Semestern eine Einf¨ uhrung in die Funktionentheorie hinzukommen und zwar m¨oglichst fr¨ uh, wie ich meine. Herr Martin Lercher hat fast alle Figuren der ersten drei Kapitel hergestellt, Herr Martin Roller hat zur Verbesserung beigetragen und Frau Martina Hertl hat, wie schon f¨ ur die ersten beiden B¨ande, den Drucksatz besorgt. Ihnen danke ich herzlich. Meinen Studenten der Mathematik und Physik ist dieses Lehrbuch freundlich zugeeignet. Regensburg, im Sommer 1992 Theodor Br¨ocker
Inhaltsverzeichnis Kapitel I: Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen 1 § 1. Die lokale L¨osung einer Differentialgleichung
1
§ 2. Abh¨angigkeit von den Anfangswerten 13 § 3. Transformation einer Differentialgleichung § 4. Der lokale Fluß
17
24
Kapitel II: Lineare Differentialgleichungen 37 § 1. Allgemeine Theorie der linearen Differentialgleichungen 37 § 2. Die Entwicklung der Determinante 42 § 3. Autonome lineare Differentialgleichungen
46
§ 4. Die linearen Differentialgleichungen der Ebene
52
§ 5. Differentialgleichungen h¨oherer Ordnung 56 § 6. Periodische Inhomogenit¨aten 63 § 7. Die Eulersche Differentialgleichung 66 Anhang zu Kapitel II § 8. Lineare Differentialgleichungen mit periodischen Koeffizienten 197 § 9. Lineare Differentialgleichungen mit isolierten Singularit¨aten 199
Kapitel III: Singularit¨ aten und Integrale 69 § 1. Stabilit¨at
69
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes § 3. Implizite Differentialgleichungen
77
84
Kapitel IV: Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 93 § 1. Mengenlehre 93 § 2. Lokale Integralrechnung 96 § 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten 99 § 4. Der Tangentialraum 107 § 5. Partitionen der Eins 116
Kapitel V: Integration auf Mannigfaltigkeiten 121 § 1. Algebra alternierender Formen 121 § 2. Integration alternierender Differentialformen 130 § 3. Erl¨auterungen zur Integration und Orientierung 135 § 4. Berandete Mannigfaltigkeiten 140 § 5. Die a¨ußere Ableitung
146
Kapitel VI: Die klassischen Integrals¨ atze 151 § 1. Der Hauptsatz
151
§ 2. Der Monodromiesatz
155
§ 3. Das Lemma von Poincar´e 159 § 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten 163 § 5. Der Divergenzsatz 170 § 6. Vektoranalysis 175
Aufgaben
183
Zu Kapitel I 183 Zu Kapitel II
185
Zu Kapitel III
187
Zu Kapitel IV 188 Zu Kapitel V
190
Zu Kapitel VI 192
Literatur 204
Symbolverzeichnis 206
Namen- und Sachverzeichnis
207
Kapitel I
Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen
Sie lassen sich nicht festhalten, und doch soll man von ihnen reden; man sucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigstens gleichnisweise beizukommen. Goethe
Gew¨ ohnliche Differentialgleichungen sind Gleichungen zwischen den Werten einer gesuchten Funktion y(t) und den Ableitungen y˙ , y¨ . . . und vielleicht auch der Zeit t und noch zus¨atzlichen Parametern. Sie zeigen die mathematische Gestalt eines Entwicklungsgesetzes und die Theorie dieser Gleichungen hat dadurch viele Anwendungen vor allem in der Physik. Aber sie bilden auch ein viel benutztes Werkzeug und zugleich ein f¨ ur sich selbst anziehendes und reiches Studienobjekt der Geometrie. Wir beginnen in diesem Kapitel mit den grundlegenden Definitionen und beweisen und interpretieren den lokalen Existenzsatz. Wir konstruieren den lokalen Fluß eines Vektorfeldes, und betonen u ¨berhaupt den geometrischen Aspekt der Theorie.
§ 1. Die lokale L¨ osung einer Differentialgleichung Das eigentliche Problem kann man folgendermaßen beschreiben: Auf einer Mannigfaltigkeit M , die wir zum Beispiel als Untermannigfaltigkeit eines euklidischen Raumes gegeben denken, sei jedem Punkt p ∈ M ein Tangentialvektor v(p) ∈ Tp M zugeordnet. Die Aufgabe ist, eine Kurve t 7→ α(t) auf M zu finden, so daß der Tangentialvektor der Kurve in jedem Punkt der dort gegebene Vektor v ist, also α(t) ˙ = v(α(t)). Vor allem aber ist die Aufgabe, eine geometrische Beschreibung der Schar aller solchen Kurven zu geben.
2
A
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
Nun wollen wir einerseits auch zulassen, daß das Vektorfeld v auch von der Zeit t abh¨ angt. Andererseits aber besch¨ aftigen uns hier nur die lokalen Probleme, und das heißt nach Einf¨ uhrung einer Karte, statt M betrachten wir eine offene Menge U ⊂ Rn , und dann ist Tp U = Rn . Wir erkl¨aren also zun¨achst: Definition. Sei U offen in Rn . Ein Vektorfeld oder eine autonome Differentialgleichung auf U ist eine stetige Abbildung v : U → Rn . Man nennt U den Phasenraum des Vektorfeldes. Ist x ∈ U und τ ∈ R , so heißt eine C 1 -Kurve α : (a, b) → U eine Integralkurve von v mit Anfang x zur Zeit τ , wenn gilt: Es ist τ ∈ (a, b) , α(τ ) = x , und α(t) ˙ = v(α(t)) f¨ ur alle
t
∈
(a, b).
Weil erst die Frage nach Integralkurven die Abbildung v eigentlich als Differentialgleichung deutet, teilt man v auch gern als Gleichung f¨ ur eine gesuchte L¨osung mit, in der Form x˙ = v(x), oder explizit x˙ 1 = v1 (x1 , . . . , xn ), .. . x˙ n
= vn (x1 , . . . , xn ).
¨ Naturgesetze werden oft durch Differentialgleichungen formuliert: Die Anderung des Zustandes x˙ ist eine Funktion v des Zustandes x . Kennt man den Anfang x(τ ) zur Zeit τ , so kann man nach dem Zustand x(t) fragen. Wir haben im ersten Semester schon einige Differentialgleichungen vollst¨andig gel¨ost: (1.1) Beispiele. (i) Sei U = R der Phasenraum und v(x) = a · x das darauf gegebene Vektorfeld. Die zu l¨osende Differentialgleichung x˙ = a · x hat die L¨osungen (Bd. 1, III, 5.3) x(t) = x0 eat .
¨ sung einer Differentialgleichung 1. Die lokale Lo
3
Dies ist eine der wichtigsten Differentialgleichungen u ¨berhaupt, das Entwicklungsgesetz konstanter Zuwachsraten. Die Exponentialfunktion w¨achst schnell. Die bescheidene Zuwachsrate von 6% im Jahr, die unser lokaler Energieversorger seit langem unver¨andert erzielt, f¨ uhrt im Laufe eines Menschenlebens zu 100-fachem Absatz. (ii) Auf dem Phasenraum U = R2 betrachte das Vektorfeld v(x, y) = (−y, x), also die Differentialgleichung x˙ = −y,
y˙ = x.
Sie hat die L¨ osungen (Bd. 1, III, 6.11): α cos t − sin t x(t) α cos t − β sin t . = = sin t cos t β y(t) α sin t + β cos t Ein ganz anschauliches Ergebnis, der Vektor v(x, y) steht senkrecht auf (x, y) mit gleicher L¨ ange, und die Matrix beschreibt eine Drehung um den Winkel t. Die Integralkurve durch (α, β) ist also ein Kreis.
B y
x
(iii) Die Gleichung x˙ = 1+x2 hat, wie wir wissen, die L¨osung x(t) = tan t zum Anfangswert x(0) = 0, also die L¨osung x(t) = tan(t − τ ) zum Anfangswert x(τ ) = 0. Hier zeichnen wir die L¨osungskurven als Funktionen von t in U × R , also nicht das Phasenportrait: die L¨osungskurven in U . Das Beispiel zeigt, daß die L¨osungskurve x(t) mit Anfang 0 zur Zeit 0 nur in einem endlichen Zeitintervall (−π/2, π/2) definiert ist. F¨ ur t → ±π/2 gilt x(t) → ±∞ .
4
C D
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo x
t
In einer offenen Menge U ⊂ Rn kann dies nat¨ urlich auch ganz leicht dadurch passieren, daß die Integralkurven aus U in endlicher Zeit herauslaufen: Zum Beispiel hat die Diffe rentialgleichung x˙ = a (konstant) die L¨osungen x(t) = at + b , und wenn U = {x |x| < 1} 1 und a 6= 0 ist, so existiert die L¨osung x(t) = at durch 0 nur in der Zeit |t| < |a| , n¨amlich als wohldefinierte Kurve in U .
U
Aber das vorige Beispiel lehrt, daß auch in Rn eine L¨osung nicht beliebig lange, f¨ ur alle Zeiten t, existieren muß . Auch das ist kein Wunder: Man kann ja durch einen Diffeomorphismus eine offene Kugel im Rn in den ganzen Rn transformieren. Was dabei aus der Differentialgleichung wird, werden wir noch genauer zeigen. Die bisher betrachteten Gleichungen konnten wir zu gegebenem Anfang vollst¨andig und eindeutig l¨osen. Auch das ist nicht selbstverst¨andlich. (iv) Die Differentialgleichung 2
x˙ = 3x 3 hat zum Anfang x(τ ) = 0 die L¨osung x(t) = (t − τ )3 , aber auch die L¨osung x(t) = 0.
E
¨ sung einer Differentialgleichung 1. Die lokale Lo
5
x
t
Nicht zuf¨allig ist die Differentialgleichung in dem Anfangspunkt x = 0 nicht differenzierbar. Solche zu gegebenem Anfang nicht eindeutig l¨osbaren Differentialgleichungen g¨aben als Natur- und Entwicklungsgesetz etwas sibyllinische Auskunft: Es kann ja in unserem Fall eine L¨osung, die auf der t-Achse beginnt, beliebig lange auf der t-Achse bleiben, vielleicht f¨ ur immer; vielleicht aber entschließt sie sich zu irgendeiner Zeit τ , auf dem Zweig (t − τ )3 nach oben abzufahren. Bei stetigen Differentialgleichungen im Eindimensionalen kann man noch sagen, daß alle L¨osungen zu einem gegebenen Anfang zwischen einer wohlbestimmten maximalen und einer wohlbestimmten minimalen verlaufen, wie es ja auch unser Beispiel zeigt. Aber im Mehrdimensionalen hat man dazu nichts Entsprechendes. Es ist daher bemerkenswert und ermutigend, daß man solche Mehrdeutigkeiten durch eine nicht zu einschr¨ankende Voraussetzung u ¨ber die Differentialgleichung ausschließen kann. Stetigkeit allerdings, wie man sieht, gen¨ ugt nicht. Etwas allgemeiner als bisher betrachten wir zeitabh¨angige Differentialgleichungen, die noch von einem zus¨atzlichen Parameter abh¨angen. Definition. Sei U offen in Rn , sei D ⊂ R ein nicht leeres offenes Intervall und V ein metrischer Raum, z.B. eine Teilmenge von Rk . Dann ist eine Differentialgleichung mit Parameter eine stetige Abbildung v : U × D × V → Rn , und es heißt U der Phasenraum, D das Zeitintervall und V der Parameterraum der Differentialgleichung. Eine L¨ osung mit Anfang x ∈ U zur Zeit τ ∈ D und zum Parameter κ ∈ V ist eine C 1 -Kurve α : D → U , so daß f¨ ur alle t ∈ D gilt: α(t) ˙ = v(α(t), t, κ),
α(τ ) = x.
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
6
Im allgemeinen kann man die Abh¨angigkeit von t und κ wieder beseitigen, indem man t, κ als zus¨atzliche Variable zu x hinzunimmt und daf¨ ur auch die zus¨atzlichen Gleichungen κ˙ = 0,
t˙ = 1,
mit Anfang t(τ ) = τ hinzuf¨ ugt. Dann ist auf einer L¨osungskurve κ konstant und die zus¨ atzliche Variable t ist der Kurvenparameter. Jedoch ist es nicht immer angebracht, die Parameter- und die Zeitabh¨angigkeit so zu beseitigen, denn die Voraussetzungen, die man an v als Funktion von x machen muß , sind etwas anders als die Voraussetzungen u ¨ber die Abh¨angigkeit von t und κ . Auch kann der Parameterraum ein beliebiger metrischer Raum und muß keine offene Menge im euklidischen Raum sein. Dennoch werden wir den autonomen Differentialgleichungen besondere Aufmerksamkeit widmen und manchmal mit einer Bemerkung dem Leser u ¨berlassen, das Gesagte auf zeitabh¨ angige Differentialgleichungen mit Parametern zu u ¨bertragen. Das soll dann immer so gehen, daß man von der gegebenen Differentialgleichung zu der zugeh¨origen autonomen Differentialgleichung u ¨bergeht, die wir eben beschrieben haben. Wie man Differentialgleichungen, in denen auch h¨ohere Ableitungen auftreten, hier einordnen soll, werden wir in § 5 des n¨achsten Kapitels erkl¨aren. Nach einem Satz von Peano besitzt jede stetige Differentialgleichung zu gegebenem Anfang α(τ ) stets eine L¨osung auf einem geeigneten Intervall um τ , aber diese braucht, wie wir gesehen haben, nicht eindeutig bestimmt zu sein. Und dann ist damit nicht viel anzufangen. Unter milden Voraussetzungen ist eine Differentialgleichung jedoch lokal eindeutig l¨osbar, und die L¨osung h¨angt stetig von Anfangswert und Parameter und (nat¨ urlich) stetig differenzierbar von t ab.
(1.2) Satz von Picard-Lindel¨ of. Die Differentialgleichung v mit Parameter gen¨ uge einer Lipschitzbedingung: F¨ ur alle x1 , x2 ∈ U , t ∈ D und κ ∈ V sei |v(x1 , t, κ) − v(x2 , t, κ)| ≤ L · |x1 − x2 | mit einer Konstanten L ∈ R . Sei (u, τ, λ) ∈ U × D × V , und seien U1 = {x ∈ U |x − u| < a}, D1 = {t ∈ D |t − τ | < b} und V1 = {κ
∈
V |κ − λ| < c}.
Dann gilt: Sind die Schranken a, b, c gen¨ ugend klein gew¨ahlt, so hat die Differentialgleichung v|U × D1 × V1 zu jedem κ ∈ V1 und jedem Anfangswert x ∈ U1 zur Zeit τ genau eine L¨osung. Es gibt also genau eine Funktion α : U1 × D1 × V1 → U,
mit α(x, τ, κ) = x und α(x, ˙ t, κ) = v(α(x, t, κ), t, κ) ,
und α ist stetig in allen Variablen. Dabei ist α˙ = ∂α/∂t die Ableitung nach der Zeit.
¨ sung einer Differentialgleichung 1. Die lokale Lo
7
Z α
U
V
D
Beweis: Der Parameter κ l¨auft nur nebenher und sei in der Notation meist vergessen, wir schreiben kurz (zu festem κ ∈ V ): α(x, ˙ t) = v(α(x, t), t),
und manchmal auch (zu festem Anfangswert x
∈
U)
α(t) ˙ = v(α(t), t). Jeder verf¨allt sogleich auf den Gedanken, die Gleichung beidseits zu integrieren. Man erh¨ alt Zt (∗) α(x, t) = x + v(α(x, s), s)ds. τ
Auf den ersten Blick scheint nichts gewonnen, denn statt einer Differentialgleichung haben wir jetzt eine Integralgleichung. Jedoch ist das Integral im allgemeinen ein besserer Operator als die Ableitung, weil Integration mit gleichm¨aßigen Grenzwerten vertr¨aglich ist. Setzen wir αx (t) := α(x, t), so ist in der Gleichung (∗) die Funktion αx : D1 → U die Unbekannte. Erkl¨aren wir f¨ ur eine beliebige Funktion β : D1 → U die Funktion Aβ durch Zt Aβ(t) = x + v(β(s), s)ds, τ
so sagt die Gleichung (∗) offenbar Aαx = αx . Also αx ist ein Fixpunkt der Abbildung A.
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
8
Jetzt ist das weitere Vorgehen klar: Wir m¨ ussen uns einen vollst¨andigen metrischen Raum M von Funktionen U1 × D1 × V1 → U verschaffen, so daß A eine kontrahierende Abbildung M → M wird. Dann k¨onnen wir das Kontraktionslemma (Bd. 2, II, 1.6) anwenden. Zun¨ achst d¨ urfen wir annehmen (i)
|v| < K
auf U × D × V1 f¨ ur eine Konstante K .
Eine solche Absch¨ atzung hat man ja lokal um (u, τ, λ) , man muß also nur das gegebene U, D, V entsprechend verkleinern. Das bestimmt schon die Wahl von V1 , also von c . Sodann w¨ahle a1 > 0 so klein, daß {x ∈ Rn |x − u| ≤ 2a1 } := B ⊂ U . Sei dann jedenfalls (ii)
a < a1 .
Wir wollen, daß eine Kurve β : D1 → U mit β(τ ) w¨ ahlen dazu (iii)
∈
˙ ≤ K , immer in B bleibt und U1 , |β|
b < a1 /K,
e
dann ist n¨amlich |β(t) − β(τ )| ≤ K|t − τ | < K · b < a1 , also β(t)
∈
B ⊂ U.
|x − β(τ )| = K|t − τ |
β(τ )
B
˙ ≤K β mit |β|
u
a1
τ +b
τ
t
Sei nun M der Raum der stetigen Funktionen β : U1 × D1 × V1 → B,
β(x, τ, κ) = x f¨ ur alle
x
∈
U1 , κ
mit der Metrik, die durch die Supremumsnorm induziert ist, also d(β1 , β2 ) :=k β1 − β2 k:= sup{|β1 (x, t, κ) − β2 (x, t, κ)| (x, t, κ)
∈
∈
V1 ,
U1 × D1 × V1 }.
¨ sung einer Differentialgleichung 1. Die lokale Lo
9
Definiere A : M → M durch Zt Aβ(x, t, κ) := x +
v(β(x, s, κ), s, κ)ds. τ
Wir haben zu zeigen: 1)
β
2)
A ist kontrahierend.
∈
M ⇒ Aβ
∈
M.
Zu 1). Offenbar ist Aβ(x, τ, κ) = x , und (in verk¨ urzter Notation) Zt |Aβ(t) − Aβ(τ )| ≤ |v|ds ≤ K · |t − τ | ≤ a1 , τ
also Aβ(t)
∈
B . Auch ist Aβ stetig in allen drei Variablen x, t, κ, denn
Zϑ |Aβ(ξ, ϑ, η) − Aβ(x, t, κ)| ≤ |ξ − x| + |v|ds + t
Zt ur (ξ, ϑ, η) → (x, t, κ), v(β(ξ, s, η), s, η) − v(β(x, s, κ), s, κ)ds → 0 f¨ τ
nach (Bd. 2, I, 5.1). Also ist A : M → M wohldefiniert. Zu 2). Schauen wir, ob A kontrahierend ist: In auf das Wesentliche beschr¨ankter Notation ist Zt Zt |Aβ1 (t) − Aβ2 (t)| ≤ |v(β1 , . . . ) − v(β2 , . . . )|ds ≤ L |β1 − β2 |ds τ
τ
≤ L · b· k β1 − β2 k,
also
k Aβ1 − Aβ2 k≤ L · b k β1 − β2 k .
Hier wurde die Lipschitzbedingung benutzt. Jetzt m¨ ussen wir nur daf¨ ur sorgen, daß L · b < 1 ist, also wir fordern noch (iv)
b < 1/L.
Dann ist A kontrahierend, der Fixpunkt von A ist eine Funktion, die die Integralgleichung (∗) und nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung auch die Differentialgleichung l¨ost. So sieht man, daß es genau eine stetige Abbildung α wie im Satz gibt. Die Eindeutigkeit behaupten wir aber unter der schw¨acheren Voraussetzung, daß α nur bei festem x, κ jeweils von t ∈ D1 stetig abh¨angt. Dies folgt mit demselben Beweis, wenn man nur an die Funktionen β aus M die entsprechend schw¨achere Forderung stellt, daß β bei festem x, κ stetig auf D1 ist.
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
10
Wir wollen den Satz, ohne uns auf die genaue Benennung der Schranken a, b, c einzulassen, meist so angeben, daß eine Differentialgleichung mit Parameter, die eine Lipschitzbedingung f¨ ur die Unbekannte x erf¨ ullt, lokal eindeutig l¨ osbar ist. Und die L¨osung h¨ angt stetig von Anfangwert und Parameter ab. Nat¨ urlich existiert f¨ ur eine L¨osung α auch stets die Ableitung α˙ = ∂a/∂t und ist eine stetige Funktion von (x, t, κ), n¨amlich α˙ = v(α, t, κ). Notieren wir, was sich im Beweis ergeben hat, als (1.3) Erg¨ anzung. Im Satz kann man a, b, c so bestimmen, daß die Bedingungen(i) - (iii) erf¨ ullt sind. Tats¨ achlich ist die letzte Bedingung b < L1 n¨amlich u ¨berfl¨ ussig. Man will ja — das ist der Inhalt des Kontraktionslemmas — die Integralgleichung (∗) durch folgendes Iterationsverfahren l¨osen: α0 (x, t, κ) = x (konstant als Funktion von t), αν+1 = Aαν , und man muß erreichen, daß die Folge (aν ) auf beschr¨ankten Intervallen gleichm¨ aßig konvergiert. Der Operator A , auch wenn er nicht kontrahierend ist, erf¨ ullt ja jedenfalls eine Lipschitzbedingung mit Konstante Lb , und ist daher stetig, also A(lim αν ) = lim(Aαν ) = lim αν , wenn αν gleichm¨ aßig konvergiert. Nun hat man f¨ ur dieses Iterationsverfahren folgende explizite (1.4) Konvergenzabsch¨ atzung. k αν+1 − αν k ≤ K · Lν · bν+1 /(ν + 1)!
Beweis: Durch Induktion nach ν zeigen wir |αν+1 (t) − αν (t)| ≤ K · Lν · |t − τ |ν+1 /(ν + 1)! Der Induktionsschritt ist Zt Zt |αν+2 (t) − αν+1 (t)| ≤ |v(αν+1 , s) − v(αν , s)|ds ≤ L |αν+1 − αν |ds τ
K · Lν+1 ≤ (ν + 1)!
τ
Zt |s − τ | τ
ν+1
K · Lν+1 |t − τ |ν+2 . ds = (ν + 2)!
Das Kontraktionslemma gibt eben nur eine sehr grobe Absch¨atzung, w¨ahrend wir hier R das Integral |s − τ |ν ds ausrechnen, anstatt es nur durch Supremum des Integranden mal
¨ sung einer Differentialgleichung 1. Die lokale Lo
11
L¨ ange des Integrationsinvervalls abzusch¨atzen. Ein Vergleich mit der Exponentialreihe zeigt, daß die Folge αν stets auf beschr¨ankten Intervallen gleichm¨aßig konvergiert (wenn sie definiert ist, aber daf¨ ur sorgen die Bedingungen (i) - (iii)). Der Reihenrest kann durch (1.5)
k αν − lim αν k <
K (Lb)ν+1 Lb · ·e L (ν + 1)!
abgesch¨ atzt werden, n¨amlich durch ∞ (Lb)µ · (ν + 1)! K (Lb)ν+1 P · · , L (ν + 1)! µ=0 (ν + µ + 1)!
worin die Summe wiederum durch eLb abzusch¨atzen ist.
(1.6) Die Lineare Differentialgleichung. Sei V der Parameterraum, D ein offenes Intervall, τ ∈ D und eine stetige Abbildung B : D × V → End( Rn ) = Rn·n gegeben. Sie definiert die lineare Differentialgleichung (mit Parameter κ ∈ V ): (∗)
x˙ = B(t, κ) · x
auf Rn × D × V . Diese hat eine eindeutig bestimmte und in allen Variablen stetige L¨ osungsschar α : Rn × D × V → Rn , α(x, τ, κ) = x.
Beweis: Ist die Norm |B| < L , so ist L eine Lipschitzkonstante f¨ ur (∗). So ein L existiert jedenfalls lokal um jedes (t, κ), daher folgt schon die Eindeutigkeit: Sind α, β L¨ osungen auf D × κ = D , so sind die disjunkten Mengen {t ∈ D | α(t) = β(t)} und {t ∈ D | α(t) 6= β(t)} in D beide offen, die erste nach der lokalen Eindeutigkeitsaussage (1.2), die zweite aus Stetigkeit. Eine der beiden Mengen muß leer sein, weil D zusammenh¨ angt. Diese Eindeutigkeit werden wir noch im allgemeinen diskutieren, siehe (3.2). F¨ ur den Beweis der Existenz und Stetigkeit betrachten wir Intervalle D0 mit kompaktem Abschluß in D . Ist κ ∈ V , so hat man eine Absch¨atzung |B| < L auf D0 ×V 0 f¨ ur eine 0 Umgebung V von κ in V nach dem Tubenlemma (Bd. 1, VI, 7.7). Es gen¨ ugt, die Existenz n 0 0 und Stetigkeit von α auf allen entsprechenden Teilmengen R × D × V zu zeigen. Also sei ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit D beschr¨ankt (durch b) und |B| < L. W¨ahlen wir noch die Anfangswerte in einer Kugel vom Radius K , so f¨ uhrt das Iterationsverfahren (1.4) wieder zum Ziel, mit der (gleichm¨aßigen!) Konvergenzabsch¨atzung k αν − αν−1 k ≤ K · Lν · bν /ν! Der Induktionsschritt ist derselbe wie in (1.4), der Anfang ist Z |α1 (t) − α0 (t)| ≤ |B(s, κ) · x|ds ≤ L · K · |t − τ |.
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
12
Wir werden u ¨ber lineare Differentialgleichungen noch ausf¨ uhrlich reden. Diese hier bewiesene Aussage wird aber schon im n¨achsten Abschnitt eine wichtige Rolle spielen. Es ist aufkl¨arend, das Iterationsverfahren im Fall einer konstanten Matrix B einmal explizit aufzuschreiben: Sei τ = 0. α0 (t) = x, Zt α1 (t) = x +
Bx ds = x + tBx, 0
Zt a2 (t) = x + 0
t2 2 B(x + sBx)ds = x + tBx + B x, 2
··· Zt αν (t) = x + 0
ν tµ P sµ µ B B · x ds = B µ x, µ=0 µ! µ=0 µ! ν−1 P
also lautet die L¨ osung α(x, t) =
∞ tµ P B µ · x =: etB · x. µ=0 µ!
Daß die so definierte Exponentialreihe f¨ ur Matrizen konvergiert, wissen wir ohnehin, es ist ν ν ja |B | ≤ |B| . Zu Anfang f¨ uhlt man sich vielleicht etwas schwindelig, wenn man einfach Matrizen in eine Potenzreihe einsetzt. Auch das werden wir noch genauer studieren. Es sei noch angemerkt, daß die Lipschitzbedingung lokal stets erf¨ ullt ist, wenn die Differentialgleichung v stetige partielle Ableitungen nach x besitzt. Das ist eine oft bemerkte Konsequenz des Mittelwertsatzes der Differentialrechnung. Wir haben gesehen, daß die Parameter im Beweis des Satzes von Picard-Lindel¨of nur nebenherlaufen und das Schreiben verl¨angern. Man muß nur wissen, daß ein bestimmtes Integral der Form Zb f (s, κ)ds a
stetig von κ abh¨angt, wenn f stetig ist, und das gilt auch, wenn κ in einem metrischen Raum variiert. Zum Beispiel kann man f¨ ur V den Raum der beschr¨ankten Differentialgleichungen κ : U × D → Rn w¨ ahlen, die einer Lipschitzbedingung mit Konstante L gen¨ ugen, also |κ(x1 , t) − κ(x2 , t)| ≤ L|x1 − x2 |.
¨ ngigkeit von den Anfangswerten 2. Abha
13
Man versieht V mit der Metrik, die durch die Supremumsnorm induziert ist. Dann erh¨alt man die Differentialgleichung mit Parameter v : U × D × V → Rn ,
v(x, t, κ) := κ(x, t).
Unser Satz besagt dann, daß die lokale L¨osung stetig von x und t, und auch stetig von der ¨ Differentialgleichung abh¨angt. Andert man die Differentialgleichung wenig, so ¨andert sich auch die lokale L¨osung wenig — man kann das genauer absch¨atzen, jedoch sei das einer Vorlesung u ¨ber Numerische Mathematik u ¨berlassen.
§ 2. Abh¨ angigkeit von den Anfangswerten Wir schließen an den vorigen Abschnitt an und machen in diesem stets folgende
(2.1) Voraussetzungen. Wie im Existenzsatz von Picard-Lindel¨of sei eine Differentialgleichung v : U × D → Rn , U ⊂ Rn , D ⊂ R, (der Einfachheit halber ohne zus¨atzliche Parameter) gegeben, sowie eine offene Menge U1 ⊂ U , und eine stetige L¨ osung α : U1 × D → U, mit Anfang x
∈
U1 zur Zeit τ
∈
α(x, ˙ t) = v(α(x, t), t),
α(x, τ ) = x,
D.
Wir k¨onnen α nach t stetig differenzieren, denn α l¨ost die Differentialgleichung. Wir setzen nun zus¨atzlich voraus, daß die Differentialgleichung stetige Ableitungen nach x besitzt, also D1 v : U × D → End( Rn ) = Rn·n , (x, t) 7→ (∂vi /∂xj (x, t)) existiert und ist stetig.
Wir wollen zeigen, daß auch die L¨osung α stetige Ableitungen nach x besitzt. Ein Kandidat f¨ ur diese Ableitung Dx α ist leicht gefunden. Man differenziere nur die Differentialgleichung nach x und vertausche Dx mit ∂/∂t , dann steht da: ∂ ∂ Dx α = Dx α = D1 v(α(x, t), t) · Dx α, Dx α(x, τ ) = id. ∂t ∂t Dabei bezeichnen wir mit D1 v die Ableitung der Funktion v zweier Variablen nach der ersten, bei fester zweiter t. Man k¨onnte auch sagen, die Ableitung bez¨ uglich α von v(α, t).
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
14
Es ergibt sich also: Notiz. Ist die L¨osung α der Differentialgleichung in (2.1) nach den Anfangswerten x stetig differenzierbar, so l¨ost die Ableitung Dx α einer lokalen L¨osung α nach den Anfangswerten x die sogenannte Variationsgleichung z˙ = D1 v(α(x, t), t) · z mit Anfang id zur Zeit τ . Beachte, daß t 7→ z(t) hier eine Kurve von Matrizen ist. (2.2) Satz (¨ uber die Variationsgleichung). Unter den Voraussetzungen (2.1) existiert die Ableitung Dx α und gen¨ ugt der Variationsgleichung z˙ = D1 v(α(x, t), t) · z mit Anfang z(τ ) = id. Dabei ist D1 die Ableitung von vt : U → Rn , y 7→ v(y, t) . Insbesondere ist Dx α stetig. Beweis: Betrachte ein festes x auch x + h ∈ U1 . Setze
U1 und ein gen¨ ugend kleines h
∈
∈
Rn , so daß jedenfalls
∆α(t, h) := α(x + h, t) − α(x, t), Z1 A(t, h) := D1 v(α(x, t) + s∆α(t, h), t)ds, 0
und sei wie schon ¨ofter αy (t) := a(y, t). Dann ist (∆α). = v(αx+h , t) − v(αx , t) =
Z1 0
d v(αx + s∆α, t)ds = ds
Das ist nur der Mittelwertsatz. Wir haben also (∆α). = A(t, h) · ∆α,
Z1 D1 v(αx + s∆α, t)ds · ∆α. 0
∆α(τ, h) = h.
Nun, die Differentialgleichung z˙ = A(t, h) · z
f¨ ur
z
∈
End( Rn ),
t
∈
D,
mit Parameter h aus einer ε-Kugel um 0 , hat zum Anfang z(τ ) = id genau eine (stetig von h und t abh¨angende) L¨osung z(t) = B(t, h),
B(τ, h) = id.
Das ist eben das Beispiel (1.6) der linearen Differentialgleichung, bei der die PicardLindel¨ of-Iteration zum Ziele f¨ uhrt (f¨ ur jede Spalte von B ). Man findet daraus, wenn wir dieselbe Formel z˙ = Az jetzt als Differentialgleichung f¨ ur z ∈ Rn deuten, die L¨osung B(t, h) · h
¨ ngigkeit von den Anfangswerten 2. Abha
15
mit Anfang h zur Zeit τ . In der Tat gilt (B(t, h) · h). = A(t, h)B(t, h)h. Weil aber die lineare Differentialgleichung z˙ = Az zu gegebenem Anfangswert eindeutig l¨osbar ist, und nach unserer ersten Feststellung ∆α(t, h) eine L¨osung ist, muß gelten ∆α(t, h) = B(t, h) · h. Das ist schon die Differenzierbarkeit von α bei festem t im Punkte x , denn B(t, h) als L¨ osung der Differentialgleichung z˙ = A(t, h)z h¨angt stetig vom Parameter h ab. Es ist also B(t, 0) = Dx α(x, t) nach Definition der rechten Seite, und dies l¨ost die Differentialgleichung z˙ = A(t, 0)z mit Anfang id. Aber A(t, 0) = D1 v(α(x, t), t). Nicht zuf¨allig faßt man die lineare Differentialgleichung z˙ = A · z zugleich als Gleichung f¨ ur Vektoren und f¨ ur Matrizen z auf, davon bald mehr. (2.3) Satz (Abh¨angigkeit von den Anfangswerten). Besitzt die Differentialgleichung (2.1) stetige Ableitungen der Ordnung ≤ k nach der ersten Variable x , so ist die L¨osung α(x, t) auch k-mal stetig nach x differenzierbar. Beweis: Statt der urspr¨ unglichen Differentialgleichung betrachten wir das System x˙ =
v(x, t),
x ∈ U,
z˙
D1 v(x, t) · z,
z
(∗) =
∈
Rn·n = End( Rn ).
Es besitzt eine stetige L¨osung (α(x, t) , β(x, z, t)) auf U1 × End( Rn ) × D mit Werten in U × End( Rn ). Man erh¨alt α als L¨osung der ersten Gleichung, setzt diese in die zweite f¨ ur x ein, und kann dann die zweite, eine lineare Gleichung mit Parametern, stetig durch β l¨ osen. Induktiv nach k schließend d¨ urfen wir annehmen, daß die L¨osung (α, β) von (∗), insbesondere also β , noch (k − 1)-mal stetig nach den Anfangswerten, also unter anderem nach x differenzierbar ist. Das heißt aber nach dem Satz (2.2) u ¨ber die Variationsgleichung, daß Dx α noch (k − 1)-mal stetig nach x differenzierbar ist. (2.4) Folgerung. H¨ angt die Differentialgleichung mit Parameter v : U × D × V → Rn im Satz (1.2) von Picard-Lindel¨of k-mal stetig differenzierbar von (x, κ) ∈ U × V ab, so ist eine stetige L¨osung α : U1 × D1 × V1 → U auch k-mal stetig differenzierbar nach Anfangswert x ∈ U1 und Parameter κ ∈ V1 . Hier nehmen wir an, daß der Parameterraum V offen in R` ist. Beweis: Dies folgt, indem man wie erkl¨art die Parameter als zus¨atzliche Variable einf¨ uhrt, mit der zus¨atzlichen Gleichung κ˙ = 0.
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
16
Satz und Folgerung sind auch f¨ ur k = ∞ bewiesen. Nun k¨onnen wir auch die Abh¨angigkeit von t hinzuf¨ ugen und zusammenfassend sagen:
(2.5) Satz. Ist die Differentialgleichung in (2.1) k-mal stetig differenzierbar, so auch die lokale L¨osung α : U1 × D → U .
Beweis: Weil ja die Ableitungen ∂α/∂xj nach den Anfangswerten xj existieren und eine h¨ochstens einmal weniger differenzierbare Differentialgleichung stetig l¨osen, ist nur zu zeigen, daß α auch k-mal stetig nach t differenzierbar ist. Nun ist α(t) ˙ = v(α(t), t). Ist also α ∈ C ` , ` < k , so ist α˙ ∈ C ` , also α ist (` + 1)-mal stetig nach t differenzierbar, und so erh¨alt man das Behauptete durch Induktion.
Genauer zeigt der Beweis, daß noch α(x, ˙ t) = ∂/∂t α(x, t) eine C k -Funktion von x und t ist. Der wichtigste Fall ist wohl, daß die Differentialgleichung, von der man ausgeht, eine C -Abbildung ist, also glatt, wie man daf¨ ur auch sagt. Dann h¨angen auch die L¨osungen ∞ C von der Zeit und den Anfangswerten ab. Mit C ∞ -Funktionen ist immer besonders entspannt zu argumentieren, weil man nicht u ¨ber Differenzierbarkeitsverluste beim Ableiten buchf¨ uhren muß. ∞
¨ Ubrigens haben auch analytische, lokal durch konvergente Potenzreihen gegebene Differentialgleichungen analytische L¨osungen. Wir betrachten etwa eine Differentialgleichung y 0 = f (y, z),
y 0 := dy/dz,
f¨ ur komplexe Funktionen einer komplexen Variablen. Auch in diesem Fall kann man lokal f¨ ur eine Kreisscheibe um u ∈ C die Picard-Lindel¨of Iteration Zz yn+1 (z) = w + f (yn (ζ), ζ)dζ, y0 = w, u
hinschreiben, und sie liefert hier eine gleichm¨aßig konvergente Folge holomorpher Funktionen, und damit eine holomorphe Grenzfunktion als L¨osung der Differentialgleichung auf einer gen¨ ugend kleinen Kreisscheibe. Man darf sich daher berechtigt sehen, auch im Reellen zur L¨osung einer analytischen Differentialgleichung einen Potenzreihenansatz y(t) = a0 + a1 t + a2 t2 + · · ·
3. Transformation einr Differentialgleichung
17
mit unbestimmten Koeffizienten zu machen. Man versucht dann, aus der Differentialgleichung die Koeffizienten aj ∈ Rn rekursiv zu bestimmen.
§ 3. Transformation einer Differentialgleichung Das Ziel der Theorie der Differentialgleichungen ist oft, nicht eine spezielle L¨osung einer Gleichung durch eine Formel anzugeben — was sowieso meist unm¨oglich ist — sondern vielmehr eine geometrische Einsicht in das Aussehen der L¨osungsschar (x, t) 7→ α(x, t) in der Umgebung eines Punktes (u, τ ) ∈ U × D zu gewinnen. Hierf¨ ur ist es oft n¨ utzlich, die L¨ osungsschar durch eine lokale Koordinatentransformation auf einfache Gestalt zu bringen. Ist (3.1)
v : U × D → Rn ,
also x˙ = v(x, t),
die Differentialgleichung, so betrachten wir die zeitabh¨angige Transformation ϕ : U × D → Rn ,
(x, t) 7→ ϕ(x, t) = ϕt (x),
also
y = ϕ(x, t),
wobei ϕt ein lokaler Diffeomorphismus um u sei. Das heißt gleichwertig, die Abbildung U × D → Rn × D,
(x, t) 7→ (ϕt (x), t)
ist ein lokaler Diffeomorphismus, denn letztere hat die Jacobische
Dφt
∂φ ∂t
0......0
1
Ist α eine L¨osung von (3.1), also α(t) ˙ = v(α(t), t),
α(τ ) = x,
so erf¨ ullt die transformierte Kurve β mit β(t) = ϕt α(t) = ϕ(α(t), t) offenbar die Differentialgleichung ∂ϕ −1 −1 ˙ (α(t), t) = Dϕt (ϕ−1 β(t) = Dϕt (α(t))α(t) ˙ + t β(t)) · v(ϕt β(t), t) + ∂ϕ/∂t(ϕt β(t), t). ∂t Wir bezeichnen die aus v so entstehende Differentialgleichung (3.2)
−1 −1 y˙ = Dϕt (ϕ−1 t y) · v(ϕt y, t) + ∂ϕ/∂t(ϕt (y), t)
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
18
als die mit ϕ transformierte Gleichung. Ist also α eine L¨osung von (3.1), so ist t 7→ ϕt ◦ α(t) eine L¨osung von (3.2) und umgekehrt. Durch geschicktes Transformieren kann man manchmal eine Differentialgleichung vereinfachen und vielleicht l¨osen, ¨ahnlich wie man Integrale durch Transformation manchmal l¨osen kann. Beispiel. Gegeben sei die Differentialgleichung auf (− π2 , π2 ) × R : tan x + t − 1 . 1 + tan2 x Setze y = tan x + t, dann ist y˙ = (1 + tan2 x) · x˙ + 1 = y also y(t) = aet , und daher x(t) = arc tan(aet − t). x˙ =
Nat¨ urlich, was man hineingeheimnist hat, kann man leicht wieder heraustransformieren. F¨ ur solche Probleme gew¨ohne der Student sich wie der Philologe beizeiten an den Gebrauch eines Nachschlagewerkes:
(3.3) Guter Rat. Sucht man die L¨osung einer explizit gegebenen Differentialgleichung von theoretischer oder praktischer Bedeutung, so schaue man in das Buch: “Gew¨ohnliche Differentialgleichungen, L¨ osungen und L¨osungsmethoden” von Kamke. ¨ Wenn man zum Beispiel bei einer Ubungsaufgabe zur Mechanik auf eine Differentialgleichung kommt, die in dieser Sammlung nicht aufgef¨ uhrt ist, so hat man ziemlich sicher beim Ansatz etwas versehen. Immerhin kann man durch geeignete Transformation auch ganze Klassen von Differentialgleichungen l¨osen, und es l¨aßt sich etwas Allgemeines u ¨ber Transformationen sagen. (3.4) Die homogene Differentialgleichung. Es handelt sich um die Gleichungen der Gestalt x˙ = v(x/t) f¨ ur t 6= 0. Hier liegt die Transformation y = x/t nahe. Man erh¨alt tx˙ − x tv(y) − ty = = t−1 (v(y) − y). 2 t t2 Letzteres ist eine sogenannte y˙ =
(3.5) Differentialgleichung mit getrennten Variablen. Das ist eine Gleichung vom Typ y˙ = f (y) · g(t). Hier schreiben wir wie die Physiker dy = f (y) · g(t), dt
also
dy = g(t)dt, f (y)
also
3. Transformation einr Differentialgleichung Zy F (y) := y0
dη = f (η)
19
Zt g(t)dt =: G(t),
F (y0 ) = G(τ ) = 0.
τ
Ist im Definitionsgebiet f (y) 6= 0, so ist ∂/∂y(F (y) − G(t)) = 1/f (y) 6= 0 , und wir k¨onnen die Gleichung F (y) − G(t) = 0 nach dem Satz u ¨ber die implizite Funktion theoretisch — und manchmal auch tats¨achlich aufl¨osen. Insbesondere die (3.6) autonome Differentialgleichung in einer Variablen y˙ = f (y),
f (y) 6= 0
kann man so l¨osen; in diesem Fall ist g = 1 und G(t) = t − τ . Die einfachste Gestalt, auf die sich eine Differentialgleichung durch Transformation bringen l¨aßt, ist die triviale.
FG
(3.7) Gl¨ attungssatz (f¨ ur die zeitabh¨angige Differentialgleichung). Die Differentialgleichung v : U × D → Rn , also x˙ = v(x, t), sei k-mal stetig differenzierbar. Dann l¨aßt sich v durch eine C k -Transformation lokal in die triviale Differentialgleichung y˙ = 0 transformieren.
−→
Beweis: Sei ϕ : U1 × D1 → U ⊂ Rn die lokale L¨osung von v zur Anfangszeit τ ∈ D . Dann ist Dy ϕ(y, τ ) = id, also ist ϕ eine lokale Transformation. Unterwerfen wir die triviale Gleichung y˙ = 0 dieser Transformation, setzen also x = ϕ(y, t), so geht die triviale Gleichung in v u ¨ber, was ja nur heißt x˙ = v(x, t), oder x ist L¨osung von v . Die umgekehrte Transformation ψt = ϕ−1 u ¨berf¨ uhrt die Gleichung v in die triviale Gleichung. t Das sieht wohl aus wie ein Betrug: Um die Transformation zu finden, m¨ ussen wir die L¨ osung schon kennen. Jedoch ist der Gl¨attungssatz eigentlich der Hauptsatz der lokalen
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
20
Theorie der Differentialgleichungen: F¨ ur die triviale Gleichung y˙ = 0 sind die S¨atze u ¨ber Existenz, Eindeutigkeit und Abh¨angigkeit von den Anfangswerten offenbar, und daher u ¨bertragen sie sich durch Transformation auf beliebige Gleichungen, welche die genannten Differenzierbarkeitsvoraussetzungen erf¨ ullen. Auch entnimmt man dem Gl¨attungssatz einen Hinweis, wie man eine ungel¨oste Differentialgleichung vielleicht geschickt transformieren k¨onnte. Angenommen die Differentialgleichung x˙ = v(x, t) k¨ onnen wir lokal um (u, τ ) l¨osen, die Differentialgleichung x˙ = v(x, t) + w(x, t) wollen wir l¨osen, und die St¨ orung w ist klein, oder sieht in irgendeiner Weise harmlos aus. Dann liegt folgendes Verfahren nahe: Wir l¨osen v . Die L¨osung verschafft uns nach dem Gl¨ attungssatz eine Transformation ϕt von v in die trivale Differentialgleichung. Diese Transformation wenden wir auf die gest¨orte Gleichung v + w an, und hoffen, daß sich etwas Schickliches ergibt. Ein klassisches Beispiel, wo dies Verfahren zum Ziel f¨ uhrt, ist die Variation der Konstanten. Zu l¨osen ist die inhomogene lineare Differentialgleichung erster Ordnung x˙ = a(t) · x + b(t), mit stetigen Funktionen a, b : D → R auf einem Intervall. L¨ose zun¨achst die homogene lineare Differentialgleichung x˙ = a(t)x, n¨ amlich (getrennte Variable!) die L¨osung ist Zt ϕ(x, t) = A(t) · x,
A(t) = exp(
a(s)ds). τ
Also ϕt (x) = A(t)·x, und die Transformation f¨ ur die inhomogene Gleichung ist y = A−1 (t)x oder A(t)y = x . Man erh¨alt ˙ + Ay˙ = x˙ = Ay ax + b k
k
aAy + Ay˙
aAy + b ,
also y˙ = A−1 (t)b(t),
3. Transformation einr Differentialgleichung
21
und dies kann man integrieren Zt A−1 (s)b(s)ds,
y = y0 + τ
also
Zt A−1 (s)b(s)ds.
x(t) = A(t)x0 + A(t) · τ
Die homogene Gleichung hat die allgemeine L¨osung x(t) = A(t)x0 mit einer Konstanten x0 , und den L¨osungsweg kann man so beschreiben, daß man die Konstante x0 durch eine Variable y ersetzt, und die entstehende Funktion A(t)y als Ansatz f¨ ur eine L¨osung der inhomogenen Gleichung nimmt. Daher der Name “Variation der Konstanten”. Zur Erkl¨ arung, wie man auf diesen L¨osungsweg kommt, dient dies freilich nicht.
IH
Hat man eine autonome Differentialgleichung, also ein Vektorfeld auf U , so interessiert man sich oft weniger f¨ ur die Funktion t 7→ α(t) einer L¨osung und f¨ ur ihren Graphen {(α(t), t) | t ∈ D} in U × D , als f¨ ur das Bild der L¨osungskurve α im Phasenraum U . Zum Beispiel der L¨ osung t 7→ (cos t, sin t) der Differentialgleichung . x −y = y x entspricht im Phasenraum U = R2 der Einheitskreis. y x
t
U
U
Entsprechend wollen wir auch die Transformationen eines zeitunabh¨angigen Vektorfeldes unabh¨ angig von der Zeit als lokalen Diffeomorphismus ϕ : U → U 0 ⊂ Rn um u ∈ U w¨ahlen. Die transformierte Differentialgleichung von v : U → Rn ,
also
x˙ = v(x)
unter der Transformation ϕ, also y = ϕ(x) , lautet dann y˙ = Dϕ(ϕ−1 y) · v(ϕ−1 y). Transformiert man den Phasenraum (die Variable x ) mit ϕ , so wird der Tangentialraum (die Variable x˙ ) mit Dϕ transformiert. Das transformierte Vektorfeld sei mit ϕ∗ v bezeichnet, also (3.8)
ϕ∗ v : ϕ(U ) → Rn ,
y 7→ Dϕ(ϕ−1 (y)) · v(ϕ−1 y).
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
22
Beispiel. Gegeben ist auf R2 die Differentialgleichung . x y = y x Wir transformieren u = x + y , v = x − y , und finden u˙ = u , v˙ = −v , also u = 2u0 et , v = 2v0 e−t , und daher x(t) = 21 (u + v) = u0 et + v0 e−t , y(t) = u0 et − v0 e−t . Sei v ein Vektorfeld auf U , dann heißt ein Punkt u sonst regul¨ ar.
∈
U singul¨ ar, falls v(u) = 0 , und
(3.9) Gl¨ attungssatz f¨ ur Vektorfelder. Sei v ein C k -Vektorfeld auf U und u ein regul¨ arer Punkt von v , dann existiert um u eine (zeitunabh¨angige) lokale C k -Transformation ϕ von v in das konstante Vektorfeld:
JK ϕ∗ v = en = (0, 0, . . . , 0, 1).
Beweis: Es ist v(u) 6= 0, und nach eventueller Vertauschung der Koordinaten d¨ urfen wir annehmen vn (u) 6= 0. Wir w¨ahlen einen zu v(u) komplement¨aren linearen Unterraum L, und nach unserer Annahme k¨onnen wir L = Rn−1 = {x ∈ Rn | xn = 0} w¨ahlen. Sei dann S := (L + u) ∩ U. S
S1
u
−→ ϕ
en
Man nennt S eine in u zu v transverse Scheibe. Jetzt sei α : U1 × (−ε, ε) → U ⊂ Rn
eine lokale L¨osung von v um u, und S1 = S ∩ U1 . Sei ψ = α|S1 × (−ε, ε), dann ist ψ : S1 × (−ε, ε) → Rn
3. Transformation einr Differentialgleichung
23
ein lokaler Diffeomorphismus um (u, 0) ; er ordnet einem Punkt (η, ϑ) den Punkt α(η, ϑ) der L¨osung (mit α(η, 0) = η ∈ S1 ) zur Zeit ϑ zu. Die Jacobische von ψ ist n¨amlich bei unserer Koordinatenwahl Dψ(η, ϑ) = (Dη α, α) ˙ mit α˙ = vα(η, ϑ), und insbesondere f¨ ur den Punkt (u, 0) ∈ S1 × (−ε, ε) erh¨alt man ψ(u, 0) = u und v1 (u) 1 .. .. . . Dψ(u, 0) = weiße Stellen sind Null. 1 0 ··· 0 vn (u) Weil wir die Koordinaten so gelegt haben, daß die letzte Komponente vn (u) nicht verschwindet, ist det Dψ(u, 0) 6= 0 wie gew¨ unscht. Die Transformation ψ u ¨berf¨ uhrt die L¨osungen t → 7 (η, δ + t) des Vektorfeldes mit konstantem Wert en in die L¨osungen t 7→ α(η, δ + t) des gegebenen Vektorfeldes v und transformiert das konstante Feld en in v , n¨amlich
LMN v(α(η, ϑ)) = Dψ(η, ϑ) · en .
Die umgekehrte Transformation ϕ = ψ −1 u ¨berf¨ uhrt das Vektorfeld v in das konstante Vektorfeld en . Die eigentliche Aufgabe der lokalen geometrischen Untersuchung der Vektorfelder ist daher das Studium der Singularit¨aten. Wie verhalten sich die L¨osungen lokal um einen singul¨ aren Punkt? Lassen sich solche Singularit¨aten wie
durch irgendwelche Invarianten unterscheiden? Sind sie ineinander transformierbar? Offenbar nicht, aber wie beweist man das? Angenommen, ein Vektorfeld zum Beispiel auf der Sph¨are hat nur endlich viele Singularit¨ aten, gibt es dann f¨ ur den lokalen Typ dieser Singularit¨aten irgendwelche Abh¨angigkeiten? Welche Typen von Singularit¨aten kommen u ¨berhaupt in der Natur vor?
24
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
Hier gibt es noch f¨ ur Generationen genug zu tun. Der erste Schritt, wenn man ein Vektorfeld in der Umgebung eines singul¨aren Punktes untersuchen will, ist, daß man das Vektorfeld v durch seine lineare Approximation ersetzt. Ist also v(u) = 0 und A = Dv(u) , so studiert man die lineare Gleichung x˙ = Ax. Wir wissen, daß wir sie l¨osen k¨onnen: x(t) = eAt · x0 , aber wir lernen daraus zugleich, daß mit einer Formel noch wenig geholfen ist. Wir werden jedoch die linearen Gleichungen noch genauer untersuchen. In vielen F¨allen — aber nicht immer — lassen sich die L¨osungskurven der linearen Approximation x˙ = Ax wenigstens durch einen Hom¨oomorphismus (der im Ursprung nicht differenzierbar ist) des Phasenraumes in die L¨osungskurven der urspr¨ unglichen Gleichung y˙ = v(y) lokal um die Singularit¨at u u ¨berf¨ uhren.
§ 4. Der lokale Fluß Wir studieren hier das Verhalten der L¨osungen einer Differentialgleichung im Großen, oder besser gesagt, wir erkl¨aren, was der Gegenstand dieses Studiums ist. Wir setzen die lokale Theorie voraus, so wie wir sie in den letzten Abschnitten behandelt haben. Wir d¨ urfen auch annehmen, daß die betrachteten Differentialgleichungen von Zeit und weiteren Parametern unabh¨angig sind — wir f¨ uhren diese, soweit n¨otig, als neue Variable mit zugeh¨origen Gleichungen ein. Es w¨are nun in diesem Abschnitt angebracht, sogleich Vektorfelder auf Mannigfaltigkeiten zu betrachten, aber wir wollen es damit bewenden lassen, offene Mengen gelegentlich mit einem M zu bezeichnen. Wir machen also die
(4.1) Voraussetzungen. Sei M eine offene Menge in Rn und v : M → Rn ein Vektorfeld. Die autonome Differentialgleichung x˙ = v(x) sei lokal eindeutig C k -l¨ osbar, 0 ≤ k ≤ ∞; also zu jedem p ∈ M existiert eine Umge bung U von p , ein ε > 0 , also ein Intervall D = {t |t| < ε}, und eine C k -Abbildung α , bestimmt durch α : U × D → M, α(x, 0) = x, α(x, ˙ t) = v(α(x, t)).
Diese Voraussetzungen sind erf¨ ullt, wenn v ein C k -Vektorfeld und k > 0 ist.
4. Der lokale Fluß
25
Als Anfangszeit d¨ urfen wir bei einer autonomen Differentialgleichung ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit 0 w¨ahlen, denn ist α(t) eine (lokale) L¨osung so auch α(t + τ ) zu konstantem τ . Das ist das Besondere bei einer autonomen Differentialgleichung, das Gesetz der Bewegung selbst ist zeitunabh¨angig, sie l¨auft immer gleich, egal wann sie beginnt. Das werden wir noch oft benutzen. Zun¨ achst finden wir, daß durch jeden Punkt p gralkurve αp des Vektorfeldes l¨auft.
∈
M im wesentlichen nur eine Inte-
O
(4.2) Eindeutigkeitssatz. Unter den Voraussetzungen (4.1) seien α1 : D1 → M
und α2 : D2 → M
Integralkurven von v , und es sei α1 (0) = α2 (0) = p , dann ist α1 = α2 auf D1 ∩ D2 .
α2
α1 (b) = α2 (b)
α1
Beweis: Sei T = {s ∈ R | α1 (t) = α2 (t) f¨ ur 0 ≤ t < s} die Menge der rechten Intervallgrenzen, bis zu welchen beide Integralkurven jedenfalls noch u ¨bereinstimmen. Weil v lokal eindeutig l¨osbar ist, enth¨ alt T ein s > 0, und wenn T nach oben unbeschr¨ankt ist, so ist α1 (t) = α2 (t) f¨ ur alle t. Andernfalls sei b = sup(T ) , dann ist α1 | [ 0, b) = α2 | [ 0, b), und weil beide Integralkurven stetig sind, α1 (b) = α2 (b), falls noch b ∈ D1 ∩ D2 . Aber in diesem Fall sind die Kurven t 7→ α1 (b + t)
und
t 7→ α2 (b + t)
beide Integralkurven von v mit gleichem Anfang αν (b), m¨ ussen also lokal u ¨bereinstimmen, im Widerspruch zur Definition von b. F¨ ur negative t schließt man entsprechend. Weil nun α1 und α2 auf D1 ∩ D2 u ¨bereinstimmen, definieren sie zusammen eine L¨ osung α : D1 ∪ D2 → M , so daß α|Dν = αν . Allgemeiner betrachte die Menge aller Integralkurven αλ : Dλ → M, αλ (0) = p,
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
26
mit einem offenen Definitionsintervall Dλ um 0 , welche durch irgendeine Indexmenge Λ indiziert sei. Ist Dp =
S λ∈Λ
Dλ , so definieren die αλ eine Integralkurve αp : Dp → M,
αp |Dλ = αλ ,
und diese ist wohldefiniert, denn auf Dλ ∩ Dµ ist αλ = αµ . Auch ist Dp ein offenes Intervall S S Dp = (ap , bp ), ap = inf Dλ , bp = sup Dλ . λ∈Λ
λ∈Λ
Das Intervall Dp ist nach Definition das gr¨oßte Intervall, auf dem eine L¨osung durch p definiert ist. Man nennt αp die maximale Integralkurve durch p und Dp ihr Existenzintervall. Integralkurve ist also ein anderes Wort f¨ ur L¨osung in diesem Zusammenhang. Weil man t gerne als Zeit deutet, nennt man das Existenzintervall von α auch wohl die Lebenszeit dieser L¨osung, sie lebt bis zur Zeit b . . . . Wir notieren jetzt auch wieder die Anfangspunkte und erkl¨aren: Sei A ⊂ M × R die Teilmenge S A = {(p, t) | t ∈ (ap , bp )} = {p} × Dp
d p∈M
auf der die Integralkurven von v definiert sind. Die maximalen L¨osungskurven definieren eine Abbildung Φ : A → M, Φ(p, t) = αp (t). Diese Abbildung Φ heißt der maximale lokale Fluß von v und A das Definitionsgebiet des lokalen Flusses von v . Ist A = M × R , also jede L¨osung f¨ ur alle Zeit definiert, so heißt Φ der (globale) Fluß von v .
A
p
Dp
R
M
(4.3) Eigenschaften des lokalen Flusses. (i) Das Definitionsgebiet A ⊂ M × R ist offen und Φ : A → M ist eine C k -Abbildung. (ii) A ∩ ({p} × R) = {p} × (ap , bp ) ist ein Intervall, ap < 0 < bp .
4. Der lokale Fluß
27
(iii) Φ(Φ(p, t), s) = Φ(p, t + s) , wo die linke Seite definiert ist, und Φ(p, 0) = p .
