Werner Jann · Marian Döhler (Hrsg.) Agencies in Westeuropa
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Werner Jann · Marian Döhler (Hrsg.) Agencies in Westeuropa
Interdisziplinäre Organisationsund Verwaltungsforschung Band 15 Herausgegeben von Thomas Edeling Werner Jann Dieter Wagner
Werner Jann Marian Döhler (Hrsg.)
Agencies in Westeuropa
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Mai 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Monika Mülhausen / Marianne Schultheis Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15422-0
Inhaltsverzeichnis Vorwort Marian Dohler und Werner Jann
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Vom Amt zur Agentur? Organisationsvielfalt, Anpassungsdruck und institutionelle Wandlungsprozesse im deutschen Verwaltungsmodell Marian Dohler
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Next Steps und zwei Schritte zuriick? Stereotypen, Executive Agencies und die Politik der Delegation in GroBbritannien Martin Lodge
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Ministerielle Steuerung von Regulierungsbehorden Ein britisch - deutscher Vergleich der Telekommunikationsregulierer OFTEL und RegTP Dominik Bollhojf
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Kontakt durch Kontrakt? Ministerien und Agencies in Danemark Thurid Hustedt
100
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden Jan Ties sen
138
Agencies in Norwegen Steuerung und Organisation zentralstaatlicher Behorden Tobias Bach
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Die europaischen Agenturen als Diener vieler Herren? Zur Steuerung und Rolle von EU-Agenturen Julia Fleischer
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Verzeichnis der Autoren
253
Vorwort^ Marian Dohler/Werner Jann
Strukturveranderungen in der Verwaltung, seien sie als Reformen absichtsvoll herbeigefuhrt oder nicht-intendiertes Nebenprodukt von staatlichem Aufgabenwachstum oder auch von Sparanstrengungen, verlaufen in der Regel schleichend und ohne die offentliche Aufmerksamkeit besonders einnehmen zu konnen (vgl. Jann 1999). Nicht zuletzt deshalb entsteht leicht der Eindruck von Stabilitat oder Veranderungsresistenz. Dabei kann kaum ein Zweifel dariiber bestehen, dass sich der offentliche Sektor in Westeuropa in einem spUrbaren Umbruch befindet (vgl. OECD 2004). Folgt man der in der Literatur dominierenden Richtung, dann lieBe sich dieser Wandel in erster Linie auf die Umsetzung des seit den frlihen 1990er Jahren florierenden New Public Management-Diskurses zuriickfuhren (vgl. z.B. Schick 2002; Pollitt et al. 2004), der nicht nur die internen Verwaltungsablaufe an privatwirtschaftlichen Vorbildem misst, sondem auch von einer grundsatzlichen Dezentralisierungsphilosophie gekennzeichnet ist, die sich gegen monolithisch-hierarchische Elemente der klassischen Verwaltungsorganisation richtet. Gleichzeitig sprechen die Ruckkopplungseffekte, die von der okonomischen Globalisierung wie auch den Liberalisierungsbestrebungen der EU ausgehen, auch dafiir, dass nationalstaatliche Verwaltungen nicht einfach nur unter dem Einfluss einer von vielen Reformwellen stehen, sondern dass es auch urn einen Rollen- und Funktionswandel des Staates geht. Der Begriff des Gewahrleistungsstaates, der in diesem Zusammenhang des ofteren Verwendung findet, ist ohne Zweifel zutreffend, beschreibt aber nur eine Facette des Phanomens. Neben der funktionalen Veranderung staatlicher Aufgaben, die sich u.a. im Anschluss an die Privatisierung ehemaliger Infrastrukturmonopole vollzogen hat, zeichnet sich auch ein institutioneller Wandel ab, in dessen Kern die quantitative Zunahme bzw. wachsende Bedeutung von „Agencies" steht, also Behorden auf der zentralen bzw. Bundesebene, die nicht unmittelbar der Ministerial verwaltung zurechenbar sind. Nun sind dezentrale Verwaltungseinheiten im Staatsaufbau moderner Industrienationen alles andere als neu, sondem seit langem etabliert. Das gestiegene Interesse an diesen vormals eher unauffalligen Behorden wird vor ' Wir danken Victoria Muller und Sebastian Dittrich ftir ihre tatkraftige Unterstiitzung bei der Fertigstellung der Druckfassung dieses Bandes.
Marian DohlerAVerner Jann allem aus der Erwartung gespeist, dass es sich hierbei um eine modemere und leistungsfahigere Form von Verwaltung handell. Insbesondere die OECDfavorisiert in ihren Veroffentlichungen das Konzept von „distributed governance" (OECD 2004: 4). Die Bewertungen dieses Phanomens fallen jedoch keineswegs einhellig aus. Eine eher kritische Position sieht in der Zunahme bzw. Aufwertung von Agencies die Gefahr zunehmender Fragmentierung der Regierungs- und Verwaltungsorganisation mit der Konsequenz eines politischen Kontrollverlustes (vgl. z.B. Christensen/ Laegreid 2001). Aus einer positiven Perspektive hingegen gelten Agencies als lange iiberfallige Dezentralisierung bzw. Delegation von Aufgaben, die mehr Transparenz und eine klarere Verantwortungstrennung zwischen politischen und administrativen Aufgaben erlaubt (vgl. z.B. Majone 2005). Unabhangig von divergierenden Bewertungen eint die wachsende Forschergemeinde das Interesse am Phanomen der „Agencification" ihr landeriibergreifendes Auftreten, das auf der europaischen Ebene eine Fortsetzung findet. Bei dem Versuch einer analytischen Durchdringung dieses Phanomens drangen regelmaBig drei Fragen in den Vordergrund. •
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Erstens ist der Begriff Agency wenig konturscharf, so dass sich das Problem der defmitorischen Abgrenzung gegeniiber der etablierten Verwaltung stellt. Als konsensfahige Minimaldefinition kann festgehalten werden, dass es sich um nichtministerielle Behorden handelt, die weniger in den hierarchischen Verwaltungsaufbau integriert sind und daher starker liber indirekte Verfahren wie Kontrakte oder Zielvereinbarungen gesteuert werden. Agenturen bilden gleichwohl ein schwer greifbares „moving target", weil sie in vielen Landem nicht einfach neu errichtet werden, sondern unter anderer Bezeichnung bereits existieren. Daran anschlieBend wird haufig die Frage aufgeworfen, welche Faktoren zur Entstehung von Agencies fiihren bzw. Reformprozesse in Gang setzen, in denen die vorhandenen Behorden dem Agency-Konzept folgend reorganisiert werden. Abgesehen von der NPM-Reformwelle, die sich zu einem flachendeckenden Modernisierungsleitbild entwickelt hat, ist auch zu beobachten, dass Lander, in denen nichtministerielle Zentral- oder Bundesbehorden langst etabliert sind, mit Anforderungen konfrontiert werden, die sich u.a. aus EU-Richtlinien iiber die Regulierung des Telekommunikationsoder Energiesektors ergeben und aus diesen sektoralen Entwicklungen heraus Anreize zur Errichtung von Agencies schaffen. Drittens schlieBlich hat das Problem der politischen Steuerung besondere Aufmerksamkeit erlangt. Dafiir gibt es verschiedene Griinde. Aus der NPMPerspektive wird das Agency-Konzept propagiert, um das Modell einer ver-
V or wort
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tikal integrierten und hierarchisch gesteuerten Verwaltung durch ausgelagerte, semiautonome Organisationen abzulosen. Die Steuerungsthematik wird dabei eher vernachlassigt, well es primar um die Forderung nach Ablosung des alten Steuerungsmodels geht, und nicht um die moglichen Probleme, die aus dem Wechsel des Steuerungsinstrumentariums resultieren. Genau dies interessiert hingegen aus der politikwissenschaftlichen Perspektive, da mit der Loslosung einzelner Verwaltungseinheiten aus der hierarchischen Steuerungspyramide auch die Gefahr eines Kontrollverlustes fur Regierung und Parlament droht und die Doktrin der Ministerverantwortlichkeit ausgehohlt werden konnte. Die nachfolgend versammelten Beitrage, die mit Ausnahme des Aufsatzes von Martin Lodge aus Arbeiten am Lehrstuhl fiir Politik, Verwaltung und Organisation der Universitat Potsdam hervorgegangen sind, spiegeln mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung diese drei Kemthemen wider. Sie nehmen dabei jeweils eine institutionalistische Sichtweise auf das Phanomen der Agencies ein. Institutionalistisch bedeutet hier, dass die Analyse nicht primar aus einer Performanzperspektive erfolgt, wie sie fiir den NPM-Diskurs charakteristisch ist, und dort regelmaBig zu der Annahme fuhrt, dass die Modernisierung des offentlichen Sektors primarer Antrieb struktureller Veranderungen bildet. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Einbettung in die jeweiligen Regierungssysteme, deren konstitutionelle Grundlagen, nationale Verwaltungstraditionen und Akteurstrategien. Anders als es das Schlagwort von der Agencification - was man mit „AgenturBildung" ubersetzen konnte - suggeriert, geht es in der Mehrzahl der Fallstudien weniger um die Errichtung neuer Agencies, sondern vielmehr um die Frage, ob, warum und in welchem Umfang etablierte Verwaltungsstrukturen in Agenturen transformiert werden. Dabei wird deutlich, dass das Instrument der Agencies aus einer Vielzahl von Motiven heraus propagiert und genutzt wird. Sektorale Entwicklungen in der Telekommunikation oder dem Verbraucherschutz vermischen sich mit Modemisierungsbestrebungen sowie Reaktionen auf externe Anforderungen, die u.a. von der EU formuliert werden. In der Literatur wird daher nicht grundlos die Vielschichtigkeit von Rechts-, Organisations- und Statustypen hervorgehoben, nicht selten gefolgt von der resignativen Feststellung, dass sowohl die Motive fiir die Errichtung wie auch ihre Ausgestaltung und Aufgaben so erheblich variieren, dass es schwer fallt, von Agencies als einheitlichem Untersuchungsgegenstand auszugehen (vgl. Pollitt et al. 2004: 7 ff.). Gleichwohl zeichnet sich eine Gemeinsamkeit ab, die im vorliegenden Sammelband aufgegriffen und vertieft behandelt wird. Sie liegt in der bereits angesprochenen Steuerungsproblematik, die bezeichnenderweise auch in den Landern Virulenz erlangt, in denen Agen-
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Marian DohlerAVerner Jann
cies seit langem zum Organisationsrepertoire gehoren wie etwa Schweden oder Danemark. Damit stellt sich das Agency-Phanomen nicht einfach nur als Technik zur Problemlosung dar, insbesondere zur Effizienzerhohung des Verwaltungshandelns, sondem auch als mogliche Quelle unterschiedlich gravierender Steuerungsprobleme. Dies legt auch eine Erweiterung des Analysehorizontes nahe, da es nicht langer ausreicht, Agencies nur als Objekt oder Instrument von Verwaltungsreformen zu sehen. Dariiber hinaus sollte auch ihr Subjekt- bzw. Akteurcharakter Beachtung finden, da dies moglicherweise zu Krafteverschiebungen zwischen Regierung und Verwaltung fuhrt. Die Feststellung, es gabe eine „tremendous variation in the way in which agencies work, and in the kinds of relationships they have with their parent department" (PoUitt et al. 2004: 24), fmdet nachfolgend eine Bestatigung. Noch hat sich in der Literatur allerdings kein Konsens iiber eine Problem- bzw. Frageperspektive ergeben, die in der Lage ware, den nicht unbedingt befriedigenden Befund groBer Vielfalt in ein aussagekraftiges Erklarungsschema umzuwandeln. Der vorliegende Sammelband will deshalb einen AnstoB zur vertieften Analyse des Prozesses der Agencification im deutschen Sprachraum vermitteln, in dem dieser potenziell weitreichende Umbruch der Staats- und Regierungsorganisation noch deutlich geringeres Interesse gefunden hat als in der angelsachsischskandinavischen Diskussion. Dass dabei auftretende Fragen eher angerissen als endgliltig beantwortet werden konnen, ist ein typisches Phanomen junger Forschungsfelder, in denen sich Problemperspektiven und Konzepte erst allmahlich herausschalen. Das macht es umso bedeutsamer, die nationalen bzw. EUErfahrungen aufzuarbeiten, um so die Grundlage flir das bessere Verstandnis eines Phanomens zu schaffen, dessen politische Bedeutung im Wachsen begriffen ist.
Vorwort
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Literatur Christensen, Tom/ Laegreid, Per (2001): New Public Management. The Effects of Contractualism and Devolution on Political Control. In: Public Management Review 3, 73-94. Jann, Werner (1999): Zur Entwicklung der offentlichen Verwaltung. In: Ellwein, Thomas/ Holtmann, Everhard (Hrsg.): 50 Jahre Bundesrepubhk Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag, Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 30, 520-543. Majone, Giandomenico (2005): Strategy and Structure of the Political Economy of Agency Independence and Accountability. In: OECD (Hrsg.): Designing Independent and Accountable Regulatory Authorities for High Quality Regulation. Paris: OECD, 126-155. OECD (2004): Policy Brief: Public Sector Modernisation: Changing Organisational Structures. Paris: OECD. Pollitt, Christopher/ Talbot, Colin/ Caulfield, Janice/ Smullen, Amanda (2004): Agencies: How Governments do Things Through Semi-Autonomous Organizations. Basingstoke: Palgrave MacMillan. Schick, Allen (2002): Agencies in Search of Principles. In: OECD (Hrsg.): Distributed Public Governance: Agencies, Authorities and other Autonomous Bodies. Paris: OECD, 25-38.
Vom Amt zur Agentur? Organisationsvielfalt, Anpassungsdruck und institutionelle Wandlungsprozesse im deutschen Verwaltungsmodell^ Marian Dohler
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Einleitung
„Agentur hat Konjunktur" titelte der Berliner Behordenspiegel (Nr. 8/ 2003: 1) angesichts einer wachsenden Zahl von Bundesbehorden, die nach dem Vorbild des sog. „Agency"-Konzeptes errichtet oder reorganisiert werden. Die Bundesrepublik scheint damit einem internationalen Trend zu folgen (vgl. Thatcher 2002, 2004; Gilardi 2002; Pollitt/ Bouckert 2004; Tenbucken 2004). Versucht man diese Beobachtung in die weitergehende Frage zu iibersetzen, ob und in welchem Umfang daraus ein institutioneller Wandel resultiert, stellt sich erstens ein definitorisches Problem, da der Terminus Agency „rather an omnibus label to describe a variety of organisations" (Majone/ Everson 2001: 150) reprasentiert als einen generischen Typus von Verwaltung. Hinzu kommt, dass das Konzept in zwei parallel laufenden, aber miteinander kaum verbundenen Diskursen auftritt. Im New Public Management-Diskurs (NPM) werden Agencies vor allem iiber die Organisationsdimension defmiert (vgl. Pollitt et al. 2001: 274 f.; OECD 2002; Talbot 2004: 14 ff.): Es handelt sich um von der Ministerialverwaltung getrennte, aber nach wie vor dem Geltungsbereich des offentlichen Rechts zugehorige Behorden, deren Aufgaben - der Trennung zwischen „policies", die allein von der Regierung bzw. den vorgesetzten Ministerien zu formulieren sind, und „operations" folgend - sich auf den Vollzug beschranken, die dabei aber hochspezialisiert und von einer „task orientation" gekennzeichnet sind, und die schlieBlich nicht wie im klassischen Blirokratiemodell direkt und hierarchisch, sondern indirekt („at arm's length") iiber Kontrakte bzw. Zielvereinbarungen gesteuert werden, um so mehr Autonomic flir ein effizienzorientiertes Management zu schaffen. Dieser Definition nicht unahnlich, aber mit einer deutlich starkeren Gewichtung der Policy-Dimension treten Agencies auch in der Debatte ' Fiir die kritische Durchsicht einer ersten Fassung dieses Aufsatzes danke ich Tobias Bach, Julia Fleischer und Tobias Langer.
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um den Aufstieg des „Regulierungsstaates" in Erscheinung (vgl. Majone 1997; Majone/ Everson 2001: 132 ff.; Grande/ Eberlein 2000: 641). In diesem Diskurs steht vor allem die regulative Aufgabe im Vordergrund, bei der die Regelbildung und -durchsetzung die Eigenproduktion staatlicher Outer und Dienstleistungen zunehmend verdrangt. In organisatorischer Hinsicht werden insbesondere die fachliche Spezialisierung sowie die politische Unabhangigkeit von Agencies betont, die deshalb auch zu einer eigenstandigen politischen Akteursrolle befahigt sind (naheres dazu unter 4.1). Daran gemessen stellt sich die Bundesrepublik sowohl auf der Bundes- wie auch der Landesebene nur als begrenzt „agencifizierbar" dar. Denn schon in der Zentralverwaltung des deutschen Kaiserreichs als Nukleus der heute bestehenden 14 Bundesministerien und 445 Bundesbehorden (BT-Drs. 15/5111: 4) setzte die Ausdifferenzierung zwischen der Reichkanzlei einerseits und funktional spezialisierten Behorden andererseits, wie dem Reichseisenbahnamt (1873) oder dem Reichsgesundheitsamt (1876), in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts ein (vgl. Morsey 1957). Die etablierte Arbeitsteilung zwischen Ministerien und nachgeordneter Vollzugsverwaltung verhindert weitgehend, dass es zu spektakularen Abspaltungs- oder Neugriindungswellen kommt, die es rechtfertigen wiirden, von einer Agencification der bundesdeutschen Verwaltung zu sprechen. Angesichts der Restrukturierung von Teilen der sog. nichtministeriellen Bundesverwaltung seit Beginn der 1990er Jahre ware es allerdings verkiirzt, die Bundesrepublik als ganzlich unbeeinflusst vom allgemeinen Trend zur Ausbreitung des Agency-Konzeptes zu wahnen. Insbesondere die im Vergleich zu fruheren Jahrzehnten beobachtbare Zunahme von Bundesbehorden mit regulativen Aufgaben wie der Bundesnetzagentur (ehem. Regulierungsbehorde fiir Telekommunikation und Post - RegTP) oder der Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) deutet auf einen „schleichenden Wandel" (Jann 1999: 533 ff.; Ellwein 1994: 83 ff.) hin, der langfristig in eine partielle Transformation des bundesdeutschen Verwaltungsmodells miinden konnte (naheres dazu bei Dohler 2006). Nicht minder gerechtfertigt ist es aber auch, die Bundesrepublik als „agency laggard" (Dohler 2002: 103) zu charakterisieren, da sich weder die politische Unabhangigkeit noch die Kontraktsteuerung zum Standard entwickelt haben.^ " Im Marz 2005 hat die Bundesregierung zwar ausgefuhrt, dass mit 203 von insgesamt 429 nachgeordneten Bundesbehorden Zielvereinbarungen abgeschlossen wurden, „die zeitliche, quaHtative und wirtschaftliche Ziele umfassen" (BT-Drs. 15/5111: 6). Doch bestehen erhebliche Zweifel, ob damit tatsachlich eine veranderte Steuerungspraxis einhergeht. Erstens lassen bisherige Erfahrungen vermuten, dass es sich primar um personal- und haushaltsspezifische Parameter handelt, die den „PolicyOutput" der betreffenden Behorde kaum tangieren. Zweitens ist es gangige Praxis, dass die Einfuhrung des Kontraktmanagements nicht mit der Einschrankung oder gar Ablosung des hierarchischen Weisungsrechts verbunden ist, so dass Zielvereinbarungen weniger die dezentrale Ergebnisverantwortung starken, sondem lediglich die Informationsbasis der vorgesetzten Ministerien verbessem.
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Das Phanomen einer Agentur-Bildung kann sich im deutschen Fall sinnvollerweise also nur auf zwei Elemente des Modells beziehen. Erstens die Neuerrichtung von Behorden mit spezifisch regulativen Aufgaben, die iiber den bloBen Gesetzesvollzug hinaus eine politische Dimension erlangen, und zweitens die Zunahme nichthierarchischer Steuerungsformen bzw. groBerer behordlicher Autonomic wie sie etwa mit der Kontraktsteuerung angestrebt wird. Diese Konstellation fuhrt zweitens dazu, dass sich die Frage nach den Ursachen bzw. Motiven flir die begrenzte Rezeption des Agency-Konzeptes deshalb kaum aus eindeutigen Absichtsbekundungen heraus beantworten lasst, weil dieses Modell organisatorisch bereits existiert, der Begriff „Agentur" aber zugleich auch als Innovationssignal im Verhaltnis zur klassischen und als modemisierungsbediirftig angesehenen Verwaltung verstanden wird. Daraus kann bei den Akteuren nur eine ambivalente Einstellung erwachsen, die einerseits aus dem mehr oder minder klaren Bewusstsein besteht, uber einen Modemisierungsvorsprung zu verfiigen, was auf den anderen Seite nicht verhindem kann, dass die Einfuhrung einzelner Elemente des Agency-Konzeptes zum Zweck des politischen „credit claiming" propagiert wird oder tatsachlich als sinnvoller Bestandteil der Verwaltungsmodemisierung gilt. D.h., dass man nicht zwangslaufig mit jenen klaren politischen Zielen rechnen darf, wie sie bei der Errichtung einer agency-artigen Beh5rde gemeinhin unterstellt werden (vgl. Epstein/ O'Halloran 1999: 29 ff.; Huber/ Shipan 2002: 9). Zudem ist die Differenz zwischen „academic theories", die den Bedeutungszuwachs des Agency-Konzeptes auf das Motiv der Effizienzerhohung oder auch einen institutionellen Isomorphismus zurlickfiihren, und den ganzlich anders gearteten „practitioner theories" (Pollitt 2004: 336 f.) zu bedenken, die den Handlungskalkiilen von Politikern zugrunde liegen. So lasst etwa die Diskrepanz zwischen den enormen Anstrengungen, mit denen die EU-Mitgliedstaaten um die Standorte europaischer Agencies ringen (vgl. dazu Pollitt 2004: 336 und Fleischer in diesem Band), und dem deutlich geringeren Interesse an deren Organisation und Kompetenzen erahnen, wie weit sich die Practitioner-Motive von funktionalen bzw. politisch-inhaltlichen Uberlegungen entfemen konnen. Die konzeptionellen Unscharfen sowie die diffuse Motivstruktur werden drittens schlieBlich auch Konsequenzen fiir den institutionellen Wandel besitzen, dessen Intensitat hier ausgelotet und erklart werden soil. Die hiesige Ausgangssituation schlieBt einen klaren Strukturbruch aus. Wenn es eine Tendenz zur Agentur-Bildung gibt, so wird sie in der Bundesrepublik in einer Zone zwischen der Nutzung von Handlungsspielraumen, die im etablierten Verwaltungsmodell vorhanden sind, symbolischen Innovationen und der partiellen Adaption von Elementen des Agency-Konzeptes stattfinden. Auch wenn die Koexistenz aller drei Varianten einer Agentur-Bildung unterstellt werden kann, ist es sinnvoll.
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sich vor allem auf jene Veranderungen zu konzentrieren, in denen Abweichung von den etablierten Prinzipien des Verwaltungsaufbaus und deren Arbeitsweise erkennbar sind. Denn nur die Identifikation von Reibungsflachen zwischen dem Agency-Konzept einerseits und der etablierten, hier als „klassisch" bezeichneten Verwaltung andererseits erlaubt es, Aussagen iiber den institutionellen Wandel vorzunehmen. Um die Frage nach der Intensitat dieses Wandels und seinen Ursachen beantworten zu konnen, werden folgende Arbeitsschritte vorgenommen. Im zweiten Abschnitt werden zunachst jene Merkmale des deutschen Verwaltungsmodells herausgearbeitet, die im Kontrast zum Agency-Konzept stehen. Der dritte Abschnitt setzt eine Stufe unterhalb der Modellebene an und analysiert die Rechtstypen der Verwaltungsorganisation und fragt nach den Spielraumen flir eine Agentur-Bildung. Im vierten Abschnitt folgen einige empirische Beispiele, die veranschaulichen sollen, welche Handlungskalkiile die Errichtung neuer bzw. die Restrukturierung vorhandener Behorden beeinflussen und mit welchen externen Anpassungszwangen das deutsche Verwaltungsmodell konfrontiert wird. SchlieBlich wird im ftinften Abschnitt danach gefragt, ob und wie sich dieser exteme Anpassungsdruck bei neueren Entscheidungsprozessen auf die Ubernahme des Agency-Konzeptes auswirkt.
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Merkmale des deutschen Verwaltungsmodells
Mit „Verwaltungsmodeir' wird hier auf ein normatives Ideal verwiesen, dass in der Praxis nur in eingeschrankter Form anzutreffen ist, aber als Normalitatsannahme fiir den Umgang mit der Verwaltung pragende Wirkung besitzt. Die praktischen Abweichungen vom Idealtypus werden verfassungsrechtlich mit einem Ausnahme-Regel-Schema legitimiert, welches Ausnahmen den Status von Grenzfallen zuweist, die die Geltungskraft der Regel nicht in Frage stellen. Diese Regel, d.h. der Standardtyp der bundesdeutschen Verwaltung, konstituiert sich durch drei miteinander verwobene Merkmale, in deren Kern jeweils die Vorstellung von der „Fremdbestimmtheit" (Dreier 1991: 114) alien Verwaltungshandelns steht. Verwaltung kann demnach nie selbst Recht oder gesetzesaquivalente Normen schaffen, sondem selbige immer nur vollziehen. An erster Stelle ist das normative Konzept der „legislativen Programmsteuerung" zu nennen, das „auf einer strengen Unterscheidung zwischen Politik als Willensbildung und Verwaltung als Willensausfiihrung" (Grauhan 1969: 270) beruht. Der Geltungsanspruch dieses stark von der Gewaltenteilungsidee her gedachten Uber- und Unterordnungsschemas ist nach wie vor ungebrochen, wenngleich die Teilhabe der (Ministerial)Verwaltung an politischen Entschei-
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dungsprozessen heute nicht mehr als Verletzung des Demokratieprinzips gedeutet wird wie noch in den 1960er Jahren. Der im Konzept der legislativen Programmsteuerung eingeschlossene „Vorbehalt des Gesetzes" ist zwar primar an den Gesetzgeber gerichtet, dem eine „Selbstentscheidungspflicht" (Nierhaus 1997: 720) fiir die wesentlichen Inhalte auferlegt wird, besitzt dadurch aber auch flir die Verwaltung erhebliche Konsequenzen, da deren eigene Entscheidungsspielraume tunlichst gering zu halten sind. Obwohl dieser „delegationsfeindliclie" (Nierhaus 1997: 723) normative Anspruch in der Praxis keineswegs immer eingelost wird, ist er als zentrales Element der Rollenzuweisung an eine gesetzlich domestizierte Verwaltung von erheblicher Bedeutung. Ein zweites Merkmal ist auf der Handlungsebene angesiedelt und betrifft den Status der Verwaltung im Verhaltnis zur Politik. Unabhangig davon, wie bedeutsam, wie politiknah oder wie politisierungsanfallig sich eine Verwaltungsaufgabe darstellt, der damit betrauten Behorde wird kein politischer Akteurstatus zuerkannt. Das erscheint deshalb auch iiberflussig, weil sich die Verwaltung auf die verfalschungsfreie Durchsetzung des Gesetzgeberwillens beschranken soil. Ein „open-ended mandate", wie es der Vollzugsverwaltung in GroBbritannien Oder den USA zugebilligt wird, ist hierzulande nicht vorgesehen. Verwaltungsaufgaben werden gesetzlich abschlieBend aufgezahlt, so dass eine eigenstandige Rechtsentwicklung durch die administrative Vollzugspraxis kaum moglich ist (vgl. dazu Coen 2005). Sie erfolgt bestenfalls durch die Rechtsprechung der Gerichte. Auch dass eine Behorde aus eigenem Antrieb den Versuch untemimmt, politische Unterstiitzung bei Parteien, im Bundestag oder in den Medien zu mobilisieren, wird ungern gesehen, da dies als Aufgabe der vorgesetzten Ressorts gilt, und findet, wenn iiberhaupt, nur in einer geduldeten Grauzone statt. Noch weniger zulassig ist die offentliche Kritik am vorgesetzten Ministerium."^ Wenn Mitarbeiter oder Leiter nachgeordneter Behorden offentliche Stellungnahmen abgeben, etwa bei Anhorungen des Bundestages, wird das mehr als Sachverstandigen-AuBerung begriffen, denn als Beitrag zur politischen Willensbildung. Zu diesem reduzierten Akteurstatus gehort auch die Erwartung, dass die Vollzugsverwaltung die ihr „gestellten Aufgaben moglichst ohne eigene Interpretationen zu erledigen" (Ellwein 1994a: 477) habe. Drittens schlieBlich ist das deutsche Verwaltungsmodell auf der institutionellen Ebene von der Dominanz des Hierarchieprinzips gepragt, das mittlerweile aber seinen beinahe militarischen, von „Weisungsbefugnissen" und „Befehlsketten" getragenen Charakter verloren hat und mehr als formale Kompetenzordnung behandelt wird, die den Verwaltungsalltag nicht mehr beherrscht, sondem nur ^ Erhellend in diesem Zusammenhang ist die Aussage einer Mitarbeiterin der „Sabine Christiansen"Produktionsfirma, „man habe die Erfahrung gemacht, dass die Ministerien nicht mit nachgeordneten Behorden gemeinsam in einer Talkshow auftreten" (Tagesspiegel vom 20.9.2004).
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noch als „rule of last resort" zum Einsatz gelangt. Das andert freilich nichts daran, dass die Uber- und Unterordnung von Behorden ein insbesondere fur die Verwaltungssteuerung nach wie vor wichtiges Organisationsprinzip darstellt, dem beinahe Verfassungsrang zugemessen wird. Die Ministerverantwortlichkeit (Art. 65 GG) ist streng genommen zwar kein Bestandteil des deutschen Verwaltungsmodells, liefert aber die zentrale Begrlindung fiir die Notwendigkeit eines liickenlosen hierarchischen Verwaltungsaufbaus. Denn nach herrschender Meinung kann die Verantwortung des Ministers nur dann geltend gemacht werden, wenn sie mit einem hierarchischen Durchgriff auf alle Vorgange und Verwaltungseinheiten in dessen Zustandigkeitsbereich verkniipft ist (vgl. Mehde 2001: 15). Daraus entsteht eine eindeutige Vorrangstellung der Ministerialverwaltung gegenliber alien nachgeordneten Behorden, was auch im interorganisatorischen Kontakt seinen Niederschlag findet. Die etwa im danischen Fall zeitweilig diskutierte Frage, ob Zentralbehorden und Ministerien nicht auf gleicher Augenhohe anzusiedeln und Behordenleitem daher eine Art Immediatzutritt zum Minister zuzugestehen sei (vgl. Hustedt in diesem Band), darf hierzulande als ausgeschlossen gelten."^ Fasst man die wesentlichen Charakteristika des bundesdeutschen Verwaltungsmodells zusammen, dann sind primar drei Abweichungen vom AgencyKonzept hervorhebenswert, die sich jeweils als Facette von politischer Unabhangigkeit verstehen lassen. Erstens diirfen Bundesbehorden dem herrschenden Verstandnis zufolge keine eigenstandige Rolle als Akteur im politischen Prozess wahrnehmen. Zweitens verfUgen Bundesbehorden nur iiber begrenzte und zudem ministeriell kontrollierte Handlungsspielraume. Drittens schlieBlich bildet die indirekte Steuerung die Ausnahme. Eindeutig dominant ist nach wie vor die direkte, hierarchische Steuerung. Wenn man nun die politische Unabhangigkeit als wesentliches Kriterium fiir die Ubemahme des Agency-Konzeptes einsetzt, und das soil nachfolgend geschehen, ergibt sich daraus ein zweifaches Problem. Zum einen ist politische Unabhangigkeit als Merkmal einer Behorde sehr vage und daher konkretisierungsbediirftig. Mit dieser definitorischen Unscharfe zusammenhangend wird man zum anderen auf das Phanomen stoBen, dass sowohl Politiker wie auch die steuerungsbefugte Ministerialverwaltung Behorden haufig als unabhangig bezeichnen, selbst wenn sie einer hierarchischen Steuerung - in der Praktikersprache als „Fachaufsicht" bezeichnet - unterliegen. Beides lasst sich durch eine begriffliche Differenzierung handhabbar machen bzw. erklaren, bei der zwischen zwei Autonomietypen unterschieden wird (vgl. dazu Verhoest ^ M.W. gab es uberhaupt nur eine Behorde in Deutschland, namlich das Bundeskartellamt in den ersten Jahren seines Bestehens, bei der sich der Minister (Erhard) regelmaBig direkt mit dem Behordenleiter zur Beratung traf (vgl. Dohler 2004: 278). Meist ist der zustandige Abteilungsleiter „Endstation" fiir den direkten Kontakt mit dem Ministerium.
Marian Dohler et al. 2005: 109). Und zwar einer „managerial autonomy", die die eigenstandige Gestaltung intemer Personal-, Haushalts- und Verfahrensfragen einschlieBt. Dieser Autonomietypus entspricht in etwa dem, was hierzulande als „Geschaftsleitungsgewalt" bezeichnet wird und in der vorherrschenden Wahmehmung bereits einen hohen Grad an Unabhangigkeit darstellt. Deutlich weiter geht demgegeniiber die „policy autonomy", die die nach auBen, an die Adressaten gerichteten Inhalte administrativer Entscheidungen umfasst. Das schlieBt weitreichende Ermessensspielraume ein, die bis bin zur eigenstandigen Regelbildung reichen konnen. Vollkommen aquivalente Definitionen fUr diese beiden Autonomietypen existieren in der Politik- und Verwaltungspraxis nicht. Nimmt man die gangige Unterscheidung zwischen Rechts- und Fachaufsicht als Bezugspunkt, dann kame das Konzept der „ministerialfreien Raume" (vgl. Dohler 2004: 99 ff.) dem der policy autonomy am nachsten. Als ministerialfrei wird eine Verwaltung dann bezeichnet, wenn sie keiner Fachaufsicht durch das vorgesetzte Ministerium unterliegt, was insbesondere zur Folge hat, dass keine Einzelweisungen erfolgen, die die fachlichen Entscheidungen einer Behorde betreffen. Eine als „policy autonomy" ausgestaltete Unabhangigkeit ist im deutschen Verwaltungsmodell nicht vorgesehen und nur in den Grenzen einer besonders begrtindeten und legitimierten Ausnahme zulassig. Diese Problematik diirfte umso schwerer wiegen, desto relevanter die Verwaltungsaufgabe und desto weiter deren Regelungsumfang ausfallen, d.h. die politischen Ausstrahlungseffekte zunehmen. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt von ministerialfreien Raumen, die als verfassungsrechtlich unbedenklich gelten, bislang bei politikfernen Sachmaterien, die entweder einer besonderen Expertise bediirfen, der Beurteilung ethischer Probleme dienen oder Priifungs- und Auswahlentscheidungen betreffen. Die Frage, in welchem Umfang politische Unabhangigkeit zulassig bzw. moglich ist, kann sich allerdings nicht allein auf der Modellebene klaren lassen, sondem erfordert auch einen Blick auf die unterhalb dieser Ebene angesiedelten Normen.
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Anything goes: Typen der Verwaltungsorganisation auf der Bundesebene
Einschlagig ist hier vor allem das Verwaltungsorganisationsrecht, das zu den dogmatisch eher schmalbrlistigen Bereichen des offentlichen Rechts gehort, was sich im Wesentlichen aus seiner Zurechnung zum „Innenrecht" der Verwaltung erklart (vgl. Krebs 1988: 583), in dem die parlamentarische wie auch die gerichtliche Kontrolle ausgeschlossen sind. Bei der Anwendung und juristischen Geltung der sog. Rechtsformenlehre, die die Verwaltung nach Rechtstragern, Orga-
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nisationsmerkmalen und Kompetenzen zu typologisieren versucht, wirken zwei Grundsatze. Zum einen die Organisationsgewalt, die der Regierung bzw. einzelnen Ressortministem das Recht zur eigenstandigen Gestaltung der Verwaltung zuweist. Das Grundgesetz beinhaltet dazu kaum positivrechtliche Vorgaben zur Verwaltungsorganisation (vgl. Krebs 1988: 600 ff.), sondem konzentriert sich auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Landem. Wie eine Bundesbehorde aufgebaut, kontrolliert, gesteuert oder rechtlich verfasst sein soil, liegt weitgehend im Ermessen der Bundesregierung. Seinen Ausdruck findet das zum anderen im weniger bekannten Grundsatz der „Formenwahlfreiheit" (vgl. dazu Bull 2001: 550 ff.), der sich auf die Rechtsform fur verschiedene Verwaltungsaufgaben bezieht. Dass dieses Thema uberhaupt zum Gegenstand einer Debatte wurde, verdankte sich hauptsachlich der Privatisierung von Staatsaufgaben seit den 1980er Jahren, wodurch die Problematik des Steuerungsverlustes bei der Nutzung privater Rechts- und Orgnisationsformen aufgeworfen wurde (vgl. ebd.; Loeser 1994: 90 ff.; Pabst/ Schwartmann 1998). Ansonsten findet die Errichtung und organisatorische Ausgestaltung der nichtministeriellen Bundesverwaltung im Windschatten der offentlichen Aufmerksamkeit statt. Die Entscheidung liber die Errichtung einer Bundesbehorde konzentrierte sich bisher regelmaBig auf die Rechtsform, ohne dass dabei die Frage nach einem moglichen Agentur-Status eine Rolle gespielt hatte. Die zur Verfiigung stehenden Rechtsformen (vgl. Tabelle 1) weisen aber dennoch gewisse, wenn auch implizite Verbindungen zur Agency-Debatte auf. Die vier Grundtypen reprasentieren zunachst variierende Grade an „Staatlichkeit" (vgl. dazu grundlegend: Dittmann 1983; Loeser 1994). Fiir den vorliegenden Zusammenhang bedeutsam sind vor allem die Art der Steuerung, die Geltung des Personal- und Haushaltsrechts des Bundes sowie die mehr oder minder zulassige „Teilhabe auBerstaatlicher Krafte" (Dittmann 1983: 90) an der Verwaltung. Im Grundgesetz erwahnt sind nur die beiden offentlichrechtlichen Formen der (a) unmittelbaren und der (b) mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 86 GG ff.). Der zentrale Unterschied ist zum einen darin zu sehen, dass die unmittelbare Bundesverwaltung keine eigene Rechtstragerschaft besitzt, wie dies fur die Korperschaften, Anstalten und Stiftungen der mittelbaren Bundesverwaltung gilt, und zum anderen - was hier von deutlich groBerer Bedeutung ist - in der Art ihrer Steuerung. Wahrend letztere nur der Rechtsaufsicht unterliegen sollen, die allein der RechtmaBigkeit des Verwaltungshandelns gilt, sind unmittelbare Bundesbehorden, die vor allem in Gestalt von Bundesoberbehorden und Beauftragten in Erscheinung treten, sowohl der Rechts- wie auch der Fachaufsicht unterworfen (vgl. Krebs 1988: 593; Loeser 1994: 129; Mayen 2004: 46). Im juristischen Sprachgebrauch unterscheidet sich die Each- von der Rechtsaufsicht dadurch, dass sie auch die „ZweckmaBigkeit" einschlieBt. Dieses
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nebulose Kriterium besagt, dass die Aufsicht insofem „totar' (Becker 1989: 877) ist, als sie jegliche Aktivitat der nachgeordneten Behorde kontrollieren und revidieren kann, ohne dass dagegen irgendein Rechtsmittel moglich ist. Das ist das Wesen des Innenrechts. Die divergierende Steuerungsintensitat wird nicht zuletzt mit der „Distanz zum Muttergemeinwesen" (Dittmann 1983: 90) begriindet. Bei der mittelbaren Bundesverwaltung wird „eine gewisse Relativierung der Staatlichkeit" (Dittmann 1983: 91) gesehen, die auch eine hierarchisch ausgedlinnte Steuerung rechtfertige. Ahnliches gilt fiir das Personal- und Haushaltsrecht, das nur bei Behorden der unmittelbaren Bundesverwaltung zwingend Anwendung findet. Die Geltung der Bundeshaushaltsordnung kann bspw. fiir Juristische Personen des offentlichen Rechts" (§ 105 Abs. 2 BHO) per Gesetz eingeschrankt Oder aufgehoben werden. Die Integration gesellschaftlicher Akteure schlieBlich ist bei der unmittelbaren Bundesverwaltung ausgeschlossen, bei der korperschaftlich verfassten Selbstverwaltung der Sozialversicherung hingegen konstitutiv. Diese graduelle Abnahme hierarchisch-biirokratischer Regelbindung setzt sich bei den beiden privatrechtlichen Typen der Bundesverwaltung fort. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der Bund im Fall der sog. Bundesprivatverwaltung (c) Eigentiimer bzw. Mehrheitseigner privatrechtlicher Gesellschaftsformen wie Aktiengesellschaften, GmbHs oder eingetragener Vereine ist. Die Bundesverrichtungsverwaltung (d) hingegen ist nur vertraglich mit offentlichen Aufgaben betraut oder „beliehen" und verbleibt dabei in privatrechtlicher Form. Ihre Kontrolle und Steuerung erfolgt iiber die Stimmrechte des EigentUmers bzw. vertragliche Vereinbarungen. Die Anwendung des offentlichen Personal- und Haushaltsrechts kann nach Belieben erfolgen, ist aber uniiblich, da sich der Einsatz dieser Rechtsformen ja haufig genau dagegen richtet.
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Zu den wenigen Orientierungsmarken, die bei der Errichtung einer neuen Bundesbehorde ins Gewicht fallen, gehort jene verfassungsrechtliche Gleitformel, die besagt, dass mit Zunahme legitimatorischer Anforderungen an eine Aufgabe auch die Staatlichkeit der Verwaltung hoher zu gewichten ist. Das kommt etwa darin zum Ausdruck, dass hoheitliche Aufgaben nur durch unmittelbare Bundesverwaltung wahrgenommen werden sollen (vgl. Stem 1980: 817; Loeser 1994: 42). Dass das Kriterium der Hoheitlichkeit allerdings keine zuverlassigen Anhaltspunkte fiir die Nutzung einer spezifischen Rechtsform beinhaltet, macht die FiJlle solchermaBen deklarierter Aufgaben deutlich, die an offentlich-rechtliche Korperschaften oder an Private delegiert werden, z.B. die Qualitatssicherung diverser Berufe durch Kammem, die Sicherheitsuberwachung kerntechnischer Anlagen durch den TUV (ein „beliehener" Verein) oder die Privatisierung der Flugsicherheit (vgl. Pabst/ Schwartmann 1998). Allenfalls der „Grundsatz der Impermeabilitat" (Dittmann 1983: 88 ff.) wirkt insofern strikt, als er verbietet, die im Grundgesetz aufgeflihrte obligatorische Bundesverwaltung in der Form der mittelbaren Verwaltung, also durch Korperschaften und Anstalten durchzufiihren. Im Unterschied dazu gilt fiir die sog. „fakultative" Bundesverwaltung, die dem Bund „erwachsen" kann, wenn „neue Aufgaben" (Art. 87 Abs. 3 GG) entstehen, eine weitgehende Formenwahlfreiheit. Was nun aus der verfassungsrechtlichen Perspektive wie ein geordneter, an Rechtstypen orientierter Auswahlprozess bei der Errichtung neuer Behorden erscheinen konnte, verlauft in der Praxis sehr viel hemdsarmeliger und folgt mehr dem jeweiligen politischen Handlungsbedarf als der Rechtssystematik. Das verfassungsrechtliche Verwerfungsrisiko ist gering, denn selbst wenn Rechtsformen oder Organisationsmerkmale in problematischer Mischung auftauchen, wird dazu kurz und biindig festgestellt: „Eine fehlerhafte Organisationsformenwahl zeitigt nach heutiger Dogmatik regelmaBig keine Rechtsfolgen" (Schneider 1997: 111, FN 44; vgl. auch Loeser 1994: 103). Entgegen der verbreiteten Auffassung, dass die bundesdeutsche Verwaltung eine iiberdurchschnittlich hohe Veranderungsresistenz aufweist, ist im Hinblick auf Rechts- und Organisationsformen also ein betrachtliches MaB an Flexibilitat festzustellen. Es ist ohne weiteres moglich, innerhalb des bestehenden organisationsrechtlichen Rahmens neue - wenn man so will - hybride Verwaltungstypen zu schaffen, die eine Reihe Agency-typischer Merkmale aufweisen. Die Diffusion dieses Modells muss sich also nicht als Strukturbruch durchsetzen, sondem kann „organisch" und ohne viel politisches Aufsehen stattfinden.
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Handlungskalkiile im Umgang mit Verwaltungsorganisationsformen
Die Ausfullung dieses Handlungsspielraumes lieBe sich analog zur „Institutional Choice"-Literatur analysieren, in der jedes Detail der Funktionszuweisung, des Organisationsaufbaus, der Ressourcenausstattung, der administrativen Entscheidungsverfahren und Handlungsspielraume einer Behorde als Ausfluss konkurrierender politischer Interessen erscheint (naheres dazu in Dohler 2005). Das Bild eines wogenden politischen Schlachtfeldes, in dem die Akteure Schachspielern gleich jeden Zug des Gegners zu antizipieren und zu parieren versuchen, bedarf im deutschen Fall jedoch der Modifikation. Charakteristisch ist zunachst das Fehlen einer einheitlichen und sinnstiftenden Statuszuschreibung. Weder im Hinblick auf Rechtsformen, Aufgaben oder Organisationsmerkmale wird die nichtministerielle Bundesverwaltung explizit als Typus oder Einheit betrachtet. Wenn einmal summarisch von „Bundesbehorden" die Rede ist, dann primar in der um Systematisierung bemiihten rechtswissenschaftlichen Literatur und weniger im politischen Alltag. Als durchaus typisch kann deren Wahmehmung als „amorphe Masse" (Becker 1978: 150) gesehen werden, die aufgrund ihres fehlenden Objekt- bzw. Akteurcharakters auch keinen iiber Einzelfalle hinausgehenden Steuerungsgegenstand der Politik bildet. Fur Politik und Ministerialverwaltung bildet insbesondere das Ressortprinzip einen wichtigen Referenzpunkt fiir den Umgang mit der nachgeordneten Verwaltung. Charakteristisch ist eine sektorale Abschottung, die „spill overs" von einem Politikfeld in ein anderes verhindert. So werden Wandlungsprozesse im nachgeordneten Bereich etwa des Finanzministeriums weder im Umweltnoch im Verkehrsministerium registriert, geschweige denn als nachahmenswerte Blaupause empfunden. Verstarkt wird dieser Versaulungseffekt durch das Fehlen eines institutionellen Griindungszeitpunktes, wie man ihn z.B. in GroBbritannien und ansatzweise in Frankreich identifizieren kann. In beiden Fallen werden die „executive agencies" bzw. die „autorites administratives independentes" (vgl. Decoopman 2002) aufgrund ihres gemeinsamen Entstehungshintergrundes als spezifischer Typus der Verwaltungsorganisation wahrgenommen. Fehlt ein solcher Zeitpunkt, bedarf es einer anderen Rollenzuweisung nationaler Vollzugsbehorden, wie in den USA, um sektor- bzw. ressortspezifische Idiosynkrasien gegen alternative Modellelemente zu iiberwinden. Umgekehrt konnte man natiirlich auch argumentieren, dass gerade der „amorphe" Status der deutschen Bundesbehorden eine schleichende Agentur-Bildung begunstigt, da kein institutionelles Bollwerk durchbrochen werden muss. Allerdings setzt die Wirkung der „splendid isolation", auf der die administrative Organisation der verschiedenen Politiksektoren bislang fuBte, bereits im Stadium der Problemwahrnehmung ein, so dass sektorale Widerstande gar nicht erst aktiviert werden miissen. Die dabei freige-
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setzten Beharrungskrafte sorgen dafur, dass Entwicklungen aus benachbarten Politikfeldem kaum rezipiert werden und daher auch nicht im Sinne einer Modelldiffusion wirken (Hinweise darauf bei Sturm et al. 2002: 47 f.; Dohler 2004: 214 m.w.L.). Selbst die im Kontext regulativer Aufgaben, also einem ahnlichen Zusammenhang entstandenen Behorden gelten zu Recht als „set up and designed on an ad hoc basis" (OECD 2003: 39). Sektorlibergreifende Lernprozesse finden in der Regel nicht statt. Auch die seit 2001 jahrlich stattfindende Behordenleitertagung des Bundes dient mehr der Darstellung der Modemisierungsvorhaben der Bundesregierung, als dass sie sich zu einem Forum administrativer Identitatsbildung entwickelt hatte. Insgesamt ist festzuhalten, dass die nachgeordnete Verwaltung im Handlungskalkiil von Politikem und Ministerialverwaltung kaum als eigenstandiger Faktor in Erscheinung tritt,^ sondem - und diese These gilt es im Folgenden weiter zu erharten - mehr als institutionelle RestgroBe bei der Bewaltigung sektoraler bzw. ressortspezifischer Probleme. Als Konsequenz aus der institutionellen und politischen Konturarmut der Bundes verwaltung hat sich eine stark exekutivzentrierte Umgangsform herausgebildet, in der nicht nur die zustandigen Ressorts dominieren, sondem auch kaum eine Politisierung vorhanden ist (vgl. Ellwein 1994: 115; Fehling 2001: 141 ff.; Dohler 2004: 118 ff.). Dafiir lassen sich zwei Griinde anfuhren. Zum einen die Disjunktion zwischen politischem Prozess und Gesetzesvollzug. Behorden werden nie als isolierte Funktionseinheiten, sondern stets als Bestandteil einer staatlichen Aufgabe gedacht, iiber deren inhaltliche Ausgestaltung zwar durchaus Kontroversen stattfinden, die aber nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens als abschlieBend geklart zu betrachten sind. Soweit Gesetzesnovellen notwendig werden, finden sie innerhalb der legislativen Arena statt, in der die Vollzugsverwaltung als politischer Akteur keinen Platz besitzt. Die Verwaltung ist Adressat politischen Handelns und kein Teilnehmer am politischen Prozess. Zum anderen ist deren Legitimitat nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens gesichert. Eine permanente, auch politische Infragestellung des administrativen Mandats, wie sie in den USA zu beobachten ist (vgl. Masing 2003: 587), kann hierzulande - abgesehen von der allgemeinen Biirokratiekritik - als Ausnahme gelten. Behordengriindungen oder deren Reorganisation stehen damit auch weniger deutlich erkennbar im Zusammenhang mit politischen Entwicklungsschiiben, wie dies bei den britischen „executive agencies" oder den amerikanischen Regulierungsbehorden wahrend des New Deals oder der „rights revolution" in den 1960er Jahren der Fall war. Eine zweite Konsequenz besteht darin, ^ Womit sich das deutsche Verwaltungsmodell nahtlos in die kontinentaleuropaische Tradition einreiht, in der die Verwaltung - anders etwa in den USA - immer als integraler Bestandteil der Exekutive begriffen wird (vgl. dazu Rutgers 2000: 297 f.).
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dass der Errichtung, dem Umbau oder dem Funktionszuschnitt von Bundesbehorden trotz der Dominanz der vorgesetzten Ministerien eine auBerordentlich heterogene Motivstmktur zugmnde liegt, die die „Anything goes*'-Hypothese des vorangegangenen Abschnitts stiitzt. Dies lasst sich anhand folgender Beispiele illustrieren. Den sicher spektakularsten Fall eines dramatischen Funktions- und gleichzeitig Politisierungszuwachs bildet die Treuhandanstalt (THA), die - noch unter der letzten DDR-Regierung gegrlindet - durch den Einigungsvertrag von 1990 als Anstalt offentlichen Rechts in die Bundesverwaltung iiberfiihrt und zu einem zentralen Bestandteil jenes MaBnahmebiindels wurde, mit dessen Hilfe die politisch-okonomischen Probleme der Wiedervereinigung gelost werden sollten. Der THA fiel mit der Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe die heikelste und mit den groBten Konflikten behaftete Aufgabe zu. Ihr Image als quasiautonomes, von einem Vorstand geleitetes und damit in die Nahe privater Aktiengesellschaften geriicktes Untemehmen lieBen die THA als eigenstandigen Akteur erscheinen, der fiir die Bundesregierung wie ein „Problemzerstauber" (Czada 1995) oder „Schock-Absorber" (Busch 2004) wirken konnte. Ob diese Rollenzuweisung von Anfang geplant war, erscheint zweifelhaft. Allerdings erkannte die damalige Regierung sehr rasch, dass sich die okonomischen Grausamkeiten wie BetriebsschlieBungen, -verkaufe und Arbeitsplatzabbau zumindest teilweise politikentlastend der THA zurechnen lieBen. Eine ahnliche Stindenbock-Funktion hatte wenige Jahre spater das Bundesgesundheitsamt (BGA) zu tragen, eine selbstandige Bundesoberbehorde, die als Dach fiir zuletzt sechs Institute im Bereich des offentlichen Gesundheitswesens fungierte. Darunter befand sich das fiir die Arzneimittelkontrolle zustandige Institut, das zu Beginn der 1990er Jahre nur mit zeitlicher Verzogerung auf Verdachtsfalle reagiert hatte, dass HIV-infiziertes Blutplasma zur Medikamentenherstellung verwendet worden war. Die daraus entstehende „HIV-Krise" setzte den verantwortlichen Minister Seehofer politisch so unter Druck, dass dieser 1993/94 zu einem symboltrachtigen Befreiungsschlag ausholte, der in der Auflosung des BGA in einzelne Bundesinstitute bestand (vgl. Dohler 2004: 159 ff.). In beiden Fallen ging es jeweils um Reaktionen auf singulare Ereignisse, die nicht von langerfristigen Entwicklungstrends angetrieben wurden und daher auch keine Beriihrungspunkte zum Agency-Konzept besitzen. Die beiden folgenden Beispiele sind wiederum spezifisch sektoralen Entwicklungen zuzuordnen, zeigen aber auch, dass das Merkmal administrativer Unabhangigkeit eine zunehmende Rolle spielt. Beispielhaft daflir ist der Umbruch der Finanzmarktregulierung, der in Deutschland Ende der 1980er Jahre einsetzte (vgl. dazu ausfuhrlich LUtz 2003). Insbesondere der Wertpapierhandel geriet durch Anforderungen der intemationalen Kapitalmarkte unter Druck, so
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dass das zuvor weitgehend auf der Selbstregulierung eines korporativen Verbande- bzw. Akteurskartells beruhende deutsche Modell von einem amerikanischen Regulierungsmodell verdrangt wurde, welches auf der strikten staatlichen Uberwachung von Transparenz- und Insidervorschriften beruht. Das Resultat dieser extemen Anpassungszwange, denen die um Marktanteile ftirchtenden deutschen GroBbanken lobbyistisch Nachdruck verliehen, war 1994 die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes flir den Wertpapierhandel (BAW), einer sektoralen Aufsichtsbehorde, die 2002 mit den schon zuvor bestehenden Bundesaufsichtsamtem flir das Versicherungs- bzw. Kreditwesen zur BaFin verschmolzen wurde (vgl. Liitz 2003: 154 f.). Hatte das BAW noch die Rechtsform einer typischen Bundesoberbehorde, wurde die BaFin als Anstalt des offentlichen Rechts errichtet, um auBerhalb der engen Grenzen des Dienstrechts bzw. des BAT Personal rekrutieren zu konnen, was zunachst auf groBere Managerial-Autonomie hindeutet (naheres zur BaFin in Abschnitt 5). Die administrative Neuordnung der Lebensmitteliiberwachung im Jahr 2002 war zwar ahnlich krisenverursacht wie die beiden ersten Beispiele, namlich als Ausfluss der BSE-Krise (vgl. Janning 2004: 422 ff.). Doch hier vermischten sich Internationale Entwicklungstrends mit bundesdeutschen Eigenheiten zu einer optionenkanalisierenden Vorgeschichte, die in einer bemerkenswerten, weil in dieser Form einzigartigen dualen Behordenstruktur miindete (vgl. dazu Boschen et al. 2002; Behringer 2004). Wahrend das Bundesinstitut flir Risikobewertung (BfR) als wissenschaftliche Beratungsinstanz flir das vorgesetzte Ministerium fungiert, ist das Bundesamt flir Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) flir die Koordination^ von RisikoabwehrmaBnahmen zustandig. Diese institutionelle Losung ist auf die Rezeption der intemationalen Debatte liber Risikoregulierung zurlickzuflihren, in der sich die prozedurale Trennung zwischen Risikobewertung und Risikomanagement durchgesetzt hat (vgl. Behringer 2004: 36 ff.), um auf diese Weise „Orientierungswissen von neutraler Stelle" (Henning 2005: 15) gegen protektionistisch motivierte Zugriffe der Politik abschirmen zu konnen. Der mit einem Reorganisationsgutachten beauftragte Bundesrechnungshof folgte dieser Uberlegung und empfahl eine politisch unabhangige Beratungseinrichtung, nicht zuletzt auch, um damit EU-kompatible Behordenstrukturen in der Lebensmittelsicherheit zu schaffen (vgl. Henning 2005: 13). Wahrend aber in der EU sowie in anderen EU-Staaten das Risikomanagement eine originar ministerielle Aufgabe darstellt, dlirfen Vollzugsaufgaben hierzulande nur im Ausnahmefall innerhalb eines Ministeriums angesiedelt werden (§ 4 Abs. 2 GGO). Eine Risikomanagement-Kompetenz flir das Verbraucherschutz^ „Koordination" bedeutet hier vor allem Abstimmung und Informationsaustausch mit den Bundeslandem, die fiir die Lebensmitteliiberwachung ebenso zustandig sind wie fiir etwaige MaBnahmen (Risikomanagement) gegeniiber Herstellem und Handel.