Nur die erste Behauptung ist nicht trivial, wir werden sie bald zeigen. Die dritte gilt, weil bei festem t s 7→ Φ(Φ(p, t), s) und s 7→ Φ(p, t + s) beides Integralkurven sind, die in Φ(p, t) beginnen. Allgemein nennt man eine C k -Abbildung Φ mit den Eigenschaften (4.3) einen lokalen Fluß auf M , und einen (globalen) Fluß , falls A = M × R ist. Einem Vektorfeld v ist ein lokaler Fluß Φ zugeordnet, so daß die sogenannten Flußlinien αp : t 7→ Φ(p, t) die L¨osungskurven von v sind. Umgekehrt erh¨alt man aus einem lokalen Fluß wieder ein Vektorfeld, n¨amlich das Geschwindigkeitsfeld ∂ Φ(p, 0) ∂t des Flusses Φ. Dieses Vektorfeld hat die Integralkurven t 7→ Φ(p, t), denn Φ(p, τ + t) = Φ(Φ(p, τ ), t) f¨ ur kleine t, also v(p) :=
∂ ∂ | Φ(p, t) = | Φ(Φ(p, τ ), t) = vΦ(p, τ ). ∂t t=τ ∂t t=0 So ist ein Vektorfeld in gewissem Sinne dasselbe wie ein lokaler Fluß , und insbesondere ist ein u ¨berall beliebig lange integrables C ∞ -Vektorfeld dasselbe wie ein C ∞ -Fluß Φ : M × R → M . Zu einem Vektorfeld liefern die maximalen L¨osungskurven einen lokalen Fluß , und das Geschwindigkeitsfeld des lokalen Flusses f¨ uhrt zur¨ uck zum Vektorfeld. Mit k der Differenzierbarkeit steht es genauer so, daß einem C -Vektorfeld v hierbei ein lokaler Fluß Φ zugeordnet ist, f¨ ur den ∂/∂t Φ noch eine C k -Abbildung ist. Der Phasenraum M wird disjunkt in die Orbits, die Bilder der Flußlinien oder L¨osungskurven {αp (t) | t ∈ (ap , bp )} zerlegt, denn sind α, β L¨osungskurven, und α(r) = β(s) = x ∈ M , so sind die Kurven t 7→ α(r + t) und t 7→ β(s + t) beides L¨osungen durch x , die also u ¨bereinstimmen, also α(r +t) = β(s+t), oder α(t) = β(s−r +t) , die beiden Kurven stimmen bis auf Translation des Parameters u ¨berein. Flußlinien von Φ und Integralkurven oder L¨osungskurven von v sind wie gesagt dasselbe — so ist die Zuordnung von Vektorfeld (Differentialgleichung) und lokalem Fluß definiert. Die Zerlegung des Phasenraums M in die Orbits nennt man das Phasenportrait des Vektorfeldes oder lokalen Flusses.
28
P
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo M
Orbit
Besonders interessant ist der Fall eines auf ganz M × R definierten Flusses. Statt wie bisher bei festem p ∈ M die Flußlinie αp (t) = Φ(p, t) zu studieren, kann man auch zu jeder Zeit t ∈ R die Transformation Φt : M → M,
p 7→ Φ(p, t),
betrachten. Der Fluß ordnet jedem t ∈ R eine solche Transformation Φt zu, die angibt, wohin die Punkte aus M nach der Zeit t , dem Trend der Differentialgleichung folgend, geflossen sind. Es gilt nach (4.3, iii): (4.4)
Φ0 = idM ,
Φt ◦ Φs = Φt+s .
Insbesondere ist also Φt ◦ Φ−t = Φ−t ◦ Φt = idM , also jedes Φt ist ein Diffeomorphismus M → M . Ist Diff(M ) die Gruppe aller Diffeomorphismen M → M , so definiert der Fluß einen Homomorphismus R → Diff(M ), t 7→ Φt . Das ist gerade die Bedeutung von (4.4). Die Theorie der Differentialgleichungen h¨angt so eng zusammen mit dem Studium der Diffeomorphismen von M auf sich. Ein Fluß auf M ist nach (4.4) eine Operation der Gruppe R auf M . Die Theorie der autonomen Differentialgleichungen enth¨ alt so die Theorie der R-Operationen. Diese nennt man auch dynamische Systeme. Beispiel. Die lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten x˙ = A · x auf M = Rn hat den Fluß Φ : (x, t) 7→ eAt · x, also ist Φt die lineare Abbildung eAt eAt · eAs .
∈
Aut( Rn ) ⊂ Diff( Rn ), und richtig ist eA·(t+s) =
F¨ ur einen lokalen Fluß sind die Transformationen Φt im allgemeinen nicht auf ganz M definiert, weil die L¨osung durch x nicht stets bis zur Zeit t existiert. Wir wollen jedoch auch f¨ ur Teilmengen B ⊂ M die Transformation Φt : B → M,
x 7→ Φ(x, t)
4. Der lokale Fluß
29
betrachten, wenn sie definiert ist. Wir kommen zum
Beweis von (4.3): Sei v : M → Rn ein Vektorfeld wie in (4.1) und sei A ⊂ M × R das Definitionsgebiet des maximalen lokalen Flusses Φ von v . Wir m¨ ussen zeigen, daß A k offen und Φ : A → M eine C -Abbildung ist. Sei also p ∈ M und D = (ap , bp ) das maximale Intervall, auf dem die Integralkurve α durch p definiert ist. Sei T ⊂ D die Menge der s ∈ D , so daß der lokale Fluß Φ auf U × (0, s) f¨ ur eine Umgebung U von p definiert und eine C k -Abbildung ist. Sei b = sup T . Angenommen b = bp , dann liegt (0, bp ) in einer offenen Teilmenge (Vereinigung von Mengen der Form U × (0, s)) von A , auf der Φ eine C k -Abbildung ist. Wissen wir das f¨ ur alle p und entsprechend f¨ ur negative t , so sind wir fertig.
Q M
A
U
p
s
Wir f¨ uhren also die Annahme: b < bp
R
bp
zum Widerspruch. In diesem Fall ist b ∈ (ap , bp ) und die L¨osung α durch p ist in b definiert, also α(b) = x ∈ M . Wir wollen den Fluß Φ in einer Umgebung dieses Punktes x betrachten. Auch hier finden wir eine Umgebung V von x , und ein Intervall, sagen wir (−ε, 3ε) um 0, so daß Φ auf V × (−ε, 3ε) definiert und C k ist. Jede L¨osungskurve, die einmal in V angekommen ist, lebt noch mindestens die Zeit 3ε l¨anger.
30
R
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
V
x
p = α(0)
Nun ist ja α(b) = x , und wenn wir vielleicht ε noch einmal verkleinern, d¨ urfen wir annehmen α(b − 2ε) ∈ V , und u ¨brigens b − 2ε > 0. Dann aber folgt aus der Definition von b, daß es noch eine Umgebung U von p gibt, so daß Φ auf U × (0, b − ε) definiert und C k ist, und wir d¨ urfen annehmen Φb−2ε (U ) ⊂ V , wieder aus Stetigkeit, weil Φb−2ε (p) = α(b − 2ε) ∈ V . Weil man aber alle L¨osungskurven, wenn sie in V gelandet sind, um 3ε verl¨angern kann, gilt dies insbesondere f¨ ur die L¨osungskurven Φ(u, t), u ∈ U , also Φ ist jedenfalls auf U × (0, b + ε) definiert. Auch k-mal stetig differenzierbar? — Das g¨abe den Widerspruch! Auch das, jedenfalls auf U × (0, b − ε) , wie eben gesagt, aber auch auf U × (b − 2ε, b + ε), denn dort ist Φ im wesentlichen durch Φ : V × (−ε, 3ε) → M gegeben, n¨amlich als Φt = Φt−b+2ε Φb−2ε . Ist n¨amlich u ∈ U , so Φb−2ε (u) ∈ V , und b − 2ε < t < b + ε ⇐⇒ 0 < t − b + 2ε < 3ε. Fassen wir die Idee nocheinmal zusammen: Der Punkt x = α(b) w¨are von p aus zwar auf der L¨osungskurve, aber gleichsam nicht mit einer lokalen L¨osungsschar erreichbar. Jedoch kann man ihm mit so einer Schar beliebig nahe kommen; auch gibt es so eine Schar lokal um x. Die beiden flickt man zusammen und erh¨alt einen Widerspruch. Zur Illustration bringen wir eine typische kleine geometrische Anwendung. (4.5) Satz. Sei U offen in Rn und sternf¨ormig, also etwa 0 ∈ U und mit jedem x ∈ U sei auch die Strecke {tx | 0 ≤ t ≤ 1} in U enthalten. Dann ist U diffeomorph zu Rn . Beweis: Der Diffeomorphismus soll die Strahlen {tx | 0 < t < ∞} auf ihren Durchschnitt mit U abbilden. Diese Strahlen sind die Orbits des Vektorfeldes v(x) = x auf Rn .
4. Der lokale Fluß
31
Dasselbe Vektorfeld auf U hat im allgemeinen keine f¨ ur alle t definierten Flußlinien, aber wir k¨onnen eine positive Funktion µ : U → R so w¨ahlen, daß das Vektorfeld w = µ · v einen (globalen) Fluß auf U definiert. Wir bilden dann die Orbits von v auf die von w ab. Die Multiplikation eines Vektorfeldes v mit einer Funktion µ > 0 bedeutet nur Umparametrisierung f¨ ur die Flußlinien; ist α eine Integralkurve von v also α(t) ˙ = v(α(t)), und γ : R → R eine L¨osung der Differentialgleichung
S γ(t) ˙ = µ ◦ α(γ(t)),
so ist (α ◦ γ). (t) = α(γ(t)) ˙ · γ(t) ˙ = [ v(α ◦ γ) · µ(α ◦ γ) ](t), also α ◦ γ eine L¨osung von µ · v ; dieselben Orbits werden mit der Geschwindigkeit |µ · v| statt |v| in gleicher Richtung durchlaufen. Etwas genauer gehen wir also so vor:
K
U
Wir d¨ urfen annehmen, daß die Kugel K = {x |x| ≤ 1} in U enthalten ist. Sei λ : U → R positiv und eigentlich, das heißt f¨ ur jedes n ∈ N sei λ−1 [ 0, n ] kompakt. Solche Funktionen werden wir sp¨ater leicht konstruieren: Sei (ϕn | n ∈ N ) eine Partition P∞ der Eins auf U mit kompakten Tr¨agern, und λ(x) = n=1 n · ϕn (x), siehe (IV, 5.3). Die positive Funktion µ : U → R sei konstant 1 auf K , und stimme außerhalb einer etwas gr¨oßeren Kugel B ⊃ K mit exp(−hgrad λ, xi2 ) u ¨berein. Setze w(x) = µ(x)·x , dann ist w(x) = x auf K . Das Vektorfeld w definiert einen Fluß Φ auf U und der gesuchte Diffeomorphismus ist ϕ : Rn → U, ϕ(x) = Φlog |x| (x/|x|) f¨ ur x 6= 0, und ϕ(0) = 0. Auf K ist w(x) = x mit dem Fluß (x, t) 7→ et · x , also ϕ(x) = Φlog |x| (x/|x|) = exp ◦ log |x| · x/|x| = x. Haupts¨ achlich hat man zu zeigen, daß Φt f¨ ur alle t definiert ist. Hierzu bemerke, daß auf einer Flußlinie α von µ · x gilt |(λ ◦ α). | = |hgrad λ, αi| ˙ = |hgrad λ, xi · µ| ≤ |hgrad λ, xi · exp(−hgrad λ, xi2 )| ≤ 1
32
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
außerhalb B , und das heißt: H¨atte α nur endliche Lebensdauer, so bliebe λ◦α beschr¨ ankt, und α daher in einem Kompaktum, und das kann nicht sein, wie wir jetzt zeigen: (4.6) Satz. Sei α : (a, b) → M eine maximale L¨osung der Differentialgleichung v in (4.1), sei b < ∞ und K ⊂ M kompakt. Dann gibt es ein τ ∈ (a, b) , so daß α(t) 6 ∈ K f¨ ur t > τ . Entsprechendes gilt nat¨ urlich f¨ ur negative t und a. Beweis: Das Definitionsgebiet A ⊂ M × R des maximalen Flusses von v enth¨alt eine Tubenumgebung K × (−2ε, 2ε) von K × {0} in K × R . Ist also α(t) ∈ K , so l¨aßt sich die L¨osung mindestens bis t + ε fortsetzen. Ist also b − τ < ε , und t > τ , so ist b − t < ε , die L¨osung α also weniger als ε u ¨ber t hinaus fortsetzbar, also α(t) 6 ∈ K . Also eine Integralkurve von endlicher Lebensdauer verl¨aßt jede kompakte Menge schließlich auf Nimmerwiedersehen. Anders gewendet: wenn eine Integralkurve eine kompakte Menge nicht nach endlicher Zeit f¨ ur immer verl¨aßt, so lebt sie ewig. Nur wenn Integralkurven explodieren, wenn sie jedes Kompaktum im Phasenraum nach endlicher Zeit verlassen, kann ihr Existenzintervall beschr¨ankt sein. Mit dieser Bemerkung kann man in vielen F¨allen zeigen, daß eine L¨osung f¨ ur alle Zeiten existiert, oder absch¨atzen, wie lange sie mindestens existieren muß , ohne die Differentialgleichung zu l¨osen. Der Satz gilt auch f¨ ur zeitabh¨angige Differentialgleichungen. Ist n¨amlich α : (τ + a, τ + b) → M,
b < ∞,
eine maximale L¨osung der Differentialgleichung y˙ = v(y, t), zum Anfang α(τ ) = p , so ist t 7→ (α(t), t) eine maximale L¨osung der zugeh¨ origen autonomen Differentialgleichung . y v(y, t) = t 1 p durch den Punkt τ mit Existenzintervall (a, b) . Und α muß eine kompakte Menge K in M schließlich f¨ ur immer verlassen, weil (α, t) die kompakte Menge K ×[ τ, τ +b ] schließlich verl¨ aßt. Um abzusch¨ atzen, wie schnell die L¨osungen einer Differentialgleichung wachsen, vergleicht man sie mit einer Differentialgleichung, die man l¨osen kann und beruft sich auf folgende naheliegende Differential-Ungleichung: (4.7) Vergleichssatz. Auf dem Intervall D seien zwei differenzierbare reelle Funktionen α und β gegeben, und β l¨ ose eine Differentialgleichung β˙ = f (β, t)
4. Der lokale Fluß
33
wie im Satz von Picard-Lindel¨of. Sei a
∈
D und sei
α(a) ≤ β(a) und α(t) ˙ ≤ f (α(t), t) wo letzteres definiert ist. Dann ist α(t) ≤ β(t) f¨ ur t ≥ a.
Beweis: Wir nehmen zun¨achst α˙ < f (α, t) an. Gilt die Behauptung nicht, so sei b maximal mit α(t) ≤ β(t) f¨ ur a ≤ t ≤ b. Dann ist α(b) = β(b) aus Stetigkeit, also
∈
D
˙ α(b) ˙ − β(b) < f (α(b), b) − f (α(b), b) = 0. Dann ist aber α(b + t) < β(b + t) f¨ ur kleine positive t, im Widerspruch zur Wahl von b. Soweit brauchen wir nur, daß f stetig ist. Wenn man nun nur α˙ ≤ f (α, t) hat, so vergleicht man α zun¨achst mit einer L¨osung βε , mit βε (a) = β(a), der Differentialgleichung y˙ = f (y, t) + ε,
ε > 0.
Ist t > a aus D , so existiert f¨ ur kleine ε auch die L¨osung βε bis zur Zeit t . Dies folgt aus der Offenheit des Definitionsgebiets der L¨osungen (4.6), wenn man wieder Parameter und Zeit zum Phasenraum schl¨ agt, mit Gleichungen ε˙ = 0, t˙ = 1. Dann hat man aus dem schon Gesagten α(t) ≤ βε (t) f¨ ur alle kleinen ε, also aus Stetigkeit α(t) ≤ β(t).
Wir bringen ein typisches Beispiel zur Illustration. Sei A : Rn × R → End R ( Rn ),
(x, t) 7→ A(x, t),
eine matrizenwertige stetige Abbildung, und es sei |A(x, t)| < a
f¨ ur alle (x, t), mit der gewohnten Norm |A| = max{|Av| |v| = 1}. Wir bilden damit die (nicht lineare) Differentialgleichung x˙ = A(x, t) · x f¨ ur Kurven in Rn . Sie hat offenbar die konstante L¨osung x(t) = 0 am Ursprung. Wie steht es mit der Lebensdauer von L¨osungen, die nicht am Ursprung beginnen? Nun, aus der Differentialgleichung folgt hx, xi. = 2hx, xi ˙ = 2hx, Axi ≤ 2ahx, xi. Die Differentialgleichung y˙ = 2ay hat die L¨osung y(t) = y(0) exp(2at), und nach dem Vergleichssatz folgt |x(t)|2 ≤ |x(0)|2 · e2at .
34
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
Alle L¨osungen bleiben also in beschr¨ankten Zeiten beschr¨ankt, und leben daher ewig. Eine Absch¨ atzung |A(x, t)| < a(t) h¨atte auch gen¨ ugt. Hier haben wir den Vergleichssatz auf die Funktion t 7→ |x(t)|2 f¨ ur α angewandt. Auch mit der Norm w¨ are es gegangen und geht es oft. F¨ ur x 6= 0 gilt ja |x(t)|. = < x/|x|, x˙ > ≤ |x|. ˙ Kann man also eine Absch¨ atzung der Gestalt |x| ˙ ≤ f (|x|, t) finden, so kann man |x(t)| =: α(t) nach dem Vergleichssatz durch eine L¨osung β(t) der Differentialgleichung y˙ = f (y, t) absch¨atzen. Keine Existenzsorgen gibt es f¨ ur ein Vektorfeld, das außerhalb einer kompakten Menge u ¨berall verschwindet.
(4.8) Satz. Verschwindet das Vektorfeld v : M → Rn außerhalb einer kompakten Menge K ⊂ M , so ist der Fluß von v auf ganz M × R definiert. Allgemeiner: Verschwindet die zeitabh¨ angige Differentialgleichung v : M × D → Rn außerhalb K × D f¨ ur eine kompakte Menge K ⊂ M , so ist jede maximale L¨osung auf ganz D definiert.
Beweis: W¨are eine L¨osung α nur f¨ ur t < b ∈ D definiert, so bliebe die maximale Integralkurve der zugeh¨origen autonomen Differentialgleichung t 7→ (α(t), t) in der kompakten Menge K × [ τ, b ], im Widerspruch zu (4.6). Es w¨are n¨amlich jedenfalls α(t) ∈ K , weil durch die Punkte p außerhalb K nur die konstante Integralkurve mit Wert p l¨auft, und die lebt ewig.
Wie kann nun eine einzelne L¨osungskurve aussehen? Es gibt im wesentlichen drei F¨alle:
(4.9) Satz (¨ uber die drei Typen von Flußlinien). Sei α : D → M eine maximale Integralkurve der Differentialgleichung v in (4.1). Dann gilt genau eine der folgenden Aussagen: (i) α ist konstant und D = R . (ii) α ist injektiv und regul¨ar, das heißt α˙ 6= 0 auf D . (iii) α ist regul¨ar periodisch, das heißt D = R , α˙ 6= 0 , und es gibt ein minimales τ > 0 , so daß α(s) = α(t) genau wenn t − s = n · τ f¨ ur ein n ∈ Z . Dieses τ heißt die Periode von α .
T
4. Der lokale Fluß
(i)
35
(ii)
(iii)
Beweis: Ist α(t) ˙ = v(α(t)) = 0 f¨ ur ein t , so f¨ ur alle t, denn in diesem Fall sei p = α(t), dann geht durch p die konstante L¨osung, also nur diese, und diese ist f¨ ur alle Zeit definiert. Das ist Fall (i). Ist α˙ 6= 0 u ¨berall, so ist entweder α injektiv, und wir sind in Fall (ii), oder es gibt r 6= s, so daß α(r) = α(s). Im letzteren Fall zeigen wir, daß α regul¨ ar periodisch ist. Wir d¨ urfen annehmen r < s und setzen s − r = τ . Dann ist α(r) = α(r + τ ) zun¨achst f¨ ur ein festes r , aber dann haben die Integralkurven t 7→ α(t + r) und t 7→ α(t + r + τ ) gleichen Anfang α(r) = α(r + τ ), sind also gleich, also α(t + τ ) = α(t) f¨ ur alle t , insbesondere α(0) = α(τ ). Wir wissen schon, daß die Integralkurve α(D) ganz in der kompakten Menge α[ 0, τ ] liegt, und daher ist D = R nach Satz (4.6). Es bleibt zu zeigen, daß alle Perioden von α Vielfache einer Periode τ sind. Dazu hilft ein fast rein algebraisches Argument. Sei
N = {τ
∈
R | α(0) = α(τ )}.
Dann ist N ⊂ R abgeschlossen, und eine Untergruppe bez¨ uglich Addition: α(0) = α(τ1 ) = α(τ2 ) =⇒ α(τ1 −τ2 ) = α(0) , so haben wir eben f¨ ur r, s geschlossen. Also τ1 , τ2 ∈ N =⇒ τ1 − τ2 ∈ N . W¨ahlt man τ1 = 0, so folgt −τ2 ∈ N , ersetzt man τ2 durch −τ2 , so folgt τ1 + τ2 ∈ N . Nun, was gibt es f¨ ur abgeschlossene Untergruppen N ⊂ R , N 6= R ? Offenbar enth¨ alt N ein kleinstes Element τ > 0, denn sonst g¨abe es zu jedem ε > 0 ein τ ∈ N , 0 < τ < ε , also w¨are N = R = N . Dann aber ist N = τ · Z . Sonst g¨abe es ein x ∈ N , x 6 ∈ τ Z , und oBdA x > 0. Dann w¨ahle n ∈ N maximal, so daß x − nτ > 0, dann ist 0 < x − nτ < τ im Widerspruch zur Definition von τ . Also N = τ · Z , und das heißt, genau dann ist α(s) = α(t), wenn t − s = n · τ f¨ ur ein n ∈ Z . Das R¨ uckkehrverhalten eines Flusses kann jedoch viel komplizierter sein, als der Satz vermuten l¨aßt. Ohne daß eine Integralkurve periodisch ist, kann sie doch dem Anfang immer wieder beliebig nahe kommen.
36
¨ hnliche Differentialrechnungen I. Gewo
Beispiel. Sei M = C × C und Φ : M × R → M definiert durch Φt (z1 , z2 ) = (e2πit z1 , e2πiat z2 ),
a
∈
R r Q.
Dies ist offenbar ein Fluß (L¨osung einer linearen Differentialgleichung). Wir betrachten die Integralkurve t 7→ Φt (1, 1) . Sie ist nicht periodisch, denn e2πit = 1 ⇐⇒ t ∈ Z , und in diesem Fall ist e2πiat 6= 1. Wohl aber kommen die e2πian f¨ ur beliebig große n immer wieder beliebig nahe an 1, das ist nicht zu schwer zu sehen; und daher kommt auch die Kurve t 7→ (e2πit , e2πiat ) zu jedem ε > 0 immer wieder n¨aher an (1, 1) als ε. Sie l¨auft auf dem Torus {(z1 , z2 ) |z1 | = |z2 | = 1} = S 1 × S 1 ⊂ C × C um und um, und kommt in der Tat jedem Punkt dieses Torus immer wieder beliebig nahe. Dieses Verhalten ist typisch in mechanischen Systemen, deren Energie erhalten bleibt. F¨ ugen wir zu dem Beispiel die notwendigen Verifikationen: Die Menge G = {e2πina n ∈ Z } ist eine unendliche multiplikative Gruppe in S 1 ⊂ C . Die Elemente e2πiλ seien kurz durch λ bezeichnet. Wir k¨onnen dann λ, das nur bis auf einen Summanden aus Z bestimmt ist, aus [ 0, 1 ] w¨ahlen. Die Elemente aus G h¨aufen sich in mindestens einem Punkt aus S 1 . Die zugeh¨origen λ ∈ [ 0, 1 ] h¨aufen sich also auch. Weil aber mit λ und µ auch λ − µ (±1) zu G geh¨ ort, gibt es beliebig kleine λ ∈ (0, 1), so daß e2πiλ = e2πina . Schaut man dazu die Vielfachen k · λ , k ∈ Z an, so sieht man, daß die e2πina dicht in S 1 , die zugeh¨origen Exponenten λ dicht in [ 0, 1 ] sind (nur eines darunter ist 0 oder 1, sonst ist das λ dem na eindeutig zugeordnet).
f
Es gibt also Punkte (1, e2πina ) beliebig nahe an (1, x) ∈ S 1 × S 1 , und daher auch Punkte (e2πi(n+t) , e2πia(n+t) ), 0 ≤ t ≤ 1, beliebig nahe an (y, z) ∈ S 1 × S 1 . Schreibe n¨amlich (y, z) = (e2πit , x · e2πiat ) f¨ ur ein t mit 2πina 0 ≤ t ≤ 1, und bestimme dazu n so, daß e nahe an x ist.
Kapitel II
Lineare Differentialgleichungen
Basti dire che in lui orgoglio e analisi matematica si erano a tal punto associati da dargli l’illusione che gli astri obbedissero ai suoi calcoli (come, di fatto, sembravano fare). Tomasi
In der Differentialrechnung begegnen uns lineare Abbildungen als Differentiale, als lineare Approximationen differenzierbarer Abbildungen lokal um einen Punkt. Ebenso wird hier in der Theorie der Differentialgleichungen das Verhalten der L¨osungsschar einer differenzierbaren Differentialgleichung lokal um eine bestimmte L¨osung durch eine lineare Differentialgleichung approximativ beschrieben: die Variationsgleichung. Das zeigt die grundlegende Bedeutung dieser Gleichungen. Und sie empfehlen sich auch, weil man u ¨ber ihre L¨osungen viel sagen kann. Insbesondere die Theorie der linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten ist eigentlich reine Algebra, das werden wir deutlich hervortreten lassen. Die Gleichungen zweiter Ordnung stellen wir im einzelnen vor, weil sich an ihnen schon manches in h¨ochster Allgemeinheit zeigt, und weil sie als Schwingungsgleichungen wichtige Anwendungen haben. Schließlich behandeln wir die Eulerschen Differentialgleichungen.
§ 1. Allgemeine Theorie der linearen Differentialgleichungen Es handelt sich um die Gleichungen x˙ = A(t) · x. Wir haben sie schon f¨ ur x ∈ Rn betrachtet; als Variationsgleichung tritt eine solche Gleichung auf. Jetzt wollen wir allgemeiner — oder spezieller, wie man’s nimmt — auch komplexe Koeffizienten zulassen. Die Vektoren x , x˙ sind hier also komplexe Spalten- ntupel. Sei U ∼ = C n ein n-dimensionaler komplexer Vektorraum, und D ⊂ R ein offenes Intervall. Eine homogene lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung ist durch
38
II. Lineare Differentialgleichungen
eine stetige Abbildung A : D → EndC (U ) ∼ = C n·n gegeben, n¨amlich auf U × D als Gleichung x˙ = A(t) · x. Ist b : D → U eine weitere stetige Abbildung, so ist die zugeh¨orige inhomogene lineare Differentialgleichung x˙ = A(t) · x + b(t). Weil auf kanonische Weise C = R2 , z 7→ (Re z, Im z), und daher C n = R2n ist, und weil EndC (C n ) ⊂ End R ( R2n ), eine komplex-lineare Abbildung C n → C n ist eine spezielle reell-lineare Abbildung R2n → R2n , so ist in der Tat die lineare Differentialgleichung mit komplexen Koeffizienten auch ein Spezialfall derer mit reellen Koeffizienten, wie man auch das Umgekehrte behaupten kann. Das t bleibt hier stets reell, D ein Intervall, obwohl das nicht so wesentlich ist. Eine Abbildung f : D → U ist entsprechend aus C k (D, U ), wenn sie als Abbildung D → R2n aus C k (D, R2n ) ist. Im allgemeinen ist u ¨ber die L¨osungen der linearen Differentialgleichungen zun¨achst folgendes zu sagen:
(1.1) Hauptsatz u ¨ ber lineare Differentialgleichungen. (i) Die L¨osungen der linearen Differentialgleichung x˙ = A(t)x sind auf ganz D definiert und bilden einen n-dimensionalen komplexen Untervektorraum L von C 1 (D, U ) . Ist τ ∈ D , so wird ein Isomorphismus L → U durch α → α(τ ) hergestellt. (ii) Die L¨osungen der zugeh¨origen inhomogenen Differentialgleichung x˙ = A(t) · x + b(t) bilden einen affinen Unterraum von C 1 (D, U ) zum Vektorraum L.
Beweis: (i) Wir haben schon in (I, 1.6) als Anwendung der Picard-Lindel¨of Iteration gesehen, daß es zu jedem Anfangswert u ∈ U genau eine L¨osung αu : D → U mit αu (τ ) = u gibt. Also ist die Abbildung U → L , u 7→ αu eine Bijektion, mit der Umkehrung L → U,
α 7→ α(τ ).
Nun ist L auch ein Untervektorraum von C 1 (D, U ) , n¨amlich der Kern der linearen Abbildung C 1 (D, U ) → C 0 (D, U ), α 7→ α˙ − Aα. Auch ist die Abbildung α 7→ α(τ ) linear, daher die erste Behauptung. (ii) Man k¨onnte zweifeln, ob die L¨osungen der inhomogenen Gleichung stets auf ganz D definiert sind. Das wird sich nun in (1.3) von selbst ergeben. Dann ist aber die L¨ osungsmenge der inhomogenen Gleichung das Urbild von b ∈ C 0 (D, U ) bei der linearen
§ 1. Allgemeine Theorie der Linearen Differentialgleichungen
39
Abbildung C 1 (D, U ) → C 0 (D, U ) , α 7→ α˙ − Aα , also ein affiner Raum zum Vektorraum L, dem Urbild von {0} . Betrachten wir zun¨achst weiter die homogene Gleichung f¨ ur U = C n . Eine Basis ϕ1 , . . . , ϕn von L, also ein System n linear unabh¨angiger L¨osungen, heißt Fundamentalsystem, und die Matrix Φ mit den Spalten ϕ1 , . . . , ϕn heißt Fundamentalmatrix der gegebenen Differentialgleichung. Sie l¨ost die Differentialgleichung z˙ = A(t) · z
f¨ ur z
∈
EndC (C n )
zu einem regul¨aren Anfang Φ(τ ) . Ein beliebiger Vektor v ∈ C n schreibt sich als Linearkombination der ϕj mit Koeffizienten hj , also v = Φ(τ ) · h , und die L¨osung zum Anfang v ist αv = Φ · h. W¨ahlt man Φ so, daß Φ(τ ) = id, so erh¨alt man den Isomorphismus C n → L,
v 7→ Φ · v,
invers zu dem des Satzes. Die L¨osungen ϕ1 , . . . , ϕn sind nach dem Satz genau dann linear unabh¨angig, wenn f¨ ur ein τ ∈ D die Vektoren ϕ1 (τ ), . . . , ϕn (τ ) linear unabh¨angig sind. Mit anderen Worten: (1.2) Bemerkung. Ist Φ : D → EndC (C n ) eine L¨osungsmatrix der homogenen Gleichung auf U = C n , so ist det Φ = 0 genau dann, wenn det Φ(τ ) = 0 f¨ ur ein τ ∈ D .
Mit det Φ ist hier eigentlich die Funktion det ◦Φ : t 7→ det(Φ(t)) gemeint. Wir werden aber auch k¨ unftig daf¨ ur meist det Φ schreiben, weil es in Rechnungen bequemer ist. Gesetzt, man hat die homogene Gleichung vollst¨andig gel¨ost, also eine Fundamentalmatrix Φ : D → EndC (C n ) gefunden, so gelingt die vollst¨andige L¨osung des inhomogenen Systems nach Satz (1.1), wenn man nur eine “spezielle” L¨osung findet; alle anderen entstehen daraus durch Addition von L¨osungen der homogenen Gleichung. Wie findet man diese spezielle L¨osung? Nat¨ urlich durch Transformieren, mit der Transformation, welche die L¨osungen der homogenen Gleichung in konstante Funktionen u ¨berf¨ uhrt. Mit anderen Worten, man schreibt die gesuchte L¨osungskurve an jeder Stelle t nicht in ihren Komponenten als Linearkombination der Standardbasis von C n , sondern vielmehr als Linearkombination der Spalten ϕj der Fundamentalmatrix Φ des zugeh¨origen homogenen Systems.
(1.3) Variation der Konstanten. Sei Φ eine Fundamentalmatrix der homogenen Gleichung x˙ = Ax.
40
II. Lineare Differentialgleichungen
Zur L¨osung einer zugeh¨origen inhomogenen Gleichung x˙ = Ax + b setze man y = Φ−1 x, also x = Φy . Die transformierte Gleichung ist y˙ = Φ−1 b und hat die L¨osung Zt β(t) = u + Φ−1 (s)b(s)ds τ
zum Anfang β(τ ) = u . Also hat die inhomogene Gleichung die L¨osung Zt α(t) = Φ(t)Φ−1 (τ )v + Φ(t) ·
Φ−1 (s) · b(s)ds τ
zum Anfang α(τ ) = v .
Beweis: Die transformierte Gleichung rechnet man leicht aus: ˙ + Φy˙ = AΦy + Φy, x˙ = (Φy). = Φy ˙ und andererseits gilt x˙ = Ax + b = AΦy + b, also y˙ = Φ−1 b. Das u ¨brige ist klar.
¨ Uberhaupt folgt aus der Gleichung Φ · Φ−1 = id f¨ ur eine differenzierbare Abbildung n Φ : D → EndC (C ) durch Differenzieren ˙ −1 + Φ(Φ−1 ). = 0, ΦΦ (1.4)
also
˙ −1 . (Φ−1 ). = −Φ−1 ΦΦ
Daraus erh¨alt man die transformierte Gleichung durch direktes Einsetzen in die Definition. Merke: Die Matrizenmultiplikation ist nicht kommutativ, und die skalare Formel (1/ϕ). = −ϕ/ϕ ˙ 2 u ¨bertr¨agt man auf den nicht kommutativen Fall, indem man den quadratischen Faktor im Nenner gerecht auf beide Seiten des Z¨ahlers verteilt. Es gibt keine immer anwendbare allgemeine Formel f¨ ur die L¨osung der homogenen Gleichung, aber man kennt L¨osungsans¨atze f¨ ur viele spezielle Typen. Besonders einfach sieht es aus f¨ ur Gleichungen in der Dimension eins, f¨ ur Gleichungen mit konstanten Koeffizienten, oder allgemeiner f¨ ur die Gleichung x˙ = A(t) · x, wobei die Matrix A dergestalt von t abh¨ angt, daß f¨ ur alle t, s ∈ D gilt A(t) · A(s) = A(s) · A(t).
§ 1. Allgemeine Theorie der Linearen Differentialgleichungen
41
In diesem Fall ist die Fundamentall¨osung Φ zum Anfang Φ(τ ) = id durch Zt Φ(t) = e
B(t)
,
B(t) =
A(s)ds τ
gegeben. In diesem Fall ist n¨amlich ∞ Bk ∞ 1 P d B(t) d P ˙ B. e = = · k · B˙ · B k−1 = Be dt dt k=0 k! k=0 k! Die entscheidende Gleichung (B k ). = k · B˙ B k−1 ist nicht immer richtig und folgt hier, ˙ . Letzteres heißt ja weil auch B B˙ = BB Zt Zt Zt A(t) · A(s)ds = A(t)A(s)ds = A(s)ds · A(t). τ
τ
τ
Im allgemeinen, wie gesagt, bleibt die Suche nach L¨osungen ein Problem. Angenommen jedoch man hat von der Gleichung x˙ = A(t) · x auf D × C n schon k linear unabh¨angige L¨osungen ϕ1 , . . . , ϕk gefunden, so kann man die Aufgabe, die fehlenden L¨osungen zu finden, lokal auf das Problem reduzieren, eine Differentialgleichung der Ordnung n − k zu l¨osen: (1.5) Reduktion der Ordnung. Sind zu der Differentialgleichung auf D × C n x˙ = A(t) · x schon die unabh¨angigen L¨osungen ϕ1 , . . . , ϕk gegeben, so ist (nach geeigneter Umnumerierung der Koordinaten) oBdA die Matrix Φ(t) mit den Spalten ϕ1 , . . . , ϕk , ek+1 , . . . , en in t = τ regul¨ ar. Wir benutzen Φ−1 zur Transformation der Gleichung und f¨ uhren also n die L¨osungen ϕ1 , . . . , ϕk anstelle der ersten Einheitsvektoren als Basis in C × {t} ein. Die durch y = Φ−1 x transformierte Gleichung ist ˙ −1 x + Φ−1 x˙ = Φ−1 AΦy − Φ−1 Φy ˙ = Φ−1 (AΦ − Φ)y. ˙ y˙ = −Φ−1 ΦΦ Also hat die transformierte Gleichung die Gestalt (∗)
y˙ = B(t)y,
˙ verschwinden, weil die ersten k Spalten und die ersten k Spalten von B = Φ−1 (AΦ − Φ) ˙ u von AΦ und Φ ¨bereinstimmen. Wir zerlegen entsprechend y = (y1 , y2 ) in die ersten k und die letzten (n − k) Komponenten, dann hat die Gleichung (∗) die Gestalt
y1
.
n
k 0 = y2 0
k
y1
B1 y2 B2
42
II. Lineare Differentialgleichungen
also y˙ 2 = B2 y2 , eine lineare Differentialgleichung der Ordnung n − k , und y˙ 1 = B1 y2 , was nach L¨osung der ersten Gleichung durch Integration zu l¨osen ist.
Das Verfahren funktioniert nur lokal um τ ∈ D , weil Φ nur lokal regul¨ar sein muß . Ist allerdings die Differentialgleichung analytisch, wie alles zu sein pflegt, was man in Formeln hinschreibt, so sind auch die L¨osungen analytisch, und eine lokale L¨osung ist auch global eine L¨osung. Schließlich ein Wort u ¨ber das Verh¨altnis des Reellen zum Komplexen. Angenommen A : D → End R ( Rn ) definiert die reell-lineare Differentialgleichung x˙ = Ax, x ∈ Rn . Dann k¨onnen wir A als spezielle komplexe Matrix auffassen, und die zugeh¨orige komplexe Gleichung z˙ = Az,
z
∈
Cn
betrachten. Ist α eine komplexe L¨osung, also α˙ = Aα , so ist die konjugierte Funktion α ¯ auch eine L¨osung, weil A reell ist: ¯α = A¯ α ¯˙ = Aα = A¯ α. Also sind die beiden Funktionen ¯ ) und Re α = 12 (α + α
Im α =
1 2i (α
−α ¯)
reelle L¨osungen. Eine reelle Basis reeller L¨osungen ist auch komplex linear unabh¨angig, also P P P eine komplexe Basis, denn ist j (Im λj )ϕj = 0, also j (Re λj )ϕj = j λj ϕj = 0, so λj = 0 f¨ ur alle j , falls die ϕj reell und u ¨ber R linear unabh¨angig sind. Hat man umgekehrt eine komplexe Basis, so bilden die Real- und Imagin¨arteile ein reelles Erzeugendensystem. Ist α(τ ) ∈ Rn , so ist α(τ ) = α ¯ (τ ) , also α = α ¯ reell. Die S¨atze dieses Abschnitts gelten mit gleichem Beweis auch f¨ ur reelle Gleichungen x˙ = A(t)x+b(t), ˙ und R, Rn statt C , C n .
§ 2. Die Entwicklung der Determinante Wir kehren noch einmal zur¨ uck zur linear-homogenen Gleichung x˙ = A(t) · x. Es ist zun¨achst u ¨berraschend, wenn auch leicht zu sehen, daß eine L¨osungsmatrix genau dann f¨ ur alle t regul¨ ar ist, wenn sie f¨ ur ein t regul¨ar ist. Genaueres lehrt der folgende
§ 2. Die Entwicklung der Determinante
43
(2.1) Satz von Liouville. Sei Ψ : D → End(C n ) eine (n × n)-L¨osungsmatrix der homogenen Differentialgleichung x˙ = Ax, dann gilt: (det Ψ). = Sp(A) · det Ψ, Folgerung. F¨ ur A
∈
Sp = Spur.
EndC (C n ) ist det eA = eSp A .
Beweis (Folgerung): eAt l¨ ost x˙ = Ax mit Anfang id. Nach dem Satz l¨ost also det eAt die Gleichung y˙ = Sp(A) · y zum Anfang det(id) = 1 . Dasselbe tut auch eSp(A)t , also sind beide Funktionen gleich.
Beweis (Satz): Hat Ψ(t) = (ψ1 , . . . , ψn ) die Spalten ψν , so gilt (2.2)
(det Ψ). =
n P i=1
det(ψ1 , . . . , ψi−1 , ψ˙ i , ψi+1 , . . . , ψn ),
denn det(Ψ) ist das Dachprodukt der Spalten von Ψ : det(Ψ) = ψ1 ∧ · · · ∧ ψn , und weil das Dachprodukt bilinear ist, gilt f¨ ur die Ableitung die Produktregel, was (2.2) nur besagt. Betrachten wir nun zu einem τ ∈ D zun¨achst eine Fundamentalmatrix Φ mit Φ(τ ) = id, so folgt n P (det Φ). (τ ) = det(e1 , . . . , ei−1 , Aei , ei+1 , . . . en ) = Sp A = Sp A · det Φ(τ ). i=1
Allgemein ist nun f¨ ur eine L¨osungsmatrix Ψ(t) = Φ(t) · C mit einer konstanten Matrix C , also (det Ψ). (τ ) = (det Φ · det C). (τ ) = Sp A · det(Φ(τ ) · C) = Sp A · det Ψ(τ ).
Der Satz von Liouville beschreibt, wie sich das Volumen etwa eines Einheitsw¨ urfels unter der Transformation Ψ(t) ¨andert. F¨ ur eine Fundamentalmatrix Φ(t) ist (det Φ). / det Φ = d/dt log(det Φ) = Sp(A), und Sp(A) ist damit die Zuwachsrate des Volumens unter Φ(t). Ist zum Beispiel stets Sp(A) = 0 , so bleibt das Volumen konstant. Die Gleichung f¨ ur det Ψ(t) kann man nat¨ urlich leicht l¨osen, es ergibt sich Zt (2.3)
det Ψ(t) = det Ψ(τ ) · exp
Sp(A(s))ds. τ
44
II. Lineare Differentialgleichungen
Wie immer soll man das Lineare eigentlich als lineare Approximation deuten: Allgemein geh¨ ort zu einem C 1 -Vektorfeld v auf U ⊂ Rn ein lokaler Fluß, f¨ ur den lokal, etwa in der Umgebung U1 von p ∈ U , die Zeittransformation Φt : U1 → U definiert ist, und die Variationsgleichung sagt (mit D = Dx ) (DΦt (p)). = Dv(Φt (p)) · DΦt (p), also nach (2.1), angewendet auf DΦt f¨ ur Ψ(t) , folgt (det DΦt (p)). = Sp Dv(Φt (p)) · det DΦt (p). Die Gr¨oße (2.4)
Sp(Dv(x)) = (∂v1 /∂x1 + · · · + ∂vn /∂xn )(x) =: divx v
heißt Divergenz von v . Wir haben also die
(2.5) Formel von Liouville. (det DΦt ). = div(v) ◦ Φt · det DΦt .
Durch Auswerten an der Stelle 0 ergibt sich daraus die Beschreibung der Divergenz: (2.6)
divp v = d/dt | det DΦt . t=0
Die lineare Transformation DΦt ist die lineare Approximation von Φt um p , und man ¨ kann daher auch die Gr¨oße divp v als Rate der Anderung des infinitesimalen Volumens um p unter Φt deuten. Ist div v = 0 auf dem Phasenraum, so ist det DΦt konstant, also det DΦt = 1 , die Jacobische der Zeittransformation Φt ist volumenerhaltend. Betrachten wir etwa eine kompakte Menge K ⊂ U , wo die Transformation Φt definiert ist, und integrieren (2.6) u ¨ber x ∈ K , so ist Z Z det DΦt dx = dx = λ(Φt K) K
Φt K
das Volumen von Φt K , nach der Transformationsformel der Integralrechnung (Bd. 2, IV, 2.3). Also haben wir Z (2.7) d/dt | λ(Φt K) = divx v dx. t=0
K
Beachte, daß det DΦt positiv ist, weil diese Determinante stetig von t abh¨angt, nie verschwindet, und weil det DΦ0 = 1 ist. Ist ∂K der topologische Rand von K und v|∂K = 0, so kann keine Integralkurve K verlassen oder von außen betreten, denn auf ∂K sind alle Integralkurven konstant. Daher leben alle Integralkurven, die in K beginnen
§ 2. Die Entwicklung der Determinante
45
ewig, und Φt K = K . In diesem Fall verschwindet die linke Seite von (2.7), also auch die R rechte, K divx (v)dx = 0. Daraus ergibt sich allgemein: (2.8) Bemerkung. Ist K ⊂ U kompakt, so ist
R K
divx (v)dx durch v|∂K bestimmt.
In guten F¨allen sagt die Gaußsche Integralformel, wie es bestimmt ist: Z Z div(v) = hv, ni. K
∂K
¨ Die Anderungsrate des Volumens von Φt K ist gleich dem Integral u ¨ber ∂K des Normalanteils n des Geschwindigkeitsfeldes. Das werden wir nach und nach genauer erkl¨aren (Kap. VI, § 5). Ich schließe mit einem physikalischen Beispiel. (2.9) Hamiltonsche Gleichungen. Ein mechanisches System mit n Teilchen habe die vom jeweiligen Ort der Teilchen abh¨angige potentielle Energie u(x), x = (x1 , . . . , x3n ), P drei Raumkoordinaten f¨ ur jedes Teilchen, und die kinetische Energie T (x) ˙ = 12 i mi x˙ 2i . Die Impulse sind yi = mi x˙ i , und wir schreiben die Gesamtenergie als Funktion von Ort und Impuls P −1 2 H(x, y) = u(x) + 21 mi yi . i
Diese Funktion H von Ort und Impuls, die hier als unabh¨angige Variable x, y in R6n zu lesen sind, heißt Hamiltonfunktion des Systems. Wir denken uns die Hamiltonfunktion H f¨ ur alle m¨oglichen Werte der Koordinaten x, y gegeben. Die Entwicklung des Systems von gegebenem Anfang in der Zeit wird dann durch eine Kurve t 7→ (x(t), y(t)) beschrieben. F¨ ur sie gilt nach den Vorstellungen der Newtonschen Mechanik ∂u ∂H y˙ i = mi x ¨i = i-te Kraftkomponente = − =− ∂xi ∂xi x˙ i = yi /mi = ∂H/∂yi . Das Vektorfeld auf dem Phasenraum R6n x˙ i = ∂H/∂yi ,
y˙ i = −∂H/∂xi
heißt Hamiltonsches Vektorfeld (Hamiltonsche Gleichungen). Die Entwicklung des Systems in der Zeit wird durch den Hamiltonschen Fluß, den Fluß zu dem Vektorfeld, beschrieben. Unter viel allgemeineren Bedingungen gen¨ ugt die Entwicklung eines physikalischen Systems Hamiltonschen Gleichungen f¨ ur eine geeignete Funktion H ; das zu erkl¨aren ist hier nicht der Ort. Wir bemerken aber: Der Hamiltonsche Fluß ist volumentreu; die Divergenz des Hamiltonschen Vektorfeldes verschwindet.
46
U
II. Lineare Differentialgleichungen
Die Divergenz ist n¨amlich P ∂ P ∂ (∂H/∂yi ) + (−∂H/∂xi ) = 0. i ∂xi i ∂yi Diese Aussage spielt eine wichtige Rolle in der statistischen Mechanik: Der Hamiltonsche Fluß fließt wie eine inkompressible Fl¨ ussigkeit.
Die Hamiltonfunktion H selbst ist eine Erhaltungsgr¨oße des Hamiltonschen Flusses, sie ist auf Orbits konstant (Energieerhaltung). Die Ableitung von H in Flußrichtung ist n¨amlich ˙ t i = hdH, vi = P ∂H/∂xi · ∂H/∂yi + P ∂H/∂yi (−∂H/∂xi ) = 0. d/dt(H ◦ Φt ) = hdH, Φ i
i
Auch von Erhaltungsgr¨oßen soll noch systematisch die Rede sein (Kap. III, § 2).
§ 3. Autonome lineare Differentialgleichungen Es handelt sich um die Gleichung x˙ = Ax,
A
∈
EndC (U )
auf einem komplexen Vektorraum U mit einer konstanten Matrix A . Der Vektorraum U ist ein spezieller reeller Vektorraum, und A insbesondere R-linear, wir wissen also aus dem Iterationsverfahren von Picard-Lindel¨of, daß man ein Fundamentalsystem durch die Exponentialreihe erh¨alt: ∞ P Φt = eAt = Ak tk /k! k=0
§ 3. Autonome lineare Differentialgleichungen
47
Das best¨atigt man auch direkt, wenn man einige einfache Rechenregeln f¨ ur die Exponentialfunktion f¨ ur Matrizen annimmt: ∞ ∞ ∞ P P P (eAt ). = ( Ak tk /k!). = Ak ktk−1 /k! = A Ak−1 tk−1 /(k − 1)! = AeAt . k=0
k=0
k=1
Es bleibt ein bißchen zu verifzieren — nicht ohne weiteres darf man eine Reihe gliedweise differenzieren, aber hier handelt es sich (ausgeschrieben in Koordinaten) um ein System von Potenzreihen. Wir haben jedoch allgemein die
(3.1) Rechenregeln f¨ ur die Exponentialfunktion. (i) Ist AB = BA , so ist BeA = eA B und eA+B = eA ·eB ; insbesondere eA ·e−A = e0 = id , also eA ist stets regul¨ar. −1 (ii) Ist B regul¨ ar, so ist BeA B −1 = eBAB .
Beweis: Beides folgt leicht direkt aus der Definition, aber man kann auch so argumentieren: (i) Die Funktionen t 7→ BeAt und t 7→ eAt B haben gleichen Wert B f¨ ur t = 0, und At . At erf¨ ullen dieselbe Differentialgleichung z˙ = Az . Die erste: (Be ) = BAe = ABeAt , die zweite offenbar auch. Also sind beide Funktionen gleich, insbesondere f¨ ur t = 1 . Wir schließen ebenso, daß die Funktionen t 7→ e(A+B)t und t 7→ eAt eBt gleich sind, sie l¨ osen z˙ = (A + B)z . Die erste offenbar, die zweite: (eAt eBt ). = eAt BeBt + AeAt eBt = BeAt eBt + AeAt eBt = (A + B)eAt eBt . −1
(ii) Die Funktionen t 7→ BeAt B −1 und t 7→ eBAB t l¨osen zum gleichen Anfang die Differentialgleichung z˙ = BAB −1 z . Die zweite offenbar, die erste: (BeAt B −1 ). = BAeAt B −1 = (BAB −1 )BeAt B −1 .
Die Differentialgleichung x˙ = Ax geht durch die Transformation y = Bx in die Differentialgleichung y˙ = B x˙ = BAx = BAB −1 y , also y˙ = BAB −1 y
mit Fundamentalmatrix eBAB
−1
t
u ¨ber. Um also die Fundamentalmatrix durch klassische Funktionen (Exponentialfunktion und Polynome) zu berechnen, werden wir die Matrix A auf geeignete Gestalt transformieren; so n¨amlich, daß die transformierte Matrix BAB −1 Jordansche Normalform hat.
48
II. Lineare Differentialgleichungen
Hier ist vielleicht eine kleine algebraische Erinnerung am Platze. Wir betrachten Polynome und Vektorr¨ aume u ¨ber einem fest gegebenen K¨orper, meist R oder C . Sind p, q teilerfremde Polynome, so findet man mit dem Euklidischen Algorithmus Polynome h, k , so daß (3.2)
1 = h(X)p(X) + k(X)q(X).
Ist nun A : V → V ein Endomorphismus eines Vektorraums, so kann man A f¨ ur X einsetzen.
(3.3) Erster Zerlegungssatz. Ist f ein Polynom und f = p · q eine Zerlegung in teilerfremde Faktoren, so ist ker(f (A)) = ker(p(A)) ⊕ ker(q(A)).
Beweis: Sei W = ker(f (A)). Aus der Gleichung (3.2) folgt W = kq(A) · W + hp(A) · W. Der erste Summand wird von p(A), der zweite von q(A) annulliert, also W = ker p(A) + ker q(A). Die Summe ist direkt, denn der Durchschnitt liegt in ker(h(A)p(A) + k(A)q(A)) = ker(id) = 0.
Ist nun V endlichdimensional, so gibt es immer Polynome f mit f (A) = 0 , und der Einfachheit halber erinnern wir an den
(3.4) Satz von Hamilton-Cayley. Ist A : V → V ein Endomorphismus eines endlichdimensionalen Vektorraumes und χA (X) = det(X id − A) sein charakteristisches Polynom, so ist χA (A) = 0. Demnach ist V = ker χA (A), und wenn wir χA in teilerfremde Polynome zerlegen: χA = p1 · . . . · pr , so zerf¨allt V entsprechend in unter A-Operation invariante Summanden V = ker(p1 (A)) ⊕ · · · ⊕ ker(pr (A)).
§ 3. Autonome lineare Differentialgleichungen
49
Im Falle eines komplex linearen Endomorphismus A : U → U eines komplexen Vektorraumes U hat man eine Zerlegung r Q χA (X) = (X − λj )nj j=1
des charakteristischen Polynoms, und den Eigenwerten λ ∈ {λ1 , . . . , λr } entsprechen so bei der Zerlegung des Raumes die verallgemeinerten Eigenr¨aume U (λ) = ker(A − λid)n . Beachte, daß der Kern sich nicht mehr ¨andert, wenn man die Potenz erh¨oht, man kann immer n nehmen. Diese Zerlegung U = U (λ1 ) ⊕ · · · ⊕ U (λr ) ist schon ein wesentlicher Teil der Jordanzerlegung. Sie liefert die Jordan-Chevalley Zerlegung von A in den halbeinfachen Teil D , der auf U (λ) durch Multiplikation mit λ gegeben ist, und den nilpotenten Teil N , der auf U (λ) durch (A − λ id) gegeben ist: (3.5)
A = D + N,
DN = N D,
N n = 0.
Zur Bildung der Jordanschen Normalform zerlegt man die U (λ) weiter in zyklische Summanden Uj und landet bei einer Zerlegung V = U1 ⊕ · · · ⊕ Uk ,
AUj ⊂ Uj .
Jedes Uj hat eine Basis u1 , . . . , u` mit (A − λ id)us+1 = us ,
(A − λ id)u1 = 0,
wenn Uj ein zyklischer Summand von U (λ) ist. Bez¨ uglich so einer Basis wird der Endomorphismus A : Uj → Uj durch eine Jordanmatrix λ 1 . .. .. (weiße Stellen sind 0) . 1 λ dargestellt. Nun also wieder zur linearen Differentialgleichung x˙ = A · x zun¨ achst u ¨ber C . Der Fluß zerf¨allt wie der Raum U , und man muß nur die Abbildungen eAj t : Uj → Uj ,
Aj := A|Uj : Uj → Uj ,
berechnen. Ist also A eine Jordanmatrix wie oben, so ist (3.6)
At
e
=e
λt
·e
Nt
,
e
Nt
us =
s−1 P tν ν=0
ν!
us−ν ,
50
II. Lineare Differentialgleichungen
so daß also eN t als Matrix die 1 t t2 /2 1 t 1 (3.7) eN t =
folgende Gestalt hat · · · t`−1 /(` − 1)! .. ··· . ··· .. 2 . t /2 t 1
(Nullen unter der Diagonale)
Die einfachste Darstellung findet man, wenn keine nilpotenten Anteile auftreten. In diesem Fall kann man A auf Diagonalgestalt transformieren, und f¨ ur eine Diagonalmatrix λ1 t λ1 e .. .. ist eAt = . A= . . eλk t λk Das Komplexe freilich ist, zumal in den Anwendungen, nur eine geschickte Weise, das Reelle darzustellen, und so wollen wir auch eine reelle Normalform einer reellen Matrix A beschreiben. Sei also V = Rn und A : V → V eine R-lineare Abbildung, gegeben durch eine reelle Matrix. Das charakteristische Polynom χA von A ist dann auch reell. Zerlegen wir es im Komplexen in Linearfaktoren, so erhalten wir χA (X) = λj
∈
k Q j=1
r Q
(X − λj )nj ·
¯ j ))nj , ((X − λj ) · (X − λ
j=k+1
R ⇐⇒ j ≤ k
¯j und λi 6= λj , λi 6= λ
f¨ ur i 6= j.
Entsprechend zerlegt sich der reelle Vektorraum V = Rn , auf dem A operiert, in die A-invarianten Unterr¨ aume V (λ) = ker(A − λ id)n ,
λ ∈ R; ¯ id))n , V (λ) = ker((A − λ id)(A − λ
λ 6∈ R.
Die ersten f¨ ur j ≤ k sind nun weiter in zyklische Summanden zu zerlegen und mit einer Jordanbasis zu versehen, wie im komplexen Fall. So kommt man wieder auf L¨osungen f¨ ur die Komponente in einem zyklischen Summanden von V (λ) mit λ ∈ R , wie in (3.6), (3.7) beschrieben. Jetzt wenden wir uns den Summanden V (λ) mit λ 6 ∈ R zu. In C n hat man f¨ ur λ und ¯ λ die A-invarianten Unterr¨ aume U (λ) = ker(A − λ id)n ,
¯ = ker(A − λ ¯ id)n , U (λ)
und es ist ¯ ∩ Rn . V (λ) = (U (λ) ⊕ U (λ)) Es zeigt sich nun, daß die Operation von A auf V (λ) bei geeigneter Basiswahl so aussieht, wie die Operation von A auf U (λ) , wenn man bei letzterer nur die reelle Struktur beachtet.
§ 3. Autonome lineare Differentialgleichungen
51
(3.8) Lemma. Es gibt einen reell-linearen Isomorphismus V (λ) ∼ = U (λ) , so daß das folgende Diagramm kommutativ ist: V (λ) −−−−→ V (λ) A ∼ ∼ = y y= U (λ) −−−−→ U (λ) A
Zusammen haben wir dann eine reelle Zerlegung Rn = V (λ1 ) ⊕ · · · ⊕ V (λr ), und jedes V (λ), λ
∈
{λ1 , . . . , λr } gestattet eine weitere Zerlegung V (λ) = W1 ⊕ · · · ⊕ W`(λ)
in invariante Teilr¨ aume, so daß f¨ ur jedes Wj einer der beiden F¨alle eintritt: (i) λ ist reell und A|Wj wird f¨ ur eine geeignete Basis durch eine Jordanmatrix zum Eigenwert λ gegeben. (ii) λ ist nicht reell, Wj l¨aßt sich mit der Struktur eines komplexen Vektorraumes versehen, sowie mit einer komplexen Basis, so daß A bez¨ uglich dieser Basis durch eine Jordanmatrix zum Eigenwert λ gegeben ist. In beiden F¨allen ist eAt |Wj wie oben durch eine Jordanmatrix zu beschreiben, und es ist leicht m¨oglich, wenn auch selten n¨ utzlich, die komplexe Schreibweise durch Zerlegen in Real- und Imagin¨arteil in eine reelle Schreibweise zu verwandeln. ¯ , und sei Beweis des Lemmas (3.8): Sei also A eine reelle Matrix mit Eigenwerten λ, λ ¯ der zugeh¨orige Summand von C n wie oben. Die Konjugation definiert U = U (λ) ⊕ U (λ) einen R-linearen Isomorphismus ¯ c : U → U, (u, v) 7→ (¯ v, u ¯) ∈ U (λ) ⊕ U (λ), der mit A vertauschbar ist, denn A ist reell. Die Komponentenschreibweise entspricht der ¯ nicht den Komponenten in C n . direkten Zerlegung U = U (λ) ⊕ U (λ), U −−−−→ U A c cy y U −−−−→ U A n
Der Raum der reellen Vektoren V = U ∩ R ist gerade der Raum der Vektoren die unter c festbleiben, und das sind offenbar die Vektoren {(u, u ¯) u ∈ U (λ)} . Der gesuchte R-Isomorphismus ist also durch U (λ) → V, gegeben.
u 7→ (u, u ¯),
52
II. Lineare Differentialgleichungen
Beispiel. Um die Differentialgleichung x˙ = y , y˙ = −ω 2 x zu l¨osen, w¨ahlt man den reell-linearen Isomorphismus R2 → C , (x, y) 7→ x − ωi y , und der Differentialgleichung entspricht auf C die Gleichung z˙ = iωz,
also x˙ − ωi y˙ = iω(x − ωi y) = y + iωx,
d.h. x˙ = y, y˙ = −ω 2 x.
Die L¨osungen sind eiωt · a, und das ist die Schreibweise, die man als Physiker immer benutzt. Wie man zu einer gegebenen Gleichung, also zu einer Matrix, die Transformation in die Jordansche Normalform praktisch ausrechnet, lehrt die Lineare Algebra. Das Wichtigste, wie wir noch sehen werden, ist jedoch die Zerlegung in die verallgemeinerten Eigenr¨aume und die Berechnung der Eigenwerte. Sie allein bestimmen im allgemeinen das Limesverhalten der L¨osungen f¨ ur große t . Die inhomogene Gleichung x˙ = Ax + b(t) wird durch Variation der Konstanten gel¨ost. Es ergibt sich Zt At At e−As b(s)ds. x(t) = e x0 + e 0
§ 4. Die linearen Differentialgleichungen der Ebene Wir wollen in diesem Abschnitt betrachten, was die allgemeinen L¨osungsformeln des letzten Abschnitts in der Dimension zwei geometrisch bedeuten. Gegeben sei also die reelle Differentialgleichung x˙ = A · x,
x
∈
R2 ,
A
∈
End R ( R2 ).
Die Matrix A habe die komplexen Eigenwerte λ1 , λ2 , und wir nehmen an, daß beide nicht verschwinden. Andernfalls h¨atte man nach Transformation die Gleichungen x˙ 1 = 0 , x˙ 2 = λx2 mit λ ∈ R , oder x˙ 2 = x1 , deren L¨osungen leicht zu beschreiben sind. Wir unterscheiden folgende F¨alle: (a) λ1 · λ2 > 0, (I) λ1 6= λ2 reell, und (b) λ1 · λ2 < 0. (II) λ1 = λ2 = λ (folglich reell), und der Eigenraum von λ hat die Dimension (a) Re λ1 6= 0, ¯ 2 6= λ2 , und (III) λ1 = λ (b) Re λ1 = 0.
(a) 2, (b) 1.
§ 4. Die linearen Differentialgleichungen der Ebene
53
(I a) Der Knoten. Die Normalform ist x˙ = λ1 x , y˙ = λ2 y , die zugeh¨orige L¨osungsschar ist (x(t), y(t)) = (aeλ1 t , beλ2 t ) und λ1 , λ2 haben gleiches Vorzeichen, wir wollen annehmen negatives, denn sonst wird nur die Orientierung aller Kurven umgekehrt. Sei etwa λ2 < λ1 < 0. Ist a = 0, so l¨auft die L¨osung auf der y-Achse gegen 0, ist b = 0, so l¨auft sie auf der x-Achse gegen 0 ; sind a, b 6= 0, so konvergieren alle L¨osungen gegen 0 f¨ ur t → ∞ , und wir k¨onnen y als Funktion von x schreiben. Dann gilt:
V dy y˙ b λ2 (λ2 −λ1 )t = = · ·e →0 dx x˙ a λ1
f¨ ur t → ∞ .
y
x
(I b) Der Sattel. Die Normalform und die L¨osungsschar sind dieselben, wie in (I a), aber hier sind die Vorzeichen der λ1 , λ2 verschieden, und wir d¨ urfen annehmen λ2 < 0 < λ1 . F¨ ur t → ∞ geht dy → 0. x(t) → ±∞, y(t) → 0, dx F¨ ur t → −∞ geht x(t) → 0,
y(t) → ±∞,
dx → 0. dy
54
L W
II. Lineare Differentialgleichungen
y
x
(II a) Degenerierter Knoten. Hier ist λ1 = λ2 = λ L¨ osungen sind (x(t), y(t)) = eλt (a, b).
∈
R , oBdA λ < 0 , und die
Sie laufen auf Geraden nach 0.
(II b) Degenerierter Knoten. Hier ist λ1 = λ2 = λ ∈ R , oBdA λ < 0 , und der Eigenraum von λ hat die Dimension 1. Die Normalform der Gleichung ist . x λ 1 x = , y 0 λ y die zugeh¨orige L¨osungsschar 1 t x(t) λt λt = ae + be . y(t) 0 1 Jedenfalls ist limt→∞ (x(t), y(t)) = 0 . Ist b = 0, so laufen die L¨osungen auf der x-Achse nach 0, und allgemeiner gilt y˙ b = → 0 f¨ ur t → ±∞. x˙ a + b/λ + bt
X
§ 4. Die linearen Differentialgleichungen der Ebene
55
x
(III a) Die Spirale. Hier ist λ = α + iβ , β 6= 0 , und wir nehmen oBdA an α < 0, und ¯ ein Eigenwert ist. Die Normalform in komplexer d¨ urfen β > 0 annehmen, weil auch λ Schreibweise ist z˙ = λz.
1
Die zugeh¨orige L¨osungsschar ist
z(t) = eλt z0 = eαt eiβt z0 .
F¨ ur t → ∞ geht
|z(t)| = eαt → 0
monoton, und
C → C,
z0 7→ eiβt z0
ist eine Drehung um den Winkel βt; man erh¨alt folgendes Bild:
(III b) Der Wirbel. Hier ist λ = iβ , die L¨osungsschar in komplexer Schreibweise also z(t) = eiβt z0 .
56
Y
II. Lineare Differentialgleichungen
Die L¨osungskurven sind Kreise um 0 — nach einer linearen Transformation, vorher also Ellipsen.
§ 5. Differentialgleichungen h¨ oherer Ordnung Es handelt sich um Gleichungen, in denen auch die h¨oheren Ableitungen von x auftreten. Zum Beispiel wird die Bewegung eines Massenpunktes bei kleiner Auslenkung aus einer Ruhelage, unter dem Einfluß eines Potentials u durch die Differentialgleichung x ¨ = −grad u beschrieben. Ist etwa 0 ein Gleichgewichtspunkt, also grad u(0) = 0 und u zweimal stetig differenzierbar, so gilt in der N¨ahe von 0 n¨aherungsweise u(x) = 12 txHx , wobei H die Hessematrix von u am Ursprung ist. Also wird man auf die Differentialgleichung x ¨ = −grad( 21 txHx) = −Hx gef¨ uhrt. Sie ist leicht durch lineare Transformation zu l¨osen. Weil n¨amlich H symmetrisch ist, k¨onnen wir ein orthonormales Koordinatensystem, also eine Transformation B ∈ O(n) w¨ ahlen, so daß BHB −1 = D eine Diagonalmatrix ist. Setzen wir y = Bx, so gilt y¨ = B x ¨ = −BHB −1 Bx = −Dy also y¨ν = −λν yν , wenn λν der ν-te Eigenwert ist, und damit f¨ ur λν > 0 √ yν (t) = aeiων t + be−iων t , ων = λν . Die ων heißen Eigenfrequenzen, und die Achsen des y-Systems, die Eigenr¨aume von H , heißen die Hauptachsen des Elastizit¨atstensors H . Wie ordnen sich solche Gleichungen in das vorher Gesagte ein? Gegeben sei ein Zeitintervall D ⊂ R und eine offene Menge U ⊂ Rn , der Phasenraum, dann ist eine
¨ herer Ordnung § 5. Differentialgleichungen ho
57
Differentialgleichung n-ter Ordnung durch eine stetige Funktion f : U ×D → R gegeben, n¨ amlich als Gleichung dk y. dtk Eine L¨ osung der Differentialgleichung f ist also eine C n -Funktion α : D1 → R , D1 ⊂ D , so daß α[ n ] = f (α, α, ˙ . . . , α[ n−1 ] , t). y [ n ] = f (y, y, ˙ . . . , y [ n−1 ] , t),
(5.1)
y [ k ] :=
Man f¨ uhrt eine solche Gleichung auf ein System von Gleichungen erster Ordnung zur¨ uck, [k] indem man die y , k = 0, . . . , n − 1 als neue Variable xk einf¨ uhrt, mit den zus¨atzlichen Gleichungen x˙ k−1 = xk . Also man ordnet der Differentialgleichung f die Gleichung erster Ordnung x˙ = F (x, t),
x = (x0 , . . . , xn−1 ),
F (x, t) := (x1 , . . . , xn−1 , f (x, t))
zu, was in sinnf¨alligerer Schreibweise als Gleichung besagt x˙ 0 x˙ 1 (5.2) x˙ n−2 x˙ n−1
= = .. .
x1 x2
= xn−1 = f (x0 , . . . , xn−1 , t).
Ist β = (β0 , . . . , βn−1 ) eine L¨osung von (5.2), so ist α := β0 eine L¨osung von f , und ist α eine L¨osung von f , so ist β := (α, α, ˙ . . . , α[ n−1 ] ) eine L¨osung von (5.2). Daher lassen sich alle S¨atze, die wir u ¨ber Differentialgleichungen bewiesen haben, auch f¨ ur Differentialgleichungen h¨oherer Ordnung umformulieren. Den Anfangswerten x(τ ) entsprechen dabei die Anfangswerte (y(τ ), y(τ ˙ ), . . . , y [ n−1 ] (τ )) f¨ ur die Gleichung n-ter Ordnung. Man muß sich also nicht nur den Wert der L¨osungen, sondern auch die Werte der Ableitungen bis zur Ordnung n − 1 vorgeben, dann existiert — unter den Voraussetzungen die wir fr¨ uher angef¨ uhrt haben — lokal oder global genau eine L¨osung zu diesem Anfang. Wie fr¨ uher hat man also lokale L¨osungen α(x0 , . . . , xn−1 , t),
α[ n ] = f (α, . . . , α[ n−1 ] , t)
α[ k ] (x0 , . . . , xn−1 , τ ) = xk
f¨ ur
k = 0, . . . , n − 1.
Nat¨ urlich kann man nach demselben Schema aus einem System von Gleichungen h¨oherer Ordnung ein System von noch mehr Gleichungen erster Ordnung machen. Wir wollen betrachten, was hier aus den linearen Gleichungen wird.
58
II. Lineare Differentialgleichungen
Eine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung ist durch stetige Funktionen αν , b : D → C ,
ν = 0, . . . , n − 1,
als Gleichung (5.3)
y [ n ] = a0 (t)y + a1 (t)y˙ + · · · + an−1 (t)y [ n−1 ] + b(t)
gegeben. Sie heißt homogen, falls b = 0. Die Definition besagt gerade, daß die zugeh¨orige Gleichung (5.2) linear ist; auch ist die Zuordnung α 7→ (α, α, ˙ . . . , α[ n−1 ] ) linear. Daher folgt aus dem, was wir in § 1 u ¨ber lineare Differentialgleichungen bewiesen haben: (5.4) Satz. Die L¨osungen der homogenen linearen Differentialgleichung (5.3) bilden einen n-dimensionalen komplexen Untervektorraum L ⊂ C n (D, C ). Ist τ ∈ D , so ist ein Isomorphismus L → C n durch α 7→ (α(τ ), α(τ ˙ ), . . . , α[ n−1 ] (τ )) gegeben. Die L¨osungen der inhomogenen Gleichung (5.3) bilden einen affinen Raum zum Vektorraum L. Eine Basis von L¨osungen ϕ1 , . . . , ϕn der homogenen linearen Gleichung heißt ein Fundamentalsystem. Sind die ϕk L¨ osungen der homogenen Gleichung, so heißt die Matrix Φ(t) =
ϕ1
···
ϕ˙ 1 .. .
[ n−1 ]
ϕ1
···
ϕn .. . .. .
[ n−1 ]
ϕn
eine Wronskimatrix und W (t) = det Φ(t) heißt die Wronskideterminante der linearhomogenen Differentialgleichung. Genau dann ist konstant W (t) = 0 , wenn W (τ ) = 0 f¨ ur ein τ ∈ D , und W (t) gen¨ ugt der Differentialgleichung ˙ (t) = an−1 (t)W (t). W Beweis: Das sind nur Umformulierungen der bewiesenen S¨atze u ¨ber lineare Differentialgleichungen. Ordnet man der Gleichung y [ n ] = a0 y + a1 y˙ + · · · + an−1 y [ n−1 ] das zugeh¨orige System (5.2) zu, so erh¨alt man die lineare Differentialgleichung 0 1 ··· 0 .. .. ... . . , Sp A = a (5.5) x˙ = Ax, A = n−1 . 1 a0 · · · an−1
¨ herer Ordnung § 5. Differentialgleichungen ho
59
Daher die letzte Behauptung des Satzes.
Wir wollen diese Gleichung n¨aher untersuchen, f¨ ur den Fall, daß die aν konstant sind. Sie ist dann auf ganz R definiert. Wir wollen sie in der Form y [ n ] + an−1 y [ n−1 ] + · · · + a0 y = 0
(5.6)
schreiben. Das zugeh¨orige System x˙ = Ax nach (5.5) hat auch konstante Koeffizienten und ist also ein autonomes lineares System, wie in § 3. (Jetzt muß die letzte Zeile von A negatives Vorzeichen erhalten, weil wir das Vorzeichen von y [ n ] ge¨andert haben). Es w¨are jedoch ungeschickt, die L¨osungen auf diesem Wege zu suchen, man kommt besser direkt zum Ziel. Das charakteristische Polynom der Gleichung (5.6) ist das charakteristische Polynom von A, und dieses ist (bei passend gew¨ahltem Vorzeichen) (5.7)
det(X · id − A) = X n + an−1 X n−1 + · · · + a0 .
Beweis: Entwickle die Determinante nach der ersten Spalte: X −1 0 ··· 0 0 X −1 · · · 0 . .. . = X · dn−1 + a0 , . . det(X · id − A) = det . . . X −1 a0 · · · X +an−1 wobei dn−1 eine Determinante der gleichen Gestalt mit letzter Zeile (a1 , . . . , an−1 + X) ist, also dn−1 = X n−1 + an−1 X n−2 + · · · + a1 nach Induktion. Wichtig ist, daß der Gleichung (5.6) auf ganz formale Weise das Polynom (5.7) zugeordnet ist. Umgekehrt ist jedem Polynom f (X) = X n + an−1 X n−1 + · · · + a0 eine Differentialgleichung y [ n ] + an−1 y [ n−1 ] + · · · + a0 y = 0 zugeordnet. Diese umgekehrte Zuordnung kann man durch folgenden rein algebraischen Prozeßbeschreiben: Sei V ein Vektorraum, etwa u ¨ber C , und D : V → V ein linearer Endomorphismus, dann ordnen wir jedem Polynom P f (X) = ak X k ∈ C [ X ] P den Endomorphismus f (D) = ak Dk ∈ End(V ) zu, und definieren so einen Homomorphismus C [ X ] → End(V ), f 7→ f (D).
60
II. Lineare Differentialgleichungen
Man rechnet ja mit dem X wie mit einer Unbestimmten, die man insbesondere durch X = D bestimmen kann. Davon haben wir fr¨ uher schon Gebrauch gemacht. d In unserem Fall ist V der Vektorraum der C ∞ -Funktionen C ∞ ( R, C ), und D = dt die Ableitung nach der Zeit. Wir wissen ja schon, daß alle L¨osungen C ∞ -Funktionen und auf ganz R definiert sind. Dem Polynom f ∈ C [ X ] ordnen wir die lineare Differentialgleichung n P dk d ak k y = 0, an = 1, f ( )y := dt dt k=0
mit dem charakteristischen Polynom f zu. Wir suchen also die Funktionen α ∈ ker(f (D)) , denn ker(f (D)) ist der L¨osungsraum der Differentialgleichung. Wo das gesagt ist, bleibt nur ein bißchen Algebra, wor¨ uber wir schon gesprochen haben.
(5.8) Satz. Sei f (X) = (X − λ1 )n1 · . . . · (X − λk )nk ein Polynom mit den verschiedenen Wurzeln λ1 , . . . , λk . Dann hat die lineare Differentialgleichung f (d/dt)y = 0 das Fundamentalsystem der L¨osungen ts · eλj t ,
s = 0, 1, . . . , nj − 1.
Beweis: Nach dem Ersten Zerlegungssatz der Linearen Algebra (3.3) ist ker(f (D)) =
k L j=1
ker(D − λj )nj .
Wir m¨ ussen also zeigen, daß die Funktionen ts eλt ,
s ≤ m − 1,
ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung (D − λ)m y = 0,
D = d/dt,
bilden. Eine kleine Rechnung zeigt (D − λ)(eλt ϕ(t)) = eλt ϕ(t). ˙ In einem kleinen Diagramm, dessen senkrechte Pfeile durch Multiplikation mit der Funktion t 7→ eλt gegeben sind: d/dt
V −−−−→ V λt ∼ ∼ =yeλt e y= V −−−−→ V D−λ
V = C ∞ ( R).
¨ herer Ordnung § 5. Differentialgleichungen ho
61
Das sagt: Die Transformation ϕ 7→ eλt ·ϕ f¨ uhrt das Problem, die Gleichung (D −λ)m y = 0 zu l¨osen, auf das Problem zur¨ uck, die Gleichung (d/dt)m y = 0 zu l¨osen. Dies wird genau von den Polynomen vom Grad h¨ochstens m − 1 gel¨ost, und die Polynome ts , s ≤ m − 1 bilden eine Basis dieses Polynomraumes. Folglich durch R¨ ucktransformation: Die ts · eλt , s ≤ m − 1, bilden eine Basis des L¨osungsraumes von (D − λ)m y = 0.
Alles h¨atte man nat¨ urlich auch aus den expliziten L¨osungen linearer Systeme herausmelken k¨onnen, aber hier war der direkte Weg k¨ urzer, und er f¨ uhrt zum rein algebraischen Grund f¨ ur das Ergebnis. Wenn man u ¨brigens erst einmal eine Fundamentalmatrix Φ(t) einer linearen Differentialgleichung x˙ = A · x hat, so folgt der Eindeutigkeitssatz f¨ ur diese Gleichung auch durch Variation der Konstanten mit Φ. Die vorhergehende Theorie der Differentialgleichungen haben wir also hier gar nicht gebraucht.
(5.9) Bemerkung u ¨ ber reelle L¨ osungen. Hat das Polynom f reelle Koeffizienten, so sind die Realteile und Imagin¨arteile komplexer L¨osungen reelle L¨osungen von f (D)y = 0 . Man erh¨alt also das reelle Fundamenalsystem der Funktionen ts eλj t ,
f¨ ur λj
∈
R,
ts eαj t cos βj t s αj t
t e
falls λj = αj + iβj ,
αj , βj
∈
R, βj > 0,
sin βj t
mit 0 ≤ s ≤ nj − 1.
Als Anwendung betrachten wir die Differentialgleichung der ged¨ampften Schwingung (5.10)
y¨ + 2µy˙ + ω02 y = 0.
Der D¨ampfungsfaktor 2µ kann zum Beispiel in mechanischen Schwingungsvorg¨angen durch Reibung entstehen. Ist µ = 0, so ist ein Fundamentalsystem durch cos ω0 t,
sin ω0 t
gegeben, also ω0 ist die Frequenz der unged¨ampften Schwingung. Das charakteristische Polynom ist f (X) = X 2 + 2µX + ω02 mit den Nullstellen
q λ = −µ ± µ2 − ω02 .
62
II. Lineare Differentialgleichungen
1 X
Wir setzen µ > 0 voraus, und unterscheiden die F¨alle (i) Ged¨ ampft periodische Schwingung 0 < µ < ω0 . Dann hat man die konjugiert komplexen Wurzeln q q λ = −µ ± i ω02 − µ2 = −µ ± iω, ω = ω02 − µ2 , und ein Fundamentalsystem ist durch Real- und Imagin¨arteil der Funktion e−µt · eiωt
gegeben. Der zweite Faktor beschreibt eine harmonische Schwingung mit gegen¨ uber dem unged¨ampften Fall verkleinerter Frequenz ω . Der erste Faktor beschreibt eine Abnahme der Amplitude mit konstanter Rate µ .
(ii) Aperiodischer Grenzfall µ = ω0 . Dann ist f (X) = (X + µ)2 und ein Fundamentalsystem ist durch die Funktionen e−µt ,
te−µt
gegeben, die wir auch in dem vertrauten zweidimensionalen Bild zusammenfassen. Es lehrt jedenfalls auch, daß jede L¨osung gegen Null l¨auft — und zwar allenfalls einmal ausschlagend.
¨ ten § 6. Periodische Inhomogenita
63
(iii) Vollst¨ andig ged¨ ampfte Schwingung µ > ω0 . Dann hat das charakteristische Polynom zwei reelle Nullstellen q λ1,2 = −µ ± µ2 − ω02 < 0.
gz Ein Fundamentalsystem bilden die beiden Funktionen eλ1 t ,
eλ2 t .
Beide L¨osungen gehen exponentiell gegen Null, und beide zusammen zeigen das Bild
1
t
Eine Linearkombination der beiden Fundamentall¨osungen kann immer noch einmal ausschlagen, aber nicht ¨ofter.
§ 6. Periodische Inhomogenit¨ aten Wir betrachten wie im vorigen Abschnitt einen konstanten linearen Differentialoperator, also mit anderen Worten ein normiertes Polynom f (X), so wie auf einem offenen Intervall I ⊂ R eine stetige Funktion ϕ : I → C . Dies gibt uns die inhomogene lineare Differentialgleichung f (D)y = ϕ, D = d/dt, auf dem Intervall I. Nat¨ urlich kann man wie fr¨ uher die lineare Gleichung n-ter Ordnung in ein System verwandeln, in dem nur erste Ableitungen auftreten, und dann die inhomogene Gleichung durch Variation der Konstanten l¨osen. Jedoch wollen wir einen Fall studieren, wo man eine spezielle L¨osung leichter direkt findet. Zun¨achst eine einfache Bemerkung der linearen Algebra:
64
II. Lineare Differentialgleichungen
(6.1) Bemerkung. Gegeben seien zwei Funktionen α, β auf I , mit f (D)α = ϕ, und es seien a, b
∈
f (D)β = ψ,
C . Dann gilt: f (D)(aα + bβ) = aϕ + bψ.
So kann man die Inhomogenit¨at ϕ als Linearkombination zusammensetzen. Wir wollen die Gleichung P f (D)y = ϕ f¨ ur ϕ(t) = aks ts eγk t k,s
l¨ osen, und k¨onnen uns mithin darauf beschr¨anken, die Gleichung f (D)y = ts eγt zu betrachten.
(6.2) Satz. Die Gleichung f (D)y = ts eγt hat eine L¨osung der Gestalt h(t) · eγt ,
h(t) =
s P ν=0
aν tk+ν ,
wobei k die Vielfachheit von γ als Nullstelle von f ist.
Beweis: Nach Voraussetzung ist f (X) = (X − γ)k · g(X),
g(γ) 6= 0.
Es ist k = 0 zugelassen. Ist nun α eine L¨osung der gegebenen inhomogenen Differentialgleichung, also f (D)α = ts eγt , so ist (D − γ)s+1 f (D)α = 0, weil ja (D − γ)s+1 (ts eγt ) = 0. Daher ist α , wie wir wissen, eine Linearkombination der Funktionen tν eλt , wobei λ eine Wurzel des zugeh¨origen charakteristischen Polynoms, also (λ − γ)s+1 f (λ) = 0 ist. Ist nun schon f (D)tν eλt = 0, so k¨onnen wir den betreffenden Summanden atν eλt aus der Linearkombination α weglassen. Wir behalten eine Linearkombination der Funktionen tν eλt , die zum Fundamentalsystem (5.8) der Gleichung (D − γ)s+1 f (D)y = 0, aber nicht der Gleichung f (D)y = 0 geh¨oren. Das sind gerade die Funktionen tk+ν eγt , 0 ≤ ν ≤ s .
¨ ten § 6. Periodische Inhomogenita
65
Nachdem man den Satz einmal weiß, kann man das Polynom h(t) mit unbestimmten Koeffizienten ansetzen, und erh¨alt durch Einsetzen in die Differentialgleichung und Koeffizientenvergleich ein lineares Gleichungssystem f¨ ur diese Koeffizienten, das notwendig l¨ osbar sein muß . Besonders einfach l¨aßt sich die Gleichung f (D)y = eγt l¨ osen, wenn f (γ) 6= 0. Wir wissen schon, daß eine spezielle L¨osung aeγt f¨ ur eine Konstante a ist, und in der Tat ist f (D)eγt = f (γ)eγt ,
(6.3)
denn Deγt := d/dteγt = γeγt . Daher ist a = 1/f (γ) , also f (D)(eγt /f (γ)) = eγt .
(6.4)
(6.5) Die Schwingungsgleichung. Wir betrachten den Fall, wo noch eine Schwingung auftritt, und schreiben das Polynom f gleich in der Form ¯ = X 2 − 2 Re λ · X + |λ|2 , f (X) = (X − λ)(X − λ)
Reλ = −µ,
|λ| = ω0 .
Die inhomogene Gleichung f (D)y = aeγt ,
a 6= 0,
beschreibt das Verhalten unter einer periodisch wirkenden Kraft, die (bis auf einen konstanten Faktor 1/Masse) durch die Inhomogenit¨at gegeben ist. Man hat zwei F¨alle zu unterscheiden. i. Fall: f (γ) 6= 0 Dann hat man eine spezielle L¨osung a γt e , f (γ) der sich die fr¨ uher beschriebenen L¨osungen von f (D)y = 0 u ¨berlagern. Ist γ = iω , so 2 2 2 2 2 ist f (γ) = −ω + 2µiω + ω0 , und |f (γ)| = [ (ω0 − ω ) + 4µ2 ω 2 ]1/2 wird minimal, die Amplitude also maximal (Resonanzpunkt), wenn µ gen¨ ugend klein ist, bei ω 2 = ω02 − 2µ2 . ii. Fall: f (γ) = 0, also etwa γ = λ Wir wissen, daß es eine L¨osung der Gestalt b·teλt gibt, und setzt man dies in die Gleichung ein, so erh¨alt man die spezielle L¨osung ai teλt . − 2 Im λ Ist Re λ = 0 , die ungezwungene Schwingung, unged¨ampft, so hat man hier eine L¨osung der inhomogenen Gleichung mit unbegrenzt wachsender Amplitude. Ein kleiner D¨ampfungsfaktor bringt dieses Ph¨anomen allerdings zum Verschwinden, aber die Amplitude
66
II. Lineare Differentialgleichungen
ist dann doch eine Zeit lang sehr groß, gr¨oßer vielleicht als dem schwingenden Gegenstand zutr¨ aglich ist. Reelle L¨osungen reeller Gleichungen mit Inhomogenit¨at ts sin ωt oder ts cos ωt erh¨ alt man wie immer aus dem Komplexen als Real- oder Imagin¨arteil. Die L¨osung der inhomogenen Differentialgleichung f (D)y = ϕ(t) f¨ ur Exponentialfunktionen ϕ(t) = eiωt ist ein wesentlicher Beitrag zum Studium solcher Differentialgleichungen mit periodischen Inhomogenit¨aten ϕ, weil man letztere durch Fourierpolynome approximieren kann.
§ 7. Die Eulersche Differentialgleichung Unter den linearen Differentialgleichungen mit nicht konstanten Koeffizienten erfreut sich die (7.1) Eulersche Differentialgleichung tn y [ n ] + an−1 tn−1 y [ n−1 ] + · · · + a0 y = 0 besonderer Zuneigung, weil man ihre L¨osung einfach auf die einer linearen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten zur¨ uckf¨ uhrt. Wir bilden die linearen Endomorphismen D = d/dt und δ = t · d/dt des Raumes der C ∞ -Funktionen auf R+ . Man rechnet leicht nach: (δ − j)tj Dj = tj+1 Dj+1 , und daraus durch Induktion (7.2)
tj Dj = δ(δ − 1) · · · (δ − j + 1).
Setzt man dies in der Differentialgleichung (7.1) ein, so erh¨alt man eine Differentialgleichung (7.3)
δ n y + bn−1 δ n−1 y + · · · + b0 y = 0
Hier steht nun der Operator δ statt D in einem Polynom. Mit der Transformation t = es erh¨ alt man Dy(t(s)) = d/ds(y(es )) = t · d/dty = δy(t),
§ 7. Die Eulersche Differentialgleichung
67
oder in einem Diagramm: δ
(7.4)
C ∞ ( R+ ) −−−−→ C ∞ ( R+ ) ∼ ∼ = y y= C ∞ ( R) −−−−→ C ∞ ( R)
y ↓ y ◦ exp
D
Das f¨ uhrt die L¨osung der Eulerschen Differentialgleichung auf die der linearen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten zur¨ uck. Man nennt χ(X) = X n + bn−1 X n−1 + · · · + b0 das charakteristische Polynom der Eulerschen Differentialgleichung (7.3). Ist χ(X) = (X − λ1 )n1 · . . . · (X − λk )nk seine Faktorisierung mit verschiedenen Wurzeln λj , so hat die Eulersche Differentialgleichung also ein Fundamentalsystem von L¨osungen R+ → C : (7.5)
(log(t))r tλj ,
r = 0, 1, . . . , nj − 1;
j = 1, . . . , k.
Die Exponentialfunktionen s 7→ e sind die Eigenfunktionen des Operators D = d/ds. Sie gehen bei der Transformation t = es in (7.4) in die Potenzen t 7→ tλ u ¨ber, und dieses sind folglich die Eigenfunktionen des Eulerschen Differentialoperators λs
δ = t · d/dt : C ∞ ( R+ ) → C ∞ ( R+ ).
§ 8. und § 9. im Anhang auf S. 197!
Kapitel III
Singularit¨ aten und Integrale
Du erinnerst Dich, liebes Herz, daß wir zu der Zeit, als unsere Freundschaft eine innigere geworden war, sodaß ich zuweilen das Bed¨ urfnis empfand, auch u ¨ber Arbeiten, die ich gern machen m¨ ochte, mit Dir zu reden und wir uns auch wohl in wissenschaftliche Tr¨ aume und Phantasien verloren, oftmals von den Bedingungen der Stabilit¨ at des Weltsystems gesprochen haben. Weierstraß
In diesem Kapitel werfen wir vor allem einen Blick auf das Verhalten der L¨osungen in der Umgebung eines Punktes. Dies ist heute ein reichhaltiges Gebiet, das durch neue Methoden der Differentialrechnung sehr gef¨ordert worden ist, aber wir erkl¨aren hier nur einen klassischen Begriff der Stabilit¨at. In diesem Zusammenhang soll auch von ersten Integralen, das sind Erhaltungsgr¨oßen, einer Differentialgleichung die Rede sein, und wir zeigen die typischen Singularit¨aten einer impliziten Differentialgleichung.
iw § 1. Stabilit¨ at
Sei v ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf M und p ein singul¨arer Punkt von v . Dann ist der Punkt, oder genauer gesagt, die konstante Funktion t 7→ p , eine Integralkurve von v , zeitlich gedeutet eine Ruhelage. Angenommen nun, eine L¨osung α startet in der N¨ ahe von p , so fragen wir, ob α(t) f¨ ur t → ∞ gegen p konvergiert, oder sich von p entfernt, oder beides nicht?
¨ ten und Integrale III. Singularita
70
Es gibt da viele Begriffe, um das sehr komplizierte R¨ uckkehrverhalten der Integralkurven zu beschreiben, und es sei hier nur der folgende besprochen: Ein singul¨arer Punkt p eines Vektorfeldes heißt asymptotisch stabil (kurz stabil), wenn es in jeder Umgebung von p eine vielleicht kleinere Umgebung U von p gibt, so daß f¨ ur jede Integralkurve α gilt: Ist α(0) ∈ U , so ist α(t) f¨ ur alle t > 0 definiert, α(t) ∈ U , und limt→∞ α(t) = p. Es w¨ urde gen¨ ugen, daß U eine Umgebung V enth¨alt, so daß f¨ ur die α mit α(0) ∈ V gilt: α(t) → p in U . Man kann dann U durch die Umgebung Φ(V × [ 0, ∞)) ersetzen, die unter Φt f¨ ur t ≥ 0 invariant bleibt. Wie erkennt man die Stabilit¨at eines singul¨aren Punktes — eines Gleichgewichts, wie man auch sagt? Eine klassische Methode ist die folgende: Eine Ljapunof-Funktion f¨ ur den singul¨aren Punkt p von v ist eine in einer Umgebung 1 V von p definierte C -Funktion u : V → R,
so daß u ≥ 0, u(x) = 0 genau wenn x = p , und
hgrad u, vi < 0 auf
V r {p}.
Die entscheidende letzte Bedingung bedeutet, wie wir wissen, daß die Ableitung von u in Richtung v negativ ist, also
Dv u < 0,
oder
d/dt(u ◦ α) < 0
f¨ ur jede Integralkurve α . Diese letztere Bedingung ist offenbar unabh¨angig vom (etwa auch krummlinig) gew¨ahlten Koordinatensystem auf M .
(1.1) Satz (Ljapunof). Gibt es zu der Singularit¨at p eines C 1 -Vektorfeldes v eine Ljapunof-Funktion, so ist p stabil.
¨t § 1. Stabilita
x k
71
R
Graph u ◦ α
Graph u
0
α
M
Beweis: Wir w¨ahlen eine kompakte Kugel K um p im Definitionsgebiet V der LjapunofFunktion u . Auf dem Rand ∂K von K nimmt u ein Minimum 2ε an, und wir setzen U = {x
∈
K | u(x) ≤ ε}.
V
K
p
U
Dann ist U kompakt und liegt im Inneren von K , denn auf dem Rand ist u ≥ 2ε. Angenommen, α ist eine Integralkurve, und α(0) ∈ U , so ist α(t) ∈ U f¨ ur alle t, denn . solange α(t) ∈ V ist, gilt (u ◦ α) < 0, also nimmt u ◦ α monoton ab. Ist also u ◦ α(0) ≤ ε, so bleibt u ◦ α ≤ ε auf der maximalen L¨osung in V . Dann bleibt aber α(t) ∈ K also α(t) ∈ U , weil u ≥ 2ε auf ∂K . Damit folgt, daß α(t) f¨ ur alle t ≥ 0 definiert ist. Wir zeigen nun limt→∞ u ◦ α(t) = 0, und daraus folgt der Satz, denn w¨are nicht lim α(t) = p , so g¨abe es eine Folge tn → ∞ , α(tn ) → q 6= p , und daher u ◦ α(tn ) → u(q) 6= 0 . Nun (u◦α). < 0, also f¨allt u◦α monoton, und es k¨onnte allenfalls gelten u◦α(t) → a > 0, und dann w¨are u ◦ α ≥ a. W¨ahlt man δ so klein, daß u(x) < a f¨ ur |x − p| < δ , so w¨are stets |α(t) − p| ≥ δ . Aber auf U ∩ {x |x − p| ≥ δ} ist hgrad u, vi < κ < 0 , also w¨are stets
¨ ten und Integrale III. Singularita
72
(u ◦ α). < κ , und es m¨ ußte nach endlicher Zeit u ◦ α(t) = 0 sein: ein Widerspruch. Also u ◦ α(t) → 0. Als typisches Beispiel, nach dem die Idee der Ljapunof-Funktion eigentlich modelliert ist, betrachten wir (1.2) Das Gradientensystem. Eine C 2 -Funktion u : V → R, so daß u ≥ 0 , u(p) = 0 und grad u 6= 0 auf V r {p}, gibt selbst stets Anlaß zu dem Gradientenfeld v(x) = −grad u(x). Dieses Feld hat das Minimum p von u als stabilen Attraktor: Wenn man immer bergab geht, landet man im Tal. Die Bedingung f¨ ur eine Ljapunof-Funktion ist offenbar erf¨ ullt: hgrad u, vi = −hgrad u, grad ui < 0
außerhalb
p.
¨ Ubrigens kann man ebenso beschreiben, wann alle Integralkurven, die nahe an p starten, sich von p entfernen, wann also der Punkt p abstoßend ist. Eine notwendige Bedingung erh¨ alt man, wenn man in der Definition der Ljapunof-Funktion verlangt hgrad u, vi > 0 statt hgrad u, vi < 0. In diesem Sinne kann man u ¨ber die Stabilit¨at des Ursprungs f¨ ur eine lineare Differentialgleichung vollkommen Auskunft erhalten — das kann man auch direkt aus der expliziten L¨ osung, aber die Ljapunof-Funktion gibt zugleich u ¨ber ein Vektorfeld Auskunft, das im singul¨ aren Punkt eine stabile lineare Approximation hat. Als zweite Anwendung betrachten wir also (1.3) Lineare Differentialgleichungen. x˙ = Ax,
x
∈
C n,
A konstant.
Wir untersuchen die Stabilit¨at des Ursprungs 0 form transformiert, also A = D + N,
DN = N D,
D
∈
C n . Wir denken uns A in Jordan-
Diagonalmatrix, N nilpotent.
In der Diagonale von D stehen die Eigenwerte λ1 , . . . , λn , und N l¨aßt sich noch auf die Gestalt N : ej 7→ ej−1 oder ej 7→ 0 bringen. Ersetzt man ej durch den neuen Basisvektor aj = εj ej f¨ ur ein ε 6= 0, so bleibt die Gestalt von D unge¨ andert, und die lineare Abbildung N bildet die aj so ab: N : aj = εj ej 7→ 0
oder
aj 7→ εj ej−1 = εaj−1 .
¨t § 1. Stabilita
73
Also hat N als Matrix bez¨ uglich der Basis a1 , . . . , an obere Dreiecksgestalt, und nur die Komponenten 0 oder ε. Wir k¨onnen also feststellen:
(1.4) Bemerkung. Eine quadratische komplexe Matrix A l¨aßt sich auf die folgende Gestalt transformieren: B −1 AB = D + N,
DN = N D,
|N | < ε,
mit einer Diagonalmatrix D , dem halbeinfachen Teil, und einer nilpotenten Matrix N . (1.5) Satz. Haben alle Eigenwerte der Matrix A ∈ EndC (C n ) negative Realteile, so ist der Ursprung ein stabiles Gleichgewicht des Vektorfeldes z˙ = Az . Beweis: Wir w¨ahlen eine Basis in C n , so daß sich A darstellt wie in der Bemerkung, und ε so klein ist, wie wir noch sagen werden. Bez¨ uglich dieser Basis hat man auf C n = R2n die reelle quadratische Form n P hz, wi := Re zν w ¯ν , ν=1
Pn und diese ist offenbar positiv definit, ν=1 zν z¯ν = ν=1 |zν |2 > 0, außer wenn z = 0. Auch ist die kanonische Basis der Einheitsvektoren von R2n = C n orthonormal f¨ ur dieses Skalarprodukt. Unsere Ljapunof-Funktion ist n n P P u(z) = hz, zi = |zν |2 = x2ν + yν2 , f¨ ur zν = xν + iyν . Pn
ν=1
ν=1
F¨ ur die gew¨ahlten Basen ist grad u = 2(x1 , y1 , . . . , xn , yn ) = 2z,
also hgrad u, vi = 2hz, Azi.
Nehmen wir nun zun¨achst einmal vereinfachend an, die Basisvektoren w¨aren Eigenvektoren, also der nilpotente Teil N verschwinde. Dann ist n n P ¯ ν zν z¯ν = 2 P (Re λν ) · |zν |2 hgrad u, vi = 2hz, Dzi = 2Re λ ν=1
ν=1
und ist min{|Re λν |} = µ , so ist letzteres kleinergleich −2µ|z|2 . In diesem Fall sind wir also fertig, und in der Tat ist die Funktion z 7→ 2hz, Dzi auf der Sph¨are {z |z| = 1} stets kleinergleich −2µ . Kehren wir nun zum allgemeinen Fall zur¨ uck und ist |N | < µ/2, so ist die Funktion z 7→ 2hz, Azi = 2hz, Dzi + 2hz, N zi f¨ ur |z| = 1 stets kleiner als −µ , denn |2hz, N zi| ≤ 2 |z| · |N | · |z| = 2|N | < µ.
¨ ten und Integrale III. Singularita
74
Also ist hgrad u(z), v(z)i = 2hz, Azi < 0 f¨ ur z 6= 0, was zu zeigen war.
Der letzte Gedanke hilft auch in dem allgemeineren Fall, wo die Matrix A die Jacobische eines Vektorfeldes in einem singul¨ aren Punkt ist. (1.6) Satz. Sei p ein singul¨arer Punkt des C 1 -Vektorfeldes v , und die Jacobische A = Dv(p) habe nur Eigenwerte mit negativen Realteilen. Dann ist der singul¨are Punkt stabil. Beweis: Wir d¨ urfen p = 0 annehmen, und wir schreiben v(x) = A(x)·x , mit einer stetig von x abh¨ angenden Matrix, so daß A(0) = A. Zur Matrix A w¨ahlen wir die Basis und Ljapunof-Funktion auf C n , wie im Beweis von (1.5). Damit sind diese Funktionen auch auf Rn definiert, das jetzt R-linear, aber sehr schief in C n liegen mag. Jedenfalls ist dann — alles in den gew¨ahlten Koordinaten berechnet: hgrad u(x), v(x)i = 2hx, A(x) · xi, und wir wissen 2hz, Azi < −µ f¨ ur |z| = 1. Also aus Stetigkeit gilt f¨ ur ein δ > 0 und |x| < δ und |z| = 1 2hz, A(x) · zi < −µ/2. Insbesondere also f¨ ur x 6= 0, |x| < δ haben wir 2hx/|x|, A(x) · x/|x|i < −µ/2, und schließlich, was zu zeigen war: 2hx, A(x) · xi < −|x|2 µ/2 < 0.
Die L¨osungen der linearen Vektorfelder kann man ja explizit aufschreiben, die Gleichung x˙ = Ax hat das Fundamentalsystem t 7→ eAt , und es gilt: (1.7) Satz. Haben alle Eigenwerte von A einen Realteil, der kleiner ist als −µ < 0, so ist |eAt | ≤ βe−µt , t ≥ 0, f¨ ur eine Konstante β . Beweis: Wir w¨ahlen eine Transformation B , so daß BAB −1 = D + N,
DN = N D,
¨t § 1. Stabilita
75
mit einer Diagonalmatrix D und |N | < ε , wobei alle Eigenwerte von A einen Realteil kleiner oder gleich −(µ + ε) haben. Dann ist |e(D+N )t | ≤ |eDt | · |eN t | ≤ e−(µ+ε)t · eεt = e−µt , also |eAt | = |B −1 e(D+N )t B| ≤ |B| · |B −1 | · e−µt .
(1.8) Folgerung. Haben die Eigenwerte von A einen Realteil gr¨oßer µ > 0 , so gibt es eine Konstante β > 0 mit |eAt · v| ≥ β −1 · eµt · |v|
f¨ ur t ≥ 0.
Beweis: Wir wenden den Satz auf −A an, und w¨ahlen auch β nach dem Satz f¨ ur −A . W¨ are die Folgerung falsch, so w¨are f¨ ur ein v, t erf¨ ullt: |v| = |e−At (eAt v)| ≤ βe−µt |eAt v| < ββ −1 e−µt eµt |v| = |v|, ein Widerspruch.
Hat schließlich A nur rein imagin¨are Eigenwerte, so stehen in der Diagonale von eAt nach Transformation auf Jordanform nur komplexe Zahlen eiαt , α ∈ R , vom Betrag 1, so daß eAt weder gegen Null, noch gegen ∞ geht, daf¨ ur aber das fr¨ uher schon beschriebene ergodische Verhalten des Flusses mit großer Wahrscheinlichkeit auftritt. Im ganzen kann man folgendes sagen: Man kann eine beliebige Matrix A auf Jordanform transformieren, und damit insbesondere eine lineare Zerlegung C n = U1 ⊕ U2 ⊕ U3 ,
A(Uν ) ⊂ Uν ,
w¨ ahlen, so daß f¨ ur die Einschr¨ ankungen Aν := A|Uν : Uν → Uν gilt: Die Realteile von A1 sind negativ, die von A2 positiv, die von A3 Null. Der Fluß Φt = eAt zerf¨ allt entsprechend in die Komponenten Φνt = eAν t : Uν → Uν , und die Flußlinien konvergieren gegen Null auf U1 , gegen ∞ auf U2 und beides nicht auf U3 . Wenn der nilpotente Teil von A3 verschwindet, kann man eine euklidische Norm so w¨ahlen, daß |Φ3t v| = |v|. Nur Φ3 hat zyklische Orbits. Den Raum U1 nennt man die stabile Mannigfaltigkeit und den Raum U2 die instabile Mannigfaltigkeit des Flusses f¨ ur die Singularit¨at im Ursprung.
¨ ten und Integrale III. Singularita
76
Im Fall einer reellen Matrix A entspricht der komplexen Zerlegung C n = U1 ⊕ U2 ⊕ U3 die reelle Zerlegung Rn = V1 ⊕ V2 ⊕ V3
iv
mit Vν = Rn ∩ Uν . Als Basisvektoren von Vν kann man Real- und Imagin¨arteil der Basisvektoren von Uν w¨ ahlen. Und allgemein kann man wieder sagen: Hat ein (hinreichend oft differenzierbares) Vektorfeld v eine isolierte Singularit¨at in p , und ist A = Dv(p) eine Matrix mit nicht verschwindenden Realteilen der Eigenwerte, so sieht der Fluß in geeigneten (aber nur hom¨ oomorphen, nicht diffeomorphen) Koordinaten lokal um p ebenso aus, wie der des zugeh¨ origen linearen Systems — aber das ist nicht so leicht zu zeigen. stabil
stabil
instabil
lineares System y˙ = Dv(p) · y
◦
y˙ = v(y)
Die Ljapunofsche Methode ist jedoch nicht auf den Fall beschr¨ankt, wo die lineare Approximation das Stabilit¨atsverhalten beherrscht. Beispiel. Betrachte die Differentialgleichung x˙ = ax − y + kx(x2 + y 2 ), y˙ = x − ay + ky(x2 + y 2 ), a2 < 1, k < 0. a −1 Die Jacobische im Ursprung ist , das charakteristische Polynom also −(a − t) 1 −a (a + t) + 1 = t2 + 1 − a2 mit den Eigenwerten p λ = ±i 1 − a2 . Die lineare Singularit¨at ist ein Wirbel, die Realteile der Eigenwerte verschwinden. Aber die Funktion u(x, y) := x2 − 2axy + y 2 ist eine Ljapunof-Funktion. N¨amlich u = (x−ay)2 +(1−a2 )y 2 > 0 , genau wenn (x, y) 6= 0 ,
2 y
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes
und
grad u = 2(x − ay, y − ax),
1 2 hgrad u, vi 2 2
77
= (x − ay)(ax − y) + (x − ay)kx(x2 + y 2 )+
(y − ax)(x − ay) + (y − ax)ky(x + y ) = k(x2 + y 2 )(x2 − 2axy + y 2 ) = k(x2 + y 2 ) · u(x, y) < 0 f¨ ur (x, y) 6= 0.
Das Bild ist also das einer Spirale, aber die L¨osungen gehen langsamer gegen Null.
W¨ ahlt man dagegen k > 0, so zeigt dieselbe Funktion u , daß der Ursprung stabil f¨ ur t → −∞ wird, also der Ursprung ist abstoßend. In diesem Fall kann man also aus der linearen Approximation u ¨ber die Stabilit¨at nichts schließen. Aber man findet noch eine Ljapunof-Funktion, die u ¨ber die Stabilit¨at Auskunft gibt.
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes Sei v ein Vektorfeld auf einer offenen Menge U in Rn , und es existiere ein lokaler Fluß von v . Eine differenzierbare Untermannigfaltigkeit M ⊂ U heißt Integralmannigfaltigkeit von v , wenn das Vektorfeld v u ¨berall tangential zu M ist, also v(p) ∈ Tp M f¨ ur alle p ∈ M .
M
¨ ten und Integrale III. Singularita
78
(2.1) Satz. Ist M eine abgeschlossene Integralmannigfaltigkeit des Vektorfeldes v , so ist M invariant unter dem lokalen Fluß von v . Also wenn α(0) ∈ M f¨ ur eine Integralkurve α , so ist α(t) ∈ M f¨ ur alle t.
m l
Beweis: Sei α eine maximale Integralkurve von v , und sei α(0) ∈ M . Wir setzen τ = sup{t | α(s) ∈ M f¨ ur 0 ≤ s ≤ t} . Dann ist α(t) ∈ M f¨ ur 0 ≤ t < τ , also aus Stetigkeit α(τ ) ∈ M , falls τ im Definitionsintervall von α liegt, weil M abgeschlossen ist. Aber wir zeigen in diesem Fall α(t) ∈ M f¨ ur alle t aus einer Umgebung von τ , was ein Widerspruch zur Definition von τ ist. Um α(τ ) = p ∈ M gibt es eine Karte ϕ = (ϕ1 , ϕ2 ) : V → V 0 ⊂ Rk × Rn−k , Also M ∩ V = {x
∈
ϕ(M ∩ V ) = V 0 ∩ Rk × {0}.
V | ϕ2 (x) = 0},
M
Rn−k
V
Rk
−−−−→ ϕ
p
und der Tangentialraum von M f¨ ur x
∈
Tx M = {u
V0
V ist
∈
Rn | Dϕ2 · u = 0}.
Daß also das Feld v zu M tangential ist, heißt f¨ ur x
∈
V ∩M:
Dϕ2 (x) · v(x) = 0. Beschreiben wir M und α und das Vektorfeld v also durch die Koordinaten der Karte ϕ, so haben wir die Integralkurve ϕ ◦ α,
mit
ϕ ◦ α(τ ) = 0,
des Vektorfeldes Dϕ · v = (w1 , w2 ),
w2 | ( Rk × {0}) = 0,
und wir m¨ ussen zeigen, daß ϕ ◦ α in Rk × {0} bleibt. Nun, das Vektorfeld (w1 , 0) hat auch eine bei 0 startende Integralkurve β . F¨ ur sie verschwindet jedenfalls die zweite k Komponente, sie bleibt in R × {0}. Weil aber dort (w1 , w2 ) = (w1 , 0), ist folglich β auch eine Integralkurve von (w1 , w2 ), also β = α .
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes
79
Beispiel. Auf U = C 2 betrachten wir das Vektorfeld z˙1 = |z1 |2 · iαz1 , z˙2 = |z2 |2 · iβz2 , Es hat den Torus
mit α, β
∈
R.
S 1 × S 1 = {(z1 , z2 ) |z1 | = |z2 | = 1}
als Integralmannigfaltigkeit, denn auf dem Torus sagt die Differentialgleichung z˙1 = iαz1 , z˙2 = iβz2 . Man hat also die L¨osungen (aeiαt , beiβt ), |a| = |b| = 1, die auf dem Torus bleiben. Diese L¨osungen haben wir fr¨ uher schon n¨aher untersucht.
(2.2) Bemerkung. Ist die Integralmannigfaltigkeit im Satz kompakt, und Φ der maximale lokale Fluß von v , so ist Φt |M f¨ ur alle t definiert.
Ist n¨amlich α(0)
∈
M , so bleibt α(t)
∈
M , die Kurve verl¨aßt das Kompaktum M nie.
Man sieht hieran und an dem Beispiel, was der Nutzen der Integralmannigfaltigkeiten ist: Die Differentialgleichung kann sich bei Einschr¨ankung auf die Mannigfaltigkeit vereinfachen, und jedenfalls wird ihre Dimension erniedrigt. Oft erh¨alt man Integralmannigfaltigkeiten als Niveaufl¨achen von Funktionen, die auf L¨ osungen konstant sind. Ein erstes Integral eines Vektorfeldes v : U → Rn ist eine Funktion f : U → R , so daß Df · v = 0. Ist f ein erstes Integral von v , und y
∈
M := {x
∈
R ein regul¨arer Wert von f , so ist U | f (x) = y}
eine Integralmannigfaltigkeit von v , weil ja Tx M = ker Df (x) ist. In der Tat ist auch (f α). = Df · v = 0, also f konstant auf L¨osungen.
Ein erstes Integral liefert also eigentlich eine Zerlegung von U in unter dem Fluß invariante Bl¨ atter My = {f = y}
80
j
¨ ten und Integrale III. Singularita R
α
y
f
My
F¨ ur regul¨are Werte y , also f¨ ur fast alle, sind dies 1-kodimensionale Untermannigfaltigkeiten von U . Ein erstes Integral zu suchen heißt, eine L¨osung der partiellen Differentialgleichung f¨ ur das unbekannte f n P ∂f (2.3) (x) · vj (x) = 0 j=1 ∂xj zu suchen, und partielle Differentialgleichungen sind kaum leichter zu l¨osen als gew¨ohnliche. Aber oft f¨ uhrt die Natur des studierten Ph¨anomens von selbst auf erste Integrale: Die Erhaltungss¨ atze der Physik sind Aussagen u ¨ber die Existenz erster Integrale. Besonders die Energie, aber auch Impuls und Drehimpuls, wo es hingeh¨ort, bleiben bei Bewegungen oft unge¨andert. Das Hamiltonsche Vektorfeld x˙ j = ∂H/∂yj ,
y˙ j = −∂H/∂xj
hat die Hamiltonfunktion H selbst als erstes Integral, wie wir schon bemerkt haben: n n n P P P x˙ j ∂H/∂xj + y˙ j ∂H/∂yj = −x˙ i y˙ i + x˙ i y˙ i = 0. j=1
j=1
j=1
In der Himmelsmechanik betrachtet man zentral beschleunigte Bewegungen x ¨ = ϕ(x, x, ˙ t) · x, oder als System geschrieben x˙ = v,
v˙ = ϕ · x.
F¨ ur solche Systeme in R3 bleibt das Kreuzprodukt von x und v invariant, denn (x × v). = x˙ × v + x × v˙ = v × v + ϕ · x × x = 0. Das ist eine invariante Funktion mit Werten in R3 . Die L¨osung bleibt in der von x(0), v(0) bestimmten Ebene (wenn diese Vektoren linear unabh¨angig sind), und die Fl¨ache des von x, v bestimmten Parallelogramms bleibt konstant. Mit dem Dachprodukt erh¨alt man dasselbe in h¨oherer Dimension.
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes
81
Erhaltungss¨ atze, Umwandelbares und Bleibendes, sucht sich der Naturforscher durch starke Theoreme zu sichern. Das ist schließlich mehr ein Formprinzip des Geistes als ein Ergebnis der Erfahrung, denn das Erhaltene verfl¨ uchtigt sich in immer abstraktere Regionen: nicht die Person, nicht die Erde, nicht die Welt, aber die Energie — jedenfalls in der klassischen Mechanik. Uns sollen diese Begriffe zum Verst¨andnis des Vektorfeldes helfen, das unged¨ampfte, aber im allgemeinen nicht harmonische Schwingungen um eine Ruhelage beschreibt: Sei u eine C 2 -Funktion lokal um 0 ∈ Rn , und u(0) = Du(0) = 0 . Wir betrachten u als Potential, und studieren die Gleichung (2.4)
x ¨ = −grad u(x),
also als System erster Ordnung geschrieben: x˙ = y, y˙ = −grad u(x). Die Energie ist im wesentlichen u(x) + 12 |y|2 =: H(x, y), und in der Tat ist H ein erstes Integral: Dx H · x˙ + Dy H · y˙ = hgrad u, yi − hgrad u, yi = 0.
n
Angenommen das Potential u ist positiv definit, also etwa die Hessesche von u ist positiv definit im Ursprung, dann ist auch H = u + 12 |y|2 positiv definit, und bei festem H > 0 sind die Niveaufl¨ achen im Phasenraum durch |y|2 = 2(H − u(x))
gegeben. Im Falle der Dimension eins sind die L¨osungen dadurch schon fast bestimmt, die Niveaulinien sind geschlossene Kurven um den Ursprung im Phasenraum {(x, y)}, die L¨ osung verl¨ auft auf diesen Kurven, was ein Oszillieren um das Gleichgewicht bedeutet.
¨ ten und Integrale III. Singularita
82
Die Gleichung x˙ = y = Umkehrfunktion von
p p 2(H − u(x)), also dx/ 2(H − u(x)) = dt wird gel¨ost durch die Zx t = t0 +
dx/
p
2(H − u(x)).
x0
Auch in h¨oherer Dimension ist das System der Niveaufl¨achen konstanter Energie H durch eine Transformation einer Umgebung des Ursprungs lokal in das System konzentrischer √ Sph¨ aren, jeweils mit Radius H , zu u ¨berf¨ uhren. Jede Integralkurve bleibt auf ihrem Energieniveau, auf ihrer Sph¨are. Das folgt aus dem Morse-Lemma (Bd. 2, V, 3.1), wir kommen gleich nochmal darauf zur¨ uck. Man muß nur lokal die Funktion H in die Funktion 2 2 |x| + |y| transformieren. Sowie aber das eben betrachtete System eine kleine D¨ampfung erf¨ahrt: x˙ = y,
y˙ = −grad u(x) − µ · y,
µ > 0,
so wird H eine Ljapunof-Funktion, und der Ursprung ein asymptotisch stabiles Gleichgewicht: hgrad H, vi R2n = hgrad u, yi Rn + hy, −µy − grad ui Rn = −µ|y|2 . Qualitativ also gibt die lineare Schwingungsgleichung auch im allgemeinen das richtige Bild. Haben wir bisher zu einem gegebenen Vektorfeld ein erstes Integral gesucht, so findet man sich doch auch in der Situation, daß eine Funktion gegeben und ein Vektorfeld gesucht ist, deren erstes Integral sie ist, so daß also F auf den Flußlinien des zugeh¨origen lokalen Flusses Φ konstant ist, F ◦ Φt = F . Als Beispiel beweisen wir das Morselemma durch Vektorfeld-Argumente. Das demonstriert zugleich ein auch sonst hilfreiches Beweisprinzip. Wir betrachten der Einfachheit halber nur C ∞ -Funktionen, die in einer Umgebung des Ursprungs definiert sind, und eine Schreibweise wie f : ( Rn , 0) → R dr¨ ucke schon aus, daß alles u ¨ber f Behauptete nur f¨ ur eine geeignete Umgebung des Ursprungs gemeint ist. (2.5) Morselemma. Sei f : ( Rn , 0) → R eine lokal um den Ursprung definierte C ∞ Funktion, und es sei f (0) = Df (0) = 0 . Die Hesseform, also der 2-Jet q = j02 f am Ursprung, sei nicht ausgeartet. Dann existiert eine invertierbare lokale C ∞ -Transformation ϕ : ( Rn , 0) → ( Rn , 0) einer Umgebung des Ursprungs in eine Umgebung des Ursprungs, so daß Dϕ(0) = id und q = f ◦ ϕ. Mit anderen Worten: f sieht nach geeigneter Koordinatentransformation ebenso aus, wie seine Hesseform oder sein 2-Jet im Ursprung (die sich ja nur um den Faktor 2 unterscheiden).