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ministerium ware aufgrund der Empfindlichkeiten der Lander kaum durchsetzbar gewesen. Um die Trennung zwischen Risikobewertung und -management ansatzweise zu retten, blieb also nur eine Aufteilung in zwei nachgeordnete Behorden, die zudem als symboltrachtiger „Schlussstrich" unter die BSE-Krise an Plausibilitat gewann (vgl. Behringer 2004: 84). Fur das BVL als selbstandiger Bundesoberbehorde gilt die uneingeschrankte Rechts- wie auch Fachaufsicht, ohne dass dies im Gesetz Erwahnung finden muss. Diese hierarchischen Durchgriffskompetenzen werden - potenziell jedenfalls - durch die Beteiligung der Lander an zwei beratenden Ausschiissen des BVL (§ 2 Abs. 3 BVL-Gesetz) gemindert. Beim BfR sind demgegeniiber zwei Ausnahmen vorgesehen. Bei der Unterrichtung der Offentlichkeit Uber „Risiken gesundheitlicher Art" (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 BfR-Gesetz) sowie „bei seinen wissenschaftlichen Bewertungen und Forschungen" (§ 2 Abs. 3 BfR-Gesetz) unterliegt das BfR ausdrlicklich nicht der Fach-, sondem nur der Rechtsaufsicht. Damit soil einerseits dem Argwohn vorgebeugt werden, der Bund konne sich zu kurzfristig motivierten Interventionen in die verwaltungsinterne Meinungsbildung hinreiBen lassen. Andererseits verbleibt das politisch heiklere Risikomanagement unter ministerieller Kontrolle. Das Muster selektiver Autonomiegewahrung kann als typisch fiir den politischen Umgang mit Bundesbehorden betrachtet werden. Aus diesen Beispielen lasst sich nicht nur die Vielschichtigkeit der Handlungsmotive ablesen, was hier vor allem als Argument gegen Agentur-Bildung als geplantem Prozess interpretiert wird, sondem es zeichnet sich auch die Tendenz zu einer Entmischung der ehedem relativ klaren Rechtstypologie ab. Lange Zeit gait die Annahme, dass die verschiedenen Rechtsformen „mit unterschiedlicher Steuerungsenergie" (Loeser 1994: 77) ausgestattet sind. Behorden der unmittelbaren Bundesverwaltung weisen durch die Fachaufsicht die engste Bindung an das vorgesetzte Ministerium auf, Korperschaften und Anstalten verfugen durch die Beschrankung auf die Rechtsaufsicht bereits iiber eine groBere Distanz, die sich bei den beiden privatrechtlichen Typen noch verstarkt. Mit dieser „Abstufung der Einflussrechte" (Dreier 1991: 244) korrespondierte ein spezifisches Muster der Aufgabenzuweisung. Besonders bedeutsame, nicht selten als hoheitlich gekennzeichnete Aufgaben waren in der Re gel der unmittelbaren Bundesverwaltung vorbehalten, wohingegen Korperschaften und Anstalten fiir „im offentlichen Interesse liegende, aber staatsfremde Aufgaben" (Dreier 1991: 241) reserviert sein sollten, die auf gesellschaftlicher Teilhabe oder wissenschaftlicher Expertise basieren und durch ein dichtes ministerielles Kontrollregime eher behindert waren. De facto verliert jedoch die Rechtsform zunehmend an Aussagekraft, da immer mehr Durchmischungen zu beobachten sind, wie etwa bei der Treuhandanstalt, die - obgleich eine Anstalt offentlichen Rechts - sowohl der Rechts- wie
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auch der Fachaufsicht des Bundesfinanzministers unterstellt wurde (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Einigungsvertrag). Die Begrlindung zum Errichtungsgesetz der BaFin illustriert das damit verbundene Motiv, den Nutzen rechtsformspezifischer Merkmale zu kombinieren. Wahrend der Anstaltsstatus darauf abzielt, die strikte Bindung an das Personal- und Haushaltsrecht des Bundes zu lockern (BT-Drs. 14/7033: 32), wird die - von den Vorgangerbeh5rden iibemommene - Rechtsund Fachaufsicht mit den „weitreichenden Folgen" begriindet, die die „hoheitlichen Aufgaben der Bundesanstalt, die auch auf politische Aspekte ausstrahlen konnen" (BT-Drs. 14/7033: 33), besitzen. Selbst in weniger relevanten Fallen ist das Bestreben erkennbar, personal- und haushaltsrechtliche Flexibilitat mit dem hierarchischen Zugriffsrecht zu kombinieren, so geschehen etwa bei der neugegrijndeten Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben, die ebenfalls einer Rechtsund Fachaufsicht unterliegt (§ 3 Abs. 1 BA-Immobilienaufgabengesetz). Wenn mitunter sogar privatrechtliche Organisationen einer - diesem Rechtskreis fremden - hierarchischen Aufsicht unterworfen werden,^ ist das vordergriindig Ausfluss der sog. „Ingerenzpflicht", die den „politischen Willen der Tragerkorperschaft sicherstellen" (Schmidt-ABmann 1997: 24) soil. Aus dieser hierzulande verbreiteten Problemsicht werden das Hierarchieprinzip und seine Geltung primar aus der Input-Perspektive betrachtet. Die Legitimation des Verwaltungshandelns leitet sich dabei vollstandig aus der legislativen Programmierung sowie dem ministeriellen Eingriffsrecht her, welches biirokratische Abweichungen verhindem soil. Kennzeichnend flir alle neueren Diskurse, angefangen vom NPM bis hin zum Regulierungsstaat, ist hingegen, dass der OutputLegitimation ein groBeres Gewicht beigemessen wird. Diese Uberlegungen zielen entweder auf eine Effizienzerhohung durch dezentrale Ergebnisverantwortung (vgl. Pollitt/ Bouckert 2000: 136 ff.), den Schutz besonderer administrativer Expertise vor politischer „Verschmutzung" oder auf mehr Glaubwiirdigkeit („credibility") in die Kontinuitat einmal beschlossener und an eine Behorde delegierter Aufgaben durch politischen Interventionsverzicht bzw. -schutz (vgl. Majone 1997; Gilardi 2002). Diese neue Philosophic steht in einem Spannungs-
^ Das gilt z.B. fur die privatrechtliche „Stiftung Elektro-Altgerate Register" (http://www.stiftungear.de), die gemaB § 6 Abs. 1 Elektro- und Elektronikgerategesetz (Elektro-G) von den Gerateherstellem zu errichten ist, urn die Rucknahme und Entsorgung von Elektro-Altgeraten zu organisieren. Sie untersteht der Rechts- und Fachaufsicht durch das Umweltbundesamt (§ 18 Elektro-G). Ein anderes Beispiel ist die ,3undesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH", die wesentliche Teile des Schuldenmanagements der ehemaligen Bundesschulden- nunmehr Bundeswertpapierverwaltung ubemommen hat (§ 5 Abs. 1 Bundeswertpapierverwaltungsgesetz - BWpVerwG) und ebenfalls der Rechts- und Fachaufsicht - in diesem Fall - des Bundesfmanzministeriums unterliegt (§ 5 Abs. 2 BWpVerwG). Vermutlich vollzieht sich die Fachaufsicht gegeniiber den Geschaftsfiihrem privatrechtlicher Organisationen nicht im ,4ch weise Sie an"-Stil. Aber die MogHchkeit dazu ist vorhanden.
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verbaltnis zum alten Verwaltungsmodell, da sie dessen Input-Legitimation entweder rundweg infrage stellt (vgl. Majone 1997: 161) oder zu seiner Entwertung beitragt, indem administrative Performanz und deren exteme Kontrolle als Legitimationsquelle iiber der legislativen Programmierung und der Ministerverantwortlichkeit angesiedelt werden bzw. in Konkurrenz dazu treten. Die weiter oben formulierte These, das Bundesbehorden konturarme Anhangsel der Ministerialverwaltung darstellen, lasst sich im Anschluss an die vorangegangenen Beispiele nun dahingehend prazisieren, dass die Schaffung neuer Bundesbehorden nicht nur von sektorspezifischen Problemlagen angesto6en und dominiert wird, und eine bewusste, von einem Ministerium gesteuerte ressortlibergreifende Modemisierungspolitik, wie etwa in Danemark (vgl. Hustedt in diesem Band), unwahrscheinlich ist, so dass die Entstehung von Agencies bzw. die organisatorisch-funktionale Annaherung an dieses Modell hierzulande bestenfalls als „guided accident" (Pollitt 2004: 329) stattfmdet.
4.1 Verwaltungssteuerung als gelostes Problem Agencies werden einerseits als institutionelle Technik der „Problemlosung" verstanden, mit deren Hilfe sowohl Effizienzgewinne wie auch fachlich kompetentere Entscheidungen ermoglicht werden. Andererseits riicken sie aber auch als „Problemverursacher" in den Fokus, da jede Kompetenzdelegation die Frage nach der Steuerung bzw. Kontrolle ausgelagerter Verwaltungseinheiten aufwirft. Hierzu gibt es mittlerweile eine kaum noch uberschaubare Literatur (vgl. McNollgast 1998; Epstein/ O'Halloran 1999; Huber/ Shipan 2002; Christensen/ L^greid 2004). Bemerkenswert an der deutschen Diskussion ist nun, dass weder die erste noch die zweite Problemdimension als regelungsbediirftiger Sachverhalt wahrgenommen werden. Das hat mehrere Ursachen. Von grundsatzlicher Bedeutung ist die noch immer fest verwurzelte Vorstellung, dass Politik und Verwaltung dadurch scharf voneinander abgrenzbar sind, dass letztere auf den Gesetzesvollzug beschrankt ist, der jenseits kollektiver Interessenkonflikte und allgemeinverbindlicher Entscheidungen stattfindet (vgl. Grauhan 1969: 270 f.; Ellwein 1994: 115; Fehling 2001: 141). Dadurch reduziert sich die Steuerungsproblematik auf eine rein rechtliche Dimension, und zwar mit einer wichtigen Konsequenz. Selbst wenn die vorgesetzten Ministerien fachliche Entscheidungen einer nachgeordneten Behorde auf Grundlage politischer Erwagungen korrigieren, wird dies in den Augen der handelnden Akteure noch nicht zu einem politischen Vorgang. Denn hier wird nur der Gesetzgeberwille, also die parlamentarische Programmierung der Verwaltung realisiert und kein eigenstandiger, gar richtungsandemder Steuerungsimpuls ausgesandt. Man mag dies eben-
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so als Fiktion betrachten, wie die Vorstellung von einer neutralen, daher unpolitischen administrativen Expertise. Aber das Festhalten an diesen Fiktionen kann in doppelter Hinsicht vorteilhaft sein. Zum einen konnen nicht nur konsens- oder regelungsfahige Probleme in den Vollzug abgeschoben werden. Zum anderen werden sie erst dort zu einem Problem, das - wenn iiberhaupt - nur mit zeitlicher Verzogerung in die politische Arena zurtickgespiilt wird. Einen wesentlichen Anteil an der Entdramatisierung etwaiger Steuerungsprobleme hat das eng gewobene Netz der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Der deutsche Fall steht hier sowohl im Gegensatz zu den USA, dessen konfrontatives System gerichtlicher Kontrolle wie eine Fortsetzung des politischen Konflikts mit juristischen Mitteln wirkt (vgl. Melnick 2004) und der skandinavischen Tradition verwaltungsinterner Beschwerdeausschiisse bzw. alternativer Formen der Konfliktlosung wie dem Ombudsman. Wahrend das amerikanische System zu einer Verwischung der Grenzen zwischen politisch-parlamentarischer und juristischer Entscheidungsfindung tendiert und daher in der Politik permanente Gegenreaktionen erzeugt, liberwiegt in Skandinavien die Tendenz zu einer konsensorientierten Konfliktregelung, die kaum Ruckkopplungseffekte in die politische Arena besitzt. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist hierzulande zwar nicht ganzlich vor einer Politisierung geschiitzt, besitzt aber fur die Politik anders als in den USA - eine Entlastungsfunktion, da man sich auf die disziplinierend wirkende Kontrolle auch gegeniiber einer Verwaltung verlassen kann, die durch legislative Programmierung nur unzureichend gebunden ist (vgl. Sturm et al. 2002: 45). Funktionsdefizite der Verwaltung ziehen nur ausnahmsweise, meist in gravierenden Fallen wie beim BGA oder der ex-Bundesanstalt fiir Arbeit, politische KorrekturmaBnahmen in Gestalt von Gesetzesnovellen nach sich. Da der politische Prozess mit Verabschiedung eines Gesetzes als beendet gilt, kann - abgesehen von der Ministerverantwortlichkeit - in der Vollzugsphase kaum eine politische Zustandigkeit entstehen. Die ideelle Transformation eines politischen Programms in den rechtlichen Vollzug tut ein Ubriges, um sich gedanklich von der Vorstellung femzuhalten, dass ein Kontrollverlust von Regierung oder Parlament gegeniiber der Verwaltung eintreten konnte, dem durch die Einfiihrung des Kontraktmanagements begegnet werden miisste, wie das in Skandinavien der Fall war (vgl. Christensen/ Laegreid 2004: 19 ff.; Hustedt in diesem Band). Auch wenn es wie ein unzeitgemaBes Klischee erscheinen mag, ist und bleibt das Hierarchieprinzip und seine verhaltenspragende Geltung eine zentrale Erklarung dafur, dass administrative Leistungs- oder Funktionsdefizite nicht auf fehlende oder falsche Steuerung zurtickgefiihrt werden, sondem auf behordeninteme Organisations- oder Frozessprobleme. Die hierarchische Uber- und Unterordnung, insbesondere zwischen Behorden, wird zwar selten offen kommuni-
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ziert. Aber als „stets prasente Ordnungsreserve" (Dreier 1991: 210) ist sie in einer auf Gesetzesbindung und Organisationsloyalitat fixierten Verwaltung so verinnerlicht, dass sie auf diesem Wege Wirkung erlangt. Wenn also, wie hier unterstellt, Verwaltungssteuerung als gelostes Problem behandelt werden kann, fiihrt das zu einer Entwertung jener Steuerungsgewinne, die sich iiber die Orientierung am Agency-Konzept erzielen lassen. SchlieBlich ist erwahnenswert, dass echte Neugrlindungen mit groBem Autonomisierungspotenzial, die sich zu politischen Steuerungsproblemen auswachsen konnten, mittlerweile selten geworden sind. In der Regel entstehen Behorden durch Umbenennung, Neuzuschnitt, Fusion oder Abspaltung aus bestehenden Verwaltungen. Diese „neuen" Behorden konnen sich nur schwer aus dem organisatorisch-personellen Erbe ihrer Vorlaufer sowie aus dem bereits existierenden Regelungsgeflecht herauslosen, um eine eigenstandige „sense of mission" zu entwickeln, die dann zu einer Autonomisierung mit entsprechenden Steuerungsproblemen fuhren kann, wie etwa beim Bundeskartellamt oder dem Umweltbundesamt (vgl. Dohler 2004: 271 ff.; 310 ff.). Bei Politik und Ministerialverwaltung miindet das in eine Erwartungshaltung, in der ein „agency activism", dem mit zusatzlichen Steuerungsbemiihungen zu begegnen ware, gar nicht vorkommt.
4.2 Externer Anpassungsdruck und seine politisch-administrative Rezeption Die Wahmehmung eines regelungsbediirftigen Problems in der Verwaltungssteuerung bzw. deren Fehlen bildet nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung fiir eine Agentur-Bildung. Ebenso zu bedenken sind externe Krafte, die jenseits funktionaler Defizite einen Anpassungsdruck auf nationale Verwaltungsstrukturen ausiiben, z.B. durch die Internationale Diffusion von Managementmodellen oder mehr oder minder ausgepragte Konsistenzzwange mit europaischen oder internationalen Regelungen. Drei Faktoren bediirfen in diesem Kontext besonderer Erwahnung. Erstens der Aufstieg des regulativen Staates, zweitens der externe Einfluss der EU, aber auch der WTO sowie der OECD und drittens schlieBlich der Wandel verwaltungspolitischer Leitbilder. (1) Der seit Mitte der 1990er Jahre diskutierte Aufstieg des Regulierungsstaates, in Deutschland auch als Gewahrleistungsstaat bezeichnet, beruht auf der Beobachtung, dass die primar von der EU angestoBene Privatisierung offentlicher Infrastrukturmonopole im Bereich von Telekommunikation, Energie und Bahn einerseits die „Demontage des Leistungsstaates" (Grande/ Eberlein 2000: 636) bewirkt, ohne dass auf der anderen Seite staatliche Leistungsverpflichtungen aufgegeben werden (vgl. dazu Majone 1997; Sturm et al. 2002; Jordana/ Levi-Faur 2004). Der Umbruch im Verbaltnis zwischen Staat und Markt bedeu-
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tet vielmehr, dass die direkte staatliche Leistungsproduktion in wachsendem Umfang durch eine Marktregulierung ersetzt wird, d.h. Regeln fiir die Herstellung von Wettbewerb, aber auch zum Schutz vor wachsenden Risiken im Umwelt-, Lebensmittel- oder Finanzdienstleistungssektor gegeniiber privaten Unternehmen durchgesetzt werden mlissen. Neu daran ist sowohl die Intensitat und Reichweite regulativer MaBnahmen wie auch deren institutionelle Ausgestaltung. Der mitunter als funktional notwendig beschriebene Ubergang „from centralized bureaucracy to the agency model" (Majone 1997: 152) wird mit zwei Argumenten begrlindet. Zum einen erfordern regulative Aufgaben die Unabhangigkeit von parlamentarischen Mehrheitsverschiebungen oder politischen Strategiewechseln, um auf diesem Wege ein „credible commitment" (vgl. Majone/ Everson 2001: 129; Gilardi 2002: 874 ff.) herzustellen, also ein glaubwurdiges Versprechen, den eingeschlagenen politischen Kurs beizubehalten. Zum anderen wird argumentiert, dass sich nur in dezentralen und spezialisierten Behorden die fur den Regulierungsprozess notwendige Expertise entfalten konne. Ob das tatsachlich in einen wirksamen Anpassungsdruck miindet, erscheint fiir den deutschen Fall zumindest teilweise fraglich, da die Unbestimmtheit von Autonomieanforderungen breite Spielraume fiir eine „creative compliance" einraumt. Ahnlich dlirfte es sich mit der These verhalten, dass Ministerien und Agencies konkurrierende Organisationsmodelle darstellen (vgl. etwa Ziller 2001: 113 f.; und besonders Schick 2002: 36), und analog zum Ubergang von der „unitarischen" zur „multidivisionalen" Unternehmensstruktur eine evolutionare Weiterentwicklung der Staatsorganisation in Richtung Agentur-Bildung zu erwarten sei. Diese Uberlegung trifft den deutschen Fall aus zwei Grlinden nur am Rande. Erstens ist die bundesdeutsche Staatsstruktur ohnehin als multidivisional charakterisierbar, was sowohl fiir die Arbeitsteilung zwischen Ministerien und nachgeordneter Verwaltung auf der Bundesebene wie auch fiir die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Landern gilt. Zweitens wird das Verhaltnis zwischen Ministerien und ihrem nachgeordneten Bereich im Verstandnis der handelnden Akteure als komplementar und nicht als konkurrierend betrachtet, da die klare Arbeitsteilung zwischen politikformulierender und vollziehender Verwaltung - auch eingedenk der hierarchischen Aufsichtsfunktion der Ministerien - kaum auf alternative Organisationsmodelle hindeutet. Regulative Politik besitzt aber nicht nur institutionelle, sondem auch funktionale bzw. prozedurale Konsequenzen. Charakteristisch ist hier der konfliktreiche und politische Charakter von Regulierungsentscheidungen (vgl. Grande/ Eberlein 2000: 647; Czada/ Llitz 2003: 14), da es entweder um Marktzutrittschancen oder eine Regeldurchsetzung jenseits der klassischen Gefahrenabwehr geht, die sich noch mit einem vergleichsweise schlichten Verbotsinstrumentarium bescheiden konnte. Zugespitzt formuliert sprengt Regulierung den Rah-
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men klassischer Verwaltungsaufgaben dadurch, dass sie eine aufwendige Marktgestaltung betreiben soil, die u.a. iiber Verfahren zur Preisermittlung und -steuerung tief in Unternehmensentscheidungen eindringt, dabei eine iiber Einzelfalle hinausreichende quasi-legislative Normsetzungsfunktion erlangt und gleichzeitig als Streitschlichter in eine quasi-judikative Rolle hinein wachst (vgl. Bullinger 2003: 1359 f.; Czada/ Lutz 2003: 14; Masing 2003: 568 ff.). Es ist sicher iiberzogen, solchermaBen mandatierten Behorden „eine verdeckte Generalvollmacht zur Sicherung des Gesetzesziele" (Bullinger 2003: 1358) zuzuschreiben. Aber selbst wenn man Regulierung in Einklang sieht mit den bestehenden Handlungsformen der Verwaltung und der verfassungsrechtlich festgelegten Gewaltenteilung, ist durchaus plausibel, dass regulative Aufgaben eine Grenzverschiebung zwischen politischer Regelsetzung und administrativem Regelvollzug bewirken konnen und die ungeplant entstehende „policy autonomy" von Regulierungsbehorden das klare Subordinationsverhaltnis zwischen Politik und Verwaltung fraglich werden lasst. (2) Vom Aufstieg des regulativen Staates kaum zu trennen ist die Rolle der EU und anderer intemationaler Organisationen als Triebfeder einer AgenturBildung. Hierbei konnen zwei Varianten unterschieden werden. Direkter Einfluss geht von den institutionellen Vorgaben aus, die in EU-Richtlinien zur sektoralen Liberalisierung beinhaltet sind. Hier ist zu beobachten, dass die EU sich nicht langer mit der Trennung zwischen Netzeigentum und Regulierung zufrieden gibt, sondern mittlerweile die Einrichtung nationaler Regulierungsbehorden verlangt, wie zuletzt im Energiesektor (vgl. BMW A 2003: 2 ff.). Unscharf bleiben dabei allerdings die Anforderungen an die organisatorische Ausgestaltung, insbesondere Vorkehrungen zur Autonomiesicherung. Die in EU-Dokumenten gern bemlihte „Arm's length*'-Methapher lasst allerlei Interpretationsspielraume offen (vgl. Bysikiewicz 2003: 35 ff.; Gerardin/ Petit 2004: 22 ff.). Die zweite Einflussvariante ist indirekter Natur und vollzieht sich iiber eine Reihe expandierender europaischer bzw. intemationaler j^-egulatory communities" (Eberlein/ Grande 2005: 101), die sich entweder um einzelne Politikfelder herum entwickeln oder aber im Kontext intemationaler Organisationen wie der OECD oder der WTO (vgl. dazu Mattoo/ Sauve 2003; Stone 2004) entstanden sind. Hier fmdet ein regelrechtes Benchmarking statt, das nicht nur eine vergleichende Bewertungen nationaler Erfahrungen mit regulativen Instrumenten und Institutionen, sondem auch eine best practice-Diffusion von Regulierungsstandards beinhaltet, die den Status und die Unabhangigkeit nachgeordneter Behorden erhohen konnen (vgl. Dohler 2006). (3) Wahrend sich die moglichen institutionellen Konsequenzen aus den beiden vorangegangenen Faktoren mit der Kategorie der Institutionendynamik (vgl. Czada/ Schimank 2000: 31 ff.) beschreiben lassen, bei der - zumindest auf na-
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tionaler Ebene - kaum Gestaltungsbemiihungen vorhanden sind, die sich auf das Verwaltungsmodell insgesamt beziehen, wirken bei der Debatte um die Verwaltungsmodernisierung sehr wohl Interessen an einer Institutionengestaltung. Auch wenn es sich hierzulande mehr um ein motivarmes „Mitrudem" im intemationalen Trend gehandelt haben sollte, so reprasentiert das Leitbild des „aktivierenden Staates" doch einen Modemisierungsanspruch, der deutlich liber die Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente hinausreicht (vgl. Jann 2003: 113; ders. 2004). Fur den vorliegenden Zusammenhang ist die Vermutung bedeutsam, dass die Persistenz des NPM-Diskurses, flankiert von politischem Effizienzdruck, nicht spurlos an den Einstellungen und Verhaltensmustem des Verwaltungspersonals voriiber gegangen ist. Der Instrumentenkasten des NPM-Diskurses, der eine Verwaltungssteuerung iiber Zielvereinbarungen, Berichtswesen und dezentrale Ergebnisverantwortung propagiert, ist dezidiert gegen das Hierarchieprinzip gerichtet. Die zunehmende Verankerung des NPM-Instrumentariums im Bewusstsein von Politik und Verwaltung erschwert das Festhalten am etablierten rechtsformig-hierarchischen Modell, wenngleich die Anreize zu einer hierarchischen Verwaltungssteuerung dadurch noch keineswegs ausgeschaltet wurden. Allerdings konnte das Vordringen nicht-juristischer Qualifikationen zu entsprechenden Erosionserscheinungen fUhren. Allein auf der ministeriellen Leitungsebene hat der Anteil okonomisch ausgebildeter Amtsinhaber zwischen 1970 und 1999 von 11,8 auf 26 Prozent zugenommen (alle Zahlen nach Derlien 2003: 405). Zwar ist der Anteil der Juristen im gleichen Zeitraum nur von 66,2 auf 62,1 Prozent zuriickgegangen. Rechnet man aber auch das sozialwissenschaftlich ausgebildete Personal hinzu, dessen Anteil von 2,9 auf 7 Prozent gestiegen ist, dann sind heute mehr als ein Drittel der Entscheidungstrager einer nichtjuristischen „operating ideology" zurechenbar. SchlieBlich deuten empirische Hinweise darauf hin, dass nicht nur parlamentarische, sondem zunehmend auch beamtete Staatssekretare auBerhalb der Ministerialverwaltung rekrutiert werden (vgl. Seyd Ali 2003: 185 ff.) und dann entweder eine parteipolitische, eine hochschul- Oder verbandsnahe, zumindest aber keine verwaltungsspezifische Pragung mehr aufweisen. Wenn sich administrative Leitbilder, Qualifikationen und Karriereverlaufe insbesondere der Verwaltungseliten verandem, durfte auch die Loyalitat zu diesem Modell sinken und die Bereitschaft zur Modelltransformation steigen. Inwiefem der hier thematisierte Anpassungsdruck sich bei der Neubzw. Umgriindung von Bundesbehorden niederschlagt, soil abschlieBend an einigen Beispielen aus der jiingeren Vergangenheit beleuchtet werden.
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Grenziiberschreitungen? Neuere Entscheidungsprozesse iiber Bundesbehorden
Haufig wird die Restrukturiemng von Behorden, insbesondere der Kompetenzzuschnitt, mit der kontingenztheoretischen Annahme erklart, dass organisatorischer Wandel als Adaption an veranderte Umweltbedingungen stattfindet (vgl. Child 1972: 8 ff.). Diese Annahme trifft auch auf die BaFin zu, deren Entstehung eine Reaktion auf die wachsende Integration der Finanzmarkte darstellte. In seiner Kritik an der damals noch als starr konzipierten Organisation-UmweltBeziehung hat Child vor allem das Moment der strategischen Wahlmoglichkeiten betont, mit denen Organisationen sich auf spezifische Umweltausschnitte ausrichten und diese ihrerseits beeinflussen konnen (vgl. Child 1972: 13 ff.). Die BaFin entspricht dieser Uberlegung nicht nur aufgrund der neuen Komplementaritat zwischen integriertem Finanzsektor auf der einen und transsektoraler staatlicher Regulierung auf der anderen Seite, sondem auch aufgrund ihrer Rolle als Verhandlungspartner bei der Entwicklung intemationaler Regulierungsstandards wie etwa dem „Basel IF'-Abkommen iiber Eigenkapitalausstattung und Risikomanagement von Banken (vgl. Liitz 2003: 148 f.), an dem Vertreter der BaFin ohne Beteiligung des Finanzministeriums teilnahmen, dem daflir die personellen Kapazitaten fehlten. Sturm u.a. (2002: 36) stellen zum Baseler Abkommen fest: „Nationale Notenbanken und Aufsichtsbehorden haben dort praktisch vollstandig Kontrolle iiber eine Materie erlangt, die dem Zugriff der Ubergeordneten Finanzminister zwar nicht formal, dennoch aber substanziell groBtenteils entzogen ist." Die nicht nur im Finanz-, sondem auch im Energie- und Telekommunikationssektor entstehenden europaischen bzw. intemationalen Netzwerke nationaler Behorden (vgl. Everson 1998; Eberlein 2003; Lutz 2003: 138 ff.), werfen fiir die vorgesetzten Ministerien erhebliche Kontroll- und Steuerungsprobleme auf, da Internationale Normsetzungsverfahren wesentlich hohere „monitoring costs" produzieren als der Rechtsvollzug auf nationaler Ebene. Nur so ist der ungewohnliche Schritt des BMF zu verstehen, der BaFin detaillierte Informationspflichten insbesondere iiber deren „Aktivitaten auf intemationaler Ebene" (BMF 2005: Ziff. III. 1) vorzuschreiben. Die bereits im Errichtungsgesetz fixierte Fachaufsichtskompetenz des Ministeriums wird einer Mahnung gleich nochmals erwahnt, gefolgt von der Feststellung, „soweit erforderlich, wendet das BMF die ihm zur Verfiigung stehenden Aufsichtsmittel an" (BMF 2005: Ziff. I). Das ist als Versuch zu werten, die wachsenden Handlungsspielraume der BaFin als politischer, weil in der Normgenese eigenstandig handelnder Akteur mit einem auch nach auBen legitimierten hierarchischen Zugriffsrecht zu kompensieren.
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Die nicht unplausible Vermutung, dass mit der funktionalen Expansion einer Behorde auch deren Gewicht innerhalb ihres Politikfeldes steigt (vgl. fiir die BaFin Financial Times Deutschland vom 22.10.2004), drangt sich auch in anderen Feldem auf, etwa der Infrastrukturregulierung (vgl. Bullinger 2003: 1358). Hier ist vor allem die Bundesnetzagentur zu nennen, die sich durch die Zustandigkeitserweiterung fiir den Strom- und Gasmarkt (§54 Abs. 1 Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts - Entwurf) zu einem „multi utility regulator"^ entwickelt hat, dessen Expertise nicht nur in legislativen und damit politischen Einfluss miinden dlirfte, sondern auch eine groBere Unabhangigkeit von politischen Eingriffen wahrscheinlich macht, da mit wachsender Zielkomplexitat der Druck auf eine transparente Entscheidungsfindung steigt (vgl. Haucap/ Kruse 2003: 5). Vorerst sind die aufsichtsfiihrenden Ministerien aber noch erkennbar bestrebt, mit Hilfe verdeckter oder zumindest nicht sonderlich transparenter Regelungen ihr hierarchisches Zugriffsrecht zu sichern und damit die Moglichkeit dezenter politischer Einflussnahme offen zu halten. Besonders deutlich wurde das anlasslich der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Der Entwurf sah eine Veroffentlichungspflicht fiir Weisungen des Ministeriums vor, „die sich unmittelbar oder mittelbar auf den Erlass oder die Unterlassung von Entscheidungen nach § 130 auswirken" (§115 Entwurf-TGK). Diese vordergriindig die Transparenz und die Autonomic der Regulierungsbehorde erhohende Vorschrift erweist sich bei eingehenderer Betrachtung als das genaue Gegenteil. Nicht nur, dass das Ministerium damit sein zuvor umstrittenes Einzelweisungsrecht gesetzlich verankert hatte (zuvor war im TKG nur von allgemeinen Weisungen die Rede). Hinzu kommt, dass die Veroffentlichungspflicht auf Entscheidungen der Beschlusskammem (§ 130) beschrankt sein sollte, nicht aber fiir die Prasidentenkammer gait, deren Kompetenzbereich gleichzeitig erheblich ausgeweitet werden sollte. Demgegeniiber konnte sich der Bundesrat mit einer Formulierung durchsetzen, die diese Differenzierung ausschlieBt.
^ Die Entscheidung, die RegTP durch eine Energieabteilung zur Bundesnetzagentur erweitem, ist aber weder als Rezeption des Konzeptes der brancheniibergreifenden Regulierungsbehorde (vgl. dazu Haucap/ Kruse 2004: 10 f.) zu sehen, noch ist ein enger Zusammenhang mit dem Agency-Konzept zu erkennen. Zentral war vielmehr der Termindruck, in den die Bundesregierung durch ihren zahen Widerstand gegen die von der EU geforderte Energieregulierungsbehorde geraten ist, so dass sich die Erweiterung einer bereits bestehenden Behorde als weniger zeitaufwendiges Vorgehen anbot (vgl. BMWA 2003: 58). Hinzu kam das Bestreben der Lander nach Aufgabenteilung zwischen Bundesund Landesebene, die sich mit einer sektoralen Regulierungsbehorde eher erreichen lasst, als dies mit einem fiir die Energieregulierung zustandigen Bundeskartellamt der Fall gewesen ware (vgl. zur Argumentation der Lander: BMWA 2003: Anlage I: 14 ff.).
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Die Monopolkommission beanstandet in ihrem Sondergutachten die dadurch verstarkte Moglichkeit der politischen Einflussnahme auf die RegTP und folgt damit der ordoliberalen Tradition des Misstrauens an der Standfestigkeit gewahlter Politiker gegeniiber einflussreichen Sonderinteressen. Interessant ist vor allem die hier emeut beobachtbare Unscharfe extemer Anforderungen, die eine Agentur-Bildung unterstutzen. Die Unzulassigkeit des ministeriellen Weisungsrechts wird von der Monopolkommission damit begriindet, dass die EURahmenrichtlinie, die der Novellierung des TKG zugrunde liegt, alle Regulierungsaufgaben in einer Behorde ansiedeln will, was unvereinbar damit sei, „dass in der Behordenhierarchie das Ministerium der nationalen Regulierungsbehorde im Einzelfall Weisungen erteilt. In der Sache ware damit die Konzentration der Aufgabe bei einer Behorde gerade nicht erreicht" (Monopolkommission 2004: 29, Hervorh. i.O.). Das ist zwar eine denkbare Lesart, doch im Bewusstsein von Politik und Ministerialverwaltung ist die Unabhangigkeit einer Behorde keineswegs unvereinbar mit der Existenz eines Weisungsrechts. So heiBt es etwa in der bereits zitierten BMF-Regelung liber die BaFin: „Sie nimmt ihre Aufgaben unabhangig wahr. Die Uberpriifung der Recht- und ZweckmaBigkeit ... bleibt hiervon unberiihrt" (BMF 2005: Ziff. I). Verstandlich wird das, wenn man bedenkt, dass sich die vorherrschende Interpretation von Unabhangigkeit auf die Verwaltungsumwelt bezieht, keineswegs aber auf das exekutive Binnenverhaltnis. Forderungen nach Errichtung einer Agency lassen sich in der Logik von Politik und Ministerialverwaltung daher mit versteckten oder auch offenen hierarchischen Steuerungselementen entscharfen. Als letztes Beispiel, das ebenfalls mit der Europaisierung zusammenhangt, sei die geplante, aber durch die vorgezogenen Bundestagswahlen vom Herbst 2005 zunachst verschobene Umwandlung des Bundesinstituts fiir Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in eine „Deutsche Arzneimittelagentur" (DAMA) angefuhrt. Das BfArM war 1994 als selbstandige Bundesoberbehorde aus dem Bundesgesundheitsamt hervorgegangen, das infolge des bereits erwahnten HIVSkandals in drei Bundesinstitute aufgespalten worden war. Die nunmehr anvisierte Reorganisation sieht die Uberfuhrung des BfArM in eine Anstalt offentlichen Rechts vor, die von einem zweikopfigen Vorstand geleitet (§§ 6, 7 DAMAErrichtungsgesetz) und einem Verwaltungsrat kontrolliert wird. Erstmals sind in einem Errichtungsgesetz Zielvereinbarungen mit dem Ministerium vorgeschrieben (§ 3 DAMA-Errichtungsgesetz). Bereits im Vorfeld gesetzlicher Regelungen wurde eine interne Reorganisation der Arbeitsablaufe von einer an medizinischen Fachgebieten (Toxikologie, klinische Pharmakologie, pharmazeutische Qualitat usw.) orientierten Abteilungsorganisation hin zu einer indikationsbezogenen Projektstruktur durchgeflihrt (vgl. DGPharMen News 2/2005: 52). Der
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emeute - nun auch nach auBen sichtbare - Umbau der Arzneimittelbehorde beruht im Kern auf zwei zusammenhangenden Einflussfaktoren. Zum einen reagierte die Bundesregierung damit auf die anhaltende Kritik der Pharma-Industrie an den im EU-Vergleich iiberdurchschnittlich langen Zulassungszeiten fiir Arzneimittel (vgl. Boston Consulting Group 2001: 74 ff.). In einem politischen Umfeld, das in hohem MaB fiir Unternehmensforderungen sensibilisiert ist, verstarkte das den bereits seit Mitte der 1990er Jahre einsetzenden Trend, die Arzneimittelzulassung immer mehr als Dienstleistung fiir die Unternehmen, die neue Produkte anbieten wollen, und weniger als staatliche Kontrollaufgabe zu sehen. Dass die Bundesregierung sich dieser Sichtweise mittlerweile voll und ganz angeschlossen hat, zeigt der Entwurf zum DAMAErrichtungsgesetz, in dem das Wort Arzneimittelsicherheit nicht ein einziges Mai auftaucht, dafiir aber in der Begrtindung ausfiihrlich auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der pharmazeutischen Industrie fiir den „Wirtschaftsstandort Deutschland" (DAMA-Errichtungsgesetz - Entwurf: 30) eingegangen wird. Und damit kommt der zweite und fiir den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamere Faktor ins Spiel. Seit Errichtung der europaischen Arzneimittelbehorde EMEA im Jahr 1995 besteht die Tendenz zur Kompetenzverlagerung auf die EU-Ebene.^ Zuletzt ist die zentrale Arzneimittelzulassung, deren Durchfiihrung die EMEA auf Grundlage eines Submissionsverfahrens an nationale Behorden delegiert, im Jahr 2004 auf weitere Indikationsgebiete ausgedehnt worden. Mittlerweile hat sich auf der EU-Ebene ein Konsens dariiber gebildet, dass von den 42 nationalen Arzneimitteleinrichtungen zukiinftig nur noch eine handvoll „Centers of Excellence" zustandig sein soil (BMGS 2004: 1; vgl. auch Abraham/ Lewis 2003: 61 ff.), zu denen die Bundesregierung die DAM A nicht nur aus Prestigegriinden zahlen mochte. Die nach auBen als Neubeginn kommunizierte Transformation des BfArM in die DAM A dient einerseits dem Ziel, der mittelstandischen Pharma-Industrie den problemloseren Zugang zur deutschen Zulassung offen zu halten und andererseits die Teilhabechancen der Bundesrepublik am EU-Zulassungsverfahren auch fiir die Zukunft zu sichem. Die Bundesregierung geht davon aus, dass „Rechtsform und Leitungsstruktur ... mit den Zulassungsstellen anderer europaischer Staaten vergleichbar und konkurrenzfahig" (DAMA-Errichtungsgesetz - Entwurf: 32) sein werden. Das Kompatibilitatsargument hat auch zur formalen Einschrankung der Aufsichtsrechte des Gesundheitsministeriums gefiihrt, die hier ebenfalls die Glaubwurdigkeit in die Neutralitat der Behorde steigern soil. Der Gesetzestext wie auch die Begriindung sind allerdings von dem schon mehrfach hervorgehobenen Bemiihen gekennzeichnet, sich durch ministerialtypische Kautelen ein „Hintertiirchen" ^ Der sich die Bundesregierung lange widersetzt hat. Vgl. Kelemen (2002: 103, FN 49).
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offen zu halten. So heiBt es in § 4, Satz 2 DAMA-Errichtungsgesetz, dass die Aufsicht soweit es um die Erfassung und Bewertung von Arzneimittelrisiken gehe, „auf die RechtmaBigkeit der Aufgabendurchfiihrung und die Erteilung allgemeiner Weisungen" beschrankt sei - nicht ohne sofort relativierend hinzufiigen: „insofem besteht nur in dringenden Fallen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes ein Weisungsrecht im Einzelfall" (§ 4, Satz 3 DAMAErrichtungsgesetz). Da uberdies keine Transparenzregelungen vorgesehen sind und sich die hierarchische Steuerungspraxis ohnehin mehr auf einer filigranen Skala aus Andeutungen und ggf. verklausulierten Drohungen abspielt, als dass nachweisbar (d.h. schriftlich) und dann auch noch offentlich Weisungen erteilt werden (vgl. dazu ausfiihrlich Dohler 2004: 228 ff.; 260 ff.), durfte es mehr um die erhoffte AuBenwirkung gehen als um ernst gemeinte Vorschriften fiir die Sicherung einer Policy-Autonomie. Aus diesen zugegebenermaBen illustrativen Beispielen lassen sich zwei Grundtendenzen herauslesen. Zum einen sind Grenziiberschreitungen im Sinne eines Bruchs mit dem bzw. einer klaren Abweichung vom deutschen Verwaltungsmodell bisher nur in Randbereichen zu beobachten. Wurde man weitere Merkmale von Verwaltungsaufgaben, -strukturen und -verfahren hinzuziehen, entstunde zwar ein von starkerer Veranderungsdynamik gepragtes Bild (vgl. dazu Dohler 2006). Zum anderen fiihrt die hier vorgenommene Eingrenzung auf das Agency-Konzept aber auch zu dem Schluss, dass eine wachsende Orientierung an diesem Modell unverkennbar ist. Erst seit den 1990er Jahre finden sich in Errichtungsgesetzen Einschrankungen der ministeriellen Weisungsrechte, die zwar haufig interpretationsanfallig formuliert sind, aber doch erkennbar eine Reaktion auf die Credibility-Problematik bilden, die aufgrund globalisierter Wirtschaftsbeziehungen mehr Durchschlagskraft erhalten hat. Denn wenn auslandische Investoren, Interessengruppen und internationale Organisationen die verdeckte politische Einflussnahme als potenzielles Handelshemmnis interpretieren, verleiht das der Autonomic von Behorden eine hohere Wertigkeit. Obwohl die Bezeichnung Agentur noch haufig dem Motiv entspringt, auf symbolischer Ebene sowohl Modemitat wie auch Abstand zur Vorgangerverwaltung zu signalisieren/^ lasst das Gemisch aus Verwaltungsmodernisierung und extemem Konformitatsdruck erwarten, dass sich Organisation, Steuerung und Aufgabenzuschnitt von Bundesbehorden langsam, aber stetig vom alten, stark hierarchisch gepragten Verwaltungsmodell entfernen.
'° Dass die modisch klingende Bezeichnung „Agentur" ihren Nimbus sehr rasch verlieren kann, zeigt die Ablehnung des Prasidenten der RegTP, Kurth, seine Behorde in „Bundesnetzagentur" umzubenennen, da dies zu sehr an die schlecht beleumundete Arbeitsagentur erinnere (vgl. Die ZEIT vom 14.7.2005).
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Marian Dohler Schlussfolgerungen: Von der alten zur neuen Uniibersichtlichkeit
Kann also die eingangs formulierte Frage, ob die deutsche Verwaltung sich dem Agency-Konzept annahert, womoglich sogar in modelltransformierendem Umfang, bejaht werden? Eine eindeutige Antwort darauf fallt deshalb nicht leicht, weil die vorhandene Behordenstruktur bereits liber Merkmale einer idealtypischen Agency verfligt. Dazu gehoren die organisatorische und funktionale Separierung von der Ministerialverwaltung, der offentlich-rechtliche Status und teilweise auch die ausgepragte fachliche Spezialisierung. Ob von einer Agentur gesprochen werden kann, hangt von den herangezogenen Organisationsmerkmalen ab. Gemessen am hier als zentral defmierten Kriterium der politischen Unabhangigkeit konnte die Frage nach einer Agencification verneint werden. Denn im deutschen Verwaltungsmodell dominiert nach wie vor die normativ begriindete Anforderung, Behorden im Normalfall einer hierarchischen Steuerung zu unterstellen. Die Differenzierung zwischen Managerial- und Policy-Autonomie hingegen flihrt zu einem weniger eindeutigen Ergebnis. Wahrend die erste Variante ohne gravierende Widerstande praktiziert werden kann, was sich u.a. an der verstarkten Nutzung der Rechtsform der Anstalt ablesen lasst, ist Autonomic auf der Policy-Dimension bisher nur in einer kleinen Grauzone anzutreffen, z.B. beim Bundeskartellamt, der Bundesnetzagentur und mit Einschrankungen auch bei der BaFin. Als Grauzone miissen diese Freiraume deshalb bezeichnet werden, weil sie sich konkludent herausbilden, also ohne dass dartiber eine explizite und legitimationssichemde Entscheidung des Gesetzgebers getroffen wurde. In den Fallen hingegen, in denen ein Anpassungsdruck hin zu autonomen und fiir Konsumenten bzw. Marktteilnehmer glaubwiirdigen Behorden als explizite AuBenanforderung auftritt, sind Politik und Ministerialverwaltung erkennbar bestrebt, die ambivalente Konstellation zwischen einer formalen („manageriar') und einer inhaltlichen („policy") Autonomic zu nutzen, um nach auBen den Willen zum Interventionsverzicht zu unterstreichen, ohne nach innen auf ihr hierarchisches Interventionsrecht verzichten zu miissen. Auf der Grundlage dieser Uberlegungen gilt vorerst der Befund einer stark selektiven Agencification. Daraus lasst sich abschlieBend ein Szenario iiber die zukiinftige Entwicklung ableiten. Einiges spricht daflir, dass der aktuelle Anpassungsdruck kaum abnimmt und in eine Dualisierung der Bundesverwaltung munden konnte, die eine kleine Avantgarde modemer, Agency-artiger Behorden mit regulativen Aufgaben hervorbringt, neben denen die Mehrzahl traditioneller, hierarchisch gesteuerter Behorden fortbesteht. Fiir den Beobachter diirfte aufgrund der Vielschichtigkeit ressortspezifischer und sektoraler Handlungsmotive sowie der zunehmenden Durchmischung organisationsrechtlicher Merkmale aber dennoch kaum ein grundlegender institutioneller Umbruch erkennbar sein. So wird auch
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in absehbarer Zukunft der Eindruck einer strukturellen und funktionalen Uniibersichtlichkeit dominieren. Dieser Schleier ist nur dann zu liiften, wenn auf einer breiten empirischen Gmndlage der Versuch untemommen wird, die Entwicklung der nichtministeriellen Bundesverwaltung im historischen Langsschnitt zu erfassen sowie die rechtlichen, funktionalen und organisatorischen Merkmale zu katalogisieren und einer politik- und verwaltungswissenschaftlichen Auswertung zu unterziehen.
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Next Steps und zwei Schritte zuriick? Stereotype!!, Executive Age!!cies u!!d die Politik der Delegation in GroBbritannien Martin Lodge
Neben der weitreichenden Privatisierungspolitik gelten die sogenannten „Next Step Agencies" als eines der markantesten Aushangeschilder britischer Verwaltungsreformpolitik. Dies gilt nicht nur fiir die Wahmehmung dieser Entwicklung „von auBen", auch britische Beobachter teilen diese Sicht. So stellen Next Step Agencies beispielsweise fiir Grant Jordan, zumindest auf den ersten Blick, „the most spectacular change" dar, den die britische Verwaltung im 20. Jahrhundert durchlaufen hat (Jordan 1994: 137). In ahnlicher Weise betrachtet Paul Craig (2003: 91) das „Next Steps-Projekt" als Teil eines tibergreifenden Veranderungstrends, der in den letzten 15 Jahren zu der „... most significant reorganisation of the machinery of central government since the latter part of the nineteenth century ..." geflihrt hat. Um den Zusammenhang zwischen der „Revolution" in der offentlichen Verwaltung in GroBbritannien und dem grundlegenden (und intemationalen) Paradigmenwechsel von public administration zu public management herzustellen, werden immer wieder drei wesentliche Stereotypen bemliht: •
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„Agencification", realisiert durch die „Next Steps"-Initiative, wird als grundsatzliche Abkehr vom Modell eines monolithischen Zentralstaates in GroBbritannien betrachtet. Wahrend die Advokaten der britischen Verwaltungsreformpolitik in der Next Steps-Initiative eine Revolution erkennen, stellen Skeptiker in international vergleichender Perspektive eine (spate) Annaherung GroBbritanniens an den kontinental-europaischen Verwaltungstyp (Schweden, Deutschland) fest - und kaum das Hervortreten eines neuen Verwaltungsparadigmas. Als zweiter Stereotyp kann die Einschatzung gelten, nach der Agencification einen immanenten Bestandteil des sogenannten „New Public Management" (NPM) darstellt. Verschiedene, mit Agencification verbundene Veranderungen - insbesondere die Trennung von „Verwaltung" (administration) und „Politik" (policy), die Herstellung von expliziten Kontrakt- und Leistungsbeziehungen zwischen fragmentierten Staatseinheiten - werden zu
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den Kemelementen des NPM gerechnet (siehe Hood 1994: 130). Insbesondere diese organisationelle Trennung von „Politik" und „Verwaltung" gehort zu den wesentlichen Fordemngen der Advokaten einer am Leitbild des NPM orientierten Verwaltungsreform. Der dritte Stereotyp besagt, dass Agencification zu einer Heterogenisierung der britischen Verwaltung gefiihrt hat - und zwar sowohl hinsichtlich der Organisation (Fragmentierung) als auch mit Blick auf die Personalstrukturen. Die Heterogenisierung der Personalstrukturen ist insbesondere mit der Einfiihrung privatwirtschaftlicher Arbeitsvertrage fiir die „Chief Executives" der „Agencies" verbunden. Christopher Hood (2000) spricht in diesem Zusammenhang von einem agency bargain, der neben den traditionellen Whitehall bargain getreten ist. Der traditionelle Whitehall bargain kennzeichnet eine Beziehung zwischen Verwaltungseliten und der politischen Fiihrung bzw. dem politischen System, welches auf der einen Seite „serielle Loyalitat" (d.h. Loyalitat zu der jeweils gewahlten Regierung) und Nahe zu pohtischen Entscheidungen beinhaltet, auf der anderen Seite relative Anonymitat und politische Neutralitat vorsieht. Der einzelne Burokrat besitzt keine (oder nur auf Ausnahmefalle beschrankte) Autonomic, die unabhangig von der Regierung ist. Der Agency Bargain sah dagegen vor, den Chief Executives der Agencies eine Zone der Autonomic und unabhangigen Verantwortung im Austausch fiir eine starker offentlichere Rolle zu iibertragen.
So weit, so normal. Ein zweiter Blick auf die britische Verwaltungsszene wirft ein anderes Licht auf diese Stereotypen. So widerspricht es zunachst dem Bild des administrativen Monolithen als Startpunkt der Agencification, dass Ende der 1970er und Anfang der 1980er Kritik an der uniibersichtlichen britischen Verwaltung „im Nebel" weit verbreitet war (Jordan 1994: Kapitel 1). Dementsprechend bestand ein wesentliches Element der verwaltungspolitischen Programmatik der konservativen Regierung bei Amtsubemahme 1979 darin, die Anzahl der sogenannten quasi-nongovernmental and governmental organisations zu reduzieren (siehe Pliatzky 1980; Hood 1981). Daher ist zu hinterfragen, ob der mit der Next-Steps-Initiative assoziierte Trend eines Aufbrechens des administrativen Monolithen nicht bereits vor 1986 eingesetzt hat. Zudem ist es fraglich, ob hinter dem Label „Executive Agencies" ein einheitliches, koharentes Reformmodell steht oder sich dahinter eher eine Vielfalt unterschiedlicher Ansatze verbirgt. Ebenso kann das zweite Bild des Paradigmenwechsel nur als teilweise berechtigt gelten. Viele Ideen, die das Next Steps-Progamm untermauerten, fanden sich bereits im Fulton Report von 1968 (und nicht nur dort). Zudem ist die Formulierung und Implementation der Next Steps-Initiative auch nicht als Ergebnis
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eines weiteren Schrittes im Rahmen einer umfassenden und koharenten Reformstrategie zu verstehen. Vielmehr kennzeichnet Next-Steps ein programmatischer Pendelumschwung zwischen kontraren Leitideen innerhalb des New Public Management, insbesondere der „let managers manage" Leitidee und Ideen, die zentrale und politische Kontrolle von Burokratien als Doktrin befiirworten. Der dritte Stereotyp einer weitgehenden Heterogenisierung der britischen Verwaltung ist weniger leicht von der Hand zu weisen. Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen dariiber, inwieweit der angestrebte agency bargain tatsachlich institutionalisiert werden konnte. Offizielle Untersuchungen bewerten die Executive Agencies als (begrenzt) erfolgreich (NAO 2002; Office for Public Services and Treasury 2002). Demgegeniiber kommen wissenschaftliche Studien zu eher gemischten Ergebnissen (James 2003). Zudem wird der Versuch, den agency bargain in Whitehall zu installieren, als weitgehend gescheitert angesehen. Im Folgenden wird der Versuch untemommen, die drei Stereotypen detaillierter zu diskutieren. Grant Jordan (1994) hat die britische Verwaltung als schwer beschreibbar dargestellt, da sie in einem „Neber' der Definitionen operiere. Um diesen Nebel wenigstens im Bereich der Next Steps Agencies, etwas zu lichten, befasst sich der folgende Abschnitt mit der Entstehung von Next Steps als Reformkonzept und Programm und sucht nach Erklarungen fur diese Entwicklung. Danach werden drei Fallbeispiele von Agencies prasentiert, deren Entwicklung durch erhebliche Steuerungsprobleme im Verhaltnis zwischen Agency und Ministerium gekennzeichnet waren und sind. Der Schlussteil reflektiert, warum sich der agency bargain bislang nicht als erfolgreich erwiesen hat. Es geht in diesem Beitrag also nicht um weitere Trends, die ebenfalls mit einer Fragmentierung des britischen Staates und weiteren Verwaltungsreformen verbunden sind, insbesondere den anderen Agencies, wie zum Beispiel den „Regulatory Agencies" fur Eisenbahn, Energie, und Telekommunikation wie auch fiir die Lotterie oder z.B. auch den verschiedenen Kontrollinstanzen, wie dem National Audit Office (fiir die Zentralregierung) und der Audit Commission (fiir die kommunale Ebene), oder Ofsted (fiir Schulen) (siehe Hood u.a. 1999).
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Auf der Suche nach Konturen im Nebel
Im Folgenden wird zunachst die Entwicklung von Next Steps als einem Teil der britischen Reformpolitik des offentlichen Sektors beschrieben. Dann wird gefragt, wie man den gegenwartigen Stand und die Entwicklung von Next Steps kategorisieren kann. Trotz der bestehenden Vielfalt lasst sich ein gemeinsamer Kern erkennen, der in einer expliziten (wenn auch nicht rechtlich formalisierten)
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Kontraktbeziehung zwischen Ministerium und Agency besteht. Ursprlingliche Intention dieser Vereinbarungen war die Trennung von service delivery und policy formulation (siehe Moran 2003: 127). Der dritte Abschnitt sucht nach Erklarungsmustern fiir die Entwicklung von Next Steps.