§ 2. Integralmannigfaltigkeiten eines Vektorfeldes
83
Beweis: Wir schreiben f = q + g , so daß also q eine nicht ausgeartete quadratische Form ist und der 2-Jet von g im Ursprung verschwindet. Demnach ist n P (i) ∂q/∂xi = qij xj , det(qij ) 6= 0, j=1
denn (qij ) = (∂ 2 f /∂xi ∂xj ) ist ja die Hessematrix. Weil aber g von zweiter Ordnung verschwindet, ist nach dem Mittelwertsatz, Bd. 2, I, (5.2) P P (ii) ∂g/∂xi = βij xj , βij (0) = 0, g = γij xi xj , P
j
i,j
P n¨ amlich g = i ai xi , und ai (0) = ∂g/∂xi (0) = 0 , also ai = j γij xj . Dies behalten wir im Auge und betrachten jetzt auf Rn × R lokal um 0 × R die Funktion F (x, t) := ft (x) := q(x) + tg(x). Dann ist f0 = q , f1 = f , und wir wollen ein zeitabh¨angiges Vektorfeld w auf Rn × R , also ein Vektorfeld der Form
o w = (v1 , . . . , vn , 1) = (v, 1)
konstruieren, das die Achse t 7→ (0, t) als Flußlinie und F als erstes Integral hat. Ist Φ der Fluß eines solchen Feldes, so hat man (lokal um den Ursprung) die Transformation ϕ := Φ1 : Rn = Rn × 0 → Rn × 1 = Rn ,
ϕ(0) = 0,
welche f¨ ur x = 0, also f¨ ur kleine x definiert ist, und sie erf¨ ullt f0 = f1 ◦ (Φ1 | Rn × 0),
Rn × 0
also q = f ◦ ϕ.
−→ Rn × 1 Φ1
1
Die Bedingung an das gesuchte Feld, also an v ist P −∂F/∂t = ∂F/∂xj · vj , j
vj (0, t) = 0,
oder wenn wir Vektoren als Spaltentupel schreiben (iii)
−∂F/∂t = t(gradx F ) · v,
v(0, t) = 0.
t
¨ ten und Integrale III. Singularita
84
Nun sagen aber die Gleichungen (i), (ii) und die Definition von F ∂F/∂t = g = txGx, G = (γij ), gradx F = gradx q + t gradx g = Ax, A = (qij + tβij ), und weil (qij ) nicht ausgeartet und βij (0) = 0 ist, ist A(x, t) f¨ ur (x, t) in einer Umgebung von 0 × R invertierbar. Unsere Gleichung (iii) f¨ ur das gesuchte v lautet demnach − txGx = t(Ax) · v = txtAv,
v(0, t) = 0,
und wird durch v := −tA−1 Gx gel¨ost. ¨ Ubrigens sieht man leicht, daß die Variationsgleichung des Feldes w auf dem Orbit t 7→ (0, t) verschwindet, und daher ist Dϕ(0) = id, aber weil ja aus dem Formulierten ohnehin q ◦ Dϕ(0) = q folgt, k¨onnte man das durch lineare Transformation auch nachtr¨aglich erreichen.
§ 3. Implizite Differentialgleichungen Eine implizite Differentialgleichung erster Ordnung ist durch eine Abbildung F : D × U × V → Rn ,
(x, y, z) 7→ F (x, y, z)
gegeben. Dabei ist D ein offenes Intervall und U, V sind offen in Rn , und wir wollen stets annehmen, daß F stetig differenzierbar ist. Eine L¨ osung, und das macht die Abbildung erst zu einer Differentialgleichung, ist eine Kurve α , so daß (3.1)
F (x, α(x), α0 (x)) = 0,
und man notiert daher auch die Differentialgleichung in der Form F (x, y, y 0 ) = 0. Man fragt nach L¨osungen, nach der Struktur der Schar aller L¨osungen.
Hat man zun¨achst einen Punkt (x0 , y0 , z0 ) bestimmt, wo F (x0 , y0 , z0 ) = 0 ist, und ist an dieser Stelle det(Dz F ) 6= 0 , so kann man lokal die Gleichung F = 0 nach z aufl¨osen, (Bd. 2, II, 3.1). Sie ist lokal ¨aquivalent zu einer expliziten Gleichung z = G(x, y),
also y 0 = G(x, y),
u ¨ber deren Theorie wir bisher geredet haben.
Im allgemeinen darf man nicht erwarten, daß eine solche Aufl¨osung u ¨berall m¨oglich sein wird. Schon eher ist es vern¨ unftig vorauszusetzen, daß 0 ein regul¨arer Wert von F ist,
§ 3. Implizite Differentialgleichungen
85
und daher F = 0 eine Mannigfaltigkeit M der Dimension (n + 1) in D × U × V definiert. Die Bedingung det(Dz F ) 6= 0 beschreibt die Punkte aus M , die sich mit regul¨arer Tangentialabbildung auf D × U projizieren, so daß man lokal einem Punkt (x, y) ∈ D × U demnach ein z ∈ V differenzierbar so zuordnen kann, daß (x, y, z) ∈ M . Letztere Bedingung bedeutet ja F (x, y, z) = 0. Jedoch wird es u ¨ber einem Punkt (x, y) ∈ D × U dann auch mal mehrere z geben, so daß (x, y, z) ∈ M , also wird man mehrere L¨osungen durch einen Punkt finden.
p z = y0
y
M = {F = 0}
−−→ DF
singul¨arer Ort x
Im Falle n = 1 kann man fragen, ob etwa der singul¨ are Ort
{(x, y) | F (x, y, z) = Dz F (x, y, z) = 0 f¨ ur ein z } auch eine L¨osungskurve ist. Jedoch ist das unwahrscheinlich in einem Sinne, den man pr¨ azisieren kann. Um so beliebter ist dieser Fall in den Lehrb¨ uchern, und ein klassisches Beispiel ist die (3.2) Clairautsche Differentialgleichung. y = y 0 x + g(y 0 ). Sie besitzt als L¨osungsschar eine durch c parametrisierte Schar von Geraden y = cx + g(c), jeweils mit Steigung c und g(c) = y(0).
¨ ten und Integrale III. Singularita
86
Die Einh¨ ullende einer L¨osungsschar ist nat¨ urlich auch eine L¨osung, wenn sie unter der Projektion diffeomorphes Bild einer regul¨aren Kurve (d.h. eindimensionalen Untermannigfaltigkeit) im R3 der Parameter (x, y, c) ist. Sie hat ja in jedem Punkt dieselbe Tangente wie eine dort durchgehende L¨osung der Schar. Die Einh¨ ullende wird nach Bd. 2, II, (5.2) durch die Gleichungen F (x, y, c) := y − cx − g(c) = 0,
∂F/∂c(x, y, c) = 0
beschrieben. Und weil dieses, wenn man c durch z ersetzt, auch die Gleichungen des singul¨ aren Ortes sind, ist dieser eine L¨osung. Man rechnet sofort aus, daß die beiden Gleichungen die Parameterdarstellung x = −g 0 (c),
y = −cg 0 (c) + g(c)
q
der Enveloppe liefern, und setze nur ein!
y
x
Die Clairautsche Differentialgleichung beschreibt also, wenn der singul¨are Ort eine regul¨are Kurve ist, die Tangentenschar dieser Kurve. Viel typischer ist allerdings aus Gr¨ unden, die wir noch etwas n¨aher, wenngleich nicht vollkommen, beleuchten werden, daß die L¨osungen auf dem singul¨aren Ort senkrecht stehen. Bis auf stetig differenzierbare Transformation findet man fast u ¨berall das Bild der Differentialgleichung (3.3)
(y 0 )2 = x
r s
§ 3. Implizite Differentialgleichungen
87
3
mit den L¨osungen y = ± 23 x 2 + c und dem singul¨aren Ort x = 0.
y
x
3
Die beiden Zweige ± 23 x 2 + c der Neilschen Parabeln entsprechen den beiden Bl¨attern √ z = ± x der Fl¨ache M = {(x, y, z) | z 2 = x} die u ¨ber der (x, y)-Ebene in der Faltenlinie x = 0 zusammenkommen. z
y
M
x
Nur an isolierten Punkten des singul¨aren Ortes haben im allgemeinen die L¨osungen der Differentialgleichung gleiche Tangente wie der singul¨are Ort. Typisch sind die folgenden Beispiele:
88
(3.4) Der Sattel: x2 − (y 0 )2 + y = 0 . Singul¨ arer Ort y = −x2 .
(3.5) Der Knoten: x2 + (y 0 )2 + 8y = 0 . Singul¨ arer Ort 8y = −x2 .
(3.6) Die Spirale: x2 + (y 0 )2 + y = 0 . Singul¨ arer Ort y = −x2 .
¨ ten und Integrale III. Singularita
§ 3. Implizite Differentialgleichungen
89
Nicht umsonst erinnern diese Namen an die entsprechenden in der Theorie der ebenen, insbesondere der linearen ebenen Differentialgleichungen. Wie dies zusammenh¨angt, und wie man die L¨osungen der impliziten Differentialgleichungen erster Ordnung findet, wollen wir jetzt angeben, wenngleich diese Gedanken erst in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung wirklich ausgef¨ uhrt werden. Die implizite Differentialgleichung F auf D × U × V liefert auf naheliegende Weise ein Vektorfeld auf D × U × V , und zwar so, daß M = {F = 0} eine Integralmannigfaltigkeit dieses Vektorfeldes ist, und daß die L¨osungen sich bei Projektion auf D × U auf L¨ osungskurven der impliziten Gleichung F abbilden. Das gesuchte Vektorfeld ist x˙ = 1, y˙ = z, zwei sehr nahe liegende Gleichungen, die erste sagt dx = dt , die zweite dy/dt = y 0 . Die Gleichung f¨ ur z˙ wird jetzt dadurch bestimmt, daß F ein erstes Integral werden soll. Das n¨ amlich bedeutet ∂F/∂x · x˙ + Dy F · y˙ + Dz F · z˙ = 0. Also falls Dz F regul¨ ar ist, mit den schon gefundenen Gleichungen z˙ = −(Dz F )−1 (∂F/∂x + Dy F · z). Dieses Feld ist nur definiert, wo Dz F regul¨ar ist. Aber wir helfen dem ab, indem wir das Feld mit der Funktion det(Dz F ) multiplizieren. F¨ ur die L¨osungskurven entspricht dies einer Parametertransformation, und entsprechend erhalten wir durch Projektion eine Parameterdarstellung der L¨osungen von F . Wir erinnern uns aus der linearen Algebra an die Cramersche Regel e (adjungierte Matrix), det(A) · A−1 = A und erhalten also auf D × U × V (3.7) Das charakteristische Vektorfeld. x˙ = det(Dz F ), y˙ = (det Dz F ) · z, z˙ = −(Dz F )∼ · (∂F/∂x + Dy F · z). Man nennt es auch das Hamiltonsche Vektorfeld. Die Gedanken, die zu seiner Konstruktion gef¨ uhrt haben, best¨atigen sich in folgendem (3.8) Satz. Eine Integralkurve dieses Feldes, die in M beginnt, verbleibt in M und projiziert sich auf eine L¨osungskurve von F (x, y, y 0 ) = 0 , und jede L¨osungskurve außerhalb des singul¨aren Ortes erh¨alt man so.
¨ ten und Integrale III. Singularita
90
Beweis: Die erste Behauptung ist evident, ist (x(t), y(t), z(t)) eine Integralkurve der zun¨ achst aufgestellten drei Gleichungen, so ist x = t , y˙ = dy/dx = z , und weil F ein erstes Integral ist, ist auf der ganzen Kurve F (x, y, y 0 ) = F (t, y(t), z(t)) = 0 . Hat man umgekehrt eine L¨osungskurve α von F außerhalb des singul¨aren Ortes, so wird behauptet, daß t 7→ (t, α(t), α(t)) ˙ die drei obigen Gleichungen erf¨ ullt. Die ersten beiden sind offenbar erf¨ ullt, t˙ = 1, α(t) ˙ = α(t). ˙ Jedenfalls verl¨ auft die angegebene Kurve auch in M , und auf M ist das Hamiltonsche Feld durch die beiden ersten Komponenten und die Tatsache, daß es tangential zu M ist, bestimmt, weil die Projektion M → D × U in Punkten, wo Dz F regul¨ar ist, einen Isomorphismus T M → T (D × U ) induziert, es gibt eine lokale Umkehrung.
Die singul¨aren Punkte des Hamiltonschen Feldes auf M liegen alle u ¨ber dem singul¨aren Ort von F , denn es ist nur dort det(Dz F ) = 0. e = 1, und die Wir wollen noch den Fall n = 1 n¨aher betrachten. Hier ist u ¨brigens A Hamiltonschen Gleichungen lauten x˙ = ∂F/∂z, y˙ = ∂F/∂z · z, z˙ = −∂F/∂x − ∂F/∂y · z. Diese Gleichungen verschwinden wie gesagt nur, wo ∂F/∂z = 0 ist, und dort ist der Normalvektor DF auf M parallel zur (x, y)-Ebene D × U . Außerdem muß aber z˙ = 0 sein, das heißt ∂F/∂x + z · ∂F/∂y = 0. Also in R2 h(1, z), (∂F/∂x, ∂F/∂y)i = 0, also der Tangentialvektor an die zugeh¨orige L¨osung (1, z) = (1, y 0 ) der impliziten Gleichung steht senkrecht auf dem Vektor (∂F/∂x, ∂F/∂y) . Dieser Vektor ist der Normalvektor des singul¨ aren Ortes, falls die Projektion M → D × U noch den Rang 1 hat. Mit anderen Worten: Der singul¨are Ort ist tangential zur L¨osung, wo das Hamiltonsche Feld singul¨ar ist, und nur dort. Nun ist das Hamiltonsche Feld im allgemeinen nur an isolierten Punkten singul¨ ar, und weil es ja hier auf das Vektorfeld auf der Fl¨ache M ankommt, liegt es nahe zu vermuten, daß die Singularit¨aten meist unsere alten Bekannten — Sattel, Knoten, Spirale sind. Um die Singularit¨aten des Hamiltonschen Feldes in den obigen Beispielen zu studieren, projizieren wir M lokal diffeomorph auf die (x, z)-Ebene. Die Beispiele sind so hingelegt,
§ 3. Implizite Differentialgleichungen
91
daß die y-Richtung im singul¨aren Punkt des Hamiltonfeldes senkrecht auf M , n¨amlich senkrecht auf dem singul¨aren Ort steht. Hamiltonfeld
Projektion
x˙ = −2z, Sattel:
2
y˙ = −2z ,
. x 0 =− z 2
2 x · 1 z
z˙ = −2x − z, x˙ = 2z, Knoten:
2
y˙ = 2z ,
. x 0 = z −2
2 x · −8 z
. x 0 = z −2
2 x · −1 z
z˙ = −2x − 8z, x˙ = 2z, Spirale:
2
y˙ = 2z , z˙ = −2x − z,
Es sei dem Leser u ¨berlassen zu pr¨ ufen, daß auf der rechten Seite immer die linearen Singularit¨ aten mit dem zugeh¨origen Namen stehen. F¨ ur die Spirale m¨oge ein Bild die Verh¨altnisse noch einmal verdeutlichen:
¨ ten und Integrale III. Singularita
92
Man erkennt nebenher, daß man die L¨osungen der Hamiltongleichungen wirklich ausrechnen, und damit auch die L¨osungen der impliziten Differentialgleichung durch allerlei Formeln explizit angeben kann. ¨ Ubrigens weist schon das erste Bild dieses Abschnitts darauf hin, daß der singul¨are Ort im allgemeinen nicht glatt ist, und mit Vorliebe Spitzen aufweist, wo das L¨osungsverhalten dadurch kompliziert wird, daß drei L¨osungsscharen zusammenkommen. Typische Bilder:
tu
Sie kommen dadurch zustande, daß der glatte regul¨are Hamiltonfluß auf M bei Projektion auf die D × U -Ebene u ¨bereinandergefaltet wird, wie das Gewebe beim Abn¨aher eines Kleides. Die hier immer etwas vage ausgesprochenen Bemerkungen, daß diese Bilder “typisch” sind, und daß die Beispiele zeigen, was man “im allgemeinen” finden oder nicht finden wird, lassen sich pr¨azise fassen und beweisen, jedoch br¨auchte das Vorbereitung. Wenden wir unsere allgemeine Einsicht zum Schluß auf einen klassischen Fall an: (3.10) D’Alembertsche Differentialgleichung. y − g(y 0 )x − f (y 0 ) = 0. Die Clairautsche ist der Spezialfall g(y 0 ) = y 0 . Das Hamiltonfeld ist x˙ = −(g 0 (z)x + f 0 (z)), y˙ = −z(g 0 (z)x + f 0 (z)), z˙ = g(z) − z. Im Clairautschen Fall ist z˙ = 0 woraus sich die regul¨aren L¨osungen ergeben. Jedenfalls kennen wir die letzte Gleichung. Wenn man darf, schreibe man daf¨ ur 1 dt = dz g(z) − z und integriere, l¨ose die nach Einsetzen von z(t) lineare erste Differentialgleichung und integriere noch einmal. Das Rechnen muß man selbst u ¨ben, man kann es nicht im Vortrag aufnehmen. Auch sonst haben wir nicht etwa von allem das Wichtigste gebracht, oder auch nur den Anfang. Doch wir eilen neuen Zielen zu.
Kapitel IV
Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
He had bought a large map representing the sea, Without the least vestige of land: And the crew were much pleased when they found it to be A map they could all understand. Carroll
Wir haben im zweiten Band schon u ¨ber n-dimensionale Untermannigfaltigkeiten des R gesprochen, aber wenn man dabei stehenbleibt, so sieht man sich auf die Dauer allzusehr behindert: Wir werden die Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und differenzierbaren Abbildungen beschreiben. Nur so zeigt sich die Nat¨ urlichkeit, das Funktorielle der globalen Analysis, und erst dadurch werden viele sehr konkrete Anwendungen formulierbar. In den ersten beiden Paragraphen erinnern wir an Redeweisen der allgemeinen Topologie und an grundlegende Formeln der Integralrechnung f¨ ur Funktionen n auf dem R . Dann beschreiben wir differenzierbare Mannigfaltigkeiten und ihre Tangentialr¨ aume. Schließlich konstruieren wir glatte Partitionen der Eins auf Mannigfaltigkeiten ¨ als allgegenw¨ artiges Hilfsmittel des Ubergangs vom Lokalen zum Globalen. n+k
§ 1. Mengenlehre Ich erinnere an den Begriff eines topologischen Raumes (vergl. Bd. 1, VI, § 4 — 8). Ein topologischer Raum besteht aus einer Menge X und einer Topologie auf X . Die Topologie besteht aus einer Menge O von Teilmengen von X , die offen heißen. Man fordert: (1.1) Axiome der Topologie. Die leere Menge und X sind offen. Beliebige Vereinigungen und endliche Durchschnitte offener Mengen sind offen. Ist X ein topologischer Raum und p ∈ X , so heißt eine Teilmenge V ⊂ X eine Umgebung von p, wenn es eine offene Menge U mit p ∈ U ⊂ V gibt. Der Raum X heißt hausdorffsch, wenn verschiedene Punkte von X stets disjunkte Umgebungen besitzen.
94
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Wir werden nur hausdorffsche R¨aume betrachten. Man spricht auch von Umgebungen V ⊂ X einer Teilmenge P ⊂ X ebenso wie f¨ ur einen Punkt, wenn es eine offene Menge U mit P ⊂ U ⊂ V gibt. ¨ Ein hausdorffscher topologischer Raum X heißt kompakt, wenn jede offene Uberdekkung von X eine endliche Teil¨ uberdeckung besitzt. F¨ ur einen kompakten Raum gelten wesentlich st¨arkere Trennungseigenschaften: Ein hausdorffscher Raum X heißt regul¨ ar, wenn jede abgeschlossene Teilmenge A ⊂ X und jeder Punkte p ∈ X rA disjunkte Umgebungen besitzen, und er heißt normal, wenn je zwei disjunkte abgeschlossene Teilmengen ¨ disjunkte Umgebungen besitzen. Durch Ubergang zu Komplementen erh¨alt man, daß ein hausdorffscher Raum genau dann regul¨ar ist, wenn jede (offene) Umgebung jedes Punktes p eine abgeschlossene Umgebung enth¨alt. (1.2) Satz. Kompakte R¨aume sind normal. Beweis: Wir zeigen zun¨achst, daßsie regul¨ar sind. Sei also X kompakt, p ∈ X und A abgeschlossen in X mit p 6 ∈ A. Wie erinnerlich, ist auch A kompakt. Weil X hausdorffsch ist, k¨onnen wir zu jedem q ∈ A disjunkte Umgebungen Uq von p und Vq von q finden. Endlich viele dieser Vq u ¨berdecken A . Ihre Vereinigung ist eine Umgebung V von A , und der Durchschnitt der zugeh¨origen endlich vielen Uq die dazu disjunkte Umgebung U des Punktes p. Jetzt wiederholen wir denselben Schluß mit einer zu A fremden abgeschlossenen Teilmenge P statt p , wobei wir den ersten Teil schon auf P und q ∈ A anwenden k¨onnen, und erhalten disjunkte Umgebungen von P und A . Ein hausdorffscher topologischer Raum heißt lokal kompakt, wenn jeder Punkt eine kompakte Umgebung besitzt. Aus einem lokal kompakten Raum X macht man durch Hinzunahme eines neuen Punktes ∞ einen kompakten Raum X ∞ = X ∪ {∞}, die Alexandroff-Kompaktifizierung. Eine Teilmenge U ⊂ X ∞ ist genau dann offen, wenn ihr Schnitt mit X offen in X ist und, falls ∞ ∈ U , noch das Komplement einer kompakten Teilmenge von X in U liegt. Die Umgebungen von ∞ sind also die Mengen, die ∞ und das Komplement eines Kompaktums von X enthalten. Durch diese Konstruktion kann man manche Aussagen von kompakten auf lokal kompakte R¨aume u ¨bertragen, zum Beispiel: (1.3) Bemerkung. Lokal kompakte R¨aume sind regul¨ar. Beweis: In der Tat, Unterr¨ aume regul¨arer R¨aume sind regul¨ar.
§ 1. Mengenlehre
95
Eine stetige Abbildung f : X → Y lokal kompakter R¨aume heißt eigentlich, wenn die Urbilder f −1 (K) kompakter Teilmengen K ⊂ Y stets kompakt sind. Das heißt gerade, daß die Fortsetzung f ∞ : X ∞ → Y ∞, ∞ 7→ ∞, von f auch stetig (im Punkt ∞) ist. Durch diese Beschreibung sieht man: (1.4) Bemerkung. Eine eigentliche Bijektion zwischen lokal kompakten R¨aumen ist ein Hom¨ oomorphismus. Beweis: Ist f : X → Y die Bijektion, so ist f ∞ : X ∞ → Y ∞ eine stetige Bijektion kompakter R¨aume, also ein Hom¨oomorphismus (Bd. 1, VI, 7.4). Um die Topologie eines Raumes X festzulegen, braucht man nicht alle offenen Mengen anzugeben, ja wenn man eine beliebige Familie S von Teilmengen von X als offen auszeichnet, so gibt es eine wohlbestimmte von S erzeugte Topologie auf X , deren offene Mengen die beliebigen Vereinigungen endlicher Durchschnitte von Mengen aus S sind. F¨ ur Induktionsargumente ist es g¨ unstig, wenn die Topologie durch Angabe von abz¨ahlbar vielen offenen Mengen beschrieben werden kann. Sei X ein topologischer Raum. Eine Menge B offener Mengen von X heißt eine Basis der Topologie von X , wenn jede offene Menge von X eine Vereinigung von Mengen aus B ist. Wir werden R¨aume betrachten, die eine abz¨ahlbare Basis der Topologie besitzen. (1.5) Satz. Ein metrischer Raum besitzt genau dann eine abz¨ahlbare Basis der Topologie, wenn er eine abz¨ahlbare dichte Teilmenge enth¨alt. Beweis: W¨ ahlt man in jeder nicht leeren Menge der Basis B des Raumes X einen Punkt aus, so erh¨alt man eine dichte Teilmenge T , denn jede nicht leere offene Menge muß T treffen. Ist umgekehrt T eine abz¨ahlbare dichte Teilmenge, so sieht man leicht, daß die offenen Kugeln um Punkte aus T mit rationalem Radius K(t, ε) = {x | d(x, t) < ε}, eine Basis von X bilden.
t
∈
T,
ε
∈
Q+ ,
Auch Teilr¨ aume eines Raumes X mit abz¨ahlbarer Basis haben eine abz¨ahlbare Basis, durch Schnitt der Basismengen von X mit dem Teilraum. So haben insbesondere alle Teilr¨ aume von Rn eine abz¨ahlbare Basis, weil Rn die dichte Teilmenge Qn hat.
96
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
(1.6) Satz. Hat der topologische Raum X eine abz¨ahlbare Basis, so besitzt jede offene ¨ Uberdeckung von X eine abz¨ahlbare Teil¨ uberdeckung. ¨ Beweis: Sei (Uλ | λ ∈ Λ) die offene Uberdeckung und (Vn | n ∈ N ) die Familie derjenigen Mengen der Basis, die jeweils in einer der Mengen Uλ liegen. Die Vn , n ∈ N , u ¨berdecken X , weil ja jedes Uλ eine Vereinigung von gewissen Vn ist. W¨ahle nun zu jedem n ∈ N ein λ = λ(n) mit Vn ⊂ Uλ(n) , dann ist (Uλ(n) | n ∈ N ) die gesuchte abz¨ ahlbare Teil¨ uberdeckung. ¨ Diese Uberdeckungseigenschaft erinnert nicht nur ¨außerlich an die der kompakten to¨ pologischen R¨aume. Sp¨ater werden wir es mit abz¨ahlbaren und lokal endlichen Uberdeckungen (Uλ | λ ∈ Λ) zu tun haben; das heißt, jeder Punkt hat eine Umgebung, die nur endlich viele Uλ trifft. Soviel zur Erinnerung an topologische Redeweisen. Im u ¨brigen verweisen wir auf die Erkl¨ arungen am Ende des ersten Bandes.
§ 2. Lokale Integralrechnung Wenngleich die feineren Techniken der Lebesgueschen Integrationstheorie, die wir im zweiten Band erkl¨art haben, ein unumg¨angliches Hilfsmittel der Analysis sind, ist das folgende doch bei viel geringeren Vorkenntnissen zu verstehen. Alles Technische, wie insbesondere die Voraussetzungen an die “Partitionen der Eins”, haben wir so eingerichtet, daß auch das Riemann-Integral allen Anspr¨ uchen gen¨ ugt. Wir fassen nun zusammen, was n man u ¨ber ein Integral von Funktionen auf dem R wissen sollte. Zu einem solchen Integral geh¨ort zun¨achst ein reeller Vektorraum F reeller Funktionen f : Rn → R , der Raum der integrablen Funktionen. Im Falle des Riemannintegrals besteht F aus den beschr¨ ankten fast u ¨berall stetigen Funktionen mit kompaktem Tr¨ ager. Dies letztere bedeutet, daß die Funktionen außerhalb einer kompakten Menge verschwinden. Zur Erinnerung: Eine Teilmenge A ⊂ Rn heißt d¨ unn, oder fast alle x ∈ Rn liegen nicht in A , wenn es zu jedem ε > 0 eine Folge von W¨ urfeln Wk ⊂ Rn gibt, so daß S∞ A ⊂ k=1 Wk , und so daß die Summe der Volumina der Wk kleiner als ε ist. Bei den Riemann-integrablen Funktionen ist in diesem Sinne die Menge der Unstetigkeitspunkte d¨ unn.
§ 2. Lokale Integralrechnung
97
Es wird gen¨ ugen, wenn F im folgenden die genannten Funktionen jedenfalls enth¨ alt. Das Integral ist dann ein monotones lineares Funktional auf F , also eine Abbildung Z Z Z : F → R, f 7→ f =: f (x) dx1 · · · dxn , Rn
Rn
so daß gilt R R R (i) (λf + µg) = λ f + µ g f¨ ur λ, µ R R (ii) Aus f ≤ g folgt f ≤ g .
∈
Rn
R.
Auch braucht man eine Normierung, wie etwa die folgende: Ist f die charakteristische R Funktion eines achsenparallelen W¨ urfels im Rn , so ist f das elementare Volumen (Produkt der Seitenl¨angen) des W¨ urfels. Die charakteristische Funktion χA einer Teilmenge A ⊂ Rn ist definiert durch 1 f¨ ur x ∈ A, χA (x) = 0 f¨ ur x ∈ 6 A. R R R Man definiert A f := Rn χA · f und voln (A) = Rn χA . Beides ist freilich nur definiert, wenn die Funktionen χA bzw. f · χA integrabel sind. Allein aus dem Gesagten folgt schon die Absch¨atzung Z Z | f | ≤ |f | ≤ sup(|f |) · voln (A) A
A
und insbesondere die (2.1) Stetigkeit des Integrals. Ist K ⊂ Rn kompakt und konvergiert die Folge (fn : K → R) gleichm¨ aßig gegen die (integrable) Funktion f : K → R , so ist Z Z lim fn = f. n→∞
Dies gilt von jedem auch noch so bescheidenen Integral, und die Grenzfunktion f ist auch f¨ ur die gel¨aufigen Integrale von selbst wieder integrabel. Die beiden wichtigsten S¨atze zur Berechnung mehrdimensionaler Integrale, wie auch zum Verst¨andnis des folgenden, sind der Satz von Fubini und die Transformationsformel. ¨ Beim Satz von Fubini zeigt das Lebesgue-Integral schon seine Uberlegenheit, aber uns gen¨ ugt die folgende sehr schwache Aussage (vergl. Bd. 2, IV, 1.6). (2.2) Folgerung aus dem Satz von Fubini. Sei A ⊂ Rn , B ⊂ Rm und die Funktion f : A × B → R sei integrabel als Funktion von n + m Variablen. F¨ ur jedes x ∈ A sei auch
98
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
die durch fx (y) := f (x, y) definierte Funktion von m Variablen fx : B → R integrabel. Dann ist auch die Funktion von n Variablen Z u : A → R, x 7→ fx (y) dy B
integrabel, und es gilt Z
Z f=
A×B
A
Z Z u(x) dx =: ( f (x, y) dy) dx. A
B
Dieser Satz rechtfertigt auch die Schreibweise eines Integrals auf dem Rn als iteriertes eindimensionales Integral Z f (x) dx1 . . . dxn .
Das wichtigste lokale Ergebnis f¨ ur alles folgende ist die Transformationsformel f¨ ur Integrale (vergl. Bd. 2, IV, 2.2). Ist ϕ eine differenzierbare Transformation, so ist die Ableitung Dϕ an jeder Stelle als lineare Abbildung die lineare Approximation von ϕ , und die Determinante det Dϕ gibt an, wie sich ein Volumen (etwa des Einheitsw¨ urfels) bei dieser linearen Abbildung ver¨ andert. Wenn man sich nun vorstellt, daß eine differenzierbare Abbildung sich im Kleinen etwa linear verh¨alt, kommt man zu der
(2.3) Transformationsformel. Sei U offen in Rn und sei ϕ : U → Rn injektiv, stetig differenzierbar, und die Jacobideterminante det Dϕ(x) verschwinde in keinem Punkt x ∈ U . Ist dann f : ϕ(U ) → R integrabel, so ist Z Z f ◦ ϕ(x) · | det Dϕ(x)| dx = f (y) dy. U
ϕU
§ 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
99
Hieraus folgt zum Beispiel die Invarianz des Integrals unter Bewegungen: ϕ : Rn → Rn eine Bewegung, so ist Z Z f ◦ϕ= f,
Ist
U
ϕU
denn | det Dϕ| = | det ϕ| = 1. Die Determinante kann man schon aus ihren algebraischen Eigenschaften als orientiertes Volumen des n-Spates ihrer Spalten deuten: Sie ist eine alternierende n-Form. Ihr Auftreten in der Transformationsformel ist der Grund f¨ ur die Bedeutung der alternierenden Formen in der Analysis. In Rechnungen notiert man die Transformationsformel, indem man schreibt: y = ϕ(x), dy = dy1 . . . dyn = | det Dϕ| · dx = | mit
∂(y1 , . . . , yn ) | · dx1 . . . dxn , ∂(x1 , . . . , xn )
∂(y1 , . . . , yn ) := det Dϕ. ∂(x1 , . . . , xn )
Die Transformationsformel beschreibt, wie Integranden bei krummlinigen Koordinaten¨ transformationen zu transformieren sind. Sie ist der eigentliche Schl¨ ussel beim Ubergang vom Lokalen zum Globalen, von offenen Mengen im Rn zu Mannigfaltigkeiten. Alles folgende, wenn man will, ist eine Meditation u ¨ber die Transformationsformel.
§ 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Wir werden f¨ ur die Definition differenzierbarer Strukturen und auch sp¨ater vielfach ∞ glatte, also C -differenzierbare Abbildungen zugrundelegen; nicht daß diese Voraussetzung immer notwendig w¨are — man k¨ame wohl meist mit zweimal stetig differenzierbaren Abbildungen aus — aber wir suchen m¨oglichst glatte Formulierungen, und man kann sich
100
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
allgemein u ¨berlegen, daß so nichts Wesentliches verlorengeht. So wollen wir jetzt die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten vorstellen, auf denen sich im folgenden alles analytische Leben abspielen wird.
Definition. Eine n-dimensionale (topologische) Mannigfaltigkeit M n ist ein HausdorffRaum mit abz¨ahlbarer Basis der Topologie, der lokal euklidisch ist. Dies bedeutet, daß es zu jedem Punkt p ∈ M eine offene Umgebung U von p und einen Hom¨oomorphismus h : U → U0 mit einer offenen Menge U 0 ⊂ Rn gibt. Ein solcher Hom¨oomorphismus (h, U ) heißt Karte oder lokales Koordinatensystem von M um p mit dem Kartengebiet U .
Die Dimension dim M = n ist zwar tats¨achlich durch den topologischen Raum M schon bestimmt, wenn M nicht leer ist, aber f¨ ur uns geh¨ort zur Struktur einer Mannigfaltigkeit stets die Angabe einer Dimension, also eines Rn , in dem die Karten landen. Oft, aber nicht immer, notieren wir die Dimension als Exponent, wie hier in der Definition. Eine Menge {(hλ , Uλ ) | λ ∈ Λ} von Karten heißt Atlas von M , wenn (Uλ | λ ∈ Λ) eine ¨ Uberdeckung von M ist. W¨ahlt man einen Atlas f¨ ur M , so kann man lokale Betrachtungen in der Umgebung eines Punktes p ∈ M stets mit Hilfe der Karte h : U → U 0 durch lokale Betrachtung um h(p) ∈ U 0 ⊂ Rn ersetzen, die Mannigfaltigkeit sieht lokal so aus wie der euklidische Raum Rn . Nat¨ urlich kann man die Karte h so einrichten, daß h(p) = (0, . . . , 0) 0 und U eine Umgebung des Ursprungs in Rn ist. F¨ ur kleine x ∈ Rn entspricht dann verm¨ oge der Karte h jedem x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn eindeutig ein Punkt h−1 (x) ∈ M , und so wird eine Umgebung von p durch euklidische Koordinaten beschrieben. Man bezeichnet daher auch die Karte selbst gern mit x = (x1 , . . . , xn ) : U → U 0 ⊂ Rn ,
§ 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
101
und durch diese Karte entspricht dann jedem reellen n-Tupel in U 0 ⊂ Rn eindeutig ein Punkt in U ⊂ M , der n¨amlich, dessen Koordinaten (x1 , . . . , xn ) als Wert das n-Tupel haben. Freilich gibt es im allgemeinen in einem Atlas viele Karten, deren Gebiet den Punkt p enth¨ alt, und wenn man eine Erkl¨arung bez¨ uglich einer Karte gegeben hat, muß man u ¨berlegen, was bei Kartenwechsel geschieht: Seien (hλ , Uλ ) und (hµ , Uµ ) Karten von M , dann ist auf hλ (Uλ ∩ Uµ ) die Abbildung hλµ := hµ ◦ h−1 λ : hλ (Uλ ∩ Uµ ) → hµ (Uλ ∩ Uµ ) definiert. Sie heißt Kartenwechsel zwischen hλ und hµ .
Der Kartenwechsel gibt an, wie man von einer Karte, einem lokalen Koordinatensystem, zum anderen u ¨bergeht. Offenbar gilt hλλ = idUλ0 ,
hµν ◦ hλµ = hλν ,
also hλµ = h−1 µλ ,
wo die jeweiligen Abbildungen definiert sind. Alles Lokale in einer Mannigfaltigkeit kann man mit lokalen Koordinaten beschreiben. ¨ Der Kartenwechsel sagt, was beim Ubergang von einem Koordinatensystem zum anderen geschieht. Ein Atlas heißt differenzierbar, wenn alle seine Kartenwechsel C ∞ -differenzierbar sind. Sie sind dann Diffeomorphismen, weil h−1 λµ = hµλ . Ist A = {(hλ , Uλ ) | λ ∈ Λ} ein differenzierbarer Atlas f¨ ur M , und (h, U ) eine Karte f¨ ur M , die vielleicht nicht zu A geh¨ ort, so heiße sie differenzierbar, wenn alle Kartenwechsel −1 hλ ◦h−1 , h◦hλ mit Karten aus A C ∞ -differenzierbar sind. Der Atlas D = D(A) enthalte dann alle bez¨ uglich A differenzierbaren Karten. (3.1) Bemerkung. Der Atlas D aller bez¨ uglich A differenzierbaren Karten ist der eindeutig bestimmte maximale differenzierbare Atlas, der A enth¨alt, und sind A, B differenzierbare Atlanten, so ist D(A) = D(B) genau wenn A ∪ B differenzierbar ist.
102
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Beweis: Der Atlas D ist differenzierbar. Seien n¨amlich (h, U ) und (k, V ) in D . Man muß pr¨ ufen, ob der Kartenwechsel k ◦ h−1 differenzierbar ist. Dies muß man in der Umgebung jedes Punktes aus h(U ∩ V ) pr¨ ufen. Aber p ∈ U ∩ V liegt auch im Gebiet −1 einer Karte (hλ , Uλ ) von A, und lokal um h(p) ist k ◦ h−1 = (k ◦ h−1 ) eine λ ) ◦ (hλ ◦ h Zusammensetzung differenzierbarer Abbildungen.
Offenbar ist der Atlas D maximal u ¨ber A , er kann nicht durch weitere Hinzunahme von Karten als differenzierbarer Atlas vergr¨oßert werden. Definition. Eine differenzierbare Struktur auf einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit M ist ein maximaler differenzierbarer Atlas D auf M . Eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit ist eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit zusammen mit einer differenzierbaren Struktur f¨ ur diese Mannigfaltigkeit. Wir werden nur noch mit differenzierbaren Mannigfaltigkeiten zu tun haben. Wir setzen daher von jeder Karte und jedem Atlas voraus, daß sie differenzierbar sind, und bezeichnen die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten mit einem Buchstaben M, N, . . . ohne den Atlas zu nennen. Wenn man eine differenzierbare Struktur durch einen Atlas angeben will, wird man nat¨ urlich nicht versuchen, einen maximalen Atlas explizit zu beschreiben, sondern man wird vielmehr einen m¨oglichst kleinen Atlas nennen, der ja dann einen maximalen eindeutig festlegt. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind die Objekte, die wir betrachten, und ihre Abbildungen sind Differenzierbare Abbildungen. Eine stetige Abbildung f : M → N differenzierbarer Mannigfaltigkeiten heißt C k -differenzierbar im Punkt p ∈ M , wenn f¨ ur eine (und damit jede) Karte (h, U ) um p und (k, V ) um f (p) die Zusammensetzung k ◦ f ◦ h−1 lokal um h(p) entsprechend C k -differenzierbar ist. Sie ist lokal um h(p) , n¨amlich auf h(U ∩ f −1 V ) definiert.
§ 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
103
Daß diese Definition von der Wahl der Karten nicht abh¨angt, liegt gerade daran, daß die Kartenwechsel alle C ∞ -differenzierbar sind. Die Abbildung f heißt differenzierbar, wenn sie an jeder Stelle p ∈ M differenzierbar ist, und diffeomorph, wenn f −1 existiert und auch differenzierbar ist. Diese Erkl¨arungen sind sinnvoll f¨ ur C k -Abbildungen mit beliebigem k und auch f¨ ur nur einmal (bei p ∈ M ) differenzierbare Abbildungen. Diffeomorphe Mannigfaltigkeiten haben gleiche Dimension, es sei denn, es handelt sich um die leere Mannigfaltigkeit. Das zeigt der Satz u ¨ber die Umkehrabbildung. Sind die Abbildungen f : M → N, g : N → L k-mal stetig differenzierbar, so auch die Zusammensetzung g◦f : M → L, und id : M → M ist differenzierbar. Die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten und differenzierbaren Abbildungen bilden eine Kategorie.
Ein offenbares Beispiel f¨ ur eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist jede offene Menge n U ⊂ R mit dem Atlas, der nur die eine Karte id : U → U enth¨alt (und dem zugeh¨origen maximalen Atlas). Viele weitere Beispiele erh¨alt man durch die grundlegenden Prinzipien der Konstruktion von Untermannigfaltigkeiten, Produkten von Mannigfaltigkeiten, Summen von Mannigfaltigkeiten und Quotientenmannigfaltigkeiten.
Untermannigfaltigkeiten. Sei M n eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Teilmenge N ⊂ M heißt eine k-dimensionale , (n − k)-kodimensionale, Untermannigfaltigkeit von M , wenn es um jeden Punkt p ∈ N eine differenzierbare Karte von M h : U → U 0 ⊂ Rk × Rn−k = Rn gibt, so daß h(U ∩ N ) = U 0 ∩ Rk , wobei wir wieder Rk := Rk × 0 ⊂ Rk × Rn−k = Rn setzen.
104
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Offenbar ist N als Teilraum von M hausdorffsch mit abz¨ahlbarer Basis, und aus den Karten h der Definition erh¨alt man Karten h | U ∩ N : U ∩ N → U 0 ∩ Rk , die einen differenzierbaren Atlas auf N erkl¨aren. Die Inklusion N ,→ M ist differenzierbar und wird in geeigneten lokalen Koordinaten durch die Inklusion Rk ,→ Rn beschrieben. Eine Abbildung f : N → M differenzierbarer Mannigfaltigkeiten heißt eine Einbettung, wenn f (N ) ⊂ M eine differenzierbare Untermannigfaltigkeit, und f : N → f (N ) diffeomorph ist. Insbesondere sind die in (Bd. 2, II, § 3) erkl¨arten Untermannigfaltigkeiten des Rn in unserem Sinne Beispiele differenzierbarer Mannigfaltigkeiten. Ist also U offen in Rn und f : U → Rk C ∞ -differenzierbar, und ist a ∈ Rk ein regul¨arer Wert von f , so ist f −1 {a} ⊂ U eine k-kodimensionale Untermannigfaltigkeit von U und damit von Rn . Die n-dimensionalen Untermannigfaltigkeiten einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit sind gerade die offenen Teilmengen. Produkte. Gegeben seien die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M m und N n , dann ist das Produkt M × N als Raum das topologische Produkt, und ein differenzierbarer Atlas ist durch folgende Karten gegeben: Sind h : U → U 0 ⊂ Rm
und k : V → V 0 ⊂ Rn
differenzierbare Karten von M und N , so ist h × k : U × V → U 0 × V 0 ⊂ Rm × Rn = Rm+n eine differenzierbare Karte von M × N . Der Atlas dieser Karten definiert die differenzierbare Struktur auf M × N . Eine Abbildung f = (f1 , f2 ) : L → M × N ist genau dann differenzierbar, wenn beide Komponenten differenzierbar sind. F¨ ur die Stetigkeit ist uns das bekannt, und dann l¨auft die Behauptung lokal in Koordinaten darauf hinaus, daß eine Abbildung U → Rm × Rn f¨ ur eine offene Menge U ⊂ R` genau dann differenzierbar ist, wenn die Komponenten
§ 3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
105
differenzierbar sind, was wir wissen. Also wenn C k ( , ) die Menge der C k -differenzierbaren Abbildungen bezeichnet, so gilt: (3.2)
C k (L, M × N ) = C k (L, M ) × C k (L, N ) f 7→ (pr1 ◦ f, pr2 ◦ f ).
Beispiel. Der Torus S 1 × S 1 .
Summen. Sind M und N beide n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeiten, so wird die topologische Summe zu einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M t N , oder manche schreiben auch M + N . Sind A, B differenzierbare Atlanten von M und N , so ist A ∪ B ein Atlas, der die differenzierbare Struktur von M t N definiert. Wie f¨ ur stetige Abbildungen gilt: (3.3)
C k (M t N, L) = C k (M, L) × C k (N, L) f 7→ (f ◦ i1 , f ◦ i2 ),
wenn i1 : M ⊂ M t N und i2 = N ⊂ M t N die Inklusionen sind.
Beachte, daß M und N gleichdimensional sind! Quotientenmannigfaltigkeiten. Das allgemeine Konstruktionsprinzip sei hier nicht beschrieben, aber ich erinnere an das sch¨one und wichtige Beispiel des projektiven ¨ Raumes RP n . Dieser ist der Quotient der Sph¨are S n nach der Aquivalenzrelation ¨ x ∼ ±x oder der Quotient von Rn+1 r {0} nach der Aquivalenzrelation x ∼ λx f¨ ur n λ 6= 0. Noch anders gesagt: Die Punkte von RP entsprechen den Geraden durch den ¨ Ursprung in Rn+1 . Einer solchen Geraden G entspricht die Aquivalenzklasse G ∩ S n in der ersten und G r {0} in der zweiten Beschreibung. Ein Punkt aus RP n wird durch homogene Koordinaten n P [ x0 , . . . , xn ] = [ −x0 , . . . , −xn ], x2i = 1, i=0
106
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
oder [ x0 , . . . , xn ] = [ λx0 , . . . , λxn ],
λ
∈
R r {0},
(x0 , . . . , xn ) 6= (0, . . . , 0),
¨ beschrieben, also [ x0 , . . . , xn ] bezeichnet die Aquivalenzklasse von (x0 , . . . , xn ) aus S n oder Rn+1 . In jedem Fall sind die Mengen Ui = {[ x ] | xi 6= 0} offen in RP n , und die Abbildung hi : Ui → Rn , [ x0 , . . . , xn ] 7→ (x0 /xi , . . . , xi−1 /xi , xi+1 /xi , . . . , xn /xi ) ist eine Karte; die Umkehrung ist (y1 , . . . , yn ) 7→ [ y1 , . . . , yi , 1, yi+1 , . . . , yn ]. ¨ Ubrigens ist Ui = RP n r RP n−1 , man nimmt aus dem projektiven Raum eine geeignete projektive Hyperebene als “unendlich fern” heraus, und beh¨alt einen affinen Raum u ¨brig. Die Karten bilden einen differenzierbaren Atlas. Die geometrische Bedeutung dieser Karten ist sehr anschaulich: Ist etwa i = 0, so wird die Sph¨are S n ⊂ R× Rn vom Mittelpunkt her auf ihre Tangentialhyperebene {1} × Rn im Punkt (1, 0) projiziert. Gegen¨ uberliegende Punkte haben dasselbe Bild, die Projektion definiert also eine Abbildung des Quotienten RP n der Sph¨are. Die Sph¨are S n−1 = S n ∩ {x0 = 0} wird nicht abgebildet.
Sie repr¨asentiert im Quotienten RP n die “unendlich ferne” Hyperebene RP n−1 = {[ x ]
∈
RP n | x0 = 0}.
¨ Ubrigens haben wir auf dem Bild nicht ohne Grund R so herum orientiert, daß die Sph¨are oben auf der Hyperebene liegt; dreht man das Bild herum, so verliert es sehr an Anschaulichkeit, was nat¨ urlich nichts mit Mathematik zu tun hat, sondern viel mehr mit der durch Kultur und Menschlichkeit bestimmten Weise unseres Erkennens von Bildern. Man kann auch, um RP n zu beschreiben, die obere offene Halbsph¨are weglassen und nur auf dem Rand¨aquator der unteren abgeschlossenen Halbsph¨are (einer n-dimensionalen Kugel) antipodische Punkte identifizieren.
§ 4. Der Tangentialraum
107
§ 4. Der Tangentialraum Ist M ⊂ Rn eine Untermannigfaltigkeit und p ∈ M , so haben wir den Tangentialraum Tp M von M im Punkte p als Untervektorraum des Rn beschrieben, n¨amlich als den Raum der Vektoren v = α(0) ˙ wenn α ein differenzierbarer Weg in M mit α(0) = p ist.
Jetzt sind unsere Mannigfaltigkeiten nicht mehr in einen euklidischen Raum eingebettet, so daß wir den Tangentialraum nicht mehr als Teilraum des Rn beschreiben k¨onnen, jedoch liefert uns das Studium der Untermannigfaltigkeiten Hinweise, wie man allgemein jedem Punkt einer Mannigfaltigkeit M als Tangentialraum in kanonischer Weise einen Vektorraum Tp M zuordnen kann, und jeder differenzierbaren Abbildung f : M → N ihre Tangentialabbildung Tp f : Tp M → Tf (p) N . Es sind uns in der Tat drei verschiedene Weisen vorgekommen, wie man Tangentialvektoren beschreiben kann, n¨amlich durch differenzierbare Kurven, durch Beschreibung in lokalen Koordinaten, durch Richtungsableitungen; und wir nennen die Beschreibung des Tangentialraums, die man so erh¨alt, entsprechend die Definition des Geometers, des Physikers, des Algebraikers. Wir werden diese drei Beschreibungen und ihren Zusammenhang jetzt im einzelnen erkl¨aren. In jedem Fall kommt es dabei nur auf eine lokale Betrachtung der Mannigfaltigkeit in einer beliebig kleinen Umgebung des Punktes p ∈ M an. Wir wollen eine Abbildung, die vielleicht nur lokal um p ∈ M definiert ist, und u ¨ber die wir auch nur in einer gen¨ ugend kleinen Umgebung von p etwas behaupten, durch f : (M, p) → (N, q)
108
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
bezeichnen, wenn f (p) = q . F¨ ur Algebraiker werden wir das bald noch pr¨aziser fassen. Die anschaulichste Beschreibung von Tangentialvektoren ist die geometrische. Wir betrachten zum Punkt p der Mannigfaltigkeit M die Menge aller jeweils auf einem Intervall um 0 definierten (einmal) differenzierbaren Wege w : (−ε, ε) → M , w(0) = p , oder mit obiger Bezeichnung w : ( R, 0) → (M, p). Zwei solche Wege w1 , w2 heißen tangential ¨ aquivalent, wenn f¨ ur eine (und damit jede) Karte h um p gilt (h ◦ w1 ). (0) = (h ◦ w2 ). (0)
¨ Definition. Eine Aquivalenzklasse differenzierbarer Wege durch p f¨ ur die Relation “tangential ¨aquivalent” heißt Tangentialvektor in p, und die Menge Tp M aller Tangentialvektoren ist der (geometrische) Tangentialraum von M in p . Eine lokal um p ∈ M definierte differenzierbare Abbildung f : (M, p) → (N, q) induziert die Tangentialabbildung (das Differential) Tp f : Tp M → Tq N,
[ w ] 7→ [ f ◦ w ].
Die Tangentialabbildung ist funktoriell, das heißt Tp id = id, und eine Zusammensetzung lokal definierter differenzierbarer Abbildungen (M, p) − → (N, q) − → (L, r) g
f
induziert Tp (g ◦ f ) : Tp M −−→ Tq N −−→ Tr L, Tp f
Tq g
also Tq g ◦ Tp f = Tp (g ◦ f ) : [ w ] 7→ [ g ◦ f ◦ w ],
q = f (p).
Man muß allerdings u ¨berlegen, daß die Tangentialabbildung unabh¨angig von der Wahl des Weges w wohldefiniert ist, und daß die Relation “tangential ¨aquivalent” nicht von der Karte h abh¨ angt. Zum letzteren: Ist g ein Kartenwechsel, so ist (4.1) (g ◦ h ◦ w). = Dg(h(p)) · (h ◦ w).
§ 4. Der Tangentialraum
109
und Dg ist bijektiv, also wenn (h ◦ w1 ). = (h ◦ w2 ). , so ist (g ◦ h ◦ w1 ). = (g ◦ h ◦ w2 ). . Zum ersteren: W¨ahlt man eine Karte h : (M, p) → ( Rm , r), so ist jeder Weg durch p lokal von der Form h−1 ◦ w , mit einem Weg w durch r in Rn . Sei nun [ h−1 ◦ w1 ] ¨ = [ h−1 ◦ w2 ]. Das heißt nach Definition der tangentialen Aquivalenz (h ◦ h−1 ◦ w1 ). (0) = (h ◦ h−1 ◦ w2 ). (0), also w˙ 1 (0) = w˙ 2 (0). Dann ist f¨ ur eine Karte k um f (p) (k◦f ◦h−1 ◦w ). (0) = D(k◦f ◦h−1 )(r)·w˙ (0) = D(k◦f ◦h−1 )(r)·w˙ (0) = (k◦f ◦h−1 ◦w ). (0), 1
1
2
2
¨ also ist nach Definition der tangentialen Aquivalenz [ f ◦ h−1 ◦ w1 ] = [ f ◦ h−1 ◦ w2 ]. Nun, eine Karte h : (M, p) → ( Rm , r) definiert eine Bijektion
Tp h : Tp M −→ Tr Rm = Rm ,
(4.2)
∼ =
denn allgemein f¨ ur einen Vektorraum V ist Tq V = V durch die folgende kanonische Bijektion: Dem Vektor v ∈ V entspricht der Weg w : t 7→ q+tv und damit der Tangentialvektor [ w ], dem Tangentialvektor [ w ] der Vektor d/dt| w(t). 0
Wir erkl¨aren die lineare Struktur auf Tp M so, daß (4.2) ein Isomorphismus von Vektorr¨ aumen wird. Das ist unabh¨angig von der Karte h nach (4.1), weil Dg linear ist. Durch Einf¨ uhren einer Karte wird also Tp M mit Rm identifiziert. Die Tangentialabbildung wird dann eine lineare Abbildung und ist, wie wir gleich sehen werden, durch die Jacobische beschrieben: Wir gehen aus von dem kommutativen Diagramm
Karte
(M, P ) hy
f
−−−−→
(N, q) yk
Karte
( Rm , r) −−−−−→ ( Rn , s) k◦f ◦h−1
Die Karten induzieren Isomorphismen nach (4.2)
Die Abbildung
n¨ amlich bildet v auf d | k ◦ f ◦ h−1 (r + tv) = D(k ◦ f ◦ h−1 )(r) · v dt 0
ab. Die Abbildung k ◦ f ◦ h−1 ist einfach die Beschreibung von f in den Karten h und k , und man sieht: Wenn man f in Karten angibt, wird Tp f durch die Jacobische von f ¨ gegeben. Insbesondere ist Tp f linear. Ubrigens hat R den Tangentialraum Tq R = R . Die 1 ist eine Basis, und wenn w : ( R, 0) → (M, p) den Vektor v ∈ Tp M repr¨asentiert, so ist v = T0 w(1), denn v = [ t 7→ w(t) ] = T0 w([ t 7→ t ]) = T0 w(1).
110
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Der Tangentialraum einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit ist ein n-dimensionaler Vektorraum. Ein Diffeomorphismus bildet Tangentialr¨aume isomorph ab, muß also die Dimension erhalten. Soweit die geometrische Beschreibung. Physiker machen die Beschreibung durch Koordinaten (4.2) mit dem Transformationsverhalten (4.1) zur Definition, und erkl¨aren auch die Tangentialabbildung durch das Diagramm (4.3). Ein Physiker sagt etwa folgendes: “Ein kontravarianter Vektor oder Tensor erster Stufe ist ein reelles n-Tupel, das sich durch die Jacobimatrix transformiert”. Dies erkl¨aren wir nun so: Definiton. Sei M eine m-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Ein P h-Tangentialvektor in p ∈ M ist eine Zuordnung, die jeder Karte h : U → Rm , h(p) = r , einen Vektor v ∈ Rm so zuordnet, daß der Karte g ◦ h der Vektor Dg(r) · v zugeordnet ist, wenn g ein Kartenwechsel ist. Wie u ¨blich m¨ ussen wir im Matrizenkalk¨ ul die Vektoren als Spaltentupel schreiben, wenn wir das Differential als Jacobimatrix schreiben.
§ 4. Der Tangentialraum
111
Der P h-Tangentialvektor ist nat¨ urlich festgelegt, wenn wir seine Komponenten (v1 , . . . , vm ) m ∈ R bez¨ uglich einer Karte kennen. Auch bildet die Menge aller Tangentialvektoren in p ∈ M einen m-dimensionalen reellen Vektorraum Tp MP h , den P h-Tangentialraum. Die algebraischen Operationen erkl¨aren wir f¨ ur eine Karte wie im Rm , und dies ist dann un¨ abh¨ angig von der Karte, weil der Ubergang von einer zur anderen Karte durch die lineare Abbildung Dg(r) geschieht. Man hat einen offenbaren Isomorphismus vom geometrischen Tangentialraum zum Tangentialraum nach Beschreibung der Physiker, der f¨ ur eine Karte h durch (4.4)
Tp M → Tp MP h ,
v 7→ Tp h(v)
∈
Th(p) Rm = Rm
gegeben ist. Daß dies wohldefiniert ist, zeigt (4.1). Das Differential beschreibt der Physiker in Koordinaten durch (4.3). Nun zum Algebraischen: Jedem Tangentialvektor v ordnen wir eine Richtungsableitung von lokal um p definierten Funktionen ϕ : (M, p) → R an der Stelle p zu, oder wie man auch sagt, eine Derivation an der Stelle p .
Definition. Sei ϕ : (M, p) → R differenzierbar, und v Derivation an der Stelle p auf ϕ durch v(ϕ) := Tp ϕ(v)
∈
∈
Tp M , dann operiert v als
Tϕ(p) R = R.
Ist w ein Weg, der v repr¨asentiert, so ist w eine Abbildung ( R, 0) → (M, p) und v = T0 w(1) , also v(ϕ) = Tp ϕ ◦ T0 w(1) = T0 (ϕ ◦ w)(1) = D(ϕ ◦ w)(0) · 1 =
d | ϕw(t), dt 0
was die Ableitung von ϕ in Richtung der Richtung von w ja auch sein sollte. In lokalen Koordinaten k¨onnen wir die Derivationen wie fr¨ uher beschreiben: Ist ϕ lokal n n um p auf R definiert, und v = (v1 , . . . , vn ) ∈ Tp R , so ist (4.5)
v(ϕ) =
n P d ∂ | ϕ(p + tv) = vi ϕ(p). dt t=0 ∂xi i=1
Insbesondere entsprechen den kanonischen Basisvektoren von Rn = Tp Rn die Derivatio∂ nen ∂x | . Algebraiker beschreiben Tangentialvektoren als Derivationen. i p
Um das genauer zu fassen, f¨ uhren wir zun¨achst auf der Menge F (p) der lokal um p ¨ auf M definierten Funktionen die Aquivalenzrelation der lokalen Gleichheit ein: Es sei ¨ ϕ ∼p ψ , wenn es eine Umgebung V von p mit ϕ|V = ψ|V gibt. Eine Aquivalenzklasse dieser Relation heißt ein Keim einer Funktion um p . So definiert jede lokal um p definierte Funktion ihren Keim ϕ : (M, p) → R. Man kann nach demselben Muster auch Keime von
112
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Abbildungen oder von Mengen bei p bilden. So h¨atten wir oben schon von Keimen von Wegen ( R, 0) → (M, p) und Keimen von Abbildungen (M, p) → (N, q) reden k¨onnen. Sei Ep die Menge der Keime von C ∞ -Funktionen auf M um p mit der Struktur einer R-Algebra, die sich von der Addition und Multiplikation von repr¨asentierenden Funktionen auf Keime u ¨bertr¨agt. Dann operieren die Tangentialvektoren v ∈ Tp M als Derivationen auf Ep . (4.6) Eigenschaften der Derivationen. F¨ ur ϕ, ψ
∈
Ep und λ, µ
(i) Linearit¨ at. v(λϕ + µψ) = λv(ϕ) + µv(ψ) . (ii) Produktregel. v(ϕ · ψ) = ϕ(p) · v(ψ) + ψ(p) · v(ϕ) .