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Next Steps Agencies im Kontext der britischen Reformpolitik
Es ist eine der Ironien der Reformbemtihungen, dass die Next Steps Agencies ihren Namen lediglich von einem Untertitel eines Regierungsberichtes beziehen. Die zweite Ironie ist, dass dieser sogenannte Ibbs-Report, nicht Sir Robin Ibbs als Autor anfiihrt, sondem drei Mitarbeiter der „Efficiency Unit" (Kate Jenkins, Karen Caines, Andrew Jackson). Jedenfalls wurde „Improving Management in Government: The Next Steps" (Efficiency Unit 1988) 1986 in Auftrag gegeben, um die institutionellen, verwaltungstechnischen, politischen und motivationalen Hiirden zu identifizieren, die einem besseren Management und einer groBeren Effizienz in der britischen Verwaltung im Wege standen. Der Bericht argumentierte, dass 95 Prozent alien Verwaltungshandelns auf den Vollzug (delivery) von Policies gerichtet waren. Von Seiten der Verwaltung wurden ein generelles Managementdefizit und vor allem aber ein UbermaB politischer Intervention beklagt. Ebenso wurde kritisiert, dass das Verwaltungshandeln zu sehr auf den parlamentarischen Prozess ausgerichtet war und sich laufende Reformbemtihungen auf einen Aufgabenabbau beschrankten und dabei wesentliches Augenmerk auf die effiziente Allokation vorhandener Ressourcen gelegt wurde. Die britische Verwaltung war durch eine Priorisierung von policy formulation gegeniiber dem policy management gepragt, und Minister waren zu beschaftigt, um „Management" geniigend Aufmerksamkeit zu schenken. Managementaktivitaten wurden, so wurde argumentiert, iiberwiegend durch Verwaltungseliten mit Interesse und Erfahrung in policy formulation, aber mit ungenligender Erfahrung in Management Oder delivery untemommen. SchlieBlich argumentierte der Bericht, dass die bisherige monolithische Struktur der britischen Verwaltung in ihrer GroBe nicht verwaltbar ware. Demnach war es an der Zeit, die Fiktion der individuellen Ministerverantwortung iiber alle Aufgaben des Ministeriums zu beenden. Als Rezept flir besseres Management wurde die Etablierung von Executive Agencies vorgeschlagen, welche sich auf den Vollzug exekutiver Regierungsfunktionen konzentrieren und autonom innerhalb spezieller und strategischer Politik- und Ressourcenvorgaben operieren sollten. Die Executive Agency sollte iiber ein framework document gesteuert und durch einen Chief Executive geleitet werden. Diese Chief Executives sollten nach einem offenen Wettbewerb ernannt und mit relativ kurzfristi-
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gen Vertragen ausgestattet werden, ihre Gehalter wurden individuell festgesetzt. Die im Vergleich zum iibrigen offentlichen Sektor hohere Entlohnung wurde durch die groBere Verantwortung und die Befristung des Vertrages legitimiert. Zudem wurden sie als ein Anreiz gesehen, auch Kandidaten fur diese Aufgaben zu interessieren, die zuvor nicht im offentlichen Sektor beschaftigt waren. Die Rahmenvorgabe (framework document) sollte die Ziele der agency vorgeben: Politikziele, Budget, spezielle Ziele sowie die zu erwartenden Ergebnisse. Ansonsten sollte die Agency allerdings mit groBtmoglichster Autonomic operieren. Deshalb sollten Kontrollen sich nicht auf input, sondern auf outputs und outcomes konzentrieren. Am Ende dieser Verwaltungsreform sollte ein Verwaltungsapparat stehen, der durch einen zentralen Verwaltungskern mit Ministerberatungsfunktionen und Sponsorenaktivitaten iiber untergeordnete Bereiche und Industrien gekennzeichnet war, sowie einem sehr viel groBeren Agency-Bereich, der sich auf den Vollzug der auf Ministerialebene definierten Ziele und Aufgaben konzentrieren sollte. Im Februar 1988 wurden diese Vorschlage durch Ankiindigung im Parlament offizielle Regierungspolitik (Efficiency Unit 1988). Allerdings war die Regierungserklarung bereits das Ergebnis eines typischen WhitehallKompromisses in Folge von Konflikten, die insbesondere nach dem konservativen Wahlerfolg 1987 aufbrachen. Auf der einen Seite standen die Politiker und Vertreter der Ministerialverwaltung, die eine weitgehende Autonomic befurworteten. Insbesondere die Efficiency Unit im „Cabinet Office" war an der Trennung von Aufgaben zwischen verwaltungstechnischen Kemaufgaben und den Delivery-Funktionen, die in semi-autonome Einheiten organisiert werden sollten, interessiert. Auf der anderen Seite stand insbesondere das institutionelle Eigeninteresse des „Treasury", das vor allem um die Kontrolle der Ausgaben der Agencies besorgt war (wie z.B. auch Besoldungsfragen). Die Agencies waren, so das Argument des Treasury, der Marktdisziplin nicht ausgesetzt und deshalb ohne Anreiz, Ausgabenkontrolle zu betreiben. Der Report von 1988 wurde weitgehend als eine Kompromisslosung zwischen diesen beiden Positionen interpretiert. Um den Debatten liber die VerfassungsmaBigkeit autonomer Verwaltungseinheiten aus dem Weg zu gehen, wurden die neuen Agencies generell weiterhin zum civil service gezahlt. Verantwortung gegeniiber dem Parlament sollte durch den Minister und auch direkt liber parlamentarische Ausschlisse hergestellt werden. Dies bedeutete, dass Agencies weiterhin im weiteren Verantwortungsbereich des Ministers (und des Ministeriums) blieben (die Regierungserklarung sprach dann auch von „units clearly designated within Departments" (vgl. Hogwood 1993: 207). Dennoch entstand durch die Next Steps Agencies eine Art zweiter civil service (auch wenn teilweise eine solche Trennung schon gelebt wurde, siehe Campbell/ Wilson 1995: 300)
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- zum einen durch die Loslosung der Gehalter der Chief Executives von den Gehaltern der anderen „normalen" Spitzenbeamten, zum anderen durch die Trennung von policy formulating und Managing-Beamten. Das framework document (welches ungefahr alle drei Jahre „modemisiert" werden sollte) und der individuelle Vertrag zwischen Ministerium und Chief Executive etablierten aber keine eigene rechtHche Einheit, sondem waren interne Organisationselemente.^ Zwolf Aufgabenbereiche, die zum Teil bereits weitgehend autonom arbeiteten, wurden im Februar 1988 fiir die Grlindung der ersten Next Steps Agencies identifiziert. Innerhalb von 15 Jahren sollten mehr als 50 Prozent des Verwaltungspersonals der britischen Zentralebene in solchen Next Steps Agencies arbeiten. Um politischem Widerstand auszuweichen, wurden die Verwaltungsreformen nicht durch ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet - auch deswegen wurde der Status als civil servant fiir das Agency-Personal beibehalten. Um die Initiative nicht von den unterschiedlichen Aktivitaten der Ministerien selbst abhangig zu machen, wurde ein eigener hochrangiger „Project Manager" fiir Next Steps ernannt (Peter Kemp), der allerdings nach einigen Konflikten durch einen eher „traditionellen" britischen Mandarin, Richard Mottram, ersetzt wurde (1993, wahrend der Regierungszeit von John Major)."^ Diese Veranderungen konnen auf den ersten Blick durchaus revolutionar erscheinen. Auf den zweiten Blick konnte man die Next Steps-Initiative aber auch als Resultat einer graduellen Transformation der britischen Verwaltung wahrend der Thatcher-Regierung betrachten. So stellen die Next Steps-Agencies nach Michael Barzelay den zweiten Schritt einer kontinuierlichen Reformstrategie der Regierung Thatcher dar, an deren Beginn in den friihen 1980er Jahren die sogenannten „Rayner-scrutinies" - mit viel machtpolitischer Unterstiitzung durchgefiihrte aufgabenkritische Untersuchungen der Ministerialverwaltung - standen (Barzelay 2001: 64-8). Die Idee der Separation von „Policy" und execution hat allerdings einen viel langeren Stammbaum und Next Steps war keineswegs eine logische Folge der Regierungsbemiihungen der friihen 1980er Jahre, sondem eher eine Reaktion auf Enttauschungen iiber die Resultate weiter zuriickliegender
' Dieser Status unterscheidet Executive Agencies daher von anderen separaten Verwaltungseinheiten in der britischen Staatsorganisation, wie z.B. quangos oder staatliche Industrien. ~ Letzterer war als Permanent Secretary fiir das Department of Transport 2001 zustandig fiir einige "Probleme" mit der Rollenvorstellung von Aufgaben zwischen Minister und Topbiirokraten. Nach der gezielten Veroffentlichung seines Kommentars iiber Probleme in der Eisenbahnpolitik sowie Irritationen iiber die Entlassung eines spin doctors und des Pressesprechers des Ministeriums („I am fucked, you are fucked, we all are fucked, the whole department is fucked, this is the greatest fuck-up ever"), musste er vor der Presse die Entscheidungen seines Ministeriums verteidigen, eine Aufgabe, die traditionell exklusiv Ministem vorbehalten war.
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Reformbemiihungen (siehe auch Drewry/ Giddings 1995). Diesen Ideen soil nun kurz nachgegangen werden. Bin einflussreicher Ideengeber, der auch von den „Vatem" der Next StepsAgencies bemiiht wurde (Kemp 1990), war der Fulton Report, der 1968 im Umfeld der Wilson-Regierung verfasst worden war. Die Wilson Administration war, wie ihre Nachfolger in den 1980er Jahren, kritisch gegenliber dem britischen Whitehall-Modell. Kapitel 5 des Fulton Reports („The Structure of Departments and the Promotion of Efficiency") befiirwortete die Einflihrung von Managementinstrumenten wie „Management by Objectives", die gezielte Ausgliederung von Regierungsaufgaben und die Etablierung von executive units. Eine weitere Untersuchung sollte versuchen, die Chancen einer Trennung von exekutiven und ministeriellen Kemaufgaben in der Politikvorbereitung detaillierter auszuloten. Auch wenn in der Folgezeit einzelne Aufgaben tatsachlich ausgegliedert wurden (Civil Aviation Authority, Manpower Services Commission, Arbitration Service und Health and Safety Commission), blieben die Vorschlage des Fulton Reports - wie ubrigens auch insgesamt andere Empfehlungen des Berichts - insgesamt von sehr limitierter Bedeutung (fiir eine Analyse, die besonders die effektive Filterung der Ideen durch die Biirokraten betont, siehe Kellner/ Crowther-Hunt 1980). Es wurde argumentiert, dass nur wenige Regierungsaufgaben fiir eine Ausgliederung geeignet waren, dass damit konstitutionelle Probleme verbunden waren (ministerielle Verantwortung gegenliber Parlament), und dass jede Art von Ausgliederung im Hinblick auf die Arbeitsmoral und Arbeitsbeziehungen erhebliche Probleme provozieren wiirde. Zwar kann daher die Next Steps Idee durchaus in dieser intellektuellen Stammlinie gesehen werden, doch unterscheiden sich die Vorschlage der 1980er Jahre von denen der 1960er Jahre dadurch, dass die Agencies weiterhin innerhalb des ministeriellen Verantwortungsbereiches blieben und dass dem Personal der Agencies der Civil Servants-Status erhalten blieb. Durch diese MaBnahmen sollte die konstitutionelle Verantwortung durch Minister gegenliber dem Parlament weiterhin garantiert werden. Der zweite Einflussfaktor waren Initiativen, die in den frliheren 1980er Jahren zu verorten sind. Nach dem konservativen Wahlerfolg 1979 wurde Sir Derek (spater: Lord) Rayner beauftragt (sein Team wurde spater die Efficiency Unit), Methoden aus dem Management im privaten Sektor in die britische Verwaltung zu importieren. Rayner konnte nicht nur auf eine Karriere in der Privatwirtschaft (Marks & Spencer) zurlickblicken, sondern verfligte auch liber Erfahrung in der offentlichen Verwaltung (er war Chief Executive in der Procurement Executive im Verteidigungsministerium von 1971-73). Die sogenannten „Rayner raids oder scrutinies" waren auf Effizienzsteigerungen in der Ministerialverwaltung gerichtet. Diese Rayner raids sollten innerhalb von 90 Tagen eine Behorde untersuchen und Vorschlage zur Kosteneinsparung unterbreiten. Die Behorde war verpflich-
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tet, innerhalb eines Jahres die abgestimmten Vorschlage zu implementieren. Bis 1982 wurden 130 scrutinies untemommen, und nach offiziellen Angaben wurden Kosteneinspamngen von £170 Millionen erzielt. Bis 1985 wurden 155 scrutinies durchgefuhrt. Als weitere einflussreiche Initiative im Vorfeld von Next Steps ist die „Financial Management Initiative" (FMI)"^ zu nennen. Im Grundsatz wurde mit der im Mai 1982 gestarteten Initiative versucht, ein System von Management by Obejctives innerhalb der Zentralregierung einzufiihren. Klar definierte Aufgaben und Ziele sowie entsprechende Messinstrumente sollten einen optimierten Ressourceneinsatz und eine verbesserte Ressourcenverantwortung ermoglichen."^ Mit der FMI wurden die beriihmten „drei E's" der Verwaltungsreform „ejficiency, effectiveness, economy'' - (wieder einmal) in die Verwaltungsreformdebatte eingefuhrt. Man konnte demnach Next Steps als einen inkrementalen Schritt in Folge der FMI interpretieren. Zugleich wird jedoch auch argumentiert, dass die FMI bereits Mitte der 1980er Jahre an Schwung verloren hatte. Demnach hatte FMI einerseits nie die Unterstiitzung von Biirokraten in den Ministerien erhalten. Andererseits blieben, trotz einiger Erspamisse, die Erfolge der FMI durchaus umstritten. So wurden keine wesentlichen Veranderungen im Verwaltungsstil der Ministerien diagnostiziert, die FMI wurde als zu inflexibel kritisiert; zudem habe die FMI nicht zu einer wirklichen Devolution von Verantwortung fiir das Finanzmanagement innerhalb der Verwaltung gefuhrt (siehe auch Greer 1994). FMI wurde als ein Instrument gesehen, welches die zentrale Aufsicht und Kontrolle von existierenden Regierungsprogrammen forderte und dadurch flexiblem Verwaltungshandeln eher im Wege stand. Auf Grund dieser desillusionierten Diagnose wurde Rayners Nachfolger, Ibbs (er hatte 1983 die Nachfolge angetreten), 1986 beauftragt, eine Untersuchung iiber das bisher Erreichte, insbesondere Erfolge und Hindernisse, durchzufiihren und weitere MaBnahmen vorzuschlagen. Im Gegensatz zu anderen (und zeitlich vorangegangenen) Reforminitiativen basierte der „Ibbs Report" auf einer empirischen Grundlage von rund 150 Interviews mit Ministern und Biirokraten. Die konservative Regierung war mit dem Wahlversprechen angetreten, die Fragmentierung des Staates zu beenden, insbesondere durch die Reduzierung von sogenannten quangos. Vor diesem Hintergrund wurde auch der sogenannte ^ FMI wurde zwar von der Efficiency Unit initiiert, dann aber von der separaten Financial Management Unit koordiniert). "^ Eine begleitende Initiative waren die sogenannten „MINIS" (Management Information Systems for Ministries), welche zuerst im Department of the Environment eingefuhrt wurden. Diese sollten Ministern und dem Top-Management eines Ministeriums Information iiber Aktivitaten, Kosten und Leistungen in den unterschiedlichen Managementbereichen geben.
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„Pliatzky Review" beauftragt, und Christopher Hood konnte ein Buchkapitel mit „Axeperson, spare that Quango ..." (Hood 1981) betiteln. Der Pliatzky Report untersuchte executive non-departmental bodies, 1561 advisory bodies und 67 tribunal systems (diese beinhalteten rund 2000 einzelne tribunas''). Die Regierung entschied, 30 executive bodies, 211 advisory bodies und sechs einzelne tribunals abzuschaffen. Aber gleichzeitig wurden 30 neue executive bodies etabliert. Die Next Steps-Initiative nahm keinen expliziten Bezug zur PliatzkyInitiative, aber insgesamt kam es - kurzfristig - zu einer Reduzierung dieser Art von Verwaltungseinheiten in ihrer Anzahl, nicht aber in ihrer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund kann man Next Steps Agencies als ein zentrales Element britischer Verwaltungsreformpolitik sehen, die kontinuierlich mit neuen Initiativen aufwartete, die sich aber auf zwei wesentliche Grundgedanken zuriickfiihren lassen. Diese zwei kontrdren Grundgedanken - Dezentralisierung und zentrale KontroUe - stehen aber nicht nur am Anfang der Next Steps Agencies und ihres weiteren Lebensweges, sondem sind auch essentieller Bestandteil der Ideenmasse des sogenannten New Public Management.
1.2 Was sind Next Steps Agencies ? Nachdem die Entwicklung der Next Steps Agency Idee beschrieben wurde, geht es in diesem Abschnitt um die Charakteristika dieser Agencies und ihrer Entwicklung im Zeitverlauf. Die Entstehung der Next Steps Agencies war weder eine Explosion, noch eine einheitliche Entwicklung. Agencies unterscheiden sich hinsichtlich • • • •
ihrer GroEe - zwischen 30 und iiber 65.000 Beschaftigte; des Status des Personals - in manchen lasst sich eine Mischung von civil servants mit Militar und anderem Zivilpersonal beobachten; des Gehalts fur die unterschiedlichen Chief Executives und ihrer Aufgaben.
Es gibt auch keine einheitliche Tendenz bestimmter Aufgabenbereiche, die zuvor in homogenen Ministerien verwaltet wurden, hin zu Executive Agencies. Stattdessen umfassen die Aufgaben, die Executive Agencies bearbeiten, eine groBe Bandbreite unterschiedlicher Verwaltungstatigkeiten. Markante Unterschiede finden sich auch hinsichtlich des Grades der aufgabenbezogenen Autonomic, mit der Agencies die iibertragenen Aufgaben wahrnehmen (Hogwood 1993: 212). Es gibt auch starke Differenzen in der Finanzierung der unterschiedlichen Agencies, z.B. solche, die im Prinzip kostendeckend arbeiten miissen (z.B. die Passport
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Agency), wahrend andere sich aus dem allgemeinen Haushalt finanzieren (dieser Unterschied basiert auf dem trading fund status der individuellen Executive Agency). Es gibt Unterschiede in der Position der Agency in ihrem jeweiligen Politikfeld (Monopolanbieter oder nur einer von vielen Anbietern) und auch in ihrer Funktion (der Eraser Report (1981: 22-5) unterscheidet sogenannte mainstream, regulatory and other statutory agencies und peripheral agencies) (Hogwood 1994: 82-3). Zudem gibt es groBe Unterschiede zwischen Agencies hinsichtlich der politischen Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt wird (Judge/ Hogwood/ McVicar 1997)^, wie auch in den formQllen framework document und den informellen Kommunikationsbeziehungen zwischen den zentralen Akteuren (Minister, Permanent Secretary und Chief Executive).^ Wie oben bereits angedeutet wurde, sind Next Steps Agencies in ihrer ganzen Diversitat nur eine Subspezies im „Garten" der britischen Verwaltung. Schon lange vor ihrer Geburt in den 1980er Jahren wurden nicht-ministerielle Organisationen als geheime Wachstumsindustrie zwischen 1954 und 1974 identifiziert (ohne dabei eine einheitliche Logik der unterschiedlichen Organisationsformen und „Entstehungswellen" identifizieren zu konnen, Hood 1978). Die Next Steps Agencies konnen daher nicht fiir einen Wandel von einem einheitlichen biirokratischen Monolithen stehen. Hogwood (1995: 516) zeigt, dass bereits vor 1988 ein Viertel aller Biirokraten in nicht-ministeriellen Organisationen beschaftigt war. Die Next Steps Agencies waren auch keinesfalls die einzige organisatorische Reformvariante, die in den 1980em angewandt wurde, um die Vollzugsfunktion der britischen Zentralverwaltung zu reorganisieren (Hogwood 1995: 512). Zudem existierten in Whitehall Verwaltungseinheiten, die schon historisch als autonom identifiziert werden konnten (und somit als Prototypen dieser Verwaltungsreformpolitik), insbesondere die „Inland Revenue" und „Customs & Excise" (welche 2004 fusioniert wurden). Trotz aller Diversitat war mit der Etablierung der Next Steps Agencies gleichwohl ein nachhaltiger organisatorischer Wandel verbunden - auch wenn die Entwicklung dadurch begunstigt wurde, dass viele der ersten Agencies bereits ministeriumsintern uber eine gewissen Selbstandigkeit verfugten. Startete die ^ Judge et al. (1997: 99) identifizieren vier Zirkel parlamentarischen Interesses in ihrer Analyse schriftlicher parlamentarischer Anfragen. 12 Agencies mit weit iiber 50 Fragen (unter ihnen die Spitzenreiter: Prison Service mit 613 Fragen, Child Support Agency 231 Fragen und Benefits Agency 217 Fragen), 21 Agencies mit 26-50 Fragen, 43 Agencies mit 11-25 Fragen sowie 40 Agencies mit 0-10 Fragen. Diese drei Agencies finden sich auch als Spitzenreiter in der Liste der Korrespondenz zwischen Parlamentariem und Ministemn und Agency Chief Executives wieder: Child Support Agency 5554 Briefe, Benefits Agency 2689 und Prison Service 2564 Briefe (Judge et al. 1997: 112114) ^ Gains (2003: 68) zeigt, wie unterschiedliche Formen der Ressourcenabhangigkeit sich auf informelle Kommunikationsmuster auswirken.
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Initiative 1989 mit drei Executive Agencies, so waren es 1992 bereits 66. 1998 waren es 112 agencies, 2002 waren es 977 War 1989 ein Prozent aller britischen Biirokraten in Executive Agencies tatig, so waren es 1992 bereits 51 Prozent. Dieser Trend wurde auch im letzen Jahrzehnt nicht umgekehrt. Zwar kam es zu einer leichten Reduzierung in der Anzahl der Executive Agencies, die Gesamtzahl an Biirokraten in den Executive Agencies nahm jedoch nur leicht ab: von 60,1 Prozent (1997) auf 53,6 Prozent im Jahr 2002 (dies kann teilweise durch Personalwachstum in den zentralen Ministerien erklart werden). Eine besondere und teilweise verzerrende Rolle spielt bei diesen Zahlen das „Ministry of Defence", ohne die Vielzahl der am Verteidigungsministerium angesiedelten Agencies waren die Trends weniger prominent. Die beschriebenen Entwicklungen sind auch gut in den beiden folgenden Abbildungen erkennbar.
^ Im Ministry of Defence kam es zu den groBten Veranderungen, von 44 auf 36 Executive Agencies zwischen 1998 und 2002. In 1998 kam es zur Etablierung der Defence Communication Services Agency; Specialist Procurement Services als executive agencies, in 1999 wurden folgende executive agencies abgeschafft: Army Base Storage & Distribution Agency; Defence Animal Centre; Defence Codification Agency; Naval Aircraft Repair Organisation; RAF Maintenance Group Defence Agency; Specialist Procurement Services, wahrend es zu der Formierung der Defence Aviation Repair Agency; Defence Procurement Agency; Defence Storage & Distribution Agency kam. In 2000 wurden abgeschafft: die Army Technical Support Agency sowie das UK Hydrographic Office, wahrend folgende Einheiten als executive agencies eingerichtet wurden: Defence Housing Executive; Hydrographer of the Navy. In 2001 kam das Ende fiir folgende executive agencies: Defence Clothing and Textile Agency; Defence Dental Agency; Joint Air Reconnaissance Intelligence Centre; Logistic Information Systems Agency; Medical Supplies Agency; Military Survey; RAF Logistics Support Services; RAF Signals Engineering Establishment, wahrend die Defence Geographical Imaging and Intelligence Agency etabliert wurden und sowohl die Defence Dental Agency and UK Hydrographic Office wieder als Executive Agencies gefiihrt wurden. In 2002 wurden der Hydographer of the Navy und die Naval Bases and SuppHes Agency nicht mehr als Executive Agencies gefiihrt, wahrend die Royal Fleet Auxiliary und die War Pensions Agency etabliert wurden (aus dem Civil Service Handbook, verschiedene Jahrgange).
Next Steps und zwei Schritte zuriick? Abbildung 1:
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Anzahl der Next Steps Agencies Number of 'next steps' agencies
120
100
80
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-TOTAL
60
40
20
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60
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Doch was ist das Resultat dieser Reformbemiihungen? James (2003) hat darauf hingewiesen, dass die Entwicklung auf Makro-Ebene im Sinne der Verbesserung der allgemeinen Regierungsarbeit eher negativ (James 2003: Kapitel 6) ist. Agencies arbeiten demnach in einem fragmentieren Kontext und sind wenig joined up (d.h. koordiniert) - auch nicht, wenn es sich um Agencies in der gleichen ministeriellen „Familie" handelt. Die „negativen Externalitaten" sind somit, so James, besonders prominent. Auch die Erfahrungen hinsichthch der erhofften Kosteneinsparungen sind - nach der Analyse von James (2003, Kapitel 5) gemischt (besonders zwischen trading und non-trading funds (James 2003: Kapitel 5). Eine ahnliche, wenn auch im Ton (natiirlich) positivere Aussage wird in offiziellen Aussagen getroffen, z.B.: „It is the review team's view that the main problem in achieving more effective performance now is that some agencies have become disconntected from their deparments. This relationship is therefore at the heart of the review's recommendations" (Office of Public Sector Reform & HM Treasury 2002: 6). Ein weiterer Kritikpunkt ist die unfokussierte Inflation von performance targets, die keine Vergleichbarkeit zulassen, sowie die weiterhin bestehende Tendenz der Ministerien, ihre Agencies iiber inputs anstatt iiber outputs oder outcomes zu steuern. Diese eher traditionelle Auffassung weist auf einen eher geringen Autonomiespielraum hin. (Office of Public Sector Reform & HM Treasury 2002: 134, eine Kritik, die schon im „Fraser Report" von 1991 geauBert wurde). Zudem wurde argumentiert, dass die nunmehr von Agencies wahrgenommenen Aufgaben zur erfolgreichen Politikformulierung notwendig sind und deshalb nicht als separate Organisationen angesehen werden sollten (Office of Public Sector Reform & HM Treasury 2002: 11).^ Ahnlich kritisch iiber die gewahlten Ziele hat sich das „National Office Audit" geauBert (NAO 2002). So fehle nicht nur eine konsistente Basis fiir einen Leistungsvergleich im Zeitvergleich oder zwischen Organisationen, auch fehle weitgehend eine Verbindung zwischen den Instrumenten der Kostenkontrolle zu den Instrumenten, die auf die Erzielung von outputs und outcomes gerichtet sind. Diese beiden Untersuchungen stehen in einer langen Liste von offiziellen Reports (zehn), die nach den ersten Dokumenten (sechs, inklusive des Ibbs Report) iiber die Erstellung eines Planes fiir Executive Agencies produziert worden ^ Zu den Verbesserungsvorschlagen gehorte demnach, dass zu viele Ziele (targets) unterhalb der gegenwartigen Leistung gesetzt werden, dass so viele targets sich an intemen Prozessen, anstatt an Outputs und Outcomes orientieren, und dass zu wenig targets sich an der Erzielung von wirklicher Effizienz orientierten.
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sind. Besonders bedeutsam war hierbei der Eraser Report (Fraser 1991), der die Etablierung einer Kontaktperson fiir Agencies in den Kembiirokratien befiirwortete (diese wurden im Folgenden als „Fraser Figure" bezeichnet). Andere Untersuchungen, teilweise durch exteme Beobachter durchgefiihrt, konzentrierten sich dagegen vor allem auf die Beziehungen zwischen Ministerien, Ministem und Executive Agencies. Spatere Entwicklungen in der britischen Verwaltungsreformpolitik reduzierten potentiell die Autonomic der Next Steps Agencies. Besonders relevant hierbei war die Einfiihrung von market testing Ende 1991. Es wurde festgelegt, dass bestimmte Aktivitaten daraufhin untersucht werden mussten, ob sic nicht eventuell durch den privaten Sektor wirtschaftlicher erbracht werden konnten. Ziel war es, entweder die Aktivitat in den privaten Sektor auszulagem oder zumindest - bei einer Beibehaltung innerhalb des offentlichen Sektors - Effizienzgewinne zu erzielen. Diese Politik wurde sowohl als eine Einschrankung des Zieles von Next Steps, namlich der Verwaltungsautonomie der Chief Executives, angesehen also auch als eine MaBnahme, die unnotig die Aufmerksamkeit von internen Verbesserungsvorgangen ablenkte. Wahrend manche Beobachter in market testing ein weiteres Beispiel der Inkoharenz in der britischen Politik sahen, interpretiert James (1995) die Einfiihrung von market testing als einen (politischen) Versuch, biirokratische Autonomic, und dadurch eventuelles budget maximising, zu unterbinden. Es ist somit eine rationale (politische) Antwort auf (biirokratische) Versuche groBerer Delegation von Verantwortung.
1.3 Warum diese Entwicklungen im Nebel? Trotz aller Diversitat von Reformaktivitaten soil nun versucht werden, die Entwicklung von Next Steps Agencies zu erklaren. Insbesondere soil hier die Begeisterung, die die Next Steps-Initiative im Unterschied zu anderen Reforminitiativen ausgelost hat, diskutiert werden. Hogwood (1995) zeigt zum einen, dass es sich bei den Next Steps-Initiative um eine Easy win-Strategie handelte, die auf bereits existierende Organisationsstrukturen aufbauen konnte. Mit Blick auf die Umsetzungsstrategie wurde auf einen Ubergreifenden Reformplan, etwa mit einem Zeitplan und/oder einer Festlegung einzubeziehender Politikbereiche, weitgehend verzichtet. Neben diesem Erklarungsansatz des planlosen Inkrementalismus, der sich an easy wins orientiert, konnen aber auch andere Erklarungsmuster identifiziert werden. Eine entgegengesetzte Erklarung sieht Next Steps Agencies als eine logische und koharente Entwicklung der britischen und allgemeinen NPMReformen. Diese Form der Erklarung ist wenig iiberzeugend, da es sich bei den
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Next Steps Reformen eher um eine Reaktion gegen als eine logische Folge von FMI handelte. FMI war ein Versuch, ein Top-Management-System zu entwickeln, welches eine bessere Kontrolle iiber eine integrierte Biirokratie fordem sollte, anstatt zu versuchen, operative Aktivitaten auf nachgeordnete Einheiten zu iibertragen. Dieser politische Versuch durch FMI, Burokraten durch eine groBere Betonung von Management-Aufgaben und Effizienz anstatt von FoUtikformuHerung zu reformieren, loste viel Widerstand innerhalb der Biirokratie aus. Anstatt nun ihre Aufmerksamkeit auf Managementaktivitaten umzuleiten, waren Top-Biirokraten an der Kontinuitat ihrer (traditionellen) Rolle als ministerielle Berater und Politikformulierer interessiert (James 2003). Die Next Steps Ideen der Efficiency Unit waren somit fur Top-Biirokraten eine Moglichkeit der politischen Forderung nach „mehr Management" Folge zu leisten, aber gleichzeitig die alte Whitehall Rolle flir sich sicherzustellen (siehe James 1995 und Dunleavy 1991 mit der Idee des bureau shaping). Die Arbeit der Efficiency Unit war auch dementsprechend selbstreferentiell, indem die Informationsbasis des Next Steps Reports zu einem groBen Teil aus Top-Biirokraten aus Whitehall bestand. Diese Form der Erklarung sieht Biirokraten demnach als strategische Akteure im Angesicht wechselnder politischer Praferenzen. Sie zeigt, warum diese Art von Reformpolitik sowohl flir Top-Biirokraten als auch potentiell fiir Biirokraten mit Delivery-Funktionen attraktiv war. Diese Erklarung hat nur einen begrenzten Platz fiir Politiker, die wenig Zeit fiir die Aufsicht iiber biirokratische Aktivitaten haben und somit nur strategische Entscheidungen treffen. Delegation von Aufgaben an autonome Organisationen kann aber auch als politisch attraktive Option gelten. Dem blame delegation Argument von Fiorina folgend (1982, siehe auch Hood 2002), ist ein potenzieller Anreiz zur Delegation (nicht unbedingt nur im Fall von Next Steps Agencies) die Moglichkeit, unliebsame und unpopulare Aufgaben auf separate Organisationen zu iibertragen. Sollten dort „Pannen" geschehen, so kann der Minister dann als „Retter" erscheinen und bei der Agency „aufraumen", anstatt als „Pannenmeister" in die Kritik zu geraten. Diese Erklarungsmuster zeigen deutlich, dass Verwaltungsreform weniger mit einem fortschrittlichen Glauben an Effizienz und neutrale Implementation politischer Praferenzen zu tun hat, sondem durch die Handlungsrationalitaten unterschiedlicher Akteure gepragt ist. Warum bestimmte Optionen attraktiv werden und andere nicht, ist ein Prozess, der nicht durch wissenschaftliches Testen verschiedener Reformoptionen entschieden wird. Die unterschiedlichen Tendenzen in der britischen Verwaltungsreformpolitik, die sowohl „mehr Kontrolle" als auch „mehr Autonomic" in unterschiedlichen Phasen mit verschiedenen Initiativen fordem, ist aber zugleich eine Wamung gegeniiber der Tendenz, sowohl New Public Management-Reformen im allgemeinen wie auch britische
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Reformen im speziellen als ein koharentes Blindel an Instrumenten anzusehen (siehe auch Aucoin 1991).
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KoUisionen im Nebel der Verantwortung
Eine der zentralen Aussagen des NPM, die durch agencification hervorgehoben werden soil, ist die transparente Verteilung von Verantwortung. Minister sollten, wie bereits oben erwahnt, Telle ihrer Aufgaben delegieren, und Chief Executives und ihre agencies sollten in ihrem gewahrten Freiraum autonom und selbstverantwortlich agieren konnen. Ob allerdings die strategischen Interessen der verschiedenen Akteure, die zu diesem neuen agency bargain fuhrten, „erfolgreich" umgesetzt wurden, soil in den folgenden beiden Abschnitten naher diskutiert werden. Dieser Teil befasst sich mit drei kurzen Fallstudien von Executive Agencies, die sich mehr oder weniger unfreiwillig im Lichte der Offentlichkeit befanden, der Child Support Agency, dem Prisons Service und der Passport Agency. Es mag zwar sein, dass Executive Agencies eigentlich hervorragend operieren, und man deshalb die Analyse nicht auf die besonderen Falle konzentrieren soil (so wie Polidano (1999) argumentiert). Aber die Analyse von Verwaltungspolitik ahnelt dem Uberlebenskampf im Alltag - erst wenn Wasserlachen erscheinen, erkennt man, dass die Waschmaschine leckt (wahrend man sich nicht so sehr uber das Verschwinden einzelner Socken wundert). Daher wird im Folgenden versucht, auf Grundlage kurzer Fallstudien zu diskutieren, ob und was diese Falle iiber die Qualitat von Next Steps-Beziehungen aussagen konnen. Die drei folgenden Kurzfallstudien stellen besondere Falle von „Wasserlachen" dar, die nicht nur besondere Aufmerksamkeit erweckten, sondern auch teilweise institutionelle Veranderungen provozierten.
2.1 Child Support Agency Der Fall der Child Support Agency war der erste prominente Fall einer Next Steps Agency, die in die offentliche Kritik geriet. Es war aber auch insbesondere ein Fall, wo eine unpopulare Politikentscheidung (siehe Harlow 1999) erhebliche Opposition und Widerstand hervorrief, die dann teilweise auf die Agency gelenkt wurden - und dadurch Konflikte iiber die konkrete Verteilung von politischer und operativer Verantwortung ausloste. Der Hintergrund flir die Existenz der Child Support Agency war der rapide Anstieg von Sozialausgaben fiir den Unterhalt alleinstehender Eltem (92 Prozent dieser alleinstehenden Eltern waren
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Mutter). AuBerdem gab es Kritik an der „lockeren" Vollzugspraxis der Verwaltung, wenn es darum ging, die haufig nicht geleisteten Unterhaltszahlungen des „abwesenden" Elternteils einzufordem. Die Child Support Agency wurde im April 1993 gegriindet (auf der Basis des 1991 Child Support Act). Die Aufgabe der Executive Agency war es, sicherzustellen, dass „abwesende Eltem" ihre finanzielle Unterstlitzung fiir die Erziehung und den generellen Unterhalt ihrer Kinder leisteten. Die erste Chief Executive, Ros Hepplewhite, kam nicht aus der offentlichen Verwaltung, sondern aus dem Wohlfahrtssektor. Sie stand schnell im Zentrum der Kontroverse, zum einen auf Grund politischer Entscheidungen im Gesetzgebungsverfahren und zum anderen auf Grund von Fehlern im Management der Agency selbst, die noch mehr Opposition gegen das Gesetz provozierten. Hepplewhite nahm eine aktive Rolle in der offentlichen Diskussion iiber ihre Agency ein und verlangte, auch in Diskussionen iiber Politikentscheidungen gehort zu werden - ein Privileg, das traditionell und auch in diesem Fall von Ministern beansprucht wird. Im September 1994 trat Hepplewhite nach einer Untersuchung der Managementmethoden in der Agency zurlick und wurde durch eine Karrierebiirokratin, Ann Chant, ersetzt. Bis 1999 wurden ftinf auBerst kritische Berichte iiber die Politik und das Management der Child Support Agency vorgelegt. Neben operativen Problemen wurden einige grundlegende Konstruktionsschwachen fiir die Magnetwirkung des Protestes gegeniiber der CSA verantwortlich gemacht - insbesondere die Autonomic der Agency bei der Festlegung der Zahlungsbeitrage der unterhaltspflichtigen Eltemteile. Diese Autonomic wurde aber durch bestimmte, politisch gesetzte Zielvorgaben beschrankt, die das Handeln der Agency maBgeblich beeinflussten. Daher war ein besonderer Kritikpunkt die Wahl von Zielvorgaben, die zu einer Konzentration der Verwaltungsaktivitaten auf die „leichten" Gewinne fiihrten (die Motivation war „the maximisation of the maintenance yield" indem zahlende Elternteile intensiv „betreut" wurden und wenig Interesse seitens der agency bestand, nicht zahlende und „fluchtige" Eltemteile zu identifizieren), sowie die hohe Anzahl von Fehlern in der Berechnung und groBe Schwachen in der Bearbeitung von Beschwerden iiber Entscheidungen der Agency. Diese Ziele, die das dann kritisierte Verhalten der Agency auslosten, wurden aber vom Treasury durchgesetzt (Campbell and Wilson 1995: 279). Die Child Support Agency war somit zum ersten bekannten politischen Krisenfall einer Executive Agency geworden. Dieser Fall ist nicht nur wegen des Rlicktritts des Chief Executive interessant, sondern weil die Probleme begrenzter Autonomic und auch unterschiedlicher Rollenverstandnisse deutlich werden.
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2.2 Prison Service Der Strafvollzug gehort nicht nur in GroBbritannien zu den politisch schwierigsten Portfolios. Er gehort zu den Aufgabenbereichen, in denen blame avoidance in Krisensituationen fiir politische Akteure sehr schwer ist. Daher ist diesem Politikbereich ein hohes MaB an Politisierung inharent. Zugleich ist der Strafvollzug ein Bereich, in dem Delegation von Verwaltungsaufgaben bereits seit langerer Zeit praktiziert worden war. Erst in den spaten 1960er Jahren war es zu der Eingliederung in das Home Office gekommen. Die Episode um die Entlassung des ersten Agency Chief Executive, Derek Lewis, zeigt die Probleme, die bei dem Versuch, eine Aufgabentrennung durchzufiihren, entstehen konnen. In dem Fall der Prisons Agency war die Beziehung zum „Department", dem Home Office, von Beginn an problematisch (siehe Hood et al. 1999: 121). Finanzbeziehungen und Zustandigkeiten waren nicht klar gekennzeichnet worden, und der Agency war nur eine sehr begrenzte organisatorische Unabhangigkeit eingeraumt worden. Wie auch in den anderen Executive Agencies waren die Zielbestimmungen der Agency in verschiedenen Dokumenten „festgelegt". Zum einen wurden Ziele in dem „personal performance bonus" fiir den Chief Executive festgelegt, zum anderen gab es Zielsetzungen im framework documen'\ welches vom „Mutterhaus", dem Home Office, verfasst worden war. Weitere Ziele waren in den corporate und den business plans der Agency selbst festgelegt - diese Plane standen unter Genehmigungsvorbehalt durch das Home Offices, mussten zuvor aber auch vom Treasury und Cabinet Office genehmigt werden. Im April 1993 kam es zur Entstehung einer „Prison Service Agency". Der erste Chief Executive des Prison Service wurde schnell als Modell fiir Next Steps gefeiert. Derek Lewis wurde von auBerhalb des civil service rekrutiert und erhielt eine - im Vergleich zu anderen Chief Executives - iiberdurchschnittliche Bezahlung. Er hatte eine Karriere im Mediensektor hinter sich, in der er sich einen Namen als „Retter" von Untemehmen in Schwierigkeiten gemacht hatte. Besonders kritisiert wurde die personliche Einmischung des Ministers, Kenneth Clarke, in der Auswahl von Lewis. Obgleich die Prison Agency alle Zielvereinbarungen erfiillt hatte, kam es im Zusammenhang mit einer Ausbruchsserie aus Hochsicherheitsgefangnissen zur Entlassung von Lewis, nachdem der damalige Home Secretary, Michael Howard, zuvor erfolglos im Oktober 1995 den Rucktritt von Lewis gefordert hatte. Provoziert wurde die Entlassung durch den sog. Learmont Report, der sich mit der Serie von Ausbriichen befasste (Learmont 1995).^ Lewis kritisierte nicht nur ^ In den Gefangnissen von Whitemoor und Parkhurst waren 1994 und 1995 u.a. fiinf IRA Terroristen entkommen, in 1991 in Brixton 2 IRA Terroristen und im nordirischen Maze in 1983, 38 IRA Gefangene.
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diesen Learmont Report, der Management-Fehler in den Gefangnissen und in der Prisons Agency als Griinde fiir Sicherheitsliicken in den Gefangnissen identifiziert hatte, sondem klagte auch gegen das, aus seiner Sicht nicht legale, Verfahren seiner Entlassung. Obgleich das Home Office einer auBergerichtlichen Einigung zustimmte, kamen im Zuge der Affare einige Details iiber die Beziehung zwischen dem verantwortlichen Minister und Lewis an die Offentlichkeit. Zum einen informierte Lewis liber die sehr weitgehende Beteiligung des Ministers an den Entscheidungen der Agency. Eine konsequente Trennung zwischen operativen Aufgaben, die von der Agency wahrgenommen werden, und grundsatzlichen Policy-bezogenen Aufgaben des Ministeriums wurde von Seiten des Ministeriums immer wieder durchbrochen.^^ Gleichzeitig spielte aber auch die Prison Agency eine politische oder politisierte Rolle - und wurde immer wieder in Politikformulierungsprozesse eingebunden. So stellte der LearmontReport beispielsweise fest, dass die Prison Agency innerhalb von 83 Arbeitstagen (zwischen Oktober 1994 und Januar 1995) 1.000 Dokumente an das Ministerium weiter gab. Von diesen 1.000 Dokumenten wurden 137 als politisch relevant charakterisiert. Die Agency, die angeblich nur fiir die Verwaltung politischer Zielen zustandig sein soil, spielte also auch eine politische Rolle. Zudem zeigt dieser Fall, dass der Chief Executive nicht nur in einer Beziehung zu dem Minister stand, sondern auch zu dem Permanent Secretary des Departments und menage a trois sind ja grundsatzlich nicht fiir ihre Stabilitat bekannt. In diesem Fall war der Permanent Secretary besorgt, dass sich die Kommunikationsstrome hauptsachlich zwischen Minister und Agency abspielten und somit das Department selbst nicht in den Informationsfluss eingebunden war. Vor diesem Hintergrund wurde eine eigene Einheit innerhalb des Home Office geschaffen, die Prison Service Monitoring Unit, um die Agency zu beobachten. Das Fallbeispiel der Prison Agency illustriert nicht nur die unterschiedlichen Handlungsrationalitaten der Akteure, er zeigt auch, welche formalen Probleme mit dem Versuch einer Trennung von Ministerium und Agency verbunden sein konnen. So bleibt es im Bereich der operativen Aufgaben bei einer problematischen „Semi-Autonomie" der Agency; die wesentliche Verantwortung, u.a. auch fiir fmanzielle Aspekte, liegt weiterhin beim Permanent Secretary (Baker 1998).^' Dieser Fall dient als Beispiel fiir die Problematik einer Trennung von Verwaltungs- und Politikaufgaben, in einem Politikfeld, in dem die Vollzugsaufga'° Ein Beispiel war die Anordnung von einheitlichen Durchsuchungen, obwohl die Agency vorher eine differenzierte Vorgehensweise befUrwortet hatte. Durchsuchungen von Gefangenen sind durchaus als operative, und nicht als Policy-Entscheidung zu verstehen. " Im tibrigen wurden nach dem Lewis-Fall Personalentscheidungsprozesse formalisiert, um ministerielle Moglichkeiten der Einmischung zu reduzieren.
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ben durch plotzlich eintretende Krisen unkontrollierten Politisierungsschiiben ausgesetzt sein konnen und ggf. auch sind. In solchen Fallen konnen weder formelle Dokumente noch Zielvorgaben die Trennung sicherstellen. Der Fall zeigt aber auch die Dynamik, die mit der offentlichen Rolle der Chief Executives verbunden sein kann. Wahrend civil servants sich in der Vergangenheit weitgehend loyal ihrer Organisation gegeniiber verhalten haben und sich zu intemen Vorgangen nicht offentlich auBerten (und auch in relativer Anonymitat agierten) (Moran sieht dies als ein typisches Beispiel von „club government", Moran 2003), so sind die Chief Executives - als AuBenseiter und haufig auch Quereinsteiger - offensichtlich weniger gewillt, schweigsam ministerielle Personalentscheidungen zu akzeptieren die sich gegen die eigene Person richten. Delegation kann demnach also nicht nur zur Entpolitisierung von Vollzugsaufgaben fiihren, sondern einen gegenteiligen Effekt nach sich ziehen: Es kommt zur Veroffentlichung intemer Konflikte und zu einer zusatzlichen Politisierung (siehe auch Polidano 1999).^^ Neben der Lektion der problematischen Trennung von Aufgaben, kann dieses Beispiel auch dazu dienen, auf die Problematik der Delegation hinzuweisen: Nicht immer fiihrt Delegation dazu, dass Ministerien sich der Verantwortung fiir Krisen oder banaleren Implementationsproblemen entziehen konnen, haufig kommt es sogar zu einer Verstarkung der Kritik.
2.3 Passport Agency Die Passport Agency erhielt ihren Eintrag in die Verwaltungsgeschichte indem sie ihm Juli 1999 als erste offentliche Verwaltung ihre „Charter Mark" verlor. Diese Charter Marks sind Zertifikate fiir guten Service im offentlichen Dienst. Die Passport Agency wurde als ein Versager abgestempelt, obwohl sie ihr Ziel erreichte, 99,9 Prozent aller Antrage vor Reisebeginn des Passinhabers zu bearbeiten. Der Grund fiir den Verlust der Charter Mark lag in der unglucklichen Konstellation, dass durch das Inkraft-Treten eines neuen Gesetzes der Bedarf an neuen Reisepassen kurzfristig in die Hohe schnellte, wahrend eine neuen Technologic (in der Agency) eingefuhrt wurde. Resultat war ein Ruckstand bei der Bearbeitung von iiber 565,000 Reisepassantragen im Juni 1999, eine Verlangerung der Bearbeitungszeit fiir Passe auf 50 statt zehn Arbeitstage, zusatzliche '^ Ein ahnlicher Effekt ergab sich wahrend der Schulexamenkrise in England und Wales im Jahr 2002. In diesem Fall wurde der Chairman der Qualifications and Curriculum Authority auf Grund seiner offentlichen Verdachtigungen einer ministeriellen Intervention in die Untersuchung iiber eine Examenskrise entlassen (es handelte sich hierbei um die nachtraghche Kontrolle von Abschlussnoten um Kritik der „grade inflation" aus dem Weg zu gehen, nachdem eine Reform der A-Levels (das britische Abitur) erstmals durchgefiihrt wurde). Die Regierung entschadigte den ehemaligen Chairman und entschuldigte sich fiir seine Fehler, bevor die Affare vor Gericht kam.
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Ausgaben von £12.6 Million (wovon £6 Millionen flir die kurzfristige Rekrutiemng von und Uberstundenzahlungen an Personal benotigt wurde), die Zahlung von £161,000 an Entschadigungen (hauptsachlich fiir des Einkommensverlust, weil Reisepass direkt abzuholen waren, weniger fiir „verlorene Urlaube" (welche sich auf 50 beschrankten, £5000 in Essencoupons (£1.25 pro Coupon), aber auch £16000 fiir 1200 Regenschirme fiir die Schlangen vor den Bliros wegen der widrigen Witterungsbedingungen.^^ Die Einfuhrung der neuen Technologie war zentrale Element eines 10Jahres Vertrags mit Siemens Business Services (liber £230 Millionen); die erste Private Finance Initiative, die von der Labour Regierung nach 1997 durchgefiihrt wurde. Die neue Technologie wurde just zu dem Zeitpunkt in den Ausgabestellen in Newport und Liverpool eingeflihrt, zu dem das neue Gesetz vorschrieb, dass auch Kinder unter 16 Jahren ihren eigenen Reisepass erhalten sollten. Auf Grund des „Antragsbergs" und offentlicher Panik, moglicherweise nicht in den Sommerurlaub fahren zu konnen, reagierte der Home Secretary und lockerte die Bedingungen fiir die kostenlose Verlangerung von existierenden Passen (in Postamtem). Dies folgte einer friiheren MaBnahme der Agency im Februar 1999, die Uberprlifung von Antragen zu verringern, um die Produktion zu erhohen. Nachdem kritisiert wurde, dass diese MaBnahme nur die Anzahl von gefalschten Antragen fordem wlirde, wurde sie aber bereits nach wenigen Wochen zuriickgezogen. Wahrend die Schlangen sich vor den Ausgabestellen verlangerten, kam es zu einem blame game zwischen den Akteuren. Minister warfen insbesondere Siemens Business Services vor, technologisch nicht auf die erhohte Nachfrage nach Passen eingestellt gewesen zu sein. Zudem wurden die neuen technischen Anlagen als zu komplex (anstatt acht wurden 27 Tastaturanschlage flir die Bearbeitung notig) und fehlerhaft angesehen. Am ersten Tag produzierte die erste Anlage in Liverpool nur einen Pass anstatt der geplanten 5.000 (und in der ersten Woche wurden weniger als 100 Passe produziert). Der Agency dagegen wurde vorgeworfen, das Problem nicht emsthaft genug angegangen zu sein, zum Beispiel reagierte die Agency viel spater als Siemens Business Systems auf die operativen Probleme bei der Rekrutierung von zusatzlichem Personal. Zudem entschied sie (und Minister stimmten dieser Entscheidung zu), die neue Technologie auf die zweite Ausgabestelle in NewportAVales auszuweiten, trotz eines Berichtes einer Beratungsfirma (Coopers & Lybrand), in dem vor einer frlihzeitigen Ausweitung der neuen Technologie gewarnt wurde. Weiter wurde bekannt, dass es Politik der Agency war, Anrufe auf eine speziell eingerichteten Telefon'^ Das Home Office berichtete, dass nur 1-2 Regenschirme nicht zuriickgegeben wurden. Zudem wurden die Schirme sicher gelagert, um bei zukiinftigen queue management programmes zum Einsatz zu kommen.
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„hotline" nicht zu beantworten, um die Bearbeitung von Antragen zu beschleunigen. Nachdem der offentliche Protest liber Wartezeiten im Juni 1999 einen neuen Hohepunkt erreichte und die Passport Agency dennoch offentlich davor warnte, in Panik zu verfallen, griff der Home Secretary, Jack Straw, ein. Nicht nur erleichterte er die Emeuerung von Passen, sondem ordnete auch verlangerte Arbeitszeiten an und untersagte dem Personal der Passport Agency, am Sporttag des Ministeriums teilzunehmen (Personal nahm trotzdem teil). Zudem wies er im Parlament darauf hin, dass besondere Problemfalle sich in einem direkten Brief an den verantwortlichen Beamten (Kevin Sheehan) wenden sollten.^"^ Minister kamen allerdings auch in die Kritik, da sie nicht nur verantwortlich fur den Vertrag mit Siemens Business Systems gewesen waren, sondem auch durch ihre Entscheidung, Reisepasse auch flir unter 16-jahrige Kinder obligatorisch zu machen, fur die erhohte Nachfrage gesorgt hatten.^^ Das National Audit Office identifizierte Fehler in der Planung und der Einfiihrung und kritisierte die zu schnelle Einfiihrung und Verbreitung der neuen Technologic sowie die schlechte Kommunikation mit der Offentlichkeit (NAO 1999). Das Ziel von 99,9 Prozent nicht verhinderter Reisen wurde als nicht akzeptabel dargestellt: „The Home Office accepts that this target did not reflect a meaningful standard of service for the public." Der zustandige Juniorminister, Mike O'Brien, verlor das Reisepass-Portfolio im Zuge der nachsten Regierungsumbildung. Die Gebiihr fur Reisepassantrage wurde im folgenden Jahr erhoht, teilweise um die entstandenen Kosten zu kompensieren. Aber insgesamt gelang es in diesem Fall, anders als im Fall der Prison Agency Fall, politisch die Verantwortung der Agency sowie dem privaten Anbieter der neuen Technologic, Siemens Business Services, zuzuweisen. Dieser Fall zeigt, dass viele Probleme nicht eindeutig durch schlechtes Management verursacht werden, sondem aus der Interaktion von Akteuren mit unterschiedlichen Handlungsrationalitaten resultieren. Dies war auch der Fall in der Scottish Qualifications Agency, wo eine neue Software geschrieben werden musste, obwohl die Verwaltungsprozeduren fiir das Management der neuen Datenstrome noch nicht verabschiedet worden waren und das Schulcurriculum noch entwickelt wurde. Dies fiihrte dazu, dass die von Schulen und der Agency verwendete Software inkompatibel war. Nachdem erkannt worden war, dass die '^ Dies ist uniiblich, well der Konflikt Minister-Agency nicht den Chief Executive, sondem den verantwortlichen Beamten in der Agency betrifft. Der damalige Chief Executive stand kurz vor seiner Pensionierung. '^ Diese Entscheidung wurde aufgrund von Druck von Kinderwohlfahrtsorganisationen getroffen, welche das Ausstellen eines Reisepasses fur Kinder als ein wirksames Mittel gegen die Entflihrung von Kindem in das Ausland sahen. Allerdings wurde diese MaBnahme durch eine weitere Regierungsentscheidung, Reisepasskontrollen bei der Ausreise drastisch zu kiirzen deutlich in ihrer Effektivitat reduziert.
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manuelle Eingabe von Daten zu groBen Fehlermengen gefuhrt hatte, mussten die Ergebnisse erneut untersucht werden. Elf Tage nach der eigentlichen Veroffentlichung der Examensresultate waren 5000 Studenten noch ohne bestatigte Examensresultate (und verfiigten somit nicht liber eine sichere Zugangsberechtigung zu Universitaten). Obwohl die schottische Exekutive zwar recht friihzeitig liber das Problem informiert wurde, wurde spater argumentiert, dass die Agency ihre Probleme verleugnetet hatte. Dies fiihrte schlieBlich zu der offentlichen Intervention des Ministers, nicht nur in der Auswechselung des Chief Executive (The Sunday Herald, 20. August 2000). Man mag wie Polidano (1999) argumentieren, dass es nicht fair ist, die am starksten politisierten Bereiche auszuwahlen, um die Next Steps-Initiative zu bewerten. Es konnte sich bei diesen Fallen namlich um spezifische und nicht generalisierbare Beispiele handeln, bei denen die Trennung von ,J^olitik" und „Management" entweder besonders schwer oder unmoglich ist. In anderen (vielleicht sogar den meisten) Fallen konnte diese Trennung ohne groBe Probleme vollzogen werden. Zudem sind Entwicklungen, wie in dem Fallbeispiel der Prison Agency im Bereich des Strafvollzugs durchaus verbreitet - und zwar auch in anderen Staaten (ohne Executive Agencies) (Lodge 2003) wie in GroBbritannien vor der Einrichtung der Agency (Polidano 1999). Es konnte sich also eher um Besonderheiten des Politikfeldes handeln, die flir die beschriebene Entwicklung ursachlich sind. Diese Fallbeispiele zeigen allerdings auch, dass policy failure in manchen Fallen eben erst auf der Vollzugsebene sichtbar wird - was ein entsprechendes Politikfeld in der Risikomanagement-Perspektive politischer Akteure moglicherweise fiir eine Delegation von Verantwortung attraktiv macht. Diese Falle konnen demnach als Einsicht in das Leben der Executive Agencies gelten, wenn man akzeptiert, dass man eben nur die Fehler eines Systems erkennt, wenn es leckt, brennt oder stinkt. Sie konnen aber nur als reprasentativ fur bestimmte Dynamiken gelten, wenn sie in anderen Politikfeldern ebenfalls auftreten, ohne dass es in jedem Fall zu einer medialen Skandalisierung kommt. Demnach kann man durch die Episoden, in denen der Nebel durch Medieninteresse und offenthche Aussagen von Beteiligten teilweise gelichtet wird, jene Dynamiken erkennen, die sich ansonsten im Nebel der britischen Verwaltung abspielen. Interviews zeigen, dass der agency bargain, also die Akzeptanz der autonomen Verwaltung bestimmter Aufgaben, sich als nicht stabil erwiesen hat: There is a plus for ministers in this, because if we screw up, then they can distance themselves from it. At the moment, what they want is the best of both worlds, they
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Martin Lodge want to interfere; and when things go wrong, they want to say it was not me, blame [the Agency]. ^^
Im Gegensatz zu Polidano (1999), der die Moglichkeit des offentlichen Konflikts gerade als einen Sicherheitsmechanismus fUr die operative Autonomie von Agencies ansieht, haben Ministerien andere Mechanismen gesucht, um dieses Risiko des offentlichen Konflikts zu minimieren. Minister haben Schwierigkeiten, dem offentlichen Druck standzuhalten, um die operative Autonomie einer Agency zu garantieren, auch wenn es sich tatsachlich um rein administrative Vollzugsaufgaben handelt. Zudem gab es nur eine begrenzte Akzeptanz der Autonomie in all den Entscheidungsfeldem, die moglicherweise negatives Medienlicht auf den Minister hatten werfen konnen. Besonders nach dem Skandal um Derek Lewis kam es zu „vorsichtigeren" Personalentscheidungen bei der Besetzung von Chief Executives (wie auch die Prison Agency viel enger an das Home Office angebunden wurde). Das informelle Wissen der Grenzen der Autonomie scheint flir die Biirokratie (wie auch fur die Politik) wichtiger als die Rekrutierung von Fuhrungspersonal, das „externes Wissen" in das Management der Agencies einbringt (diese administrative Tugend ahnelt sehr Sissons Beschreibung vom britischen biirokratischen Verstandnis aus „surrogates of the minister", Sisson 1959). In der Zwischenzeit ist auch der Unterschied zwischen dem Whitehall civil service und dem Agency civil service teilweise verringert worden, Auf der einen Seite wurden Top-Positionen innerhalb der Kembiirokratie auch offentlich ausgeschrieben (und deren Umfang erheblich ausgeweitet, auch wenn dies nicht unbedingt in den Beforderungen deutlich wurde) und das Gehalt fur Whitehall Top-Biirokraten erfuhr ebenfalls einen Schub nach oben. Auf der anderen Seite wurden die Vertrage fiir Chief Executives von befristeten auf „rolling conctracts" umgestellt. In der abschlieBenden Diskussion sollen mogliche Erklarungsmuster fiir die fehlende Stabilitat des agency bargain in der Whitehall Welt diskutiert werden.
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Schiffbruch im Nebel?
Ungeachtet eines urspriinglichen Misstrauens auf Seiten von Labour gegeniiber der konservativen Herkunft der Executive Agencies, hat der Regierungswechsel 1997 nicht zu einer Kehrtwende im Bereich von Executive Agencies gefiihrt. Gleichwohl sind heute innerhalb der Regierung aber auch kritische Positionen zu den Executive Agencies verbreitet - trotz der schon angefiihrten offiziellen, ' Interview mit Senior official, November 2003.
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insgesamt positiven Evaluationen (Office for Public Service Reform and HM Treasury 2002). Ein Teil der Kritik zielt auf die fehlende Stabilitat des agency bargain, der den Chief Executives mehr Autonomic, aber auch mehr direkte Verantwortung iibertragt. Es war insbesondere dieser Aspekt der Next Steps-Idee, der fiir viel Enthusiasmus unter den Biirokraten sorgte. Neben ministeriellen Interventionen sind fiir diese Enttauschung auch biirokratische Karriereanreize verantwortlich. Trotz der Aufwertung der Vollzugstatigkeiten und hoheren Anforderungen an das Management, werden biirokratische Karrieren weiterhin nicht in den Executive Agencies, sondem im Zentrum gemacht. Ein besonderes Augenmerk fallt hier auf die Rolle der Chief Executives. Zum einen wird deutlich, dass nur wenige Biirokraten wilHg sind, als chief executives eine freistehende Rolle zu spielen, um eigene Karrierechancen nicht zu storen. Stattdessen wird lieber sichergestellt, dass das Verhaltnis zum „Mutterschiff" harmonisch ist. Als erfolgreiche (d.h. autonome) agency chiefes werden dagegen gerade diejenigen ex-Whitehall executives angesehen, die bewusst keine Karriere mehr in Whitehall machen woUen. Zum anderen ist auch die Rolle von AuBenseitem weniger positiv zu sehen, trotz der weiterhin bestehenden Faszination in der britischen Verwaltungsreformpolitik fiir Quereinsteiger. Die fehlende Sozialisation in der britischen Verwaltungstradition wird nicht nur als ein Grund fiir offentlich ausgetragene Konflikte mit Ministem gesehen (wie im Fall Derek Lewis), sondem steht auch der informellen Kommunikation zwischen Ministerium und Agency im Wege (siehe auch Gains 2003: 68). Zwei potentielle Erklarungsmuster konnen fiir dieses Muster des Scheiterns des bargain bemiiht werden: •
In einer strategischen Perspektive kann argumentiert werden, dass der „agency bargain" einfach nicht gentigend Resistenz gegeniiber den politischen Interessen entwickeln konnte. Die Gelegenheitsstruktur fiir Politiker, zwar die Verantwortung fiir die konkreten Verwaltungsaufgaben gegeniiber der Offentlichkeit zu delegieren, aber gleichzeitig weiterhin indirekt Kontrolle tiber die Aktivitaten auszuiiben, war einfach zu groB, als dass die Autonomic der Executive Agencies hatte akzeptiert werden konnen (Hood 2002, 2000). Dieser Effekt wurde dadurch verstarkt, dass dieses blame game von manchen Chief Executives nicht gespielt wurde (bzw. auch, dass man aus politischer Sicht nicht sicherstellen konnte, dass die Medien nicht trotzdem die Verantwortung auf den Minister schieben wiirden). Daher kam es einer verstarkten ex ante Kontrolle der Agencies. Zum einen konnte es sich hierbei um nicht-intendierte Folgen handeln, in dem Politiker nachtraglich bedauem, so viel Verantwortung delegiert zu haben; sei es sogar aus
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Martin Lodge dem Grund, dass sich Chief Executives nicht an den bargain halten. Andererseits bietet der agency bargain vielleicht von vomherein die Gewissheit fiir Minister, trotz Delegation in den Bereich der executive agency intervenieren zu konnen (da es in der britischen Tradition von „arm's length relationships" immer solche Beziehungen und Interventionsmuster gegeben hatte) (siehe auch Hood 2000). Im Bereich der Delegation okonomischer Regulierungsfunktionen an Regulierungsbehorden wurde von Levy und Spiller (1995) argumentiert, dass Westminster-Demokratien ein fundamentals Problem mit dem commitment durch parlamentarische Mittel haben (indem einfache Regierungsmehrheiten fiir weitreichende Politikveranderungen sorgen konnen), Executive Agencies fehlt im Gegensatz zu den Regulierungsbehorden sogar die Grundlage eines Gesetzes (andere Westminster Demokratien haben dagegen durch Gesetzgebung ahnliche Agencies eingesetzt, zum Beispiel Jamaika). Prinzipiell hat aber der agency bargain im Falle der Next StepsAgencies kein commitment gezeigt: Minister waren nicht an der Einhaltung der neuen Verantwortungsteilung interessiert, es kam zum shirking. Sollte dieses Argument auf den Bereich von Agencies ausdehnbar sein, wiirde dies bedeuten, dass parlamentarische Demokratien des Westminster-Typus grundsatzlich kein glaubwurdige Delegation an Agencies durchfiihren konnen, wahrend andere konstituionelle Formen dazu potentiell besser in der Lage sind. Eine zweite, nicht unbedingt inkompatible Perspektive wiirde das Scheitem des agency bargain als ein Produkt der historisch gewachsenen britischen Verwaltungskultur sehen. Wie schon erwahnt, erkannte Sissons als eine Grundkompetenz des britischen Blirokraten, surrogates von Ministem zu werden. Zudem waren viele Prozesse das Produkt bestimmter historisch gewachsener Konventionen, die durch die Homogenitat des club government konserviert wurden (Moran 2003). In einem System, in dem die biirokratische Rationalitat auf die Darstellung des Ministers ausgerichtet ist und somit nur wenige autonome Elemente hat - konnen Elemente der Autonomic nur als ,Jrritation" gesehen werden. In der Welt eines WhitehallBargain, der auf „serielle Loyalitat" gegeniiber den unterschiedlichen Regierungen abstellt, hat ein formaler bargain, der Autonomic vorschreibt, daher wenig, oder sogar gar keine Resonanz. Dominierende Verhaltungsmuster erzwingen entweder Adaption des agency bargain an etablierte Handlungsorientierungen und -muster oder dessen mehr oder weniger heimliches Verschwinden in eine erweiterte Form des traditionellen Whitehall bargain.
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Beide Interpretationen weisen auf eine gewisse Hoffnungslosigkeit hinsichtlich einer effektiven agencification in Whitehall hin. Politiker sind Politiker und Biirokraten sind Blirokraten und somit ist Wandel nicht vorstellbar. Ob diese Verhaltensweisen veranderbar sind, wird kontrovers diskutiert. Ein Vorschlag ist, den Agencies mehr Teilnahme an der Politikformulierung zu gewahren, um ihnen somit einen erhohten Status einzuraumen, Probleme der Implementierung schneller identifizieren zu konnen und die Kommunikationsfliisse zwischen Agency und Ministerium zu verbessem. Neben dieser „naher dran" Option (die den Mythos der Trennung von operation und policy formulation zerstoren wlirde), existieren auch zwei „weiter weg" Optionen. Die eine „weiter weg" Option sieht vor, das politische Risiko einer Intervention in die Tatigkeiten von Agencies zu erhohen. Es wird vorgeschlagen, die Framework Documents besser zu definieren, um so die Grenzen zwischen den Akteuren und die Zielvorstellungen besser dokumentieren zu konnen. Ein derartiger Vorschlag wiirde aber kaum den Handlungsmotiven der Politiker und Biirokraten in den Kemministerien entsprechen. Der andere „weiter weg" Vorschlag sieht gr56eren Raum fur eine veranderte freedom of information Gesetzgebung vor, die die Kosten der Veroffentlichung von „indiskreten Konversationen" zwischen Ministerium und Executive Agency potentiell in die Hohe treiben konnte. Hier wird das Beispiel von Neuseeland angefuhrt (siehe aber Gregory 1998). Gegen diese Option sprechen wiederum die Handlungsrationalitaten der verschiedenen Akteure, sowie eventuell auch das Argument, dass bestimmte Optionen nicht einmal zwischen „Verwandten" wie Neuseeland und GroBbritannien erfolgreich transportiert werden konnen. Zudem v/urde freedom of information entweder die traditionelle informelle Kommunikation von Ministern und ihren Biirokraten in der Politikberatung verandern, oder auf andere, nicht feststellbare Kommunikationswege umleiten. Am Anfang wurden drei weit verbreitete Einschatzungen zu den Next Steps-Agencies diskutiert und hinterfragt. Ziel dieses Textes war es, trotz seiner Kiirze und seiner begrenzten Ambitionen, vor solchen Formen der Stereotypisierung zu warnen, besonders wenn diese Stereotypen als Grundlage fiir Reformforderungen in ganz anderen Kontexten beniitzt werden. Die britischen Next Steps-Reformen wurden nicht als ein koharentes spezielles Programm geplant (weder in Umfang oder Zeitplan), sie waren nicht in ein koharentes Verwaltungsreformprogramm eingebettet, und ihr fundamentals Verstandnis, das Herstellen eines agency bargain, war nicht erfolgreich (und Evaluierungsstudien zeigen ein gemischtes Bild). AuBerdem zeigt der urspriingliche „Erfolg" der Next StepsIdee im Gegensatz zum Beispiel zur Financial Management Initiative, dass solche Reformen durch das strategische Verhalten der betroffenen Akteure zu verstehen sind und weniger als das Resultat heroischer policy entrepreneurs der der
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plotzlichen Einsichten in „bessere" Verwaltungsmethoden. Wie in jeder Beziehung verandem sich die Interessen der beteiligten Akteure im Zeitverlauf, was am Anfang als besonders attraktiv erschien, und daher enthusiastisch von den verschiedenen Beteiligten aufgenommen wurde, erschien spater weniger attraktiv; Next Steps Agencies haben zwar vielleicht nicht vollig Schiffbruch erlitten, aber sie haben erhebhch Leek geschlagen.
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Ministerielle Steuerung von Regulierungsbehorden Ein britisch-deutscher Vergleich der Telekommunikationsregulierer OFTEL und RegTP^ Dominik Bollhojf
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Einfiihrung
Die Regulierung von Netzwerkindustrien durch Regulierungsbehorden, wie im Bereich der Telekommunikation europaweit iiblich, stellt fUr den Staat eine neue Herausforderung dar. Telekommunikationssektoren wurden lange als naturliche Monopole definiert und durch Post-, Telefon- und Telegraphenverwaltungen (PTT) dominiert, in denen Netze und Dienste durch staatliche Institutionen gelenkt wurden. In Deutschland lag dies in der Zustandigkeit der Deutschen Bundespost, in GroBbritannien des Post Office. In den 1980er Jahren eingeleitete Reformen der Telekommunikationssektoren fiihrten zur Liberalisierung und Privatisierung dieser Industrien. Insbesondere intemationale Liberalisierungstendenzen in den USA oder Japan, technische Innovationen und nationale Haushaltskrisen begrlindeten diese Entwicklung (Witte 1987; Grande 1989). Liberalisierung und Privatisierung folgte aber kein volliger Riickzug des Staates. Die Notwendigkeit, Macht- und Interessenasymmetrien zwischen Ex-Monopolisten und neuen Wettbewerbem auf den neu entstehenden Telekommunikationsmarkten auszugleichen, begriindet weiterhin staatliche Eingriffe. Regulierungsbehorden {regulatory agencies) sind hier ein innovatives staatliches Steuerungsinstrument, um den vormals monopolistischen Telekommunikationssektor in den Wettbewerb zu iiberflihren (vgl. Pollitt/ Bathgate et al. 2001; Dohler/ Jann 2002). Im Gegensatz zu anderen institutionellen Arrangements zur Regulierung liberalisierter Sektoren, die im Spannungsfeld zwischen formaler staatlicher Regulierung (Ministerien) und privater Selbstregulierung (z.B. „Verbandevereinba' Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsprojekts „Reform der europaischen Netzwerkindustrien" der Max-Planck Projektgruppe „Recht der Gemeinschaftsguter", Bonn, geleitet von Prof. Adrienne Heritier und Dr. David Coen. Er ist zugleich Teil des Promotionsvorhabens des Autors. Unter dem Titel "The Regulatory Capacity of Agencies - A Comparative Study of Telecoms Regulatory Agencies in Britain and Germany" wurde die Promotion im November 2003 an der Universitat Potsdam angenommen.
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Dominik Bollhoff
rungen") angesiedelt sind, verfiigen Regulierungsbehorden idealtypisch iiber eine Reihe von Kernkompetenzen (Majone 1996: 15, 49): •
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Regulierungsbehorden sind zentrale sektor-spezifische Entscheidungsinstanzen zur Koordination des tJbergangs vom Monopol zum Wettbewerb, da sie das notige okonomische, juristische und technische Expertenwissen besitzen, um in kurzer Zeit zu komplexen Fragen Entscheidungen zu treffen. Regulierer verbinden Kompetenzen zur Regelbildung, Regeliiberwachung und Sanktionierung von RegelverstoBen und konnen diese durch pro-aktive ex-ante Regulierung durchsetzen. Um Ausgleich zwischen den Interessen des Ex-Monopolisten und den neuen Wettbewerbem zu erzielen, ist die Unabhangigkeit der Behorden ein zentraler Faktor. Regulierer sollten deshalb so gestaltet sein, dass regulatory capture durch Firmen und Politik verhindert wird. Die Unabhangigkeit des Regulierers sorgt fur Kontinuitat bei Regulierungsentscheidungen.
In engem Zusammenhang zur letzten der drei Kernkompetenzen steht das Thema dieses Beitrags: Die systematische Analyse der ministeriellen Steuerung von Regulierungsbehorden. Regulierer sind keine alleinstehenden Organisationen, sondem sie werden als neue Behorden in ein bestehendes, hierarchisches Verwaltungssystem eingebunden bzw. entwickeln sich aus diesem System heraus. Zur Analyse der ministeriellen Steuerung sind daher insbesondere drei Analysefaktoren von besonderem Interesse: Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Regulierer und Ministerium, die Ausgestaltung und Ausubung der Aufsichtskompetenzen der Ministerien als parent ministry der Regulierungsbehorde, und die Reaktionsmechanismen der Regulierer auf ministerielle Steuerung (agency response). Durch die empirische Analyse der drei Faktoren kann die Interorganisationsbeziehung zwischen Aufsicht fiihrenden Ministerien und Regulierungsbehorden systematisch ermittelt werden. Dabei steht die ministerielle Steuerung im Mittelpunkt: Der Einsatz formaler wie auch informaler Instrumente fiihrt zu einer weiten („steering at arm's length") oder engen ministeriellen Steuerung von Regulierungsbehorden. Wahrend die „weite" Steuerung den als idealtypisch dargestellten Kernkompetenzen einer Regulierungsbehorden entspricht und insbesondere eine eigenstandige, politik-unabhangige Steuerung ermoglicht, steht die „enge" Steuerung flir eine intensive ministerielle Einflussnahme, die die idealtypischen Kernkompetenzen von Regulierem in Frage stellt. Exemplarisch wird dies in einem britisch-deutschen Vergleich fiir das britische „Office of Telecommunications" (OFTEL) und die „Regulierungsbehorde fiir Telekommunikation und Post" (RegTP) durchgeflihrt. Wahrend OFTEL vom
Ministerielle Steuerung von Regulierungsbehorden „Department of Trade and Industry" (DTI) iiberwacht wird, ist dies fur die RegTP das Ministerium fiir Wirtschaft und Arbeit (BMWA). Fiir den britischen wie den deutschen Fall wird jeweils zunachst ein tJberblick liber die formalen und informalen Kompetenzen des Ministeriums bei der Steuerung der Regulierungsbehorde gegeben. Darauf folgt eine Analyse der Reaktionen des Regulierers auf die Steuerungsaktivitaten des Ministeriums. Aufbauend auf diese Analysen wird abschlieBend die Interorganisationsbeziehung der beiden Institutionen im Spannungsfeld zwischen enger und weiter Steuerung bewertet.
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Die ministerielle Steuerung von OFTEL
Welche Rolle spielt das Department of Trade and Industry (DTI) als parent department von OFTEL? Das DTI hat Aufsichtskompetenzen iiber den Regulierer - aber wie werden diese angewandt? Vor der Analyse dieser Interorganisationsbeziehung wird zunachst ein Uberblick iiber den Prozess der Liberalisierung und Privatisierung des britischen Telekommunikationssektors und der Einrichtung der Regulierungsbehorden OFTEL gegeben. In GroBbritannien wurde zu Beginn der 1980er Jahre - einem im Vergleich zum Kontinent friihen Zeitpunkt - ein umfassendes Programm zur Liberalisierung, Privatisierung und Regulierung des Telekommunikationssektors eingeleitet. Im Jahr 1981 wurde das Postministerium (Post Office) in zwei separate offentliche Unternehmen - British Post Office und British Telecom (BT) aufgeteilt. Zunachst wurde mit der Zulassung eines zweiten Netzbetreibers, des Unternehmen Mercury, ein Duopol geschaffen. Bis zum Jahr 1993 wurde der britische Telekommunikationssektor dann vollstandig liberalisiert. Die Privatisierung von BT wurde 1984 eingeleitet und 1993 abgeschlossen. 1984 erfolgte die Griindung der Regulierungsbehorde, des Office for Telecommunications (OFTEL). OFTEL wurde durch den Telecommunications Act 1984 (TA 84) als „Non-Ministerial Government Department" eingesetzt und wird von einem Director for Telecommunications (DGT) geleitet. OFTEL war die erste britische Regulierungsbehorde zur Steuerung von Versorgungs- und Netzwerksektoren.^ Anfang 2004 wiirde OFTEL in ein Office of Communications (OFCOM) umgewandelt und der Behorde neben der Regulierung des Telekommunikations- auch die Steuerung des Mediensektors iibertragen. ^ Vorbild war das aus der amerikanischen Regulierungspraxis ubemommene „Agency Model!" (vgl, Thatcher, M. 1998). In GroBbritannien gibt es inzwischen weitere Regulierungsbehorden fiir Gas und Strom (OFGEM - Office of Gas and Electricity Markets) und den Bahnsektor (ORR - Office for Rail Regulation), fiir deren Organisation wiederum OFTEL als Vorbild diente (vgl. Bollhoff 2002).
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2. / Die Steuerungsbeziehung von DTI zu OFTEL Schon vor der Liberalisiemng nahm das DTI Aufsichtsfunktionen im Telekommunikationssektor wahr. Zur Zeit des PTT wurde die interorganisationale Beziehung von PO und DTI von Beobachtem als sehr eng im Sinne einer bureaucratic accommodation beschrieben (Thatcher 1998: 140). Trotz formaler Trennung wurden regelmaBig Informationen ausgetauscht und aktiv kooperiert. Mit der Liberalisiemng des Telekommunikationssektors und der Einsetzung von OFTEL wurde eine eigene Abteilung fiir Telekommunikation im DTI eingerichtet, das heutige „Communications and Information Directorate" (CII). Die zunachst nur auf nationale Telekommunikationsfragen spezialisierte Arbeitseinheit dehnte ihre Kompetenzen iiber die Jahre aus, so z.B. fiir Fragen der europaischen Telekommunikationspolitik, der Informationsgesellschaft oder ECommerce. Die Abteilung wuchs von 75 Mitarbeitem im Jahre 1995 auf 160 im Jahr 2002, wovon heute rund 20 Mitarbeiter auf Telekommunikationsregulierung und die Aufsicht von OFTEL spezialisiert sind. Das CII entwickelt als primare Aufgabe fiir den Minister des DTI, den Secretary of State, die strategischen Ziele der Telekommunikationspolitik. Weiterhin sind dem DTI aber Aufsichtskompetenzen iiber den Regulierer OFTEL im Telecommunications Act 1984 (TA 84) zugeschrieben: Grundlegend gibt der TA 84 OFTEL und DTI parallele Kompetenzen (concurrent powers) zur operativen Regulierung des Telekommunikationssektors vor (§ 3 TA 84). So ist es die Aufgabe beider Behorden, zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Wettbewerbs im Sektor beizutragen. Diese Parallelkompetenz ist ein erstes Einfalltor fiir ministerielle Beeinflussung regulativer Entscheidungen. Darliber hinaus hat das DTI Kompetenzen bei der Lizenzvergabe, einem zentralen Instrument zur Entwicklung von Wettbewerb in einem zu deregulierenden Sektor. Es ist das Ministerium, das nach Konsultationen mit OFTEL bei der Vergabe neuer Lizenzen die Kompetenz zur Letztentscheidung besitzt (§ 7 und 8 TA 84). Auch bei der Modifikation von Lizenzbestimmungen muss das DTI einbezogen werden. Das Ministerium kann OFTEL die Veranderung von Bestimmungen verbieten (§ 12 V TA 84). Der TA 84 stellt es dem DTI frei, die Kompetenzen zur Lizenzvergabe und Modifikation vollstandig an OFTEL zu libertragen (§ 7 I (b) TA 84). Damit konnte eine sehr viel transparentere Kompetenzabgrenzung erfolgen und der Einfluss des DTI auf operative Entscheidungen des Regulierers beschrankt werden. Das DTI hat aber von dieser Option bisher keinen Gebrauch gemacht. Neben den fachlichen Regulierungsaufgaben fallen dem Ministerium zwei weitere wichtige Kompetenzen zu: Zum einen hat das DTI die Aufgabe, den Prasidenten von OFTEL, den Director General for Telecommunications (DGT), zu
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bestimmen. Der DGT ist die zentrale Entscheidungsinstanz bei OFTEL, der als neutraler, parteipolitisch unabhangiger Experte die Geschafte des Regulierers fuhrt. Formal ist es der DGT, der die operativen Entscheidungen zur Regulierung des Sektors fallt und nach auBen vertritt. Ziel des DTI ist es somit, eine Personlichkeit zu rekrutieren, die das Amt erfolgreich ausfiillen kann, gleichzeitig aber auch bereit und in der Lage ist, gute Beziehungen mit dem DTI zu etablieren. Die Auswahl des DGT durch das DTI wird als „most important power over the regulator" beschrieben (Lawrence 2001: 36). Zum anderen kann das DTI iiber Direktiven (general directions) Einfluss auf OFTEL nehmen (§ 47 III TA 84). Der Einsatz dieses Instruments zur Ubermittlung ministerieller Weisungen muss nicht veroffentlicht werden. Auch wenn das DTI das Instrument nach eigener Auskunft bisher nicht eingesetzt hat, dient es doch als back-stop weapon zur Gewahrleistung, dass der Regulierer niemals out of step ist (Hall/ Scott et al. 2000: 21). Zusammenfassend besitzt das DTI somit eine Reihe formaler Instrumente, um OFTEL zu beaufsichtigen und zu steuern. Insbesondere die parallele Aufgabenverteilung zeigt die Verwobenheit der Kompetenzen zwischen Ministerium und Regulierer. Wie wirken die formalen Instrumente in der taglichen Praxis? In offiziellen Darstellungen der Regierung wird der Eindruck vermittelt, britische Regulierungsbehorden wiirden auf Abstand gesteuert. Dies belegt der folgende Auszug aus einer Stellungnahme der britischen Regierung im Jahr 2002: It is important to have a clear dividing line between Government and regulators. Government should set the overall legal framework and then allow the regulator independence to operate at arm's length from Government within that framework. They should be allowed to focus on their core role - economic regulation without interference from Government. Diese Beschreibung kann hinterfragt werden, wenn man die informelle Interorganisationsbeziehung analysiert. Das folgende Zitat eines Mitarbeiters des DTI gibt ein erstes Indiz:"^ We liase with OFTEL. We are in close contact with them all the time, because simply the Telecommunications Act 1984 gives both, DTI and OFTEL, responsibility to •* Auszug aus einem Brief von Patricia Hewitt, Ministerin des DTI, an die Better Regulation Task Force (01 .Oktober 2002). "* Die Zitate sind Ergebnis einer Befragung des Autors im Kontext des Forschungsprojekts zur „Reform Europaischer Netzwerkindustrien" (siehe FuBnote 1). Insgesamt wurden in Deutschland und GroBbritannien 35 halb-standardisierte Interviews gefuhrt.
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Dominik Bollhoff maintain and promote effective competition and to protect the interests of consumers. (...) We both have the same aim in wanting to continue to promote competition in the telecommunications industry. We are both heading in the same direction anyway. We do it by a lot of informal discussion and liaison on it.
Enge Interaktion findet nicht nur auf der Ebene von Minister und DGT statt, sondem ist bis in die Arbeitsebene anzutreffen. Neben informellen Kontakten werden auch Projektgruppen aus Mitarbeitem von OFTEL und DTI eingerichtet, z.B. zur Umsetzung von Direktiven der Europaischen Union (OFTEL 1994: 63). Austausch findet nicht nur zu Fragen der gmndlegenden Regulierungsstrategie statt, sondem es werden auch operative Entscheidungen der taglichen Regulierungspraxis bilateral diskutiert. Die Ubemahme der Regierung durch Labour im Jahre 1997 intensivierte den Austausch zwischen den Behorden und fuhrte zu einer erhohten ministeriellen Beeinflussung. Neben Fragen der okonomischen Regulierung, z.B. von Entgeltpreisen oder Regelungen zum Netzzusammenschluss (Interconnection), trat der Bereich der „sozialen Regulierung": Labour nahm sich z.B. dem Thema Verbraucherschutz im Telekommunikationssektor und der Uberwindung des digital divides zur flachendeckenden Ausbreitung von Internetanschliissen an. Der Economist kritisiert hier the „government's gyrations over broadband Internet connections" und beschreibt die Rolle von OFTEL als „to choreograph the market into dancing the government's tune" (Economist vom 06.07.2002). Es zeigt sich eine hohe Intensitat ministerieller Steuerung. Die Analyse der formalen und informalen Instrumente zeigt statt einer ministeriellen Steuerung auf Abstand ein System der engen Steuerung. Nachdem die formale und informelle Steuerung des DTI analysiert wurde, wird nun der Blick auf den „Regulierer OFTEL" richtet: Wie begegnet der Regulierer dieser engen ministerielle Steuerung? Der TA 84 billigt OFTEL zunachst eine beratende Funktion gegeniiber dem DTI zu. Auf Anfrage des DTI hat der Regulierer das Ministerium fachlich zu beraten und zu unterstlitzen (§ 47 IV TA 84). Das DTI sieht in OFTEL den uneingeschrankten Fachexperten flir Telekommunikationsfragen. Mitarbeiter des Ministeriums stellen fest, von der Expertise von OFTEL abhangig zu sein („We rely heavily on the regulator to give specialised and detailed advice"). Auch kann OFTEL eigene Initiativen zur Beratung des Ministeriums durchfiihren. Fiir die Entscheidungsfindung zu operativen Entscheidungen hebt OFTEL die einflussreiche Rolle des DTI hervor. In einem im Jahre 1997 verfassten Bericht beschreibt OFTEL den Kompetenzrahmen des DTI wie folgt: Under the principal legislation, the 1984 Telecommunications Act, the Secretary of State is subject to the same duties as the DGT in exercising his functions under the
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Act, and may intervene in the DGT's work, for instance, by issuing general directions indicating particular matters to which the DGT should have regard; by revoking and re-issuing licences; and by deciding to whom and in what form to issue licences (OFTEL 1997: 2). Trotz dieser Analyse hebt OFTEL weiterhin seine Rolle unabhangiger Entscheider hervor. Allerdings wird diese Unabhangigkeit sehr pragmatisch aufgefasst: Independence does not mean however, that the regulator can ignore the broad policies the government sets for the industry; and the accountability (...) is an important support for appropriate independence (OFTEL 1997: 9). Die Ausgestaltung dieser appropriate richt von OFTEL dargestellt:
independence
wird in einem anderen Be-
In practice the DGT cannot operate effectively unless he works closely with Government, taking account of relevant Government policy as expressed in the governing statutes, or in Government statements from time to time (OFTEL 1997: 10). OFTEL stellt somit fest, dass es in regelmafiiger Interaktion mit dem Ministerium steht. Der Austausch dient dazu, eine Balance zwischen der unabhangigen Entscheidungsfindung des Regulierers und den In teres sen des Ministeriums herzustellen. Gesprache finden auf alien Ebenen statt, wobei die personliche Beziehung zwischen dem high level staff von entscheidender Bedeutung ist. Der DGT ist - wie oben dargestellt - neutraler Fachexperte ohne Zugehorigkeit zu einer politischen Partei und somit formal politisch unabhangig. Neben seinem Fachwissen hangt der Interaktionsgrad mit dem DTI primar von ihm ab. Seit Grlindung von OFTEL gab es DGT's, die starker ihre Unabhangigkeit betonten (so z.B. Don Cruickshank in den Jahren 1993 - 1998), aber auch DGTs, die sich eher als „politische Regulatoren" mit enger Bindung zum DTI verstanden (so David Edwards, der OFTEL seit 1998 leitet). Insbesondere bei „politischen Regulatoren" ist neben den Konsultationen mit dem DTI ein intensives ,shadowing' und die Antizipiation politischer Vorgaben des Ministeriums festzustellen. Vorgaben des DTI werden in die Entscheidungen des Regulierers aktiv mit einbezogen. Dies beschreibt ein Mitarbeiter von OFTEL wie folgt: We are strong civil servants, but we come under political lobbying of government. What is happening here is that we would not get a direct instruction from government. Instead, we know what the government wants.
Dominik Bollhoff Dieses Verhalten des Regulierers fuhrt zu einem geringen Konfliktgrad zwischen OFTEL und DTI. OFTEL stellt im Hinblick auf die Interaktion mit dem DTI fest, dass „the present arrangements work well and strike the right balance" (OFTEL 1997: 10). Die Arbeitsbeziehung zum DTI wird von Mitarbeitem als „working relationship, that is in most cases not confrontational" beschrieben. Informelle Kontakte flihren dazu, dass Konflikte innerhalb der Verwaltung ausgetragen und gelost werden konnen und primar konsensuale Entscheidungen erzielt werden. Mitarbeiter des DTI lassen aber keinen Zweifel daran, dass im Fall von „falscher Prioritatensetzung" informelle ministerielle Steuerung einsetzen wird: ,Jn case of misbehaviour, we might have a quiet word.". Die engen, informellen Abstimmungen zwischen DTI und OFTEL fuhren somit zu Konfliktvermeidung und konsensualen Losungen. Kritiker beschreiben diese Interorganisationsbeziehung als game-playing, Regulatoren entwickelten sich zur branch of government und die Ministerien zu back-seat drivers to the regulators (BRTF 2001: 16).
2.2 Die Interorganisationsbeziehung von DTI und OFTEL und die ministerielle Steuerung Zusammenfassend muss die kooperative Beziehung von OFEL und DTI hervorgehoben werden. Statt der Nutzung formeller und hierarchischer Instrumente wie Direktiven werden vom DTI informelle Kanale bevorzugt, die zu konsensualen Aushandlungsprozessen fuhren. Die Analyse der Interorganisationsbeziehung von DTI und OFTEL stellt somit die enge Beziehung der beiden Institutionen heraus. Diese beruht insbesondere auf den parallelen Kompetenzen und der intensiven Nutzung informeller Informationskanale. Der Schwerpunkt ministerieller Steuerung des DTI liegt nicht beim punktuellen Einsatz formaler Instrumente, sondem in einem kontinuierlichen wechselseitigen Austausch von Informationen zur Beeinflussung der Entscheidungsfmdung. Da beide Behorden Aufgaben im operativen wie politik-vorbereitenden strategischen Bereich besitzen, besteht geringes institutionelles Interesse an Distanz. Das DTI halt enge Verbindung mit OFTEL, um seine telekommunikationspolitischen Interessen durchsetzen zu konnen. OFTEL ist aufgrund der parallelen Kompetenzen und des moglichen ministeriellen Einsatzes des Instruments der Direktive an einer engen Anbindung an das Ministerium interessiert. Neben dem Meinungsaustausch trifft OFTEL Entscheidungen auf Grundlage der Antizipierung von Positionen des DTI.
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Diese Form der Entscheidungsfmdung stellt aus Sicht beider Organisationen die Unabhangigkeit von OFTEL nicht in Frage. Vielmehr sehen OFTEL und das DTI in der engen Beziehung und der damit moglichen konsensualen Entscheidungsfmdung wechselseitig groBe Vorteile.
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Die ministerielle Steuerung der RegTP
Zur Analyse der ministeriellen Steuerung der RegTP durch das Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit (BMWA) soil zunachst ein kurzer Uberblick uber den Prozess der Liberalisierung und Privatisierung des deutschen Telekommunikationssektors sov^ie der hierbei erfolgten Einrichtung der Regulierungsbehorde RegTP gegeben werden. Die Reform des deutschen Telekommunikationssektors vollzog sich in drei Schritten: In der „Postreform 1" im Jahr 1989 wurde die organisatorische Trennung zwischen Unternehmens- und Hoheitsaufgaben vollzogen und drei offentliche Unternehmen fur Telekommunikation, Post und Postbank eingerichtet. Die Hoheitsaufgaben behielt das Bundesministerium fUr Post und Telekommunikation (BMPT), welches eine Doppelfunktion als Eigentumer und Regulierer der drei Unternehmen ausubte. 1994 folgte die „Postreform 2", deren Ziel die Trennung zwischen Eigentums- und Regulierungsfunktionen war und die die Privatisierung der offentlichen Unternehmen vorsah. Drei selbstandige Aktiengesellschaften wurden eingerichtet, darunter die Deutsche Telekom AG (DTAG). Fiir die Regulierung des Telekommunikationssektors wurde die Bundesanstalt fUr Post und Telekommunikation (BAPT) als Holding fiir die drei Unternehmen eingerichtet. Die „Postreform 3" fuhrte im Jahr 1994 zur vollstandigen Offnung des Telekommunikationsmarkts zum 1.1.1998. Die BeteiHgungen des Bundes verwaltet das Bundesministerium fiir Finanzen (BMF). Im Jahr 2003 sind noch 43 Prozent der DTAG-Aktien in Staatsbesitz. Mit der Verabschiedung eines Telekommunikationsgesetzes (TKG) im Jahr 1996 wurde die politische Entscheidung zur Einsetzung der sektor-spezifischen Regulierungsbehorde fiir Post und Telekommunikation (RegTP) getroffen. Die RegTP wurde als Bundesoberbehorde im Geschaftsbereich des Bundesministeriums fiir Wirtschaft eingerichtet, die neben dem Telekommunikations- auch den Postsektor reguliert. Sie wird von einem Prasidenten und zwei Vizeprasidenten geleitet. Zur Grlindung der RegTP wurde das BMPT aufgelost und in das Wirtschaftsministerium eingegliedert, Teilaufgaben aber auch auf die RegTP iibertragen. Die Aufgaben des BAPT wurden auf die RegTP iibertragen. Bei der RegTP
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handelt es sich um die bisher einzige sektorspezifische Regulierungsbehorde fur Netzwerkindustrien in Deutschland.^
3.1 Die Beziehung von BMWA zur RegTP Zur Bestimmung der ministeriellen Steuemng im deutschen Telekommunikationssektor wird zunachst die Rolle des Bundesministeriums fur Wirtschaft und Arbeit (BMWA) naher zu analysiert. Durch die Liberalisierung des Telekommunikationssektors fiel dem BMWA ein neues Tatigkeitsfeld zu. Mit der Auflosung des Telekommunikationsministeriums (BMPT) wurden zentrale Kompetenzen der Telekommunikationspolitik an das BMWA - damals noch BMWI (Bundesministerium fiir Wirtschaft und Technologie) - iibertragen. Im BMWA wurde eine neue Abteilung fiir Telekommunikation und Post, (Abt. VII) eingerichtet, die nicht nur die Aufsicht der RegTP iibemahm, sondem auch vielfaltige Aufgaben in der strategischen Politikplanung. So ist die Abteilung insbesondere fur die Weiterentwicklung von Gesetzen und Verordnungen (insbes. des TKG), der Vertretung von telekommunikationspolitischen Positionen auf internationaler Ebene (insbes. der Europaischen Union) und spezieller Aspekte wie der Frequenzordnung oder Standardisierung zustandig. Die Anzahl der Mitarbeiter wuchs von 48 in 1998 auf iiber 60 im Jahr 2002. Die Analyse der im TKG defmierten Aufgaben von BMWA und RegTP zeigt eine klare Aufteilung der Kompetenzen. Wahrend das Ministerium fiir die strategische Politikvorbereitung und die Aufsicht der RegTP zustandig ist, ubernimmt die RegTP das operative Tagesgeschaft zur okonomischen und sozialen Regulierung des Telekommunikationssektors. Das BMWA hat keine operativen Regulierungskompetenzen. Dies ist in Deutschland die typische Aufteilung von Kompetenzen zwischen Ministerien und nachgeordneten Behorden. Daneben hat das BMWA eine weitere Aufgabe: Das Ministerium ist aktiv an der Auswahl des Prasidenten und der zwei Vizeprasidenten der RegTP beteiligt (§ 66 III TKG 96). Auch wenn die Prasidenten vom Beirat der RegTP vorgeschlagen und von der Bundesregierung bestellt werden, hat das BMWA auf die Auswahl groBen Einfluss. So hatten beide aufgrund von Pensionierungen Anfang 2004 neu einzusetzenden Vizeprasidenten zuvor hohe Abteilungsleiterfunktionen im BMWA inne. ^ Im Laufe des Jahres 2004 wird der RegTP die Regulierung des Energiesektors iibertragen werden. Die RegTP wird damit zum Multi-Utility-Regulierer. Fiir den Bahnsektor wurde das Eisenbahnbundesamt (EBA) eingerichtet, an dass die Angliederung einer Trassenagentur zur Regelung okonomischer Regulierungsfragen geplant ist (siehe Bollhoff 2002).
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Als Teil der „unmittelbaren Bundesverwaltung" (Art. 87f. GG) ist aber die RegTP direkt dem BMW A unterstellt. Aus dem Prinzip der Ministerverantwortung (Art. 65 GG), wonach staatliche Aktivitaten direkt an die durch Wahl legitimierten Minister zu binden sind, ergibt sich eine direkte hierarchische Beziehung zwischen Minister (und seinem Ministerium) und nachgeordneten Behorden. Dem BMWA fallen somit umfangreiche „Aufsichtskompetenzen" und Weisungsrechte iiber die RegTP zu (vgl. Brandt und Henning 1982; Dohler 2001; Loeser 1995). Zur Aufsicht nachgeordneter Einrichtungen stehen Ministerien eine Reihe von Aufsichtsformen zur Verfugung: Dienst- und Organaufsicht, Finanzaufsicht und Rechtsaufsicht. Wahrend mit der Dienstaufsicht die interne Organisation nachgeordneter Behorden iiberwacht wird (insbes. Organisation und Personal), bezieht sich die Finanzaufsicht auf die Kontrolle des Haushalts. Uber die Rechtsaufsicht steuerte das Ministerium die rechtliche Richtigkeit von Entscheidungen der Behorden. Das zentrale ministerielle Steuerungsinstrument ist aber die „Fachaufsicht" (Loeser 1987: 58). Mit diesem Instrument sind die Ministerien in der Lage abzusichern, dass nachgeordnete Behorden Entscheidungen treffen, die den ministeriellen Vorgaben entsprechen. Die Ubergange von fachlicher Aufsicht zu politischer Beeinflussung konnen hier flieBend sein (Welz 1988: 195). Das formelle Instrument zur Umsetzung der Fachaufsicht sind die Weisungen (Loeser 1995: 278). Wahrend „allgemeine Weisungen" insbesondere dazu dienen, zu grundlegenden Rechtsfragen Auslegungen vorzugeben, konnen mit „Einzelweisungen" (spezielle Weisungen) operative Entscheidungen beeinflusst, d.h. revidiert oder aufgehoben werden. Insbesondere die Einzelweisungen sind somit ein repressives Steuerungsinstrument. Nachgeordneten Behorden bleibt hier wenig Spielraum - sie sind zur Umsetzung der Weisungen verpflichtet (Brandt und Henning 1982: 184). Im Fall von BMWA und RegTP sind die ministeriellen Steuerungskompetenzen im TKG definiert: Nach § 65 V TKG kann das BMWA allgemeine Weisungen erteilen. Diese sind aber zu veroffentlichen und zu begrlinden, was als „subtile Reduktion" des ministeriellen Steuerungseinflusses interpretiert wird (BeckTKG-Komm 2000: § 66, Rn.l9). Die Frage, ob das BMWA auch Einzelweisungen erteilen kann, ist fiir die Interorganisationsbeziehung und den Grad der Unabhangigkeit der RegTP von entscheidender Bedeutung. Diese Frage ist im TKG nicht konkret geregelt und juristisch umstritten.^ Wahrend das BMWA die Auffassung vertritt, Einzelwei' Vgl. Moschel 1999: 5; Oertel 2000: 238ff.; 345ff., Paulweber 1999: 84ff., 116; BeckTKG-Komm 2000: § 66, Rn. 18-20 (Geppert); Eschweiler 2001; Scheurle und Mayen 2002: § 66, Rn. 16 (Ulmen).
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sungen erteilen zu konnen, ist die RegTP gegenteiliger Auffassung. Das BMWA als vorgesetzte Behorde hat aber seine Rechtsauffas sung durchgesetzt. Da Einzelweisungen nicht zu veroffentlichen sind, ist die Anzahl der bisher erteilten Weisungen nicht bekannt. Von Seiten der RegTP und des BMWA werden hierzu keine Angaben gemacht. Es ist daher von Interesse, einen Blick auf die konkrete Umsetzung und Nutzung der Aufsichts- und Weisungskompetenzen des BMWA zu werfen. Grundsatzlich argumentiert das BMWA, die RegTP sei eine erfolgreiche und „vollkommen unabhangige" Oberbehorde. Insbesondere die fiir Einzelentscheidungen zustandigen Beschlusskammern konnten ohne jegliche ministerielle Beeinflussung ihre Entscheidungen treffen (vgl. Bollhoff (2002a)). Die offizielle Position wird durch die Aussage eines ranghohen Mitarbeiters der Abteilung VII des BMWA untermauert: Das BMWA ubt weder durch Weisungen noch doch andere Instrumente Einfluss auf die Regulierungsbehorde aus. Die Beziehung zwischen Ministerium und Regulierer werden von Seiten des Ministeriums als „offen und transparent" beschrieben. Der Kontakt beschrankt sich primar auf regelmaBige Treffen der Leitungsebenen - Hausleitung und Abteilungsleiter - der beiden Behorden. Die offizielle Statistik belegt einen zuriickhaltenden Gebrauch formeller Steuerungsinstrumente durch das BMWA. In den flinf Jahren seit der Einsetzung der RegTP ist nur ein Fall bekannt, in dem das Ministerium mit einer allgemeinen Weisung eine Entscheidung der RegTP abanderte (FAZ vom 29.03.2000). Dies betraf die Regulierung des Postsektors: Das BMWA stoppte eine Entscheidung der RegTP zur Absenkung des Briefportos. Diese Entscheidung ist ein oft zitiertes Beispiel fiir die begrenzte Unabhangigkeit der RegTP (vgl. FAZ vom 29.03.2000; Monopolkommission 2000: 5f.). Neben dem formellen Instrument der Weisung kann das BMWA aber noch informelle Beeinflussungsmoglichkeiten zur Steuerung der RegTP einsetzen. Bei einer Reihe von Fallen ist die informelle Beeinflussung von Entscheidungen der RegTP durch das BMWA evident. So hatte die RegTP im Juli 1998 damit begonnen, ein Konzept zur Zulassung von ^Preselection fiir Mobilfunknetze" zu erarbeiten. Durch eine spezielle Weisung wurde die weitere Beschaftigung mit diesem Thema, dass zu mehr Wettbewerb im Mobilfunkmarkt gefiihrt hatte, unterbunden (Der Tagesspiegel 06.07.1998). Ein weiteres Beispiel ist die Gebiihrenanhebung fiir die Nutzung von Kabel TV durch die Deutsche Telekom AG (DTAG). Die RegTP hatte im April 1998 mit einer Untersuchung begonnen, die das Ziel verfolgte, eine Gebiihrenanhe-
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bung durch die DTAG riickgangig zu machen. Durch ministerielle Intervention wurde die Untersuchung eingestellt (Paulweber 1999: 86f.). Im Jahr 1998 beantragte die DTAG die Erhohung des Tarifs fiir den Zugang zur letzten Meile im Ortsnetz. Die RegTP signalisierte, nur einen im Vergleich zur beantragten Gebiihr deutlich niedrigeren Tarif genehmigen zu wollen (Oertel 2000: 409ff.). Daraufhin forderte das BMWA die RegTP auf, den Antrag zurlickzuziehen. Dies sicherte der DTAG bis zu einer neuen Genehmigung im Jahr 1999 den hoheren Tarif (Muller und Schuster 1999: 507). Der Fall indirekter ministerieller Intervention beschreibt eine Steuerungswirkung, die als „illegitim" kritisiert wird (Oertel 2000: 410). Neben diesen Entscheidungen aus der Anfangsphase der Existenz der RegTP lassen sich auch zu spateren Zeitpunkten Falle von informeller ministerieller Steuerung aufzeigen. Insbesondere nach dem Wechsel an der Spitze der RegTP von Klaus-Dieter Scheurle zu Matthias Kurth im Jahr 2001 wurde die RegTP fiir ihre DTAG-freundliche Entscheidungen bekannt. Besonders eine Entscheidung ist von prominenter Bedeutung: Die RegTP hatte eine Entscheidung liber die Gebiihr fiir den schnellen Zugang zum Internet durch DSL-Standard (Digital Subscriber Line, DSL) zu treffen (FTD vom 26.07.2001). Im Marz 2001 veroffentlichte die RegTP unter massivem Druck des BMWA eine Entscheidung, nach der die DTAG DSL-Anschliisse mit einem kostenunterdeckenden Preis anbieten konnte. Auch wenn die Entscheidung an Auflagen gekniipft war - so wurde die DTAG verpflichtet, einige Marktbarrieren z.B. beim Linesharing abzubauen - wurde sie von neuen Anbietern und der Monopolkommission als „Dumping" kritisiert (Monopolkommission 2001: 94ff.). Sogar Mitglieder der RegTP beschrieben die Entscheidung als einen „Siindenfall", gleichzeitig wurde aber auch die Tragweite der Entscheidung relativiert und die Behorde verteidigt: Die neuen Anbieter missbrauchen den DSL-Fall um zu zeigen, dass die RegTP in der Tendenz Entscheidungen zum Vorteil der Deutschen Telekom trifft. Dies ist eine einseitige und schlicht falsche Darstellung! Das Verfahren wurde durch die RegTP im November 2001 wieder eroffnet und eingestellt, nachdem die DTAG freiwillig ein Preismodell mit einem erhohten DSL-Tarif einfiihrte. Diese Wiedereroffnung des Verfahrens wurde von Marktteilnehmem als „spates Schuldeingestandnis" gewertet (Die Zeit vom 28.03.2002). Die hier beschriebenen Falle zeigen, dass Formen informeller Steuerung durch das BMWA existieren. Das BMWA iiberwacht Einzelentscheidungen des Regulierers und nutzt, wenn notig, die Moglichkeit einer ,engen Steuerung'.
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Dem geringen Einsatz formeller Steuerungsinstrumente steht der haufigere Einsatz informeller Steuerung gegeniiber. Dabei nimmt das BMWA schon aus Kapazitatsgriinden nicht auf jeden Fall Einfluss. Von den im Jahr rund 200 Entscheidungen der Beschlusskammem der RegTP werden tendenziell nur politisch bedeutsame Falle enger gesteuert. Die Prioritat des BMWA liegt weniger bei der Beachtung der Unabhangigkeit der RegTP, als in der Verfolgung eigener politischer Ziele. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass trotz der formal klar abgegrenzten Kompetenzen zwischen RegTP und BMWA informelle Interaktion und Beeinflussung des Regulierers existiert. Auch wenn nicht jede Entscheidung der RegTP „eng gesteuert" wird, kann doch von einem ministeriellen Mikromanagement gesprochen werden (Dohler 2002: 115): Das BMWA nimmt auf Entscheidungen der RegTP Einfluss, was die Unabhangigkeit des Regulierers in Frage stellt. Nachdem die formale und informelle Steuerung des BMWA betrachtet wurde, ist nun der Blick auf die RegTP zu wenden: Wie begegnet der Regulierer der ministeriellen Steuerung? Grundlegendes Ziel der RegTP ist es, unabhangig von politischer Beeinflussung Entscheidungen zur Regulierung des Telekomsektors zu treffen. Dazu stehen der Behorde umfassende okonomische Regulierungskompetenzen (insbes. Lizenzvergabe, Preisregulierung, Netzzusammenschliisse, Marktmissbrauch) und soziale Regulierungskompetenzen (insbes. Universaldienst) zur Verfiigung. Dieser Kompetenzrahmen ist auf operative Aufgaben beschrankt und ist nicht auf strategische Politikgestaltung ausgeweitet: Die RegTP hat keine formalen Beratungskompetenzen gegeniiber dem BMWA. Ein Mitglied der RegTP kommentiert dies wie folgt: Das Ministerium ist primar fiir die Gesetzgebung zustandig und formuliert neue Gesetze und Verordnungen. Fiir diesen Bereich hat die RegTP keine formalen Kompetenzen, sowie das BMWA keine formalen Kompetenzen fiir die Umsetzung der Regelungen innehat. Die konkrete und oft sehr komplizierte operative Steuerung des Telekommunikationssektors fallt somit der RegTP zu. Formell gibt es also keine Kompetenziiberschneidungen, was ein erstes Instrument zur Absicherung der Unabhangigkeit der RegTP darstellt. Dariiber hinaus verfiigt die RegTP iiber zwei weitere Instrumente zur Absicherung gegen ministerielle Beeinflussung: Zunachst ist die starke Stellung des Prasidenten der RegTP hervorzuheben. Seine institutionelle Absicherung verleiht ihm ein hohes Ma6 personlicher Autonomic, das er zur Abwehr ministerieller Steuerungsbemiihungen einsetzen kann. Die Nominierung nicht nur aufgrund von fachlichen Expertise, sondem auch parteipolitischen Zugehorigkeit, kann
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aber auch als Einfallstor ftir politische Beeinflussung dienen. Insbesondere besteht die Gefahr einer zu groBen Nahe zur politischen Leitung des BMW A, die die Unabhangigkeit der RegTP in Frage stellen kann (siehe Oertel 2000; Bollhoff 2002a). Weiterhin sind in der RegTP „Beschlusskammem" eingerichtet, die zu einzelnen Bereichen der Telekommunikation (z.B. Marktmissbrauch, Preisregulierung) die operativen Einzelentscheidungen fallen. Die Kammem sollen die Transparenz und Objektivital der Entscheidungen erhohen, Distanz zu ministeriellen Beeinflussung schaffen und dienen als Symbol fiir die Unabhangigkeit der RegTP.
3.2 Informelle Beeinflussung der RegTP Die RegTP verfolgt das Ziel, ein groBtmogliches MaB an Unabhangigkeit vom BMWA aufzubauen. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die RegTP in offiziellen Statements die direkte oder indirekte Beeinflussung durch das Ministerium bestreitet (siehe z.B. FTD vom 05.06.2001). Forschungsinterviews zeigen aber, dass Mitarbeiter der RegTP der Rolle des BMWA durchaus kritisch bewerten. So stellt ein Mitarbeiter der RegTP folgendes fest: Nattirlich sind wir formal unabhangig, aber es ware verwunderlich, wenn es keine politische Beeinflussung gabe. Es wird immer wieder von oben Druck ausgeiibt, und es Besteht der Versuch der Einflussnahme durch das BMWA. Es gibt aber auch Stimmen in der RegTP, die die politische Beeinflussung positiver bewerten: Wir leben nicht auf einer Insel! Politischer Druck ist somit ganz nattirlich und auch legitim. Der Druck, der durch das Ministerium, aber auch die Untemehmen insbesondere auf die Beschlusskammem ausgeiibt wird, sichert und starkt unsere Unabhangigkeit! Mitarbeiter der RegTP stellen fest, dass das BMWA Mechanismen zur Beeinflussung der Entscheidungen der RegTP entwickelt hat. Dabei findet nur in seltenen Fallen eine direkte Kontaktaufnahme mit der Arbeitsebene der RegTP konkret den Mitgliedem der Beschlusskammem - statt. Ein erfahrener Mitarbeiter der RegTP beschreibt den Prozess:
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Dominik Bollhoff Seitdem ich Mitglied meiner Beschlusskammer bin, hat das Ministerium keinen direkten Kontakt mit mir aufgenommen. Dies lauft iiber den Prasidenten. Die Vorgaben werden dann an mich weiter gegeben.
Das BMWA nutzt den Prasidenten der RegTP als channel zur Beeinflussung der Entscheidungen der Beschlusskammem. Es liegt also am Prasidenten, wie er die Autonomie seiner Behorde absichert und vor enger Steuerung des BMWA schiitzt. Die Auslibung des Amtes des Prasidenten ist somit zentral fiir den Grad der Unabhangigkeit der RegTP. Wie oben an Beispielen ausgefiihrt, waren beide bisherigen Prasidenten der RegTP, Scheurle und Kurth ministerieller Beeinflussung ausgesetzt. Wahrend Scheurle dem BMWA eher konfrontativ gegeniiber trat, ist Kurth als Mittler zwischen der RegTP und dem BMWA bekannt. Es ist anzunehmen, dass die Intensitat der Abwehr ministerieller Steuerung in engem Zusammenhang zur parteipolitischen Positionierung der Prasidenten steht. Mitarbeiter der RegTP, insbesondere die der Beschlusskammem, stehen vor der Herausforderung, bei Entscheidungen einen Mittelweg zwischen den Position der Behorde und den ministeriellen Vorgaben, oft ubermittelt durch den Prasidenten, zu fmden. Die Moglichkeit, politischer Beeinflussung auszuweichen, erscheint gering. Vorgaben der Hausleitung werden in vielen Fallen mitgetragen. Mitarbeiter der RegTP heben aber hervor, dass politische Beeinflussung nur in unregelmaBigen Abstanden anzutreffen ist. So wird die Stellung der RegTP auch nur als ,4*elativ unabhangig" beschrieben (BeckTKG-Komm 2000: § 66, Rn. 20). Aus Sicht der RegTP kann die Beziehung zum BMWA fiir die Falle als neutral beschrieben werden, bei denen das Ministerium dem Regulierer den formal definierten Entscheidungsspielraum belasst. In Fallen, in denen das BMWA den Entscheidungsspielraum der RegTP, insbesondere der Beschlusskammem, einschrankt, fiihrt dies zu Spannungen und Konflikten zwischen den beiden Organisationen.
3.3 Der Interorganisationsbeziehung von BMWA und RegTP und die ministeriellen Steuerung Die Analyse der Interorganisationsbeziehung von BMWA und RegTP zeigt einen formal abgegrenzten Kompetenzrahmen der zwei Institutionen, aber auch die dem BMWA als Aufsicht fiihrende Instanz zugebilligten Instrumente zur Steuerung des Regulierers. Wahrend formell eine weite Steuerung und geringe
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Interaktion zwischen den Behorden angedacht ist, zeigt sich in der taglichen Praxis ein anderes Bild: Das BMWA nimmt iiber informelle Steuerung auf Einzelentscheidungen der RegTP direkten Einfluss. Dies ftihrt zu einer engen Steuerung durch das BMWA. Informelle Kontakte sind somit oft wichtiger als formelle Vorgaben. Uber den Prasidenten kann das BMWA Einfluss auf Entscheidungen der Kammem nehmen. In der Praxis tritt dies insbesondere bei fur den Sektor bedeutsamen Verfahren auf.
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Vergleich der Steuerung und Ausblick
Die Analyse der ministeriellen Steuerung von Regulierungsbehorden im britischdeutschen Vergleich weist eine zentrale Gemeinsamkeit auf: Beide aufsichtfuhrende Ministerien, das DTI und das BMWA, zeigen die Tendenz einer engen Steuerung der Regulierungsbehorden OFTEL und RegTP. Obwohl die Ministerien in offiziellen Verlautbarungen eine ministerielle Steuerung auf Abstand propagieren, sind immer wieder Falle der Beeinflussung operativer Entscheidungen anzutreffen. Die Analyse einer Reihe formeller Instrumente und der informellen Verwaltungspraxis konnte dies verdeutlichen. Beide Ministerien verfiigen iiber formale Instrumente zur Steuerung der Regulierer: Wahrend das DTI Direktiven erlassen kann, besitzt das BMWA eine Reihe von Aufsichts- und Weisungskompetenzen. Diese ministeriellen Kompetenzen sollen nur in Ausnahmefallen genutzt werden, was in beiden Landem der Fall ist. Nur so ist nach auBen das Bild aufrecht zu erhalten, dass es sich um unabhangige Behorden handelt. Stattdessen nehmen die Ministerien durch den Einsatz informeller Instrumente Einfluss auf die Regulierer. Die Analyse hat die Praferenz von DTI und BMWA fur nicht-offentliche bzw. intransparente Steuerung gezeigt. Damit die Behorden keine Entscheidungen treffen, die aus Sicht der Ministerien „out of Stepp" sind, betreiben die Ministerien ein aktives Mikromanagement. Insbesondere iiber den Prasidenten der Regulierungsbehorden, deren Wahl die Ministerien mitbestimmen, wird Einfluss auf operative Entscheidungen der Behorden genommen. Der President der RegTP wie der DGT von OFTEL dienen als „Einfallstor" fiir ministerielle Beeinflussung. Beschrankt sich die Interaktion zwischen RegTP und BMWA primar auf die Leitungsebene, ist zwischen OFTEL und dem DTI bis zur Fachebene Interaktion anzutreffen. Im britisch-deutschen Vergleich ist ein zentraler Unterschied im Umgang der Ministerien mit der engen Steuerung zu sehen: Sowohl das DTI wie das BMWA betonen die Unabhangigkeit der Regulierungsbehorden. Wahrend das
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BMWA aber die Nutzung eines Mikromanagements zuriickweist, halt das DTI dies fiir common practice. Dieser Unterschied kann insbesondere durch den unterschiedlichen Kompetenzrahmen der Behorden erklart werden: Die iiberschneidenden Kompetenzen von DTI und OFTEL bei operativen Entscheidungen wie der strategischen Politikplanung flihren zu einer groBeren Interaktionshaufigkeit, die Mikromanagement als gewohnlicheres Mittel erscheinen lassen. Zu dem unscharf definierten Kompetenzrahmen wird festgestellt, dass „the combination of policy and regulatory responsibilities in the (...) parent departments tended to mean regulation was overshadowed by political considerations" (Hood, Scott et al. 1999: 79). Im Gegensatz dazu sind im deutschen Fall die Kompetenzen zwischen BMWA und RegTP abgegrenzt, so dass ministerielles Mikromanagement eine Nichtbeachtung formaler Vorgaben darstellt. So ist fiir das BMWA eine Diskrepanz zwischen offizieller Verlautbarung und tatsachlicher Handhabung festzustellen. Ein zentraler Grund dafiir liegt darin, dass „agency policies are regarded as an internal affair of the executive and therefore are not subject to public scrutiny or open political deliberations" (Dohler 2002: 116). Dies mag erklaren, dass die offizielle Haltung des BMWA die NichtBeeinflussung der RegTP betont, auch wenn die Verwaltungspraxis eine andere Realitat zeigt. Interessant ist festzustellen, dass im Kontext von Verwaltungsreformen und des „New Public Managements" weder fiir OFTEL noch fiir die RegTP ein System des „Kontraktmanagements" zur Sicherstellung einer modernen Zielsteuerung auf Abstand eingeflihrt wurde. Insbesondere in GroBbritannien wurden mit der „Next Steps"-Initiative seit 1988 Agencies eingerichtet, die iiber Zielvereinbarungen auf Distanz gesteuert werden. Dieses System wurde aber nicht auf das fast zeitgleich eingerichtete OFTEL oder andere Netzwerkregulierer - etwa fiir den Bahn- oder Energiesektor - iibertragen (Hogwood 1995: 522). In Deutschland wurden im Rahmen des Programms „Modemer Staat - Modeme Verwaltung" (1998-2002) erste Schritte hin zu einer ministeriellen Kontraktsteuerung von Oberbehorden unternommen, aber nicht auf die zu diesem Zeitpunkt neu errichtete RegTP iibertragen. Der zentrale Grund fiir die Nicht-Einfiihrung mag am groBen Interesse der Ministerien an enger Steuerung liegen. Der Vergleich der Reaktionen der Regulierungsbehorden auf enge ministerielle Steuerungsbemiihungen zeigt im britisch-deutschen Vergleich Unterschiede: OFTEL kooperiert eng mit dem DTI und antizipiert aktiv ministerielle Posi-
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tionen. Im Gegensatz dazu ist die RegTP - und insbesondere die Beschlusskammem - an der Bewahrung ihrer Autonomie interessiert. Nur aufgrund von politischem Druck werden ministerielle Vorgaben in Entscheidungen des Regulierers ubernommen. Wahrend bei OFTEL Antizipierung nicht als Bedrohung der Unabhangigkeit angesehen wird, stellt dies bei der RegTP die Unabhangigkeit in Frage. Der „pragmatische" Umgang mit Politisierung und Durchbrechung der Unabhangigkeit im britischen Fall ist im deutschen Fall nicht anzutreffen. So lassen sich im britisch-deutschen Vergleich der ministeriellen Steuerung verschiedenartige Interorganisationsbeziehungen erkennen. OFTEL akzeptiert die Steuerungsaktivitaten des DTI als common practice und hat eine stabile, kooperative Beziehung zum DTI aufgebaut. Eine partnerschaftliche Beziehung ist im deutschen Fall erst in der Entwicklung. Die Inter-Organisationsbeziehung zwischen BMWA und RegTP starker konfliktorientiert. Die RegTP als nachgeordnete Behorde, und insbesondere die Mitarbeiter der Beschlusskammem, versucht ihre Autonomie bewahren, hat aber wenig Mittel, sich einer engen ministeriellen Steuerung zu erwehren. Inwieweit die RegTP sich dem Verhalten von OFTEL annahert, ist eine Aufgabe zukiinftiger Forschung.