∈
R gilt:
Algebraiker erheben diese Kennzeichnung zur Definition und erkl¨aren: Ein Tangentialvektor v ∈ Tp M ist eine Abbildung v : Ep → R mit den Eigenschaften (4.6). Eine solche Abbildung heißt eine Derivation der Algebra Ep . Jedenfalls wird durch (4.5) nach Einf¨ uhren lokaler Koordinaten eine injektive lineare Abbildung von Tp M in den Vektorraum der Derivationen von Ep definiert; die Komponenten vi von v sind die Werte v(xi ), also durch die zugeordnete Derivation bestimmt. Man muß zeigen, daß man so alle Derivationen erh¨alt. Nun, aus den Eigenschaften (4.6) ergibt sich f¨ ur jede Derivation v von Ep zun¨achst v(1) = v(1 · 1) = v(1) + v(1) nach der Produktregel, also v(1) = 0, also v(λ) = 0 f¨ ur konstante Funktionen λ , wegen Linearit¨ at. Nun k¨onnen wir einen beliebigen Keim ϕ ∈ Ep in lokalen Koordinaten als n P ϕ(p + x) = ϕ(p) + ϕi (x) · xi i=1
schreiben (Bd. 2, I, 5.2), das ist im wesentlichen der Mittelwertsatz. Ist nun v(xi ) =: vi , so ist n n P P v(ϕ) = ϕi (p) · vi = vi · ∂ϕ/∂xi (p), i=1
i=1
denn v(ϕ(p)) = 0 und xi (p) = 0. Das sagt, daß die Derivation v gleich der Derivation ist, die nach (4.5) durch den Vektor mit den Komponenten (v1 , . . . , vn ) definiert ist, wir haben also gezeigt: (4.7) Satz. Durch (4.5) wird ein Isomorphismus von Tp M mit dem Vektorraum der Derivationen der Algebra Ep definiert. Der Isomorphismus zwischen dem Tangentialraum der Geometer und dem der Algebraiker wird durch [ w ] 7→ [ ϕ 7→ d/dt | ϕ ◦ w(t) ] t=0
§ 4. Der Tangentialraum
113
vermittelt. In der Bezeichnung der Algebraiker wollen wir auch den Tangentialvektor, der durch den Weg t 7→ q + tei repr¨ asentiert ist, mit ∂ n ∈ Tq R ∂xi bezeichnen. Dem Basisvektor 1 ∈ R entspricht demnach der kanonische Basisvektor ∂/∂t ∈ Tp R . Auf eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M n u ¨bertr¨agt man diese Basis lokal mit einer Karte h : U → U 0 ⊂ Rn , h(p) = q. Sie induziert den Isomorphismus ∼ =
Tp M −→ Tq ( Rn ),
∂/∂hi 7→ ∂/∂xi .
Dies definiert die Basisvektoren ∂/∂hi ∈ Tp M . Um ∂/∂hi (f ) = ∂f /∂hi f¨ ur eine lokal um p definierte Funktion f zu berechnen, hat man f in Koordinaten h zu schreiben (genau gesagt ergibt das f ◦ h−1 ) und dann nach der i-ten Koordinate abzuleiten. Nennt man die Karte gleich x statt h , so unterscheidet man hier nicht zwischen Koordinaten auf der Mannigfaltigkeit und Koordinaten auf Rn , was auch vern¨ unftig ist. So werden wir es k¨ unftig halten, wenn wir direkt angeben wollen, wie man etwas in lokalen Koordinaten wirklich hinschreiben und ausrechnen soll. Die xi sind dann lokal um p definierte Koordinatenfunktionen auf M , und die ∂/∂xi sind Vektoren in Tp M . Das Definitionsgebiet der Karte braucht man gar nicht zu erw¨ahnen, Physiker pflegen das sowieso nicht zu tun. H¨ aufig betrachten wir nicht den Tangentialraum in einem Punkt, sondern die Familie aller Tangentialr¨ aume, das Tangentialb¨ undel T M := (Tp M | p
∈
M)
von M und entsprechend f¨ ur eine differenzierbare Abbildung f : M → N die Familie von Differentialen, die Tangentialabbildung T f : T M → T N, womit einfach die Familie von Abbildungen (Tp f : Tp M → Tf (p) N | p
∈
M)
gemeint sei. Die Tangentialabbildung ist in lokalen Koordinaten nichts anderes als das Differential, die lokale Linearisierung, in koordinateninvarianter Formulierung. Was uns das Studium des Differentials fr¨ uher gelehrt hat, lehrt jetzt die Tangentialabbildung. Sei f : M m → N n stetig differenzierbar. Der Rang von f in p rgp f := rg Tp f,
∈
M ist die Zahl
114
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
also der Rang des Differentials von f an der Stelle p . Die Abbildung f heißt immersiv, wenn rgp f = m = dim M f¨ ur alle p ∈ M ist, also wenn Tp f f¨ ur jedes p ∈ M injektiv ist. Und f heißt submersiv, wenn rgp f = n = dim N f¨ ur alle p ∈ M , also wenn Tp f stets surjektiv ist. Ein Punkt p ∈ M heißt regul¨ ar, wenn rgp f = dim N , und sonst kritisch, oder singul¨ ar. Die Bildpunkte der kritischen Punkte heißen kritische Werte, und ihr Komplement in M bilden die regul¨ aren Werte. Demnach ist also ein Punkt q ∈ N ein kritischer Wert, falls in seinem Urbild mindestens ein p ∈ M liegt, mit f (p) = q und rgp f < dim N . Es d¨ urfen daneben auch noch regul¨are Punkte im Urbild liegen. Im Urbild eines regul¨aren Wertes hingegen liegen nur regul¨are Punkte, aber das Urbild darf leer sein, ein regul¨arer Wert braucht kein Wert zu sein. Nach Einf¨ uhren von Karten h um p und k um q = f (p) ist Tp f durch die Jacobische von f in lokalen Koordinaten, genauer also durch die Jacobimatrix von k◦f ◦h−1 gegeben, und der Rang ist der Rang dieser Jacobischen. F¨ ur das lokale Studium von Abbildungen, Teilmengen und so weiter kann man u ¨berhaupt immer Karten einf¨ uhren, und von vornherein annehmen, daß man es mit offenen Mengen im euklidischen Raum zu tun hat. Eine lokale Frage ist zum Beispiel, ob eine Teilmenge L ⊂ M eine Untermannigfaltigkeit ist, aber auch der Rang von f wird durch eine Karte nicht ge¨andert, weil eine Karte h einen Isomorphismus Tp h induziert. Unser Studium des Satzes u ¨ber die Umkehrfunktion im zweiten Band liefert daher unmittelbar folgendes: Gegeben sei eine lokal um p definierte C ∞ -Abbildung f , die wir in Karten betrachten:
Karten
(M, p) −−−−→ (N, q) f hy yk ( Rm , r) −−−−→ ( Rn , s) f˜
Die lokal um h(p) erkl¨arte Abbildung f˜ = k ◦ f ◦ h−1 nennen wir allgemein f in den lokalen Koordinaten oder Karten h beziehungsweise k und bezeichnen sie gern auch (etwas ungenau) mit f : ( Rm , h(p)) → ( Rn , k(q)). Dann gilt
(4.8) Rangsatz. Ist f : (M, p) → (N, q) eine C ∞ -Abbildung von lokal um p konstantem Rang r , so ist f lokal in geeigneten Koordinaten durch ( Rm , 0) → ( Rn , 0), gegeben (Bd. 2, V, 2.1).
(x1 , . . . , xm ) 7→ (x1 , . . . , xr , 0, . . . , 0)
§ 4. Der Tangentialraum
115
Also eine Immersion ist lokal in geeigneten Koordinaten durch (x1 , . . . , xm ) 7→ (x1 , . . . , xm , 0, . . . , 0) gegeben, und ist insbesondere lokal injektiv, nicht aber im Großen. Beispiel. f : R → S 1 , t 7→ e2πit .
Eine Submersion ist in geeigneten lokalen Koordinaten durch (x1 , . . . , xn , . . . , xm ) 7→ (x1 , . . . , xn ) gegeben, und ist lokal surjektiv. In diesen beiden F¨allen ist der Rang schon maximal, und wenn die Abbildung in einem Punkt immersiv oder submersiv ist, muß sie lokal konstanten Rang haben, weil der Rang lokal nicht fallen kann, und u ¨berhaupt nicht steigen. (4.9) Folgerung. Ist q ein regul¨arer Wert der C ∞ -Abbildung f : M → N , so ist f −1 {q} ⊂ M eine differenzierbare Untermannigfaltigkeit der Kodimension n = dim N . Beweis: Lokal in geeigneten Koordinaten um einen Punkt p ∈ f −1 {q} hat f nach dem Rangsatz die Gestalt (x1 , . . . , xn , . . . , xm ) 7→ (x1 , . . . , xn ), wobei q die Koordinaten 0 ∈ Rn hat. Und f −1 {0} in den Koordinaten ist lokal durch {x | x1 = · · · = xn = 0} gegeben, was gerade die Untermannigfaltigkeit der Kodimension n definiert. Alles l¨auft nach Einf¨ uhren von Karten auf Betrachtungen im Euklidischen hinaus, also auf etwas, was wir schon gemacht haben. Ist u ¨brigens n = m und Tp f isomorph, so sagt der Satz, daß f : (M, p) → (N, q) lokal umkehrbar ist, das sagt ja eben der Satz u ¨ber die Umkehrfunktion. Was man f¨ ur Vektorr¨ aume erkl¨aren kann, kann man insbesondere f¨ ur Tangentialr¨aume erkl¨ aren, zum Beispiel ein “ k-fach kontravarianter und `-fach kovarianter Tensor” ist ein Element aus Tp M ⊗ · · · ⊗ Tp M ⊗ (Tp M )∗ ⊗ · · · ⊗ (Tp M )∗
116
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
mit k Faktoren Tp M und ` Faktoren (Tp M )∗ =: Tp∗ M . Physiker beschreiben auch diese Objekte in Koordinaten, und geben ihr Transformationsverhalten bei Kartenwechsel an. Wir begn¨ ugen uns mit der Beschreibung von Tensoren, welche die Bedeutung orientierter infinitesimaler Volumina haben.
§ 5. Partitionen der Eins Lokal sieht eine differenzierbare Mannigfaltigkeit aus, wie der euklidische Raum. Um mit der Mannigfaltigkeit im großen zurechtzukommen, kann man versuchen, sie in kleine St¨ ucke, zum Beispiel in Simplexe zu zerlegen. Das ist ein f¨ ur tiefere geometrische Untersuchungen der Mannigfaltigkeiten unumg¨angliches aber hartes Verfahren, das wir hier ¨ g¨ anzlich umgehen k¨onnen. Wir erkl¨aren ein technisches Hilfsmittel, das den Ubergang vom Lokalen zum Globalen in vielen F¨allen sehr bequem, elegant und vor allem vertrauenerweckend gemacht hat: Die Partitionen der Eins. ¨ Sei X ein topologischer Raum und U = (Uλ | λ ∈ Λ) eine offene Uberdeckung von ¨ X . Eine der Uberdeckung U untergeordnete Partitionen der Eins ist eine Familie (ϕν | ν ∈ N ) von Funktionen ϕν : X → [ 0, 1 ] ⊂ R mit folgenden Eigenschaften: (i) Jeder Punkt von X besitzt eine Umgebung V , so daß ϕν | V = 0 f¨ ur alle bis auf endlich viele ν . P ϕν = 1. (ii) ν ∈N
(iii) Jeder Tr¨ ager Tr (ϕν ) liegt in einer der offenen Mengen Uλ . Der Tr¨ ager einer Funktion f auf X ist der Abschluß der Menge {x | f (x) 6= 0}.
Die Summe in (ii) ist sinnvoll, weil nach (i) lokal fast alle Summanden verschwinden. Die Summe ist, wie man sagt, lokal endlich. Insbesondere ist sie in jedem Punkt endlich. Sie zerlegt die konstante Funktion mit Wert 1 in die Funktionen ϕν , und damit zum Beispiel jede Funktion f : X → R in die Funktionen ϕν · f , deren Tr¨ager jeweils in
§ 5. Partitionen der Eins
117
einer der Mengen Uλ liegen. Man zerlegt also nicht die Mannigfaltigkeit, man zerlegt die Funktionen auf ihr. Ist K ⊂ X kompakt, so sind die Funktionen ϕν |K fast alle Null; das ¨ gilt lokal nach Voraussetzung, und dann global wegen der Uberdeckungseigenschaft. Sind die ϕν alle stetig, so heißt die Partition stetig, sind sie alle differenzierbar, so heißt die Partition differenzierbar und im C ∞ -Falle glatt, ist N abz¨ahlbar, so heißt sie abz¨ ahlbar. Wir wollen zeigen, daß es auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit zu jeder offenen ¨ Uberdeckung eine untergeordnete abz¨ahlbare glatte Partition der Eins gibt. Sei also M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine kompakte Aussch¨ opfung von M ist eine Folge kompakter Teilmengen Ai , so daß ∞ ◦ S Ai ⊂ Ai+1 , Ai = M. i=1
(5.1) Satz. Jede Mannigfaltigkeit besitzt eine kompakte Aussch¨opfung. Beweis: Unter einer Kugel in M verstehen wir eine Teilmenge K , die in einem geeigneten Kartengebiet liegt und durch die Karte auf eine (abgeschlossene) Kugel in Rn abgebildet wird. In diesem Sinne sei (Kn | n ∈ N ) eine Folge von Kugeln in M , sodaß ◦ ¨ die offenen Kugeln (K n | n ∈ N ) noch eine Uberdeckung von M bilden. So eine Folge gibt es, weil die Mannigfaltigkeit eine abz¨ahlbare Basis der Topologie hat, das wird hier entscheidend benutzt. Jetzt setzen wir A1 = K1 . Ist dann induktiv Ai konstruiert und Ki ⊂ Ai , so wird Ai von endlich vielen offenen ◦
◦
Kugeln K 1 ∪ · · · ∪ K ` u ¨berdeckt, und wir setzen
Offenbar gilt M.
S i
Ai ⊃
Ai+1 = K1 ∪ · · · ∪ K` ∪ Ki+1 .
S i
Ki = M , und die Ai bilden eine kompakte Aussch¨opfung von
¨ Eine solche Aussch¨ opfung sei jetzt fest gew¨ahlt, und es sei eine offene Uberdeckung U = (Uλ | λ ∈ Λ) von M gegeben. Sei K(r) die offene Kugel mit Radius r um 0 ∈ Rn . Wir konstruieren eine Folge von Karten h ν : Vν
∼ =
−→ K(3),
∪ Wν
∪ ∼ =
−→ K(1),
118
IV. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
so daß die Familie von Teilmengen (Vν | ν ∈ N ) lokal endlich und jedes Vν in einer Menge Uλ ∈ U enthalten ist, und so daß {(hν , Wν ) | ν ∈ N } ein Atlas von M ist, also die Wν ¨ noch M u ¨berdecken. Diesen Atlas bezeichnen wir als guten Atlas f¨ ur die Uberdeckung U von M .
¨ (5.2) Satz. Zu jeder offenen Uberdeckung einer Mannigfaltigkeit gibt es einen guten Atlas.
Beweis: Die Konstruktion benutzt die obige kompakte Aussch¨opfung: F¨ ur jedes i w¨ ahlen wir endlich viele Karten hν : Vν → K(3) so daß ◦
Vν ⊂ Ai+2 r Ai−1 ,
Vν ⊂ Uλ
f¨ ur ein λ , ◦
¨ und so daß die zugeh¨origen Wν = h−1 ν K(1) eine Uberdeckung von Ai+1 r Ai bilden.
◦
Weil letztere Menge kompakt, und Ai+2 rAi−1 eine offene Obermenge ist, ist das leicht m¨ oglich. Alle diese Karten f¨ ur alle i ∈ N bilden den gesuchten Atlas. Jeder Punkt liegt ◦
in einer offenen Menge Ai und jedes Ai trifft nur endlich viele Vν .
¨ (5.3) Satz. Auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit gibt es zu jeder offenen Uberdekkung eine untergeordnete beliebig oft stetig differenzierbare Partition der Eins.
¨ Beweis: Zur Uberdeckung U konstruieren wir einen C ∞ -differenzierbaren guten Atlas {(hν , Wν ) | ν ∈ N } . Auch w¨ahlen wir eine C ∞ -Funktion γ : K(3) → [ 0, ∞),
Tr (γ) ⊂ K(2),
und erhalten dadurch die Funktion
γ(x) > 0 f¨ ur x
∈
K(1)
§ 5. Partitionen der Eins
119
ϕν : M → [ 0, ∞),
ϕ ν = γ ◦ hν ,
ϕν | M r Vν = 0.
Dann ist ϕν auf ganz M beliebig oft stetig differenzierbar, und ϕν hat kompakten Tr¨ ager in Vν , und ϕν > 0 auf Wν . Weil die Vν eine lokal endliche Familie bilden, ist die Summe P ϕ= ϕν ν
lokal endlich, und ϕ(x) > 0, weil x ∈ Wν = h−1 ur ein ν , und dann ϕν (x) ν K(1) f¨ = γ ◦ hν (x) > 0. Daher setze ψν = ϕν /ϕ, dann ist (ψν | ν ∈ N ) die gesuchte Partition der Eins.
Die benutzte Funktion γ kann man etwa durch γ(x) =
exp(−(4 − |x|2 )−2 ) f¨ ur |x|2 < 4, 0 f¨ ur |x|2 ≥ 4,
explizit angeben (Bd. 1, IV, § 4). F¨ ur die Definition des Integrals gen¨ ugt es, integrable Partitionen der Eins zu haben und zu benutzen. Wir nennen eine Partition der Eins (ϕν | ν ∈ N ) integrabel, wenn die ϕν fast u ¨berall stetig sind und kompakten Tr¨ager im Gebiet einer Karte haben. Nat¨ urlich muß man erkl¨aren, was “fast u ¨berall” hier heißt: Eine Teilmenge A ⊂ M ist d¨ unn (hat das Maß Null, fast alle x sind nicht in A ), wenn f¨ ur jede Karte (h, U ) die Menge h(U ∩ A) d¨ unn im euklidischen Raum ist. Eine Aussage gilt fast u ¨ berall in M , wenn sie f¨ ur fast alle x ∈ M gilt. Beachte, daß d¨ unne Mengen bei stetig differenzierbarem Kartenwechsel auf d¨ unne Mengen abgebildet werden (Bd. 2, IV, 3.2).
Kapitel V
Integration auf Mannigfaltigkeiten
Nicht heller Sonnenaufgang vermag Dir zu verk¨ unden hellen Tag, Doch wenn sie geht in Wolken auf Und m¨ ahlich dann sich kl¨ art im Lauf, Wird sie am Mittag ganz Entfalten vollen Glanz. R¨ uckert
Wir entwickeln den Kalk¨ ul der alternierenden Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten. Es beginnt mit einem kurzen Abriß der zugeh¨origen Linearen Algebra. Diese wird dann u ¨ber die Tangentialb¨ undel auf Mannigfaltigkeiten u ¨bertragen. Wir erkl¨aren das Integral von Differentialformen, wir f¨ uhren berandetete Mannigfaltigkeiten mit ihrer Randorientierung durch die ¨außere Normale ein, und wir erkl¨aren die ¨außere Ableitung alternierender Differentialformen.
§ 1. Algebra alternierender Formen Die Transformationsformel Z
Z f ◦ ϕ · | det Dϕ| =
U
f ϕU
zeigt, daß einer Koordinatentransformation ϕ : U → V mit det Dϕ > 0 die Transformation f 7→ (f ◦ ϕ) · det Dϕ des Integranden zugeordnet ist, und — wenn wir es in der Denkweise der Physiker sagen — nur einer Gr¨oße, die ein solches Transformationsverhalten hat, k¨onnen wir auf koordinateninvariante Weise ein Integral zuordnen. Wir betrachten aber nicht nur n-dimensionale Volumina, sondern auch solche kleinerer Dimension, und beginnen damit, die zugeh¨orige Lineare Algebra zu erkl¨ aren. Sei V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum. Sp¨ater wird V = Tp M sein. Sei V k = V × V × · · · × V = {(v1 , . . . , vk ) | vj
∈
V}
122
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
das k-fache Produkt von V mit sich selbst. Eine k-Form oder Multilinearform vom Grad k auf V ist eine multilineare Abbildung α : V k → R,
(v1 , . . . , vk ) 7→ α(v1 , . . . , vk ).
Daß α multilinear ist heißt: α ist linear in jeder Komponente bei festen u ¨brigen. Beispiel. Ein Skalarprodukt ist eine 2-Form V × V → V , (v, w) 7→ hv, wi . Die Menge aller k-Formen auf V bildet einen reellen Vektorraum, Teilraum des Raumes aller Funktionen V k → R . Es ist auch leicht, eine Basis dieses Vektorraumes zu finden. Ist (e1 , . . . , en ) eine Basis von V , so ist eine k-Form festgelegt, wenn man ihren Wert auf allen k-Tupeln von Basisvektoren kennt, und diese Werte kann man willk¨ urlich festsetzen. Der k Raum Q V aller k-Formen auf V ist also isomorph zum Raum der Dimension nk aller Funktionen auf der Menge der k-Tupel der n Basisvektoren. Wir setzen noch Q0 V := R , und erinnern daran, daß Q1 V = V ∗ der Dualraum von V ist. Man hat ein Produkt von Formen Qk V × Q` V → Qk+` V, (α, β) 7→ α · β, α · β(v1 , . . . , vk , w1 , . . . , w` ) = α(v1 , . . . , vk ) · β(w1 , . . . , w` ). Es bezeichne S(k) die k-te symmetrische Gruppe, also die Gruppe aller Permutationen der Menge {1, . . . , k} . Auf dieser Menge operiert S(k) nach unserer Notation von links, also στ = σ ◦ τ ist die Zusammensetzung der Abbildungen σ und τ . Eine k-Form α auf V heißt alternierend, wenn f¨ ur alle σ
∈
S(k) gilt
α(v1 , . . . , vk ) = sig(σ) · α(vσ(1) , . . . , vσ(k) ), wobei sig(σ) das Signum der Permutation σ ist, also Q i−j sig(σ) = . i<j σ(i) − σ(j) Nat¨ urlich h¨atte es gen¨ ugt zu fordern, daß α den Faktor −1 aufnimmt, wenn man zwei nebeneinanderstehende Komponenten vj vertauscht. Es gen¨ ugt auch zu fordern, daß α stets verschwindet, wenn zwei Komponenten gleich sind: Eine alternierende Form erf¨ ullt das, denn man darf — bis aufs Vorzeichen — annehmen, daß die gleichen Komponenten nebeneinander stehen. Beim Vertauschen nimmt die Form den Faktor −1 auf, ist aber unge¨ andert, also Null. Umgekehrt schließt man, indem man die linke Seite der Gleichung α(v1 , . . . , vi , vi + vi+1 , vi + vi+1 , vi+2 , . . . , vk ) = 0 multilinear ausrechnet. Die Menge aller alternierenden k-Formen, die man auch ¨ außere k k 0 k-Formen nennt, ist ein Unterraum Alt V ⊂ Q V , und offenbar ist Alt V = R und Alt1 V = V ∗ . Ist V = Rn , so ist det : V n → R
§ 1. Algebra alternierender Formen
123
eine alternierende n-Form. Aus obiger Betrachtung folgt die (1.1) Bemerkung. Ist α abh¨ angig sind, und daher
∈
Altk V , so ist α(v1 , . . . , vk ) = 0 falls die (v1 , . . . , vk ) linear Altk V = 0
Beweis: Ist etwa v1 =
P i>1
f¨ ur k > dim V .
λi vi , so α(v1 , . . . , vk ) =
P i>1
λi α(vi , v2 , . . . , vi , . . . , vk ) = 0.
Wir definieren eine Linksoperation der Gruppe S(k) auf dem Raum der k-Formen Q V durch k
σα(v1 , . . . , vk ) := sig(σ)α(vσ(1) , . . . , vσ(k) ), σ
∈
S(k), α
∈
Qk V.
Eine k-Form α ist genau dann alternierend, wenn σα = α
f¨ ur alle
σ
∈
S(k).
Also bei unserer Festsetzung der Operation von S(k) auf Qk V besteht Altk V ⊂ Qk V gerade aus den unter der Operation von S(k) invarianten Elementen. Wir definieren die Projektion a : Qk V → Altk V, a | Altk V = id, durch (1.2)
aα :=
1 P σα, k! σ ∈ S(k)
und wir nennen aα den Alternator der k-Form α . Also aα ist der Mittelwert der Transformierten σα , σ ∈ S(k) , und es ist daher ziemlich klar, daß a eine Projektion ist: Ist α ∈ Altk V , so ist σα = α f¨ ur alle σ , also aα = α , und ist α beliebig, so ist f¨ ur τ ∈ S(k) 1 P τ (aα) = τ σα = aα, k! σ denn mit σ durchl¨ auft auch τ σ die Gruppe S(k). Also aα bleibt fest bei allen τ ist also alternierend. Jetzt definieren wir das ¨ außere Produkt (Dachprodukt) ∧ : Altk V × Alt` V → Altk+` V,
(α, β) 7→ α ∧ β,
(1.3) α ∧ β := (k, `) · a(α · β),
(k, `) :=
(k + `)! . k! · `!
∈
S(k),
124
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
¨ Uber den Vorfaktor (k, `) herrscht in der Literatur nicht allgemeine Einigkeit, wenngleich das Richtige auf dem Vormarsch ist. Es kommt auch vor, daß im Zuge der Anpassung und Verbesserung Unstimmigkeiten innerhalb eines Lehrbuches entstehen. Man kann die Definition so verstehen: Die Form α · β ist ja nicht alternierend, aber sie bleibt schon fest unter der Operation der Untergruppe S(k) × S(`) ⊂ S(k + `), deren Faktoren S(k) und S(`) die Permutationsgruppen der ersten k und der letzten ` Indexe sind. Die Formel (1.3) l¨auft nun darauf hinaus, daß man die Summe P α ∧ β = σ(α · β) σ
bildet, wo σ ein Repr¨asentantensystem von Rechtsnebenklassen σ · (S(k) × S(`)) dieser Untergruppe in S(k + `) durchl¨ auft.
(1.4) Eigenschaften des ¨ außeren Produkts. Das ¨außere Produkt ist (i) bilinear, also linear in jedem Faktor bei festem anderen; (ii) graduiert antikommutativ, das heißt ist α ∈ Altk V , β ∈ Alt` V , so ist α ∧ β = (−)k·` β ∧ α; (iii) assoziativ, n¨amlich f¨ ur α
∈
Altk V , β
∈
Alt` V , γ
(α ∧ β) ∧ γ = α ∧ (β ∧ γ) =
∈
Altr V ist
(k + ` + r)! a(α · β · γ) k!`!r!
(iv) das Produkt ist nat¨ urlich.
Letztere Bedingung bedeutet folgendes: Eine lineare Abbildung f : V → W von Vektorr¨ aumen induziert die lineare Abbildung f k : V k → W k,
(v1 , . . . , vk ) 7→ (f (v1 , ), . . . , f (vk ))
und damit die lineare Abbildung Qk f : Qk W → Qk V,
α 7→ α ◦ f k ,
und diese Abbildung induziert durch Beschr¨ankung eine Abbildung
(1.5)
f ∗ = Altk f : Altk W → Altk V.
§ 1. Algebra alternierender Formen
125
Ist n¨amlich σα = α f¨ ur alle σ ∈ S(k), so insbesondere σ(α ◦ f k ) = α ◦ f k . Alle diese induzierten Abbildungen sind funktoriell, also id∗ = id,
(f ◦ g)∗ = g ∗ ◦ f ∗ ,
n¨ amlich (f ◦ g)∗ α = α ◦ (f ◦ g)k = α ◦ f k ◦ g k = g ∗ (f ∗ α). Daß nun das ¨außere Produkt f¨ ur diese induzierten Abbildungen nat¨ urlich ist, heißt: f ∗ (α ∧ β) = f ∗ α ∧ f ∗ β.
Beweis von (1.4): (i) ist klar, α · β ist bilinear, und a ist linear. (ii) Sei τ ∈ S(k + `) die Vertauschung der ersten k mit den letzten ` Indexe, dann ist α · β = sig(τ ) · τ (β · α) = (−)k·` τ (β · α), also (k, `) P (k, `) P σ(α · β) = (−)k·` στ (β · α) (k + `)! σ (k + `)! σ (k, `) P = (−)k·` σ(β · α) = (−)k·` β ∧ α. (k + `)! σ
α ∧ β = (k, `)a(α · β) =
(iv) ist klar wie gesagt, und f¨ ur (iii) berechnen wir (α ∧ β) ∧ γ . Es ist (k + `)! (k + ` + r)! a(α · β) ∧ γ = a(a(α · β) · γ), k!`! k!`!r! P P 1 1 a(a(α · β) · γ) = σ(τ (α · β) · γ). (k + ` + r)! (k + `)! σ ∈ S(k+`+r) τ ∈ S(k+`) (α ∧ β) ∧ γ =
Wir fassen S(k + `) als die Untergruppe von S(k + ` + r) auf, die nur die ersten k + ` Indexe bewegt, dann steht da: P P 1 1 a(a(α · β) · γ) = στ (α · β · γ) (k + `)! τ ∈S(k+`) (k + ` + r)! σ∈S(k+`+r) P 1 = a(α · β · γ) = a(α · β · γ). (k + `)! S(k+`) Das ist das Behauptete und die Rechnung f¨ ur α∧(β ∧γ) f¨ uhrt aus Symmetriegr¨ unden zum selben Ziel.
Das Ergebnis der letzten Rechnung kann man auch so sehen: Es ist P σ(α · β · γ), α∧β∧γ = σ
wo σ ein Repr¨asentantensystem von Rechtsnebenklassen von S(k) × S(`) × S(r) in der Gruppe S(k + ` + r) durchl¨ auft.
126
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Das Assoziativgesetz berechtigt uns, einfach α1 ∧ α2 ∧ · · · ∧ α` zu schreiben, und man erh¨ alt sofort durch Induktion:
(1.6)
α1 ∧ · · · ∧ α` =
(k1 + · · · + k` )! a(α1 · . . . · α` ), k1 ! · . . . · k` !
wenn αj den Grad kj hat. (1.7) Folgerung. Ist αi
∈
Alt1 V f¨ ur i = 1, . . . , ` , so ist
α1 ∧ · · · ∧ α` (v1 , . . . , v` ) = det(αi (vj )). Beweis: α1 ∧ · · · ∧ α` (v1 , . . . , v` ) = `! · a(α1 · . . . · α` )(v1 , . . . , v` ) P = sig(σ) · α1 (vσ(1) ) · · · α` (vσ(`) ) = det(αi (vj )). σ ∈S(`)
Man nennt die direkte Summe Alt V =
n L
Altk V,
n = dim V,
k=0
die ¨ außere Algebra von V . Die Multiplikation in dieser Algebra ist durch das Dachprodukt induziert. Wir haben also einen Funktor Alt von der Kategorie der reellen Vektorr¨ aume in die Kategorie der reellen Algebren definiert, der einem Homomorphismus f : V → W von Vektorr¨ aumen den induzierten Homomorphismus f ∗ = Alt(f ) : Alt(W ) → Alt(V ) von Algebren zuordnet. Wir wollen Alt V und Altk V in Basen explizit beschreiben. Sei also jetzt (e1 , . . . , en ) eine Basis von V und (ε1 , . . . , εn ) die duale Basis von V ∗ , also εi (ej ) = δij . Eine Form α ∈ Altk V ist dann offenbar bestimmt durch die Werte auf allen k-Tupeln (ei1 , . . . , eik ), 0 < i1 < i2 < · · · < ik ≤ n, von Basisvektoren. (1.8) Satz. Die Elemente εi1 ∧ · · · ∧ εik , 0 < i1 < · · · < ik ≤ n, bilden eine Basis von Altk V , also dim Altk V = nk , dim Alt V = 2n . Beweis: Sei 0 < i1 · · · < ik ≤ n und 0 < j1 < · · · < jk ≤ n , dann ist (εi1 ∧ · · · ∧ εik )(ej1 , . . . , ejk ) = det(εiν (ejµ ))
§ 1. Algebra alternierender Formen
127
gleich 0 falls (i1 , . . . , ik ) 6= (j1 , . . . , jk ) und 1 sonst, woraus folgt, daß die angegebenen Elemente linear unabh¨angig sind, und daß der von ihnen erzeugte Raum auf den (ej1 , . . . , ejk ) alle Werte annimmt. Insbesondere ist dim Altn V = 1 und Altn V wird von der Form ε1 ∧ · · · ∧ εn = det : V n → R erzeugt; die Determinante ist hier als die alternierende n-Form definiert, die auf der gew¨ ahlten Basis den Wert 1 annimmt. Die Basiselemente εi1 ∧ · · · ∧ εik von Altk V entsprechen gerade den stets nach der Gr¨oße geordneten Teilmengen S = {i1 , . . . , ik } von genau k Elementen, |S| = k , und wir bezeichnen diese Elemente kurz mit εS und setzen entsprechend (ei1 , . . . , eik ) = eS , so daß 1 falls S = T , εS (eT ) = δS,T = 0 sonst. Bezeichnen wir mit VS das Erzeugnis der Basisvektoren eS in V , so haben wir die Inklusion und Projektion VS −→ V −→ VS , pS ◦ iS = id, pS
iS
und wenden wir hierauf Altk mit |S| = k an, so erhalten wir Altk VS ←∗− Altk V ←− Altk VS , ∗ iS
pS
i∗S ◦ p∗S = id.
Also p∗S ist eine Inklusion mit zugeh¨origer Projektion i∗S . Das Erzeugende εS von Altk VS wird dabei auf εS ∈ Altk V abgebildet, und der Satz sagt demnach: L (1.9) Altk V = Altk VS , α 7→ (α(eS ) · εS ), |S|=k
und Altk VS ist von εS erzeugt. Also der Koeffizient von α f¨ ur die Basis der εS ist α(eS ), weil εS (eT ) = δS,T . Auch die induzierten Abbildungen f ∗ = Alt f k¨onnen wir in Koordinaten angeben. Ist zun¨ achst f eine lineare Abbildung, gegeben durch eine Matrix f = (aij ) : Rn → Rn , so ist f ∗ (ε1 ∧ · · · ∧ εn )(e1 , . . . , en ) = ε1 ∧ · · · ∧ εn (f e1 , . . . , f en ) = det(f ) = det(aij ), also f ∗ = det f : Altn Rn → Altn Rn . Im allgemeinen ist eine lineare Abbildung nach Einf¨ uhren von Basen durch eine (m × n)Matrix gegeben: f = (aij ) : V = Rn → Rm = W,
128
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
und die induzierte Abbildung L
f ∗ : Altk W = ist dann durch eine (
n k
×
m k
L
Altk WS →
|S|=k
Altk VT = Altk V
|T |=k
)-Matrix (fT∗ S ) beschrieben, mit den Koeffizienten
fT∗ S = det(fST ),
fST : VT −→ V − → W −→ WS . iT
f
pS
Das heißt f¨ ur die gegebene Matrix von f : fT∗ S = det(aij )i ∈ S, j ∈ T .
(1.10)
Um dasselbe noch einmal in Komponenten direkt auszurechnen, f ∗ εS hat bei εT den Koeffizienten fT∗ S = f ∗ εS (eT ) = εS (f k eT ) = det(εi (f ej ))i ∈ S,j ∈ T = det(aij )i ∈ S, j ∈ T . Eine kleine Anwendung: Wir betrachten eine Zusammensetzung linearer Abbildungen B
A
Rn −→ Rn+m −→ Rn ,
A = (aij ),
B∗
L
B = (bij ).
Sie induziert det(BA) : Altn Rn −−→ Altn Rn+m =
|S|=n
A∗
Altn Rn+m −−→ Altn Rn , S
und B ∗ = ((BiS )∗ )|S|=n ,
A∗ = ((pS A)∗ )|S|=k .
Dabei soll man A∗ als Zeile und B ∗ als Spalte lesen. Es ergibt sich also P (1.11) det(BA) = det(pS A) · det(BiS ) |S|=n
=
P
det(aij )i∈S · det(bij )j ∈S .
|S|=n
Die Determinanten in der Summe geh¨oren zu (n × n)-Untermatrizen, mit erstem beziehungsweise zweitem Index in der gleichen Menge S . Die Formen α1 ∧ · · · ∧ αk , αj ∈ Alt1 V heißen u ¨brigens zerlegbar. Nicht jede Form in Altk V ist zerlegbar, aber die zerlegbaren Formen erzeugen Altk V . Eine n-Form auf einem n-dimensionalen Raum ordnet jedem n-Tupel von Vektoren ein orientiertes Volumen zu. Transformiert man den Raum, so wird die n-Form mit der Determinante der Transformation transformiert, das ist eben die geometrische Bedeutung der Determinante einer linearen Abbildung. Kommen wir zur Analysis zur¨ uck, so werden wir nicht einfach Funktionen auf einer Mannigfaltigkeit integrieren k¨onnen, wohl aber Abbildungen, die jedem Punkt p ∈ M ein infinitesimales Volumen, ein Element aus Altn Tp M zuordnen. Nat¨ urlich hat Altn Tp M die Dimension 1, aber es ist nicht auf irgendeine kanonische Weise isomorph zu R . Zwar
§ 2. Integration alternierender Differentialformen
129
induziert eine Karte einen Isomorphismus mit R , aber ein Kartenwechsel ϕ induziert die Transformation mit det Dϕ . Das ist nun gerade was wir brauchen, um koordinatenunabh¨ angig zu integrieren — nur nicht ganz. Wir m¨ ußten haben, daß die Determinante positiv ist, und hier ist eine weitere kleine Erinnerung notwendig, bevor wir uns wieder der Analysis zuwenden. Bisher war alles reine Algebra, und statt R h¨atten wir auch z.B. den K¨orper C w¨ahlen k¨ onnen. Jetzt aber kommt es auf die Anordnung von R an. Sei also V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum. Eine Form 0 6= α ∈ Altn V definiert eine Orientierung von V . Eine Basis (v1 , . . . , vn ) heißt (bez¨ uglich α ) positiv orientiert, wenn α(v1 , . . . , vn ) > 0, und sonst negativ orientiert. Die Menge aller Basen zerf¨allt in zwei Orientierungsklassen; zwei Basen sind genau dann in der gleichen Klasse (gleich orientiert), wenn die Basistransformation zwischen ihnen positive Determinante hat. Dies ist offenbar unabh¨angig von α , und α bestimmt nur, welche Klasse positiv heißen soll. Es gibt demnach zwei Orientierungen von V , definiert durch α und −α , und λα ¨ definiert dieselbe Orientierung wie α , genau wenn λ > 0. Aquivalent kann man sagen: Eine Orientierung ist eine Auswahl einer der genannten Klassen von Basen. Ist dann (e1 , . . . , en ) in der positiv orientierten Klasse, so ist λ · ε1 ∧ · · · ∧ εn , λ > 0 eine die Orientierung definierende n-Form. Dies liefert auch die richtige Definition f¨ ur den 0-dimensionalen Raum R0 = {0}. Hier ist Alt0 R0 := R , und man hat zwei Orientierungen, bezeichnet durch die repr¨asentierenden Formen 1 und −1. Das ¨außere Produkt Alt0 V ×Altk V → Altk V ist das gew¨ohnliche Produkt (a, α) 7→ a·α . Physiker erkl¨aren die Orientierung gern mit Hilfe von Handschuhen und Schrauben. Das betrifft jedoch nicht die mathematische Orientierung des R3 , sondern dient dazu, eine Orientierung im Raum der Erfahrung und des Experiments auszuzeichnen, was etwas ganz anderes ist. Sind V und W von gleicher Dimension, orientiert durch α beziehungsweise β , so heißt ein linearer Isomorphismus f : V → W orientierungserhaltend, wenn f ∗ β = λ · α mit λ > 0, und orientierungsumkehrend, falls λ < 0 . Um wieder auf die Analysis zu deuten: K¨onnten wir uns auf Kartenwechsel ϕ beschr¨anken, so daß Dϕ orientierungserhaltend ist, so hieße das det Dϕ = | det Dϕ|, und dann sind wir auf dem rechten Weg.
130
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
§ 2. Integration alternierender Differentialformen Der letzte Abschnitt hat uns darauf aufmerksam gemacht, daß wir uns mit der Orientierung befassen m¨ ussen. Sei M eine Mannigfaltigkeit. Ein differenzierbarer Atlas auf M heißt orientiert, wenn alle seine Kartenwechsel orientierungserhaltend sind, also f¨ ur alle Kartenwechsel ϕ ist an jeder Stelle det Dϕ > 0. Eine orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit ist eine Mannigfaltigkeit mit einem (unter den orientierten) maximalen orientierten differenzierbaren Atlas. Das geht nun alles gerade wie mit den differenzierbaren Strukturen, nur fragt man sich, ob die Orientierung ernstlich zus¨atzliche Voraussetzungen verlangt, oder ob man f¨ ur eine differenzierbare Mannigfaltigkeit immer einen orientierten differenzierbaren Atlas — eine Orientierung — finden kann. Ist jede differenzierbare Mannigfaltigkeit orientierbar? Die Antwort ist: Nein. Ein Beispiel ist das M¨ obiusband
Es fehlt in keinem Buch u ¨ber unseren Gegenstand, und man k¨onnte es f¨ ur ein sehr k¨ unstliches Gebilde halten, das nur dazu gut ist, als Gegenbeispiel zu figurieren, aber auch die projektive Ebene RP 2 ist nicht orientierbar, weil sie n¨amlich ein M¨obiusband als offene Teilmenge enth¨ alt.
Wir werden vorerst nur orientierte Mannigfaltigkeiten betrachten, und werden bald sehen, daß die Untermannigfaltigkeiten des Rn , die als Nullstellenmengen eines regul¨aren Gleichungssystems entstehen, stets eine Orientierung besitzen. Nun zur linearen Algebra des vorigen Abschnitts. Der Dualraum des Tangentialraums heißt der Kotangentialraum Tp∗ M := (Tp M )∗ = Hom(Tp M, R).
§ 2. Integration alternierender Differentialformen
131
Hier muß man wirklich zwischen dem Vektorraum Tp M und seinem Dualraum Tp∗ M unterscheiden. Sie sind zwar isomorph, aber es gibt keinen ausgezeichneten Isomorphismus, u ¨berhaupt keinen, den man frei von Auswahlen ein f¨ ur allemal f¨ ur alle Mannigfaltigkeiten und Punkte angeben k¨onnte. Eine lokal um p ∈ M definierte differenzierbare Funktion ϕ : (M, p) → R definiert eine Linearform, das Differential von ϕ in p (2.1)
dp ϕ
∈
Tp∗ M,
dp ϕ · v := Tp ϕ(v)
∈
Tϕ(p) R = R.
Eine lokal um q ∈ N definierte differenzierbare Abbildung, oder wie wir auch zu sagen gelernt haben, ein differenzierbarer Keim f : (N, q) → (M, p) induziert Tq f : Tq N → Tp M,
also Tq∗ f : Tp∗ M → Tq∗ N ,
und dabei wird unser Differential so transformiert: Tq∗ f (dϕ) = d(ϕ ◦ f ),
(2.2)
denn T ∗ f (dϕ) · v = dϕ · T f (v) = T ϕ ◦ T f (v) = T (ϕf )(v) = d(ϕf ) · v . Ist U 0 ⊂ Rn , so hat Tr U 0 = Tr Rn die Basis (∂/∂x1 , . . . , ∂/∂xn ), die Koordinatenfunktionen xi haben Differentiale dxi , und die Gleichung dxi ·
∂ ∂xi := = δij ∂xj ∂xj
zeigt: Die Differentiale dxi , i = 1, . . . , n bilden die zu (∂/∂x1 , . . . , ∂/∂xn ) duale Basis von Tr∗ Rn = Tr∗ U 0 . Wo in unserer Darstellung der Linearen Algebra im vorigen Abschnitt die Basen (e1 , . . . , en ) und dual (ε1 , . . . , εn ) auftraten, da stehen also hier (∂/∂x1 , . . . , ∂/∂xn ) und (dx1 , . . . , dxn ). Ist ϕ : ( Rn , r) → R ein differenzierbarer Funktionskeim, so ist (2.3)
dϕ =
∂ϕ ∂ϕ dx1 + · · · + dxn , ∂x1 ∂xn
weil nach Definition dϕ(∂/∂xi ) = ∂ϕ/∂xi . Nun zu den alternierenden Formen. Wir setzen (2.4)
Altkp M := Altk Tp M
und nennen die Familie von Vektorr¨aumen Altk M = (Altkp M | p
∈
M)
das B¨ undel der alternierenden Formen auf M . Eine differenzierbare Abbildung f : (M, p) → (N, q) induziert die Abbildung fp∗ := (Tp f )∗ : Altkq N → Altkp M, und f¨ ur eine differenzierbare Abbildung f : M → N erhalten wir so eine Familie fp∗ : Altkf (p) N → Altkp M,
p
∈
M,
132
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
von linearen Abbildungen. F¨ uhren wir eine Karte, also lokale Koordinaten x : U → U 0 ⊂ Rm in einem Gebiet U ⊂ M m ein, so bilden die Differentiale dxi ,
i = 1, . . . , m
an jeder Stelle p ∈ U eine Basis des Kotangentialraumes. Daher schreibt sich eine alternierende k-Form ωp ∈ Altkp M f¨ ur p ∈ U eindeutig in der Form P P ωp = aS dxS = ai1 ...ik dxi1 ∧ · · · ∧ dxik . i1 <···
|S|=k
Eine differenzierbare Transformation y = g(x) induziert dyi = und dies hat man f¨ ur dyiν einzusetzen, um P α= ai1 ...ik dyi1 ∧ · · · ∧ dyik
P
∂gi j ∂xj dxj
=:
P
∂yi j ∂xj dxj ,
zu transformieren. Das Ergebnis ist nach (1.10) P
g∗ α =
P
j1 <···<jk i1 <···
ai1 ...ik
Oder in anderer Schreibweise: Ist α = (2.6)
g∗ α =
P |S|=|T |=k
aS
P
∂(yi1 , . . . , yik ) dxj1 ∧ · · · ∧ dxjk . ∂(xj1 , . . . , xjk )
|S|=k
∂yS dxT , ∂xT
aS dyS und y = g(x), so ist
∂yS := det(∂yi /∂xj )i ∈ S,j ∈ T . ∂xT
Definition. Eine Differentialform vom Grad k auf M ist ein Schnitt des B¨ undels k Alt M , also eine Abbildung, die jedem Punkt p ∈ M eine alternierende Form αp ∈ Altkp M zuordnet.
Lokal im Gebiet einer Karte x : U → U 0 ⊂ Rm schreibt sich eine Differentialform demnach eindeutig in der Form P (2.7) αp = aS (p)dxS . |S|=k
Die Differentialform heißt (fast u ¨berall) stetig, differenzierbar, C k , . . . wenn die Funktionen aS : U → R in (2.7) die entsprechende Eigenschaft haben. Dies ist unabh¨angig von der Wahl der Karte, denn bei Kartenwechsel werden diese Funktionen nach (2.6) C ∞ differenzierbar transformiert. Die s¨amtlichen Differentialformen vom Grad k auf M bilden einen reellen Vektorraum Ωk M,
§ 2. Integration alternierender Differentialformen
133
und es ist Ω0 M der Raum von Funktionen auf M , denn Alt0 = R , und Ωk M = 0 falls k > dim M . In dieser Bezeichnung sind die Stetigkeits- oder Differenzierbarkeitseigenschaften nicht genannt. Eine differenzierbare Abbildung f : M → N induziert die Abbildung (2.8)
f ∗ := Ωk f : Ωk N → Ωk M,
(f ∗ α)p = fp∗ αf (p) .
Dadurch wird Ωk ein Funktor von der Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten in die Kategorie der reellen Vektorr¨aume. In Koordinaten ist die induzierte Abbildung gegeben durch P P ∂fS f∗ : aS (y)dyS 7→ aS (f (x)) (x)dxT . ∂xT |S|=k |S|=|T |=k Das Dachprodukt induziert ein f¨ ur diese induzierten Abbildungen nat¨ urliches Produkt
(2.9)
∧ : Ωk M × Ω` M → Ωk+` M,
(α ∧ β)p = αp ∧ βp .
F¨ ur k = 0 ist dies die gew¨ohnliche Multiplikation von `-Formen mit Funktionen, und Ω` M wird dadurch zu einem Modul u ¨ber dem Ring Ω0 M , also jedenfalls u ¨ber dem Ring ∞ ∞ C (M ) aller C -Funktionen auf der Mannigfaltigkeit. Die Sequenz Ω∗ = (Ωk | k
∈
N 0)
definiert damit einen Funktor von der Kategorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten in die Kategorie der graduierten Algebren, eigentlich einen Funktor von Algebrengarben u ¨ber 0 dem Funktor Ω von Ringgarben — aber wir wollen uns nicht im Allgemeinen verlieren. Beispiel. Ist ϕ : M → R eine C 1 -Funktion, so ist dϕ ∈ Ω1 M . Das Differential definiert also eine Differentialform vom Grad 1. Differentialformen vom Grad 1 heißen auch Pfaffsche Formen. Lokal, also etwa im Rm , schreiben sie sich in der Form m P ai (x)dxi , i=1
und dx ϕ =
m ∂ϕ P (x)dxi . i=1 ∂xi
Wie wir wissen, ist nicht jede Pfaffsche Form ein Differential. Sind die ai stetig differenzierbar, so ist ∂ai /∂xj = ∂aj /∂xi eine notwendige (und lokal auch hinreichende) Bedingung. Darauf werden wir noch kommen (V, § 3). Sei nun M eine orientierte m-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Wir wollen m-Formen ω ∈ Ωm M integrieren, also Funktionen, die jedem Punkt ein infinitesimales Volumen zuordnen. Betrachte zun¨achst den Spezialfall, daß M = U ⊂ Rm offen ist. Sei
134
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Ωc (U ) der Raum der integrablen Differentialformen auf U vom Grad m mit kompaktem Tr¨ ager. Das sind also die Differentialformen f · dx,
dx := dx1 ∧ · · · ∧ dxm ,
deren definierende Funktion f : U → R integrabel ist und außerhalb einer kompakten Teilmenge von U verschwindet. Wir definieren die lineare Abbildung Z Z Z m : Ωc U → R, ω = f · dx = f · dx1 ∧ · · · ∧ dxm 7→ ω := f (x) dx1 . . . dxm U
U
mit folgenden (2.10) Eigenschaften des lokalen Integrals. (i) Ist (ψi | i ∈ N ) eine integrable Partition der Eins auf U , so ist Z Z ∞ P ω= ψi · ω. i=1
m
(ii) Ist auch V ⊂ R offen und g : V → U ein orientierungserhaltender Diffeomorphismus, also det Dg > 0, so ist Z Z ω = g ∗ ω. U
V
Beweis: (i) folgt leicht, weil die Summe endlich ist, und (ii) ist die Transformationsformel, denn rechts steht Z Z Z ∗ ∗ g ω := f ◦ g · g (dx) = f ◦ g · det(Dg) dx. V
V
V
Im allgemeinen heiße jetzt eine Differentialform ω ∈ Ωm M auf der orientierten Mannigfaltigkeit M positiv, wenn f¨ ur jede Karte x : U → U 0 des zugeh¨origen Atlanten ωp = f (p)dx,
f ≥ 0.
Diese Bedingung ist nicht abh¨angig vom Koordinatensystem, weil die Jacobideterminanten der Kartenwechsel hier stets positiv sind. Auch hat man die kanonische Zerlegung als Differenz positiver Formen ω = ω+ − ω− , n¨ amlich, wenn lokal ω = f dx ist, so ist ω+ = f+ dx, ω− = f− dx. Entsprechend setzen wir Z Z Z ω = ω+ − ω− M
M
M
falls die rechte Seite existiert, und f¨ ur eine positive Form ω R Integral ω auf die folgende naheliegende Weise: M
∈
Ωm M m erkl¨aren wir das
¨ uterungen zur Integration und Orientierung § 3. Erla
135
Wir w¨ahlen eine integrable Partition der Eins (ϕi | i ∈ N ), das heißt, die ϕi haben kompakten Tr¨ ager im Gebiet einer Karte hi : Ui → Ui0 ⊂ Rm und seien etwa fast u ¨berall stetig. Dann setzen wir Z Z ∞ P ω= ϕi · ω, i=1
M
M
falls die rechte Seite existiert, und Z Z Z ∗ ϕi · ω := ϕi · ω = (h−1 i ) ϕi · ω. M
Ui0
Ui
Dies h¨angt bei fester Partition der Eins nicht von den Karten hi ab, denn ist g ein Kartenwechsel, so ist [ (gh)−1 ]∗ = (h−1 g −1 )∗ = (g −1 )∗ (h−1 )∗ und man benutzt die Transformationsinvarianz (2.10, ii). W¨ ahlt man eine andere Partition (ψj ) mit Karten (kj , Vj ), so ist nach (2.10, i) Z Z Z P P ∗ ω := ϕi ω = (h−1 i ) ϕi ω i
M
=
Ui
P i,j
Z
Ui0
i
Ui0
∗ (h−1 i ) ϕi ψj ω
=
P i,j
Z (kj−1 )∗ ϕi ψj ω
=
Vj0
P j
Z (kj−1 )∗ ψj ω,
Vj0
was die Unabh¨angigkeit von allen Auswahlen zeigt.
Nat¨ urlich kann man das Integral auch unter schw¨acheren Voraussetzungen an die Differentialform erkl¨aren. F¨ ur positive Formen gen¨ ugt, daß in der lokalen Koordinatendarstellung ωp = f (p)dx die Koeffizientenfunktionen f Lebesgue-integrabel sind. Aber darauf wollen wir jetzt nicht unsere Aufmerksamkeit richten.
§ 3. Erl¨ auterungen zur Integration und Orientierung Nacheinander sei das im vorigen Abschnitt Erkl¨arte n¨aher betrachtet. Zun¨achst zur Rolle der Partitionen der Eins. Wie integriert man eine Differentialform α den Tr¨ ager einer Differentialform α als
∈
Ωn M n ? Wir definieren, wie es naheliegt,
Tr α := Abschluß {x | αx 6= 0}. 1. Fall. Sei M = Rn und Tr α kompakt. Dann ist αx = a(x) · dx1 ∧ · · · ∧ dxn f¨ ur eine n Funktion a : R → R , und Z Z α := a(x) dx1 . . . dxn , Rn
136
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
falls die rechte Seite existiert. 2. Fall. Sei Tr α kompakt und im Gebiet einer orientierten, zum orientierten Atlanten geh¨ origen Karte h : U → Rn enthalten. Dann ist Z Z Z α := α := (h−1 )∗ α, Fall 1. M
U
Rn
Oder expliziter in Koordinaten: αp = a ◦ h(p) dh1 ∧ · · · ∧ dhn , und Z Z ah(p) dh1 ∧ · · · ∧ dhn := a(x) dx1 . . . dxn . Rn
U
3. Fall. Sei α eine beliebig vorgegebene positive Form. Wir zerlegen M als disjunkte Vereinigung einer Folge von Teilmengen (Ai | i ∈ N ), so daß Ai kompakt ist und im Gebiet einer orientierungserhaltenden Karte hi : Ui → Rn liegt. Die Familie (Ai | i ∈ N ) sei lokal endlich. Dann sei χi die charakteristische Funktion von Ai , und Z Z Z Z ∞ P α := χi · α, (Fall 2), und α := α, Ai
M
M
i=1 Ai
falls die rechte Seite existiert. In der Tat ist in diesem Fall (χi | i ∈ N ) eine Partition der R die Definition des Integrals M α brauchen. Eine Zerlegung M = gefordert ist, ist leicht zu schaffen. Man w¨ahlt eine lokal endliche mit kompakten Kugeln Ki = h−1 i {x |x| ≤ ri }
Eins, wie wir sie f¨ ur S∞ i=1 Ai , wie sie hier ¨ Uberdeckung von M
und setzt A1 = K1 , Ai+1 = Ki+1 r (K1 ∪ · · · ∪ Ki ). ◦
¨ Ist M kompakt, so kann man aus jeder Uberdeckung mit Kugeln K i eine endliche ausw¨ ahlen. Soviel zum “Zerst¨ uckeln” der Form in Teile, die sich u ¨ber Karten integrieren lassen. Als n¨achstes zur Orientierung. (3.1) Satz. Genau dann besitzt die differenzierbare Mannigfaltigkeit M n einen orientierten Atlas (ist M orientierbar), wenn es auf M n eine nirgends verschwindende (stetige oder) beliebig oft stetig differenzierbare Differentialform vom Grad n gibt. Eine solche Form heißt eine Volumenform auf M . Beweis: Besitze M eine Volumenform ω ∈ Ωn M . Ist dann y : U → U 0 eine Karte von M und U 0 eine offene Kugel, so ist ωy = a(y)dy1 ∧ · · · ∧ dyn , und weil a(y) stets
¨ uterungen zur Integration und Orientierung § 3. Erla
137
ungleich Null ist, k¨onnen wir allenfalls y1 durch −y1 ersetzen und a > 0 erreichen. Die so konstruierten Karten bilden einen orientierten Atlas, der durch die Form ω festgelegt ist: Eine Karte y ist orientierungserhaltend, genau wenn ω = a · dy1 ∧ · · · ∧ dyn ,
mit a > 0.
Ist y = g(x) ein Kartenwechsel solcher Karten, so ist n¨amlich ω = a · dy1 ∧ · · · ∧ dyn = a ◦ g · det Dg · dx1 ∧ · · · ∧ dxn , also a ◦ g · det Dg > 0
und daher
det Dg > 0.
Hat man umgekehrt einen orientierten Atlas A = {(Uλ , hλ ), λ ∈ Λ} auf M , so hat man lokal, n¨amlich im Gebiet jeder Karte Uλ , die Volumenform ωλ := dhλ1 ∧ · · · ∧ dhλn , und zwei solche Formen unterscheiden sich auf ihrem gemeinsamen Definitionsgebiet Uλ ∩ Uµ durch eine positive Funktion det(Dhλµ ) ◦ hλ . Wir w¨ahlen eine C ∞ -Partition der Eins ¨ (ϕi | i ∈ N ), die der Uberdeckung (Uλ | λ ∈ Λ) untergeordnet ist, so daß Tr ϕi ⊂ Uλ(i) , und setzen P ω= ϕi · ωλ(i) , mit ϕi · ωλ(i) := 0 wo ϕi = 0 ist. i
Dann ist ω 6= 0 u ¨berall, denn in jedem x ∈ M ist ϕi (x) > 0 f¨ ur mindestens ein i , und alle lokalen Volumenformen ωλ(i) unterscheiden sich an der Stelle x um positive Faktoren.
Eine Volumenform auf M bestimmt eine Orientierung von M , und zwei Volumenformen ω1 und ω2 bestimmen genau dann die gleiche Orientierung, wenn ω1 = λω2 ,
f¨ ur eine Funktion λ : M → R,
λ > 0.
Hat man eine Volumenform ω auf M gew¨ahlt, so schreibt sich jede andere Differentialform vom Grad n in der Form α = f · ω, f : M → R. Ist auch α eine Volumenform, so ist stets f 6= 0, und wenn M zusammenh¨angt, ist entweder f > 0 oder f < 0. Im ersten Fall definiert α die gleiche Orientierung wie ω , im zweiten die gleiche wie −ω , also haben wir die
(3.2) Bemerkung. Eine zusammenh¨angende differenzierbare Mannigfaltigkeit besitzt entweder keine oder zwei Orientierungen, definiert durch eine Volumenform ω und −ω .