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Einleitung
„Agencification in Danemark" ist Thema vorliegenden Aufsatzes und soil eine neuere Entwicklung in der danischen Zentralverwaltung in den Mittelpunkt riicken.^ Die aktuelle sozialwissenschaftliche Diskussion um Agencies ist vor allem in zwei Diskursen verankert. Zum einen in einem Diskussionsstrang, der urspriinglich unter dem Label „New Public Management" verschiedene Verwaltungsmodernisierungsbemiihungen diskutierte, denen vor allem die Vorstellung gemein war, die EinfUhrung betriebswirtschaftlicher Elemente in Struktur und Verfahren der offentlichen Verwaltung wiirde die Aufmerksamkeit auf das Leistungsergebnis des Verwaltungshandelns lenken und so selbiges starken (vgl. v.a. Osborne und Gabler 1992, Hood 1991, Boston et al. 1996). In jungster Zeit ist aus dieser Diskussion ein Literaturstrang hervorgegangen, der sich empirisch und theoretisch um die Analyse und den Vergleich von Agencies als vielerorts zu beobachtender Organisationsform zur Erledigung zentralstaatlicher Aufgaben bemuht (Pollitt et al. 2001, die Beitrage in Pollitt/ Talbot 2004, Pollitt/ Talbot et al. 2004). Pragend ist in diesem Diskurs zunachst der Befund, dass der Begriff „Agency" weder eindeutig definiert noch in den verschiedenen Landem einheitlich gebraucht werde, mit den Worten von Amanda Smullen ist man „lost in translation" (Smullen 2004). Auslagerung von bisher in Ministerien wahrgenommenen Aufgaben in Agencies („structural disaggregation") und (Ziel-) Steuerung der Agencies uber „performance contracting" (Pollitt/Bathgate et al. 2001: 279) entspringen hier der Vorstellung, dass eine nach dem Prinzip der „Policyoperations"-Trennung gestaltete Trennung von Politik und Verwaltung nicht nur zu einer Aufgabenentlastung der Politik, sondem auch zu einer effizienteren Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung fiihrt. Zum anderen wird Agencification in einem Diskurs um die Entstehung eines „regulativen Staates" debattiert, in dem unabhangige Regulierungsbehorden ' Fiir kritische Kommentare zu einer ersten Fassung dieses Beitrags danke ich Marian Dohler, Tobias Bach und Kai Wegrich.
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- ahnlich den US-amerikanischen regulatory commissions bzw. regulatory agencies - die Aufsicht iiber zentrale Industriesektoren innehaben. Im europaischen Kontext geht es dabei vor allem um die Regulierung des Netzzugangs ehemals staatlicher Infrastrukturmonopole wie Telekommunikation, Bahn und Energie (vgl. Majone 1996, 1997, Moran 2002, Gilardi 2002). Hier wird die Griindung unabhangiger Agencies zumeist mit dem Argument befiirwortet, ihre Unabhangigkeit (i.S. von ministerialer Weisungsfreiheit) wiirde zu einer groBeren Glaubwlirdigkeit fiihren, indem die Entscheidungen dieser Behorden vor politisch motivierten Eingriffen geschiitzt sind (Thatcher 2002, Gilardi 2002). Prominentestes danisches Beispiel ist hier die Regulierungsbehorde fiir Telekommunikation „Telestyrelsen" (Greve 2002).^ Beide Diskurse eint die Vorstellung, dass die Wahmehmung bestimmter Aufgaben (regulative bzw. Routineaufgaben) durch Agencies und deren neu zu bestimmendes Verhaltnis zu den Ressortministerien eine iiberlegene Organisationsform darstellt. Es geht also zum einen um Auslagerung und zum anderen um eine neuartige Form der Steuerung von Agencies (Jann 1999: 20 ff., Dohler 2004: Kap. 6). Hier kniipft der vorliegende Beitrag an. Der danische Agencification-Fall unterscheidet sich von anderen Landern wie z.B. GroBbritannien vor allem dadurch, dass Auslagerung in Agencies (danisch: styrelser) - verstanden als organisatorisch vom „Mutterressort" getrennte Einheiten - bereits seit den 1960er Jahren stattfand, neuer ist hingegen die Steuerung per „Resultatkontrakt", die zu Beginn der 1990er Jahre eingeflihrt wurde. Aus einer Agencification-Perspektive lassen sich also im danischen Fall zwei, zeitlich einander nachgelagerte institutionelle Veranderungsprozesse differenzieren, die sich nicht nur in ihren Problemdiagnosen, Inhalten und Zielsetzungen unterscheiden, sondem auch in Umfang und Geschwindigkeit der jeweiligen Implementation. Beiden Prozessen soil im vorliegenden Beitrag nachgespurt werden, der Schwerpunkt wird dabei auf die neueren Entwicklungen seit den 1990er Jahren gelegt. In (institutionen-)theoretischer Hinsicht stecken zwei analytische Dimensionen hinter dieser Frageperspektive. Zum einen die Frage danach, wie institutionelle Konfigurationen verandert werden konnen, wie langerfristige institutionelle Weichenstellungen fortwirken und das Aufkommen bestimmter neuer institutioneller Arrangements bzw. Ideen pragen konnen. Der Fundus institutionentheoretischer Ansatze halt dafiir eine ganze Reihe von Konzepten bereit, die z. T. der Rational-Choice-Analyse, z.T. den Ansatzen des historischen Institutionalismus Oder eher organisationstheoretisch und/oder soziologisch gepragten Ursprlingen entstammen (vgl. fiir einen Uberblick Hall/ Taylor 1996). ^ Fiir eine umfassende empirische Analyse der danischen Regulierungsverwaltung von 1950 bis 2000 vgl. Christensen (2001).
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Riickt zum anderen die Frage nach der inter-organisatorischen Beziehung im Rahmen der Kontraktsteuerung in den Blickpunkt, so verengt sich der theoretische Blick quasi-automatisch auf die spezifische Perspektive der PrincipalAgent-Konstellation, denn selbige thematisiert genau jene Probleme, die bei der Delegation von Aufgaben auftreten konnen und welche (vertraglichen) Arrangements solch spezifischen Folgeproblemen entgegenwirken konnen (Jensen/ Meckling 1976, fiir einen Uberblick vgl. Gilardi/ Braun 2002). Gemeinsam ist beiden analytischen Herangehensweisen, dass sie sich - basierend auf dem neoinstitutionalistischen Paradigma „institutions matter" (vgl. z.B. Weaver/ Rockman 1993) - mit der sozialen Wirkung von Institutionen auseinandersetzen, indem sie modellieren, wie Institutionen (handlungskanalisierend) auf das Verhalten individueller und kollektiver Akteure wirken (vgl. Hall/ Taylor 1996)."^ Hier wird fiir die weitere Analyse ein weiter Institutionenbegriff zu Grunde gelegt, der sowohl den regulativen und den normativen als auch den kognitiven Pfeiler von Institutionen einbezieht (Scott 1995: 59), zudem sollen neoinstitutionalistische Argumente unterschiedlicher Provenienz aufgegriffen werden. Diese Art der theoretischen Argumentation - eklektisch vorzugehen - setzt sich leicht dem Vorwurf der unzulassigen Vermischung unterschiedlicher Akteurs-, Institutionen- und Handlungslogiken aus. Hier aber ist es nicht Ziel, eine theoriebildende Argumentation auszubreiten, sondern vielmehr, die empirischen Beobachtungen theoretisch informiert zu interpretieren, die engen Grenzen einzelner Ansatze zu umgehen und so einen vielfaltigen Einblick in Funktionsbedingungen politisch-administrativen Handelns (fiir den Fall danischer Agencification) zu erhalten. Um den institutionellen Veranderungsprozessen der danischen Ministerialorganisation aus einer Agency-Perspektive nachzuspiiren, ist der vorliegende Beitrag in folgende Abschnitte gegliedert: Im zweiten Abschnitt werden zunachst die institutionellen Merkmale herausgearbeitet, die die Position von Agencies in der Regierungsorganisation bestimmen. Im dritten Abschnitt wird nach dem Prozess der Auslagerung gefragt, bevor der vierte Abschnitt sich mit der Einfiihrung der Kontraktsteuerung befasst. Im funften Abschnitt wird deren quantitative und qualitative Fortentwicklung analysiert, bevor im sechsten Abschnitt deren Funktionsweise in der interorganisatorischen Beziehung zwischen Ministerium und Agency anhand eines Fallbeispiels diskutiert wird.
^ Dabei soil hier nicht ubersehen werden, dass den neo-institutionalistischen Ansatzen nicht nur unterschiedliche Institutionenbegriffe zu Grunde liegen, sondern dass eben genau dieser handlungslogische Zusammenhang unterschiedlich konstruiert wird (vgl. Hall/Taylor 1996).
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Merkmale der Ministerialorganisation: Die Position von Agencies
Die Ministerialverwaltung ist gepragt durch das in §14 der danischen Verfassung von 1953 festgeschriebene Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, der Minister ist demzufolge politischer und administrativer Chef „seines" Hauses - ihm obliegt die politische Verantwortung fur alle Entscheidungen, die innerhalb seines Geschaftsbereichs getroffen werden. Der Ministerprasident hat keine formelle Weisungsbefugnis gegenliber den einzelnen Ministem, er ist zustandig fur ihre Emennung und Entlassung, ebenso wie fur die Verteilung der Ressortzustandigkeiten. Der Minister wird als alleiniges „politisches Element" (Christensen 1999: 185) eines Ressorts betrachtet, hochster Beamter eines Ministeriums ist der Departmentchef."^ Ein Minister ist gegenliber dem Parlament („Folketing") sowie einem speziell eingerichteten Strafgerichtshof („Rigsretten") verantwortlich. Anders als bspw. in Deutschland kann ein danischer Minister vom Parlament per Misstrauensentscheid zum Riicktritt gezwungen werden (vgl. Damgaard 2003). Ebenso wie in Deutschland begrlindet die Ministerverantwortlichkeit das hierarchische Unterordnungsverhaltnis der Agencies gegenliber „ihren" Ministerien bzw. Ministem. Sofern keine Ausnahmetatbestande ministerieller Eingriffsrechte vorgesehen sind, kann das vorgesetzte Ministerium rein formal jederzeit in die Arbeitsweise und Entscheidungen der Agencies eingreifen. Obgleich die Ministerverantwortlichkeit als das zentrale Verfassungs- und Arbeitsprinzip der Regierung gilt (Christensen, J.G. et al. 1999: 35, aus juristischer Perspektive vgl. Christensen 1997), ist nicht im Detail geregelt, wie die Ministerverantwortlichkeit wahrzunehmen ist. Zwar gibt es seit 1964 ein Gesetz, welches die Aufgaben der Minister und Beamten von einander abgrenzen soil, zudem gibt es innerhalb des Beamtenrechts entsprechende Regelungen zur Verantwortlichkeit von Beamten, dennoch ist die Fuhrung eines Ministeriums kaum verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich geregelt. Einzelne Minister genieBen also einen betrachtlichen Grad an Autonomic, der fiir die Betrachtung des Agencification-Prozesses zwei Implikationen hat. Zum Ersten fallen anders als in Deutschland grundsatzlich Delegation von Aufgaben aus dem eigenen Zustandigkeitsbereich, Errichtung bzw. SchlieBung oder Fusion nachgeordneter Behorden in die Kompetenz des jeweiligen Ressortministers (per Erlass) (Christensen 2005: 10). Diese delegationsfreundliche Handhabung der Ministerverantwortlichkeit kann zum einen dadurch eingeschrankt werden, dass bestimmte Tatigkeiten gesetzlich expressis verbis (Meyer 1979: 87) von der Ubertragung auf nachgeordnete Behorden ausgenommen werden. Zum "* Politische Beamte oder Junior Minister gibt es in Danemark nicht, wenngleich eine Diskussion tiber die Einfiihrung politisch zu besetzender Positionen in danischen Ministerien immer wieder aufbrandet (Bet. 1354/1998, Bet. 1443/2004).
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anderen bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wenn Ausnahmetatbestande von ministeriellen Eingriffsrechten gegeniiber nachgeordenten Behorden definiert werden sollen, wie im Beispiel der Telekommunikationsbehorde (Christensen 1999: 186). Zum Zweiten impliziert diese ministerielle Autonomie, dass keinem Akteur in der Regierungsorganisation der formale Status zukommt, anderen Akteuren autoritativ vorzuschreiben, eine bestimmte Organisationsstruktur zu implementieren (Jensen 2000: 1, Greve/ Jensen 2000: 2). Der Frage, wie Agencies in diesem System als feste Bausteine der Ministerialverwaltung etabliert wurden, soil im folgenden Abschnitt nachgegangen werden.
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Auslagerung: Die Etablierung von Agencies
Bereits seit Einfiihrung des Ministerialsystems 1848 werden in Danemark Aufgaben von Ministerien an organisatorisch getrennte Einheiten delegiert.^ Zunachst wurden Aufgaben an sog. Generaldirektorate iibertragen, die nicht der herkommlichen ministeriellen Hierarchie unterlagen, sondem direkt dem Minister unterstanden („ministerunmittelbar") und den Departments (als groBten ministeriellen Organisationseinheiten) ebenbiirtig waren, d.h deren Direktoren batten unmittelbaren, direkten Zugang zum jeweiligen Ressortminister.^ Um die Jahrhundertwende gab es ca. zehn dieser ministerunmittelbaren Generaldirektorate, in der Folgezeit wurden aber auch, wie z.B. im Falle des staatlichen Rettungsdienstes, den Departments nachgeordnete Behorden eingerichtet (Hansen 1999:76 ff.). In der Zwischenkriegszeit wuchs die Zahl sowohl der ministerunmittelbaren als auch der nachgeordneten Direktorate vor allem im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik deutlich (Hansen 1999: 80/81). Die Errichtung ministerunmittelbarer Direktorate wurde u.a. von einer 1923 eingesetzten Verwaltungskommission empfohlen, um - so das Argument - eine Verwaltungsebene einzusparen und auf diese Weise zu einer Verwaltungsvereinfachung beizutragen (Hansen 1999: 81). In der unmittelbaren Nachkriegszeit stieg sowohl die Anzahl der Ministerien als auch die Anzahl der Direktorate, die - mit einzelnen ^ Vorlaufer dieser Generaldirektorate waren mit direkten Handlungs-ZAmtsbefugnissen ausgestatte Organe, die vom Konig per Resolution mit Kompetenzen zur Ausfiihrung bestimmter Aufgaben ausgestattet wurden (Hansen 1999: 72). ^ Poul Meyer unterscheidet Department, Generaldirektorat und Direktorat anhand der Formeln mit der Schriftstiicke unterzeichnet werden wie folgt: Alle von einem Department ausgehenden Schriftstucke werden „im Namen des Ministers" (auf danisch: p.m.v., pa ministerens vegne) unterzeichnet, wahrend alle ein Direktorat verlassenden Schreiben „im Namen des Direktors" (auf danisch: p.d.v., pa direkt0renes vegne) ausgehandigt werden. Schreiben, die von Generaldirektoraten angefertigt werden, konnen - je nach Sachverhalt - sowohl „im Namen des Ministers" als auch „im Namen des Direktors" versandt werden (Meyer 1979: 67-82).
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Ausnahmen ~ als dem Department nachgeordnete Behorden eingerichtet wurden. Eine generelle Abkehr von der Organisationsform der ministerunmittelbaren Generaldirektorate bin zu den Departments nachgeordneten Direktoraten befiirwortete dann die Verwaltungskommission von 1946 („Forvaltningskommission af 1946"), die als Reaktion auf anhaltende Kritik vor allem am Wachstum der Verwaltung wahrend der Besatzungszeit von der Regierung berufen worden war (Bredsdorff 1993: 66 ff.). Diese Argumentation wurde durch die Empfehlungen der 1960 eingesetzten sogenannten A-60 Kommission („Administrationsudvalget af 1960", auch A-60 genannt) gestarkt, deren Vorschlage den wohl nachhaltigsten Einfluss auf die Struktur der Ministerialverwaltung der Nachkriegszeit ausiibten und bis heute fortwirken (Meyer 1979: 64). A-60 wurde von dem damaligen Ministerprasidenten Viggo Kampmann einberufen, emeut als Reaktion auf stetiges Wachstum des offentlichen Sektors in den 1950er Jahren, eines daraus resultierenden gestiegenen Bedarfs an Koordination sowie an Starkung ministerieller Kapazitaten (Finansministeriet 2001: 8). Zentraler Auftrag der A-60Kommission war es, „generelle Richtlinien flir die zukiinftige Entwicklung der Verwaltung" (Bet. 301/1962: 5) zu erarbeiten. 1962 legte die A-60 Kommission das erste (von insgesamt fiinf) Gutachten vor: Die Hauptkritik dieses Gutachtens gait der Heterogenitat der in den Ministerien wahrgenommenen Aufgaben, welche namlich sowohl fiir iibergreifende Planung, die Formulierung von Gesetzesvorlagen, sowie Verordnungen und Erlasse als auch Vollzugsaufgaben wie das Treffen einzelner Entscheidungen in ihrem jeweiligen Geschaftsbereich verantwortlich zeichneten (Bet. 301/1962: 9). Dem solchermaBen gestiegenen Arbeitspensum erwiesen sich die Ministerien nicht gewachsen, vor allem hatte die Erstellung von Einzelentscheidungen einen zu groBen Stellenwert eingenommen (Bet. 301/1962: 12; dazu: Meyer 1979: 69/70). Basierend auf dieser Froblemdiagnose schlug die A-60-Kommission das Department-Direktorat-Modell - auch A-60-Modell genannt - als Prototypen ministerieller Organisation vor (Hansen 1999: 84): Jedes Ministerium sollte in ein (kleines) Department und eine oder mehrere nachgeordnete Behorden - die Fachdirektorate - aufgegliedert werden. Bisher in den „Gesamtministerien" erledigte Aufgaben sollten also in den nachgeordneten Bereich, die Direktorate, ausgelagert werden, ebenso sollten die Departments eines jeden Ministeriums zu einem fusioniert werden. A-60 entwickelte einen Katalog an im Department zu erledigenden Aufgaben nach dem selbiges als „Sekretariat" (Christensen 1980: 201) des Ressorts dienen, also dem Minister direkt zuarbeiten sollte, Management- und Planungsaufgaben und die Vorbereitung von Gesetzesvorschlagen ubemehmen sowie alle Grundsatzentscheidungen des Ressorts treffen sollte, wahrend die Direktorate alle im Fachbereich des Ministeriums routinemafiigen Verwaltungs- bzw. EinzelmaBnahmen
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und Aufsichtstatigkeiten ausfuhren sollten (Bet. 301/1962: 13/14; Meyer 1979: 70/71; J0rgensen 2002: 78). Dieses Modell sollte der Entlastung des Ministers dienen, dieser sollte vor der Einbeziehung in zu viele Einzelentscheidungen „geschiitzt" werden und dem Department die Konzentration auf die Wahmehmung langerfristig orientierter Aufgaben ermoglichen (Bet. 301/1962: 13/14). A-60 empfahl, dass Minister ihre Entscheidungskompetenzen in groBtmoglichem Umfang delegieren sollten (Bet. 301/1962: 15). Dahinter stand die Idee, dass eine klare Trennung zwischen Politik und Verwaltung zu Effizienzsteigerung fiihren wiirde (Bet. 301/1962: 13). Mit der Trennung von Politikformulierung und routinemaBigen VoUzugsaufgaben schlug A-60 riickblickend bereits eine auch heute modeme Aufgliederung ganz im Sinne des Policy-operationsArguments des NPM-Diskurses vor (vgl. Kapitel 1). Fragen der Steuerung der Direktorate wurden allerdings nicht thematisiert, es ging vor allem um eine Arbeits- bzw. Aufgabenteilung zwischen Department und Direktorat. Zwar findet sich in dem ersten A-60-Gutachten der vage Hinweis, die Kommission habe sich mit der Frage „der Stellung der Direktorate gegenliber den Departments" (Bet. 301/1962: 13) befasst, doch beschrankten sich die Ausfuhrungen dazu auf die Frage, ob und inwiefem den Direktoren der Direktorate direkter Zugang zu „ihrem" jeweiligen Minister zu gewahren sei (ebd.). Uberlegungen, die mit der Steuerung der Direktorate durch die Departments oder der interorganisatorischen Beziehung per se verbunden waren, wurden nicht angestellt. Auf explizite Vorschlage der A-60 Kommission wurden ein Zolldirektorat (Bet. 342/1963) und mehrere Direktorate im Geschaftsbereich des Bildungsministeriums (Bet. 301/1962) eingerichtet. Auch dariiber hinaus wurden die A-60Empfehlungen in der Ministerial verwaltung umgesetzt, so wurde z.B. 1970 aus dem Steuerdepartment ein fiir die Verwaltung der Lohn- und Einkommensteuer zustandiges Direktorat ausgegliedert. Die A-60-Empfehlungen wurden nie flachendeckend umgesetzt. Christensen zahlte 1979 87 Direktorate in der danischen Zentralverwaltung, die 20 Ministerien nachgeordnet waren, lediglich das Kirchen- und das AuBenministerium sowie das „Statsministeriet" ~ die Regierungszentrale - verfiigten liber kein Direktorat (vgl. Christensen 1980: 209). Fiir sieben der beteiligten Ressorts stellt Christensen dariiber hinaus fest, dass deren jeweilige VoUzugsaufgaben vollstandig - d.h. der Vollzug aller ,4-essorteigenen" Gesetze - durch Direktorate wahrgenommen werden (ebd.). ^ Auch die - sparliche - kommentierende Literatur aus dieser Zeit diskutiert die A-60 Empfehlungen nicht aus einem solchen BHckwinkel (vgJ. wohlwollend Christensen (1963) oder ablehnend Bitsch (1976)). Dies ist aber vor allem deswegen nicht uberraschend, weil diese Literatur rechtswissenschaftlich gepragt ist und Steuerungsargumente dort bis heute keine dominierende Rolle spielen. Danische verwaltungswissenschaftliche Literatur liegt m.W. dazu nicht vor.
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Obgleich Aufgaben also in gewissem Umfang ausgelagert wurden, war das Department-Direktorat-Modell nie unumstritten. Kritiker fuhrten an, es sei schwierig, die Aufgaben und Zustandigkeiten zwischen Departments und Direktoraten klar voneinander abzugrenzen, so entstlinde ein „Risiko fiir Doppelarbeit" (Christensen 1980: 204) ebenso wie Kompetenzstreitigkeiten, die Departments wurden einen ungewollten Machtzuwachs erfahren, der in einer (ebenso unerwunschten) Politisierung der Ministerialverwaltung resultieren werde, zudem sei es fiir die Politikformulierung unabdingbar, detailliert liber die Vollzugspraxis informiert zu sein (vgl. ausfiihrlich dazu Christensen 1980: 203-206, Meyer 1979: 71/72). So ging z.B. aus der 1970 eingesetzten Korsbaek-Kommission,^ die sich ebenfalls mit der Re-Organisation der Zentralverwaltung befasste, ein Minderheitenvotum hervor, welches das Einheitsmodell dem Department-DirektoratModell vorzog (Bet. 629/1971: 17). Jenem entsprechend sollte das Ministerium in eine Reihe von Abteilungen gegliedert werden, welche - im Sinne des Planungstrends der 1970er Jahre (Hansen 1999: 87) - sowohl fiir die Planung als auch fiir die Wahmehmung operativer Aufgaben in ihrem spezifischen Aufgabenbereich zustandig sein sollten (J0rgensen 2002: 79). Die Mehrheit der Korsbaek-Kommission aber beflirwortete grundsatzlich das Department-Direktorat-Modell, ebenso wie eine Kommission, die Mitte der 1970er Jahre detaillierte Vorschlage zur Umsetzung eines umfassenden Planungssystems vorlegte. Beide Kommissionen gingen sogar liber die A-60Vorschlage hinaus und empfahlen Ausweitungen der Aufgaben der Direktorate (Christensen 1980: 203, Finansministeriet 2001: 9f.). Die Zustimmung zum Department-Direktorat-Modell liberwog die Gegenstimmen bei weitem, so dass Christensen bereits 1980 dem Department-Direktorat-Modell einen „offiziellen Status" (1980: 206) bescheinigt und spater darauf hinweist, dass einige in den achtziger Jahren durchgeflihrte Reorganisationen ihren Ausgangspunkt bereits in der „jetzt klassischen" (Christensen 2000: 74) Department-Direktorat-Trennung nahmen. Wahrend der 1980er und 1990er Jahre wurden einige Direktorate wieder als Abteilungen in die Departments re-eingegliedert - hier wurde von „deagencifcation*' (J0rgensen/ Hansen 1995) gesprochen. So wurden z.B. 1989 alle Direktorate des Bildungsministeriums in das Department zurlickgeholt, basierend auf den Ideen des Einheitsmodells mit dem Ziel, die Kontrolle der Entscheidungsstrukturen auf alien ressorteigenen Ebenen durch den Minister ebenso wie ^ Die Korsbaek-Kommission wurde 1970 eingesetzt als Reaktion auf forschreitende Zunahme der Beschaftigtenzahlen in der zentralstaatlichen Verwaltung, die zwischen 1960 und 1970 urn 70% anstiegen so wie als Folge einer 1970 durchgefiihrten Kommunalreform, bei der ein wesentlicher Teil der staatlichen Aufgabenwahmehmung auf Regionen und Kommunen verlagert wurde (Finansministeriet 2001: 9).
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die horizontale Koordination innerhalb des Ministeriums zu starken und den neuen Abteilungen groBere Verantwortung zu iibertragen (J0rgensen/Hansen 1995: 558).^ Aus einer 2001 vom Finanzministerium durchgefuhrten Befragung geht hervor, dass ein Ministerium heue typischerweise aus einem Department sowie einer oder mehrerer nachgeordneter Behorden - die mittlerweile zumeist styrelser heiBen - besteht. Ausgenommen sind nach wie vor das AuBenministerium, das Ministerium fur kirchliche Angelegenheiten sowie das Statsministeriet. Nunmehr bestehen alle Ministerien nur aus einem Department, wodurch sich auch der mittlerweile synonyme Sprachgebrauch von Department und Ministerium eingebiirgert hat. Das Department-Direktorat-Modell stellt heute den dominierenden Typus ministerieller Organisation dar, wenngleich in jener Untersuchung auch deutlich geworden ist, dass es nicht nur ein Organisationsmodell gibt, sondem einige Ressorts auch angaben, in ihrer Organisation seien nach wie vor Elemente des Einheitsmodells zu fmden (Finansministeriet 2001: 16, vgl. fiir einen ahnlichen Uberblick Christensen, J.G. et al. 1999: 48/49). Christensen et al. beschreiben die Einflusse beider Modelle als ein „unsicheres Wackeln zwischen zwei Modellen ministerieller Organisation" (Christensen, J.G. et al. 1999: 49, LFbersetzung TH), denen der Status zweier Pole zuzubilligen ist, zwischen denen die Ministerialorganisation schwankt, und die „nie" (ebd.) in ihrer Reinform anzutreffen waren. Insgesamt kann dem A-60-Modell maBgeblicher Einfluss auf die Struktur der Regierungsorganisation zugesprochen werden, auf der anderen Seite aber ist es eben nicht als eine Art Blaupause zu betrachten, die unveranderlich uberall implementiert wurde, vielmehr ergibt sich aus dem Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, dass jeder Minister iiber die Organisation und Reorganisation seines Ressorts eigenstandig verfugt, was in unterschiedlichen Ressortorganisationen miindet. Deutlich wird hier, dass es innerhalb der Regierungsorganisation keinen zentralen Akteur gab, der die Umsetzung eines der beiden Modelle vorangetrieben hat, vielmehr stehen beide einander konkurrierend gegeniiber, was sich auch an den verschiedenen Voten der von den jeweiligen Regierungen eingesetzten Kommissionen ablesen lasst. Wenngleich sich umfassende Auslagerung von Aufgaben in Agencies als ein langwieriger und unvollstandiger Prozess erweist, konnen die A-60Empfehlungen Mitte der 1960er Jahre aus einer Agency-Perspektive als eine Art „Durchbruch" dieser Organisationsform bewertet werden, zwar nicht im Sinne umfassender, nie in Frage gestellter Umsetzung, aber als Etablierung eines Modells mit dauerhafter Geltungskraft. Eine nach Formulierung und Vollzug gestal^ Ebenso wurden im Umweltministerium die Direktorate als Abteilungen in das Department integriert (Christensen 2000: 81).
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tete Trennung von Politik und Verwaltung auf zentralstaatlicher Ebene wurde in den 1960er und 1970er Jahren nicht mit Steuerungsdefiziten im heutigen verwaltungswissenschaftlichen Verstandnis gerechtfertigt: Es ging pragmatisch um veranderte Arbeitsteilung. Die interorganisatorische Beziehung selbst, die gegenwartig eine relevante Dimension der Diskussion bildet, sei es in Fragen der Weisungsfreiheit (unabhangiger) Regulierungsbehorden oder hinsichtlich der Einfiihrung von Zielvereinbarungen zwischen Ministerien und Agencies spielte damals keine Rolle. Die im Principal-Agent-Theorem thematisierten Bedenken, die aus einer solchen Arbeitsteilung erwachsen konnen, spielten keine Rolle: Von den Kritikern des Department-Direktorat-Modells wurde zwar wie erwahnt angefuhrt, dass Kenntnisse der Vollzugspraxis durchaus wertvoll fiir Politikformulierungsprozesse seien, aber der Informationsvorsprung der Direktorate gegeniiber den Departments wurde nicht - entsprechend der Principal-AgentGrundkonstellation ~ dahingehend interpretiert, dass dieser die Direktorate zu von den Interessen der Departments abweichendem Verbal ten verleiten werde. Auch die Gefahr eines „agency capture" (Bernstein 1955) wurde nicht gesehen, wenngleich sich die De-Agencification-Prozesse der 1980er Jahre durchaus als Gegenreaktionen gegeniiber einer zu starken Verbandelung zwischen den jeweiligen Sektoren und den sich dort tummelnden Direktoraten interpretieren lassen wie z.B. aus einer Fallstudie zur Reorganisation des Bildungsministeriums herauszulesen ist (J0rgensen/ Hansen 1995: 556-559). Auch die in der neueren Diskussion um Agencification bestandig geforderte Autonomic - ob nun in der NPM-Variante als Ruf nach eigenstandigen Manage mentkompetenzen in Finanz- und Personalfragen, sowie einer per Kontrakt herbeigefiihrten Zielorientierung bzw. -steuerung oder in der „credibility"Variante des Diskurses um den regulativen Staat - ist in der alteren Diskussion nicht thematisiert worden. Gelegentlich ist in den Diskussionen um das A-60Modell zwar von mehr „Selbstandigkeit" der Direktorate die Rede (Christensen 1963: 106), dies wird aber entweder auf die bereits erwahnte befurchtete Politisierung der Departments bezogen (ebd.) oder ebenfalls auf die Aufgabenteilung in inhaltlicher Hinsicht insofem, als dass Aufgabenerledigung nun moglich wird, ohne dass andere (politisch prioritare) Aufgaben (zeitlich) dazwischen geraten (ebd.: 114). Dennoch ist die Einfiihrung des Department-Direktorat-Modells retrospektiv als eine Form von (danischer) Agencification zu verstehen, die sich mit Beck J0rgensen und Hansen treffend als „agencification without autonomy" (J0rgensen/ Hansen 1995: 552) bezeichnen lasst: Zwar ging es bei der Auslagerung der Aufgabenwahrnehmung der Ministerien in die Direktorate'^ - ganz im Sinne des '° Die Stellung der Direktorate stimmt mit den heute ublicherweise einer Agency zugeschriebenen Charakteristika iiberein - wenn man die eingangs erwahnten Definitionsprobleme auBer Acht lasst
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New Public Management ca. 30 Jahre spater - urn die Starkung der PolicyMaking-Kapazitaten der Departments, diesen wurde aber keine Autonomie zuerkannt und hergebrachte blirokratische Regelsteuerung wurde nicht in Frage gestellt. Dieser riickblickende Versuch einer institutionalistischen Interpretation der Einfiihrung von Agencies in das danische Verwaltungsmodell erweist sich eher als eine Interpretation dessen, was sich alles (noch) nicht herauslesen lieB. Gleichwohl lieBe sich die Empfehlung der A-60-Kommission zur Einfiihrung des Department-Direktorat-Modells als ein Momentum begreifen, das einer bestimmten Entwicklung der Regierungsorganisation den Weg geebnet und eine fur die Einfiihrung von Kontraktsteuerung giinstige Konstellation eroffnet hat, denn Agencies lassen sich spatestens seit den 1960er Jahren als eine etablierte GroBe bzw. als ein historischer Baustein in der danischen Ministerialverwaltung begreifen. Zwar wurde zuletzt haufig kritisiert, das Konzept der Pfadabhangigkeit wtirde iiberdehnt und verliere an Scharfe, wenn ein zu kleinteiliger Fokus eingenommen wird (vgl. Pierson 2004: 21; Greener 2005), gleichwohl lassen sich die Empfehlungen der A-60-Kommission als Beginn eines Pfades verstehen, den die danische Ministerialorganisation eingeschlagen hat. Die Frage der interorganisatorischen Beziehung zwischen Departments und Agencies rlickte erst mit der Einfiihrung der Kontraktsteuerung zu Beginn der 1990er Jahre, die Gegenstand des nachsten Abschnitts ist, in den Blickpunkt des Interesses.
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Die Einfiihrung von Kontraktsteuerung: Das Finanzministerium als Protagonist
Die Diagnose zweier anders gelagerter Probleme ging der Einfiihrung der Kontraktsteuerung voraus. Zum einen wurde mit einer Reform des Haushaltrechts 1984 unter der konservativ-liberalen Regierung von Poul Schliiter, die auf eine verbesserte Kontrolle des staatlichen Haushalts abzielte, ein erster Anreiz zur Einfiihrung von Kontraktsteuerung geschaffen: Durch die Einfiihrung des Prinzips der „Totalrahmenbudgetierung"^^ wurde das Haushaltsrecht zwar dezentraund die von Pollitt, Talbot und anderen vorgeschlagene Definition als kleinsten gemeinsamer Nenner betrachten (vgl. z.B. Talbot 2004: 5): Organisatorische Trennung vom Ministerium („at arm's length"), Wahmehmung offentlicher Aufgaben auf nationaler Ebene, Beschaftigung der Mitarbeiter in offentlich-rechtlichen Dienstverhaltnissen, staatliche Haftung fiir die finanziellen Verpflichtungen, offentlich-rechtliche Organisation. " „Totalrahmen" galten fiir samtliche Nettoausgaben eines Ressorts (0stergaard 1998: 316). D.h. Es waren auf jeder staatlichen Ebene „top-down" Rahmen anzufertigen, die im Ergebnis sowohl den Ministerien als auch den nachgeordneten Behorden groBeren Handlungsspielraum zubilligten. Auf
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lisiert, nicht aber dessen strikte Input-Orientierung beseitigt, d.h. die Bewilligung von Haushaltsmitteln wurde nicht an spezifische Ziele oder Leistungen einer Behorde gekniipft (Pedersen et al. 1997: 105). So wurde die Suche nach einem erganzenden Instrument zum Thema fiir die danische Regierung. Zum anderen diirfte eine Ausloser, der liberraschenderweise in der Literatur wenig dokumentiert ist, zur Einfuhrung der Resultatkontrakte in den wahrend der 1980er Jahre zunehmend lauter werdenden Stimmen von Seiten der Departments liegen, nach denen die Agencies „zu machtig" (Hansen 1999: 90) geworden seien. Die Agencies hatten sich - als Folge des dem Department-DirektoratModell zugrunde liegenden Hauptgedankens sowie durch fortschreitende Professionalisierung - zu eigenstandigen politischen Akteuren mit eigenen institutionellen Identitaten entwickelt. Eine Starkung der Position des Ministers und des Departments vis-a-vis der Agencies wurde gefordert, um das solchermaBen perzipierte Steuerungsdefizit wieder zu verringern (J0rgensen 2002: 80). Als ein weiterer Hinweis auf wahrgenommene Steuerungsdefizite der Departments gegeniiber den Agencies lassen sich auch die bereits erwahnten De-AgencificationProzesse interpretieren. Die „Verbesserung der politischen Steuerung" wird in den einschlagigen offiziellen Publikationen zusammen mit der Steigerung der Effizienz des Verwaltungshandelns als Ziel der Etablierung von Resultatkontrakten genannt (Finansministeriet 1995: 14, Statsrevisorerne 1998: 3). Dass dieses Ziel expressis verbis angefuhrt wird, lasst sich ebenfalls als ein Anzeichen fiir zuvor bestehende Probleme in der Steuerung der Agencies deuten. Dass das offenbar wahrgenommene Steuerungsdefizit in der Literatur kaum aufgegriffen wurde, iiberrascht zum einen, weil es eben als ein explizites Ziel der Einfuhrung von Kontrakten angegeben wurde und zum anderen weil die Principal-Agent-Debatte zeitgleich vor allem in der amerikanischen Literatur mit den Beitragen von Kiewit/ McCubbins (1991), McCubbins/ Schwartz (1987), McCubbins/ Noll/ Weingast (1989) etc. ihre erste Hochphase erlebte und dort die Defizite in der Steuerung von (amerikanischen) Agencies zentrales Thema war. Das Finanzministerium wurde treibende Kraft bei der Einfuhrung der Kontraktsteuerung: Es - genauer das Administrations- und Personaldepartment (ADP) des Finanzministeriums - verpflichtete sich, ein geeignetes Steuerungsinstrument zu konzipieren. Auf Grundlage einer Vorstudie wurde ein Konzept entwickelt, nach welchem „maBgeschneiderte" Resultatkontrakte mit zu vereinbarenden Zielvorgaben zwischen Agencies und Departments etabliert werden sollten (naheres bei Pedersen et al. 1997: 107 ff.). Dabei orientierte sich das ADP maBgeblich an der britischen „Next-Steps"-Initiative (vgl. Greve 1995), an ahndiese Weise sollte Prioritatensetzung und Kontrolle staatlicher Ausgaben erreicht werden (Pedersen etal. 1999:3).
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lichen Projekten in Australien, Schweden und Kanada (Finansministeriet 1993: 93, Finansministeriet 1996: Kapitel 4) sowie an der internationalen PublicManagement-Literatur (Ejersbo/Greve 2002c: 227). Die vom ADP als unabdingbar zur Legitimation und damit zur Durchsetzung innerhalb der Ministerialverwaltung erachtete politische Riickendeckung erhielt die Idee durch den damaligen Finanzminister Henning Dyremose, der sich vor allem von der Kompatibilitat von Kontraktsteuerung und Haushaltspolitik und -prozedur uberzeugen lieB (Christensen et al. 1997: 153/154). Auf Grundlage eines anschlieBenden Kabinettsbeschlusses begann 1992 das sog. „Fristyrelsesprojekt" mit der Etablierung von sieben contract agencies, die vier verschiedenen Ministerien unterstanden. Sechs weitere Kontrakte traten am 1.1.1993 in Kraft - insgesamt nahmen 13 Agencies aus sieben Ministerien an dem Projekt teil (Finansministeriet 1995: Bilag 2). Dominierendes Teilnahmemotiv auf Seiten der Departments war es, das eigene Haus als eine modeme und entwicklungsorientierte Organisation zu profilieren (eigenes Interview, Fischer/Kirchhoff 1998: 62). Die teilnehmenden Agencies wurden von den Departments unter Einflussnahme des Finanzministeriums ausgewahlt, galten als „proactive agencies...[that]...had already shown signs of success*' (Greve 2000a: 157) und variierten sowohl in ihren Aufgaben von der Finanzaufsicht („Finanstilsynet") bis zum Nationalmuseum („Nationalmuseet") - als auch in Finanzierungsformen - zwischen Hauhalts- und Gebiihrenfinanzierung. Die Agencies betrachteten die Vorschlage zur Projektteilnahme zumeist als ein „Angebot, das man nicht ablehnen konnte" (Thaarup 1995: 26) und zudem wurde ihnen als ein wesentlicher Anreiz zur Teilnahme in den Resultatkontrakten zu Beginn eine Haushaltsgarantie versprochen (Ejersbo/ Greve 2002b: 24). Im Rahmen des Fristyrelsesprojektes wurden die Resultatkontrakte in Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium, dem jeweiligen Department und der entsprechenden Agency ausgehandelt. Dabei zeigte sich, dass die Departments nicht, wie angedacht, die fiihrende Rolle im Verhandlungsprozess ubemahmen, sondem sich zuriickhaltend verhielten (Thaarup 1995: 27). Diese Zuriickhaltung wird als Beleg dafiir angefiihrt, dass die Departments weder die erforderliche Einsicht in die Aktivitaten der Agencies besaBen, noch das notige Interesse fiir selbige aufwiesen und dariiber hinaus auch die Kompetenz flir fachliche - also inhaltlich an den Aktivitaten der Agencies orientierte - Steuerung fehlte (Fischer/ Kirchhoff 1998: 66). Die Zielfestsetzungen orientierten sich an bereits zuvor von den Agencies erarbeiteten Handlungsplanen, so dass die Agencies schnell in eine „federfuhrende" Position im Rahmen der Kontraktverhandlungen gelangten - die Resultatkontrakte wurden im Wesentlichen von den Agencies formuliert und auf der Haushaltsseite mit dem Finanzministerium ausgehandelt (Fischer/ Kirchhoff 1998: 65).
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1995 erarbeitete das Finanzministerium gemeinsam mit einer Unternehmensberatung eine Evaluation des Projektes, in welcher als wichtigster Aspekt festgestellt wurde, „im Wesentlichen" (Finansministeriet 1995: 74) batten alle Agencies die Zielsetzungen der Resultatkontrakte erfiillt. Dies wurde andemorts als Hinweis darauf gedeutet, die Zielvorgaben seien zu niedrig angesetzt gewesen (Greve 2000a: 158). Mit dieser Evaluation wurde das Fristyrelsesprojekt offiziell beendet und zugleich wurde die Fortsetzung und weitere Verbreitung der Kontraktsteuerung empfohlen (Finansministeriet 1995: Einleitung o.Pg.). Spatestens mit diesem Bericht war Kontraktsteuerung offizielle Policy geworden, jedoch ohne einen Gesetzesbeschluss, schlicht auf Empfehlung des Finanzministeriums, das in dieser Frlihphase eindeutig der dominante Akteur war Oder um mit Carsten Greve und Niels Ejersbo zu sprechen Kontraktsteuerung war ein „Steuerungsinstrument des Finanzministeriums" (2002b: 24). 1993 gewann eine sozialdemokratisch gefiihrte Koalitionsregierung die Wahl. Im Zuge des Regierungswechsels wurden die bis dahin als fristyreiser bezeichneten Kontraktbehorden in kontraktstyrelser umgetauft. Inhaltlich anderte sich nichts (Greve 2000a: 157, Hansen 1999: 89). Diese Entscheidung der sozialdemokratischen Regierung kann als Beginn der festen Etablierung von Kontraktsteuerung als Steuerungsinstrument in der danischen Ministerialverwaltung betrachtet werden (Thaarup 1995: 22). Die Einflihrung von Resultatkontrakten war kompatibel mit der je spezifischen Interessenstruktur der Hauptakteure: Das Finanzministerium wollte ein Instrument, welches - in Erganzung zum input-orientierten Haushaltsrecht uber eine verstarkte Leistungsorientierung der Agencies das Augenmerk auf die Output-Seite des Verwaltungshandelns lenkte, wahrend die Departments sich eine Milderung des erwahnten Steuerungsdefizits versprachen. Der Instrumentenkasten des New Public Management war international verwaltungspolitisch in Mode gekommen, so dass sich ein Riickgriff auf selbigen anbot. Institutionentheoretisch lasst sich die Einflihrung der Kontraktsteuerung zum einen als eine mimetisch-isomorphe Entwicklung interpretieren (vgl. DiMaggio/Powell 1991b: 69/70): International vagabundierende Ideen und Orientierungsmuster diffundierten nach Danemark und resultierten in der Nachahmung der Reformelemente anderer, vor allem angelsachsischer Lander. Der Verweis auf ahnliche Projekte in anderen Landem kann dann ebenso als ein legitimitatsstiftendes Argument verstanden werden wie die Teilnahme der am Fristyrelsesprojekt beteiligten Departments: Teilnahme als Anpassung an solchermaBen veranderte Orientierungsmuster der Organisationsumwelt, in anderen Worten: „Wenn Kontraktsteuerung das Zeichen der Zeit ist, mac hen wir mit!" Zum anderen lasst sich die Einflihrung der Kontraktsteuerung in der danischen Zentralverwaltung mit der Principal-Agent-Agumentation simpel als eine notwendige Er-
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ganzung der Department-Agency-Konstruktion begreifen: Der Principal (das Department) erhalt mit dem Resultatkontrakt ein Instrument, welches Anreize schaffen soil, den Agenten (die Agency) auf die Interessen des Principals zu verpflichten. Welchen Stellenwert nimmt Kontraktsteuerung heute in der danischen Zentralverwaltung ein? Dieser Frage soil im nachfolgenden Abschnitt nachgegangen werden.
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Von Null auf Hundert: Quantitative und qualitative Entwicklung danischer Kontraktsteuerung
Heute bezeichnet Kontraktsteuerung in der danischen Ministerialverwaltung eine Mixtur verschiedener zielorientierter Steuerungsinstrumente, die zwischen Ministerien und Agencies zum Einsatz kommen (vgl. Finansministeriet 2000); Neben den Resultatkontrakten wurden sog. „Direkt0rkontrakte" eingefiihrt, die zwischen den Direktoren der Agencies und den Departmentchefs geschlossen werden und eine Ergebnisorientierung der Direktoren zum Ziel haben (nicht aber deren Dienstverhaltnis regeln) ebenso wie interne Kontrakte und Vereinbarungen liber leistungsorientierte Bezahlung, die zwischen einzelnen Einheiten einer Agency bzw. einzelnen Mitarbeitem und den Direktoren vereinbart werden konnen. Nachfolgend sollen zunachst (4.1) die Ausbreitung der Kontraktsteuerungselemente betrachtet werden und anschlieBend (4.2) die einzelnen Elemente der Kontraktsteuerung und ihre Verkniipfung zu einer „Agencypolitik" beleuchtet werden.
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5.7 Zur Verbreitung von Kontraktsteuerung: Contract euphoria Tabelle 1: Verbreitung von Resultat-, Direkt0r- und intemen Kontrakten 19922004 Resultatkontrakte Direkt0rkontrakte Interne Kontrakte & leistungsorientierte Bezahlung 1992 7 k.A. 1995 27 5 21 1997 38 1999 81 40 2004 119 60 Quelle: Finansministeriet (2000), (2004)
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k.A. k.A. 22 k.A. „Effektiviseringsstrategien" der Ressorts
Kontraktsteuerung fand rasche Verbreitung: Wie in Tabelle 1 dargestellt, wurden 1992 lediglich sieben Resultatkontrakte vereinbart, zehn Jahre spater wurden bereits iiber 100 Resultatkontrakte gezahlt (Ejersbo/Greve 2002b: 23). Im Jahr 2004 arbeiteten auBer dem Staatsministerium und dem Kirchenministerium, die beide nicht uber einen nachgeordneten Bereich verfiigen, alle Ressorts mit Kontraktsteuerung. Das AuBenministerium, das ebenfalls nicht iiber einen klassischen nachgeordneten Bereich verfugt (vgl. Kap. 2), sondem sich als „Einheitsorganisation" (Udenrigsministeriet 2004: 3) versteht, flihrte 2004 ein Pilotprojekt durch, in dem Resultatkontrakte zwischen dem Ministerium in Kopenhagen und acht Botschaften geschlossen wurden (die hier nicht mitgezahlt wurden), fur die kommenden Jahre wurde die Ausweitung der Kontraktsteuerung auf alle Botschaften und Konsulate weltweit angekiindigt (Udenrigsministeriet 2004). Dass Kontraktsteuerung als Instrument flexibel und von den Ressorts unterschiedlich verwendet wird, zeigt sich auch bei dem Versuch, die genaue Anzahl von Resultatkontrakten zwischen Departments und Agencies zu ermitteln: So halt z.B. das Justizministerium, die Erstellung von Resultatkontrakten flir sehr kleine Institutionen fur nicht effektiv (Justitsministeriet 2004: 13), das Kulturministerium hingegen bspw. schlieBt mit alien, darunter auch 35 iiberwiegend als „klein" bezeichneten Institutionen Resultatkontrakte ab (Kulturministeriet 2004: 5, 12 ). Zum 1. Januar 2005 ist ein Gesetz in Kraft getreten, nach dem flir die Ressortforschungseinrichtungen die Etablierung eines Resultatkontraktes zwischen Minis-
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ter und jeweiligem Vorstand^^ vorgeschrieben wird. Vor diesem Hintergrund erscheint der Begriff „contract euphoria" gerechtfertigt, mit welchem Carsten Greve diese Entwicklung beschrieben hat (Greve 2000a: 161).
5,2 Elemente der Kontraktsteuerung: Administrative Agencypolitik Das Finanzministerium empfiehlt die Verkniipfung der vier Kontraktsteuerungselemente Resultatkontrakte, Direkt0rkontrakte, interne Kontrakte und leistungsorientierte Bezahlung sowie Jahresberichte im Sinne einer „Kontraktkette" von „oben nach unten" in einer Agency (Finansministeriet 2000: 25). Zuoberst in dieser Kette befindet sich der Resultatkontrakt, der als „Peilmarke*' fur die langfristige Ausrichtung der Steuerung einer Agency erachtet wird (Finansministeriet 2000: 26). Der Resultatkontrakt war das erste und ist bis heute das zentrale Element der Kontraktsteuerung. Bin Resultatkontrakt ist kein rechtlich bindender bzw. gerichtlich einklagbarer Vertrag. Er wird von dem jeweiligen Direktor der Agency und dem entsprechenden Minister oder Departmentchef unterzeichnet. Dem jeweiligen Ressortminister obliegt einseitig das Recht von einem Resultatkontrakt zuriickzutreten, wodurch der Gultigkeit des UberUnterordnungsprinzips zwischen Departments und Agencies als Ausfluss der Ministerverantwortlichkeit Ausdruck verliehen wird. Die Resultatkontrakte sollen die Leistungsanforderungen an eine Agency in Form von Zielvorgaben sowie die Bedingungen, unter denen die Agency diese Leistungsergebnisse zu erbringen hat, enthalten. Die typischen Zielvorgaben der Resultatkontrakte lassen sich grob in entwicklungsorientierte und produktorientierte Zielvorgaben unterscheiden: Als entwicklungsorientierte Ziele werden Zielvorgaben hinsichtlich der Organisationsentwicklung der entsprechenden Agency verstanden, wie z.B. die Entwicklung von Weiterbildungsprogrammen fiir die Mitarbeiter oder auch Entwicklung und Etablierung neuer IT-Systeme. Unter produktorientierten Ziele lassen sich jene zusammenfassen, die sich konkret auf die Erstellung der Leistungen der entsprechenden Agency beziehen. Darunter konnen sowohl qualitative wie quantitative Zielvorgaben fallen. Beispiele sind solche hinsichtlich der Steigerung der Produktivitat oder zur Verringerung der Vorgangsbearbeitungszeit. In Tabelle 2 sind diese verschiedenen Elemente der Kontraktsteuerungskette zusammengefasst:
'" Ressortforschungseinrichtungen werden von einem Vorstand geleitet, dessen Mitglieder von dem zustandigen Ressortminister ausgewahlt werden. Die Geschafte fiihrt ein Direktor (Lov om sektorforskningsinstitutioner §4 LOV nr 326 af 05/05/2004).
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Thurid Hustedt
Bei der Betrachtung der Tabelle fallen insbesondere zwei Spezifika auf, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen: Auf einer Akteursebene fallt erstens die Rolle des Finanzministeriums in diesem Reformprozess auf und zweitens wird auf einer Steuerungsebene deutlich, dass die nacheinander eingefiihrten Elemente einen immer kleinteiligeren Fokus (mit Ausnahme der Jahresberichte) haben. Zunachst zur Rolle des Finanzministeriums: Die obige Tabelle verdeutlicht, dass das Finanzministerium nicht nur - wie im vorherigen Abschnitt erlautert als Protagonist der Einfiihrung von Kontraktsteuerung in der danischen Ministerialverwaltung gelten kann, sondem auch die nachfolgende Einfiihrung der Direkt0rkontrakte und der Jahresberichte initiiert hat. Nachdem sich das Finanzministerium mit dem Ende des Fristyrelsesprojektes aus den Verhandlungen iiber die Resultatkontrakte zuriickgezogen hatte, wurde auch die Haushaltsgarantie beendet. Weiterhin gelten die Regeln der Rahmenbudgetierung, die Agencies klaren die Haushaltsituation jahrlich mit dem Finanzministerium, die Bewilligung der Haushaltsmittel ist also nicht direkt mit dem Resultatkontrakt verknlipft (Christensen, P. et al. 1999: 269/70). Die Kontraktverhandlungen wurden den Departments und Agencies iiberlassen, das Finanzministerium ubemahm eine beratende Funktion im Besonderen durch die neu gegrlindete Agency „0konomistyrelsen"/"^ mit welcher das Finanzministerium seinen ersten „eigenen" Resultatkontrakt schloss (Greve 2000a: 158). Im selben Jahr trieb das Finanzministerium ein Pilotprojekt zur Einfiihrung von Direkt0rkontrakten mit zunachst fiinf Agency-Direktoren voran, mit Beginn des Jahres 1997 wurde der Direkt0rkontrakt als permanentes Steuerungsinstrument etabliert (Finansministeriet 2000: 17). Seit dem Riickzug aus den Kontraktverhandlungen hatte das Finanzministerium den Eindruck, die Kontrolle iiber dieses Steuerungsinstrument zu verlieren und entwickelte vor diesem Hintergrund den Vorschlag zur Etablierung der Jahresberichte als „...device that linked contracts with a more ambitious strategy for reporting the performance." (Greve 2000a: 160). Seit dem Hauhaltsjahr 1997 sind alle Kontrakt-Behorden, alle gebiihrenfmanzierten Verwaltungseinheiten so wie alle Institutionen, welche aus dem Staatshaushalt jahrlich mehr als DKK 25 Millionen erhalten, per Gesetz verpflichtet einen solchen Jahresbericht zu erstellen/"^ der die erzielten Resultate der jeweiligen Verwaltungseinheit so wie den Zusammenhang zwischen okonomischen und fachlichen Resultaten analysieren und dokumentieren soil (Finansministeriet 2000: 23). Fiir die KontraktBehorden soil der Jahresbericht zudem einen engen Bezug zu den Inhalten des '^ 0konomistyrelsen tragt auf Englisch den Namen „Agency for Governmental Management" und ist neben der beratenden Funktion, die es fur alle staatliche Institutionen in zentralen Fragen der Steuerung und Organisation wahmimmt, vor allem zustandig fiir die Erstellung und Verwaltung der gesamtstaatlichen Rechnungslegung. ''Akt 82 4/12 1996
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Resultatkontraktes aufweisen (0konomistyrelsen 1998: 168) und so zum „Hauptberichterstatter" werden. Die Jahresberichte werden von der jeweiligen Verwaltungseinheit erstellt und dem entsprechenden Department, dem Rechnungshof („Rigsrevisionen" und „Statsrevisorerne"),^^ dem Haushaltsausschuss des Parlaments sowie dem Finanzministerium zugeleitet. Dariiber hinaus werden sie im Internet publiziert. Zwar lasst sich so nicht erklaren, warum die Erarbeitung der Jahresberichte - im Gegensatz zu den Resultat- und Direkt0rkontrakten - gesetzlich verankert wurde, dennoch kann diese Initiative als Versuch des Finanzministeriums verstanden werden, Kontrolle iiber den „Reformprozess Kontraktsteuerung" zuriickzuerlangen (so auch Greve 2000a: 160, ahnlich Ejersbo/ Greve 2002b: 25).^^ Dass das Finanzministerium die Weiterentwicklung und Verankerung der Kontraktsteuerung (weiterhin) konsequent vorantreibt, lasst sich nicht nur an der Einfuhrung der neuen Elemente ablesen, sondem auch an der bestandigen Erarbeitung von Berichten und Handlungsempfehlungen (vgl. Finansministeriet 1993, 1995, 1996, 1997, 2000, 2003, ebenso: 0konomistyrelsen 1999). Vor allem in einer 2000 veroffentlichten Handreichung des Finanzministeriums werden klare Vorstellungen iiber die Anwendung der einzelnen Instrumente und ihrer Verkniipfung im Sinne der Kontraktsteuerungskette deutlich.^^ 2003 wurde eine Publikation vorgelegt, in der neue Empfehlungen fiir das Erstellen der Zielvorgaben, die Gliederung eines Resultatkontraktes und die Verkniipfung mit dem Direkt0rkontrakt vorgeschlagen werden (Finansministeriet 2003). Zudem werden dort die Departments aufgefordert, sogenannte „Effektivisierungsstrategien*' (Finansministeriet 2003: 21 ff.) zu erarbeiten, in denen sie darlegen sollen, welche ressorteigenen Behorden per Kontrakt gesteuert werden, wie zielorientierte Steuerung organisatorisch verankert ist, wie das Aufstellen der Kontrakte und das Berichtswesen im Jahresablauf eingeplant sind und wie die ressorteigene Kontraktsteuerung mit den zur Verfiigung stehenden Ressourcen '^ An dieser Stelle ist auf eine Besonderheit des danischen Revisionswesens hinzuweisen: Die Gruppe der Statsrevisorerne wird vom Parlament gewahlt und ist hauptsachlich zustandig fiir die Revision der konsolidierten staatlichen Rechnungslegung, wahrend Rigsrevisionen zustandig ist fiir die detaillierte Revision der Verwaltung. In der Praxis werden alle Revisionen von Rigsrevisonen durchgeftihrt, und wenn erforderlich von den Statsrevisorerne kommentiert. Dariiber hinaus haben die Statsrevisorerne das Recht, Rigsrevisionen mit der Durchfiihrung spezieller Revisionen - auch Verwaltungsrevisionen - zu beauftragen (Kjaer 1997: 104). '^ Die Einfiihrung intemer Kontrakte ist nicht auf einen Akteur oder ein spezielles Pilotprojekt zuriickfiihren (vgl. Tab. 2), wurde aber in einer Evaluation der gesamten Zielsteuerung empfohlen, basierend auf zusammengetragenen Empfehlungen aus verschiedenen Ressorts, die „auf eigene Faust" bereits mit intemen Kontrakten arbeiteten (0konomistyrelsen 1999: 31/32). '^ Ob die erhoffte Verkniipfung zwischen Resultat-, Direkt0rkontrakten und anderen Managementinstrumenten gelingen wird, scheint noch offen (Ejersbo/ Greve 2002b: 25). Bisher liegen hierzu keine umfassenden empirischen Untersuchungen vor (vgl. aber die Beitrage von Lindberg (2002) und Lange (2002)).
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verbunden wird (Finansministeriet 2003: 28). Alle Departments sind dieser Aufforderung nachgekommen, so hat z.B. das Wirtschaftsministerium zwar eine andere als die vom Finanzministerium vorgeschlagene Gliederung fur seine „Effektivisierungsstrategie" gewahlt, diese aber piinktlich vorgelegt, alle eingeforderten Aspekte angesprochen und gewahrt dem externen Beobachter einen offenen Einblick in den ressorteigenen Umgang mit der Kontraktsteuerung (samtliche Effektivisierungsstrategien sind auf den Websiten der Departments einzusehen) (0konomi - og Erhversministeriet 2004). Durch die bestandige Fortentwicklung sind die einzelnen Elemente der Kontraktsteuerung durch das Finanzministerium zu einem Gesamtkonzept verkniipft worden, was sich auf der Steuerungsebene als zweiter Augenfalligkeit obiger tabellarischer Ubersicht wie folgt niederschlagt. Auf der Steuerungsebene lasst sich aus der Principal-Agent-Perspektive die Entwicklung der nacheinander eingeflihrten Elemente Resultatkontrakt, Direkt0rkontrakt, Jahresberichte und interne Kontrakte als fortschreitender Versuch der Losung des immanenten Kontrollproblems (z.B. McCubbins/ Noll/ Weingast 1987) deuten. Dazu lassen sich zwei Argumente der Principal-Agent-Literatur bemiihen: Erstens fallt auf dass, die aufeinander folgende Einfuhrung der Resultat-, Direkt0r- und intemen Kontrakte auf immer kleinteiligere Einheiten -verstanden als Agenten - abzielt: So soil mit dem Resultatkontrakt zunachst die Leistungsorientierung der gesamten Agency gestarkt werden, anschlieBend sollen Anreize fur ein ergebnisorientiertes (im Sinne der Zielvorgaben des Resultatkontraktes) Arbeiten des Direktors der Agency geschaffen werden und schlieBlich die organisatorischen Einheiten (bzw. einzelnen Mitarbeiter) auf die Zielsetzungen des Resultatkontraktes verpflichtet werden, dies lasst sich als eine Form der ex-postSteuerung (vgl. Huber 2000) beschreiben: Die Resultatkontrakte geniigten nicht, um alle Einheiten innerhalb einer Agency auf die Zielvorgaben des Kontraktes verpflichten, so dass im Sinne der Principal-Agent-Literatur dieser Kontrakt fur sich genommen ineffizient war, und agency shirking - hier verstanden als Nichtorientierung des Verhaltens an den Zielvorgaben der Resultatkontrakte - zu beflirchten stand. Damit wurde eine Nachjustierung erforderlich, durch die liber eine Art Feinsteuerung der einzelnen Einheiten - Direktor, Abteilungen, Mitarbeiter - Anreize fiir Verhaltensanpassungen der einzelnen Einheiten des konsolidierten Agenten und damit ein funktionsfahiges Gesamtvertragssystem geschaffen werden sollte. Die Einfuhrung der Jahresberichte erscheint zweitens aus der Perspektive des Principal-Agent-Denkgertists ebenso als eine Form der ex-post-Steuerung, durch die der Agent nach Inkrafttreten des Vertrags verpflichtet werden soil, Informationen iiber sein Handeln offen zu legen, die bestehende Informationsas-
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symmetrie soil eingedammt werden, Anreize flir hidden information und hidden action des Agenten sollen verringert werden: Berichterstattungspflichten werden in der Principal-Agent-Literatur als wichtige MaBnahme hierzu erachtet (Kiewit/ McCubbins 1991: 31). Vor diesem Hintergrund erscheint die verpflichtende Einflihrung der Jahresberichte beinah denknotwendig. Diese finanzministeriell gesteuerte Fortentwicklung und erfolgreiche Verbreitung des Konzepts Kontraktsteuerung ist zunachst vor allem deshalb bemerkenswert, weil entsprechend des Prinzips der Ministerverantwortlichkeit formal kein Ministerium anderen Ressorts organisationale MaBnahmen aufdrangen kann, was dem Finanzministerium im vorliegenden Fall aber gelungen ist. Lotte Jensen (2003) zeigt in einer Studie des danischen Finanzministeriums, wie jenes sich bewusst die Rolle eines institutionellen Designers der Regierungsorganisation erarbeitet hat. Institutionalistisch lasst sich diese Strategic mit Jensen als Ausbau der strategischen Kapazitat des Finanzministeriums tiber die gezielte Beeinflussung der Spielregeln, Normen und Leitbilder (innerhalb der Regierungsorganisation) interpretieren, durch den es gelingt, andere Akteure der Regierungsorganisation quasi indirekt, institutionell zu steuern (vgl. Jensen 2003). Zwar liegt der Fokus dieser Studie nicht auf konkreten verwaltungspolitischen MaBnahmen, sondem es geht vielmehr um die Frage, wie es dem Finanzministerium gelang, sich als einen effektiveren Policy-Produzenten zu etablieren. Vor dem Hintergrund dieser grundsatzlichen Neuorientierung, die Lotte Jensen in den 1990er Jahren verortet, hicBe dies fiir den Fall der Kontraktsteuerung - bei aller gebotenen Vorsicht einer solchen Ubertragung - dass das Finanzministerium es zum einen geschafft hat, als steuemder Akteur in Erscheinung zu treten, der zum anderen Zielorientierung des Verwaltungshandelns und damit ein urspriinglich okonomisches Leitbild (iiber die Kontrakte) in der Regierungsorganisation etablieren konnte. Durch die Verdichtung der einzelnen Elemente zu einem Gesamtkonzept und dessen bestandigem Propagieren hat das Kontraktsteuerungskonzept programmatischen Charakter als das maBgebliche Konzept danischer Verwaltungssteuerung erhalten. Das Finanzministerium hat mit der nahezu flachendeckenden Etablierung Kontraktsteuerung als ein administratives Programm durchgesetzt und Empfehlungen zur Umsetzung gegeben, die spezifische Ausgestaltung fallt gleichwohl in den Gestaltungsspielraum der Ressorts, wie z.B. an den erwahnten unterschiedlichen Auffassungen, welche Agencies per Kontrakt gesteuert werden sollen im Justiz- und Kulturressort deutlich wird, woran sich zum einen die Geltungskraft des Prinzips der Ministerverantwortlichkeit ablesen lasst. Zum anderen lasst sich dieser Fortentwicklungsprozess hin zu einem administrativen Programm als eine administrative Agencypolitik beschreiben: Zwar lag der Einfiihrung und Verdichtung der Elemente zu einem Konzept nicht von vomherein eine klare Vorstellung iiber das institutionelle Design der Kon-
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traktsteuerung zu Grunde, sondem dieser Prozess ist vielmehr als ein Lernprozess zu sehen, der vor allem von der Arbeitsebene des Finanzministeriums kontinuierlich vorangetrieben wurde und in der Formulierung und Implementation eines koharenten Programms, der Agencypolitik, resultierte. Als „administrativ" lasst sich diese Agencypolitik nicht nur ob der Abwesenheit von Politikem und politischen Konflikten bei der Formulierung bezeichnen, sondern auch weil die praktische Anwendung ein rein binnenadministrativer Vorgang ist, wie im nachsten Abschnitt deutlich wird, der anhand eines Fallbeispiels die interorganisatorische Beziehung zwischen Department und Agency im Rahmen der Kontraktsteuerung zum Gegenstand hat.
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Steuerung durch Dialog: Wirtschaftsministerium und Patentamt
Wie funktioniert Kontraktsteuerung nun aber in der Praxis? Dieser Frage soil im Folgenden anhand eines Fallbeispiels, namlich der Steuerungsbeziehung zwischen dem Wirtschafts- und Industrieministerium und dem Patentamt (Patent- og Varemaerkestyrelsen) konkret nachgespurt werden.^^ Dabei stehen die Resultatkontrakte und Jahresberichte als interorganisatorische Dreh- und Angelpunkte der Kontraktsteuerung im Mittelpunkt. Gegriindet wurde das Patentamt als eine organisatorisch eigenstandige Behorde (Direktoratet for Patent- og Varemaerkevaesenet) bereits 1924, hervorgegangen aus einer Patentkommission, tragt es seit 1999 den heutigen Namen Patent- og Varemaerkestyrelsen. Neben der Registrierung von Patenten, Warenzeichen und Gebrauchsmustem als Vollzugsaufgaben nimmt das Patentamt policyformulierende und damit klassisch ministerielle Aufgaben in alien Fragen gewerblicher Eigentumsrechte wahr, das Patentamt erarbeitet also ministerielle Gesetzesvorlagen bei anstehenden Novellen im Bereich der Eigentumsrechte. Dieses fur danische Agencies nicht untypische Aufgabenprofil lauft sowohl dem NPM-Argument der klaren policy-operations-Trennung als auch den arbeitsteiligen Vorstellungen der A-60 (und nachfolgenden) Kommissionen zuwider und konnte darauf hinweisen, dass von den Beflirwortem einer strikten Trennung von Policy- und operativen Verantwortlichkeiten moglicherweise die Bedeutung perzipierter Steuerungsdefizite uberschatzt wird und Aufgabenprofile vielmehr zum einen durch Ressorttraditionen und zum anderen von pragmatisch anmutenden Kriterien - wie z.B. begrenzte Mitarbeiterkapazitaten - eher bestimmt werden als von Steuerungs- und Effizienziiberlegungen (ahnlich: Christensen, P. et "* Die nachfolgende Fallstudie beruht auf im Rahmen meiner an der Universitat Potsdam eingereichten Diplomarbeit geflihrten Interviews mit Mitarbeitera aus Department und Patentamt und ausgewerteten Resultatkontrakten und Jahresberichten mehrerer Jahre (Hustedt 2003).
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al. 1999: 276). Die Vollzugsaufgaben des Patentamtes sind mit der Registrierung von Patenten, Warenzeichen etc. gepragt durch Routinetatigkeiten und die Bearbeitung vieler gleichartiger Vorgange, was das Patentamt auf der einen Seite zwar zu einem guten Beispiel fiir die Umsetzung ihrer Tatigkeiten in konkrete Zielvorgaben macht. Auf der anderen Seite aber diirfen genau diese von Routine gepragten Aufgaben naturgemaB als nicht sonderlich politisch aufgeladen gelten, wie sich das z.B. bei der Schaffung neuer Behorden im Zuge der Liberalisierung der Telekommunikations- und Energiemarkte beobachten lasst, wo unmittelbar sektorale Interessen beriihrt werden, oder bei der Griindung neuer Behorden im Bereich der Lebensmittelsicherheit, die in Folge der unterschiedlichen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre ebenfalls groBere offentliche und politische Aufmerksamkeit erfuhren, was in der Folge zu einer Politisierung der Aufgaben der betreffenden Behorden fiihren kann. Hinsichtlich der Generalisierbarkeit des vorliegenden Falls sind also Einschrankungen zu machen, er wird sich vor allem auf andere Behorden mit typischen, politisch eher unstrittigen Routinenaufgaben iibertragen las sen. Nichtsdestotrotz darf das Patentamt mit seiner langen - immer auBerhalb des Departments angesiedelten - Existenz und der Etablierung zielorientierter Steuerungselemente als Agency im modernen Sinne gelten'^ - noch dazu als vergleichsweise gut untersuchte (Christensen, P. et al. 1999, Nielsen 1999, auch: Statsrevisoreme 1998). Das Patentamt nahm auf Vorschlag des Finanzministeriums am Fristyrelsesprojekt teil (Christensen, P. et al. 1999: 263) und hatte bereits 1997 alle Elemente der Kontraktsteuerungskette eingefiihrt. Aus den verschiedenen Resultatkontrakten, die im Laufe der Jahre erarbeitet wurden, lasst sich nicht nur ein fortschreitender Ausdifferenzierungsprozess hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen sowie der Prazision und Messbarkeit der Zielvorgaben herauslesen, sondem es wird ebenso deutlich, dass die Zielvorgaben im Zeitverlauf immer enger an die interne Steuerung des Patentamtes gekniipft wurden. Die Resultatkontrakte enthalten Zielvorgaben zu alien Aufgabenbereichen des Patentamtes, die sich in die Bereiche Patente, Warenzeichen, Modelle und Gebrauchsmuster aufgliedem lassen. Typische Vorgaben definieren Ziele z.B. zur Senkung der Stiickkosten oder zur Bearbeitungszeit je Patenterstellung bzw. Warenzeichenregistrierung. Das Patentamt hatte von Beginn an nach einem fest etablierten System dem Department Bericht zu erstatten. Bereits mit dem ersten Resultatkontrakt erhielt das Patentamt - als Anreiz - alle Personalmanagement- und -rekrutierungskompetenzen, in Finanzfragen anderte sich nichts, da sich das Patentamt bereits seit 1987 iiber Geblihreneinnahmen fmanziert. Sanktionen fiir '^ Auch alle weiteren von Pollitt und Talbot vorgeschlagenen Definitionskriterien von „Agencies" lassen sich auf das danische Patentamt iibertragen (vgl. FN 10).
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die Nichteinhaltung von Zielvorgaben sind nicht vorgesehen. Seit 1997 werden alle Resultatkontrakte als rollende Kontrakte mit einer jeweils einjahrigen Laufzeit vor dem Hintergrund einer vierjahrigen Entwicklungsperiode abgeschlossen. Um die interorganisatorische Beziehung und die Rolle, die Kontraktsteuerung in jener spielt, zu erfassen, bietet es sich an (1) den Prozess anzuschauen, in dem ein Resultatkontrakt erstellt wird und (2) wie die Jahresberichte durch das Department genutzt werden. Wie kommen also die Resultatkontrakte zustande? Die Leitungsebene des Departments - inklusive Departmentchef, exklusive Minister - und die Leitung des Patentamtes besprechen im September/Oktober des Vorjahres die Eckpunkte des neuen Resultatkontraktes, die im Anschluss in der „0konomi"-Abteilung des Patentamts in einen ersten Entwurf mit konkreten Zielvorgaben umgewandelt werden und der „0konimienhed" des Departments vorgelegt werden. Der finale Resultatkontrakt wird durch den Departmentchef und den Direktor des Patentamtes unterzeichnet, der/die Minister/in ist niemals involviert. Auf Grundlage dieses Entwurfs diskutieren diese beiden Einheiten, die im Einzelfall eigene Mitarbeiter aus den Fachabteilungen hinzuziehen, fortan liber die Zielvorgaben. Beide Seiten betonen dabei den Verhandlungscharakter dieses Prozesses, mal „gewinnt" bzw. „verliert" die eine, mal die andere Seite. Kommunikation spielt in dieser Steuerungsbeziehung eine wesentliche Rolle. Aus der Tatsache, dass das Patentamt den ersten Entwurf des Resultatkontraktes vorlegt, lasst sich schlieBen, dass der finale Kontrakt maBgeblich von den Vorstellungen des Patentamtes gepragt ist. Dem Patentamt kommt also eine sehr aktive Rolle zu, es defmiert und vertritt seine eigenen Interessen. Wahrend das Patentamt aber die „Mutterrolle" (Interview Patent-og Varemaerkestyrelsen) des Departments hervorhebt, betont jenes vor allem, dass die Einbringung konkreter Vorschlage zu den einzelnen Zielvorgaben durch das Patentamt gewiinscht und erwartet wird. Von einer - zum Untersuchungszeitpunkt - bevorstehenden Einfiihrung eines Kosten- und LeistungsrechnungsModells versprach sich das Patentamt, die eigene Position in den Kontraktverhandlungen zu starken. Das Department hatte alle Agencies in seinem Geschaftsbereich aufgefordert, je ein eigenes Konzept zur Verkniipfung der Resultatanforderungen und zur Verftigung stehenden Ressourcen zu entwickeln. Diese Aufforderung lasst sich als steuemder Impuls des Departments begreifen, zwar nicht in konkret fachlicher Hinsicht - aber hinsichtlich einer bestimmten management-orientierten Leitlinie, namlich der engeren Verkniipfung zwischen Leistungszielen und Ressourcenverbrauch, an der sich alle Agencies ausrichten sollen. Das Department bewertet die eigene Steuerungsfahigkeit gegenliber dem Patentamt seit Einfiihrung der Resultatkontrakte als gestarkt und fiihrt dies auf die verbesserte Information iiber die Aktivitaten der Patentbehorde durch die
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Resultatkontrakte zurlick. Die Kontraktverhandlungen werden als eine Moglichkeit aufgefasst, ministerielle Ziele fiir das Patentamt auf die Agenda zu setzen, diese aber nicht urn jeden Preis - also per Hierarchie - in den Kontrakt zu schreiben. Die formale Uberordnung des Departments wurde nicht nur mit Einfiihrung der Kontraktsteuerung nicht angetastet, sondem vielmehr wird in alien Resultatkontrakten expressis verbis angefiihrt, dass das grundsatzliche Uberbzw. Unterordnungsverhaltnis zwischen Department und Patentamt unangetastet bleibt, dass die Kontrakte weder rechtlich bindend sind, noch durch jene etwas an ministeriellen Eingriffsrechten oder der Geltung der Ministerverantwortlichkeit geandert wird. Ebenso bemerkenswert ist der Hinweis in den beiden neueren Resultatkontrakten flir 2004 und 2005, dass der jeweilige Kontrakt mit den vom Finanzministerium herausgegebenen Regeln und Anforderungen (vgl. hierzu Finansministeriet 2003) fiir Kontraktsteuerung iibereinstimmen soil (Patent- og Varemaerkestyrelsen 2004: 20; 2005: 22). Daraus konnte man nun fiir die Position des Departments in den Kontraktverhandlungen riickschlieBen, dass das hierarchisch-steuernde Potential, das dem Department per se immanent ist, durch das Patentamt antizipiert wird^^ und so quasi als Drohgebarde im Raum steht, ohne dass es zwingend bei den Kontraktverhandlungen genutzt werden muss (bzw. kann). Diese explizite Festschreibung der Formalia lasst sich aber auch als eine Bestrebung der politischen Absicherung des/der Ministers/in interpretieren: Man kann ihm/ihr nicht (politisch) vorwerfen, sich seiner konstitutionellen Pflicht, der Wahmehmung der Ministerverantwortlichkeit, durchs Hintertiirchen entledigen zu wollen. Die parlamentarische Steuerungskette bleibt unangetastet. Wie werden nun die Jahresberichte genutzt? Das Berichtswesen dient vor allem der Information des Departments, Kontrolle im strengen Sinne - als sanktionierende Kontrolle der Zielerflillung - findet nicht statt: Es werden zwar die erbrachten Leistungen und damit der Grad der Zielerreichung verfolgt, nicht aber die Berichte auf ihre Richtigkeit gepriift. Das Department nutzt die Jahresberichte vornehmlich als Instrumente, um sich iiber bestehende Probleme in den Aktivitaten des Patentamtes zu informieren und sich fiir die nachfolgenden Verhandlungen iiber den nachsten Resultatkontrakt zu rlisten. Das Department vertraut den Angaben der Berichte. Kontrolle spielt eine untergeordnete Rolle, vielmehr geht es um einen bestandigen Austausch iiber Aktivitaten, Ziele und Resultate, die Berichte bilden die Basis des Dialogs (vgl. auch Lange 2002). An der Handhabung des Berichtswesens durch das Department lasst sich erkennen, dass die ^" Ein ahnliches Argument findet sich bei Renate Mayntz, die darauf rekurriert, dass die Erfolgsaussichten eines von den Mitarbeitem eines Ministeriums erarbeiteten Programms von der Reaktion der politischen Leitung abhangen, und dies dazu fiihrt, dass die Mitarbeiter die politische Meinung der Leitung antizipieren und in diesem Sinne in Gesetzesentwiirfen verarbeiten. Die ministeriellen Steuerungsmoglichkeiten wirken also indirekt disziplinierend (1997: 193).
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Beziehung zum Patentamt durch ein gewisses Ma6 an Vertrauen gekennzeichnet ist. Ein Resultatkontrakt entstehl also in einer Form der Interaktion zwischen Department und Patentamt, die durch Verhandlungen und Kooperation gepragt ist - bei fortbestehender hierarchischer Uber- bzw. Unterordnung. Kontraktsteuerung insgesamt findet also maBgeblich als eine dialogische Interaktionsform statt (ebenso: Greve 1997: 124/25; Greve/ Jensen 2000: 5; Ejersbo/ Greve 2002c: 230). Die Formulierung der Zielvorgaben ist als das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses zwischen den eher „technischen" Abteilungen des Departments auf der einen und des Patentamtes auf der anderen Seite anzusehen. Policyorientierte Organisationseinheiten des Departments bleiben nahezu unbeteiligt, diese Art ministerieller Steuerungsaufgabe wird liber die schriftliche Fixierung der formalen Nicht-Veranderung der Beziehung zwischen Department und Patentamt geregelt, was man auch als ein „Abschieben" der permanenten Wahrnehmung (inhaltlicher) Steuerung deuten kann, aber grundsatzliche ministerielle Zugriffsvorbehalte zum Ausdruck bringt. Damit werden hier zwei Formen der Steuerung sichtbar, die sich als Steuerungsschichten unterscheiden lassen: Zum einen eine mit dem Resultatkontrakt einhergehende Steuerungsform, die eher informaler, technischer und administrativer Natur ist, die zum anderen von einer formalen, verfassungsrechtlich abgesicherten Form hierarchischer Steuerung iiberformt wird. Das heiBt, die alltagliche Arbeitsbeziehung im Rahmen der Kontraktsteuerung ist durch einen informellen Dialog gekennzeichnet, den beide Parteien beeinflussen, wahrend auf einer iibergeordneten grundsatzlichen Ebene die aus dem Prinzip der Ministerverantwortlichkeit abgeleitete formale hierarchische ijberordnung des Departments wirkt, auf die jederzeit zuriickgegriffen werden konnte. Der Einsatz dieser formalen Steuerung kommt allerdings in der Praxis zwischen Department und Patentamt nur selten vor. Deutlich wird, dass Kontraktsteuerung hier vor allem als ein administratives Instrument genutzt wird, das pragmatisch, beinah technokratisch verwendet wird und sich als eine Form apolitischer Steuerung begreifen lasst, die zwischen den Arbeitsebenen von Ministerium und Agency anzusiedeln ist. Zwar lauft eine solchermaBen praktizierte Form der Kontraktsteuerung der haufig eingeforderten Modellintention zuwider, nach der in Zielkontrakten vor allem die politisch vorzugebenden Ziele fiir eine Agency festgeschrieben werden sollen (vgl. hierzu flir den schwedischen Fall ausfuhrlich Tiessen in diesem Band), zeigt aber auch, dass selbiges gar nicht zwingend erforderlich ist: Per Ziel und ohne Einmischung in das Tagesgeschaft wird „trotzdem" gesteuert. Diese Handhabung von Kontraktsteuerung als apolitischer Steuerung verdeutlicht, dass sich auch die praktische Anwendung von Kontraktsteuerung im danischen Fall als Implementation admini strati ver Agencypolitik (vgl. Kapitel 5.2) begreifen lasst: Mit der regel-
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maBigen Anwendung aller einzelner Elemente wird das KontraktsteuerungsProgramm vollstandig umgesetzt, jedoch ausschlieBlich zwischen administrativen Akteuren, Politiker sind nicht beteiligt. Aus der Frincipal-Agent-Perspektive diirfte diese Form dialogischer Kontraktsteuerung zunachst die fast triviale Interpretation zulassen, dass es wohl gelingt, die grundsatzlich zu Gunsten des Agenten bestehende Informationsasymmetrie einzudammen. Das aus dieser Perspektive ebenso typische shirking des Agenten - in der amerikanischen Biirokratieforschung als „bureaucratic drift" der Verwaltung gegeniiber der Politik konzeptionalisiert (McCubbins et al. 1989) - lasst sich hingegen im vorliegenden Fall nicht beobachten: Alle beteiligten Akteure sind an der Leistungssteigerung der Agency interessiert, Kooperation erweist sich als dominante Interaktionsform. Ein Principal-Agent-Theoretiker wiirde nun argumentieren, dass hinreichende Anreiz- und Sanktionsmechanismen etabliert seien, die das Patentamt zur Realisierung der (politisch) vorgegebenen Zielvorgaben animieren. Zwei empirische Befunde allerdings sprechen dagegen: Es wird erstens kein wirksames Anreiz- und Sanktionsschema in den Resultatkontrakten verankert, im Gegenteil sind Sanktionen flir nicht-erreichte Ziele weder vorgesehen noch findet eine scharfe Kontrolle statt. Zweitens zeigt die politische Leitung des Departments kein Interesse an den Resultatkontrakten, sondem behalt sich Eingriffsrechte eher grundsatzlich (im Sinne der oben erwahnten formalen Steuerung) vor. Letzteres allerdings lieBe sich als ein Sanktionsmechanismus deuten, der aber unter dem Eindruck mangelnden politischen Interesses nicht als sonderlich wirksam einzustufen ist. Dass die Politik also (vor dem Hintergrund der bureaucratic-drift-Gefahr) zur permanenten Steuerung der Verwaltung veranlasst wird, wie insbesondere in der einschlagigen amerikanischen Literatur immer wieder thematisiert wird (so z.B. Kiewit/ McCubbins 1991, flir einen Uberblick vgl. Epstein/ O'Halloran 1999: 24-28, kritisch: Dohler 2004: 22-26), lasst sich hier nicht bestatigen. Konformes Verhalten des Patentamtes wird im vorliegenden Fall durch andere Mechanismen gesichert: Vertrauen als pragendes Merkmal der interorganisatorischen Beziehung wird hier zunachst offenbar, was durch den PrincipalAgent-Ansatz nicht erfasst wird. Hier tritt hervor, was auch andemorts kritisiert wird und zum Vorwurf der „Unterkomplexitat" (Gilardi/ Braun 2002: 157) gefuhrt hat: Der Principal-Agent-Ansatz unterschatzt die Bedeutung von Vertrauen als originarer Kategorie sozialer Realitat (zur Rolle von Vertrauen in Vertragsbeziehungen vgl. Greve/ Ejersbo 2002). Der vorliegende Fall lauft also einigen Grundannahmen der Principal-Agent-Literatur zuwider. Die Beobachtungen von Kooperation, Verhandlungen, Kontakt und Dialog als zentrale Charakteristika der interorganisatorischen Beziehung zwischen De-
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partment und Patentamt lassen sich mit einem anderen institutionalistischen Argument plausibler diskutieren. Der Ansatz des soziologischen Institutionalismus (vgl. z.B. March/ Olsen 1989) legt eine „logic of appropriateness" als grundlegendes, spezifisches Handlungsmuster von Akteursverhalten zu Grunde, die durch den institutionellen Kontext erzeugt wird (basierend auf einem weiten Institutionenbegriff, der neben formellen und informellen Regeln, soziale Normen, Symbole, kognitive Muster und Moralvorstellungen einbezieht, ausfiihrlich bei Hall und Taylor (1996: 947). Wird nun ein neues institutionelles Arrangement in den bestehenden Kontext eingebettet, so wird es mit den spezifischen Handlungsmustern verbunden (vgl. ausfiihrlich March/ Olsen 1988: 22 ff. und 160-162). Diesem Ansatz ist eine gewisse Empirieferne (Pollitt et al. 1998: 26) inharent, er lasst sich aber dennoch grob mit den hier gemachten Beobachtungen verkniipfen: Kooperation, Verhandlungen, Kompromisse, Pragmatismus, Kontakt und Informalitat sind in vielfaltigen Studien der Verwaltungs(kultur)forschung als das politisch-administrative Handlungsrepertoire bildende Muster herausgearbeitet worden (Knudsen 1992; 2000, Knudsen/ Rothstein 1994; Christensen 1995, Jensen/ Knudsen 1995, J0rgensen 2002). Mit der Etablierung von Kontraktsteuerung in der Beziehung zwischen Department und Agency greifen die beiden Parteien auf diese bewahrten Problemlosungsmuster zuriick. Muss ein Resultatkontrakt erstellt werden, greifen beide Akteure auf das zur Verfiigung stehende, bewahrte Handlungsrepertoire zuriick, Verhandlungen werden damit zu einem sehr wahrscheinlichen Interaktionsmodus. Diese Interpretation bleibt allerdings oberflachlich, mutet als eine schlichte und sehr beliebige Erklarung an, die fur jeden Gegenstand („Typisch danisch") herhalten kann. Aus diesem Eindruck speist sich auch der von Mayntz und Scharpf gepragte Vorwurf, institutionalistische Argumentation, die auf einem sehr weiten Institutionenbegriff beruht, der „nicht nur die Normen angemessenen Verhaltens, sondem auch handlungspragende kognitive und symbolische Elemente" (Mayntz/Scharpf 1995: 45) einbezieht, sei „krypto-deterministisch" (ebd.), indem den Akteuren ihre Handlungsautonomie abgesprochen wiirde. Auf der anderen Seite lasst sich aber auf diese Weise verdeutlichen, dass politischadministratives Handeln durchaus auch durch normative und kulturell gepragte Muster strukturiert wird. Der Vorbehalt der - konstitutionell aus der Ministerverantwortlichkeit herriihrenden - Eingriffsrechte lasst sich wiederum mit einer anderen institutionentheoretischen Richtung beleuchten: Als ein Element des „institutionellen Erbe des Absolutismus" (Hansen 1999: 72) ^^ pragt das Prinzip der Ministerver-
"' Nach Hansen hat sich die zentrale Bedeutung der Ministerverantworthchkeit aus der bereits im absolutistischen System etablierten „totalen VerantwortHchkeit" der obersten Fiihrungsperson entwi-
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antwortlichkeit seither die institutionelle Entwicklung der danischen Regierungsorganisation und lasst sich mit den Vertretem des Konzepts der Pfadabhangigkeit (vgl. z.B. Thelen 1999; Pierson 2004: 20-22) als eine historische Weichenstellung begreifen, die bisher weder grundsatzlich noch in ihrer Reichweite in Frage gestellt wurde (Christensen 1997: 27, zur Erorterung der Reichweite vgl. ebd: 51-60). Im Normgeflige der danischen Regierungsorganisation ist undenkbar, dass dieses Prinzip der Ministerverantwortlichkeit auf dem Wege der Verwaltungsmodemisierung (wie im vorliegenden Fall sogar ohne gesetzliche Grundlage) aufgeweicht wiirde: „Ministerstyre" als danischer Begriff, der sich auf die innere Dimension der Ministerverantwortlichkeit, also vor allem das allumfassende Hierarchieprinzip innerhalb eines Res sorts, bezieht, bestimmt die Funktionswelt der Ministerialverwaltung. Die Einfiihrung eines (prozeduralen) Reforminstruments wie der Kontraktsteuerung kann nicht ohne Weiteres an diesem zentralen Verfassungsprinzip rtihren, sondem muss vielmehr an diesen die Regierungsorganisation auch normativ pragenden Grundpfeiler angepasst werden.^^ So lasst sich auch die Existenz der oben unterschiedenen Steuerungsschichten verstehen: Die formale Steuerung per Hierarchic und Ministerverantwortlichkeit mit historisch gewachsener (juristischer und normativer) Geltungskraft bleibt unangetastet, wahrend eine zweite informale „darunter gelegt" wird. Was kann man nun vom danischen Agencification-Fall lemen? Diese Frage soil im abschlieBenden Abschnitt behandelt werden.
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Agencification pa dansk
Zusammenfassend lasst sich der danische Fall von Agencification als ein langsamer Strukturwandel begreifen, der anhand der beiden institutionellen Veranderungsprozesse „Auslagerung" und „Einfiihrung der Kontraktsteuerung" analysiert worden ist, die zusammengenommen einen nachhaltigen Wandel der danischen Ministerialorganisation begriinden. Aus diesem Agencification-Fall lassen sich zwei Schlussfolgerungen iiber solche Veranderungsprozesse ziehen, die sich anhand einer Gegeniiberstellung der beiden Prozesse vergegenwartigen lassen und die abschlieBend herausgearbeitet werden sollen (vgl. Tab. 3). Diese beiden Veranderungsprozesse sind als ein Kontinuum zu verstehen, auf dem die je unckelt, die mit der Einfiihrung des Ministerialsystems vom Konig auf die Minister ubergangen ist (Hansen 1999:72). ^" Zur Unterscheidung der inneren und auBeren Dimension der Ministerverantwortlichkeit (fur den deutschen Fall) vgl. Dohler (2004: 93-98). "^ Fiir eine sehr instruktive, wenngleich etwas anders gelagerte Analyse schwedischer Resultatsteuerung aus historisch-institutionalistischer Perspektive (vgl. Sundstrom 2004).
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terschiedlichen Problemdiagnosen, Ziele und Inhalte eine Entwicklung der danischen Ministerialorganisation kennzeichnen, deren Pfad mit den A-60Empfehlungen eingeschlagen wurde. Wahrend die Problemdiagnose und Ziele der A-60-Kommission mit dem Vorschlag der Trennung von policy und operations in einem auf einer Strukturdimension der Ministerialorganisation anzusiedelnden Veranderungsprozess miindeten, resultierten die diagnostizierten Probleme und angestrebten Ziele zu Beginn der 1990er Jahre in Veranderungen, die auf einer prozeduralen Dimension zu verorten sind. Der Prozess der Auslagerung war der Einfuhrung der Kontraktsteuerung damit nicht nur zeitlich vorgelagert, sondem ist auch als eine notwendige strukturelle Vorstufe zu begreifen.
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Tabelle 3: Gegeniiberstellung
Implementationsumfang und -geschwindigkeit
Auslagerung Uberlastung der Ministerien durch fortschreitendes Aufgabenwachstum Starkung ministerieller Politikformulierungskapazitat Policy-operationsTrennung Verschiedene Kommissionen Unvollstandig und langwierig
Institutioneller Wirkmechanismus
Ministerverantwortlichkeit
Problemdiagnose
Ziel
Inhalt Akteure
Kontraktsteuerung Erganzendes Haushaltsinstrument, Steuerungsdefizit Ergebnisorientierung Verbesserte Steuerung Resultatkontrakte Finanzministerium Kontinuierliche, umfassende administrative Agency-Politik Ministerverantwortlichkeit
Die erste Schlussfolgerung hebt auf Umfang und Geschwindigkeit der Implementation der beiden Prozesse ab: Wahrend es circa 40 Jahre dauerte bis sich das Department-Direktorat-Modell weitgehend durchgesetzt hatte, gelang es bei der Einfiihrung der Kontraktsteuerung bereits in einem Jahrzehnt eine regelrechte „contract euphoria'' auszulosen. Dies lasst sich vor allem auf die finanzministeriell gesteuerte Formulierung einer koharenten administrativen Agencypolitik zurlickfiihren. Im Prozess der Auslagerung hingegen gab es keinen Akteur innerhalb der Regierungsorganisation, der sich als Fursprecher des DepartmentDirektorat-Modells einsetzte und dessen flachendeckende Umsetzung zu protegieren versuchte. Plausibel erscheint auch, dass eben diese Akteurskonstellation das Aufkommen eines konkurrierenden Modells - der Einheitsorganisation - in den 1970er Jahren ermoglichte, in den 1990er Jahren ein Altemativmodell aber gar nicht im Erwagung gezogen wurde, weil durch finanzministerielles Protegieren der Kontraktsteuerung alternative Ideen gar nicht batten zum Zuge kommen konnen und Zielsteuerung per Kontrakt auch international als Non-Plus-Ultra der Verwaltungssteuerung gehandelt wurde. Schlussfolgem lasst sich hier, dass die Umsetzung institutioneller Veranderungsprozesse durch eine programmatische Grundlage und einen protegierenden Akteur erleichtert und beschleunigt wird, auch wenn, wie im vorliegenden Falle, mit dem Prinzip der Ministerverantwort-
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lichkeit institutionelle Merkmale vorliegen, die eine zentral gesteuerte Veranderung erschweren, was zur zweiten Schlussfolgerung iiberleitet. In der Analyse beider Veranderungsprozesse ist das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit immer wieder als zentrale erklarende Variable hervorgetreten: Dass in beiden Veranderungsprozessen die Letztentscheidung zur Umsetzung institutioneller/organisatorischer Veranderungen innerhalb eines jeden Ressorts gefallt wird ist ebenso ein Ausfluss der Ministerverantwortlichkeit wie die Beibehaltung des traditionellen Uber-/ Unterordnungsverbaltnisses zwischen Department und Agency im Rahmen der Kontraktsteuerung. Dass aber nicht nur dieses konstitutionell verankerte Prinzip bei institutionellen Veranderungsprozessen hervortritt, sondem auch „weichere", kulturell-normative institutionelle Mechanismen, fortwirken zeigt sich bei der Anwendung der Kontraktsteuerung. Als zweiter Schlussfolgerung lasst sich also aus dem vorliegenden Fall lemen, dass eine Pyramide unterschiedlicher, historisch begriindeter institutioneller Wirkmechanismen die Anwendungspraxis eines Reformprogramms pragt (vgl. Christensen/Laegreid 2001). Veranderungsbestrebungen werden durch den spezifischen nationalen Institutionenkontext gefiltert und die Umsetzung auf nationaler Ebene einem folgt einem spezifischen Adaptionsmuster, das im Sinne der dortigen institutionellen Konstellation angemessen erscheint. Fiir die institutionentheoretische Analyse zeigt dieses weiter, dass eine Analyse, die einen weiten Institutionenbegriff zu Grunde legt und sich verschiedener (institutionalistischer) Ansatze bedient, fruchtbare Einblicke liefern kann.
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Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden Jan Tiessen
Men vad blir da, om man resonerar pa delta i och for sig rimliga satt, kvar av filosofin att bade styra mer och styra mindre? Vari ligger sutligen den stora skillnaden mellan de mycket preciserade mal som man tydligen vill ha och de detaljerade regeler man inte vill ha? (Ruin 1985)'
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Einleitung^
Die Schaffung unabhangiger „Agencies" und die Einfuhrung leistungsorientierter Instrumente zu ihrer Steuerung ist einer der auffalligsten Trends zentralstaatlicher Verwaltungsreformen in den Landem der OECD (Pollitt et al. 2004). Drei Kernelemente umfasst die zu Grunde liegende „Agency Idea" dabei (Talbot 2004: 6): (1) die Auslagerung von Aufgaben aus der Ministerialverwaltung in relativ unabhangige Agencies, (2) den Ubergang zu einer neuen Steuerungslogik weg von detaillierter Inputsteuerung hin zu einer leistungs- und ergebnisorientierten Steuerung iiber Kontrakte sowie (3) die Gewahrung groBerer Autonomie im internen Management der Agencies im Bereich Finanzen, Organisation und Personal. Auch in Schweden gab es seit Beginn der 1980er Jahre intensive Bemiihungen zur Reform der Zentralverwaltung, doch trafen hier die Ideen der „Agencification" auf andere institutionelle Voraussetzungen als in den iiberwiegend angelsachsischen Ursprungslandern: Die schwedischen Agencies haben eine lange Tradition relativer Autonomie gegeniiber den Ministerien und ihre Wurzeln als ' „Aber was bleibt dann noch - wenn man auf diese an und fur sich plausible Art und Weise an die vSache herangeht - von der Philosophie iibrig, sowohl mehr als auch weniger zu steuem? Worin liegt denn nun der groBe Unterschied zwischen den sehr prazisen Zielen die man ja offensichtlich haben will und den detaillierten Regeln, die man nicht haben mochte?" (Ubersetzung des Autors). Olof Ruin, in der Formulierung einer abweichenden Meinung zum Endbericht des „Verkledningskommitte'\ zitiert nach Lindstrom (1997: 38). " Fur wertvoUe Kommentare zu diesem Beitrag gilt mein besonderer Dank Kai Wegrich und Kevin Weyand sowie den Kollegen der Universitat Potsdam Tobias Bach, Marian Dohler, Julia Fleischer und Thurid Hustedt.
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden
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eigenstandige Organisationen reichen weit in die letzten Jahrhunderte zuriick (Premfors 1999b). Daher haben sich die schwedischen Reformen vor allem auf die Veranderung der interorganisatorischen Steuerungslogik konzentriert. Dariiber hinaus sind Politik und Verwaltung in Schweden seit langem durch ein hohes MaB an Konsensorientierung und Kooperationsbereitschaft und eine Kultur der einvernehmlichen Problemlosung gepragt (Jann 1983, 2000). Diese Besonderheiten machen eine Analyse der schwedischen „Resultatsteuerung" als dem Kemelement der schwedischen Agencyreformen besonders lohnenswert. Zum einen, weil durch die Resultatsteuerung versucht wird, seit langem bestehende Steuerungsbeziehungen aufzubrechen und zu verandem, zum anderen, weil die dem Principal-Agent-Ansatz entspringenden Grundannahmen des Kontraktsteuerungsmodells im offensichtlichen Widerspruch zur schwedischen Politik- und Verwaltungskultur stehen. Ziel dieses Beitrags ist somit die Analyse der Einfiihrung sowie der Praxis des schwedischen Resultatsteuerungsmodells. Im Mittelpunkt stehen die Fragen nach der praktischen Funktionsweise des Systems, den Auswirkungen der Resultatsteuerung auf die Steuerungsbeziehung zwischen Ministerium und Agency sowie dem Erfolg der Steuerung, gemessen an den mit der Einfiihrung verbundenen Erwartungen. Ausgangspunkt des Beitrags ist ein fur das Verstandnis des Systems unerlasslicher Uberblick liber die Organisation von Ministerien und Agencies sowie die bestehenden Steuerungsbeziehungen und die verfassungsrechtliche Stellung der Agencies gegeniiber den Ministerien. AnschlieBend werden Entstehung und Entwicklung des Resultatsteuerungsmodells in den verwaltungspolitischen Kontext eingeordnet und die wichtigsten Schritte der Einfiihrung nachgezeichnet. Den Kern des Beitrages bildet dann die Analyse der Resultatsteuerung in der Praxis, die Eigenarten und Probleme des bestehenden Systems aufzeigt. Zum Abschluss des Beitrags wird die bisherige Entwicklung des Steuerungsinstrumentes reflektiert sowie ein Ausblick auf zukiinftige Entwicklungen gegeben.
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Ministerien und Agencies im politischen System
Die Organisation von Regierung und Zentralverwaltung in Schweden ist im intemationalen Vergleich ungewohnlich. Sie ist vor allem durch den „Dualismus"^ (die Trennung in eine kleine Ministerialverwaltung und groBe, policy•* Der Dualismus ist ein jahrhundertealtes Charakteristikum der schwedischen Verwaltungsstniktur, das sich mindestens bis in die erste Halfte des 18. Jahrhunderts zuriickverfolgen lasst. Zum DuaHsmus und der organisatorischen Entwicklung der Zentralverwaltung siehe auch Premfors (1999b: 5051).
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implementierende Behorden), durch die Dominanz kollektiver Entscheidungsfindung im Kabinett sowie organisatorische Besonderheiten der Ministerialverwaltung gepragt.
2.1 Regeringskanliet Seit 1997 sind alle schwedischen Ministerien sowie das Biiro des Ministerprasidenten zu einer einzigen organisatorischen Einheit, der „Regierungskanzlei" („Regeringskansliet") zusammengefasst.'^ Damit verbunden ist die Zentralisierung administrativer Funktions- und Servicebereiche der gesamten Regierung in einer neuen Verwaltungsabteilung, die Ministerien sind hingegen Abteilungen innerhalb dieser neuen Organisation. Derzeit hat die schwedische Regierung 21 Minister, die sich auf zehn (!) Ministerien mit bis zu drei Ministern verteilen. Dabei ist jeweils ein Minister offizieller Chef des Ministeriums, ohne dass sich dies jedoch auf die Kabinettshierarchie auswirkt (Larsson 1995: 46). Alle Minister haben vielmehr - mit Ausnahme des Ministerprasidenten - denselben Status innerhalb der Regierung. Das verfassungsmaBige Gebot der kollektiven Entschlussfassung der Regierung (Kap 7 § 3 RF) sowie das Fehlen eines Ressortprinzips flihren dazu, dass nur eine verschwindend geringe Anzahl an Entscheidungen, welche die Organisation und Verwaltung des eigenen Ministeriums betreffen, von den Ministern eigenverantwortlich getroffen werden darf.^ In der Praxis wird ein GroBteil der Routineangelegenheiten jedoch nur formal von der ganzen Regierung getroffen (Statskontoret 1999: 9).^ Insgesamt sind die schwedischen Ministerien ausgesprochen klein, so haben die Ministerien, mit Ausnahme des AuBenministeriums, durchschnittlich nur
^ Die Reformen der Regeringskansliet sollten u.a. dem Trend zur Sektoralisierung, Fragmentierung und „Departementalisierung" zwischen den Ministerien entgegenwirken, eine starkere politische Kontrolle uber die Arbeit der Regeringskansliet ermoglichen, die Reaktion auf neue Anforderungen wie die Koordination der EU-Arbeit verbessem und somit die Effizienz der Organisation erhohen (vgl.; Erlandsson 2000; Jacobsson 2001). Erste Evaluationen zeigen jedoch keine durchgreifende Veranderungen in der Arbeitsweise der Regierung durch diese Reorgansiation (vgl. m.w.A. Hustedt/ Tiessen 2006). '' Eine Ausnahme bilden hier die in Kap 7 § 3 „Regeringsformen geregelten kommandomal": „Bei Regierungsgeschaften, die die Durchfuhrung von Gesetzen, Verordnungen oder besonderen Regierungsbeschliissen in der Landesverteidigung betreffen, kann jedoch der Chef des zustandigen Ministeriums im gesetzlich vorgeschriebenen AusmaB unter der Oberaufsicht des Ministerprasidenten beschlieBen." ^ Die Einfiihrung eines Systems der Ministerverantwortung wurde zwar schon mehrfach erwogen (siehe z.B. Lindbom 1997), bis jetzt wurde aber die kollektive Verantwortung des Kabinetts beibehalten.
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden
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rund 200-250 Mitarbeiter^, insgesamt hat die Regeringskansliet rund 4.300 Beschaftigte, das entspricht ungefahr zwei groBen deutschen Bundesministerien. Unter anderem wegen dieser relativ kleinen Ministerien kommt den zahlreichen Ad-hoc-Kommissionen (komittee) eine wichtige Rolle als funktionale Erweiterung der Regierung zu.^ Durch diese Kommissionen konnen die Ministerien ihre Kapazitat zur Politikformulierung deutlich erhohen und extemen Sachverstand rekrutieren (Larsson 2002: 135; Zetterberg 1990: 287-288), eine Funktion die angesichts der rund 3.500-4.000 gleichzeitig in den Kommissionen beschaftigten Personen (Kommitteberattelse 2003: 21) sicherlich nicht zu unterschatzen ist.^ Zugleich bieten die mit Vertretem der Regierung und der Behorden, der Opposition und Interessengruppen sowie mit Sachverstandigen besetzten Kommissionen schon in der Phase der Politikformulierung eine Arena fur Kompromiss- und Konsensfindung zwischen den verschiedenen Interessengruppen des Landes, und damit einen wichtigen Kristallisationspunkt der vielzitierten schwedischen Konsenskultur (Johansson 1992).
2.2 Agencies Diesen kleinen Ministerien unterstanden 2003 234 nachgeordnete Behorden und Organisationen (myndigheter) mit derzeit 192.000 Vollzeitstellen und einem jahrlichen Budget von 23 Mrd. Euro, wo von rund 14 Mrd. Euro steuerfinanziert sind (Statskontoret 2004).^^ Das Spektrum dieser myndigheter reicht vom Nationaltheater und den Universitaten iiber die Lotterieinspektion und die Naturschutzbehorde bis hin zu den verschiedenen Organisationen der Streitkrafte (Hjalmarsson 2001: 152). Den Kern bilden dabei die rund 80 „zentralen Verwaltungsbehorden" {centrala dmbetsverkf^ wie etwa die Arbeitsmarktverwaltung,
^ Insgesamt hat die Regeringskansliet rund 4.300 Mitarbeiter zur Verftigung, zieht man jedoch die Anzahl der Mitarbeiter der Verwaltungsabteilung ab und lasst man das atypisch groBe AuBenministerium mit seinen gut 1.500 Mitarbeitem auBen vor, so bleibt eine durchschnittliche GroBe der restlichen Ministerien von gerade einmal 200 bis 250 Mitarbeitem (Regeringskansliet 2002: 122). ^ Zur Rolle der Kommission im schwedischen Gesetzgebungsprozess, deren Zusammensetzung etc. siehe Jann/ Tiessen (2006). ' In dieser Zahl sind allerdings auch die aus der Verwaltung abgeordneten Sekretare und Mitglieder von Kommissionen enthalten. '° Die Zahl von 234 Agencies umfasst nur diejenigen Agencies, die einen jahrlichen Jahresbericht vorlegen miissen und im Agencyregister des Ekonomistymingsverk verzeichnet sind. Es gibt also eine gewisse „Dunkelziffer" weiterer Agencies (Statskontoret 2004). " Es gibt keine eindeutige Definition fiir die Kategorie der centrala ambetsverk, in der Regel werden dazu jedoch Behorden gezahlt, die direkt der Regierung unterstellt sind, das gesamte Land als Tatigkeitsfeld haben und die so groB sind, dass sie in Untereinheiten aufgeteilt sind. Obwohl aber bei-
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die Schulverwaltung, oder die Naturschutzbehorde. Zu diesen zentralen Agencies kommt eine groBe Anzahl kleinerer myndigheter mit den unterschiedlichsten Organisationsformen, Bezeichnungen und Zielsetzungen hinzu, wie beispielsweise Forschungsinstitute, Stiftungen, Museen etc.. Von den centrala dmbetsverk zu unterschieden sind die uppdragsmyndigheter, die sich nicht aus dem Staatsbudget, sondern ganz oder teilweise aus eigenen Einnahmen durch Gebiihren oder Beitrage finanzieren sowie die Staatsbetriebe (affdrsverk), die kommerzielle Tatigkeiten ausiiben, wie beispielsweise die schwedischen Staatsbahnen (Marcusson 1997: 19-22). Ihre Zahl hat durch Privatisierung, beziehungsweise die Uberfuhrung in privatrechtliche Organisationsformen, in den letzten Jahren jedoch stark abgenommen und liegt mittlerweile bei nur noch drei. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Gruppe der centrala dmbetsverk, die man problemlos unter die gangigen Agencydefinitionen fassen kann (vgl. Pollitt et al. 2001: 274-275; Talbot 2004: 5). Eine besondere Position unter den Agencies nehmen die Stabsagencies {stabsmyndigheter) ein, die keine vollziehenden sondern primar beratende und kontrollierende Aufgaben, vor allem im Bereich der Verwaltungspolitik, wahrnehmen. Neben ihrer Bedeutung fiir das Funktionieren des Resultatsteuerungszyklus waren und sind diese Agencies teilweise als maBgebliche Akteure an der Einfuhrung und Entwicklung der Resultatsteuerung beteiligt. Diese Gruppe von Agencies wurde in den letzten Jahren jedoch stark reorganisiert, sodass die zu Zeiten der Einfuhrung der Resultatsteuerung bestehende institutionelle Struktur nur noch stark verandert existiert. Die beiden zentralen Agencies waren lange Zeit das „Statskontoret", das die Regierung in verwaltungspolitischen Fragen berat, und das „Riksrevisionsverket"^ das als verwaltungspolitischer Ideengeber und gleichzeitig Rechnungshof der Regierung die Reformen der Regierung lange in einer Doppelfunktion begleitete. Diese Doppelfunktion wurde erst durch die Auslagerung der Kompetenzen flir die Entwicklung des finanziellen Steuerungsinstrumentariums und der Verantwortung fiir die Entwicklung der Resultatsteuerung in das neu geschaffene „Ekonomistymingsverket" im Jahr 1998 aufgelost. 2003 wurden schlieBlich auch die verbleibenden Auditfunktionen des Riksrevisionsverket aufgegeben und mit denen der parlamentarischen Revisionsbehorde zum neuen Rechnungshof „Riksrevisionen" verschmolzen.^^ Anfang 2006 wurde spielsweise gewisse Forschungseinrichtungen diese Bedingungen erfiillen, werden sie jedoch nicht zu den centrala ambetsverk gezahlt (vgl. Petersson 2003: 56). '^ Anders als international iiblich gab es in Schweden lange Zeit zwei zentrale Revisionsorgane, zum einen die vom Parlament eingesetzten Riksdagens Revisorer und zum anderen das unter der Aufsicht der Regierung stehende Riksrevisionsverket. Mit Wirkung zum 1. Juli 2003 sind diese beiden Revisionsorgane zum neuen schwedischen Rechnungshof Riksrevisionen unter Leitung dreier vom Parlament gewahlten Revisoren fusioniert worden. Der neue Rechnungshof fuhrt die Aufgaben der beiden Revisionsbehorden fort, das heiBt zum einen die finanzielle Revision der Agencies und des Reichsta-
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auch das Statskontoret umgebildet, und Kompetezen u.a. fiir die luKAnwendung sowie die Personalentwicklung in die neugeschaffene Agency „Verva"^^ ubertragen. Damit verbleiben im Statskontoret die Kompetenzen fiir Steuerungsfragen und Evaluation. Hinsichtlich der internen Organisation der Agencies lassen sich an der Spitze der Agencies drei verschiedene Formen der Fiihrung unterscheiden (vgl. Statskontoret 2004): Erstens ein Modell mit einem von der Regierung fiir sechs Jahre emannten Generaldirektor (enrddighetsverk), zweitens ein Modell, bei dem sich der Generaldirektor die Fiihrung der Agency mit einem aus Externen („Laien") besetzten Verwaltungsrat teilt {lekmannastyrelse, styrelse med begrdnsat ansvar), und schlieBlich ein Modell, bei dem die voile Verantwortung fiir die Agency beim Verwaltungsrat liegt {styrelse med full ansvar). Die Verwaltungsrate bestehen aus von der Regierung emannten Mitgliedern von Interessengruppen, aus Mitgliedern des Parlaments oder Experten. Sind die Verantwortlichkeiten zwischen Generaldirektor und Verwaltungsrat geteilt, so ist der Generaldirektor meist fiir das operative Geschaft der Agency zustandig, wahrend der Verwaltungsrat wichtige strategische und den Biirger direkt betreffende Entscheidungen trifft. Dazu gehoren zum einen der Erlass von Vorschriften und Verordnungen, zum anderen die langfristige Finanzplanung, die Erstellung des Budgetvorschlags sowie der Jahresberichte. Bei Alleinverantwortung des Behordenchefs steht ihm jedoch haufig ein beratendes Gremium zur Seite. Obwohl die Art der Leitung der Agencies schon mehrfach Thema staatlicher Kommissionen zur Verwaltungsreform war (SOU 1985, 1993, 1997), die aus Griinden der klaren Zuordnung von Verantwortung die Abschaffung des Modells mit geteilten Verantwortlichkeiten vorschlugen, sind nach wie vor alle drei Formen anzutreffen. Interessanterweise dominiert dabei ausgerechnet das Modell mit geteilter Verantwortlichkeit, das in rund der Halfte der Agencies angewandt wird (Statskontoret 2004: 100). Wahrend die Art der Leitung der Agency nach wie vor von der Regierung in der Agency spezifischen „Instruktion" festgelegt wird, lasst sich parallel zur Einfiihrung der Resultatsteuerung eine weit reichende Delegation von Entscheidungsbefugnissen in den Bereichen Finanzen, interne Organisation, und Personal an die Agencies beobachten. Zumindest nach Blondal (2001: 49) hat dies zu
ges und zum anderen die so genannte „Effektivitatsrevison", das heiBt die Evaluation staatlicher Tatigkeit auf Zielerreichung und Effizienz. Die Ergebnisse seiner Arbeit prasentiert der neue Rechnungshof in Berichten sowohl an das Parlament bzw. die entsprechenden Ausschiisse als auch an die Regierung. Zur Verteilung der Aufgaben zwischen diesen beiden Institutionen siehe auch Ahlback (1999) und Mundebo (1997). "' ^ Verva =Verket for forvaltningsutveckling („Beh6rde fiir Verwaltungsentwicklung").