Die Volumenform ω versieht die Mannigfaltigkeit M mit einer zus¨atzlichen Struktur: Einem infinitesimalen Volumenmaß . Ist eine solche Struktur ω ∈ Ωn M einmal gew¨ahlt,
138
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
so kann man auch Funktionen integrieren, durch Z Z f := f · ω. M
M
Weil jede Differentialform vom Grad n sich als α = f · ω schreibt, l¨auft das Integrieren von Funktionen und von Differentialformen auf dasselbe hinaus, wenn man ω gew¨ahlt hat. Mit anderen Worten, eine Volumenform ω auf M definiert ein Maß auf M durch Z µ(A) = ω, A
wenn man das Integral f¨ ur im Lebesgue-Sinne integrable alternierende n-Formen erkl¨art. Hier w¨ urde gen¨ ugen, daß ω auf den Teilmengen Ai der obigen Zerlegung von M stetig ist, und das kann man immer durch ω|Ai = dhi erreichen, aber im folgenden wird es gerade auf die Differenzierbarkeit der Differentialformen ankommen, und auf die Orientierung. Wir betrachten zwei durch Volumenformen α und β orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeiten M und N und eine differenzierbare Abbildung f : M → N , u ¨berall vom Rang rgp f = dim M = dim N. Dann ist f ∗β = λ · α
f¨ ur eine Funktion λ : M → R,
und f heißt orientierungserhaltend, wenn λ > 0 ist und orientierungsumkehrend f¨ ur λ < 0 .
(3.3) Bemerkung. Ist f : M → N ein orientierungserhaltender Diffeomorphismus, so ist Z Z β= f ∗ β. N
M
Ist f ein orientierungsumkehrender Diffeomorphismus, so ist Z Z β=− f ∗ β. N
M
Beweis: Ist {(Uλ , hλ ) | λ ∈ Λ} ein orientierter Atlas auf N , so ist {(Uλ , hλ ◦ f ) | λ ein orientierter Atlas auf M , und
∈
Λ}
∗ −1 ∗ ∗ (h−1 ] f β λ ) β = [ (hλ f )
so daß die erste Behauptung direkt aus der Definition des Integrals folgt. Ist nun f orientierungsumkehrend, so ist f orientierungserhaltend, wenn man die Orientierung von N durch ihre negative ersetzt (die Volumenform durch ihre negative ersetzt). Ist aber
¨ uterungen zur Integration und Orientierung § 3. Erla
139
(U, h) orientierungserhaltend f¨ ur die Orientierung ω , so ist (U, (−h1 , h2 , . . . , hn )) orienR R tierungserhaltend f¨ ur −ω , und (h−1 )∗ β = − [ (−h1 , h2 , . . . , hn )−1 ]∗ β , daher die zweite Behauptung. Daß es viele orientierte Mannigfaltigkeiten gibt, zeigt der (3.4) Satz. Sei f : Rn+k → Rk eine C ∞ -Abbildung, und 0 ein regul¨arer Wert von f , dann besitzt M n := f −1 {0} eine durch f bestimmte Volumenform und damit Orientierung. Beweis: Der Rn+k besitzt die Volumenform dx = dx1 ∧ · · · ∧ dxn+k , die Determinante. Nun hat man die von der Inklusion M → Rn+k induzierte Inklusion Tp M → Tp Rn+k = Rn+k , und wir wissen Tp M = {v | hgrad fi (p), vi = 0
f¨ ur i = 1, . . . , k}.
Daher kann man auf M eine Volumenform ω definieren durch ω(v1 , . . . , vn ) := det(grad f1 , . . . , grad fk , v1 , . . . , vn ).
Beispiele: Der euklidische Raum Rn ist orientiert durch dx, also die Basis (e1 , . . . , en ) von Rn = Tr Rn ist positiv orientiert. Die Involution τ : Rn → Rn ,
x 7→ −x
ist orientierungserhaltend wenn n gerade ist, und sonst umkehrend. Man hat die induzierte Antipodenabbildung τ : S n−1 → S n−1 , x 7→ −x, der (n − 1)-dimensionalen Sph¨are, und S n−1 ist orientiert durch die Form ω n−1 , mit ωxn−1 (v1 , . . . , vn−1 ) = det(x, v1 , . . . , vn−1 ). Offenbar ist n−1 (τ ∗ ω n−1 )x (v1 , . . . , vn−1 ) = ω−x (−v1 , . . . , −vn−1 ) = (−)n ωxn−1 (v1 , . . . , vn−1 ).
Also τ : S n → S n ist orientierungserhaltend genau wenn n ungerade ist. Nach Definition ist der projektive Raum RP n = S n /τ , und man hat das kommutative Diagramm
140
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
(3.5) Satz. Ist n ungerade, so gibt es genau eine Orientierung von RP n , so daß die Projektion π : S n → RP n orientierungserhaltend ist. Ist n gerade, so ist RP n nicht orientierbar. Beweis: Sei n ungerade, also τ ∗ ω = ω f¨ ur die Volumenform ω auf S n . Dann bestimme eine Volumenform α auf RP n so: Ist π(x) = y , so ist αy (v1 , . . . , vn ) := ωx (Tx π −1 v1 , . . . , Tx π −1 vn ) = ωτ x (Tτ x π −1 v1 , . . . , Tτ x π −1 vn ). Dies ist eine (wohldefinierte) Volumenform, also RP n ist orientierbar. Ist n gerade, so ist auf S n jetzt τ ∗ ω = −ω . Angenommen α w¨are eine Volumenform auf RP n , so w¨are π ∗ α = λω und oBdA λ > 0. Also λω = π ∗ α = (πτ )∗ α = τ ∗ π ∗ α = τ ∗ λω = −(λ ◦ τ ) · ω , also 0 < λ ◦ τ = −λ < 0, ein Widerspruch. Mit anderen Worten: Der projektive Raum RP n ist genau dann orientierbar, wenn die Antipodenabbildung τ : S n → S n der zugeh¨origen Sph¨are orientierungserhaltend ist. Man kann sich das auch direkt mit Argumenten u ¨ber orientierte Atlanten u ¨berlegen.
§ 4. Berandete Mannigfaltigkeiten Der euklidische Halbraum Rn− = {x {x ∈ Rn | x1 = 0} .
∈
Rn | x1 ≤ 0} hat den Rand ∂ Rn− = Rn−1 =
Eine Funktion f : Rn− → R heißt ( k-mal stetig, . . . ) differenzierbar im Punkte x ∈ Rn− , wenn es eine Umgebung U von x in Rn und eine k-mal stetig differenzierbare Funktion f˜ : U → R gibt, so daß f˜ | ( Rn− ∩U ) = f | ( Rn− ∩U ). Die partiellen Ableitungen beliebiger Ordnung von f˜ sind dann offenbar durch f bestimmt, so daß Dα f f¨ ur |α| ≤ k auch auf n n ∂ R wohldefiniert ist. Eine Funktion f : R− → R heißt ( k-mal stetig) differenzierbar, wenn sie dies in jedem Punkt ist, und mit einer Partition der Eins sieht man leicht, daß dies bedeutet: Es gibt eine ( k-mal stetig) differenzierbare Funktion f˜ : Rn → R , so daß f = f˜| Rn− . Wie der euklidische Raum das lokale Modell f¨ ur Mannigfaltigkeiten ist — sie sind lokal euklidisch — so ist der Halbraum das lokale Modell f¨ ur berandete Mannigfaltigkeiten.
§ 4. Berandete Mannigfaltigkeiten
141
Eine topologische n-dimensionale berandete Mannigfaltigkeit ist ein Hausdorffraum ¨ M mit abz¨ahlbarer Basis der Topologie, der eine offene Uberdeckung (Uλ | λ ∈ Λ) zul¨aßt, ' n 0 0 mit Karten hλ : Uλ −→ Uλ ⊂ R− , wobei Uλ offen im Halbraum ist (in der induzierten Topologie des Halbraums). Eine solche Familie von Karten {(hλ , Uλ ) | λ ∈ Λ} heißt ein Atlas von M . Ein Atlas heißt C ∞ -differenzierbar, wenn dies von allen seinen Kartenwechseln gilt, und eine differenzierbare Struktur auf M ist ein maximaler differenzierbarer Atlas. Eine differenzierbare berandete Mannigfaltigkeit ist eine berandete Mannigfaltigkeit mit einer differenzierbaren Struktur. Hier ist mit “differenzierbar”wie fr¨ uher “C ∞ ” gemeint. Das geht alles ebenso wie f¨ ur Mannigfaltigkeiten. Beispiele entstehen so: Sei N eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit ohne Rand. Sei ϕ : N → R eine C ∞ -differenzierbare Funktion und a ∈ R ein regul¨arer Wert von ϕ, dann ist M := ϕ−1 (−∞, a ] ⊂ N eine berandete Mannigfaltigkeit.
In der offenen Menge ϕ−1 (−∞, a) sind die Karten von N , deren Gebiet in dieser Menge liegt, auch Karten von M , und in einem Punkt auf ϕ−1 {a} kann man ϕ − a als erste Koordinate einer Karte w¨ahlen. So ist die Kugel Dn = {x
∈
Rn | |x| ≤ 1}
eine berandete Mannigfaltigkeit. Ein Diffeomorphismus g : U → V offener Mengen in Rn bildet Umgebungen von p ∈ U auf Umgebungen von g(p) ab, also ein Diffeomorphismus offener Mengen des Halbraumes Rn− bildet Randpunkte p ∈ ∂ Rn− wieder auf Randpunkte ab. Sonst m¨ ußte ja der inverse −1 Diffeomorphismus g einen inneren Punkt q auf einen Randpunkt g −1 (q) =: p ∈ ∂ Rn abbilden, und dann w¨ urde noch eine Umgebung des Punktes p in Rn im Bild von g −1 ¨ liegen. Diese Uberlegung rechtfertigt die Definition: Sei M eine berandete differenzierbare Mannigfaltigkeit, dann heißt p ∈ M ein Randpunkt, wenn f¨ ur eine (und damit jede) Karte h um p gilt h(p) ∈ ∂ Rn− . Die Menge der
142
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Randpunkte von M ist ∂M und M r ∂M heißt das Innere von M .
Mit allgemeinen rein topologischen Erkl¨arungen der W¨orter “Rand” und “Inneres” kann dies kollidieren, aber es wird nie zweifelhaft sein, wovon die Rede ist. In unserem Beispiel ist ∂M = ϕ−1 {a}, und allgemein versehen die Karten von M den Rand ∂M mit der Struktur einer (n − 1)-dimensionalen unberandeten Mannigfaltigkeit, ∂∂M = ∅, deren Karten durch Einschr¨ ankung der Karten von M gegeben sind, h|∂M : U ∩ ∂M → Rn−1 . ◦
Die offene Teilmenge M r ∂M =: M , das Innere von M , ist eine n-dimensionale unberandete Mannigfaltigkeit. Mannigfaltigkeiten ohne weiteres sollen auch fortan unberandet sein, sonst reden wir von berandeten Mannigfaltigkeiten. Eine geschlossene Mannigfaltigkeit ist eine kompakte unberandete Mannigfaltigkeit. Eine berandete Mannigfaltigkeit hat in jedem Punkt p ∈ M einen Tangentialraum, den man wie f¨ ur unberandete Mannigfaltigkeiten definiert, und zwar so, daß Tp M auch in Randpunkten ein voller n-dimensionaler Vektorraum und nicht etwa ein Halbraum ist.
Die Definition des Geometers ist hier nicht so praktisch, aber die Definition des Physikers ist w¨ortlich anzuwenden: Bez¨ uglich einer Karte ist Tp M ∼ = Rn . Bei Kartenwechsel wird mit der Jacobischen des Kartenwechsels transformiert.
§ 4. Berandete Mannigfaltigkeiten
143
Wissen wir nun, was Vektoren sind, so kann auch von Tp∗ M , von Altk M und Ωk M die Rede sein, und wir k¨onnen Differentialformen vom Grad n integrieren. Auch Partitionen der Eins verschafft man sich wie fr¨ uher. Es schadet nichts, wenn man u ¨berhaupt stets annimmt, daß die berandete Mannigfaltigkeit wie oben durch M = ϕ−1 (−∞, a ] ⊂ N definiert ist. Dann entstehen alle Formen, Partitionen und Integrale einfach durch Einschr¨ ankung von N auf die Teilmenge M . Die berandete Mannigfaltigkeit M n , n > 1, sei orientiert, also wir haben einen Atlas, dessen Kartenwechsel positive Jacobi-Determinante haben, und wir haben eine Volumenform ω ∈ Ωn M . Dann besitzt auch der Rand ∂M eine kanonische Orientierung durch die ¨ außere Normale. Sie ist so erkl¨art: Zun¨achst ist Rn und damit Rn− orientiert durch die Volumenform dx = dx1 ∧ · · · ∧ dxn , und Rn−1 = ∂ Rn ist durch dx2 ∧ · · · ∧ dxn orientiert. Ist nun {(hλ , Uλ ) | λ ∈ Λ} der gegebene orientierte Atlas von M , so schr¨ankt man ihn auf ∂M ein, und {(hλ |Uλ ∩ ∂M, Uλ ∩ ∂M ) | λ ∈ Λ} ist der Atlas, der die Orientierung von ∂M definiert. Ist er auch wirklich orientiert? Die Kartenwechsel entstehen durch Einschr¨ankung der Kartenwechsel hλµ , also durch Einschr¨ ankung eines lokalen Diffeomorphismus mit positiver Funktionaldeterminante g : ( Rn− , p) → ( Rn− , q) auf den Rand ∂ Rn− . Aber g bildet ∂ Rn− nach ∂ Rn− ab, also g1 (0, x2 , . . . , xn ) = 0 , und daher hat die Jacobische in einem Randpunkt die Form ··· 0 ∂g1 /∂x1 0 . Dg = ? D(g| Rn−1 ) Dabei ist g| Rn−1 = (g2 (0, . . . ), . . . , gn (0, . . . )) ein Kartenwechsel des betrachteten Atlanten von ∂M . Aber g1 (h, x2 , . . . , xn ) , ∂g1 /∂x1 = lim h→0 h und w¨ahlen wir stets h < 0, also den Punkt aus Rn− , so liegt auch der Bildpunkt in Rn− , also g1 < 0. Folglich ist ∂g1 /∂x1 > 0, also det D(g| Rn−1 ) > 0 , weil det Dg > 0. Das war zu zeigen.
144
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Auf der Ebene entspricht dies der gewohnten Orientierung der Kurve ∂M “gegen den Uhrzeiger-Sinn”.
Allgemein ist e1 = (1, 0, . . . , 0) der “¨außere Normalvektor” in p ∈ Rn−1 = ∂ Rn− , und das (n − 1)-Tupel (v2 , . . . , vn ) von Vektoren in Rn−1 = Tp ∂ Rn− ist positiv orientiert, genau wenn det(e1 , v2 , . . . , vn ) > 0. In einer eindimensionalen berandeten orientierten Mannigfaltigkeit hat man eine entsprechende Orientierung des Randes, die wir extra angeben, weil die Orientierung einer nulldimensionalen Mannigfaltigkeit immer etwas Verwirrendes hat: Hier lassen wir um einen Randpunkt Karten h : (M, p) → ( R− , 0)
und k : (M, p) → ( R+ , 0)
zu, und erteilen dem Punkt p ∈ ∂M die Orientierung (+1), wenn die erste Karte h orientierungserhaltend ist (zum gew¨ahlten orientierten Atlas von M geh¨ort), und (−1) , wenn die zweite Karte orientierungserhaltend ist.
Eine eindimensionale Mannigfaltigkeit ist u ¨brigens immer orientierbar, und bis auf Diffeomorphismus sind R, R+ , [ 0, 1 ], S 1 s¨ amtliche nicht leeren zusammenh¨angenden (berandeten) eindimensionalen Mannigfaltigkeiten — es ist nur etwas fummelig, sich das zu u ¨berlegen. Allerdings geht in berandeten Mannigfaltigkeiten nicht alles wie in unberandeten: Das kartesische Produkt berandeter differenzierbarer Mannigfaltigkeiten ist nicht auf kanonische Weise eine berandete differenzierbare Mannigfaltigkeit, es hat “Ecken”, die man
¨ ußere Ableitung § 5. Die a
145
erst aufbiegen m¨ ußte. Insbesondere ein Produkt von Intervallen ist ein Rechteck n Q B= [ ai , bi ], ai < bi . i=1
Sein Rand ist definiert als die Vereinigung der Seiten ∂ia B = {x
∈
∂ib B = {x
B | xi = ai },
∈
B | xi = bi }.
Ganz analog, wie f¨ ur berandete Mannigfaltigkeiten, orientieren wir die Seiten ∂ia B , ∂ib B durch die Volumenformen c i ∧ · · · ∧ dxn (−)i dx1 ∧ · · · ∧ dx
bzw.
c i ∧ · · · ∧ dxn , (−)i+1 dx1 ∧ · · · ∧ dx
wobei hier und fortan die Tarnkappe b u ¨ber einem Zeichen bedeutet, daß dieses Zeichen wegzulassen ist.
Eine (n − 1)-Form auf B schreibt sich n P c i ∧ · · · ∧ dxn , α= ai (x) dx1 ∧ · · · ∧ dx i=1
und wir definieren, wie es dann naheliegt, das Integral u ¨ber den orientierten Rand von B durch dieZFormel Z Z n P i c c i . . . dxn ]. α= (−) [ ai (x) dx1 . . . dxi . . . dxn − ai (x) dx1 . . . dx ∂B
i=1
∂ia
∂ib
Beachten wir, daß f¨ ur eine Form α ∈ Ωn−1 M einer berandeten orientierten MannigfaltigR keit M das Integral α wohldefiniert ist, und daß unsere Erkl¨arungen f¨ ur das Rechteck ∂M
ganz analog verallgemeinernd sind. Das Rechteck, wenn auch nicht so glatt, ist nat¨ urlich doch so einfach, daß man es mal zur Anleitung und um etwas auszurechnen betrachten m¨ ochte. In der Tat, l¨aßt man aus B die niederdimensionalen Seiten weg, also alles, was im Durchschnitt von mindestens zwei der oben definierten Seiten liegt, so erh¨alt man die orientierte differenzierbare berandete Mannigfaltigkeit B 0 , und was wir erkl¨art haben bedeutet Z Z α := α. ∂B
∂B 0
Ist u ¨brigens dim M = 0, so ist eine Nullform eine Funktion α : M → R ; jeder Punkt p ∈ M ist mit einer Orientierung εp ∈ {1, −1} versehen, und Z P α := εp · α(p). p∈M
146
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
§ 5. Die ¨ außere Ableitung Den Hauptsatz der Differentialrechnung einer Variablen kann man folgendermaßen formulieren: Sei α : [ a, b ] → R eine stetig differenzierbare Nullform, also eine C 1 -Funktion. Wir ordnen ihr die Differentialform dα := α0 · dx vom Grad 1 zu. Dann ist Z Z dα = α. [ a,b ]
∂[ a,b ]
Das Integral u ¨ber die zwei Punkte ∂[ a, b ] = {a, b} und ihre Orientierung sind gerade so erkl¨ art, daß auf der rechten Seite richtig α(b) − α(a) herauskommt. Wir m¨ochten eine Ableitung d : Ωk−1 M → Ωk M von Differentialformen auf nat¨ urliche Weise so erkl¨aren, daß f¨ ur jede orientierte k-dimensionale Untermannigfaltigkeit B ⊂ M mit Rand gilt Z Z (∗) α = dα ∂B
f¨ ur α
∈
Ω
k−1
B
M oder gleich allgemeiner (oder speziell M = B ) f¨ ur α
∈
Ωk−1 B .
Hier beachte: Ist α ∈ Ωk M und hat man eine Untermannigfaltigkeit mit Inklusion i : B ,→ M , so ist i∗ α =: α|B ∈ Ωk B , und wir schreiben fast immer wieder kurz α f¨ ur α|B . Ist M eine Mannigfaltigkeit mit Rand und i : ∂M ,→ M die Inklusion des Randes, so hat man die ganz entsprechende Einschr¨ankung von α ∈ Ωk M auf den Rand. Sie ist in lokalen Karten h : (M, p) → Rn− festgelegt durch i∗ : dh1 7→ 0,
dhj 7→ dhj
f¨ ur j > 1.
Es zeigt sich nun, daß man eine Ableitung d im wesentlichen nur auf eine Weise so definieren kann, daß die Formel (∗) richtig wird. Die Definition sprechen wir aus in dem
(5.1) Satz (¨ uber die ¨ außere Ableitung). Sei M eine berandete differenzierbare Mank nigfaltigkeit und Ωr M jeweils der Modul der C r -Differentialformen vom Grad k auf M . Dann gibt es genau eine Abbildung, die ¨außere Ableitung d : Ωkr M → Ωk+1 r−1 M,
r ≥ 1,
mit folgenden Eigenschaften: (i) d(α ∧ β) = (dα) ∧ β + (−)s α ∧ dβ f¨ ur α ∈ Ωs M . (ii) d ist R-linear. (iii) Ist ϕ ∈ C r M = Ω0r M , so ist dϕ das Differential von ϕ.
¨ ußere Ableitung § 5. Die a
147
(iv) dd = 0 f¨ ur r ≥ 2 . F¨ ur die ¨außere Ableitung gilt dar¨ uber hinaus: (v) Nat¨ urlichkeit. Ist h : M → N eine C r -differenzierbare Abbildung, so ist h∗ ◦ d = d ◦ h∗ . (vi) Auf einer offenen Menge des Rn ist d gegeben durch d(ϕ · dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ) = dϕ ∧ dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ,
i 1 < · · · < ik .
Beweis: Eindeutigkeit. Verschwindet α in einer Umgebung U von p , so folgt aus (i) — (iii) jedenfalls (dα)p = 0. Man kann n¨amlich eine C ∞ -Funktion ϕ auf M finden, so daß ϕ(p) = 0 und ϕ = 1 außerhalb U , dann ist α = ϕ · α , also dα = d(ϕ · α) = d(ϕ ∧ α) = dϕ ∧ α + ϕ · dα = 0 im Punkt p .
Lokal um einen Punkt p zerlegbarer Formen
∈
M stimmt aber eine Form α
∈
Ωk M u ¨berein mit einer Summe
ψ · dα1 ∧ · · · ∧ dαk f¨ ur gewisse auf ganz M definierte C ∞ -Funktionen αj , die man zum Beispiel so w¨ahlen kann, daß αj lokal um p die j-te Koordinatenfunktion einer Karte ist. Dann ist dα offenbar durch (i) — (iv) bestimmt, und zwar folgt durch Induktion nach k mit (iv) sofort d(dα1 ∧ · · · ∧ dαk ) = 0, also d(ψ · dα1 ∧ · · · ∧ dαk ) = dψ ∧ dα1 ∧ · · · ∧ dαk nach (iii). Das zeigt die Eindeutigkeit und zugleich, daß (vi) aus (i) — (iv) folgt. Existenz. Auf offenen Mengen in Rn− definieren wir d durch (vi), und weisen (i) — (v) f¨ ur offene Mengen in Rn− nach. Durch Wahl einer Karte wird dann mit (v) die Abbildung d lokal um einen Punkt in M definiert, und dies ist unabh¨angig von h. Ist n¨amlich f¨ ur einen Kartenwechsel g lokal ω = h∗ α = (gh)∗ β = h∗ g ∗ β mit g ∗ β = α , so ist dω = dh∗ α := h∗ dα = h∗ dg ∗ β =(v) h∗ g ∗ dβ = (gh)∗ dβ =: dω.
148
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Nun zu dem Beweis von (i) — (v) aus (vi) f¨ ur offene Mengen in Rn− . Die Eigenschaften (ii), (iii) sind trivial. Zu (i) sei S = {i1 , . . . , is } , T = {j1 , . . . , jt } und α = ϕ dxS ,
β = ψ dxT ,
also
α ∧ β = ϕ · ψ · dxS ∧ dxT
mit den Bezeichnungen von (2.7). Dann d¨ urfen wir S ∩ T = ∅ annehmen, weil sonst in (i) beide Seiten verschwinden. Wir erhalten d(α ∧ β) = d(ϕψ dxS ∧ dxT ) := d(ϕψ) ∧ (dxS ∧ dxT ) = (ψ dϕ + ϕ dψ) ∧ dxS ∧ dxT = dϕ ∧ dxS ∧ (ψ dxT ) + (−)s (ϕ dxS ) ∧ (dψ ∧ dxT ) := dα ∧ β + (−)s α ∧ dβ. F¨ ur (iv) betrachten wir eine Form α = ϕ dxS , was wegen der Linearit¨at von d gen¨ ugt. Dann ist ddα = d(dϕ ∧ dxS ), und nach der Produktregel (i), die wir eben gezeigt haben, Pn gen¨ ugt es ddψ = 0 f¨ ur eine C 2 -Funktion ψ zu zeigen. Aber dψ = i=1 (∂ψ/∂xi ) dxi , P also ddψ = i,j (∂ 2 ψ/∂xi ∂xj ) dxi ∧ dxj = 0, weil ∂ 2 /∂xi ∂xj symmetrisch und dxi ∧ dxj antisymmetrisch in i und j ist. Schließlich zur Nat¨ urlichkeit (v) der ¨außeren Ableitung: F¨ ur eine Funktion ϕ gilt offenbar h∗ dϕ = d(ϕ ◦ h) =: d(h∗ ϕ).
∈
Ω0
Ist nun α = dϕ und ϕ eine C 2 -Funktion, so ist h∗ dα = h∗ ddϕ = 0
und
dh∗ α = ddh∗ ϕ = 0.
Allgemein schreibt sich α lokal als Summe von Produkten von Formen dieser beiden Typen, und es gen¨ ugt zu zeigen: h∗ dα = dh∗ α
und h∗ dβ = dh∗ β =⇒ h∗ d(α ∧ β) = dh∗ (α ∧ β),
und das ist leicht: h∗ d(α ∧ β) = h∗ (dα ∧ β + (−)s α ∧ dβ) = h∗ dα ∧ h∗ β + (−)s h∗ α ∧ h∗ dβ = dh∗ α ∧ h∗ β + (−)s h∗ α ∧ dh∗ β = d(h∗ α ∧ h∗ β) = dh∗ (α ∧ β). Nun haben wir bisher die ¨außere Ableitung nur mit Amtsautorit¨at vorgestellt, aber noch nicht gezeigt, daß sie erf¨ ullt, worauf wir eigentlich hinauswollen. Das aber sagt der sogenannte (5.2) Satz von Stokes (f¨ ur ein Rechteck). Sei B ein n-dimensionales Rechteck und α eine stetig differenzierbare Differentialform vom Grad n − 1 auf B , dann ist Z Z α = dα. ∂B
B
¨ ußere Ableitung § 5. Die a
149
Beweis: Wir d¨ urfen annehmen αx = ϕ(x) · dx2 ∧ · · · ∧ dxn , denn jedes α ist eine Summe von Formen dieser Art, und beide Seiten der Formel sind linear in α . Dann schreiben wir e , mit entsprechender Zerlegung der Koordinaten x = (x1 , x B = [ a, b ] × B ˜), und Z Z Z Z Z ∂ϕ α = (ϕ(b, x ˜) − ϕ(a, x ˜)) = (x1 , x ˜) = dα, ∂x1 B ∂B [ a,b ] B e e B denn dα = dϕ/∂x1 · dx1 ∧ · · · ∧ dxn . Diese einfachste Version des Satzes von Stokes liefert zugleich eine geometrische Deutung der ¨außeren Ableitung. Sei n¨amlich β eine Differentialform vom Grad k auf einer offenen Menge — sagen wir um den Ursprung — in Rn . Wir kennen β0 , wenn wir f¨ ur k n k jeden k-dimensionalen Teilraum R ⊂ R die Einschr¨ankung (β| R )0 kennen. Es gen¨ ugt k also, dα f¨ ur eine lokal um 0 definierte (k − 1)-Form α auf R zu deuten. F¨ ur 0 < t ≤ 1 k k sei t : R → R die Abbildung x 7→ tx . Dann sagt der Satz von Stokes, wenn B ein Rechteck mit Mittelpunkt 0 ist und “vol” das k-dimensionale Volumen bezeichnet: Z Z Z Z α/vol(tB) = dα/vol(tB). α = dα, also ∂(tB)
tB
∂(tB)
tB
Aber wenn dα stetig ist, was wir ja voraussetzen, und wir dα = a(x)dx1 ∧ · · · ∧ dxk schreiben, konvergiert die rechte Seite offenbar gegen a(0). Also gilt auf dem k-dimensionalen W¨ urfel B mit Mittelpunkt 0 Z a(0) = lim α/vol(tB). t→0 ∂(tB)
Und das macht dann auch klar, daß wir letztlich den Satz von Stokes herausbekommen, weil die ¨außere Ableitung so definiert ist, daß der Satz infinitesimal gilt. Das schm¨ alert nicht die Bedeutung des Satzes. Die mathematische Einsicht und Errungenschaft liegt eben darin, daß man den richtigen infinitesimalen Kalk¨ ul der alternierenden Differentialformen gefunden hat, in dem der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung im H¨ oherdimensionalen seine vollkommene nat¨ urliche Formulierung findet. k Ist α ∈ Ω M , so heißt die Form dα ∈ Ωk+1 M auch der Korand von α , und die Form α heißt geschlossen, wenn dα = 0. Jeder stetig differenzierbare Korand ist geschlossen, denn dd = 0. Auch jede stetig differenzierbare Differentialform vom Grad n auf einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit ist geschlossen, denn ist α ∈ Ωn M n , so ist dα ∈ Ωn+1 M n = 0. In der Funktionentheorie integriert man Differentialformen α = f (z) dz mit holomorphem f u ¨ber Kurven in C . Es ist dα = d(f dz) = ∂f /∂z · dz ∧ dz + ∂f /∂ z¯ · d¯ z ∧ dz = ∂f /∂ z¯ · d¯ z ∧ dz.
150
V. Integration auf Mannigfaltigkeiten
Also eine Form f dz ist geschlossen genau wenn ∂f /∂ z¯ = 0 , also wenn f holomorph ist. Um das in unsere Begriffe einzuordnen, muß man die komplexen Differentialformen nach Real- und Imagin¨arteil zerlegen und als Paare reeller Differentialformen lesen.
Kapitel VI
Die klassischen Integrals¨ atze
felicitas enim est perfecta humani intellectus operatio. Thomas
Wir beginnen mit dem Hauptsatz der Infinitesimalrechnung im Mehrdimensionalen. Er stiftet eine enge Beziehung zwischen Geometrie und Analysis, die erst bei gen¨ ugend allgemeiner und abstrakter Formulierung so einfach und nat¨ urlich hervortritt, daß man sie zum Beweis geometrischer S¨atze unmittelbar benutzen kann. Dann erkl¨aren wir die Wirkung von Homotopien auf den Komplex der Differentialformen und das Integral, wir f¨ uhren Riemannsche Metriken ein und formulieren den Hauptsatz f¨ ur Riemannsche Mannigfaltigkeiten als Divergenzsatz. Schließlich bringen wir die Spezialisierung der allgemeinen Theorie als Vektoranalysis im Dreidimensionalen.
§ 1. Der Hauptsatz Obwohl er vielleicht verdiente, nach Gauß , und nach manchem sonst zu heißen, nennt man ihn nach einem klassischen Spezialfall auch den
(1.1) Satz von Stokes. Sei M eine orientierte berandete n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit und α eine stetig differenzierbare Differentialform vom Grad n − 1 auf M mit kompaktem Tr¨ ager. Dann ist Z Z α = dα. ∂M
M
Beweis: W¨ ahle einen orientierten Atlas, dessen Karten orientierungserhaltende Diffeo∼ Rn bzw. Rn bzw. Rn sind, wobei in den beiden letzten F¨allen morphismen hλ : Uλ = − + n n jeweils hλ (Uλ ∩ ∂M ) = ∂ R− bzw. ∂ R+ sind. Weil es um jeden Punkt von M eine solche Karte gibt, ist das m¨oglich. Sei (ϕλ |λ ∈ M ) eine dem Atlas untergeordnete glatte Partition der Eins und sei αλ = ϕλ · α , dann ist αλ = 0 außer f¨ ur endlich viele λ , weil
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
152
α kompakten Tr¨ ager hat. Es gen¨ ugt offenbar, den Satz f¨ ur jedes αλ zu zeigen, also man darf annehmen, daß Tr α in einem der obigen Kartengebiete Uλ liegt. Weil aber das Integral transformationsinvariant und die ¨außere Ableitung nat¨ urlich ist (V, 5.1, v), darf man n n n annehmen, daß M = R bzw. R− bzw. R+ , jeweils mit der Standardorientierung ist. In diesem Fall nun folgt der Satz geradeso wie f¨ ur das Rechteck, Beweis von (V, 5.2). In der Tat f¨ uhrt man diesen Fall leicht auf den des Rechtecks zur¨ uck. Kurz zusammengefaßt: Mit einer Partition der Eins f¨ uhrt man den Satz auf den Fall zur¨ uck, daß M = Rn bzw. M = Rn− oder M = Rn+ ist, und da f¨ uhrt der Satz von Fubini den Beweis auf den Fall der Dimension 1 zur¨ uck.
Es ist nicht u ¨berfl¨ ussig vorauszusetzen, daß α kompakten Tr¨ager hat, denn das Integral ist nicht mit beliebigen lokal endlichen Summen vertauschbar. In der Tat, sei n > 0 und M eine beschr¨ ankte offene Teilmenge von Rn , also ∂M = ∅, und sei α ∈ Ωn Rn . Dann ist α = dβ f¨ ur ein β ∈ Ωn−1 Rn , wie man leicht u ¨berlegt. W¨ahlt man eine lokal endliche n−1 Zerlegung β|M = Σλ βλ in Formen βλ ∈ Ω M mit kompakten Tr¨agern, so ist Z
Z dβλ =
M
weil ∂M = ∅, aber
βλ = 0 ∂M
Z
Z Σλ dβλ =
M
Z d Σλ βλ =
M
α, M
und dieses Integral existiert bei unseren Annahmen und kann beliebige Werte annehmen. Die Formen dβλ sind eben im allgemeinen nicht positiv, auch wenn α positiv ist.
Folgerung. Unter den Voraussetzungen des Satzes von Stokes gilt: Ist M unberandet, so ist Z dα = 0. M
Der Hauptsatz, wie sein Name sagt, ist von grundlegender Bedeutung f¨ ur die Analysis. Man kann zwar mit der Formulierung, die wir jetzt gefunden haben, noch nicht zufrieden sein, denn zum Beispiel der Satz f¨ ur das Rechteck und f¨ ur eine Mannigfaltigkeit stehen
§ 1. Der Hauptsatz
153
noch unverbunden nebeneinander und sollten eine gemeinsame Verallgemeinerung f¨ ur R¨ aume haben, die bis auf nicht zu große Singularit¨aten Mannigfaltigkeiten sind. Aber darauf soll es uns jetzt nicht so sehr ankommen, wie darauf, den Satz durch seine Anwendungen und Deutungen in Spezialf¨allen zu interpretieren. Die einfache Formel des Hauptsatzes, suggestiv durch eine sinnreiche Bezeichnung, stellt eine Beziehung her zwischen etwas Geometrischem, dem Rand ∂M , und etwas Analytischem, der ¨außeren (oder “orientierten”) Ableitung. Und so f¨ uhrt der Satz dazu, daß man aus geometrischen Aussagen analytische erh¨alt, wie schon in der letzten Folgerung, aber auch aus analytischen Aussagen geometrische. Daf¨ ur ein Beispiel: (1.2) Satz. Sei M eine kompakte berandete orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann gibt es keine stetig differenzierbare Abbildung r : M → ∂M,
r|∂M = id,
also, wie man sagt, keine Retraktion von M auf den Rand. In Wahrheit braucht man nicht vorauszusetzen, daß M orientiert und daß r differenzierbar ist, aber wir benutzen es hier.
Beweis: Wir finden sicher eine C ∞ -Differentialform α vom Grad (n − 1) auf ∂M , deren Integral u ¨ber ∂M nicht verschwindet. Zum Beispiel sei α eine Volumenform, welche die Orientierung von ∂M definiert. Aber wenn es die Retraktion r : M → ∂M , r|∂M = id g¨ abe, w¨are damit Z Z Z Z Z ∗ ∗ ∗ 0 6= α= r α = dr α = r dα = 0 = 0. z ∂M
∂M
M
M
M
Weil n¨amlich dim ∂M = n − 1, verschwindet Ωn ∂M , also insbesondere ist dα = 0 .
Aus dieser Anwendung folgt der ber¨ uhmte (1.3) Fixpunktsatz von Brouwer. Sei Dn = {|x| ≤ 1} der kompakte n-Ball in Rn , und sei f : Dn → Rn eine stetig differenzierbare Abbildung, die den Rand S n−1 = ∂Dn
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
154
nach Dn abbildet. Dann besitzt f einen Fixpunkt, es gibt also ein p f (p) = p.
∈
Dn , so daß
Beweis: Andernfalls erhielte man eine Retraktion r : Dn → S n−1 ,
x 7→ x + τ (x) · u(x),
u(x) := (x − f (x))/|x − f (x)|,
wobei man τ so bestimmt, daß |r(x)| = 1 ist, also p τ = −hx, ui + 1 − |x|2 + hx, ui2 . Der Radikant ist stets gr¨oßer als Null; es ist ja |x|2 ≤ 1, und falls |x| = 1, ist hx, ui = 6 0, n denn am Rand von D kann u nicht senkrecht zu x sein. Also ist τ stetig differenzierbar von x abh¨ angig, also r ist stetig differenzierbar, ein Widerspruch zu (1.2).
Hier sieht man leicht, daß es auch keine stetige fixpunktfreie Abbildung derselben Art gibt. H¨atte man eine stetige, so daß |f (x) − x| ≥ δ > 0 auf Dn , so m¨ uß te man sie nur gen¨ ugend gut glatt approximieren, und man h¨atte auch eine glatte. In der Funktionentheorie liefert der Satz von Stokes eine Version von Cauchys Integralsatz. Ist M eine kompakte berandete differenzierbare Untermannigfaltigkeit von C , ein glatt berandetes Gebiet, und ist f dz eine geschlossene Differentialform auf M , das heißt mit anderen Worten, ist f holomorph, so gilt Z Z Z f dz = d(f dz) = 0 = 0. M
∂M
M
Die Mannigfaltigkeiten, die wir hier betrachten, sind stets orientiert. Ist M eine orientierte Mannigfaltigkeit, etwa orientiert durch die Volumenform ω , so wollen wir dieselbe Mannigfaltigkeit mit der durch −ω gegebenen inversen Orientierung mit −M bezeichnen. Dann ist insbesondere Z Z α=− α. M
−M
§ 2. Der Monodromiesatz
155
§ 2. Der Monodromiesatz Sei M eine geschlossene orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit, also M sei kompakt ohne Rand, und sei I = [ 0, 1 ] das abgeschlossene Einheitsintervall. Der Zylinder u ¨ber M ist die berandete Mannigfaltigkeit I × M . Die differenzierbare Struktur des Zylinders kann man durch einen Atlas beschreiben, der zu jeder orientierten Karte h : U → U 0 ⊂ Rn von M die folgenden beiden Karten hat: [ 0, 1) × U → (−1, 0 ] × U 0 ⊂ Rn+1 − ,
(t, p) 7→ (−t, h(p)),
(0, 1 ] × U → (−1, 0 ] × U 0 ⊂ Rn+1 − ,
(t, p) 7→ (t − 1, h(p)).
Ist I durch die Volumenform dt orientiert, wie es naheliegt, und M durch eine Volumenform ω , so ist I × M auf nat¨ urliche Weise durch die Volumenform γ = pr∗1 dt ∧ pr∗2 ω orientiert, also wenn v1 , . . . , vn Tangentialvektoren in p ∈ M sind, so ist γ(∂/∂t, v1 , . . . , vn ) = ω(v1 , . . . , vn ). Demnach ist von den beiden genannten Karten des Zylinders die erste orientierungsumkehrend, die zweite orientierungserhaltend, und f¨ ur die induzierten Orientierungen auf dem Rande ist ∂(I × M ) = M1 − M0
mit
Mν := {ν} × M ∼ = M,
M1 − M0 := M1 t (−M0 ).
Diese Erkl¨arungen dienen folgender Definition: Seien f0 , f1 : M → N zwei C k -Abbildungen. Eine C k -Homotopie zwischen f0 und f1 ist eine C k -Abbbildung F : I × M → N,
(t, p) 7→ F (t, p) =: ft (p),
so daß F (0, p) = f0 (p), F (1, p) = f1 (p) f¨ ur alle p ∈ M . Zwei C k -Abbildungen heißen C k -homotop, wenn es zwischen ihnen eine C k -Homotopie gibt. ¨ Es ist nicht schwer zu sehen, daß “ C k -homotop” eine Aquivalenzrelation ist. Man muß eine kleine technische Schwierigkeit u ¨berwinden, weil beim Zusammensetzen von Homotopien die Differenzierbarkeit an der Naht verlorengehen kann. Aber das soll uns jetzt nicht
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
156
¨ k¨ ummern, wir gehen einfach zur erzeugten Aquivalenzrelation u ¨ber. Tats¨achlich sind zwei k k 0 C -Abbildungen genau dann C -homotop, wenn sie C -homotop sind.
(2.1) Monodromiesatz. Sei M eine geschlossene orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension m und N eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Sei α eine geschlossene C 1 -Differentialform vom Grad m auf N , dann h¨angt Z f ∗α M
nur von der C 1 -Homotopieklasse von f : M → N ab.
Beweis: Sei F : I × M → N eine C 1 -Homotopie zwischen f0 und f1 , dann ist Z Z Z Z Z Z ∗ ∗ ∗ ∗ 0= 0= F dα = dF α = F α = f1 α − f0∗ α. I×M
I×M
I×M
M1 −M0
M
M
Die Voraussetzung, daß α geschlossen (also dα = 0) ist, ist jedenfalls erf¨ ullt, wenn dim N = m. Auf dem Monodromiesatz beruhen viele geometrische Anwendungen der Analysis, er liefert eine notwendige Bedingung daf¨ ur, daß zwei Abbildungen homotop sind.
(2.2) Beispiel. Die Identit¨ at M n → M n einer geschlossenen orientierten differenzierbaren Mannigfaltigkeit der Dimension n > 0 ist nicht homotop zur Projektion pr : M n → {p} auf einen Punkt, also M l¨ aßt sich nicht (stetig differenzierbar) in sich zusammenziehen.
§ 2. Der Monodromiesatz
157
Beweis: W¨ahle eine Differentialform α vom Grad n auf M , deren Integral nicht verschwindet, zum Beispiel die Volumenform, die die Orientierung von M definiert. W¨are die Identit¨at von M homotop zur Projektion auf p , so w¨are Z Z Z Z ∗ ∗ 0 6= α = id α = pr α = 0 = 0, z M
M
M
M
weil die Tangentialabbildung der Projektion pr verschwindet.
Um die Kraft des Monodromiesatzes, und damit nat¨ urlich eigentlich des Satzes von Stokes zu zeigen, geben wir als Anwendung einen Beweis f¨ ur den
(2.3) Fundamentalsatz der Algebra. Jedes nicht konstante komplexe Polynom besitzt eine komplexe Nullstelle.
Beweis: Das Polynom sei g(z) = z n + a1 z n−1 + · · · + an , und es sei angenommen, daß g auf C keine Nullstelle besitzt. Dann h¨atte man eine wohldefinierte Abbildung ϕ : C → S1,
z 7→ g(z)/|g(z)|,
und die Homotopie (t, z) 7→ ϕ(t·z), 0 ≤ t ≤ 1 zeigt, daß ϕ|S 1 homotop zur Projektion auf den Punkt an /|an | ∈ S 1 ist. Andererseits hat man auch die Homotopie (t, z) 7→ ϕ(t−1 z), 0 ≤ t ≤ 1. Es ist n¨amlich ϕ(t−1 z) =
z n + ta1 z n−1 + · · · + tn an |z n + ta1 z n−1 + · · · + tn an |
auch in t = 0 wohldefiniert, mit dem Wert z n f¨ ur z ∈ S 1 . Demnach w¨ urde also folgen, daß 1 1 n 1 die Abbildung f : S → S , z 7→ z homotop zu ϕ|S und diese homotop zur Projektion R ∗ auf einen Punkt ist. Wegen letzterem w¨are f α = 0 f¨ ur jede Differentialform α vom S1
1
Grad 1 auf S . Aber das ist offenbar falsch, vielmehr ist Z Z ∗ f α = n α, S1
S1
weil die Einschr¨ ankung von f auf jeden Winkelbereich {z = e2πiϑ | k/n < ϑ < (k + 1)/n} → S 1 r {1} orientierungserhaltend diffeomorph ist. Und man kann α leicht so w¨ahlen, daß die rechte Seite nicht verschwindet.
Der Student wird im Laufe seines Studiums viele Beweise des Fundamentalsatzes der Algebra kennenlernen. Die funktionstheoretischen sind dem hier vorgef¨ uhrten in Wahrheit
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
158
eng verwandt, denn Cauchys Integralsatz ist ein Korollar des Satzes von Stokes. W¨are es nur um das Ergebnis zu tun, so w¨ urde man ein elementares Argument vorziehen, aber hier liegt eine allgemeine Methode zugrunde: Das Integral liefert eine Homotopieinvariante. Auch die Antipodenabbildung τ : S n → S n , x 7→ −x bietet sich zur Untersuchung an.
(2.4) Satz (vom Igel). Die Antipodenabbildung τ : S n → S n ist genau dann homotop zur Identit¨ at, wenn n ungerade ist und genau dann gibt es auch auf S n ein C 1 -Vektorfeld ohne Nullstellen.
Beweis: Wir orientieren S n durch die schon fr¨ uher betrachtete kanonische Volumenn n form ωx = det(x, v1 , . . . , vn ), indem wir Tx S als den Teilraum {v | hx, vi = 0} ⊂ Rn+1 auffassen. Ist τ homotop zur Identit¨at, so ist Z Z Z ∗ n+1 0 6= ω = τ ω = (−) ω, Sn
Sn
Sn
also n ungerade. Ist n ungerade, so ist n = 2m − 1 und S 2m−1 ⊂ C m ; wir zerlegen dementsprechend Vektoren in Real- und Imagin¨arteil x = u + iv , und haben folglich ein C ∞ -Vektorfeld ohne Nullstellen x 7→ i · x = −v + iu
∈
Tx S n .
Hat man schließlich auf S n ein C 1 -Vektorfeld ohne Nullstellen x 7→ w(x) ∈ Tx S n , so darf man annehmen |w| = 1, man dividiere nur durch |w|. Also h¨atte man eine C 1 -Abbildung w : S n → S n , mit hx, w(x)i = 0. Dann erh¨alt man eine Homotopie ϕt : S n → S n ,
ϕ0 = id,
ϕ1 = τ,
ϕt (x) := (cos πt) · x + (sin πt) · w(x).
Geometrisch bedeutet das: Die Homotopie bewegt x auf dem Großkreis durch x und w(x) nach −x .
Der Satz sagt insbesondere, daß man dem Igel seinen Stachelpelz nur k¨ammen kann, wenn er mindestens einen Glatzpunkt hat.
´ § 3. Das Lemma von Poincare
159
§ 3. Das Lemma von Poincar´ e. Sei M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Wir ordnen ihr die Sequenz von Vektorr¨ aumen 0 → R → Ω0 M − → Ω1 M − → · · · → Ωn M → 0 d d ··· zu. Dabei fassen wir R als den Raum der konstanten Funktionen auf M auf. Die Inklusion R ⊂ Ω0 M sei auch mit d bezeichnet. Die betrachteten Differentialformen seien beliebig oft stetig differenzierbar. Wir wissen d ◦ d = 0 , und man nennt eine solche Sequenz von Moduln und Homomorphismen, so daß d ◦ d = 0, einen Kettenkomplex. Dieser spezielle Kettenkomplex heißt der (reduzierte) de Rham-Komplex von M . Wir haben im vorigen Abschnitt etwas u ¨ber die Wirkung von Homotopien auf Integrale erfahren, und wollen dies jetzt etwas genauer studieren: Wie wirkt eine Homotopie auf Differentialformen oder — nehmt alles nur in allem — was bewirkt eine Homotopie auf dem de Rham-Komplex?
(3.1) Kettenhomotopie-Lemma. Es seien i0 , i1 : M → I × M,
x 7→ (ν, x),
ν = 0, 1,
die Inklusionen einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit in Boden und Deckel des Zylinders. Dann existiert eine Sequenz von linearen Abbildungen K : Ωk (I × M ) → Ωk−1 M, so daß dK + Kd = i∗1 − i∗0 .
Die Abbildungen stellen wir noch einmal in einem Diagramm vor.
Beweis: Der Tangentialraum des Zylinders I × M in (τ, p) zerlegt sich als Tτ I ⊕ Tp M . Im ersten Summanden haben wir den Vektor ∂/∂t , repr¨asentiert durch die Kurve t 7→ τ +t. Jeder Vektor v ∈ Tp M definiert den ebenso bezeichneten Vektor v = (0, v) ∈ Tτ I ⊕ Tp M
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
160
im zweiten Summanden. Ist nun α sonst
Ωk (I × M ) , so setzen wir Kα = 0 f¨ ur k = 0, und
∈
Z1
Kα(v1 , . . . , vk−1 ) :=
α(∂/∂t, v1 , . . . , vk−1 ) dt. 0
Das ist jedenfalls eine wohldefinierte alternierende Differentialform. Die Behauptung u ¨ber diese Abbildung K ist nun in M lokal nachzupr¨ ufen. Wir betrachten α also auf einem Gebiet I × U , wo U ein Kartengebiet von M mit Koordinaten (x1 , . . . , xn ) ist. Auf I × U haben wir dann die Koordinaten (t, x) und der Integrand in der Definition von K ist durch Funktionen dieser Variablen gegeben. Wir erhalten explizit: Kα = 0
f¨ ur α
∈
Z1 Ω , K(ϕ dxS ) = 0 und K(ϕ dt ∧ dxS ) = ( ϕ dt)dxS . 0
0
i∗0
= i∗1 = id R . (i∗1 − i∗0 )ϕ .
An der Stelle k = −1 erhalten wir also Kd = dK = 0 und F¨ ur k = 0 R1 ergibt sich dK = 0 weil K = 0, und Kdϕ = 0 ∂ϕ/∂t dt = F¨ ur k > 0 haben wir die folgenden beiden F¨alle zu betrachten: α = ϕ · dxS , dann ist dKα = 0 und R1 Kdα = K(dϕ ∧ dxS ) = ( 0 ∂ϕ/∂t dt) dxS = (i∗1 − i∗0 )α . Im anderen Fall: α = ϕ dt ∧ dxS , also i∗0 α = i∗1 α = 0 weil i∗ν dt = 0, und P dKα = ( ν
Kdα = −
Z1 ∂ϕ/∂xν dt) dxν ∧ dxS , 0
P ν
Z1 ( ∂ϕ/∂xν dt) dxν ∧ dxS , 0
denn in Kdα wird dxν mit dt vertauscht, bevor das Integral berechnet wird. Damit ist der Satz vollst¨ andig bewiesen.
Wir haben ja schon im Monodromiesatz eine Beziehung zwischen Homotopien und Integralen gefunden. Das Lemma nun ist die technische Vorstufe zu dem folgenden Satz, der genauer ausspricht, wie sich Homotopien auf Differentialformen, oder genauer gesagt auf den de Rham-Komplex auswirken.
(3.2) Kettenhomotopie-Satz. Die Abbildungen f0 , f1 : M → N seien (stetig differenzierbar) homotop. Dann gibt es eine Sequenz von linearen Abbildungen, K : Ωk N → Ωk−1 M, eine sogenannte Kettenhomotopie zwischen f0∗ und f1∗ , so daß f1∗ − f0∗ = dK + Kd.
´ § 3. Das Lemma von Poincare
161
e die Abbildung in (3.1) und Beweis: Die Homotopie sei F : I × M → N , sei K e ◦ F ∗ , dann ist K := K e + Kd) e ◦ F ∗ = dK + Kd. f1∗ − f0∗ = (F i1 )∗ − (F i0 )∗ = (i∗1 − i∗0 )F ∗ = (dK Eine Form α ∈ Ωk N heißt geschlossen oder ein Kozykel, wenn dα = 0, und sie heißt exakt oder ein Korand, wenn α = dβ f¨ ur ein β ∈ Ωk−1 N . Jeder Korand ist ein Kozykel, denn ddβ = 0. Nicht jeder Kozykel ist ein Korand, nicht jede geschlossene Form ist exakt, denn ist α = dβ und M eine geschlossene k-dimensionale Mannigfaltigkeit, und f : M → N , so ist Z Z Z Z f ∗α = M
f ∗ dβ = M
df ∗ β = M
f ∗β = 0 ∂M
weil ∂M = ∅. Aber es gibt geschlossene Formen mit nicht trivialem Integral, zum Beispiel in Ωn N n , wenn N kompakt ist. Ist α ∈ Ωk N geschlossen, und wie oben f0 homotop zu f1 , so ist f1∗ α − f0∗ α = dKα + Kdα = dKα, weil dα = 0. Also f0∗ α und f1∗ α unterscheiden sich um einen Korand — und darum eben unterscheidet sich ihr Integral u ¨ber eine geschlossene Mannigfaltigkeit nicht. Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M heißt zusammenziehbar, wenn die Identit¨ at idM homotop zur Projektion auf einen Punkt ist. Angenommen zum Beispiel M ist eine offene Menge in Rn und M ist sternf¨ ormig bez¨ uglich p ∈ M , also f¨ ur alle x ∈ M ist auch tp + (1 − t)x ∈ M f¨ ur 0 ≤ t ≤ 1. Dann ist M zusammenziehbar, die Homotopie ist eben (t, x) 7→ tp + (1 − t)x .
(3.3) Lemma von Poincar´ e. In einer zusammenziehbaren differenzierbaren Mannigfaltigkeit ist jede geschlossene Differentialform exakt. Beweis: Sei π : M → {p} die Projektion, dann gilt: Ist dα = 0 , so ist α = id∗ α = (id∗ − π ∗ )α = dKα . Hier ist π ∗ α = 0 also α ∈ Ωk M , k > 0, vorausgesetzt. F¨ ur k = 0 folgt aus dα = 0 offenbar, daß α konstant ist, weil M zusammenh¨angt.
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
162
F¨ ur eine zusammenziehbare Mannigfaltigkeit ist also der de Rham-Komplex 0→ R− → Ω0 M − → Ω1 M − → ··· − → Ωn M → 0 d
d
d
d
eine exakte Sequenz von Vektorr¨ aumen. Ein bißchen von dieser Exaktheit ist uns schon verschleiert begegnet: Eine Pfaffsche Form α = a1 (x)dx1 + · · · + an (x)dxn ist nur dann ein Differential, wenn ∂ai /∂xj = ∂aj /∂xi , und das heißt gerade dα = 0 . Diese Bedingung ist hinreichend in einer zusammenziehbaren offenen Menge. Dort besitzt jede geschlossene Pfaffsche Form ein Potential, eine Funktion ϕ, so daß α = dϕ. Auf R2 r {0} gibt es jedoch die geschlossene nicht exakte Pfaffsche Form α=
xdy − ydx x2 + y 2
oder in Polarkoordinaten (r, ϕ) einleuchtender α = dϕ. Man k¨onnte glauben, die Darstellung α = dϕ zeige, daß α exakt ist. Aber das t¨auscht, ϕ ist ja als Funktion nicht wohldefiniert. Jedoch sehen wir jetzt, daß ϕ auf einer zusammenziehbaren offenen Teilmenge der gelochten Ebene stets wohl zu definieren ist. Daß dϕ R nicht Differential einer Funktion ist, folgt sofort aus S 1 dϕ = 2π 6= 0 . Auf Rn r {0} erhalten wir nach demselben Muster eine geschlossene nicht exakte (n − 1)-Form, n¨amlich wir haben die Abbildung f : Rn r {0} → S n−1 ,
x 7→ x/|x|,
und auf S n−1 die kanonische Volumenform ω n−1 , deren Integral u ¨ber S n−1 jedenfalls echt positiv ist, wir werden es bald berechnen (5.7). Dann ist f ∗ ω n−1 auf Rn r{0} geschlossen, weil dω n−1 = 0, aber nicht exakt. Ich beschließe diesen Abschnitt mit einer esoterischen Betrachtung, die u ¨ber den Gegenstand einer Anf¨angervorlesung hinausweist: In einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M sei Z k M = ker(d : Ωk M → Ωk+1 M ) = Vektorraum der k-Kozykel. B k M = dΩk−1 M = Vektorraum der k-Kor¨ ander. Dann ist H k M := Z k M/B k M die reduzierte k-te de Rham-Kohomologie. Eine C ∞ -Abbildung f : M → N induziert eine Abbildung der de Rham-Komplexe
§ 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten
163
mit f ∗ ◦ d = d ◦ f ∗ . Daher ist f ∗ Z k N ⊂ Z k M und f ∗ B k N ⊂ B k M , und man erh¨alt eine auch mit f ∗ bezeichnete induzierte Abbildung f ∗ : H k N → H k M, welche nat¨ urlich funktoriell ist, also id∗ = id
und (f ◦ g)∗ = g ∗ ◦ f ∗ .
Die Nutzanwendung unserer Betrachtungen u ¨ber Homotopie ist der
(3.4) Satz. Sind f0 , f1 : M → N zwei C ∞ -homotope Abbildungen, so ist f0∗ = f1∗ : H k N → H k M.
Beweis: F¨ ur die Abbildungen der de Rham-Komplexe gilt dK + Kd = f1∗ − f0∗ . Ist also α ein Kozykel, so ist Kdα = 0 und daher f1∗ = f0∗ α + dKα , also f0∗ α und f1∗ α sind gleich modulo Kor¨ andern.
Die de Rham-Kohomologie liefert also Homotopie-Invarianten. Das Studium dieser Kohomologiegruppen ist Gegenstand der algebraischen Topologie, und hier ist eine Stelle, wo man unmittelbar anschaut, wie sich in der Mathematik der Gegenwart die verschiedenen Gebiete verbinden: Geometrie, Analysis und Algebra.
§ 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten Ist M n ⊂ Rn+k eine differenzierbare Untermannigfaltigkeit, so ist f¨ ur jeden Punkt n+k n+k p ∈ M auch Tp M ⊂ Tp R = R , und man hat daher ein euklidisches Skalarprodukt von Vektoren aus Tp M und die daher kommende euklidische Norm und L¨angenmessung. Sie bringt eine zus¨atzliche Struktur auf die Mannigfaltigkeit, die wir allgemein folgendermaßen erkl¨aren:
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
164
Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M mit einer Riemannschen Metrik. Eine Riemannsche Metrik auf M ordnet jedem Punkt p ∈ M eine symmetrische, positiv definite bilineare Abbildung (ein euklidisches Skalarprodukt) Tp M × Tp M → R, (v, w) 7→ hv, wip zu, und zwar beliebig oft differenzierbar von p abh¨ angend. Das heißt folgendes: F¨ uhren wir lokale Koordinaten M ⊃U − → U 0 ⊂ Rn h
ein, so erh¨alt f¨ ur p
∈
U der Tangentialraum Tp M die Basis der Vektoren ∂/∂hi := (Tp h)−1 ∂/∂xi ,
welche durch die Wege t 7→ h−1 (h(p) + t · ei ) repr¨asentiert sind. Das Skalarprodukt ist bestimmt durch die symmetrische Matrix mit Koeffizienten gij (p) := h∂/∂hi , ∂/∂hj ip . Die Matrix (gij ) heißt auch metrischer Fundamentaltensor. Die Differenzierbarkeitsforderung lautet: Die Abbildung U → Rn·n , p 7→ (gij (p)) ist C ∞ -differenzierbar. Die Physiker sind gezwungen, statt euklidischer Skalarprodukte auch symmetrische nicht ausgeartete Bilinearformen zu betrachten, die nicht positiv definit sind, deren zugeh¨ orige Matrix (gij (p)) vielmehr die reelle Normalform 1 1 1 −1 hat, mit der Bilinearform h(x1 , y1 , z1 , t1 ), (x, y, z, t)i = xx1 + yy1 + zz1 − tt1 . Diese sogenannte Minkowski-Metrik auf R4 kommt aus der Relativit¨atstheorie, und das meiste, was wir im folgenden sagen, gilt f¨ ur solche Metriken ganz analog, aber wir wollen uns doch immer an den Fall einer positiv definiten Metrik halten. Beachte, daß man zwar durch einen linearen Koordinatenwechsel erreichen kann, daß die Matrix (gij ) in einem vorgegebenen Punkt p ∈ M die Normalform hat, welche die lineare Algebra herstellt, jedoch kann man dieses nicht zugleich in einer ganzen Koordinatenumgebung erreichen. Beispiele Riemannscher Mannigfaltigkeiten sind wie gesagt alle Untermannigfaltigkeiten eines euklidischen Raumes, und es ist nicht schwer, mit einer Partition der Eins auf einer beliebigen differenzierbaren Mannigfaltigkeit eine Riemannsche Metrik einzuf¨ uhren.