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einer im OECD-Vergleich einzigartigen Flexibilitat im Management der Agencies gefuhrt. In diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist erstens die Reform der finanziellen Steuerung der Agencies. Seit Beginn der 1990er Jahre wurden die detaillierten Budgetzuweisungen durch weitgehende Global- oder Rahmenbudgets ersetzt, innerhalb derer die Agencies frei liber ihre Ausgaben verfligen konnen. So sind die Verwaltungsausgaben mittlerweile meist nur noch ein einziger Haushaltstitel. Hinzu kommt die Moglichkeit, unverbrauchte Mittel in Hohe von bis zu 3% des Budgets in das nachste Haushaltsjahr zu iibertragen, genauso konnen die Agencies aber auch einen Teil ihres nachstjahrigen Budgets bereits vorher als Kredit erhalten (vgl: ESV 2003a). Von dieser Option wird allerdings kaum Gebrauch gemacht (Blondal 2001: 48). Zweitens diirfen die meisten Agencies seit der Verabschiedung der neuen „Verksforordning" von 1995 (§§ 17-18) ihre interne Organisation weitgehend selbst bestimmen. Zum Teil sind allerdings nach wie vor beispielsweise Beratungsgremien oder AuBenstellen auf kommunaler oder regionaler Ebene vorgeschrieben (vgl. Statskontoret 2004: 50). Bereits seit 1993 sind Agencies sogar in der Wahl ihrer Unterbringung frei. Sie konnen entweder gegen Miete in den staatseigenen Gebauden bleiben, oder aber auch auf dem freien Markt nach geeigneten Kapazitaten suchen.^"* SchlieBlich haben die Agencies sowohl im Hinblick auf die Rekrutierung, als auch die Bezahlung des Personals eine beachtliche Autonomic im Personalbereich erlangt. Dieser Prozess begann bereits in den 1960er und 1970er Jahren mit einer zunehmenden Angleichung der Anstellungsverhaltnisse von privatem und offentlichem Sektor (Montin 1999: 40-41). Mitte der 80er Jahre begann dann die Dezentralisierung der Personalverantwortung auf die einzelnen Agencies, indem die Angestellten den verschiedenen Agencies und Ministerien zugeordnet wurden, nachdem sie davor als „Staatsangestellte" relativ beliebig zwischen den einzelnen Organen der Verwaltung wechseln konnten (Pierre 2001: 253). Seit 1993 sind die Agencies selbst fiir die Rekrutierung ihrer Mitarbeiter verantwortlich wobei sie jeweils eigenstandig die jeweiligen Qualifikationsanforderungen festlegen. Dariiber hinaus besteht die Moglichkeit der individuellen Bezahlung der Mitarbeiter.^^ Doch erst 1994 wurde die Verantwortung fiir die Bezahlung '"* Die Einfuhrung dieser Reform fiel mit einem rapiden Fall der Immobilienpreise zusammen, so dass einige Agencies tatsachlich gleich nach der Einfuhrung dieser Regelung die Chance nutzten, gunstigere oder qualitativ hoherwertige Biiros zu beziehen (Blondal 2001: 46-47). "'^ Gegen Ende der 1980er Jahre hatten die Probleme gut ausgebildetes, leistungsbereites Personal zu rekrutieren so zugenommen, dass man das vormals zentrale System der Lohnverhandlungen aufgab, und den Agencies einen gewissen Spielraum fiir eine eigenstandige Lohnpolitik einraumte. In der Praxis erreichte man dies, indem man ein relativ kompliziertes System eines zweistufigen Lohnverhandlungsprozesses mit den Gewerkschaften einfiihrte. In einer ersten Runde wurde zentral mit den
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der Mitarbeiter der Agencies vollstandig an den Chef der Agency delegiert (Blondal2001:46).
2.3 Unabhdngig, aber steuerbar Der rechtliche Rahmen des Verhaltnisses zwischen Agencies und Ministerien wird durch zwei, teilweise konkurrierende, Verfassungsbestimmungen festgelegt:^^ Erstens werden die Agencies ausdriicklich der Regierung unterstellt (RF Kap.l 1 §6). Das heiBt zum einen, dass die Agencies nicht den einzelnen Ministerien und Ministem unterstehen, also keinerlei Weisungsbefugnis des Ministers gegeniiber der Agency besteht, zum anderen bedeutet dies aber auch, dass die Regierung als Kollektiv sehr wohl das Recht hat, in das Handeln der Agencies einzugreifen. Nichtsdestotrotz sind die Agencies fachlich den einzelnen Ressorts zugeordnet, in denen jeweils eine spezielle Kontaktperson fur die Betreuung der Agencies zustandig ist. Zweitens schlitzt die Verfassung einen wichtigen Bereich des Agencyhandelns, die Anwendung staatlicher Autoritat und die Anwendung von Gesetzen gegeniiber dem einzelnen Burger und den Kommunen {myndighetsutovningen), vor Interventionen der Regierung, aber auch des Parlamentes, der Gerichte und anderen staatlichen Institutionen (RF Kap.ll §7). Diese Verfassungsbestimmung lasst zwar in einem weiten Bereich, der nicht die Ausiibung von staatlicher Autoritat sowie die Anwendung von Gesetzen betrifft, die Einmischung der Regierung zu, nicht zuletzt „die konstitutionelle Mystik" (Jacobsson 1984: 16), die diesen Verfassungsartikel umgibt, hat aber zu einer relativ umfassenden Interpretation der formalen Unabhangigkeit der Agencies gefuhrt (Petersson 2003: 59).^^ Der praktische Einfluss der Regierung auf die Arbeit der Agencies, der vor allem durch informelle Kontakte ausgelibt wird, ist aber nicht Gewerkschaften fiir alle Angestellten des offentlichen Dienstes eine Mindestlohnerhohung und ein Bonus ausgehandelt. Dieser Bonus wurde dann in einer zweiten Runde in Verhandlungen zwischen Agency und Gewerkschaft innerhalb der Agency verteilt (Blondal 2001: 45). '^ Die schwedische Verfassung besteht aus vier getrennten Gesetzen mit Verfassungscharakter. Das wichtigste dieser Gesetze ist das Gesetz iiber die Regierungsform („Regeringsformen"; RF) von 1974, in der der Staatsaufbau geregelt wird. Erganzt wird es durch das Thronfolgegesetz von 1810 CSuccessionsordningen"), das Pressefreiheitgesetz von 1949 („Tryckfrihetsforordningen") sowie das Grundgesetz iiber die freie MeinungsauBerung von 1991 („Yttrandefrihetsgrundlagen"). Ein fiinftes Gesetz, das eine Zwischenposition zwischen normalem Recht und Verfassungsrecht einnimmt, ist das Reichstagsgesetz von 1974 („Riksdagsordningen", RO), indem detailliert die Organisation und Arbeitsformen des Reichstags festgelegt werden. '^ Diese weite Auslegung der Unabhangigkeit der Agencies wurde mehrfach von Untersuchungskommissionen kritisiert. Sie hielten eine weitergehende Steuerung der Agencies nicht nur fiir verfassungsrechtlich moglich, sondem auch aus Griinden der demokratischen Kontrolle der Verwaltung fiir geboten hielten, (SOU 1983, 1985).
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unbedingt geringer als in Landem mit klassischer Ministerverantwortlichkeit. Vielmehr scheint die schwedische Regierung in der komfortablen Situation zu sein, dass sie zwar einen mit anderen Landem vergleichbaren Einfluss auf die Agencies ausiiben kann, nicht aber in ahnlicher Weise fiir das Handeln der Agencies zur Rechenschaft gezogen wird (Larsson 1995: 63). Unbeschadet der Diskussion um den Grad der Selbstandigkeit der Agencies steht der Regierung bzw. dem Parlament eine breite Palette an Steuerungsmoglichkeiten gegeniiber den Agencies zur Verfugung (vgl. Altenbockum 2003: 7886; Halvarson et al. 2003: 127-128): Erstens haben Parlament und Regierung die Moglichkeit, uber Gesetze und Verordnungen sowohl die Aufgaben und Zustandigkeiten, als auch liber die Organisation und die Arbeitsformen der Agencies zu bestimmen. So sind Aufgaben und Zustandigkeiten jeder Agency in einer spezifischen Instruktion festgelegt, allgemeinere Vorschriften sind hingegen im Verwaltungsgesetz („Forvaltningslag") sowie der Agencyverordnung („Verksforordning") festgeschrieben. Erganzt werden diese Regelungen jeweils noch um die politikfeldspezifischen Rechtsnormen wie zum Beispiel das Schulgesetz. Von zentraler Bedeutung zur Steuerung der Agency, gerade im Zusammenhang mit der Resultatsteuerung ist selbstredend das Budgetrecht, das Regierung und Parlament gegeniiber den Agencies ausiiben und das mit der Resultatsteuerung verwoben ist (vgl. Abschnitt 5). Viertens steht der Regierung die Befugnis zu, Leitungspositionen in den Behorden zu besetzen, also die Generaldirektoren der Agencies sowie die Mitglieder der Verwaltungsrate zu emennen. SchlieBlich bedient sich die Regierung intensiv des Instruments der informellen Kontakte, der so genannten „Steuerung unter der Hand" (underhandstyrning), womit sie sich allerdings wieder im Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulassigen bewegt.
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Verwaltungspolitik und ihre Institutionalisierung
Neben diesem institutionellen Rahmen hat die Mitte der 1970er Jahre entstehende eigenstandige VerwaltungspoHtik die Ausgestaltung der schwedischen Variante der Kontraktsteuerung maBgeblich beeinflusst. Zum einen durch die Schaffung einflussreicher Akteure der Verwaltungspolitik, zum anderen durch die Formulierung von Zielvorstelllungen fiir die Reform der offentlichen Verwaltung. Bis weit in die 1970er Jahre hinein war die schwedische Verwaltungspolitik vor allem von Ad-Hoc Reformen gepragt. Es gait fiir die standig wachsende Anzahl an Aufgaben und immer neuer Programme des expandierenden Wohlfahrtsstaates adaquate organisatorische Formen zu fmden. Umfassendere Ansatze
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einer auf Effizienz und Effektivitat gerichteten Reformpolitik blieben hingegen, bis auf die dem amerikanischen PPBS entlehnten Versuche mit der programbudgetering und die damit zusammenhangende Reorganisation von Statskontoret und Riksrevisionsverke,t aus (Premfors 1998: 149). Dies sollte sich erst Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre als Reaktion auf zwei eng aufeinander folgenden Wellen massiver Kritik an der schwedischen Verwaltungspraxis andem (Premfors 1991: 85-87). Die erste Welle der Kritik kam Mitte der 1970er Jahre in Form der ,3Urokratiedebatte": Die Kritik richtete sich gegen eine sich zunehmend verselbstandigende und zugleich den Burger bevormundende Verwaltung und die abnehmende demokratische Kontrolle der Politik iiber die Verwaltung. Die Biirokratiedebatte wurde zu einem zentralen Thema des Wahlkampfes 1976. Die der sozialdemokratischen Regierung vorgeworfene enge Symbiose mit der Burokratie trug nicht zuletzt dazu bei, dass die Sozialdemokraten 1976 zum ersten Mai seit 40 Jahren in die Opposition gehen mussten. Die zweite Welle der Kritik kam wenig spater mit der okonomischen und fiskalischen Krise zu Beginn der 1980er Jahre. Die Verwaltung wurde zusehends als zu groB, zu teuer und zu biirokratisch empfunden (Sundstrom 2001: 9). Diese doppelte Herausforderung fiihrte zu einem dramatisch veranderten Diskurs iiber die Rolle der offentlichen Verwaltung, die nun nicht mehr langer als unproblematisches Werkzeug zur Losung gesellschaftlicher Probleme betrachtet wurde, sondem plotzlich Teil des Problems geworden war (Premfors 1998: 149). Als Reaktion auf diese Kritik begannen die btirgerlichen Regierungen von 1976 bis 1982 bereits mit ersten Reformen, die vor allem auf Dezentralisierung von Aufgaben an die Kommunen und Einsparungen abzielten. Doch erst mit der Riickkehr der Sozialdemokraten 1982, die offensichtlich ihre Lehren aus der Wahlniederlagen von 1976 und 1979 gezogen hatten und ein Wiederaufleben der „Burokratiedebatte" im nachsten Wahlkampf zu ihren ungunsten verhindem wollten, kam es zu einer starkeren Institutionalisierung der Verwaltungspolitik (Premfors et al. 2003: 273).^^ Sichtbarster Ausdruck des Reformwillens der sozialdemokratischen Regierung war zunachst die Schaffung eines neuen Ministeriums fiir offentliche Verwaltung („Civildepartement"j/^ Das Civildepartement schaffte es bis zu seiner Auflosung zu Beginn der 1990er Jahre allerdings nicht, eine langfristig dominierende Position im verwaltungspolitischen Reformprozess einzunehmen. Zwar '^ Rune Premfors bezeichnet die Phase der Entwicklung einer eigenstandigen Verwaltungspolitik als den iJbergang von „policy led" zu „organization-led" Verwaltungsreformen, dass heiBt Impulse zu Veranderungen kamen nunmehr weniger aus einzelnen Politikfeldem sondem vielmehr aus einem bestreben, die Verwaltung an sich besser zu gestalten (Premfors 1998: 149, 1999a: 154-155). '^ Das Civildepartement entstand durch die Zusammenlegung des „Kommundepartements" mit Teilen des „Budgetdepartements" sowie des „Ekonomidepartements" (Mellboum 1986: 17).
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gelang es ihm zunachst mit einer starken Betonung der Service-, Demokratieund Partizipationsperpektive die verwaltungspolitische Reformagenda zu bestimmen, doch spatestens seit Mitte der 1980er Jahre eroberte die vehement vom Finanzministerium und insbesondere dessen Haushaltsabteilung („Budgetavdeling") vertretene Effizienzperspektive - vor allem wegen des anschwellenden Budgetdefizits - die verwaltungspolitische Agenda. Die mangelnde Durchsetzungsfahigkeit des Civildepartements lag vor allem an der schwierigen Position als „Querschnittsministerium", das ohne nennenswerte eigene Kompetenzen zur Umsetzung seiner Politik auf den guten Willen der anderen Ressorts angewiesen war (Forssell 2001: 271). Nicht zuletzt wegen des Mangels an realen Machtmitteln, aber durchaus auch inspiriert durch modeme Organisationstheorien, konzentrierte sich das Civildepartement deshalb zu Beginn vor allem auf Uberzeugungsarbeit und Symbolik als zentrale Instrumente seiner Reformbemlihungen. Entgegen der Absichten schwachte dies die Stellung des Ministeriums jedoch noch weiter. Dem jungen Minister Bo Holmberg wurde schnell „too much talk and too little action" vorgeworfen, was schlieBlich zu seiner Ablosung nach der Wahl 1988 fuhrte (Premfors 1991: 88). Die nun antretende neue Fiihrung des Civildepartement kam zum groBen Teil aus dem Finanzministerium, dadurch war der lange Zeit inhaltliche Konflikt zwischen Civildepartement und Finanzministerium und damit zwischen Effizienz und Demokratieperspektive trotz einer 1988 erfolgten Starkung des Civildepartements weitgehend zu Gunsten der Effizienzperspektive entschieden. Die organisatorische Konkurrenz zwischen Civildepartement und Budgetabteilung, die im gestarkten Civildepartement nun einen machtigeren Spieler in „ihrem" Kompetenzbereich sah, wurde erst durch die Auflosung des Civildepartements drei Jahre spater durch die blirgerliche Regierung beendet (Premfors et al. 2003: 317). In den 1990er Jahren nahm stattdessen das Justizministerium, das neue Zustandigkeiten in der Verwaltungspolitik bekommen hatte, die Rolle des Vertreters der Demokratie, Service und Partizipationsperspektive ein, was sich auch in den verwaltungspolitischen Regierungserklarungen ausdriickte (Premfors et al. 2003: 318). Seit 2002 sind die Kompetenzen abermals im Finanzministerium konzentriert, ohne dass sich jedoch bis jetzt eine neue verwaltungspolitische Handschrift erkennen lasst. Das Finanzministerium behielt jedoch seit Beginn der Verwaltungspolitik stets die Kontrolle iiber Fragen der finanziellen Steuerung und Fragen des Budgetprozesses und spielte bereits seit den Versuchen mit der Programmbudgetierung eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Steuerungsinstrumenten vis a vis den Agencies. Damit war und ist das Finanzministerium - und hier insbesondere dessen Haushaltsabteilung - der zentrale verwaltungspolitische Akteur (Jacobsson 2001: 33). Eng untersttitzt wurde und wird das Finanzministerium dabei von seinen „Satelliten", den beiden Stabsagencies Riksrevisionsver-
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ket und Statskontoret (und spater zusatzlich dem „Ekonomistymingsverket*'). Sowohl Statskontoret als auch das damalige Riksrevisionsverket waren 1961 in Vorbereitung der Einfiihrung der Programmbudgetierung in ihrer heutigen Form geschaffen worden. Ihre Existenz ist somit eng an die Entwicklung und Einfiihrung von neuen, auf rationalen Entscheidungsmodellen aufbauenden Steuerungsformen, und eine effizienzorientierte Verwaltungspolitik gekniipft (Sundstrom 2003: 142). Personell waren und sind diese beiden Agencies eng mit der Budgetabteilung des Finanzministeriums verflochten. So erfolgt die Rekrutierung von Personal fiir Fuhrungspositionen vor allem durch Rotation zwischen diesen Organisationen (Jacobsson/ Sundstrom 2001: 21). An der Entwicklung der Programmbudgetierung in den 1960er Jahren und auch bei der Einfiihrung der Resultatsteuerung waren diese Agencies in einer Vielzahl von Rollen beteiligt, in ihren Handen lagen sowohl die Konzeption der Instrumente, die Durchfiihrung von Pilotversuchen, die groBflachige Implementation als auch die abschlieBenden Evaluationen (Sundstrom 2004: 21). Durch die Schaffung ministerieller Verantwortung und die Vergabe von Untersuchungsauftragen an die Stabsagencies hat die Bedeutung von Kommissionen im Bereich der Verwaltungspolitik hingegen abgenommen. Waren sie zu Beginn der Verwaltungspolitik noch die zentralen Akteure der (biirgerlichen) Reformpolitik, wurde ihre Rolle als dominierender Ideengeber der Verwaltungspolitik vor allem von den Stabsagencies und aus dem Civildepartement herausgefordert. Nichtsdestotrotz haben insbesondere bei der Einfiihrung der Resultatsteuerung zwei Kommissionen, „Forvaltningsutredningen'* und „Verksledningskommitten", wichtige Vorarbeiten fiir die beiden Regierungsbeschliisse geleistet (SOU 1983, 1985).^° Allgemeiner gefasst kann die verwaltungspolitische (Reform-)Agenda seit Mitte der 1970er Jahren kann als Pendelbewegung zwischen den zentralen Zielen des Verwaltungshandelns, Effektivitat, Rechtssicherheit und Demokratie verstanden werden (Premfors et al. 2003: 315): Zu Beginn der 1970er Jahre stand die Effizienzperspektive, in den 1980er Jahren die Demokratieperspektive und in den 1990er Jahren wieder die Effizienzperspektive im Vordergrund. „Rechtssicherheit" als Wert der Verwaltung wurde und wird als gesichert angesehen und war aus diesem Grund bisher kein Ziel der Reformbemiihungen. Diese Gewichtung der unterschiedlichen Grundwerte verbirgt sich jedoch in der Regel hinter den jeweils dominierenden „Reformideologien": In den 1970er Jahren war dies " Bei der Betrachtung der Akteure der Verwaltungspolitik darf man jedoch die enge Verflechtung der Kommissionen mit den anderen zentralen Akteuren nicht vemachlassigen. So vergaben die beiden Kommissionen einige Auftrage an RRV und Statskontoret. AuBerdem waren sie durch die Auswahl der Mitglieder sowohl mit den Ministerien als auch mit den Stabsagencies eng verkniipft (Sundstrom 2003: 176-178, 212-213).
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vor allem „Dezentralisierung", in den 1980er Jahren waren „Resultatsteuerung" und „Serviceorientierung" die zentralen Themen, und seit den 1990er Jahren dominierte das renodling, was in etwa als Konzentration auf Kernaufgaben und Aufgabenkritik verstanden werden kann. Insbesondere fiir die Resultatsteuerung gilt aber auch, dass die verfolgten Ziele von der Regierung durchaus multidimensional formuliert sind: So sollte die Resultatsteuerung zum einen die Steuerbarkeit und damit die politische und demokratische Kontrolle der Verwaltung verbessern, zugleich wurde sie aber auch als Werkzeug der Effizienzsteigerung verstanden (Premfors et al. 2003: 285).
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Die Resultatsteuerung nimmt Gestalt an
Vor diesem Hintergrund, also zum einem dem verfassungsrechtlich institutionellen Verhaltnis zwischen Ministerien und Agencies und zum anderen den zentralen verwaltungspolitischen Themen und Akteuren zu Beginn der 1980er Jahre, muss die Einflihrung der Resultatsteuerung in Schweden gesehen werden."^' Mit der Errichtung des Civildepartements im Jahr 1983 war noch kein ausgearbeitetes verwaltungspolitisches Programm vorhanden. Stattdessen sollte das Programm erst in den kommenden Jahren erarbeitet werden. Dafiir griff das Civildepartement zum einen auf die eine Anzahl neuer Ad-Hoc Kommissionen sowie zum anderen auf die Stabsagencies zuriick. Von Bedeutung fur die Einflihrung der Resultatsteuerung sollten dabei vor allem das Verksledningskommitten sowie die Vorgangerkommission Forvaltningsutredningen werden. Das Verksledningskommitten hatte zwar urspriinglich nur den Auftrag die interne Leitung der Agencies zu untersuchen, doch durch eine offnende Klausel in der Arbeitsanweisung der Regierung hatte es seinen Auftrag erheblich ausweiten konnen (Lindstrom 1997: 35). Ziel seiner Arbeit wurde somit, Moglichkeiten aufzuzeigen, wie sowohl die Effizienz der Agencies als auch deren Steuerbarkeit durch die Regierung verbessert werden konnten. In der Problemanalyse kniipfte das Verksledningskommitten weitgehend an die Arbeit der Vorgangerkommission an (SOU 1985; Sundstrom 2004): Zentrales Problem sei die erodierende Steuerungskapazitat der Regierung gegeniiber den Agencies. Dies sei das Ergebnis der starken Expansion der offentlichen ^' Die Einflihrung der Kontraktsteuerung beginnt nach offizieller Lesart meist Mitte der 1980er Jahre. Lasst man jedoch die Bezeichnung „Resultatsteuerung" beiseite, so lassen sich die Wurzeln der Resultatsteuerung und ihre Grundideen bis in die friihen 1960er Jahre zuriickverfolgen, als erste Versuchen mit Formen der vom amerikanischen PPBS System abgeleiteten „Programbudgetering" (PB) eingeleitet wurden (Jacobsson/ Sundstrom 2001: 3-4). Fiir eine ausfiihrliche Analyse des Entwicklungsprozesses der Resultatsteuerung aus einer historisch-institutionellen Perspektive siehe Sundstrom (2003; 2004).
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Verwaltung in den vorangegangenen Jahren, aber auch Folge einer komplexer werdenden Umwelt und einer stark steigenden Anzahl zu bearbeitender Aufgaben (Lindstrom 1997: 35). Im Zentrum der mangelnden Steuerungskapazitat stiinde dabei ein „Informationsproblem": Die Informationen, die die Regierung und die Ministerien von den Agencies erhielten, seien flir eine sinnvolle Steuerung vollkommen unzureichend, irrelevant oder viel zu detailliert und wiirden im Rahmen des Budgetprozesses zu haufig abgefragt. Zudem kritisierte die Kommission, dass zum einen zu viel gesteuert wUrde, sodass durch einen hohen Grad an Detailsteuerung die Arbeit und Flexibilitat der einzelnen Agencies behindert wiirde, zum anderen wiirden in anderen Bereichen zu wenig gesteuert und eigentlich politische Entscheidungen durch die groBe Zahl von Rahmengesetzen und Rahmenvorschriften auf das Niveau der Agency verlagert (Sundstrom 2001: 16-17). In seinem AbschluBbericht schlug das Verksledningskommitten der Regierung vor, sie solle in ihrem Verhaltnis zu den Agencies gleichzeitig mehr und weniger steuern: Mehr steuern sollte sie, indem sie prazisere Ziele flir die Aktivitaten der Agencies festlegt, weniger sollte sie steuern, indem sie den Grad der Steuerung im Detail deutlich senkt und den Agencies groBere Freiheiten in deren eigener Organisation und in den Mitteln zur Ausfiihrung ihrer Aufgaben einraumt (SOU 1985: 56-57).^^ Zudem empfahl die Kommission, den Zeitrahmen des Budgets der Agencies auf drei Jahre zu verlangern, um eine langfristigere Planungsperspektive zu ermoglichen und nur alle drei Jahre eine ausfiihrhche Darstellung und Analyse ihrer Aufgaben zu verlangen, um den mit diesen Tatigkeiten verbundenen Arbeitsaufwand zu verringem und gleichzeitig die Quahtat dieser Berichte zu verbessern. Als wichtiges Mittel zur Behebung der Informationsprobleme sollte schlieBlich der jahrliche Jahresabschluss zu einem Jahresbericht ausgebaut werden, indem dem finanziellen Bericht ein Bericht iiber die Erflillung der vorgegebenen Ziele hinzugefiigt wurde. SchlieBlich betonte die Kommission auch die Bedeutung von informellen Kontakten in einem solchen System. Bei ihnen handele es sich um eine funktionale Erganzung zu den nie ganz eindeutigen formalen Beschlussen (SOU 1985: 98-99). Noch bevor die Kommission diese Vorschlage in ihrem Abschlussbericht iiberhaupt verabschiedet hatte, begann 1985 unter der Leitung des Civildepartements ein Versuch mit dreijahrigen Rahmenbudgets sowie eine ersten Form der Resultatsteuerung, in den sukzessive 23 Agencies einbezogen wurden. Begleitet und organisiert wurde dieser Versuch vom Riksrevisionsverket, dem Statskontoret sowie dem staatlichen Institut fiir Personalentwicklung (SIPU), die einen ahnlichen Versuch schon im Rahmen der Programmbudgetierung unternommen "^ Dies kann man ohne weiteres als die klassische Beschreibung von Ergebnissteuerung im New Public Management verstehen.
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hatten. In ersten Kurzevaluationen^^ auBerten sich zwei Jahre spater das Statskontoret (1987; 1988) wie auch das Riksrevisionsveret (1988) grundsatzlich positiv iiber die ersten Erfahrungen. Im Detail wurde allerdings teils scharfe Kritik an der konkreten Umsetzung gelibt. Probleme waren hauptsachlich bei der Formulierung von sinnvollen und messbaren Zielen und der Festlegung von Berichtspflichten aufgetreten. Diese Probleme meinte man aber bei einer weiteren Entwicklung der Resultatsteuerung in den Griff bekommen zu konnen (Lindstrom 1997: 45-47; Sundstrom 2003: 235-243). Auf Grundlage des Abschlussberichts des Verksledningskommitten sowie der ersten Erfahrungen mit den Versuchsagencies fasste die Regierung 1987 und 1988 zwei Beschliisse zur Einfiihrung von Resultatsteuerung.^"* Sowohl der Abschlussbericht und der Vorschlag der Kommission, als auch die von der Regierung eingebrachten und vom Parlament verabschiedeteten Gesetze waren jedoch sehr allgemein gehalten und umfassten kein ausgearbeitetes Konzept der Resultatsteuerung. In ihnen wurden lediglich die konzeptionellen Eckpfeiler eines solchen Steuerungsinstruments beschrieben, wie das Aufstellen von Zielen, deren Evaluation sowie einer groBeren Handlungsfreiheit fur die Agencies. Stattdessen betonte die Regierung, unter anderem mit dem expliziten Hinweis auf die Einfiihrung der Programmbudgetierung in den 1960er Jahren, dass die Einfiihrung von Resultatsteuerung mit einem „groBen MaB an Pragmatismus" und „Wirklichkeitsverankerung" verbunden werden solle und das Instrument kontinuierlich verbessert und an die verschiedenen Aufgaben der unterschiedlichen Agencies angepasst werden solle (Sundstrom 2001: 21). Die weitere Ausgestaltung wurde wiederum dem Riksrevisionsverket und dem Statskontoret (und gegen Ende der 1990er Jahre auch dem Ekonomistyrningsverket) unter Leitung des Finanzministeriums iibertragen. Die groBten Probleme und Veranderungen traten dabei zunachst bei der eng mit der Resultatsteuerung verkniipften Einfiihrung von dreijahrigen Rahmenbudgets auf. Die ausfiihrlichen Tatigkeitsberichte, die eigentlich die Hauptstiitze der Steuerung sein sollten, erwiesen sich fiir diesen Zweck als weitgehend unbrauchbar, da sie teilweise um die 1000 Seiten umfassten, schwer lesbar, unstrukturiert und kaum mit anderen Berichten zu vergleichen waren (Lindstrom 1997: 50-53). Zudem war die Regierung in den wirtschaftlich schwierigen und instabilen Zeiten gegen Ende der 1980er und zu Anfang der 1990er Jahre nicht bereit, sich auf die mit den dreijahrigen Budgetrahmen verbundenen langfristigen Zusagen einzulassen (Jacobsson/ Sundstrom 2001: 5). In der Praxis entwickelten sich deshalb die ab 1992 eingefiihrten jahrlichen Jahresberichte sowie der von "•^ Der Auftrag fiir diese Evaluationen wurde am 3. Dezember 1987 erteilt, bereits am 15. Januar des Folgejahres sollten dann die Ergebnisse vorliegen, vgl. Sundstrom (2003: 235). '^ „verksledningsbeslut" (prop 1986/87:99); "komplementereingspropositionen" 1987/88: 150.
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden
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der Regierung erstellte Regulierungsbrief (regleringsbrev) zu den wichtigsten Steuerungsinstrumenten. Konsequenterweise wurde der feste Dreijahreszyklus fiir die vollstandigen Tatigkeitsberichte aufgehoben und flexibilisiert, so dass die Agencies nur noch in unregelmaBigen Abstanden auf Wunsch der Regierung einen solchen Bericht anfertigen miissen. Seitdem sich die Regierung entschlossen hat, im jahrlichen Budgetprozess dem Parlament ebenfalls Resultatdaten vorzulegen, wird im Rahmen des so genannten VESTA-Projekts^^ versucht, die bis jetzt zwar eng verbundenen, jedoch noch nicht integrierten Prozesse der Resultatsteuerung und des jahrlichen Budgetprozesses zu integrieren und sowohl Zielformulierung als auch Berichtspflichten durch prazisere Vorgaben zu verbessem und vergleichbarer zu machen. Ziel ist dabei unter anderem die Bildung klarerer und genauerer Zielhierarchien. Mit der Schaffung der VESTA-Gruppe, die neben Mitarbeitem aus den unterschiedlichen Ministerien auch aus einer Gruppe von Staatssekretaren und Parlamentariem besteht, hat die Regierung bewusst versucht, die Entwicklung der Resultatsteuerung wieder auf die politische Ebene zu heben, allerdings weitgehend erfolglos, wie Ehn in seiner Fallstudie zu diesem Projekt abschlieBend feststellt. Stattdessen sei auch das VESTA-Projekt wiederum ein hauptsachlich von den Angestellten der Ministerien vorangetriebenes und zur Entscheidung gebrachtes Projekt gewesen (Ehn 2001: 154). Das Hauptergebnis der VESTA Gruppe ist bis jetzt der Bericht „Okonomische Steuerung flir Effektivitat und Transparenz" (Finansdepartement 2000),^^ der die Grundlage der Weiterentwicklung der Resultatsteuerung bilden soil. Darin wird die Vision einer immer umfassenderen, aber auch immer technischeren und mechanischeren Resultatsteuerung formuliert (Sundstrom 2001: 25).
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Resultatsteuerung in der Praxis
Aufbauend auf den Beschliissen von 1987 und 1988 wurde in den 1990er Jahren also Schritt fiir Schritt das jetzige System der Resultatsteuerung entwickelt, ohne dass es dabei zum Beschlusszeitpunkt bereits ein ausformuliertes Modell gegeben hatte. Die Praxis der gegenwartigen Resultatsteuerung ist also das Ergebnis kontinuierlicher Veranderung und Weiterentwicklung, weniger die Implementation eines „Grande Designs". Bis Mitte der 1990er Jahre war sogar die Reichweite des Konzeptes selbst relativ unklar (Ehn und Sundstrom 1997: 133-134). So ^^ Verktyg for Ekonomisk styming i Staten (Instrumente der okonomischen Steuerung im Staat). ^^ "Ekonomisk styming for ejfektivitet och transparens". Unter okonomischer Steuerung fast die schwedische Regierung die Steuerung durch Ziele und Zielvorgaben sowie die finanzielle Steuerung im Rahmen des Haushaltsprozesses zusammen (Finansdepartement 2000: 11).
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wurde der Term ,^esultatstyrning" zu Beginn haufig auch als eine neue Strategic im weiteren Sinne - Sundstrom (2001: 6) spricht in diesem Zusammenhang von „Metabegriff' - fiir jede Art der Steuerung zwischen Ministerien und Agencies und als eine Strategic der Neudcfinition der Bezichungen zwischen Politik und Verwaltung verstanden.^^ Demgegenuber steht das engere, instrumentclle Verstandnis von Resultatstcuerung als cinem Steucrungsinstrument unter mehrcren, das sich schlicBlich gegen Mitte der 1990er Jahre durchgesetzt hatte.^^ Bemcrkenswert ist in diesem Sinne auch, dass es in offiziellen Publikationen lange keine schematischen Darstellungen des Steuerungsinstrumentes gab. Erst in jlingster Zeit werden solche Darstellungen veroffentlicht (vgl. z.B. ESV 2003a). In diesem Abschnitt soil nun, aufbauend auf eigenen und fremden empirischen Vorarbeiten, die Praxis der Resultatstcuerung analysicrt werden. Dabci sollcn neben ciner Vorstellung der zentralen Stcucrungsdokumente zentrale Probleme des derzeitigen Steucrungssystems crortert werden.
5.7 Regulierungsbrief und Jahresbericht: Die formellen Steuerungsinstrumente Den Kern des heutigen Resultatsteuerungsmodells bilden die zwei zentralen Stcucrungsdokumente, der Regulierungsbrief (regleringsbrev) als Quasikontrakt und der Jahresbericht (arsredovising) als wichtigstes Element des Reportings.
" vgl. z.B. vgl. Z.B. Prop. 1993/1994:150: bil.l S. 106. ^Sgl. z.B.: Prop. 1998/1999:1.
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden
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Der Reguliemngsbrief wird nach Verabschiedung des Haushalts gegen Ende Dezember an die einzelnen Agencies verschickt und bildet die Grundlage flir das Tatigkeitsjahr der Agency (vgl. Abbildung 1). Er enthalt Informationen liber die zu erreichenden Ziele der Agency und die dazugehorigen Berichtspflichten, Einzelauftrage sowie die zum Erreichen der Ziele notwendigen Mittel aus dem Budget. Im System der Resultatsteuerung erflillt er damit die Funktion der Zielvereinbarung, wobei sich die Ziele dabei an einer dreistufigen Zielhierarchie orientieren: Erstens einem Oberziel fiir das Politikfeld (politikomrdde) als Ganzem, zweitens ubergreifenden Zielen fiir einzelne Tatigkeitsfelder (verksamhetsomrade) und schlieBlich Zielen flir einzelne Aktivitaten {verksamhetsgren) innerhalb dieser Tatigkeitsfelder. Die Ziele der ersten beiden Kategorien werden bereits mit dem Haushalt beschlossen und bilden somit die Verbindung zwischen der interorganisatorischen Steuerung innerhalb der Exekutive auf der einen sowie den Bemiihungen um einen resultatorientierten Haushalt auf der anderen Seite (vgl. exemplarisch Abbildung 2 mit ausgewahlten Zielen). Die im Regulierungsbrief formulierten Ziele sollen, nach den Vorstellungen des Finanzministeriums (2000: 54), moglichst SMART^^ formuliert sein, d.h. spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch sowie zeitbezogen, um eine effektive Steuerung zu ermoglichen. Eine Analyse der Ziele in verschiedenen Regulierungsbriefen zeigt jedoch, dass die tatsachlich formulierten Ziele (vgl. exemplarisch Abbildung 2 mit ausgewahlten Zielen) diesen Kriterien kaum entsprechen (Tiessen 2003). Stattdessen sind die Ziele meist vage und unspezifisch und damit schwer messbar. Teilweise sind sie widersprlichlich, nicht von der Agency kontrollierbar und zudem werden haufig Output und Outcome sowie Ziel und MittelDimensionen vermengt (vgl. auch: Molander et al. 2002: 99). Zwischen verschiedenen Aufgaben und Politikfeldern sind dabei jedoch durchaus Unterschiede zu erkennen. Wahrend beispielsweise die Arbeit der zentralen Arbeitsmarktbehorde (AMS) mit durchaus konkreten und messbaren, wenn auch widersprlichlichen und schwer kontrollierbaren Zielen versehen ist, bleiben die Ziele zum Beispiel im „Querschnittspolitikfeld" Umweltpolitik fiir die Naturschutzbehorde vollkommen vage, unkontrovers und kaum kontrollierbar (vgl. auch Pollitt et al. 2004: 92; Tiessen 2003: 66-74) (vgl. Abbildung 2). '^ Nach den SMART-Kriterien sollen Ziele folgenden Anspriichen geniigen: Specifika: Spezifisch, das heiBt sie sollen genau angeben, was erreicht werden soil, Mdtbara: Messbar, das heiBt sie sollen mit Resultatsindikatoren, Schlusselzahlen o.a. messbar sein. Accepterade: Akzeptiert, das heiBt Sie sollen von den mit ihnen befassten Personen akzeptiert und als relevant empfunden werden. Realistiska: Realistisch, das heiBt sie sollen erfullbar sein. Tidsatta: Zeitgebunden, das heiBt der Zeitpunkt der Zielereichung soil festgelegt werden. Diese Kriterien entsprechen weitgehend den in der NPM Literatur diskutierten Ansatzen, siehe. z.B. Schedler und Proeller (2000).
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden Abbildung 2:
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Zielhierarchien am Beispiel der Naturschutzbehorde („Naturvardsveket") (Auszug aus dem Regulierungsbrief des natur vardsverket 2006)
Politikomrade „Umwe(tpolitik" Zieh „Der nachsten Generation eJne Gesellschaft zu uberlassen in der alie groBen Umweltprobleme in Schweden gelost sind." Verksamhets omrade „Aktive und vorbeugende Umweltarbeit" Z/e/: „Nationale und internationale Entwicklung und Anwendung von Steuerungsmitteln in Bezug auf die funf grundlegenden Umweltziele sowie die Beeinflussung von Einstellungen und Verhalten bei individuen und Organisationen, urn zu erreichen, dass diese sich ihrer Umweltverantwortung gerecht verhalten." Verksamhetsgren „Aufsicht und Regulierung" Z/e/ 2: ..Spatestens 2006 gibt es einen Plan fur die Aufsichtsarbeit des Naturvardsverket'm den Jahren 2007-2009, urn die Anwendung des Umweltgesetzbuches bei Kommunen und Regionen zu verbessern." Verksamhetsgren ..Information" Ziel 1: „Wesentliche Akteure haben Informationen erhalten, was sie zum Erreichen der Umweltziele beitragen konnen".
Diese Probleme mit der Zielformulierung, wie sie ja auch aus anderen Kontexten bekannt sind, sind jedoch keineswegs neu, sondern ziehen sich wie ein roter Faden durch die Entwicklung der Resultatsteuerung und ihrer Vorganger (Sundstrom 2004: 18-24). Schon in den Versuchsagencies Mitte der 80er Jahre waren Probleme mit der Zielformulierung aufgetreten (Lindstrom 1997: 44). Eine zu Beginn der 90er Jahre durchgefiihrte Analyse der Zielsteuerung des AMS berichtet ebenfalls von groBen Schwierigkeiten, sinnvolle Zielindikatoren fur die Arbeitsmarktpolitik zu fmden (Niklasson/ Tomsmark 1997: 230). Wieder aufgegriffen wird diese Kritik Ende der 90er Jahre durch die verwaltungspolitische Kommission f„ Forvaltningspolitiska Kommissionen"), die emeut auf die Schwierigkeiten der Zielformulierung hinweist, und Probleme mit den Jahresberichten aufzeigt: Sie seien zu detailliert, schlecht vergleichbar und zu uniibersichtlich (SOU 1997: 81-85). Dieses Problembild hat sich kaum verandert. So kritisieren beispielsweise Molander et al. (2002: 99) bei einer Analyse der Steuerungsdokumente dreier Agencies unter anderem die Multidimensionalitat und Widersprlichlichkeit der Ziele im Regulierungsbrief, sowie die unzureichende
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Spezifizierung des Verhaltnisses von Output zu Outcome in den JahresberichDer Jahresbericht ist das funktionale Gegenstiick zum Regulierungsbrief und das zentrale Instrument der Regierung zur Kontrolle der Tatigkeiten der Agencies (Riksrevisionsverket 1996: 130-131). Der Bericht iiber die Aktivitaten der Agency im abgelaufenen Budgetjahr und das Erreichen der Ziele (resultatredovisning) baut auf den im Regulierungsbrief formulierten Zielen und Berichtspflichten auf. Wurden fiir eine bestimmte Aktivitat keine spezifischen Berichtspflichten angegeben, so soil die Agency nichtsdestotrotz iiber Produkte, deren Menge, Einkiinfte und Ausgaben sowie deren Qualitat innerhalb dieser Aktivitat berichten (ESV 2003b). Durch die Verknlipfung mit dem Regulierungsbrief spiegeln die Jahresberichte in groBem Umfang die Probleme der Zielformulierung wider. Wo prazisere Ziele vorhanden sind gibt es eine relativ prazise Berichterstattung, ansonsten verlieren sich die Berichte haufig in ausufernden, deskriptiven Tatigkeitsberichten, so ist eine Lange von 100 Seiten und mehr keine Ausnahme flir einen Jahresbericht. Der finanzielle Teil des Jahresberichtes hingegen ist ein weitgehend unproblematischer Aspekt der Resultatsteuerung. Die Qualitat der fmanziellen Berichterstattung hat im Laufe der Jahre deutlich zugenommen und wird von den Auditinstitutionen weitgehend positiv bewertet (Tiessen 2003).^^ Sanktionen bei Verfehlen der Ziele, bzw. zusatzliche Anreize bei Ubertreffen der vereinbarten Ziele sind im System der Resultatsteuerung nach schwedischer Pragung nicht vorgesehen. Dies entspricht zum einen der in Schweden dominanten „kooperativen Kontaktkultur" (Jann 2000: 347) und deren Betonung konsensualer Entscheidungsfindung und Problemlosung, zum anderen wurden Sanktionen auf praktische Probleme treffen. Solange die Fuhrung der Agency in den meisten Fallen zwischen Direktor und Verwaltungsrat geteilt ist, lassen sich Verantwortlichkeiten fiir Erfolg und Misserfolg nur schwer zuordnen.
5.2 Geringe Kapazitdten Eine der Hauptursachen fiir die Mangel in den formellen Steuerungsdokumenten sind nicht zuletzt die geringen Ressourcen, die in den relativ kleinen Ministerien zur Steuerung der Agencies zur Verfiigung stehen. Von diesen stark begrenzten Ressourcen werden nach Berechnungen von Forss (2000: 93) wiederum nur gut 5 % der jahrlich zur Verfiigung stehenden Arbeitszeit fiir die Steuerung der ^° Die drei Agencies sind die nationale StraBenverkehrsbehorde („Vagverket"), die Behorde fiir das Gerichtswesen („Domstolverket"), sowie die Sozialversicherungsbehorde („Riksf6rsakringsverket"). ^' Fiir das Jahr 2004 siehe zum Beispiel die Priifergebnisse des Ekonomistymingsverket (ESV 2005).
Die Resultate im Blick? Kontraktsteuerung in Schweden
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Agencies verwendet. Dies entspricht rund 10 Manntagen fiir die Erstellung des Regulierungsbriefes und knapp 9 Manntagen fiir die Auswertung der Jahresberichte pro Agency."^^ Interessant ist, dass also weniger Zeit fiir die Analyse der Resultate zur Verfiigung steht, als allein fiir die Erstellung des Regulierungsbriefes (noch ohne Aufwand fiir informelle Kontakte!) aufgewandt wird, obwohl der Fokus der Steuerung auf der Analyse der Ergebnisse liegen soil. Verscharft werden die Kapazitatsprobleme durch die Personalauswahlpolitik. Haufig wird die Position des Verantwortlichen fiir die Agencies mit Neueinsteigem besetzt und genieBt nur geringes Ansehen innerhalb des Ministeriums. Eine bewusste Rotationspolitik innerhalb der Regeringskansliet soil zudem verhindem, dass sich einzelne Mitarbeiter zu sehr mit der Arbeit ihrer Agency identifizieren, deshalb kann nur schwer Fachkompetenz in diesen Positionen aufgebaut werden (Molander et al. 2002: 63). Die mangelnde Fachkompetenz ihrer Ansprechpartner im Ministerium ist deshalb ein von den Mitarbeitem der Agencies haufig beklagtes Problem (Genell 2000: 11; Sandahl 1999: 26). Allerdings muss man hier von einer strukturellen Kompetenz- und Informationsasymmetrie ausgehen, wie sie auch der Prinzipal-Agent-Ansatz annimmt, und die sich nur unter sehr groBem Aufwand verringem lieBe (Ebers/ Gotsch 1995: 197).
5.3 Ungenutzte Informationen Diese Informationsasymmetrie zu verringern ist unter anderem der Zweck der jahrlichen Berichterstattung der Agencies an die Ministerien. Doch auch hier reichen die Ressourcen haufig nicht fiir eine systematische Bewertung und Verarbeitung der Informationen aus (Arvidson/ Duell 2003: 5). Verscharft werden die Kapazitatsprobleme durch die bereits analysierten Qualitatsprobleme der Jahresberichte. Hier spiegeln sich die Mangel in der Formulierung von Zielen und Berichtspflichten deutlich wider, so werden die von den Agencies gelieferten Informationen vom Ministerium als zu detailliert, schwer lesbar und teilweise irrelevant betrachtet (Riksrevisionsverket 1996: 137). Fiir die Steuerung der Agencies spielen die in den Jahresberichten enthaltenen Informationen deshalb kaum eine Rolle (Riksdagens Revisorer 2003: 19; Riksrevisionsverket 1996: 137). Die Jahresberichte sind eine Informationsquelle unter vielen und werden eher als Nachschlagwerk denn als Beschlussunterlage verwendet, „there is only sparse evidence, suggesting that it (performance information) is actually used to make resource decisions*' (Pollitt et al. 2004: 88).
' Umfragedaten, Durchschnitt fiir Agencies mit mehr als zehn Beschaftigten (Forss 2000: 90).
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Neben der Qualitat der Berichte gibt es aber auch systematische Ursachen, die die Attraktivitat der Jahresberichte als Entscheidungsgrundlage einschranken. Erstens sind die Jahresberichte vor allem „historische" Dokumente. Die Informationen und Antworten, die sie enthalten, beziehen sich auf das abgelaufene Budget) ahr, wahrend im Ministerium bereits prospektiv am Regulierungsbrief und dem Budget fiir das nachste Jahr gearbeitet wird. Wahrend des ganzen Budgetjahres hatte das Ministerium jedoch schon die Moglichkeit, durch Zwischenberichte und vor allem durch informelle Kontakte, Informationen liber die Tatigkeit der Agencies zu bekommen. Der Jahresbericht hat also nur noch einen geringen Neuigkeitswert fiir die Ministerien (Ehn/ Sundstrom 1997: 145). Zweitens handelt es sich bei den von den Agencies gelieferten Informationen um einseitige Informationen, die deshalb sinnvollerweise nicht allein fiir Entscheidungen Uber groBere Umschichtungen und Kurzungen geeignet sind (Ehn/ Sundstrom 1997: 172-173). Es kann kaum von den Agencies erwartet werden, dass sie Willens sind, alle relevanten Informationen liber ihre Arbeit zu liefem, und sie machen es in den regularen Dokumenten des Budgetprozesses und der Resultatsteuerung auch tatsachlich nicht, wie Ehn und Sundstrom zeigen (1997: 172-173). Stattdessen werden sie entweder die Strategic verfolgen, ihre Arbeit ins beste Licht zu rlicken, um ihr Budget zu sichern, oder aber die Unzulanglichkeit ihrer Arbeit betonen, um mehr Ressourcen zu bekommen (Holmblad Brunsson 2002: 202). Deshalb brauchen die Ministerien eine breitere Entscheidungsgrundlage als nur die Informationen der Agencies. Und in der Tat greifen die Ministerien bei groBeren Umschichtungen und Verschiebungen von Aufgaben etc. hauptsachlich auf Berichte der Ad-hoc-Kommissionen zurlick, veranlassen spezielle Untersuchungen durch die stabsmyndigheter oder nutzen Ergebnisse vertiefter Analysen durch die Auditinstitutionen (Larsson 2002: 143).
5.4 Informelle Kontakte Die Steuerung der Agencies durch die Ministerien sowie der Informationsfluss von den Agencies in die Ministerien beschrankt sich natlirlich nicht nur auf Entwurf, Austausch und Auswertung der formellen Steuerungsdokumente, vielmehr sind diese formellen Regelungen von einem dichten Netzwerk informeller Kontakte umgeben, das die verfassungsmaBige Kluft zwischen Ministerien und Agencies liberwindet.^^ Im Rahmen der Resultatsteuerung folgt die Intensitat der informellen Kontakte dabei dem jahrlichen Steuerungszyklus. Hauptsachlich finden die Kontakte " Diese Netzwerke sind dabei natiirlich keineswegs neu und nicht ein Ergebnis der Einftihrung von Resultatsteuerung, wie z. B. die Arbeit von Petersson (1989: 67-87) zeigt.
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dabei zwischen dem Agency Verantwortlichen im Ministerium und seinem Konterpart in der Agency statt (Hwang 2000: 31-33). Am engsten sind die Kontakte wahrend der Erstellung des Regulierungsbriefes. Rund um die beiden Abstimmungsrunden versucht einerseits das Ministerium die Akzeptanz der Ziele in der Agency zu sichern und sich zusatzlichen Sachverstandes zu bedienen, andererseits bietet sich den Agencies die Moglichkeit, substantiellen Einfluss auf die Ausgestaltung des Regulierungsbriefes zu nehmen. Inwieweit es den Agencies dabei tatsachlich gelingt ihre Vorstellungen durchzusetzen ist unklar. Fiir Ehn und Sundstrom sind es vor allem die Agenices, welche, im Zusammenspiel mit nicht selten unerfahrenen Mitarbeitem aus dem Ministerium, die Ziele und Berichtspflichten festlegen (1997: 194). Die Kritik, die Agencyvertreter haufig an den ausformulierten Regulierungsbriefen und Berichtspflichten iiben (vgl. z.B. Sandahl 1999: 26-27) ist aber ein gutes Indiz, dass es den Agencies anschienend nicht vollkommen gelingt, ihre Vorstellungen umzusetzen. Wahrend des Haushaltsjahres und bei Erstellung des Jahresberichtes stehen vor allem Auslegungs- und Interpretationsfragen im Vordergrund, die meist auf Initiative der Agency beruhen. Bei unklar formulierten Zielen oder Berichtspflichten wird sich dann - wenn moglich - auf eine gemeinsame Interpretation geeinigt. Auf diese Weise konnen die Schwachen in der Zielformulierung kompensiert werden und gegebenenfalls der Arbeitsaufwand der Agency verringert werden (Hwang 2000: 34). Der zweite, groBere Kristallisationspunkt informeller Kontakte ist die Auswertung der Jahresberichte. Hierfiir wurde mittlerweile mit den „Agency Dialogen" sogar ein institutionalisierter, und damit formalisierter Rahmen gefunden. Jahrlich finden gemeinsame Treffen zwischen Agency und Ministerium statt, in denen die wichtigsten Probleme des vergangenen Haushaltsjahres angesprochen werden (Hjalmarsson 2001: 9). Der Charakter dieser Gesprache kann dabei von einem lockeren, halbstiindigen Routinetreffen bis hin zu scharfen und intensiven Diskussionen reichen (Pollitt et al. 2004: 93). Informelle Kontakte bilden im schwedischen System der Resultatsteuerung also eine funktionale Einheit mit den formellen Steuerungsinstrumenten. Es ist kaum vorstellbar, dass die formalen Instrumente ohne eine so intensive Unterstiitzung einsetzbar waren. Insbesondere die an der Resultatsteuerung Beteiligten sehen die informellen Kontakte nicht nur als gleichrangig, sondem teilweise als das wichtigere Steuerungsinstrument an (Hwang 2000: 38-39), „die Bedeutung dieser informellen Netzwerke kann also wahrscheinlich kaum liberschatzt werden" (Pierre 2004: 209). Insbesondere in diesen informellen Kontakten manifestiert sich der Einfluss der spezifisch schwedischen Verwaltungskultur auf die Ausgestaltung der Resultatssteuerung. Durch die dominante Konsens- und Kooperationskultur konnen aus unklaren Zielvorgaben resultierende Konflikte oder
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Interessensgegensatze in der Kegel gelost werden, ohne dass es dazu formeller Regierungsbeschlusse bedarf. Ein immer wieder zu beobachtendes Phanomen im Zusammenhang mit den informellen Kontakten rund um die Resultatsteuerung ist, dass die mit den gleichen Sachfragen beschaftigten Mitarbeiter in Agency und Ministerium ihrem jeweiligen Gegeniiber in Agency oder Ministerium viel naher stehen, als beispielsweise der eigenen Leitung oder administrativen Einheiten (Vifell 2001: 19). Diese Verbindungen, die man im deutschen Kontext wohl als „Fachbruderschaften" charakterisieren wUrde, werden auch in der schwedischen EU-Arbeit beobachtet und mit dem Begriff des sammansmdltning (Verschmelzung) bezeichnet (Vifell 2002: 90). Dementsprechend sind bei der Entstehung des Regulierungsbriefes fiir die Naturschutzbehorde Konflikte, so man sie denn so nennen kann, eher zwischen Finanzministerium und der Verwaltungseinheit auf der einen Seite und den mit Sachfragen Beschaftigten auf der anderen Seite aufgetreten, als zwischen den Fachabteilungen in Ministerium und Agency (Jacobsson 2001:23).
5.5 Dominanz administrativer Akteure Ganz im Gegensatz zu den Intentionen der Resultatsteuerungsreformen, die auf eine Erhohung der Steuerbarkeit der Verwaltung und eine aktivere Fiihrung der Verwaltung durch die Politik zielten, beschrankt sich die Beteiligung der politischen Fiihrung im schwedischen Fall auf ein Minimum. Das Setzen der Ziele erfolgt in der Regel fast ausschlieBlich auf Ebene der Fachbeamten in Agency und Ministerium. Von Seiten der politischen Fiihrung wird lediglich sichergestellt, dass aktuelle Themen angemessen vertreten sind, wie eine Studie der Erstellung des Regulierungsbriefes im Umweltministerium zeigt (Vifell 2001: 17). Die Nutzung von Resultatinformationen fiir politische Entscheidungen ist ebenfalls eher die Ausnahme als die Regel. Mitglieder des Parlamentes nutzen sie fast iiberhaupt nicht, die Regierung reagiert eher auf Ad-Hoc Informationen, beispielsweise aus Kommissionsberichten oder besonderen Evaluationen der Auditinstitutionen, die - fiir die Politik wesentlich attraktiver - in der Regel ein klar umgrenztes Problem bereits mit einer moglichen Losung versehen (Holmblad Brunsson 2002: 195, 202-203). Bei der schwedischen Resultatsteuerung handelt es sich also weniger um ein politisches Steuerungsinstrument, als vielmehr um eine administrative Steuerung der Agencies durch die Ministerien. Die Steuerungsaufgaben werden fast vollstandig an die Arbeitsebene im Ministerium delegiert und die Beteiligung der politischen Leitung bleibt die Ausnahme (Jacobsson 2001: 24).