§ 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten
165
Auf einer orientierten Riemannschen Mannigfaltigkeit M hat man eine kanonische Volumenform ω = ωM ∈ Ωn M. Sie ist dadurch bestimmt, daß sie einer positiv orientierten Orthonormalbasis (v1 , . . . , vn ) von Tp M den Wert 1 zuordnet. Diese Bestimmung ist jedenfalls unabh¨angig von der Wahl der Basis, denn von einer zur anderen transformiert man mit einer orthonormalen Matrix mit Determinante 1. Wie berechnet man ωM in lokalen Koordinaten? Eine reine Frage der linearen Algebra, n¨ amlich was ist ωM (b1 , . . . , bn ) f¨ ur eine beliebige positiv orientierte Basis (b1 , . . . , bn ) von Tp M ? Sei (v1 , . . . , vn ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis, dann ist P P P bi = βki vk , also hbi , bj i = βki β`j hvk , v` i = βki βkj . k
k,`
k
Setzen wir also (gij ) = (hbi , bj i) und B = (βij ) , so ist ωM (b1 , . . . , bn ) = det B,
und (det B)2 = det tB · B = det(gij ).
Wir erhalten daher: (4.1) Satz. Ist h : (M, p) → Rn eine orientierte Karte einer Riemannschen Mannigfaltigkeit, und (gij ) = (h∂/∂hi , ∂/∂hj i), det(gij ) = g, ihr metrischer Fundamentaltensor, so ist die kanonische Volumenform gegeben durch √ √ ωM (∂/∂h1 , . . . , ∂/∂hn ) = g, oder ωM = g · dh1 ∧ · · · ∧ dhn . Auf einer orientierten Riemannschen Mannigfaltigkeit M kann man jetzt auch das Integral einer Funktion erkl¨aren durch Z Z f := f · ωM , M
M
R und dieses ist gemeint, wenn man zum Beispiel von S n f oder sonst von Integralen einer Funktion u ¨ber Untermannigfaltigkeiten des Rn redet. In der Tat ist die Orientierung hier auch nicht n¨otig. Mit einer Partition der Eins zieht man sich immer auf den Fall zur¨ uck, wo der Tr¨ager von f im Gebiet einer Karte n h : U → R liegt. Jetzt kann man jedenfalls die offene Menge U so orientieren, daß h orientierungserhaltend wird. Dann ist die Volumenform ωU auf U definiert, und Z Z Z √ f = f · ωU = (f · g) ◦ h−1 dx1 . . . dxn . M
U
Rn
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
166
Dieses Integral ist unabh¨angig von der Wahl der Karte h , und zwar bleibt es auch invariant, wenn man h mit ϕ orientierungsumkehrend transformiert, denn dann wird auch −ωU die Volumenform, f¨ ur die die transformierte Karte k = ϕh orientierungserhaltend ist. So hat man auf Riemannschen Mannigfaltigkeiten ein kanonisches Integral von Funktionen oder anders gesagt, ein kanonisches Maß vol = volM , das f¨ ur orientierte Mannigfaltigkeiten (also lokal) definiert ist durch Z Z volM (A) = ωM = χA · ωM . A
M
Insbesondere k¨onnen wir die Funktion 1 u ¨ber eine kompakte (berandete) Riemannsche Mannigfaltigkeit integrieren, und es ist Z vol(M ) = ωM M
das Volumen der (berandeten) Riemannschen Mannigfaltigkeit M . Zum Beispiel ist das Volumen der Sph¨are Z n vol(S ) = ω, ωx (v1 , . . . , vn ) = det(x, v1 , . . . , vn ), Sn
wenn man wieder Tp S n als Teilraum von Rn+1 auffaßt. Nat¨ urlich kann uns jetzt nur noch die Bequemlichkeit hindern, dieses Integral sogleich explizit auszurechnen, aber sie hindert uns auch wirklich, das Integral wird uns bald zufallen (5.7). Eine Isometrie Riemannscher Mannigfaltigkeiten ist ein Diffeomorphismus ϕ : M → N, f¨ ur alle p
∈
so daß
Tp ϕ : Tp M → Tϕ(p) N
M eine Isometrie von Vektorr¨aumen ist. Wie es naheliegt, gilt:
(4.2) Satz. Ist ϕ : M → N eine Isometrie Riemannscher Mannigfaltigkeiten, so ist Z Z f = f ◦ ϕ. N
M
Beweis: Mit einer Partition der Eins sieht man sich auf den Fall gef¨ uhrt, wo der Tr¨ ager von f im Gebiet einer Karte liegt und darf also annehmen, daß M und N orientiert sind und die kanonischen Volumenformen ωM und ωN besitzen. Weil die Integrale von der Wahl der Orientierung nicht abh¨angen, darf man annehmen, daß ϕ orientierungserhaltend ist. Dann ist aber ϕ∗ ωN = ωM , und Z Z Z Z Z ∗ f := f · ωN = f ◦ ϕ · ϕ ωN = f ◦ ϕ · ωM = f ◦ ϕ. N
N
M
M
M
§ 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten
167
Zum Beispiel ist die Antipodenabbildung τ : S n → S n eine Isometrie und daher Z Z f ◦ τ = f. Sn
Sn
Beim Integral von Differentialformen — wie fr¨ uher gesagt — kommt hier ein Vorzeichen −1, wenn n gerade ist, aber hier wird auch die kanonische Volumenform durch ihr Negatives ersetzt, das Integral von Funktionen bleibt invariant. Meistens, wenn von Integralen die Rede ist, wird man wohl Funktionen auf Riemannschen Mannigfaltigkeiten integrieren. Hier kommt (im orientierten Fall, der lokal immer vorliegt) alles darauf an, die kanonische Volumenform, also √ g, g = (gij ), gij = h∂/∂hi , ∂hj i f¨ ur eine Karte h zu berechnen. Dazu wollen wir noch zwei Hinweise geben, die in expliziten Rechnungen sehr n¨ utzlich sind. n+k n Sei M ⊂ R eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit, dann erbt M von Rn+k eine Riemannsche Metrik, denn Tp M ⊂ Tp Rn+k = Rn+k , und Rn+k trage die Standard-Metrik. Sind also (v1 , . . . , vn ) Vektoren von Tp M , so schreiben sich diese Vektoren als (n + k)-Tupel reeller Zahlen vν = (vν1 , . . . , vνn+k )
∈
Rn+k ,
hvν , vµ i =
n+k P j=1
vνj vµj .
Bilden wir also die n × (n + k)-Matrix V mit den Zeilen v1 , . . . , vn , so ist (hvν , vµ i) = V · tV, und daher, wie wir (V, 1.11) ausgerechnet haben (mit S = {i1 , . . . , in } , 1 ≤ i1 < · · · < in ≤ n + k) P P det(hvν , vµ i) = det(vνi )i ∈ S · det(vµj )j ∈ S = det(vνj )2j ∈ S . |S|=n
|S|=n
Ist also ϕ : ( Rn , r) → (M, p) die lokal definierte Umkehrung einer Karte von M , so hat Tp M die Basis der Vektoren vν = ∂ϕ/∂xν ,
ν = 1, . . . , n,
mit
T ϕ(∂/∂xν ) = vν ,
und daher berechnet sich die kanonische Volumenform ωM von M in lokalen Koordinaten ϕ durch P (4.3) ϕ∗ ω = ( det(∂ϕj /∂xν )2j ∈ S )1/2 · dx1 ∧ · · · ∧ dxn . |S|=n
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
168
Ein Spezialfall entsteht aus einer C ∞ -Funktion f : U → R f¨ ur eine offene Menge U ⊂ Rn . Ihr Graph ist n¨ amlich eine Mannigfaltigkeit M = Graph(f ) = {(x, f (x)) | x
∈
U } ⊂ Rn × R,
welche diffeomorph zu U , also durch eine Karte zu beschreiben ist, n¨amlich die Projektion pr1 |M : M → U , mit der Umkehrung ϕ : U → M,
x 7→ (x, f (x)).
Wir erhalten in diesem Fall ν
vν := ∂ϕ/∂xν = (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0, ∂f /∂xν ), also hvν , vµ i = δνµ + ∂f /∂xν · ∂f /∂xµ . Wir m¨ ussen die Determinante dieser Matrix (hvν , vµ i) berechnen, oder allgemein, wenn wir ∂f /∂xν = fν setzen und E die Einheitsmatrix ist (∗)
g = det(E + (fν · fµ )).
(4.4) Die kanonische Volumenform eines Graphen. Sei U eine offene Teilmenge von Rn und f : U → R eine C ∞ -Funktion, und sei ϕ(x) = (x, f (x)). Dann ist die kanonische Volumenform ω des Graphen von f in Koordinaten ϕ gegeben durch n P ϕ∗ ω = [ 1 + (∂f /∂xi )2 ]1/2 dx1 ∧ · · · ∧ dxn . i=1
Beweis: Wir berechnen die Determinante der Matrix E + (fν · fµ ), indem wir die Matrix (fν · fµ ) auf Diagonalform transformieren. Bei der Transformation bleibt die Einheitsmatrix und die gesuchte Determinante unver¨andert. Nun ist (fν · fµ ) die Matrix der Zusammensetzung Rn −−−−−−→ R −−−− → Rn . (f1 ,...,fn )
f1
... fn
§ 4. Riemannsche Mannigfaltigkeiten
169
Falls nicht sowieso alle fν verschwinden, hat diese Matrix den Rang 1, also einen Nullraum der Dimension n − 1, und zur Diagonalisierung m¨ ussen wir nur einen nicht trivialen Eigenwert finden. Hier ist der Eigenvektor: t
(f1 , . . . , fn ) 7→ f12 + · · · + fn2 7→ (f12 + · · · + fn2 ) · t(f1 , . . . , fn ).
Also λ = f12 + · · · + fn2 ist der gesuchte Eigenwert, und wir k¨onnen die Matrix E + (fν · fµ ) in die Diagonalmatrix 1+λ 1 . .. mit der Determinante g = 1 + √ f¨ ur g .
Pn ν=1
1 fν2 transformieren. Daher der angegebene Ausdruck
Eine andere Situation, die wir oft betrachtet haben ist, daß eine Mannigfaltigkeit als Nullstellengebilde eines regul¨aren Gleichungssystems vorliegt. Sei U offen in Rn+k und f = (f1 , . . . , fk ) : U → Rk eine C ∞ -Abbildung. Sei 0 ein regul¨arer Wert von f und M = f −1 {0} . Dann hat man auf M die nirgends verschwindende Volumenform α , die durch αp (v1 , . . . , vn ) = det(gradp f1 , . . . , gradp fk , v1 , . . . , vn ) f¨ ur p ∈ M und vj ∈ Tp M definiert ist. Wir haben sie schon zur Orientierung von M benutzt, jedoch ist α noch nicht die kanonische Volumenform von M . Bildet (v1 , . . . , vn ) ein positiv orientiertes Orthonormalsystem in Tp M , so benutzen wir hgradp fi , vj i = 0 und berechnen das Quadrat der Determinante in der Definition von αp , indem wir die Matrix mit ihrer Transponierten multiplizieren. Es ergibt sich δ := det(hgradp fi , gradp fj i)i,j=1,...,k . Folglich ist ωM =
√1 δ
· α die kanonische Volumenform von M .
1 ωM (v1 , . . . , vn ) = √ · det(gradp f1 , . . . , gradp fk , v1 , . . . , vn ). δ Zum Beispiel haben wir (Bd. 2, IV, 4.7) die kanonische Volumenform des Rn in Polarkoordinaten berechnet. Das Ergebnis ist in unserer jetzigen Schreibweise (4.5)
ω = (−)n rn−1 · sin ϑ1 · (sin ϑ2 )2 . . . (sin ϑn−2 )n−2 dr ∧ dϕ ∧ dϑ1 ∧ · · · ∧ dϑn−2 . W¨ ahlen wir f = r − R f¨ ur konstantes R > 0, so ist |grad(r − R)| = |∂/∂r| = 1. Die Mannigfaltigkeit {f = 0} ist die Sph¨are vom Radius R . Die kanonische Volumenform der Sph¨ are R · S n ⊂ Rn+1 ist also in Polarkoordinaten gegeben durch (4.6)
ωR·S n = (−)n+1 Rn · sin ϑ1 · (sin ϑ2 )2 · · · (sin ϑn−1 )n−1 dϕ ∧ dϑ1 ∧ · · · ∧ dϑn−1 .
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
170
Schließlich k¨onnen wir an dieser Stelle verstehen, was das Integral l¨angs einer Kurve Z
Zb f=
f ◦ γ(t) |γ(t)| ˙ dt,
γ
a
das wir in Band 2 zu Anfang betrachtet haben, mit dem Integral Pfaffscher Formen zu tun hat. Ist γ : [ a, b ] → Rn eine Kurve und auch eine differenzierbare Einbettung, so ist γ[ a, b ] = Γ ⊂ Rn eine eindimensionale (berandete) Mannigfaltigkeit, und sie wird (wenn man pedantisch ist: bis auf die Randpunkte) durch die eine Karte γ −1 beschrieben. Hier ist die kanonische Volumenform in Koordinaten γ durch γ ∗ ωΓ = |γ| ˙ dt gegeben, also wir finden das altbekannte Kurvenintegral wieder: Z
Zb f=
Z f · |γ| ˙ dt =
a
Γ
f. γ
Auch dies l¨aßt sich verallgemeinern auf den Fall, wo man statt Rn eine Riemannsche Mannigfaltigkeit M hat. Eine C 1 -Kurve γ : [ a, b ] → M definiert f¨ ur jedes τ den Vektor γ(τ ˙ ) = Tτ γ(∂/∂t)
∈
Tγ(τ ) M,
repr¨ asentiert durch die Kurve t 7→ γ(τ +t), und man definiert insbesondere die Bogenl¨ange von γ durch Zb p s(γ) = |γ| ˙ dt; |γ| ˙ := hγ, ˙ γi. ˙ a
§ 5. Der Divergenzsatz Ein Vektorfeld v auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M (mit Rand) ist ein Schnitt des Tangentialb¨ undels, also eine Abbildung, die jedem Punkt p ∈ M einen Tangentialvektor v(p) ∈ Tp M zuordnet. Im Gebiet einer Karte h : U → Rn von M hat der Tangentialraum die Basis der Vektoren ∂/∂hi := (Tp h)−1 ∂/∂xi , und daher ist v(p) =
n P i=1
vi (p)∂/∂hi ,
f¨ ur gewisse wohlbestimmte Funktionen vi : U → R . Das Vektorfeld heißt stetig, glatt, C k -differenzierbar, . . . , wenn diese Funktionen vi die entsprechende Eigenschaft haben.
§ 5. Der Divergenzsatz.
171
Schon im ersten Kapitel haben wir Vektorfelder betrachtet, und sie als autonome Differentialgleichungen gedeutet. Eine stetig differenzierbare Kurve α : (a, b) → M ist eine Integralkurve von v , wenn f¨ ur alle τ ∈ (a, b) gilt α(τ ˙ ) = v(α(τ )). Dabei ist α(τ ˙ ) = Tτ α(∂/∂t) der durch t 7→ α(τ + t) repr¨asentierte Tangentialvektor von M . In lokalen Koordinaten — also in einer offenen Menge U ⊂ Rn — bedeutet das nat¨ urlich: Tx U = Rn , v(x) = (v1 (x), . . . , vn (x)), α = (α1 , . . . , αn ), α˙ i = vi (α1 , . . . , αn ),
i = 1, . . . , n.
Zu einem C k -Vektorfeld, k ≥ 1, geh¨ort wie erinnerlich ein lokaler Fluß Φ, mit ˙ Φ(p, t) = v(Φ(p, t)),
Φ(p, 0) = p.
Wir wollen hier unsere Wissenschaft von Existenz und Eindeutigkeit der L¨osung einer Differentialgleichung nicht wiederholen. Im Moment werden wir ohnehin nur den lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatz f¨ ur die L¨osung einer Differentialgleichung heranziehen, bei dem ja nur euklidische Umgebungen zu betrachten sind. Nun sei M eine berandete orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit, und ω die kanonische Volumenform auf M . Ist dann v ein Vektorfeld auf M , so erh¨alt man eine Differentialform ω y v vom Grad (n − 1) auf M , durch die Formel (ω y v)p (w1 , . . . , wn−1 ) = ωp (v(p), w1 , . . . , wn−1 ),
wi
∈
Tp M.
Die Divergenz des Vektorfeldes v ist dann durch die Formel (5.1)
d(ω y v) = div v · ω
als Funktion auf M definiert. Der Satz von Stokes liefert unmittelbar: (5.2) Divergenzsatz. Ist v ein stetig differenzierbares Vektorfeld mit kompaktem Tr¨ ager auf der berandeten orientierten Riemannschen Mannigfaltigkeit M , so ist Z Z div v = ω y v. M
∂M
Wir wollen beide Seiten dieser Formel n¨aher betrachten. Zun¨achst die linke — es w¨are ja nicht fair, einfach irgendetwas “Divergenz” zu nennen. Hier kommt es auf eine lokale
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
172
Betrachtung an, wir denken uns Koordinaten eingef¨ uhrt, also betrachten eine offene Menge n in R . Die Riemannsche Metrik ist durch √ h∂/∂xi , ∂/∂xj i = gij , ω = γ · dx1 ∧ · · · ∧ dxn , γ = g, mit ihrer Volumenform ganz allgemein (und nicht etwa als die Standardmetrik) festgesetzt. Das Vektorfeld hat die Gestalt v(x) =
n P i=1
vi (x)∂/∂xi ,
und es geh¨ort dazu ein lokaler Fluß , also in einer Umgebung U eines Punktes f¨ ur ein Zeitintervall (−ε, ε) eine Abbildung Φ : U × (−ε, ε) → Rn ,
Φt (x) := Φ(x, t),
Φ0 = id,
Φ˙ t = v ◦ Φt .
Wir berechnen die Ableitung der infinitesimalen Volumenausdehnung von Φt nach der Zeit f¨ ur t = 0 und behaupten:
(5.3) Deutung der Divergenz. Φ∗t ω − ω = div v · ω. lim t→0 t Beweis: In unseren lokalen Koordinaten ist der Koeffizient von dx1 ∧ · · · ∧ dxn auf der linken Seite n ∂γ n ∂v P P d i (∗) | [ γ ◦ Φt (x) · det DΦt (x)) ] = vi + γ · . dt t=0 i=1 ∂xi i=1 ∂xi Hier bedachten wir Φ0 = id, also DΦ0 = 1, und die Ableitung der Determinante haben Pn wir in (II, 2.6) schon berechnet, und die euklidische Divergenz i=1 ∂vi /∂xi gefunden. Berechnen wir nun andererseits die oben definierte Divergenz in denselben lokalen Koordinaten: n P c i ∧ · · · ∧ dxn , ωyv = (−)i+1 γ · vi · dx1 ∧ · · · ∧ dx d(ω y v) =
i=1 n P
i=1
(
∂vi ∂γ vi + γ · ) dx1 ∧ · · · ∧ dxn =: div v · ω. ∂xi ∂xi
Also erhalten wir durch Vergleich mit der rechten Seite von (∗) die Behauptung.
Unsere Deutung der Divergenz besagt f¨ ur Tangentialvektoren w1 , . . . , wn d | Φ∗t ωp (w1 , . . . , wn ) = divp v · ωp (w1 , . . . , wn ). dt t=0
∈
Tp M :
§ 5. Der Divergenzsatz.
173
Ersetzt man p durch q = Φτ (p) und wν durch Tp Φτ (wν ), so besagt diese Deutung der Divergenz dasselbe wie der
(5.4) Satz von Liouville. Sei v ein Vektorfeld auf M mit lokalem Fluß Φ und ω eine Volumenform. Sei div(v) · ω := d(ω y v) . Dann gen¨ ugt Φ∗t ω der linearen Differentialgleichung (Φ∗t ω). = div(v) ◦ Φt · Φ∗t ω, also explizit d | Φ∗t ωq (w1 , . . . , wn ) = divq (v) · Φ∗τ ωq (w1 , . . . , wn ), dt t=τ
q = Φτ (p).
Nunmehr wenden wir uns der rechten Seite des Divergenzsatzes zu. Was bedeutet die Form (ω y v)|∂M geometrisch? Um das zu sehen, ordnen wir jedem Randpunkt p ∈ ∂M den kanonischen Normalvektor n = n(p) ∈ Tp M zu, mit folgenden Eigenschaften: (i) hn, wi = 0 f¨ ur alle w (ii) |n| = 1 . (iii) n zeigt nach außen.
∈
Tp ∂M , also n ist orthogonal zu ∂M .
Letzteres heißt: Ist (w1 , . . . , wn−1 ) eine positiv orientierte Basis von Tp ∂M , so ist ω(n, w1 , . . . , wn−1 ) > 0 f¨ ur die kanonische Volumenform ω von M , also (n, w1 , . . . , wn−1 ) ist eine positiv orientierte Basis von Tp M . Mit diesen Festsetzungen gilt dann:
(5.5) Lemma. Seien ωM und ω∂M die kanonischen Volumenformen der Riemannschen Mannigfaltigkeiten M und ∂M . Dann gilt: (ωM y v) | ∂M = hv, ni · ω∂M .
Beweis: Sei (w1 , . . . , wn−1 ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis von Tp ∂M . Dann ist (n, w1 , . . . , wn−1 ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis von Tp M . Wir stellen v als Linearkombination dieser Basis dar und erhalten: n−1 P v = hv, ni · n + λi wi , i=1
(ωM y v)(w1 , . . . , wn−1 ) = ωM (v, w1 , . . . , wn−1 ) = hv, ni, hv, ni · ω∂M (w1 , . . . , wn−1 ) = hv, ni.
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
174
Als Folgerung und Zusammenfassung ergibt sich jetzt unmittelbar:
(5.6) Divergenzsatz von Gauß . Sei v ein stetig differenzierbares Vektorfeld mit kompaktem Tr¨ ager auf der berandeten orientierten Riemannschen Mannigfaltigkeit M . Dann ist Z Z div v = hv, ni. M
∂M
Dabei ist n der kanonische Normalvektor auf ∂M .
Diese Integralformel hat tausend Anwendungen in der Analysis, aber es gibt auch kaum ein Gebiet der Physik, wo sie nicht auftritt. Auf dem Rn mit der euklidischen Metrik h∂/∂xi , ∂/∂xj i = δij erh¨ alt man nach unseren Formeln den altvertrauten Ausdruck f¨ ur die Divergenz div v =
n P i=1
∂vi /∂xi .
Wir empfehlen den Divergenzsatz gleich durch eine Anwendung:
(5.7) Berechnung des Volumens der Sph¨ are. Das Volumen der n-Sph¨are ist vol(S n ) = (n + 1) · vol(Dn+1 ),
mit
Dn+1 = {x
∈
Rn+1 | |x| ≤ 1}.
Beweis: Auf Dn+1 sei der Ortsvektor x als Vektorfeld genommen, dann ist div x = n+1, und auf S n = ∂Dn+1 ist x = n. Also Z Z Z n+1 (n + 1) · vol(D )= div x = hx, ni = 1 = vol(S n ). Sn
D n+1
Sn
Das Volumen des Balls Dn+1 kennen wir ja (Bd. 2, IV, 4.11), und wir haben da schon dieses Ergebnis angedeutet. Wie der Satz von Stokes eine Deutung der ¨außeren Ableitung gibt, geht aus dem Divergenzsatz auch eine geometrische Deutung der Divergenz hervor: Wir w¨ahlen eine n-dimensionale berandete Untermannigfaltigkeit, zum Beispiel eine kleine Kugel D um p ∈ M und wissen Z Z div v = D
hv, ni. ∂D
§ 6. Vektoranalysis
175
R Wir dividieren beide Seiten durch das Volumen vol(D) = D 1 und erhalten Z Z ( div v)/vol D = ( hv, ni)/vol D. D
∂D
F¨ allt jetzt D in ein Kartengebiet, so daß man ohne weiteres vom Durchmesser |D| = sup{|p − q| p, q ∈ D} reden kann, so ergibt sich leicht f¨ ur p ∈ D : Z (5.8) divp v = lim ( hv, ni)/vol D. |D|→0
∂D
Auf der linken Seite dieser Gleichung steht n¨amlich in Koordinaten Z Z ( div v · γ(x)dx1 . . . dxn )/ γ(x)dx1 . . . dxn , D
D
was f¨ ur |D| → 0 offenbar gegen divp v geht. R Wir stellen uns das Vektorfeld v durch seinen Fluß vor. Das Integral ∂D hv, ni mißt, wieviel pro Zeit u ¨ber den Rand von D in Normalrichtung nach außen str¨omt. Dies wird infinitesimal pro Volumen genommen, so daß die Divergenz eine Quellst¨arke ist (oder eine Sickerst¨ arke, wenn sie negativ ausf¨allt). Der Divergenzsatz sagt also: Das Integral u ¨ber die Quellst¨arke ist gleich dem, was (senkrecht gemessen) u ¨ber den Rand fließt.
§ 6. Vektoranalysis Tr¨ agt ein reeller Vektorraum V eine symmetrische nicht entartete Bilinearform V × V → R,
(v, w) 7→ hv, wi,
so hat man einen induzierten Isomorphismus mit dem Dualraum κ : V → V ∗,
v 7→ hv, i.
Sei jetzt (e1 , . . . , en ) eine Basis von V und hei , ej i = gij .
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
176
Sei (ε1 , . . . , εn ) die duale Basis von V ∗ . (Hier befolgen wir ausnahmsweise die vielbeliebte Konvention, durch die Position der Indexe die Varianz mitzuteilen. Im allgemeinen h¨atte das Befolgen dieser Indexkonventionen aber in diesem B¨ uchlein wie zumeist mehr M¨ uhe als Nutzen gebracht.) Dann ist P (6.1) κ(ei ) = gij εj j
P
denn κei (ek ) = hei , ek i = gik = ( j gij εj )(ek ). Bezeichnen wir mit (g ij ) die zu (gij ) inverse Matrix, so ist entsprechend (6.1) P ij κ−1 εi = g ej . j
Versieht man V denn
∗
so mit einem Skalarprodukt, daß κ isometrisch wird, so ist hεi , εj i = g ij ,
hεi , εj i = hκ−1 εi , κ−1 εj i =
P
g ik g j` hek , e` i =
k,`
P
g ik g j` gk` =
k,`
P k
g ik δkj = g ij .
Wir denken nat¨ urlich an Riemannsche Mannigfaltigkeiten. Die gegebene Metrik induziert hier den Isomorphismus κ : Tp M → Tp M ∗ , und dadurch haben wir eine Entsprechung von Differentialformen und Vektorfeldern auf M . Es bezeichne ΓM den C ∞ (M )-Modul der Vektorfelder auf M . Dann induziert κ den ebenso bezeichneten Isomorphismus ∼ =
κ : ΓM −→ Ω1 M,
v 7→ hv, i,
der einem Vektorfeld v die Pfaffsche Form κv zuordnet, mit (κv)p (w) = hv(p), wi f¨ ur w ∈ Tp M . Insbesondere ist κ−1 df = grad f der Gradient von f . In lokalen Koordinaten (x1 , . . . , xn ) ist gij (x) = h∂/∂xi , ∂/∂xj i , und P ij κ−1 dxi = g (x)∂/∂xj , j
also (6.2)
grad f =
P
g ij (x)∂f /∂xi (x) · ∂/∂xj .
i,j n
Hat man nat¨ urlich auf R die Standardmetrik gij = δij , so ist P grad f = ∂f /∂xj · ∂/∂xj j
der Vektor mit den Komponenten ∂f /∂xj . So tritt es zumeist in R3 auf. In R4 jedoch betrachtet man gern die Minkowski-Metrik 1 1 (gij ) = , Diagonalmatrix, 1 −1
§ 6. Vektoranalysis
177
welche durch die Relativit¨atstheorie begr¨ undet ist. Hier ist dann grad4 f = (∂f /∂x, ∂f /∂y, ∂f /∂z, −∂f /∂t), ¨ f¨ ur die Basis (∂/∂x, ∂/∂y, ∂/∂z, ∂/∂t) des Tangentialraumes. Uberhaupt h¨angt der Gradient von der Metrik ab, und ist “in allgemeinen Koordinaten” durch (6.2) zu berechnen. Ist M eine orientierte n-dimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit mit der kanonischen Volumenform ω , so haben wir auch die Isomorphismen ∼ =
ω y : ΓM −→ Ωn−1 M,
(6.3)
∞
n
ω· : C (M ) − → Ω M,
v 7→ ω y v, f 7→ f · ω.
In lokalen Koordinaten (x1 , . . . , xn ) ist der erste durch P j √ P dj ∧ · · · ∧ dxn (6.4) v= v ∂/∂xj 7→ g · (−)j+1 v j dx1 ∧ · · · ∧ dx j
j
gegeben. Im Dreidimensionalen mit Koordinaten (x, y, z) schreibt man das so: √ ω y v = g · (v 1 dy ∧ dz + v 2 dz ∧ dx + v 3 dx ∧ dy). √ In euklidischen Koordinaten ist g = 1, und die drei Komponenten von v stehen wieder so da wie zuvor. Im Folgenden sei nun M eine dreidimensionale orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit. Wir benutzen die Isomorphismen κ und ωy, um den Kalk¨ ul der ¨außeren Differentialformen als Kalk¨ ul der klassischen Vektoranalysis neu zu interpretieren. Wir gehen aus von dem kommutativen Diagramm:
Die untere Zeile ist durch die Kommutativit¨at des Diagramms und die obere definiert. Was oben immer dieselbe Formel ist, erscheint unten in bunter Vielfalt. So wird aus ¨ d ◦ d = 0 durch Ubersetzung in die untere Zeile: (6.6)
rot grad f = 0,
div rot f = 0.
Das Lemma von Poincar´e sagt f¨ ur eine zusammenziehbare Mannigfaltigkeit umgekehrt: Ist rot v = 0, so ist v = grad f f¨ ur eine Funktion f , also das Vektorfeld hat ein Potential, und ist div v = 0, so ist v = rot w f¨ ur ein Vektorfeld w . Die Verwandlung des Satzes von Stokes zum Divergenzsatz von Gauß Z Z div v = hv, ni M
haben wir schon besprochen.
∂M
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
178
Sei N eine zweidimensionale berandete orientierte Untermannigfaltigkeit von M . Dann sagt der Satz von Stokes f¨ ur ein Vektorfeld v mit kompaktem Tr¨ager: Z Z (6.7) ωM y rot v = κv. N
∂N
Ist t das Feld von Tangentialvektoren von ∂N der L¨ange 1 und positiver Orientierung, so ist κv | ∂N = hv, ti · ω∂N , denn κv(t) = hv, ti , also beide Seiten stimmen auf dem Basisvektor t u ¨berein. Die linke Seite von (6.6) haben wir schon f¨ ur den Divergenzsatz gedeutet: Wir ordnen jedem p ∈ N einen kanonischen Normalvektor n(p) so zu, daß gilt: (i) hn(p), wi = 0 f¨ ur alle w ∈ Tp N . (ii) |n| = 1. (iii) F¨ ur eine positiv orientierte Basis (w1 , w2 ) von Tp N ist ω(n(p), w1 , w2 ) > 0. Dann ist (ω y w)|N = hn, wi · ωN . Setzen wir dies in (6.6) ein, so entsteht der klassische (6.8) Rotationssatz. Sei N eine zweidimensionale orientierte kompakte berandete Untermannigfaltigkeit von M und v ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf M . Dann ist Z Z hrot v, ni = hv, ti. N
n = kanonische Normalfeld von N ,
∂N
t = positives Einheitstangentialfeld von ∂N .
Diese Versionen des Divergenz- und Rotationssatzes dienen vor allem der geometrischen Deutung der Integralformeln. F¨ ur die Berechnung ist die urspr¨ ungliche Fassung (6.7) und (5.2) besser geeignet. Die Integranden sind da unmittelbar in Koordinaten anzugeben, und die Berechnung der Normal- und Tangentialfelder und der Volumenform ωN ist u ¨berfl¨ ussig. Nur wenn eine speziell gew¨ahlte besonders einfache geometrische Situation all diese Gr¨oßen unmittelbar abzulesen gestattet, empfiehlt sich auch zur Rechnung die letzte Version des Rotationssatzes. Das Diagramm (6.5) liefert Isomorphismen, die man mit einem ∗ bezeichnet, ∗
Ω1 M ↔ Ω2 M
und Ω0 M ↔ Ω3 M.
In euklidischen Koordinaten auf M = R3 ist ∗ ε1 = ε2 ∧ ε3 ,
∗ ε2 = ε3 ∧ ε1 ,
∗ ε3 = ε1 ∧ ε2 .
§ 6. Vektoranalysis
179
Sie heißen Sternoperatoren. Wir nehmen sie als zus¨atzliche Struktur zum de RhamKomplex hinzu. Dann k¨onnen wir die Formeln der klassischen Vektoranalysis durch ¨ Ubersetzung aus dem Kalk¨ ul der alternierenden Differentialformen gewinnen. Man kann das Skalarprodukt von Vektorfeldern beschreiben durch (6.9)
hv, wi = ∗(κ(v) ∧ ∗κ(w)).
Beweis: W¨ ahle Orthonormalbasen (e1 , e2 , e3 ) von Tp M und (ε1 , ε2 , ε3 ) dual so, daß w = w1 e1 . Dann ergibt sich ∗(κ(v) ∧ ∗κ(w)) = ∗(κ(v) ∧ ω y w) = ∗(w1 · κ(v) ∧ ε2 ∧ ε3 ) = ∗(v 1 w1 · ω) = v 1 w1 = hv, wi.
Der Laplaceoperator ist in unserer Situation definiert durch ∆f = div grad f = ∗d ∗ df. Man hat auch einen Laplaceoperator ∆ = (d ∗ d ∗ − ∗ d ∗ d) : Ω1 M → Ω1 M und definiert damit den vektoriellen Laplaceoperator →
∆ = κ−1 ◦ ∆ ◦ κ : ΓM → ΓM. Man rechnet unschwer nach, daß dieser in euklidischen Koordinaten auf R3 dadurch gegeben ist, daß man komponentenweise den Laplaceoperator anwendet. Das Kreuzprodukt von Vektorfeldern ist durch die Kommutativit¨at des folgenden Diagramms definiert: ∧ Ω1 M × Ω1 M −−−−→ Ω2 M x x ω y κ×κ ΓM × ΓM ¨ Einige Beispiele f¨ ur die Ubersetzung: F¨ ur f (6.10)
×
−−−−→ ΓM. ∈
Ω0 M , α
∈
Ω1 M :
d(f · α) = df ∧ α + f · dα, rot(f · v) = grad f × v + f · rot v.
Und f¨ ur f (6.11)
∈
Ω0 M , α
∈
Ω2 M liefert dieselbe Formel div(f · v) = hgrad f, vi + f · div v.
Setzt man hier v = grad g ein, so erh¨alt man (6.12)
div(f · grad g) = hgrad f, grad gi + f · ∆g.
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
180
Vertauscht man hier f und g und subtrahiert beide Gleichungen, so entsteht div(f · grad g − g · grad f ) = f · ∆g − g · ∆f. Aus dem Divergenzsatz folgt daher:
(6.13) Greensche Formel. Hat die Funktion f oder g kompakten Tr¨ager, so gilt: Z Z hf · grad g − g · grad f, ni. (f · ∆g − g · ∆f ) = M
∂M
Ist zum Beispiel g eine Testfunktion, die auf dem Rand ∂M von zweiter Ordnung verschwindet, also g|∂M = dg|∂M = 0, so ergibt sich Z Z f · ∆g = g · ∆f. M
M
Erkl¨ aren wir allgemein ein Skalarprodukt auf dem Raum der C 2 -Funktionen auf M mit kompaktem Tr¨ ager im Inneren von M durch Z hf, gi := f · g, M
so liefert die Greensche Formel also hf, ∆gi = hg, ∆f i. Das besagt, daß ∆ auf einem geeigneten Raum von Funktionen ein selbstadjungierter Operator ist. ¨ Weitere Ubersetzungen: F¨ ur Funktionen f und g auf M hat man (6.14)
d(f · g) = g · df + f · dg, grad(f · g) = g · grad f + f · grad g.
Man wendet ∗ an und leitet noch einmal ab, dann folgt (6.15)
d ∗ d(f · g) = dg ∧ ∗df + df ∧ ∗dg + g · d ∗ df + f · d ∗ dg, ∆(f · g) = 2hgrad f, grad gi + g · ∆f + f · ∆g.
Ist α = κ(v)
∈
Ω1 M , also dα = ∗κ(rot v), so ergibt sich
(6.16)
d(α ∧ β) = dα ∧ β − α ∧ dβ, div(v × w) = hrot v, wi − hv, rot wi.
Die triviale Identit¨ at d(∗d∗) = (∗d)(∗d) + (d ∗ d ∗ − ∗ d ∗ d)
§ 6. Vektoranalysis
181
verwandelt sich durch Transformation mit κ in die edle Formel (6.17)
→
grad div v = rot rot v + ∆v.
Den Sternoperator und damit den Laplaceoperator ∆ = div grad hat man f¨ ur orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeiten beliebiger Dimension. Die Metrik braucht auch nicht definit zu sein, solange sie nur nicht entartet ist. F¨ ur die Minkowski-Metrik auf R4 bleibt die kanonische Volumenform unge¨andert die Standard-Determinante, aber der Gradient andert sich, und ¨ ∂2f ∂2f ∂2f ∂2f div4 grad4 f = + + − ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 ∂t2 ist der Wellenoperator. Man sieht, was alles im Komplex der alternierenden Differentialformen steckt. Die Eleganz und Durchsichtigkeit des Kalk¨ uls ist auch im Dreidimensionalen nicht durch Verlust des klassischen Inhalts erkauft. Gelegentlich hat man auch Anlaß , die Vektoranalysis im Zweidimensionalen anzuwenden. Man gewinnt die n¨otigen Aussagen aus dem f¨ ur dreidimensionale Mannigfaltigkeiten Vorgef¨ uhrten folgendermaßen: Sei N eine zweidimensionale orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit, eine Fl¨ache. Dann tr¨agt M := N × R als dreidimensionale Mannigfaltigkeit auch eine Riemannsche Metrik, die Produktmetrik von N und R , denn es ist T(p,t) M = T(p,t) (N × R) = Tp N × Tt R. Auch erweitern wir Funktionen f : N → R oder Vektorfelder auf N zu Funktionen und Vektorfeldern auf N × R , die wir mit gleichem Buchstaben bezeichnen, durch f (p, t) := f (p)
und v(p, t) = (v(p), 0).
Die Tangentialvektoren auf N × R sind dabei entsprechend obiger Produktzerlegung in Komponenten aus Tp N und Tt R dargestellt. So haben wir also kanonische Einbettungen C ∞ (N ) → C ∞ (N × R),
Γ(N ) → Γ(N × R),
wenn wir mit Γ wieder den jeweiligen Raum der Vektorfelder bezeichnen. Nun beachte man, daß der Gradient von N × R bei diesen Konventionen sich zu einer Abbildung
182
¨ tze VI. Die klassischen Integralsa
einschr¨ ankt, und ganz analog durch Einschr¨ankung entsprechender Operatoren auf N × R erh¨ alt man die Divergenz div : Γ(N ) → C ∞ (N ). Die Rotation rot : Γ(N × R) → Γ(N × R) bildet den Unterraum Γ(N ) in den Raum der Vektorfelder ab, deren N -Komponente verschwindet, die also nur eine allenfalls nicht triviale R-Komponente haben. Einem Vektorfeld v ∈ Γ(N ) entspricht n¨amlich unter κ eine Pfaffsche Form pr∗ α , wenn pr : N × R → N die Projektion ist. Diese Form hat den Korand pr∗ dα = ϕ · pr∗ ωN = ωM y (0, ϕ), mit M = N × R und ϕ ∈ C ∞ (N ). Also rot(v) = (0, ϕ), wof¨ ur man denn, wenn man von vornherein auf Fl¨achen bleibt, gleich rot(v) = ϕ schreibt. Somit liefert die Rotation durch Einschr¨ankung auf Γ(N ) hier einen Operator rot : Γ(N ) → C ∞ (N ). So wird der Leser m¨ uhelos aus dem Dreidimensionalen ins Zweidimensionale absteigen, wie ja auch in physikalischen Anwendungen die betrachteten Fl¨achen meist in den Raum eingebettet sind.
Aufgaben Schmeidige doch ein weniges deine borstige Seele! Suche zusammen dein Wissen und lichte die rußigen Kammern Deines Gehirns und besinne dich wohl auf alles und jedes, Was dir geoffenbart; dann nimm den Griffel und zeichn es Fein mit Fleiß in ein Buch, damit es daure und bleibe. M¨ oricke
Viele der folgenden Aufgaben enthalten eine Behauptung, die dann herausgefunden und bewiesen werden soll. Das wollte ich nicht immer in Befehlsform und in Nebensatzkonstruktionen aussprechen. Insbesondere widerstrebt es mir, meine geneigten Studierenden mit “man zeige” anzuherrschen.
Zu Kapitel I 1. Gib s¨amtliche Funktionen α : R → R an, die die Differentialgleichung y 0 =
p |y| l¨osen.
2. Sei f : R → R stetig. Dann ist jede L¨osung der Differentialgleichung y 0 = f (y) eine monotone Funktion. 3. Wende das Iterationsverfahren von Picard-Lindel¨of an, um eine L¨osung der Differentialgleichung y 0 = y − x mit Anfangsbedingung (i) y(0) = 1,
(ii) y(0) = 0 zu konstruieren.
4. Am Ende eines H¨orsaals steht der Dozent mit Augenh¨ohe ` u ¨ber dem Boden. Der Boden des H¨orsaals soll so ansteigen, daß u ¨berall der Winkel zwischen dem Boden und der Geraden zum Auge des Dozenten konstant α ist, damit alle H¨orer zum Dozenten im gleichen Winkel aufschauen. Beschreibe den Verlauf des Bodens durch eine Differentialgleichung in kartesischen und Polarkoordinaten und l¨ose sie. 5. Gegeben sei eine differenzierbare Funktion einer Ver¨anderlichen t 7→ y(t), und es sei y(0) ≥ 1, y(t) ˙ ≥ y(t). Dann ist y(t) ≥ exp(t) f¨ ur t ≥ 0. 6. (i) Gib eine offene Menge U ⊂ R2 und ein Vektorfeld auf U ohne Singularit¨aten an, das zu jedem τ > 0 eine Integralkurve der Periode τ hat. (ii) Auf jeder offenen Menge U ⊂ Rn gibt es einen Fluß Φ : U × R → U , dessen Transformationen Φt : U → U f¨ ur t 6= 0 keinen Punkt festlassen.
184
Aufgaben
7. Sei f (y, t) eine formale Potenzreihe in zwei Variablen. Gesucht ist eine formale Potenzreihe α(t) einer Variablen mit α(0) = 0, sodaß α(t) ˙ = f (α(t), t). Man erh¨alt α durch Picard-Lindel¨of Iteration. Die Iterationsfolge αn konvergiert in dem Sinne, daß αn+1 − αn von n-ter Ordnung verschwindet. 8. Eine Schnecke kriecht ein beliebig dehnbares Gummiband entlang mit einer Geschwindigkeit v , w¨ahrend ein D¨amon das Gummiband mit Geschwindigkeit w des Endpunktes, bei festem Anfangspunkt, ausdehnt. Beschreibe die Bewegung der Schnecke durch eine Differentialgleichung und entscheide (abh¨angig von v und w ), ob sie in endlicher Zeit das Ende des Bandes erreicht. 9. Sei D = R+ und seien auf R × D die Differentialgleichungen y·t (i) y˙ = 2 , y + t2
t2 − y , (ii) y˙ = t
t
∈
D,
y
∈
R,
gegeben. Finde jeweils die lokalen L¨osungen α(x, t) mit α(x, 1) = x . 10. Zum Zeitpunkt t = 0 stehen drei L¨aufer auf den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks. Auf ein Kommando l¨auft jeder mit konstantem Betrag der Geschwindigkeit auf seinen im Uhrzeigersinn n¨achsten Nachbarn zu. Dann gilt: Zu jeder Zeit t ≥ 0 befinden sich die L¨ aufer auf den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks. Beschreibe ihre Bahnen durch eine Differentialgleichung. Wie schnell n¨ahern sie sich dem Mittelpunkt? Treffen sie sich? 11. (i) L¨ose die Bernoullische Differentialgleichung y˙ = p(t) · y + q(t) · y n , n durch eine Transformation vom Typ u = y α .
∈
Z,
(ii) L¨ose y˙ = y/t + 2y 2 mit Anfang y(1) = 1 und y(1) = 0 . 12. Die drei Vektorfelder mit den Phasenportraits am Ende von § 3 sind nicht durch lokale Transformation um den Mittelpunkt ineinander u ¨berf¨ uhrbar. 13. Sei U offen in R2 und p ∈ U eine isolierte Singularit¨at (= Nullstelle) des Vektorfeldes v : U → R2 . Der Index von v in p ist die Umlaufszahl n(v ◦ α, 0) f¨ ur die Kurve 2πit α(t) = p + εe , ε gen¨ ugend klein. Konsultiere Lehrb¨ ucher der Funktionentheorie u ¨ber die Definition und Eigenschaften der Umlaufszahl. Zeige: Ist det(Dv(p)) 6= 0, so hat v in p denselben Index, wie das Vektorfeld x 7→ Dv(p) · x am Ursprung, n¨amlich det(Dv(p))/| det(Dv(p))|. Hinweis: Lokale Deformation von v(x + p) in Dv(p) · x.
Zu Kapitel II
185
14. Voraussetzungen und Erkl¨arungen wie in 13. Sei p die einzige Singularit¨at von v . Genau dann gibt es zu jeder Umgebung W von p ein Vektorfeld ohne Singularit¨aten auf U , das außerhalb W mit v u ¨bereinstimmt, wenn v den Index 0 in p hat. Der Index ¨ ist also das Hindernis f¨ ur die Beseitigung einer Singularit¨at durch lokale Anderung des Vektorfeldes. Es gen¨ ugt, stetige Vektorfelder zu diskutieren. 15. Das Vektorfeld v auf R2 sei f¨ ur |x| ≥ 1 durch v(x) = (0, 1) gegeben, und es habe (f¨ ur |x| < 1) nur isolierte Singularit¨aten. Dann verschwindet die Summe der Indexe der Singularit¨ aten von v . 16. Das Vektorfeld v auf R2 habe S 1 als Orbit. Sei |p| < 1. Wie lange lebt die Integralkurve αp durch p ? Hat v eine Singularit¨at p mit |p| < 1 ? 17. Sei v ein stetig differenzierbares Vektorfeld auf Rn mit hv(x), xi ≥ |x|3 f¨ ur alle n x ∈ R . Dann existiert keine Integralkurve t 7→ α(t) durch einen Punkt p 6= 0 f¨ ur alle t > 0. 18. Beschreibe die L¨osungsschar der Ricattischen Differentialgleichung y 0 = x − y 2 . (i) Bestimme die Isoklinen I(c) = {(x, y) | y 0 = c} . (ii) Jede L¨osung trifft die Diagonale {(t, t) | t ∈ R} in genau einem Punkt. (iii) Es gibt ein a ∈ R mit folgenden Eigenschaften: a) L¨osungen y(x) durch (t, t) mit t > a schneiden die Isokline I(0) und erf¨ ullen √ x − y(x) & 0 f¨ ur x → ∞ , b) L¨osungen durch (t, t) mit t < a gehen nach endlicher Zeit gegen −∞ . √ (iv) Es gibt genau eine L¨osung y(x) mit x + y(x) % 0 f¨ ur x → ∞, n¨amlich die durch (a, a) .
Zu Kapitel II 1. Sei α : R → Rn eine stetig differenzierbare Kurve und α(t) 6= 0 f¨ ur alle t ∈ R . n Dann gibt es eine stetige Abbildung A : R → End( R ), sodaß α die Differentialgleichung x˙ = A(t) · x l¨ ost. 2. Die homogene lineare Differentialgleichung y˙ = A(t)·y hat genau dann eine Fundamentalmatrix Φ(t) von unit¨aren Matrizen, wenn iA(t) f¨ ur alle t hermitesch ist. Wie lautet die entsprechende Aussage f¨ ur orthogonale Φ(t)?
186
Aufgaben
3. Berechne eine Fundamentalmatrix f¨ ur die homogenen linearen Differentialgleichungen y˙ = Ay , mit 1 1 −1 t−1 A= ; (ii) A = A(t) = , t > 0. −1 3 1−t 1 Eine L¨osung von (ii) ist eine Gerade. 4. Sei ϕ : D → R2 eine stetige Kurve und ϕ(t) 6= 0 f¨ ur alle t ∈ D . Gib eine Kurve 2 ψ : D → R an, sodaßϕ(t), ψ(t), f¨ ur jedes t ∈ D eine Basis von R2 bilden. Kann man auch in Rn stets k Kurven ϕ1 , ϕ2 , . . . , ϕk , die f¨ ur jedes t linear unabh¨angig sind, durch n − k weitere stetige Kurven zu einem System ϕ1 , . . . , ϕn erg¨anzen, sodaß ϕ1 (t), . . . , ϕn (t) f¨ ur jedes t eine Basis von Rn ist? 5. Sei f : R2 → R stetig differenzierbar und die Differentialgleichung y¨ = f (y, y) ˙ besitze eine auf ganz R definierte L¨osung t 7→ y(t) , f¨ ur die limt→∞ y(t) = a existiert. Dann ist auch die konstante Funktion y = a eine L¨osung. 6. L¨ ose (i) 2t2 y¨ − ty˙ − 2y = 0. (ii) y [ 3 ] − 4¨ y + 5y − 2 = sin t . (iii) . y1 3 = y2 −1
1 1
y1 y2
+
sin t cos 2t
.
7. Sei V der C -Vektorraum aller komplexen Folgen z = (zk | k ∈ N 0 ), und sei Γ : V → V der Shiftoperator (Γz)k := zk+1 . Sei f ∈ C [ X ] ein Polynom vom Grad n. Die Gleichung f¨ ur Folgen z ∈ V (∗)
f (Γ)z = 0
heißt eine lineare homogene Differenzengleichung vom Grad n. (i) Die s¨amtlichen Folgen, die (∗) erf¨ ullen, bilden einen n-dimensionalen Unterraum L von V . (ii) Ist f (0) 6= 0, so hat L eine Basis von Folgen (k j · λk | k ∈ N 0 ). Wie sind λ und j durch f bestimmt? Beschreibe auch im Falle, daß f (0) = 0 ist, eine Basis. (iii) Die Funktion y l¨ost genau dann die Differentialgleichung f (d/dt)y = 0 , wenn y analytisch ist und die Folge (y [ k ] (0) | k ∈ N ) die Gleichung f (Γ)(y [ k ] (0) | k ∈ N 0 ) = 0 l¨ost. (iv) Sei insbesondere die Folge x = (xk ) erkl¨art durch xk =
k P
jα,
α
∈
N.
j=1
Dann ist (Γ − 1)α+2 x = 0, und xk = ϕ(k) f¨ ur ein Polynom ϕ vom Grad α + 1.
Zu Kapitel III
187
8. Auf dem Phasenraum U = End( Rn ) der (n × n)-Matrizen betrachte die autonome Differentialgleichung Y˙ = Y 2 (Matrizenprodukt). Berechne die maximale Integralkurve Y (t) mit Y (0) = A . Wie ist das Existenzintervall durch A bestimmt? 9. Sei D die Kugel vom Radius 1 um (0, 0) in R2 und v ein C 1 -Vektorfeld auf R2 , das außerhalb D die Hamiltonform v = (∂H/∂y, −∂H/∂x) f¨ ur eine C 2 -Funktion H(x, y) auf R2 r D hat. Dann gilt Z divx v dx = 0. R2
Gibt es ein Vektorfeld v auf R2 mit divx v = 0 f¨ ur |x| > 1 und
R
divx v dx 6= 0 ?
10. Reduktion nach d’Alembert. Gegeben sei eine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung n P aj (t)y [ j ] = 0 j=0
und eine nicht triviale L¨osung α . Der Ansatz y(t) = z(t) · α(t) f¨ uhrt auf eine lineare Differentialgleichung (n − 1)-ter Ordnung f¨ ur z˙ .
Zu Kapitel III 1. Nach demselben Schema wie beim Morselemma folgt auch der Satz u ¨ber die Umkehrabbildung mit Hilfe der Theorie der Integration von Vektorfeldern. 2. Sei A ∈ End(C n ). Untersuche das Konvergenzverhalten der Matrizenfolge (Ak | k in Abh¨angigkeit von den Eigenwerten von A .
∈
N)
3. Sei M offen in Rn und f : M → M stetig differenzierbar. Sei p ein Fixpunkt von f , also f (p) = p , und die Jacobimatrix Df (p) habe nur Eigenwerte vom Betrag < 1. Dann enth¨ alt jede Umgebung von p eine Umgebung U mit folgender Eigenschaft: Ist x ∈ U , so ist f k (x) = f ◦ · · · ◦ f (x) ∈ U und limk→∞ f k (x) = p . 4. Unter welchen Bedingungen an die Eigenwerte von A ∈ End(C n ) besitzt die autonome Differentialgleichung y˙ = Ay nicht konstante erste Integrale f : C n → R ? 5. Warum besitzt jedes stetig differenzierbare Vektorfeld auf Rn , n > 1 , in einer Umgebung eines nicht singul¨aren Punktes stets nicht konstante erste Integrale?
188
Aufgaben
6. Das stetig differenzierbare Vektorfeld v auf der offenen Menge U ⊂ R2 besitze ein erstes Integral mit nirgends verschwindender Ableitung und eine periodische L¨osung. Dann hat v viele periodische L¨osungen. Gilt dieselbe Aussage auch f¨ ur U ⊂ R3 ? 7. Die Summe und das Produkt erster Integrale von v sind auch erste Integrale von v . 8. Auf U = R3n × R3n mit Koordinaten (qi , pi | i = 1, . . . , 3n) seien zwei C 2 -Funktionen G, H gegeben. Bilde die zugeh¨origen Hamiltonschen Vektorfelder vG = (∂G/∂p1 , . . . , ∂G/∂p3n , −∂G/∂q1 , . . . , −∂G/∂q3n ), und vH entsprechend. Genau dann ist G ein erstes Integral von vH , wenn H ein erstes Integral von vG ist (Noethers Theorem). 9. In Aufgabe 8 geh¨ore zu dem Feld vG der Fluß Φs : (qj , pj ) 7→ (qj + saj , pj ),
aj = aj+3 ,
f¨ ur einen Einheitsvektor a = (a1 , a2 , a3 ) ∈ R3 . Daß H ein erstes Integral von vG ist, heißt, daß H unter Translationen in Richtung a invariant ist. Was ist in diesem Fall G? Was bedeutet die Erhaltung von G unter dem Fluß von vH physikalisch? 10. L¨ose (i) y − xy 0 − (y 0 )2 = 0, (ii) y − xy 0 − ay 0 − b = 0. Ist die Enveloppe der L¨osungsschar eine L¨osung? 11. L¨ose y − (y 0 )2 x − log((y 0 )2 ) = 0.
Zu Kapitel IV 1. Der Raum der stetigen Funktionen auf dem Einheitsintervall mit der SupremumsnormTopologie und der Raum der L1 -Funktionen auf dem Einheitsintervall mit der L1 -NormTopologie haben eine abz¨ahlbare Basis der Topologie. Wie steht es mit dem Raum der stetigen Funktionen auf R mit der Supremumsnorm-Topologie? 2. F¨ uhre im einzelnen aus, daß die Alexandroff-Kompaktifizierung X ∞ eines lokal kompakten Raumes X wohldefiniert und ein kompakter topologischer Raum ist. 3. Ist f : X → Y eine eigentliche stetige Abbildung lokal kompakter R¨aume und ist A in X abgeschlossen, so ist f (A) in Y abgeschlossen.(dim M > 2). 4. Ist X lokal kompakt und p Umgebung.
∈
X , so enth¨alt jede Umgebung von p eine kompakte
Zu Kapitel IV
189
5. Ein lokal kompakter Raum mit abz¨ahlbarer Basis der Topologie besitzt eine kompakte Aussch¨ opfung. 6. Ein Unterraum eines lokal kompakten Raumes ist genau dann lokal kompakt, wenn er der Durchschnitt einer offenen und einer abgeschlossenen Teilmenge ist. 7. Die Menge der Nullstellen eines Polynoms f 6= 0 in n Unbestimmten im Rn hat das Maß Null. 8. Verklebt man zwei Mannigfaltigkeiten durch einen Hom¨oomorphismus offener Teilmengen, so entsteht ein lokal euklidischer, also lokal zu einem Rn hom¨oomorpher Raum. 9. Konstruiere einen lokal euklidischen Raum, der nicht hausdorffsch ist. Allgemeiner: Die drei Eigenschaften eines Raumes, eine abz¨ahlbare Basis zu haben, hausdorffsch oder lokal euklidisch zu sein, sind unabh¨angig. 10. Sei D = {z ∈ C |z| < 1} die offene Kreisscheibe und L = D r {0} die gelochte offene Kreisscheibe. Dann ist die Einpunktkompaktifizierung D∞ eine Mannigfaltigkeit (welche?), L∞ aber nicht. 11. Sei L = ( R+ × {0}) ∪ ({0} × R+ ) ∪ {(0, 0)} ⊂ R2 . F¨ uhre eine differenzierbare Struktur einer eindimensionalen Mannigfaltigkeit auf L so ein, daß die Inklusion L ,→ R2 eine C ∞ -Abbildung wird. 12. Der Ring En der Keime von C ∞ -Funktionen ( Rn , 0) → R besitzt genau ein maximales, aber f¨ ur n > 0 viele Primideale. Zur Angabe von nicht maximalen Primidealen wollen wir aber n > 1 annehmen, sonst br¨auchte man mehr Mengenlehre, als ich erkl¨art habe (Ultrafilter). 13. Sei S der reelle Vektorraum der symmetrischen (n × n)-Matrizen. Man hat eine Einbettung RP n−1 → S , die [ x ] auf die Orthogonalprojektion von Rn auf die durch [ x ] bestimmte Gerade abbildet. 14. Die reellen (n × n)-Matrizen vom Rang r bilden eine differenzierbare Untermannigfaltigkeit von End R ( Rn ) . Was ist ihre Dimension? 15. Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und ε : M → R+ eine u ¨berall echt n positive stetige Funktion. Sei f : M → R stetig. Dann gibt es eine C ∞ -Funktion g : M → Rn mit |g − f | < ε . Ist f schon C ∞ in einer Umgebung einer abgeschlossenen Teilmenge A von M , so kann man g|A = f |A w¨ahlen. Hinweis: Lokal kann man f konstant approximieren.
190
Aufgaben
16. Seien M und N differenzierbare Mannigfaltigkeiten und ε : M × N → R+ stetig und u ¨berall echt positiv. Sei f : M ×N → R stetig. Dann gibt es Familien von C ∞ -Funktionen ϕλ : M → R und ψλ : N → R , λ ∈ Λ, sodaß die Familie der Produkte ϕλ · ψλ : M × N → R, lokal endlich ist und |f −
P
(x, y) 7→ ϕλ (x) · ψλ (y)
ϕλ · ψλ | < ε.
λ
17. Mit Aufgabe 16 u ¨bertrage den Approximationssatz von Weierstraß von Intervallen auf n Quader in R . 18. Ist A eine abgeschlossene Teilmenge einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M , so gibt es eine C ∞ -Funktion f : M → R , die genau auf A verschwindet. Ist M = Rn , so kann man f als Grenzfunktion einer u ¨berall samt allen Ableitungen normal konvergenten P∞ Reihe f = j=1 fj von Funktionen fj mit Tr¨agern in Kugeln in Rn r A konstruieren. 19. Sind A und B zwei disjunkte abgeschlossene Teilmengen einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M , so gibt es eine C ∞ -Funktion f : M → [ 0, 1 ] mit f |A = 0 und f |B = 1. 20. Auf jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit M gibt es eine eigentliche C ∞ -Funktion f : M → R. 21. Eine nicht leere kompakte differenzierbare Mannigfaltigkeit l¨aßt sich nicht in einen euklidischen Raum gleicher Dimension einbetten. Pm 22. H(m, n) = {([ x ], [ y ]) ∈ RP m × RP n | j=0 xj yj = 0} , m ≤ n, ist eine Untermanm n nigfaltigkeit von RP × RP . Dies sind die Milnormannigfaltigkeiten. 23. Die Abbildung f : RP 1 × RP 1 → RP 3 , f ([ x, y ], [ z, t ]) = [ xz, xt, yz, yt ] definiert einen Diffeomorphismus von RP 1 × RP 1 mit der projektiven Quadrik {[ u0 , u1 , u2 , u3 ] | u0 u3 − u1 u2 = 0} .
Zu Kapitel V 1. Die Form ε1 ∧ ε2 + ε3 ∧ ε4
∈
Alt2 ( R4 ) ist nicht zerlegbar.
2. Jede alternierende 2-Form l¨aßt sich durch Basiswechsel auf die Gestalt ε1 ∧ ε2 + · · · + ε2k−1 ∧ ε2k transformieren. Dies kann man auch als Satz u ¨ber schiefsymmetrische Matrizen ansehen.
Zu Kapitel V
191
3. Die zerlegbaren alternierenden Zweiformen auf R4 bilden eine regul¨are Quadrik, n¨ amlich die Nullstellenmenge der nicht entarteten quadratischen Form Alt2 ( R4 ) → Alt4 ( R4 ) = R,
α 7→ α ∧ α.
4. Jede Form in Altk R3 ist zerlegbar. 5. Die Formen α1 , . . . , αk α1 ∧ · · · ∧ αk = 0 .
∈
Alt1 V = V ∗ sind genau dann linear abh¨angig, wenn
6. Auf der Menge Γk (V ) der zerlegbaren alternierenden k-Formen 6= 0 auf V operiert die multiplikative Gruppe R× = R r {0} durch Multiplikation. Sei Gk (V ) = Γk (V )/ R× . Man hat eine Bijektion zwischen Gk (V ) und der Graßmannmannigfaltigkeit der kdimensionalen Unterr¨ aume von V ∗ , die einer zerlegbaren Form α1 ∧ · · · ∧ αk das Erzeugnis von {α1 , . . . , αk } in V ∗ zuordnet. 7. Seien M und N orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Beschreibe eine induzierte Orientierung von M × N . Ist umgekehrt M × N orientierbar und nicht leer, so sind M und N beide orientierbar. 8. Eine nicht orientierbare Fl¨ ache (= 2-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit) enth¨ alt ein M¨obiusband. 9. Auf dem Torus T = S 1 × S 1 hat man die Involution τ : T → T,
(z, w) 7→ (−z, w−1 ).
Der Quotientenraum T /τ , der durch Identifikation von p mit τ (p) f¨ ur alle p ∈ T entsteht, hat genau eine Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit, f¨ ur die die Projektion T → T /τ differenzierbar vom Rang 2 ist. Die Fl¨ache T /τ heißt Kleinsche Flasche. Ist sie orientierbar? Zeichne eine Immersion der Kleinschen Flasche in den R3 . ¨ 10. Bilde den Quotientenraum von S 1 nach der Aquivalenzrelation (x, y) ∼ (−x, y). Entsteht eine Mannigfaltigkeit? ¨ 11. Bilde den Quotientenraum von S 2 nach der Aquivalenzrelation (x, y, z) ∼ (−x, −y, z). Entsteht eine Mannigfaltigkeit? 12. Sei M offen in Rn und B = M r M eine (n − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn . Dann ist M ∪ B eine berandete n-dimensionale Untermannigfaltigkeit von Rn . Ist notwendig B = ∂(M ∪ B)? 13. Ist α eine geschlossene und β eine exakte alternierende Differentialform, so ist α ∧ β exakt.
192
Aufgaben
14. Jede Differentialform in Ωn Rn ist exakt. 15. Ein integrierender Faktor einer Pfaffschen Form α ist eine Funktion f ohne Nullstellen, sodaß f · α geschlossen ist. Hat α einen integrierenden C 1 -Faktor, so ist α ∧ dα = 0. Finde eine Pfaffsche Form ohne integrierenden Faktor. 16. Seien u, v, w : R3 → R stetig differenzierbar. Berechne d(u dy ∧ dz + v dz ∧ dx + w dx ∧ dy) = (?) · dx ∧ dy ∧ dz. 17. Seien α und β stetig differenzierbare Differentialformen von geradem Grad. Berechne die ¨außere Ableitung von (i) dα ∧ β + α ∧ dβ , (ii) dα ∧ β ∧ γ + α ∧ dβ ∧ γ + α ∧ β ∧ dγ . 18. Seien α1 , . . . , αm Pfaffsche Formen, die Ω1 M als C ∞ (M )-Modul erzeugen, und sei ϕ ∈ Ωk M mit k < dim M . (Alle Formen seien hier C ∞ .) Ist dann ϕ ∧ αj = 0 f¨ ur j = 1, . . . , m , so ist ϕ = 0. Sei nun β eine alternierende Differentialform auf M mit dαj = β ∧ αj f¨ ur j = 1, . . . , m . Dann ist β geschlossen. 19. Auf der Sph¨are S n ⊂ Rn+1 hat man die Volumenform ω mit ωx (v1 , . . . , vn ) = det(x, v1 , . . . , vn ). Berechne ωx = (?) · dx1 ∧ · · · ∧ dxn in der durch die Projektion S n → Rn auf die ersten n Komponenten definierten Karte auf der oberen Halbsph¨are. 20. Gegebenheiten wie in Aufgabe 19. Berechne ωx in der Karte, die durch stereographische Projektion vom Nordpol N = (0, . . . , 0, 1) ∈ S n aus auf Rn gegeben ist. 21. Sei p : S n → Rn die Projektion p(x1 , . . . , xn+1 ) = (x1 , . . . , xn ). Berechne Z p∗ (dx1 ∧ · · · ∧ dxn ). Sn
Zu Kapitel VI Eine kompakte berandete zusammenh¨angende n-dimensionale differenzierbare Untermannigfaltigkeit M von Rn nennt man auch ein glatt berandetes Gebiet in Rn . Bei Randpunkten p ∈ ∂M hat man dann Karten h : ( Rn , p) → ( Rn , 0) von Rn , mit ∼ = h : (M, p) −→ ( Rn− , 0).
Zu Kapitel VI
193
1. Ist M ein glatt berandetes Gebiet der Ebene, so ist Z Z vol(M ) = x dy = − y dx. ∂M
∂M
Wie ist dies als Integral einer Variablen zu schreiben, wenn γ : [ 0, 1 ] → ∂M eine Parametrisierung des Randes ∂M als geschlossene Kurve ist? 2. Sei M ein glatt berandetes Gebiet in C . Berechne
R ∂M
z¯ dz .
3. Sei M ein glatt berandetes Gebiet in C , und sei f : M → C , als reelle Abbildung M → R2 betrachtet, stetig differenzierbar. Dann gilt f¨ ur z ∈ M r ∂M : Z Z f (ζ) 1 ∂f /∂ ζ¯ 1 ¯ dζ + dζ ∧ dζ. f (z) = 2πi ζ −z 2πi ζ −z ∂M
M
¨ 4. Die Relation “ C k -homotop” ist eine Aquivalenzrelation f¨ ur C k -Abbildungen M → N differenzierbarer Mannigfaltigkeiten. 5. Seien M und N orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeiten gleicher positiver Dimension, und M sei kompakt. Sei f : M → N stetig differenzierbar mit einem regul¨aren Wert, der ungerade viele Urbildpunkte hat. Dann ist f nicht homotop zu einer konstanten Abbildung. 6. Kann der Kreis S 1 × {0} im Torus S 1 × S 1 Urbild eines regul¨aren Wertes einer stetig differenzierbaren Funktion S 1 × S 1 → R sein? Berandet dieser Kreis eine kompakte zweidimensionale Untermannigfaltigkeit im Torus?
7. Der Satz vom Igel gilt auch f¨ ur stetige statt C 1 -Vektorfelder. 8. Brouwers Fixpunktsatz gilt auch f¨ ur stetige statt C 1 -Abbildungen.
194
Aufgaben
9. Ein Raum X hat die Fixpunkteigenschaft F, wenn gilt: Jede stetige Abbildung f : X → X hat einen Fixpunkt. Wie wir wissen hat Dn die F. Hat X die F und ist A ⊂ X ein Retrakt, d.h. hat man eine stetige Abbildung r : X → A mit r|A = idA , so hat A die F. Welche der folgenden R¨aume haben die F? (i) Der Graph (ii) Der Graph
(iii) Die Fl¨ache vom Geschlecht 3
(iv) Die Kugel mit 3 Haaren
10. Sei · · · → Aj−1 − → Aj − → Aj+1 → · · · ein exakter Kettenkomplex von (endlichdimend
d
sionalen) Vektorr¨ aumen. Dann gibt es eine Kettenhomotopie K , also lineare Abbildungen j j j−1 K :A →A , mit id = Kd + dK . j Hinweis: A = B j ⊕ B j+1 , mit B j = d(Aj−1 ). 11. Jede differenzierbare Mannigfaltigkeit besitzt eine Riemannsche Metrik. Hinweis: Partitionen der Eins. 12. Die Sph¨are S 4 besitzt keine Lorentz-Metrik, also keine symmetrische Bilinearform auf dem Tangentialb¨ undel mit stetig vom Punkt abh¨angender Fundamentalmatrix (gij ), die an jeder Stelle die Normalform der Minkowski-Metrik hat. Hinweis: Sonst f¨ande man ein Vektorfeld ohne Nullstellen auf S 4 . 13. Sei M eine orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit und α ∈ Ωn−1 M eine stetig R differenzierbare Differentialform. Sei K eine kompakte Teilmenge von M . Dann ist K dα ◦
durch α|(K r K) bestimmt. 14. Guldinsche Regel. Sei f : [ a, b ] → R eine u ¨berall echt positive stetig differenzierbare Funktion. Der Graph von f in der (x, y)-Ebene rotiere um die x-Achse in R3 . Dann hat die entstehende Rotationsfl¨ache den Fl¨acheninhalt Zb p 2π f (t) · 1 + (f 0 (t))2 dt. a
Das Integral ist die L¨ange der Kurve mal Abstand des Schwerpunkts der Kurve von der Roationsachse — warum? Wie lautet die Verallgemeinerung auf h¨ohere Dimension? 15. Gilt die Formel det(id + (fi · fj )) = 1 + f12 + · · · + fn2 f¨ ur Matrizen u ¨ber beliebigen K¨ orpern?
Zu Kapitel VI
195
16. Berechne die Oberfl¨ache des Teils des hyperbolischen Paraboloids x2 − y 2 − 2az = 0,
a > 0,
dessen orthogonale Projektion auf die (x, y)-Ebene das Innere der Kurve r2 = a2 cos ϕ, −π/2 ≤ ϕ ≤ π/2 , bildet. 17. Sei f : S 2 → R definiert durch
Berechne
f (x1 , x2 , x3 ) = x21 x43 + x2 sin(x1 x2 ) + x3 tan(x1 cos x2 ).
R S2
f.
p 18. Berechne die Divergenz des Vektorfeldes v = r · t (x, y, z), mit r = x2 + y 2 + z 2 , auf R3 . Sei K(a) die Kugel vom Radius a um den Ursprung in R3 . Dann ist Z r = πa4 . K(a)
19. Betrachte die Funktion ϕ : T = S 1 × S 1 → R4 auf dem Torus, mit ϕ(ϑ1 , ϑ2 ) = (cos ϑ1 , sin ϑ1 , 2 cos ϑ2 , 2 sin ϑ2 ),
0 ≤ ϑ1 , ϑ2 ≤ 2π.
(i) Die Abbildung ϕ ist eine Einbettung. (ii) Berechne den metrischen Fundamentaltensor der Metrik auf T , die durch ϕ von der Metrik auf R4 induziert ist, in Koordinaten (ϑ1 , ϑ2 ) . (iii) Berechne das Volumen von T f¨ ur diese Metrik. 20. Sei Z = {(x, y, z) | x2 + y 2 ≤ 1} und P = {(x, y, z) | x2 + y 2 = z} . Berechne die Oberfl¨ache von P ∩ Z . In der Sph¨are S 3 = {(z1 , z2 ) ∈ C 2 |z1 |2 + |z2 |2 = 1} liegt die Teilmenge V = {(z1 , z2 ) ∈ S 3 |z1 |2 ≤ 1/2} . Dies ist ein Volltorus mit einem Torus T ⊂ S 3 als Rand. Berechne die Volumina von T und V . 21. Eine C 2 -Funktion f auf einer Riemannschen Mannigfaltigkeit heißt harmonisch, wenn ∆f = 0 . Sei nun M offen in Rn und f : M → R harmonisch, und sei p ∈ M . Dann h¨angt das Integral von f u ¨ber Sph¨aren in M um p f¨ ur kleine Radien nicht vom Radius der Sph¨aren ab. Hinweis: Integralsatz. Also hat f die Mittelwerteigenschaft: Es ist f (p) der Mittelwert von f u ¨ber jedes Sph¨are in M um p von gen¨ ugend kleinem Radius. Wie klein? Was sagt die Aussage in Formeln? 22. Sei M offen in Rn . Eine Funktion f : M → R mit der Mittelwerteigenschaft (Aufgabe 21) ist C ∞ . Hinweis: Sei σ eine um 0 rotationssymmetrische C ∞ -Glockenfunktion mit kompaktem Tr¨ ager in M und Integral 1, dann ist Z f (x) = f (y)σ(y − x) dy. Rn
196
Aufgaben
23. Sei M offen in Rn . Eine Funktion f : M → R mit der Mittelwerteigenschaft ist harmonisch. Hinweis: Aufgabe 22, angenommen ∆f (x) > 0 . . . . 24. Maximumsprinzip. Eine nicht konstante harmonische Funktion auf einer zusammenh¨ angenden offenen Menge M ⊂ Rn nimmt in M kein Extremum an. Ist die Funktion also auf M noch stetig und M beschr¨ankt, so ist die Funktion durch ihre Werte auf dem Rand M r M bestimmt. 25. Die Funktion f (x) = a/|x| auf R3 r {0} ist harmonisch, und f¨ ur jede kompakte 3 berandete 3-dimensionale Untermannigfaltigkeit M von R mit 0 ∈ M ist Z hgrad f, ni = −4πa. ∂M
§ 8. Lineare Differentialgleichungen mit periodischen Koeffizienten
197
A n h a n g zu Kapitel II.
§ 8. Lineare Differentialgleichungen mit periodischen Koeffizienten Wir betrachten auf U = C n eine lineare Differentialgleichung (8.1)
x˙ = A(t) · x,
A : R → EndC (U ),
A(t + ω) = A(t)
f¨ ur ein ω > 0.
(8.2) Satz. Ist Φ eine Fundamentalmatrix von (8.1), so auch Ψ mit Ψ(t) = Φ(t + ω) . F¨ ur jede Fundamentalmatrix Φ existiert eine ω -periodische nicht singul¨are Matrix P (t) und eine konstante Matrix R , sodaß Φ(t) = P (t) · etR . ˙ Beweis: Aus Φ(t) = A(t) · Φ(t) folgt durch Einsetzen von t + ω f¨ ur t : ˙ + ω) = A(t + ω) · Φ(t + ω), Φ(t
d.h. Ψ(t) = A(t) · Ψ(t),
weil A(t + ω) = A(t). Das zeigt das erste. Folglich ist Φ(t + ω) = Φ(t) · C f¨ ur eine regul¨are konstante Matrix C . Zu C gibt es eine konstante Matrix R , sodaß C = eωR
(8.3)
wie wir gleich zeigen. Also Φ(t + ω) = Φ(t)eωR . Definiere P (t) durch P (t) = Φ(t) · e−tR . Dann ist P (t + ω) = Φ(t + ω)e−ωR e−tR = Φ(t)e−tR = P (t), und P (t)etR = Φ(t).
Beweis (8.3): Wir wollen setzen: ωR = log C, also R = ω −1 log C . Wie definiert man log C , sodaß elog C = C ? Nun, man hat die Jordan-Chevalley-Zerlegung C = D · N,
DN = N D,
198
D halbeinfach, N unipotent. Man setzt log C = log(D · N ) = log D + log N, wobei zu beachten bleibt, daß log D und log N so bestimmt werden, daß sie auch vertauschbar sind: (log D)(log N ) = (log N ) · (log D). Ist dann elog D = D , elog N = N , so ist elog D+log N = elog D ·elog N = DN . Bleiben also log D und log N zu definieren. Nun zu D : F¨ ur geeignete Basis ist D = Diag(λ1 , . . . , λn ), und damit log D = Diag(log λ1 , . . . , log λn ), was man hier geeignet w¨ahlen kann, weil alle λj 6= 0 . Zu log N : Hier hilft die Potenzreihe ∞ P log(1 + z) = (−)j+1 z j /j. j=1
e, N e nilpotent, und setzen Wir schreiben die unipotente Matrix N = 11 + N n e ) := P (−)j+1 j −1 N ej. log N = log(11 + N j=1
Die formale Identit¨ at von Potenzreihen exp(log(1 + z)) = 1 + z bleibt erhalten beim e Einsetzen von N f¨ ur z und liefert e) = 1 + N e = N. exp log(N ) = exp log(11 + N e vertauschbar ist, ist auch log D mit log(11 + N e ) vertauschbar, Weil D mit N , also mit N wie die (endliche) Reihe zeigt. Explizit ist also C = Φ(t)−1 Φ(t + ω) = Φ−1 (0)Φ(ω), und R = ω −1 log C . So ist R aus Φ(0) und Φ(ω) berechenbar. Die Matrix P (t) = Φ(t)e−tR ist aus Φ | [ 0, ω ] berechenbar, weil sie ω -periodisch ist. Zusammen also liefert der Satz eine Berechnung von Φ aus Φ | [ 0, ω ]. Ist Φ1 eine andere Fundamentalmatrix, so hat man eine konstante Transformation T mit Φ1 = Φ · T, Also Φ1 (t) = (P (t) · T ) · (T −1 etR T ) = (P (t) · T ) · etR1 ,
R1 = T −1 RT.
Der periodische Faktor ist also P · T , der Exponentialfaktor etR1 , und in der Tat: Der Exponentialfaktor eω R = Φ(0)−1 Φ(ω) ist durch Φ bestimmt. Man sieht, daß er bis auf Konjugation bestimmt ist. Das sagt allerdings nicht, daß R durch die Differentialgleichung bestimmt ist. Weil ω(2πik/ω) e = 1, hat man halbeinfache Matrizen D mit Eigenwerten 2πik/ω , sodaß eωD = id. Damit ist etD dann ω -periodisch, und zu der Zerlegung Φ(t) = P (t)etR erh¨alt man
¨ ten 9. Lineare Differentialgleichungen mit isolierten Singularita
199
die neue Zerlegung Φ(t) = (P (t)e−td ) · et(D+R) , falls DR = RD . Die Eigenwerte von C = eωR heißen die Multiplikatoren von A und ihre Logarithmen, die Eigenwerte von R , heißen die charakteristischen Exponenten von A . Sie sind nat¨ urlich nur bis auf 2πi Z bestimmt. Ist A reell und w¨ahlt man auch Φ reell, so braucht C = Φ−1 (0)Φ(ω) keinen reellen Logarithmus zu haben. Schwierigkeiten machen die Summanden der reellen Jordanzerlegung von der Gestalt Dλ Nλ mit λ < 0. Aber dann hat Dλ2 Nλ2 = Dλ2 · Nλ2 positive Eigenwerte. Also C 2 hat stets einen reellen Logarithmus. Daher erh¨alt man eine reelle Zerlegung Φ = P · etR mit reellen Faktoren und 2ω -periodischer Matrix P .
§ 9. Lineare Differentialgleichungen mit isolierten Singularit¨ aten Wir betrachten lineare Differentialgleichungen im Komplexen (9.1)
w0 = A(z) · w,
A : U → EndC (C n )
holomorph.
Dabei ist U offen in C und es ist gemeint, daß alle Komponenten aij von A auf U holomorphe Funktionen sind. Ist K eine Kreisscheibe in U oder allgemeiner eine einfach zusammenh¨ angende offene Menge, so kann man wie fr¨ uher erw¨ahnt eine Fundamentalmatrix Φ(z) auf K durch das Picard-Lindel¨of-Verfahren gewinnen. Wir haben es in den ¨ Ubungen explizit aufgeschrieben, alle Terme der Reihenentwicklung werden durch Integration gewonnen, die man in K eindeutig und wegunabh¨angig ausf¨ uhren kann. Ist aber das Gebiet U nun nicht einfach zusammenh¨angend, und geht man von einem Kreis K ⊂ U und einem Fundamentalsystem Φ auf K aus, so kann man entlang eines Weges, der in K beginnt und endet, auf einer Folge von Kreisscheiben Kj jeweils Fundamentalsysteme Φj definieren, und zwar so, daß Φj−1 = Φj auf Kj−1 ∩ Kj , denn zwei Fundamentalsysteme auf Kj−1 ∩ Kj unterscheiden sich um eine konstante Matrix: Φj = Φj−1 T , und man kann ja Φj durch Φj T −1 ersetzen. Bild So setzt man Φ|K von Kreis zu Kreis fort und landet schließlich wieder bei einer Fundamentalmatrix auf K . Dies ist aber im allgemeinen (wenn man ein Loch in U uml¨auft) nicht mehr Φ , sondern eine andere Fundamentalmatrix, also Φ · C f¨ ur eine konstante regul¨ are Matrix C . Diese Matrix C ist die dem Weg zugeordnete Monodromie. Die Rechnung ΦCT = (ΦT )(T −1 CT ) zeigt, daß ein anderes Fundamentalsystem ΦT mit Fortsetzungen Φj T und Ende ΦCT die Monodromie T −1 CT hat. Die Monodromie ist also bis auf Konjugation bestimmt.
200
Wir wollen diese Situation jetzt n¨aher in der Umgebung einer isolierten Singularit¨at von A(z) studieren. Wir verschieben die Koordinate so, daß die Singularit¨at am Ursprung ist, und nehmen also an, daß A holomorph ist auf {z | 0 < |z| < a} f¨ ur ein a > 0. Man kann dann das Fortsetzen eines Fundamentalsystems beim Umlaufen des Ursprungs so beschreiben: Wir setzen z = eu ,
Re(u) < log(a) =: a ˜
und setzen v(u) = w(eu ) . Dann haben wir v 0 (u) =
d w(eu ) = w0 (eu ) · eu = eu · A(eu ) · w(eu ), du
also (9.2)
e v 0 (u) = A(u) · v(u),
e + 2πi) = A(u) e A(u
e A(u) := eu · A(eu ). Damit ist uns in (9.2) auf dem einfach zusammenh¨angenden Streifen {Re(u) < a ˜} eine (2πi)-periodische holomorphe lineare Differentialgleichung gegeben.
(9.3) Satz. Jede (mehrdeutige) Fundamentalmatrix von (9.1) hat die Form Φ(z) = S(z) · z R , wobei S(z) analytisch ist f¨ ur 0 < |z| < a , und R eine konstante Matrix ist. Es ist R log(z)·R z := e . Die Mehrdeutigkeit von Φ beim Umlaufen des Ursprungs steckt in der Mehrdeutigkeit der Funktion log(z) .
Beweis: Dies ist unsere Wissenschaft von den periodischen linearen Differentialgleichungen, angewandt auf die Gleichung (9.2) und den (2πi) -invarianten Streifen {Re(u) < a ˜} . Wir k¨onnen das dort erzielte Resultat hier ohne weiteres anwenden, wer es nicht glaubt, kann es Schritt f¨ ur Schritt nocheinmal best¨atigen. Es sagt, daß eine Fundamentalmatrix Ψ(u) der Gleichung (9.2) die Gestalt hat: Ψ(u) = P (u) · euR ,
P (u + 2πi) = P (u),
mit Ψ(uo )−1 Ψ(u0 + 2πi) = e2πiR f¨ ur jedes u0 mit Re(u0 ) < a ˜ . Zu einer Fundamentalmau trix Φ(z) von (9.1) kommt man, indem man e = z substituiert, also u = log(z). Weil P (u) hier (2πi)-periodisch ist, wird durch S(z) := P (log(z)) eine eindeutige Funktion definiert, denn log(z) ist bis auf Addition von 2πik bestimmt. Es ergibt sich also Φ(z) := Ψ(log(z)) = P (log(z)) · elog(z)·R = S(z) · z R .
Hat man eine Fundamentalmatrix Φ so beschrieben, so wird eine beliebige andere f¨ ur eine −1 R konstante regul¨are Matrix T durch Φ · T gegeben, also durch ΦT = (ST ) · (T z T ) =
¨ ten 9. Lineare Differentialgleichungen mit isolierten Singularita −1
−1
201
−1
ST · z T RT , denn T −1 z R T = T −1 elog(z)·R T = elog(z)·T RT = z T RT . Man kann nun T so w¨ahlen, daß T −1 RT Jordansche Normalform hat, also bei geeigneter Wahl von Φ ist. R = D + N, D halbeinfach, N nilpotent, DN = N D, und es ist
zD
z R = z D · z N , D = Diag(λ1 , . . . , λn ), n−1 P log(z)j j = Diag(z λ1 , . . . , z λn ), z N = elog(z)·N = N . j! j=0
Das kann man f¨ ur die Standardform von N , wie fr¨ uher ge¨ ubt, leicht explizit in Matrizen hinschreiben. Soweit wissen wir nichts u ¨ber das Verhalten von S(z) f¨ ur z → 0, und hier beginnt ein subtiles Studium. Angenommen w0 = A(z) · w,
A(z) = z −µ B(z)
f¨ ur eine lokal um 0 analytische Matrix B , so sagen wir, A hat einen Pol der Ordnung µ . Ist µ = 0, so ist A analytisch auch bei 0 und man hat eine eindeutig definierte analytische L¨ osungsmatrix, also R = 0. Es ist nun ein großer Unterschied f¨ ur µ = 1 (Singularit¨at erster Art) und µ > 1 (Singularit¨at zweiter Art). Man nennt 0 einen regul¨ ar singul¨ aren k Punkt, wenn S(z) bei 0 h¨ochstens einen Pol hat, also z S(z) analytische Koeffizienten hat f¨ ur gen¨ ugend großes k . (9.4) Satz. Ist 0 eine Singularit¨at erster Art, also w0 = z −1 A(z)w f¨ ur eine auf {|z| < a} analytische Matrix A, so ist 0 ein regul¨ar singularer Punkt, also die Matrix S(z) hat einen Pol bei 0. Beweis: Form (9.5)
Die bew¨ahrte Transformation z = eu bringt die gegebene Gleichung auf die v 0 (u) = A(eu ) · v(u),
v(u) = w(eu ).
Wir interessieren uns f¨ ur diese Differentialgleichung auf einem Halbraum {Re(u) < b} . Weil A bei 0 analytisch ist, bleibt A(eu ) auf dem Halbraum, wenn wir etwa b noch etwas verkleinern, beschr¨ ankt, also |A| ≤ d. Wir wollen zeigen, daß f¨ ur eine Fundamentalmatrix 0 −1 k Φ von w = z Aw die Matrix z S(z) f¨ ur gen¨ ugend große k beschr¨ankt bleibt, und sch¨ atzen daher eine L¨osung v von (9.5) f¨ ur z → 0 , also f¨ ur kleinen Realteil von u ab. Schreibe dazu u = iy − x, r(x, y) = |v(iy − x)|, Dann gilt: ∂r/∂x = ∂|v|/∂x ≤ |v 0 (iy − x)| = |A · v(iy − x)| ≤ d · r(x, y),
202
woraus nach dem Vergleichssatz folgt: r(iy − x) ≤ c(y) · edx
f¨ ur x > x0 .
Dabei muß man c(y) so w¨ahlen, daß die Ungleichung f¨ ur x = x0 stimmt, also c(y) = −dx0 r(iy − x0 ) · e . Es kommt hier nur darauf an, daß c(y) bez¨ uglich y abzusch¨atzen ist. Sei C = max{c(y) | 0 ≤ y ≤ 2π}, dann ist also |w(z)| = |v(u)| = r(iy − x) ≤ c · edx = c · e−d
log |z|
= c · |z|−d .
Das zeigt: Ist Φ eine Fundamentalmatrix von w0 = z −1 A(z)w , so ist auf {z = iy − x | 0 ≤ y < 2π, x ≥ x0 } |Φ(z)| ≤ C · |z|−d . Damit ist es schon fast geschafft. Man muß noch das z −R in der Darstellung S(z) = Φ(z) · z −R absch¨ atzen. Nun: z −R = e− log(z)R = e− log ρ·R · e−iϑR f¨ ur z = ρ · eiϑ . Daher |z −R | ≤ |e− log ρ·R | · |eiϑR |. Nun: |e− log ρ·R | ≤ e− log ρ·|R| = ρ−|R| f¨ ur 0 < ρ < 1, und iϑR 2π|R| −R −|R| 2π|R| ebenso: |e | ≤ e . Zusammen ergibt sich: |z | ≤ ρ ·e f¨ ur 0 < ρ < 1, 0 ≤ ϑ ≤ 2π . Damit haben wir |S(z) ≤ |Φ(z)| · |z −R | ≤ c˜ · |z|−(d+|R|) f¨ ur eine Konstante c˜, was zeigt, daß z k S(z) beschr¨ankt bleibt f¨ ur k ≥ d + |R| , also daß S bei 0 einen Pol hat. Es ist aufkl¨arend, die Fundamentalmatrix und ihre Zerlegung f¨ ur eine Differentialgleichung w0 = z −k Aw mit einer konstanten Matrix A auszurechnen: (9.6) Aufgabe. F¨ ur welche k und A hat in diesem Fall S(z) einen Pol bei 0? Antwort: F¨ ur k = 1 ist S(z) = 11, also regul¨ar; f¨ ur k > 1 hat S(z) einen Pol genau wenn A nilpotent ist. Wir wollen noch einen Blick darauf werfen, wie sich das Gesagte f¨ ur die linear homogene Differentialgleichung n -ter Ordnung ausnimmt, also n−1 P (9.7) w[ n ] + qj (z)w[ n−j ] = 0. j=0
mit Koeffizienten qj , die bei 0 einen Pol haben k¨onnen. Wir k¨onnen sie nat¨ urlich stets mit einer Potenz z m multiplizieren, also auf die Gestalt bringen: n P d . (9.8) ak (z)z k Dk w = 0, an = 1, D = dz k=0
¨ ten 9. Lineare Differentialgleichungen mit isolierten Singularita
203
Wir wollen jetzt annehmen, daß die Koeffizienten ak bei 0 regul¨ar sind. F¨ ur die Gleichung (9.7) bedeutet das: qj hat bei 0 h¨ochstens einen Pol der Ordnung j , n¨amlich nach Multiplikation mit z n noch eine Nullstelle der Ordnung mindestens n − j . Wie bei der Eulerschen Differentialgleichung in § 7 ge¨ ubt, bringen wir die Differentialgleichung (9.8) in die Gestalt n P d (9.9) bk (z)δ k w = 0, bn = an = 1, δw = z w. dz k=0 Durch die Transformation w(eu ) = v(u) , auf die wir ja hinauswollen, also (9.10)
(δw)(eu ) = (Dv)(u),
entsteht aus (9.9) die Differentialgleichung n P (9.11) bk (eu )Dk v(u) = 0,
D=
d , du
bn = 1,
k=0
¨ von der wir nach dem Gesagten, durch Ubersetzen in ein System, erkennen, daß sie eine Wronski-Matrix der Gestalt S(z) · z R
(9.12)
hat, wo S(z) bei 0 h¨ochstens einen Pol hat. ¨ Ubrigens kann man den Pol von S stets beseitigen, indem man S(z) · z R
durch (z k S(z)) · z R−k·11
ersetzt. Es kann durchaus sein, daß A(z) bei 0 singul¨ar ist aber eine bei 0 analytische Fundamentalmatrix hat. Beispiel: w0 = z −1 w,
Fundamentalmatrix Φ = z · 11.
In diesem Fall ist jedoch stets det Φ(0) = 0 , denn es w¨are ja sonst A = Φ−1 Φ0 nicht singul¨ ar bei 0 .
Literatur
Wie schon im zweiten Band empfehle ich wieder das Buch von
S. Lang: Real Analysis. Addison-Wesley, Reading, Mass. 1973. Hier findet man das Grundlegende in vorz¨ uglicher Darstellung, wenn auch zu den Themen dieses Bandes nicht mehr als das Grundlegende. Zur Einf¨ uhrung in die Theorie der Differentialgleichungen empfehle ich die anregenden, reichhaltigen und in geometrischem Geist verfaßten ausgezeichneten B¨ ucher von
V.I. Arnol’d: Gew¨ohnliche Differentialgleichungen, 2. Aufl. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1991, und M.W. Hirsch, S. Smale: Differential Equations, Dynamical Systems, and Linear Algebra. Academic Press, New York 1974. Das mag als Hinweis dienen, wo man sich im Sinne des hier Begonnenen zun¨achst weiter unterrichten kann. Bei dem Thema der Differentialgleichungen n¨amlich kann man an sehr Unterschiedliches denken. Ein solides vielseitiges Lehrbuch bietet
W. Walter: Gew¨ohnliche Differentialgleichungen, 4. Aufl. Springer-Verlag, Heidelberg 1990. Und dann ist der Hinweis auf das unentbehrliche Nachschlagewerk am Platze:
E. Kamke: Differentialgleichungen, L¨osungsmethoden und L¨osungen, Bd. 1. Teubner, Stuttgart 1983 (viele Auflagen). Die Ausf¨ uhrungen u ¨ber implizite Differentialgleichungen sind angeregt durch einen unver¨ offentlichten Artikel von
R. Thom: Sur les ´equations diff´erentielles multiformes et leurs int´egrales singuli`eres, und die n¨aheren Untersuchungen hierzu in der Diplomarbeit von
D. Michaelis: Die Singularit¨aten einer generisch gew¨ahlten impliziten Differentialgleichung erster Ordnung. Regensburg 1976. Allgemeines u ¨ber differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit vielen Bildern findet man bei
¨ cker, K. Ja ¨ nich: Einf¨uhrung in die Differentialtopologie. Korr. Th. Bro Nachdruck, Springer-Verlag, Heidelberg 1990.
Literatur
205
Eine sch¨ one sehr lesbare Einf¨ uhrung in die Analysis auf Mannigfaltigkeiten, in der man auch das N¨otige u ¨ber Differential- und Integralrechnung findet, bietet das B¨ uchlein von
M. Spivak: Calculus on Manifolds. W.A. Benjamin 1965, und dem genannten Buch von Lang ist das Buch
S. Lang: Differential Manifolds. Addison-Wesley, Reading, Mass. 1972 als beste Referenz f¨ ur das Grundlegende anzuf¨ ugen. F¨ ur den Kalk¨ ul der alternierenden Differentialformen, und das ist eigentlich die Vektor- und Tensoranalysis, verweise ich auf das sehr ausf¨ uhrliche, verl¨aßliche und durch die explizite Darstellung auch als Nachschlagewerk hilfreiche Buch von
H. Holmann, H. Rummler: Alternierende Differentialformen. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim 1972. Auch gibt es ein sch¨ ones B¨ uchlein, kurz und treffend, das wohl verdiente, auf Englisch f¨ ur viele Leser wieder ans Licht gebracht zu werden:
C. Godbillon: G´eom´etrie diff´erentielle et m´echanique analytique. Hermann, Paris 1969. Die ersten dunklen Anf¨ange des Begriffs- und Formelwesens der alternierenden Differentialformen muß man in einem kryptischen mathematisch-philosophischen Werk suchen:
H. Grassmann: Ausdehnungslehre. Verlag Otto Wigand, Leipzig 1844 und 1878. Die heutige Gestalt ist vor allem das Werk von E. Cartan (Vater) und H. Cartan (Sohn).
Symbolverzeichnis
z Widerspruch
dxS = dxi1 ∧ · · · ∧ dxik
α˙ = d/dt α Ableitung 1
Ωk M Differentialformen 133
k α k Supremumsnorm 10
S n Sph¨are 139
eA Exponentialfunktion 12, 46f
RP n projektiver Raum
χA charakteristisches Polynom 48
Rn− Halbraum 140
charakteristische Funktion
97
c Tarnkappe 145
X ∞ , f ∞ AlexandroffKompaktifizierung 94
dα ¨außere Ableitung R α 154
∂(y1 ,...,yn ) ∂(x1 ,...,xn )
−M
Tp M Tangentialraum 108, 142
H k M Kohomologie 162
ωM kanonische Volumenform 165
Ep Ring der C ∞ -Keime 112
g = det(gij )
⊗ Tensorprodukt 115
ωyv
Tr(f ) Tr¨ ager 116, 135 122
S(k) symmetrische Gruppe
122
Altk V alternierende Formen 122 aα Alternator 123 ∧ Dachprodukt 123, 133 f ∗ induzierte Abbildung 124, 133 dϕ Differential
146ff
(gij ) metrischer Fundamentaltensor 164
Tp f Tangentialabbildung, Differential 108
Qk V Multilinearformen
139
∂M Rand 142
y [ k ] k-te Ableitung 57
Funktionaldeterminante 99
132
131
Tp∗ M Kotangentialraum 131
165
171
n kanonischer Normalvektor 173, 178 κ:V ∼ = V ∗ , v 7→ hv, i ΓM t
Vektorfelder
175
176
Einheitstangentialvektor 178
∗ Sternoperator
178
∆ Laplaceoperator
179
→
∆ vektorieller Laplaceoperator ×
Kreuzprodukt
179
179
Namen- und Sachverzeichnis
A a, Alternator 123 Abh¨ angigkeit der L¨osung, analytisch 16 −, Anfang u. Parameter 6, 13ff −, differenzierbar 13ff −, glatt, C ∞ 16 −, von d. DGl. 13 Ableitung, ¨ außere 146ff abz¨ ahlbar, Basis 95 −, Partition der Eins 117 adjungierte Matrix 89 d’Alembert, DGl. 92 −, Reduktion 187 Alexandroff-Kompaktifizierung 94, 188 Algebraiker 107ff Alt 122ff −, Basis 126 Alternator 123 alternierend 122ff −, Differentialform 132 −, Form 122ff −, Zweiform 190f Anfangswert 2, 5 −, DGl. h¨oherer Ordg. 57 −, lineare DGl. 38 Anordnung von R 129 antikommutativ 124 Antipodenabbildung 139, 158, 167 antipodisch 106 aperiodischer Grenzfall 62 Approximation, C ∞ 189f −, durch Polynome 190 ¨ Aquator 106
Atlas 100 −, berandete Mfkt. 141 −, differenzierbar 101 −, guter 118 −, maximal diffb. 101 −, orientierbar 130 Attraktor 72 Auslenkung 56 Aussch¨opfung, kompakte 117, 189 ¨außere Ableitung 146ff ¨außere Algebra 126 ¨außere k-Form 122 ¨außere Normale 143 ¨außeres Produkt 123ff −, Vorfaktor 124 autonome DGl. 2ff −, einer Variablen 19, 183 −, Fluß 24ff −, Gl¨attung 22 −, lineare 46ff −, Transformation 21 −, zugeh¨orige 6, 32 B Banach, Kontraktionslemma 8 Basis, Alt 126 −, Kotangentialraum 131 −, L¨osungen DGl. 39, 58, 60 −, Tangentialraum 113 −, Topologie 95, 188 berandete Mannigfaltigkeit 141 Bernoulli, DGl. 184 Bewegungsinvarianz 99 Bilinearform 175
208
Brouwer, Fixpunktsatz 153 B¨ undel, alt. Formen 131 −, Tangential 113 C C ∞ , C k 99, 102 Cauchy, Integralsatz 154 −, Integralformel 193 Cayley-Hamilton 48 charakteristische Funktion 97 charakteristisches Polynom 48 −, Eulersche DGl. 67 −, lineare DGl. 59, 61 charakteristisches Vektorfeld 89ff Clairaut, DGl. 85, 92 Cramersche Regel 89 D d, ¨außere Ableitung 146ff −, Differential 131f ∆, Laplaceoperator 179 ∂ , Rand 142 Dachprodukt 123, 133 degenerierter Knoten 56 de Rham, Kohomologie 162 −, Komplex 159 Derivation 111f det eA = eSp A 43 Determinante, Ableitung 43 −, alternierende Form 126 −, lineare DGl. 42ff −, lineare DGl. n. Ordg. 58 −, Produktsatz 128 DGl = Differentialgleichung Diff(M ) 28 diffeomorph 103 Differential 108, 131 Differentialform 132 −, positive 134
Namen- und Sachverzeichnis
Differentialgleichung = DGl. 1ff −, d’Alembert 92 −, analytische 16 −, autonome 2ff −, Clairaut 85, 92 −, differenzierbare 14ff −, Eulersche 66f −, getrennte Variable 18 −, glatte 16 −, h¨ohere Ordnung 57 −, homogene 18 −, implizite 84 −, kompakter Tr¨ager 34 −, lineare 37ff, 185 −, Parameter 5 −, partielle 80 −, Raum der 12 Differential-Ungleichung 32 Differenzengleichung 186 differenzierbar 99 −, Abbildung von Mfktn. 102 −, Atlas 101 −, berandete Mfkt. 140ff −, Karte 101 −, Mannigfaltigkeit 100ff −, Metrik 164 −, Partition der Eins 117 −, Struktur 102 −, Struktur, berandet 141 Dimension 100, 102f, 110 −, Null 145 div = Divergenz div4 181 Divergenz, euklidisch 44 −, Riemannsche Mfkt. 171ff, 175, 181f −, Satz 45, 170ff, 174 Drehimpuls 80 Drehung 3 d¨ unn 96, 119 dynamisches System 28
Namen- und Sachverzeichnis
E eA , Exponentialfunktion 12, 46f Ep , Keime bei p 112 ebene lineare DGl. 52ff, 62ff Ecke 144 Eigenfrequenz 56 Eigenfunktion 67 Eigenraum, verallg. 49 eigentlich 31, 95, 188, 190 Eigenwert 49, 60, 73 Eindeutigkeit, L¨osung DGl. 4, 6, 25 eindimensionale Mfkt. 144 Einh¨ ullende 86, 188 Einpunktkompaktifizierung 94 Elastizit¨ atstensor 56 EndC , End R , Endomorphismenring 38 Energie, Erhaltung 36, 80 −, kinetische 45 −, potentielle 45 Enveloppe 86, 188 Erhaltungssatz 80f, 188 erstes Integral 79, 188 erzeugte Topologie 95 euklidische Metrik, auf C n 73 −, auf Tp M 163ff Euklidischer Algorithmus 48 Eulersche DGl. 66ff ewiges Leben 33 exakt 161f, 191f −, Kettenkomplex 194 Existenzintervall 4, 26 −, absch¨ atzen 32f −, beschr¨ ankt 32 −, Lineare DGl. 11f, 38 Existenzsatz, DGl. 6 explodieren, Integralkurve 32 Exponentialfunktion 2, 12, 28, 41, 46ff −, Determinante 43
209
−, Rechenregeln f¨ ur Matrizen 47 −, Wachstum 74f F fast alle 96, 119 fast u ¨berall 96, 119 Fixpunkt, Banach 8 −, Brouwer 153f −, Eigenschaft 193 −, Integraloperator 7 Fl¨ache 191, 194 Fluß 24ff, 172, 175 −, Integral 77ff −, Mannigfaltigkeit 171 −, Umparametrisierung 31 Flußlinie 27 −, R¨ uckkehrverhalten 35, 70 −, Typ 34 k-Form 122ff −, zerlegbar 128 Frequenz 61 Fubini, Satz 97 Fundamentalmatrix 39 Fundamentalsatz d. Algebra 157 Fundamentalsystem 39, 58, 60 Fundamentaltensor 164f Funktionaldeterminante 98f Funktor, Alt 126 −, Ω∗ 133 −, de Rham 163 funktoriell, Alt 125 −, Tangentialabb. 108 G (gij ), Metrik 164 Garbe 133 Gauß , Divergenzsatz 45, 174 Gebiet, berandet 192f −, Karte 100
210
ged¨ ampfte Schwingung 61ff Geometer 107ff geschlossen, Differentialform 149, 161 −, Mannigfaltigkeit 142 Geschwindigkeitsfeld 27 getrennte Variable 18 glatt, berandetes Gebiet 154, 192f −, lokaler Fluß 26ff −, L¨osung einer DGl. 16 −, Partition der Eins 117 Gl¨ attung einer DGl. 19 Gleichgewicht 70, 81 gleichm¨ aßig konvergent 97 gleich orientiert 129 Glockenfunktion 119 grad = Gradient grad4 181 Grad, Differentialform 132 −, Multilinearform 122 Gradient 176ff −, 2-dim. 181 Gradientensystem 72 graduiert antikommutativ 124 graduierte Algebra 133 Graßmann, Mfkt. 191 Green, Formel 180 Grenzfall, aperiodischer 62 Guldin, Regel 194 guter Atlas 118 H H k M Kohomologie 162 halbeinfacher Teil 49, 73 Halbraum Rn− 140 Hamilton-Cayley 48 Hamilton, Gleichungen 45, 80, 187 −, Vektorfeld 45, 89, 188 Handschuh 129, 130 harmonische Funktion 195f
Namen- und Sachverzeichnis
Hauptachse 56 Hauptsatz, Diff. u. Int. 148, 151 hausdorffsch 93, 189 Hesseform 81ff Himmelsmechanik 80 holomorphe Differentialform 149f homogene DGl. 18 −, lineare 37ff homotop 155, 193 Homotopie 155, 159ff −, Invariante 163 hyperbolisches Paraboloid 195 Hyperebene 106 I Igel 158, 193 immersiv 114f implizite DGl. 84 Impuls 80 Index, Vektorfeld 184 Indikatorfunktion = charakteristische Funktion 79 induzierte Abbildung, Alt(f ) 124, 127f −, Ω∗ (f ) 133 −, Tp f 108 infinitesimales Volumen 128 inhomogen, lineare DGl. 38, 63ff −, L¨osung 20f, 39f −, autonome 64 Inklusion 104 Inneres, Mfkt. 142 instabile Mfkt. 75f integrabel 96 −, Differentialform 134 −, Lebesgue 135 −, Partition der Eins 119, 135 Integral, alternierende n-Form 133ff −, erstes (DGl.) 79
Namen- und Sachverzeichnis
Integral, Funktion auf Rn 96ff −, Funktion auf Mfkt. 138 −, l¨angs Kurve 170 −, lokales 134 −, Riemannsche Mfkt. 165f Integralgleichung 7 Integralkurve 2, 25ff −, endliche Lebensdauer 32 −, maximale 26 −, Vektorfeld auf Mfkt. 171 Integralmannigfaltigkeit 77ff, 89 integrierender Faktor 192 inverse Matrix, Ableitung 40 Involution 139, 191 Isometrie 166 Iterationsverfahren 10 −, Lineare DGl. 12 iteriertes Integral 98 J Jacobideterminante 98 Jacobimatrix 110 Jordan, Normalform 47, 73 −− , reell 50ff Jordan-Chevalley Zerlegg. 49 Jordan-Matrix 49 K κ:V ∼ = V ∗ 175 Kamke 18 kanonisch, Normalvektor 173, 178 −, Tangentialvektor 178 −, Volumenform 165, 167ff Karte 100 −, Abbildung in 114 −, berandete Mfkt. 141 −, Untermannigfaltigkeit 103f −, Wechsel 101, 110 Keim 107, 111f, 189
211
Kettenhomotopie 159ff, 194 Kettenkomplex 159, 194 kinetische Energie 45 Klein, Flasche 191 Knoten 53 −, degenerierter 54 −, implizite DGl. 88 Kodimension 103, 115 kompakt 94 −, Aussch¨opfung 117 komplexe L¨osung 42 komplexe Schreibweise 51 Konjugation 51 Kontraktionslemma 8 kontravariant 110 Konvergenzabsch¨atzung, Lineare DGl. 11 −, Picard-Lindel¨of 10 Koordinaten, Abbildungen in 114 −, homogene 105 −, lokale 100ff −, Tangentialraum 109ff −, Transformation 101, 110 Korand 149, 161f Kotangentialraum 131 Kozykel 161f Kreis 3, 21 Kreuzprodukt 80, 179 kritisch 114 Kugel 95, 106, 117, 136 −, berandete Mfkt. 141 −, Fixpunktsatz 153f Kurvenintegral 170 L L¨angenmessung 163 Laplaceoperator 179 Lebensdauer (-zeit) 26 −, endliche 32
212
Lebesgue-integrabel 135 Lindel¨ of-Picard 6 Lineare DGl. 11f, 37ff, 185 −, autonome 46ff −, ebene autonome 52ff −, Fluß 28 −, Hauptsatz 38, 58 −, h¨oherer Ordnung 58, 63ff, 187 −, mit Parameter 11 −, Stabilit¨at 72ff −, Transformation 47 Lineare Differentialgleichung 186 Liouville, Formel 44 −, Satz 43, 173 Lipschitzbedingung 6, 12 Ljapunof-Funktion 70, 82 lokal eindeutig l¨osbar 10, 24 lokale Koordinaten 100ff lokale L¨osung, DGl. 6 −, Definitionsgebiet 10 −, Differenzierbarkeit 14ff −, Gl¨attungssatz 19 lokal endlich 96, 116 lokaler Fluß 24ff −, Definitionsgebiet 26 lokal euklidisch 100, 189 lokal gleich 111 lokal kompakt 94, 189 L¨ osung, DGl. 5 −, implizite DGl. 84 −, komplexe 42 −, lokale 6 −, maximale 26 −, Methoden 18 −, reelle 42 L¨ osungsraum, Lineare DGl. 38, 58, 60 M Mannigfaltigkeit 100ff −, berandet 140ff
Namen- und Sachverzeichnis
Mannigfaltigkeit, eindimensional 144 −, nulldimensional 145 −, orientiert 130 Maß , durch Volumenform 138 −, Null 119 Massenpunkt 45, 56 Matrizenfolge (Ak |k ∈ N ) 187 maximal, L¨osung 5 −, Integralkurve 26 Maximumprinzip 196 Mechanik 45, 80, 89 Metrik, Fundamentaltensor 164f −, Minkowski 164, 176 −, Riemann 164, 166 metrischer Raum 95 Mfkt = Mannigfaltigkeit Milnormannigfaltigkeit 190 minimale L¨osung 5 Minkowski 164, 176, 181 Mittelwerteigenschaft 195 Mittelwertsatz 12, 112 M¨obiusband 130 Monodromiesatz 155f Morselemma 82 multilinear 122 Multilinearform 122 N n = kanonischer Normalvektor 173, 178 nat¨ urlich, ¨außere Ableitung −, ¨außeres Produkt 124 negativ orientiert 129 Neilsche Parabel 87 nilpotenter Teil 49, 73 Noethers Theorem 188 normal 94, 190 Normalform, Jordan 47 Normalvektor 173
147f
Namen- und Sachverzeichnis
O Ωk M 132ff ωM , kanonische Volumenform 165 offen 93 Offenheit, lokaler Fluß 26 Operation von R 28 Orbit 27 Ordnung, DGl. 37f, 56f orientiert, Atlas 130, 136f −, Karte 136 −, Mfkt. 130ff −, Vektorraum 129 Orientierung, Mfkt. 130ff, 136f, 154 −, Produkt 191 −, Rand 143 −, Untermfkt. 139 −, Vektorraum 129 orientierungserhaltend 138f orientierungsumkehrend 138f orthogonale Fundamentalmatrix 185 oszillieren 81 P Paraboloid 195 Parameter 5 −, Lineare DGl. 11 Parameterraum 5f partiell differenzierbar, DGl. 12 Partition der Eins 31, 116ff −, integrabel 119, 135 Peano 6 periodisch 34, 188 −, Inhomogenit¨at 63ff −, Schwingung 62 Permutation 122 Pfaffsche Form 133, 162, 170, 176, 192 Phasenportrait 3, 21, 27 Phasenraum 2, 5, 21, 56 Physiker 107ff
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Picard-Lindel¨of 6 −, Konvergenzabsch¨atzung 10 Poincar´e, Lemma 159ff, 177 Polarkoordinaten 169 Polynom 189 positiv definit 164 positive Diff.-form 134 positiv orientiert 129 Potential 162, 177 potentielle Energie 45, 81 Potenzreihenansatz 16, 184 Produkt, Mfktn 104f, 144f Produktregel 112 Produktsatz, Determinanten 128 projektiver Raum 105f −, Ebene 130 −, Einbettung in Rn 189 −, Orientierung 140 Q Qk V , Multilinearformen 122 Quadrik 190f Quellst¨arke 175 Quotientenregel f¨ ur Matrizen 40 Quotient von Mfktn. 105f R Rn− , Halbraum 140 Rand, Halbraum 140 −, Mannigfaltigkeit 141ff −, Retraktion auf 153 Randpunkt 141 Rang 113, 189 −, Satz 114 Rechteck 145 Reduktion der Ordnung 41, 187 reelle L¨osung 42, 61 regul¨ar, Fluß linie 34 −, Punkt 114
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Namen- und Sachverzeichnis
regul¨ ar, Topologie 94 −, Vektorfeld 22 −, Wert 104, 114f, 141 Reibung 61 Relativit¨ atstheorie 164, 177 Resonanz 65 Retraktion 153 rgp f , Rang 113 de Rham, Kohomologie 162 −, Komplex 159 Ricatti, DGl. 185 Richtungsableitung 111 Riemann, integrabel 96 −, Mannigfaltigkeit 163ff −, Metrik 164, 194 rot = Rotation 177f −, 2-dim. 182 Rotationsfl¨ ache 194 Rotationssatz 178 RP n projektiver Raum 139 R¨ uckkehrverhalten, Fluß 35, 70 Ruhelage 69, 81 S S n , Sph¨are 139 S(k), symmetrische Gruppe 122 Sattel 53 −, implizite DGl. 88 Scheibe, transverse 22 schiefsymmetrische Matrix 190 Schnitt 132 Schraube 129 Schwingung, ged¨ampfte 61ff −, unged¨ampfte 81 Schwingungsgleichung, inhomogene selbstadjungierter Operator 180 Signum, Permutation 122 singul¨ ar, implizite DGl. 85
65f
singul¨ar, Punkt 114 −, Wert 114 Singularit¨at (Vektorfeld) 23, 34, 69ff, 76 −, charakterist. Vektorfeld 90f −, ebenes 52ff, 184f −, stabile 74 Skalarprodukt 164 Sp, Spur 43 Spat 99 spezielle L¨osung 39 Sph¨are 105 −, kan. Volumenform 169 −, Volumen 166, 174 Spirale 55, 62 −, implizite DGl. 88, 91 Spitze 92 Spur 43 stabil 69ff, 187 −, asymptotisch 70 −, Mannigfaltigkeit 75 −, Singularit¨at 74 stereographische Projektion 192 sternf¨ormig 30, 161 Sternoperator 178f stetig, Integral 97 −, L¨osung einer DGl. 6 −, Partition der Eins 117 Stokes-Satz 151f −, Rechteck 148f −, Rotationssatz 178 St¨orung einer DGl. 20 submersiv 114f Substitution (Integral) 98 Summe von Mfktn. 105 Supremumsnorm 8 symmetrische Gruppe 122 −, Operation auf k-Formen 123 symmetrische Matrix 56, 189
Namen- und Sachverzeichnis
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T
V
Tp M , Tp f , Tangentialraum 108, 142 t, Einheitstangentialvektor 178 Tangens (tan) 3 Tangentenschar 86 Tangentialabbildung 108ff, 113 −, Jacobische 109 tangential ¨aquivalent 108 Tangentialb¨ undel 113 Tangentialraum 21, 107ff −, berandete Mfkt. 142 Tangentialvektor 1, 107ff Tarnkappe 145 Tensor 110, 115 Testfunktion 180 Topologie 93 −, Basis 95 topologischer Raum 93 Torus 36, 79, 105, 191, 193, 195 Tr, Tr¨ ager 116 −, Differentialform 135 Transformation, DGl. 17ff −, Integral 44, 98, 121, 135 transformierte DGl. 18 transverse Scheibe 22 Typ einer Flußlinie 34
Variation der Konstanten 20f, 39f, 61 Variationsgleichung 14, 37 Vektoranalysis 175ff Vektorfeld 2ff −, charakteristisches 89 −, Gl¨attung 22 −, Mfkt. 170, 175ff Vergleichssatz 32 vol, Volumen 79, 166 vollst¨andig ged¨ampft 63 Volumen, A ⊂ Rn 97 −, Determinante 99 −, infinitesimal 133 −, n-Form 128, 164f −, Riemannsche Mfkt. 166 −, Zuwachsrate (DGl.) 43 Volumenform 136f −, Graph 168 −, kanonische 165, 167ff −, Polarkoordinaten 169 −, Untermfkt. des Rn 139, 167 Volumenmaß 137
U Uhrzeigersinn 144 Ultrafilter 189 Umgebung 93f Umkehrabbildung 103, 187 Umlaufszahl 184 umparametrisieren, Fluß 31 unendlich ferne Hyperebene 106 Ungleichung, Differential- 32 unit¨ are Fundamentalmatrix 185 untergeordnet 116 Untermannigfaltigkeit 103, 115
W Weg 107 Weierstraß 69, 190 Wellenoperator 181 Wert, regul¨arer 104, 141 Wirbel 55f Wronski, Determinante 58 −, Matrix 58 Z Zeit 2, 5 −, abh¨angig 6 −, Intervall 5, 56 zentral beschleunigt 80 zerlegbar, k-Form 128, 190f
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Zerlegungssatz, Endomorphismen 48, 60 Zusammensetzung, diffb. 103 −, Tangentialabb. 108
Namen- und Sachverzeichnis
zusammenziehbar 156, 161 Zuwachsrate 3, 43 Zylinder 155, 159 zyklischer Summand 49