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Das politische Desinteresse an der Resultatsteuerung, das die meisten Beobachter konstatieren (Molander et al. 2002: 159), lasst sich vor allem mit der mangelnden Kompatibilitat des Resultatsteuerungsmodells mit dem nach wie vor vorherrschenden politischen Entscheidungsstil erklaren, der vor allem durch Reaktivitat und Selektivitat der Problemwahrnehmung gepragt ist (Holmblad Brunsson 2002).^"^ Politiker bevorzugen einen Ad-Hoc Entscheidungsstil und zeigen Unwillen, sich durch die Formulierung von Zielen in Fragen festzulegen, die momentan keinen wichtigen Platz auf der politischen Agenda haben. Das fiihrt zum einen zu luftig, politisch unkontrovers formulierten Zielen, zum anderen aber auch wie beschrieben zu einer Verlagerung der Formulierung der Ziele auf niedrigere, administrative Hierarchieebenen. Diese Ad-hoc Orientierung schrankt aber auch die Attraktivitat der gelieferten Informationen ein, sie sind haufig schon veraltet, in der Regel durch die Beschreibung der gesamten Tatigkeiten der Agency zu unspezifisch und schlieBlich werden die Informationen, wie bereits erwahnt, als unausgewogen und parteiisch betrachtet.
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Uberfliissige Ingenieurskunst?
Das derzeitige System der Resultatsteuerung ist also gepragt durch groBe Mangel in den formalen Steuerungsinstrumenten, durch unzureichende Kapazitaten zur Auswertung von Informationen und Erstellung des Regulierungsbriefes, sowie politisches Desinteresse an der Steuerung der Agencies. Zugleich kompensiert ein ausgepragtes Netzwerk informeller Kontakte die Mangel des formalen Steuerungsinstrumentariums und macht es zu einem im GroBen und Ganzen funktionierenden System. Diese Problembeschreibung wird sowohl von Befurwortem als auch von Kritikern des Resultatsteuerungsmodells geteilt und zieht sich in leicht abgemilderter Form auch durch die Evaluationen der Stabsagencies und Auditinstitutionen seit den ersten Versuchen mit der Programmbudgetierung (Sundstrom 2004: 22-23).^^ Von Seiten der Stabsagencies sowie dem Finanzministerium wurden und werden diese Probleme vor allem als Implementationsprobleme und (nach mehr als 15 Jahren Resultatsteuerung!) Anlaufschwierigkeiten des neuen Steuerungssystems interpretiert. Folgerichtig basiert die Problembewaltigung vor allem auf •**' Dies war eines der Ergebnisse der schwedischen Machtuntersuchung gegen Ende der 1980er Jahre, siehe u.a. SOU (1990) und Jacobsson (1989). ^^ Sehr lesenwert ist hier die in der hauseigenen Zeitung des Ekonomistymingsverket iiber drei Ausgaben gefuhrte Diskussion zwischen den Kritikern des Modells Bengt Jacobsson und Goran Sundstrom auf der einen und Per Molander als Befiirworter auf der anderen Seite (Jacobsson/ Sundstrom 2002b, a; Molander 2002).
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einem „weiter so": Die Ziele miissten methodisch verfeinert und die Zielformulierung verbessert werden, die politische Fuhrung miisste durch zusatzliche Aufklarung und Ausbildung dazu angehalten werden ihre Rolle im Resultatsteuerungssystem besser wahrzunehmen und die Kapazitaten fiir eine Informationsverarbeitung miissten vergroBert und schlieBlich der Nutzen von Resultatinformationen verdeutlicht werden (Sundstrom 2004: 22-23). Auch Molander et al. schlagen eine Verbesserung der Zielformulierung, die starkere Einbindung der politischen Fuhrung sowie eine deutliche Erhohung der Auswertungskapazitaten in der Regeringskanliet um bis zu 1.000 (!) Mitarbeiter zu Lasten der Agencies vor. Gemeinsam ist diesen Vorschlagen zum einen, dass sie auf eine weitere technische Verfeinerung der Zielformulierung zielen, wie dies beispielsweise im VESTA-Projekt angelegt ist. Zum anderen wollen sie den offensichtlichen Gegensatz zwischen tatsachlicher, politischer Entscheidungslogik und der idealtypischen, rationalen Entscheidungsfmdung des Kontraktsteuerungsmodells durch eine Veranderung des Verbal tens der politischen Fuhrung auflosen. Ein grundsatzliches Infragestellen des Systems der Resultatsteuerung fmdet jedoch von dieser Seite nicht statt. Wie lasst sich dieser offensichtliche Widerspruch zwischen den Schwierigkeiten des Resultatssteuerungsmodells auf der einen Seite und kaum grundsatzlicher Veranderungsbereitschaft auf der anderen Seite erklaren? Blickt man auf die Entstehung der Resultatsteuerung, so wird deutlich, dass die Entwicklung des Steuerungsinstrumentes bis auf die politische Initiative Anfang der 1980er Jahre vor allem ein administrativ vorangetriebener Prozess war. Hauptakteure waren dabei neben dem Finanzministerium vor allem Statskontoret und Riksrevisionsverket. Seit ihrem Entstehen waren diese beiden Institutionen eng mit der Entwicklung von rationalen Steuerungsinstrumenten befasst und als Entwickler der Methodik und zugleich Evaluationsorgan nahmen sie eine Schliisselposition ein. Eine Abkehr vom Konzept der Resultatsteuerung hatte diese Organisationen ihrer zentralen Position in Steuerungsfragen beraubt und sie in ihren Grundfesten erschiittert. Bezeichnenderweise agierte das Riksrevisionsverket, nachdem es seine Verantwortung fiir die Resultatsteuerung abgegeben und auf ein reines Revisionsorgan zuriickgestutzt worden war, wesentlich kritischer als zuvor (Sundstrom 2003: 312-313).^^ Zugleich trieb eine sehr kleine, homogene Gruppe - vorwiegend von Okonomen - das Projekt Resultatsteuerung Vergleiche zum Beispiel die Remiss-Antwort auf das VESTA-Programm der Regierung (Riksrevisionsverket 2001), in der das Riksrevisionsverket u.a. ein zu technisch-adminsitratives Politikverstandnis bemangelte und kritisierte, dass die gelieferte Problembeschreibung zu allgemein und im wesentlichen denjenigen von vor 30 Jahren, also zum Zeitpunkt der Einfiihrung von Programmbudgetierung gliche.
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innerhalb dieser Organisation voran, was einen effektiven Lernprozess, der auch ein Hinterfragen der Grundannahmen ermoglicht hatte, verhinderte (Sundstrom 2004: 45-46).^'^ Politisch sind die Resultatsteuemng und ihre Probleme weitgehend unbeachtet geblieben, nach wie vor dominiert auf Ebene der politischen Fiihrung in den Ministerien ein kurzfristiger, Ad-hoc orientierter Entscheidungsstil, der parallel zum neuen, offiziellen System fortbesteht. Diese Moglichkeit beide Entscheidungssysteme parallel laufen zu lassen und damit bei dem gewohnten Adhoc Entscheidungsstil zu bleiben macht es jedoch politisch unattraktiv, die Resultatsteuerung abzuschaffen oder maBgeblich zu verandem (Holmblad Brunsson 2002: 203-204): Als rationales Modell der Entscheidungsfindung sind die grundlegenden Elemente der Resultatsteuerung schwer von der Hand zu weisen denn sie entsprechen den Erwartungen an eine verantwortungsvolle Politik und bergen damit ein hohes Legitimationspotential. Kaum eine Regierung wird propagieren, dass sie sich keine Ziele setzen will, keine Resultate auswerten will und die Politik nicht von den Ergebnissen des Vorjahres abhangig machen will. In welche Richtung wird sich die Resultatsteuerung in den nachsten Jahren entwickeln? Solange es keine Alternative zur Resultatsteuerung mit einem ahnlich liberzeugenden Modell gibt ist also davon auszugehen, dass vor allem von den administrativen Akteuren versucht wird, die Resultatsteuerung auf dem bisherigen Wege voranzutreiben und die politischen Akteure sie weitgehend gewahren lassen, sofem das neue System nicht zu sichtbaren zusatzlichen Kosten oder Dysfunktionalitaten fiihrt. Das heiBt vor allem Resultatsteuerung zu einem zunehmend detaillierten und technischeren Steuerungsinstrument auszubauen, das VESTA-Projekt mag hier als Beispiel dienen. Bereits jetzt hat die Implementation der Resultatsteuerung nach der Lockerung der Inputkontrollen zu einer ganz erheblichen „Re-Regulierung" gefiihrt, die sich vor allem in Vorschriften und Prozeduren zur Erstellung der Regulierungsbriefe, der Zielformulierung und der Jahresberichte ausdrlickt (Jacobsson/ Sundstrom 2001: 32). Die 1993 vom ehemaligen Chef des Riksrevisionsverkets Ingemar Mundebo formulierte Wamung vor zuviel „unnotig komplizierter Ingenieurskunst"^^ scheint wirkungslos zu verhallen. Interessant ist, wie sich die umfangreichen Umstrukturierungen von Riksrevisionsverket und Statskontoret auswirken werden. Durch die Schaffung des neuen Rechnungshofes Riksrevisionen und beispielsweise die zunehmende Betonung der Evaluationsarbeit im Statskontoret verandem sich die Interessenkoalitionen rund um die Resultatsteuerung. So sind Akteure entstanden, die kein Sundstrom argumentiert hier insbesonders mit Tendenzen zum groupthink, der Dominanz einer bestimmten Berufsgruppe, der Okonomen, sowie dem Eigeninteresse der Akteure an einer Fortfiihrung des Steuerungsinstrumentes (Sundstrom 2003, 2004). ^^ zitiert nach Lindstrom (1997: 41).
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eigenes Interesse an der Weiterentwicklung des Resultatsteuerungsinstrumentariums mehr haben. Ganz im Gegenteil konnte Kritik an dem Steuerungsinstrumentarium sogar ein probates Mittel zur Profiliemng und Betonung der Unabhangigkeit der umstrukturierten Organisationen sein.
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Agencies in Norwegen Steuerung und Organisation zentralstaatlicher Behorden^ Tobias Bach
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Einleitung
Behorden auf zentralstaatlicher Ebene - in der internationalen Diskussion als Agencies bezeichnet - sind derzeit ein hot topic in der empirischen und vergleichenden Verwaltungsforschung (siehe die Beitrage in Pollitt/ Talbot 2004; Pollitt et al. 2004). Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Beobachtung, dass derartige Organisationen in vielen Staaten wie Pilze aus dem Boden schieBen oder dass sich Steuerung und Autonomie von bereits bestehenden Agencies in einem in die gleiche Richtung zielenden Veranderungsprozess befinden (ebd; Pollitt et al. 2001). Idealtypisch konnen die Symptome dieses Reformfiebers anhand von drei Dimensionen beschrieben werden (Jann 1999; Pollitt et al. 2004; Talbot 2004): (1) Strukturelle Ausgliederung von Aufgaben aus den Ministerien bzw. Wahrnehmung neuer Aufgaben in selbstandigen Organisationseinheiten, (2) Ausweitung der operativen Entscheidungsspielraume - etwa durch die Lockerung von einheitlichen standard operating procedures - und (3) Umgestaltung der Steuerungsbeziehungen zu den iibergeordneten Ministerien durch den Abschluss ergebnisbezogener Kontrakte. An diese Diskussion ankniipfend sollen im vorliegenden Beitrag die norwegischen Agencies - die sog. Direktorate ~ naher betrachtet werden. Zunachst ist festzuhalten, dass die Wahmehmung von Aufgaben durch Organisationen unterhalb der ministeriellen Ebene im norwegischen Fall keine institutionelle Neuerung darstellt. Schon seit mehr als 150 Jahren werden Aufgaben nationaler Reichweite sowohl durch Ministerien als auch durch Direktorate ausgeflihrt. Anzahl und hierarchische Anbindung der Direktorate an die Ministerialverwaltung haben sich im Laufe der Zeit jedoch deutlich gewandelt. Die Frage nach dem Verlauf dieses institutionellen Wandels und seinen Ursachen ' Flir hilfreiche Anmerkungen zu einer friiheren Fassung dieses Beitrags danke ich Marian Dohler. Ein besonderes Dankeschon geht an Marja Leonhardt flir ihre Unterstutzung bei der sprachlichen Uberarbeitung des Textes.
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stellen einen ersten Schwerpunkt dieses Beitrags dar. Hierbei sollen sowohl die empirischen Auspragungen des Verwaltungswandels als auch die zu bestimmten Zeitraumen dominierenden (normativen) Verwaltungsmodelle betrachtet werden (zum Konzept des Verwaltungsmodells siehe Dohler, in diesem Band). Zu Beginn soil deshalb aus historischer Perspektive die Etablierung der Direktorate und deren Entwicklung zu einem zentralen Bestandteil der norwegischen Regierungsorganisation herausgearbeitet werden. Kern der Betrachtung der ersten, strukturellen Dimension von ,Agencification' - verstanden als Annaherung an das oben genannte Idealmodell - ist die Entwicklung der AgencyLandschaft ab Mitte der fiinfziger Jahre. Hierbei wird insbesondere die neuere Diskussion zur Steuerung und Organisation von Regulierungs- und Aufsichtsbehorden aufgegriffen. In diesem Zusammenhang deutet sich moglicherweise eine Zasur hinsichtlich des dominierenden Verwaltungsmodells an. AnschlieBend stehen Veranderungen der operativen management autonomy im Vordergrund, bevor nach den Hintergriinden und Motiven der Einfuhrung sowie der Entwicklung von Ziel- und Ergebnissteuerung als interorganisatorisches Steuerungsinstrument gefragt wird. Diese „neue Steuerungslogik" (Jann 1999) zwischen Organisationen unterschiedlicher hierarchischer Ebenen soil bei der Analyse der norwegischen Agency-Reformen besonders hervorgehoben werden. Eine Analyse der Steuerungsbeziehungen zwischen dem norwegischen Verkehrsministerium und der Luftfahrtbehorde bilden den empirischen Kern dieser Betrachtung.^ Ein zweiter Schwerpunkt des Beitrags liegt somit auf der Darstellung und Analyse der Praxis interorganisatorischer Steuerung. Vor dem Hintergrund der vergleichsweise langen Tradition organisatorisch eigenstandiger Direktorate in Norwegen erscheint eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Instrument des performance management (Pollitt 2006) besonders ertragreich. Unter den gegebenen Ausgangsbedingungen mlisste ein institutioneller Wandel auf dieser Dimension am deutlichsten zum Vorschein kommen. Gleichzeitig soil anhand der Fallstudie diskutiert werden, welche organisationsintemen und -extemen Faktoren die interorganisatorische Steuerungspraxis und die Autonomic zentraler staatlicher Behorden maBgeblich pragen (ebd.; Pollitt 2003; Wilson 1989). Zunachst soil jedoch eine Standortbestimmung der Direktorate im politisch-administrativen Institutionengefuge Nor-
~ Die Fallstudie wurde wahrend eines Forschungsaufenthalts des Autors an der Universitat Oslo durchgefuhrt (08/2004-12/2004), der vom Norwegischen Forschungsrat (Ruhrgas-Stipendienfonds) gefordert wurde (Bach 2005). Im Text zitierte Interviewaussagen wurden vom Verfasser transkribiert und ubersetzt.
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wegens vorgenommen werden, die erste Anhaltspunkte fiir deren Steuerung und Organisation bietet.^
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Die Position der Direktorate im norwegischen Regierungssystem
Der norwegische Staat ist unitarisch aufgebaut und umfasst neben der zentralstaatlichen Ebene eine regionale und eine lokale Verwaltungsebene. Die Exekutive besteht gemaB dem seit 1814 gultigen Grundgesetz („Grunnloven") aus dem Konig, der gemeinsam mit den Mitgliedem der Regierung verbindliche Entscheidungen trifft (Konig im Staatsrat). Diese formalen Regierungsbeschliisse werden in der parlamentarischen Verfassungspraxis wahrend der zweimal wochentlich stattfindenden Regierungskonferenzen bzw. im ,vorbereitenden Staatsrat' unter Leitung des Premierministers vorbereitet (Statsministerens kontor 2003; Svardal 1997: 36). GemaB dem Prinzip der Ministerverantwortlichkeit sind die einzelnen Regierungsmitglieder fiir die in ihrem Geschaftsbereich getroffenen Entscheidungen und Versaumnisse gegeniiber dem Parlament („Storting") verantwortlich. Ebenso ist die Regierung dazu verpflichtet, den Storting liber wichtige Vorkommnisse und Probleme zu unterrichten (Christensen et al. 2002b). Das Parlament kann entweder der gesamten Regierung - so geschehen 1928 und 1963 Oder einzelnen Regierungsmitgliedem das Misstrauen aussprechen. Hierzu wurden schon mehrfach Antrage gestellt, die jedoch keine Mehrheit erhielten (Dokument nr. 14 2002-03: 108). WUrde das Parlament einem Minister/einer Ministerin sein Misstrauen aussprechen, miisste die gesamte Regierung aufgrund der sog. Solidaritatsnorm zuriicktreten (ebd.: 109). Allerdings sind weder die Bedingungen fiir die Zulassigkeit eines Misstrauensantrages noch die Verfahrensweise fur ein Misstrauensvotum rechtlich verfasst. Das parlamentarische Prinzip der Regierungs- und Ministerverantwortung hat sich vielmehr ab 1884 als konstitutionelles Gewohnheitsrecht durchgesetzt (ebd.: 93). Dariiber hinaus unterliegen die Regierungsmitglieder einer konstitutionellen Verantwortung vor dem Reichsgericht („Riksrett"), deren praktische Bedeutung jedoch gering ist."^
^ Als allgemeinen Uberblick zum norwegischen Regierungssystem siehe GroB und Rotholz (2003) und den Sonderband von „West European Politics" (Volume 28, Number 4, September 2005). "* Die bislang letzte Verhandlung des aus Parlamentariem und Richtem des Hochsten Gerichtshofs zusammengesetzten Reichsgerichts fand 1926 statt. 2004 wurde auf der Grundlage der Empfehlungen eines parlamentarischen Komitees ein Antrag auf Anderung des Verfassung eingereicht, der auf eine Reform des gegenwartig gultigen Verfahrens abzielt (Dokument nr. 12:1 2003-04). Eine Abstimmung hieriiber, die gemaB der Verfassung friihestens in der seit Herbst 2005 laufenden Legislaturperiode stattfinden kann, steht noch aus.
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Mit der parlamentarischen und der konstitutionellen Ministerverantwortlichkeit geht die Organisations- und Leitungskompetenz der einzelnen Fachminister/innen flir ihren jeweiligen Geschaftsbereich einher (NOU 1989:5: 90). Diese als ministerstyre bezeichnete Autoritat beinhaltet ein generelles und ein einzelfallbezogenes Weisungsrecht, das sich auf das Ministerium wie auf die nachgeordneten Direktorate und sonstigen Behorden und Einrichtungen erstreckt (Hylland 2001: 252). Nur sehr wenige Behorden sind - teilweise oder vollstandig - vom ministeriellen Weisungsrecht ausgenommen. Hierzu zahlen die Zentralbank, die Aufsichtsbehorde fur Eigentumsverhaltnisse im Medienbereich (2005 in der Medienaufsichtsbehorde aufgegangen), die Datenschutzbehorde und die Auslanderbehorde (Hylland 2001). Mit dem Weisungsrecht ist wiederum die Frage nach der fachlichen Autonomic und der hierarchischen Anbindung der Agencies an die Ministerien eng verbunden. Diese Gesichtspunkte spielen im folgenden Abschnitt eine zentrale Rolle, der die Entwicklung der norwegischen Direktorate anhand der wichtigsten Reforminitiativen und institutionellen Umbriiche in einem historischen Langsschnitt skizziert.
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Die Organisation der Direktorate zwischen politischer Steuerung und administrativer Autonomie
Wahrend etwa in GroBbritannien der Prozess der Agencification mit einer weitreichenden Auslagerung und Autonomisierung von ministeriellen Aufgaben verbunden war (Lodge, in diesem Band), werden in Norwegen bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts zentralstaatliche Aufgaben in Direktoraten auBerhalb der Ministerien wahrgenommen (Christensen/ Roness 1999). Eine umfassende Ausgliederung von ministeriellen Organisationseinheiten kann demnach nicht als das entscheidende Merkmal einer norwegischen Agency-Reform gelten. Allerdings war die Organisation der Direktorate und die damit verbundene Frage nach dem Verhaltnis von Politik und Verwaltung immer wieder Gegenstand der (verwaltungs)politischen Diskussion (Gr0ndahl/ Gr0nlie 2004). Zudem sind die Direktorate einer der wenigen Bereiche der Verwaltung, fiir die explizite Reformprogramme entwickelt wurden (Gr0ndahl 1997: 369). Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts steht die quantitative Entwicklung der Agencies, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten dominierenden praskriptiven Organisationsmodelle und die damit meist eng verbundenen Reformbestrebungen und -kommissionen, einschlieBlich der neueren Auseinandersetzung liber Steuerung und Organisation von Regulierungs- und Aufsichtsbehorden.
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3.1 Historische Entwicklung der Direktorate (1840-1955) Der Aufbau der norwegischen Zentralverwaltung begann 1814 im Kontext der Befreiung aus der danischen Fremdherrschaft und der Ausarbeitung der norwegischen Verfassung. Diese wurde auch wahrend der im gleichen Jahr vollzogenen Zwangsunion mit Schweden (bis 1905) beibehalten (und gilt noch heute). In den 1840er Jahren entstanden die ersten Direktorate auBerhalb der Ministerien, wobei der jeweils zustandige Minister - im Unterschied zum schwedischen Vorbild ein hierarchisches Weisungsrecht besaB (Gr0ndahl 1997: 12). Die meisten dieser Direktorate wurden durch eine Aufwertung bereits bestehender Organisationen mit schwacherem formellen Status im (von Ingenieuren dominierten) Verkehrsund Telekommunikationsbereich geschaffen (Christensen/ Roness 1999: 112).^ Ausschlaggebend fiir diese Entwicklung war die von einer Reihe stark wachsender Professionen (z.B. Ingenieure, Mediziner, Philologen) geforderte Errichtung eigenstandiger Fachorgane auBerhalb der Ministerialverwaltung (Gr0nlie/ Haaland 1999: 14). Die fachliche Ausdifferenzierung der Verwaltung spiegelt also die zunehmende Professionalisierung der genannten Disziplinen wider (ebd.). Deren Vertreter kritisierten, dass die juristisch dominierte Beamtenschaft in den Ministerien wenig geeignet seien, die seit Mitte der 1850er Jahre stark zunehmenden staatlichen Aktivitaten im sozialen und wirtschaftlichen Bereich auszuiiben (u.a. im Gesundheitswesen, im Verkehrs- und Telekommunikationsbereich und in der Landwirtschaft) (Gr0ndahl 1997: 11). Gr0ndahl stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass Direktoratswachstum mit einer funktionalen Ausdifferenzierung der Staatstatigkeit einhergeht. Einerseits entsteht auf Seiten der Politik ein Bedarf nach fachkundigem Personal, wahrend andererseits die Interessengruppen ihren Einfluss geltend machen wollen (ebd.: 14). Darliber hinaus kann eine bewusst vorangetriebene Politik der Errichtung von Direktoraten aber auch unter dem Gesichtspunkt der politischen Steuerung von Verwaltung und Gesellschaft betrachtet werden, was im weiteren Verlauf der historischen Entwicklung besonders deutlich wird. Eine zweite Welle der Errichtung von Direktoraten ist in den 1870er Jahren zu verorten. Diesmal war jedoch das Parlament die treibende Kraft, das durch die Errichtung unabhangiger Behorden eine Moglichkeit sah, die politischen Einflussmoglichkeiten des (schwedischen) Konigs, seiner (aus Beamten bestehenden) Regierung und der Ministerialbiirokratie zu schwachen. So gab es im Jahre 1880 - abgesehen von einer Reihe weiterer Organisationen auBerhalb der Ministerialverwaltung - insgesamt zwolf Direktorate. Davon war lediglich eines nicht selbstandig und als fachlich spezialisierte Einheit in ein Ministerium integriert ^ Hierzu zahlen u.a. das Kanaldirektorat (1847), das Hafendirektorat (1847) und das Teledirektorat (1855) (Administrasjonsdepartementet 1993).
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(sog. danisches Organisationsmodell) (Christensen/ Roness 1999: 110).^ Nachdem sich 1884 in einem konfliktreichen Prozess das Prinzip der parlamentarischen Verantwortung der Regierung durchgesetzt hatte, begann eine Periode des verlangsamten Wachstums der Direktoratspopulation. Durch eine starkere vertikale Integration von Ministerien und Direktoraten einerseits und Zurlickhaltung bei der Grtindung neuer Direktorate andererseits (sechs Neugriindungen zwischen 1884 und 1914) wollten Parlamentsmehrheit und Regierung, die nun ,an einem Strang zogen', eine bessere politische Steuerung der Zentralverwaltung erreichen (Gr0nlie/ Haaland 1999: 15). In der Zwischenkriegszeit fasste die sog. norwegische Losung als Idealmodell der vertikalen Arbeitsteilung innerhalb der Zentralverwaltung verstarkt FuB. Vorbild hierfur war die 1900 erfolgte Eingliederung von Landwirtschaftsdirektorat und Forstdirektorat in das Landwirtschaftsministerium. Bei der norwegischen Losung ist das Direktorat auf Referatsebene direkt in das Ministerium eingegliedert und entscheidet - abhangig von der jeweiligen Aufgabe - entweder in eigenem Namen oder im Namen des Ministers (Christensen/ Roness 1999: 111; Gr0ndahl 1997: 14). Dieses Modell der Direktorate ,in doppelter Rolle' ist demnach zwischen der schwedischen Losung mit freistehenden Agencies auBerhalb der hierarchischen Struktur der Ministerien und der danischen Losung mit vollstandig in das Ministerium integrierten Direktoraten zu verorten. Nachdem die Vereinigung der Reichsdirektoren zunachst harsche Kritik an diesem Organisationsmodell geauBert und sich fiir weitere organisatorisch eigenstandige Direktorate ausgesprochen hatte, wurde das norwegische Modell in den 1920er Jahren von einem eigens eingesetzten Komitee dieser Vereinigung grundsatzlich befurwortet. Demnach ermogliche eine engere Anbindung an die Ministerien sowohl mehr fachliche Autonomic als auch einen besseren Zugang zum Minister. Ob diese Erwartungen in der Praxis tatsachlich erfiillt wurden, kann vor dem Hintergrund der bislang von den Fachbeamten bevorzugten strukturell unabhangigen Direktorate jedoch angezweifelt werden. Der wichtigste Schritt zur Umsetzung des norwegischen Modells wurde vom Vereinfachungs- und Sparausschuss des Storting unternommen. Dieser schlug - allerdings aus einer eher pragmatischen Perspektive - 1924 die Reorganisation von zwolf Direktoraten nach dem norwegischen Modell sowie die Neuerrichtung einiger weniger Direktorate vor (Christensen/ Roness 1999: 113). In den folgenden zehn Jahren wurde etwa die Halfte dieser Vorschlage in die Praxis umgesetzt (ebd.: 114). Ruckblickend betrachtet war die norwegische Losung bis in die 1950er Jahre hinein die vorherrschende Doktrin fiir die vertikale Arbeits^ Ohne sich explizit auf Direktorate zu beziehen, weisen Christensen und Roness (1999: 110) auf ein deutliches Wachstum organisatorisch verselbstandigter Verwaltungsbereiche von acht (1840) auf 28 (1886) hin.
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teilung innerhalb der Zentralverwaltung. Dennoch war auch innerhalb dieses Zeitraums nie mehr als ein knappes Viertel der Direktorate nach diesem Modell organisiert. In der Praxis dominierte also weiterhin die freistehende Direktoratslosung/
3.2 Die , hiving qff'-Doktrin der Nachkriegszeit Aus verwaltungshistorischer Perspektive kann die Verwaltungspolitik der gesamten Nachkriegszeit als bestandiges Streben nach einer Politisierung der Verwaltung verstanden werden (Gr0nlie 1999). Unter Politisierung versteht Gr0nlie die Umgestaltung der Zentralverwaltung zu einem Instrument, das die Regierung dabei unterstutzt, ihre Politik zu formulieren und umzusetzen. Dies war in der Nachkriegszeit erklartes Ziel der politisch dominierenden Arbeiterpartei, deren Rolle im Folgenden naher beleuchtet wird. Erste Schritte zu einer Reform der Zentralverwaltung wurden von der seit Herbst 1945 amtierenden Arbeiterpartei-Regierung untemommen. Die politische Bedeutung von Verwaltungspolitik zu diesem Zeitpunkt wird organisatorisch etwa an einem liber mehrere Jahre bestehenden Kabinettsausschuss deutlich. Dariiber hinaus entstand unmittelbar nach der Regierungsbildung das sog. Rationalisierungskomitee, welches aus mehreren Ministem, Spitzenbiirokraten und Vertretern der Privatwirtschaft zusammengesetzt war. Dieses Gremium warf wenn auch nur am Rande - auch die Frage nach der zweckmaBigsten Arbeitsteilung zwischen Ministerien und Direktoraten auf, wobei die schwedische Verwaltung als mogliches Vorbild genannt wurde (Gr0ndahl 1997: 50). Der Schwerpunkt der Reformen in der unmittelbaren Nachkriegszeit lag allerdings auf der Etablierung planwirtschaftlicher Strukturen (Gr0nlie 1999: 50). Die entscheidenden Reformen zur Umgestaltung der Zentralverwaltung zu einem politischen Werkzeug wurden Mitte der 1950er Jahre eingeleitet. Unter der Leitung von Premier minister Einar Gerhardsen (Arbeiterpartei) erarbeitete eine Gruppe zentraler Regierungsmitglieder unter Beteiligung des FinanzStaatssekretars eine neue politische Leitlinie zum Verhaltnis zwischen Ministerien und Direktoraten.^ Erstere sollten durch die Verlagerung von technischen ^ Fur 1947 zahlt Rolland 43 freistehende Direktorate und fiinf Direktorate ,in doppelter Rolle' (Holland 1999: 173). ^ Weitere MaBnahmen zur Entlastung der Minister und zur Verbesserung der Koordination der Regierungsaktivitaten sind die Berufung von Staatssekretaren als politische Beamte zur Unterstutzung der Minister (ab 1947), der Ausbau des Amtes des Ministerprasidenten („Statsministerens kontor") und die verstarkte Emennung von Departementsraten als oberste administrative Fuhrungskrafte in den Ministerien zu nennen (Gr0nlie 1999). Allerdings ist Statsministerens kontor mit 54 Beschaftigten auch heute noch vergleichsweise klein (Stand 03/2004; St.prp. nr. 1 2004-05) und
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und Routineaufgaben auf Direktorate entlastet werden, um sich als politische Sekretariate auf „Policy Making" konzentrieren zu konnen (Gr0ndahl/ Gr0nlie 2004: 158). Anders gesagt sollte die strukturelle Autonomisiemng von Verwaltungsaufgaben eine bessere iibergeordnete und langfristige Steuerung der Verwaltung ermoglichen. Damit wandte sich die Regierung explizit von der bislang dominierenden Auffassung ab, dass die politische Steuerung der Verwaltung am zweckmaBigsten durch eine starke vertikale organisatorische Integration erreicht werden kann (Christensen/Roness 1999: 137). Aber wieso kam es zu diesem einschneidenden Richtungswechsel im Hinblick auf die Organisation der Zentralverwaltung? Zunachst ist darauf zu verweisen, dass die bis 1963 allein regierende Arbeiterpartei einen ausgepragten Reformwillen zur radikalen Umgestaltung der Gesellschaft hatte, der durch aktive staatliche Intervention in die Wirtschaft, den Ausbau des Wohlfahrtsstaates und die Umverteilung von Ressourcen gekennzeichnet ist (Gr0nlie 1999: 46). Reform ambitions were great, and so was the appetite for transforming the pohticoadministrative system into an efficient reform instrument. Administrative reforms were initiated and fronted by leading Labour party pohticians (Gr0ndahl/ Gr0nhe 2004: 156). Hinzu kam eine deutliche Unzufriedenheit mit der Zentralverwaltung. Diese wurde als ein durch Einzelfallentscheidungen, Regelorientierung und stark hierarchische Arbeitsweisen gepragter Apparat wahrgenommen und daher als Instrument fiir umfassende Gesellschaftsreformen als ungeeignet angesehen (Gr0ndahl/ Gr0nlie 2004: 154). Gr0nlie (1999: 53) betont zudem, dass spatestens Ende der 1940er Jahre das Scheitem des planwirtschaftlichen Steuerungssystems auBerhalb der Zentralverwaltung feststand. Damit riickte eine grundlegende Reform des bestehenden staatlichen Apparates auf der Reformagenda nach oben. Die Delegation von Aufgaben an freistehende Direktorate wurde hierbei als organisatorische Voraussetzung zur Verwirklichung einer expansiven und aktiven Wohlfahrtsstaatspolitik angesehen (Gr0ndahl 1997: 194; Gr0nlie 2001: 4345). Dariiber hinaus wird in der Literatur auch argumentiert, dass die mit der Programmatik der Arbeiterpartei verbundene Expansion des offentlichen Sektors und damit der Anzahl und Komplexitat politischer und administrativer Entscheidungen zu einer hohen Arbeitsbelastung bzw. Uberlastung der politischen Fiihrung fiihrte, was wiederum fiir eine Aufgabenauslagerung sprach (Christensen/ Roness 1999: 123). daher kaum in der Lage, eine iibergeordnete, koordinierende Funktion gegeniiber den Fachressorts ausuben.
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Im Unterschied zur eher zogerlichen Implementiemng des norwegischen Modells in der Zwischenkriegszeit wurde die neue Doktrin in breitem Umfang in die Praxis umgesetzt (Gr0nlie 2001: 45). Die hohe politische Prioritat des Umbaus der Zentralverwaltung spielte hierbei vermutlich eine gewichtige Rolle. Offentliche Kommissionen und - in den weniger kontroversen Fallen - das Rationalisierungsdirektorat bereiteten die Errichtung und Ausgliederung neuer Direktorate vor, wobei die Marschrichtung beziiglich freistehender Organisationslosungen und der Einrichtung kollegialer Organe (styre, rdd) von der politisch-administrativen Fiihrung vorgegeben wurde (Christensen/ Roness 1999: 124-125). Gr0ndahl zahlt von der Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre insgesamt elf neu errichtete Direktorate, von denen die meisten durch Ausgliederung von Aufgabenbereichen aus den Ministerien oder Autonomisierung von Direktoraten ,in doppelter Rolle' entstanden sind (Gr0ndahl 1997: 252). Rolland (1999: 173) konstatiert ein Wachstum der Anzahl der freistehenden Direktorate von 47 auf 73 im Zeitraum von 1955 bis 1975.^ Das Modell der freistehenden Direktorate kann im Ergebnis ab Mitte der 1950er Jahre als institutioneller Standard flir die Organisation der norwegischen Agencies betrachtet werden (Gr0ndahl 1997: 386). Dieser geriet erst wieder zu Beginn des neuen Jahrtausends im Zusammenhang mit den Planen zur Reform regulativer Behorden in die politische Diskussion. Die 1955 formulierte Leitlinie war bis zum Beginn der 1970er Jahre dominierend fiir die norwegische Verwaltungspolitik, verlor dann aber an Einfluss. Dies wird insbesondere am Abschlussgutachten des 1967 eingesetzten ModalsliAusschusses deutlich, welcher den Auftrag hatte, die Auswirkungen der Direktoratspolitik ab 1955 zu bewerten und Empfehlungen flir eine effektivere Zentralverwaltung und eine Entlastung der Minister abzugeben. Als auslosendes Moment fiir dessen Einsetzung gilt das sog. Kings-Bay-Ungliick im Jahre 1963 (ein Grubenunfall in einem staatlichen Unternehmen auf Svalbard), wodurch die interne Arbeitsweise des Industrieministeriums in die offentliche Aufmerksamkeit geriet und ein „aufgestauter Untersuchungsbedarf' im Hinblick auf die Zentralverwaltung zum Vorschein trat (Gr0ndahl 1997: 276). In seinem 1970 veroffentlichten Bericht schlug der Modalsli-Ausschuss - in Ubereinstimmung mit der Doktrin von 1955 - den Ausbau der Planungskapazitaten der Ministerien zur Starkung ihrer Funktion als politische Sekretariate und die Errichtung weiterer freistehender Direktorate vor (Christensen/ Roness 1999: 123). Allerdings sprach sich eine Ausschussminderheit gegen eine „One-size-fits-aH"-Fortsetzung der '^ Gmndlage fiir die Zahlen von Rolland ist die norwegische Verwaltungsdatenbank, in der alle organisatorischen Veranderungen der Zentralverwaltung ab 1947 erfasst sind (im Internet unter ).
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Direktoratspolitik nach der 1955 formulierten Blaupause aus. Begriindet wurde diese Haltung u.a. mit der Gefahr einer zu groBen Autonomie der Direktorate und der damit verbundenen Schwachung der politischen Steuerungsmoglichkeiten (Gr0ndahl 1997: 284). Die Ausschussminderheit, der auch der Vorsitzende angehorte, trat deshalb fiir eine starkere Delegation von Aufgaben an die regionale und lokale Verwaltungsebene ein (ebd.: 287). Damit zeichnete sich bereits eine Abkiihlung des norwegischen AgencyFiebers der 1950er und 1960er Jahre ab, das Christensen (2003: 164) als norwegisches Pendant der Next-Steps-Reform in GroBbritannien bezeichnet. Zu Beginn der 1970er Jahre fand nach einem Regierungswechsel zugunsten der Arbeiterpartei eine regelrechte Abrechnung mit der Verwaltungsdoktrin der fiinfziger Jahre statt (Gr0ndahl 1997: 287-318), die sich sowohl auf den Inhalt als auch die Form dieser Doktrin bezog. Gr0ndahl fiihrt diese Entwicklung auf drei voneinander abgrenzbare Entwicklungen der norwegischen Verwaltungspolitik in den siebziger Jahren zurlick. Erstens zeichnete sich eine deutliche Kritik am programmatischen Charakter der bisherigen Direktoratspolitik ab, welche das Direktoratsmodell als ,A11heilmittel' fiir die Probleme der Zentralverwaltung propagierte. Der Blaupause wurde von der Arbeiterpartei und deren Regierungen ein pragmatischer verwaltungspolitischer Ansatz gegeniibergestellt (ebd.: 315). Beispielsweise enthalt das erste Arbeitsprogramm des 1972 gegriindeten Verwaltungsministeriums sowohl das Ziel einer groBeren Flexibilitat bei der Strukturierung der Verwaltung als auch die vermehrt angestrebte Verlagerung von Aufgaben auf die regionale und lokale Ebene. Zweitens lag ein verwaltungspolitischer Schwerpunkt der 1970er Jahre auf der Starkung der Steuerungs- und Planungsfahigkeit der Ministerien, der Errichtung neuer Ministerien (Verwaltungsministerium, Umweltministerium) und von Planungsabteilungen, was von Gr0ndahl als Zentralisierungstendenz umschrieben wird (ebd.). Die Voraussetzungen hierfur sollten durch die Delegation von Aufgaben auf die regionale und die lokale Verwaltungsebene geschaffen werden (Christensen/Roness 1999: 127). SchlieBlich wurde in der verwaltungspolitischen Diskussion eine enge Verbindung zwischen dezentraler Aufgabenwahrnehmung und demokratischen Werten gezogen. Die Direktorate wurden als biirokratische, zentralistische und von Fachleuten dominierte Organisationen beschrieben. Die Dezentralisierung staatlicher Aufgaben wurde - neben der Entlastung der Ministerien - auch im Sinne einer starkeren politischen Kontrolle der Verwaltung auf lokaler Ebene gefordert. Deutlich zum Ausdruck kommt diese Neuausrichtung im 1971 von der Arbeiterpartei beschlossenen Programm „Demokratie im Alltag" („Demokrati i hverdagen"), wo eine Schwachung der Macht von Experten und der staatlichen Biiro-
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kratie zugunsten demokratisch legitimierter Organe gefordert wird (Gr0ndahl 1997: 308).*^ Die 1955 losgetretene Welle der Errichtung neuer Direktorate ebbte vor diesem Hintergrund im Verlauf der 1970er Jahre ab, die Anzahl der Direktorate ging diesem Zeitraum leicht zuruck (Rolland 1999: 204). Dennoch wurde das normative Organisationsmodell der freistehenden Direktorate nicht in Frage gestellt - sofern neue Direktorate geschaffen wurden, geschah dies nach dem schwedischen Muster (Gr0ndahl 1997: 359).
3.3 Die 1980er und 1990er Jahre: Der Staat als Unternehmer im Fokus Ab der Mitte der 1970er Jahre gerieten die Direktorate als Gegenstand der Verwaltungspolitik zunehmend aus dem Blickfeld. So zeigt sich auch spatestens seit dem Beginn der 1980er Jahre bei der Entwicklung der Direktorats-Population kein eindeutiges Bild mehr ab (Laegreid/ Roness 1998: 38). Hingegen riickte in den 1980er und vor allem den 1990er Jahren die Verlagerung von unternehmerischen Aufgaben des Staates in Organisationsformen auBerhalb der unmittelbaren Zentralverwaltung in den Mittelpunkt des verwaltungspolitischen Interesses (ebd.: 40; Gr0ndahl 1997: 385). Zudem wurden in den 1980er Jahren erstmals breit angelegte Reformprogramme fur die offentliche Verwaltung formuliert, die in erster Linie auf organisationsinteme Prozesse und weniger auf strukturelle Veranderungen der unmittelbaren Zentralverwaltung abzielten. Die bis heute grundlegendste und systematischste Untersuchung der Organisation der Zentralverwaltung wurde 1989 vom sog. Hermansen-Ausschuss vorgelegt („Ein besser organisierter Staat", NOU 1989:5). Der Ausschuss wurde 1987 von der sozialdemokratischen Regierung unter Gro Harlem Brundtland vor dem Hintergrund zahlreicher Rechtsformanderungen staatlicher Organisationen und den Forderungen einzelner Organisationen nach erweiterten Handlunsgsspielraumen eingesetzt (vgl. auch den ubemachsten Abschnitt). In seinem Bericht formuliert der Ausschuss Empfehlungen fiir einen differenzierten Gebrauch der bestehenden Rechtsformen i.S. von institutional choice unter Berticksichtigung der jeweiligen Aufgaben damit verbundenen Anforderungen (z.B. politische Einflussmoglichkeiten, Rechtssicherheit, Effektivitat und Effizienz). Dabei unterscheidet er zwischen Verwaltungsorganen im engeren Sinne, staatseigenen Untemehmen und Untemehmen mit staatlicher Beteiligung sowie Stiftungen (NOU 1989:5: 14). Die Frage nach der hierarchischen Anbindung der '° In diesem Kontext einer als unzureichend empfundenen politischen Steuerungsfahigkeit - gerade auch der Zentralverwaltung - entstand auch der Plan fiir die Durchilihrung der ersten norwegischen Machtuntersuchung {maktutredningen, 1972-1982) (Gr0ndahl 1997: 308).
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Direktorate an die Ministerien wurde durch den Ausschuss allerdings nicht problematisiert (Christensen/ Roness 1999: 131), was wiederum darauf hindeutet, dass diese - zumindest zu diesem Zeitpunkt - als geklart gait. Die 1990er Jahre werden von Gr0ndahl und Gr0nlie (2004: 183-190) als „decade of fundamental reforms" bezeichnet, die durch die Umwandlung von staatlichen Eigenbetrieben in staatliche Unternehmen - haufig mit Sonderbestimmungen fur die Einbindung von Regierung und Parlament bei gesellschaftlich wichtigen Entscheidungen, die finanzielle Verantwortung des Staates und die Rechte offentlich Beschaftigter - gekennzeichnet waren.'' Dieser Prozess der Autonomisierung offentlicher Organisationen mit kommerziellen Funktionen setzte sich Anfang des neuen Jahrtausends in der materiellen Teilprivatisierung von „Statoir' (01 und Gas) und „Telenor" weiter fort. Insgesamt gesehen nahm die Zahl der staatlichen Unternehmen zwischen 1990 und 2003 um mehr als ftinfzig Prozent von 40 auf 62 zu (Laegreid et al. 2003: 26). In diesem Zusammenhang entstanden - weiterhin als Teil der unmittelbaren Zentralverwaltung eigenstandige Aufsichts- und Regulierungsbehorden, die als single-purposeorganizations aus den staatlichen Monopolunternehmen ausgegliedert wurden.^^
3.4 Das Organisationsmodell der unahhdngigen Regulierungs- und Aufsichtshehorde Die Ausgliederung bzw. Neugriindung der norwegischen Aufsichts- und Regulierungsbehorden fand weitestgehend ohne eine explizite Diskussion iiber Status und demokratische Legitimitat der neuartigen Behorden statt (Gr0ndahl/ Gr0nlie 2004: 191). Dies anderte sich zu Beginn des neuen Jahrtausends, als die norwegischen regulatory agencies einer systematischen Betrachtung unterzogen wurden. Zum einen legte die biirgerliche Koalitionsregierung dem Parlament unter Federfiihrung des damaligen Verwaltungsministeriums im Januar 2003 eine Erklarung zu Organisation und Lokalisierung der staatlichen Aufsichts- und Regulierungsbehorden vor (St.meld. nr. 17 2002-03). Darin werden verschiedene Ansatze einer strukturellen und prozeduralen Verselbstandigung von Aufsichtsbehorden erortert und schlieBlich Vorschlage fiir (Re-)Organisation und Lokalisierung einzelner Behorden gemacht, die im Ergebnis auf einen institutionellen Bruch mit dem klassischen Direktoratsmodell hinauslaufen. Dabei legt die Re" Hier ist etwa die 1994 erfolgte Umwandlung des Eigenbetriebes „Televerket" in die Aktiengesellschaft Telenor zu nennen (Telekommunikation). '" Hierzu zahlen u.a. „Statens Teleforvaltning" (1986, Telekommunikation), „Jembanetilsynet" (1996, Eisenbahn), „Post- og Teletilsynet" (1997, Post und Telekommunikation) und „Luftfartstilsynet" (2000, Luftfahrt).
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gierung ein breites Begriffsverstandnis von Aufsichts- und Regulierungsbehorden zugrunde, das auf die „Uberwachung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften durch private und offentliche Akteure" rekurriert (ebd.). Hierunter werden auch solche Organisationen subsumiert, deren Portfolio auch andere Aufgaben bzw. Funktionen umfasst, etwa die StraBenverkehrsverwaltung („Statens Vegvesen"), welche sowohl Planungsfunktionen im StraBenbau als auch Aufgaben im Bereich der Verkehrssicherheit (z.B. Uberwachung von LKWVerkehr) ausiibt. Auch sind sowohl Behorden der Markt- als auch der sozialen Oder Risikoregulierung Gegenstand des Papiers (siehe Czada/ Llitz 2003; Dohler 2006).^^ Zudem veroffentlichte die OECD im Juni des gleichen Jahres einen Bericht zur regulativen Politik in Norwegen, in dem die Reformvorschlage der Regierung durchweg begriiBt werden (OECD 2003). Die folgenden Ausfiihrungen beziehen sich daher iiberwiegend auf das Regierungspapier.'"^ Dort wird argumentiert, dass Grlindung und Ausgliederung von Aufsichtsbehorden auf der Grundlage pragmatischer Ad-hoc-Entscheidungen geschehen sei, was zu einer uniibersichtlichen und komplizierten Aufsichtsstruktur gefiihrt habe (St.meld. nr. 17 2002-03: 8). Diese Behorden erfiillten zwar ihre Funktionen innerhalb der gegenwartigen Rahmenbedingungen auBerordentlich gut, eine Anpassung an zukiinftige Herausforderungen sei aber unbedingt erforderlich, etwa im Hinblick auf die Anforderungen der Europaischen Union an nationale Regulierungsbehorden in liberalisierten Sektoren (ebd.; St.forh. 2002-03).^^ Daran anknlipfend werden eine klar abgegrenzte Rolle der Aufsichtsbehorden, klare und deutliche Ziele und erhohte Unabhangigkeit der Agencies von den Ministerien als MaBstabe fiir die Organisation der Aufsichtsbehorden genannt. Zunachst wird die haufig vorkommende Vermischung unterschiedlicher funktionaler Rollen innerhalb ein und derselben Behorde kritisiert. Zur Vermeidung von Rollenkonflikten wird deshalb eine strikte organisatorische Trennung der staatlichen Aufsichtsaufgaben von anderen Aufgaben wie z.B. der Ausubung von Dienstleistungen angestrebt (St.meld. nr. 17 2002-03: 13). In eine ahnliche Richtung geht die Vorstellung von klaren und eindeutigen Zielen fiir die Aufsichtsbehorden. Abwagungen zwischen unterschiedlichen Zielsetzungen seien haufig politischer Natur und sollten aus diesem Grund nicht '"* Im Bereich der Marktregulierung sind u.a. „Konkurransetilsynet" (allgemeine Wettbewerbsbehorde) und „Post- og teletilsynet" (Regulierungsbehorde fur Post und Telekommunikation) zu nennen. '•^ In dem OECD-Bericht werden u.a. auch eine Begrenzung der Amtszeit der Agency-Direktoren, die Einrichtung von ,boards' und eine verbesserte Berichterstattung an das Parlament angeregt (OECD 2003: 133). '^ Norwegen ist kein MitgHedsstaat der Europaischen Union - die Bevolkerung hat sich in bisher zwei Referenden gegen einen Beitritt ausgesprochen (1972 und 1994). Allerdings ist das Land iiber das seit 1994 bestehende Abkommen iiber den Europaischen Wirtschaftsraum (EWR) am europaischen Binnenmarkt beteiligt.
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innerhalb der Aufsichtsbehorden vorgenommen werden (ebd). Die Steuerung der ,neuen' Agencies soil sich an einer strikten Trennung von policy und operations orientieren. Demnach wiirde sich die Rolle der Ministerien darauf beschranken, generelle Richtlinien, inhaltliche Prioritaten und Qualitatsstandards sowie die finanziellen Rahmenbedingungen fiir die Aufsichtsbehorden festzulegen (ebd.)Als konkrete MaBnahmen strebt die Regierung fiir mehrere Agencies (1) die Aufhebung der Weisungsbefugnis des Fachministers/der Fachministerin, (2) die Errichtung unabhangiger Widerspruchskomitees und (3) eine Relokalisierung mehrer Direktorate auBerhalb der Hauptstadtregion an. 1.
Als besonders deutliche MaBnahme zur fachlichen Autonomisierung der Aufsichtsbehorden soil It. Regierungspapier die Aufhebung der einzelfallbezogenen Weisungsbefugnis des Fachministers/der Fachministerin als generelles Organisationsprinzip angestrebt werden. Eine solche gesetzlich verankerte Eingriffsbarriere fiihre im Ergebnis dazu, dass das Ministerium eine Entscheidung der Behorde vor deren abschlieBender Bearbeitung nicht beeinflussen kann (ebd.). Begriindet wird dies damit, dass bei Verwaltungsentscheidungen haufig nicht deutlich sei, ob diese auf der Grundlage fachlicher Erwagungen getroffen wurden, oder ob politische Rationalitaten ausschlaggebend waren. Aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht miisse deutlich werden, wer eine Entscheidung getroffen hat, zudem haufig auch in der Verwaltung ,politische' Entscheidungen getroffen werden, gerade auch bei der Implementation regulativer Politik (siehe Bohne/ Hucke 1980). Das klassische norwegische Verwaltungsmodell, in dem der Minister/die Ministerin hierarchische Eingriffmoglichkeiten besitzt und das Ministerium zugleich Widerspruchsinstanz fiir Entscheidungen der Aufsichtsbehorde ist, soil demnach von einem Organisationsmodell abgelost werden, das bislang eher als Ausnahmefall gilt. Politische Einflussmoglichkeiten sollen dadurch gesichert bleiben, dass Entscheidungen der Aufsichtsbehorden durch Regierungsbeschluss aufgehoben bzw. abgeandert werden konnen. Hierdurch soil eine besonders griindliche Vorbereitung und Dokumentation des Beschlusses erreicht werden (ebd.).
2.
Dariiber hinaus sollen Widerspriiche der Adressaten gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehorden - statt wie bisher durch das Ministerium - von unabhangigen Widerspruchsgremien (klagenemnd) behandelt werden, die zudem jeweils fiir mehrere Aufsichtsbehorden gemeinsam etabliert werden sollen (ebd.). Auch die Entscheidungen dieser fiir einige Bereiche bereits bestehenden Gremien sollen durch einen Regierungsbeschluss abgeandert werden konnen.
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SchlieBlich strebt die Regierung die Verlagerung mehrere Aufsichtsbehorden aus dem GroBraum Oslo in peripherere Landesteile an, was in der offentlichen und parlamentarischen Debatte breit diskutiert wurde. Insbesondere die betroffenen Behorden, aber auch Parlamentsvertreter aus der OsloRegion und Lokalpolitiker kritisierten diese Vorschlage heftig (Hommen 2003b: 26).^^ Neben distriktspolitischen Zielsetzungen wie der Verteilung von offentlichen Arbeitsplatzen auf das gesamte Staatsgebiet argumentiert die Regierung, dass durch einen groBeren geographischen bzw. physischen Abstand zwischen Ministerien und Agencies eine groBere Autonomic der Behorden erreicht werden kann (siehe Egeberg 2003).
In der Diskussion, die auf die Verabschiedung der Regierungserklarung folgte, traten die Vorschlage zur Aufhebung des Weisungsrechts und zu den Widerspruchsausschiissen fast vollstandig hinter die geographische Dimension der Relokalisierung mehrerer Agencies zurlick (Hommen 2003b: 17). Im Ergebnis des parlamentarischen Verfahrens votierte der Storting zugunsten der Verlagerung von insgesamt sieben Aufsichtsbehorden und folgte damit dem Beschlussvorschlag des zustandigen Parlamentsausschusses (Innst. S. nr. 222; St.forh. 2002-03).^^ Dort wurde zwischen den Regierungsparteien sowie Arbeiterpartei und Sozialistischer Linkspartei vereinbart, dass iiber Einschrankungen der ministeriellen Weisungsbefugnis jeweils in Bezug auf einzelne Aufsichtsbehorden entschieden werden soil. Die Vertreter dieser beiden Oppositionsparteien standen in der parlamentarischen Debatte einer groBeren formalen Unabhangigkeit der Agencies besonders kritisch gegeniiber und betonten die Wichtigkeit politischer Eingriffmoglichkeiten. Die Aufsichtsbehorden verfiigten oft liber eine beachtliche faktische Unabhangigkeit von den jeweiligen Ministerien, was sich auch darin auBere, das letztere von ihrem Weisungsrecht in der Praxis nur auBerst selten Gebrauch machen (Innst. S. nr. 222, 2002-03). Nach Auffassung des federfiihrenden Ministers sei dies allerdings darauf zurlickzufuhren, dass die Agencies das Weisungsrecht des Ministers bei der Entscheidungsfindung antizipieren (St.forh. 2002-03). Dieser Argumentation liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Behorden in starkerem MaBe fachlich-professionelle Entscheidungskri-
'^ Die Behorden argumentierten u.a. mit drohendem Kompetenzverlust, da nur wenige Beschaftigte zu einem Umzug bereit seien, den damit verbundenen Folgen fiir die Aufrechterhaltung des Sicherheitsniveaus (z.B. in der Luftfahrt) und der Notwendigkeit eines engen Kontaktnetzwerkes zwischen Aufsichtsobjekten, -subjekten und anderen Behorden (Hommen 2003b: 27). '^ Dariiber hinaus wurde auch die Griindung einer neuen Agency auBerhalb der Hauptstadtregion beschlossen („Petroleumtilsynet" in Stavanger).
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terien heranziehen wlirden, wenn es zu einer Aufhebung bzw. Einschrankung der ministeriellen Weisungsbefugnis kame. Regierungsparteien und Opposition vereinbarten ebenfalls, dass in der aktuellen Legislaturperiode keine unabhangigen Widerspruchsgremien eingerichtet werden sollen (Hommen 2003b: 33; Innst. S. nr. 222 2002-03). Somit wurde der Entwurf der Regierung zur Autonomisierung der Aufsichtsbehorden im parlamentarischen Verfahren auf die Standortfrage zuriickgestutzt (Hommen 2003b: 36) und die Reformen der hierarchischen Beziehungen zwischen Ministerien und Aufsichtsbehorden vertagt.
3.5 Kontinuitdt und Wandel der norwegischen Agency-Landschaft Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die norwegischen Direktorate - ganz im Gegensatz zur Bundesverwaltung in Deutschland (Dohler, in diesem Band) - als verwaltungspolitisch relevante Gruppe von Organisationen betrachtet werden, deren Organisation und Steuerung mitunter heftig umstritten war. Nachdem zwischen 1955 und dem Anfang der 1970er Jahre ein politisch gewolltes Wachstum unabhangiger Agencies stattfand, gilt etwa ab der zweiten Halfte der 1970er Jahre das Modell der freistehenden Direktorate als implizite Standardlosung fiir die vertikale Organisation der Zentralverwaltung. Die Zahl der Direktorate stieg ab dem Ende der 1950er Jahre (ca. 50 Agencies) - abgesehen von einem leichten Ruckgang in den 1970er Jahren - bis 1991 stetig auf 82 an. AnschlieBend ist eine schrittweise Abnahme auf 59 Direktorate im Jahre 2004 festzustellen (Modemiseringsdepartementet 2004: 36), die iiberwiegend auf eine Reihe von Fusionen zwischen Agencies zuriickzufiihren ist (Laegreid et al. 2003: 30). Dariiber hinaus kann seit den 1980er Jahren eine Zunahme von politikfemen Organisationsformen bei der Wahmehmung untemehmerischer Aufgaben konstatiert werden. In den 1990er Jahren begann im Zusammenhang mit dem einsetzenden Liberalisierungsprozess ein emergenter, sektoral dominierter Wandel bei der Organisation von Kontroll- und Regulierungsaufgaben, der nach dem Willen der zu Beginn des neuen Jahrtausends amtierenden Regierung in starkerem MaBe gelenkt werden soil. Die Regierungserklarung zur Organisation der Regulierungsund Aufsichtsbehorden enthalt eine grundlegende Diskussion von Organisationsprinzipien und entwirft ein vom klassischen Direktoratsmodell von 1955 abweichendes Idealmodell fiir die Organisation von Aufsichtsbehorden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die konkreten Reformvorschlage eher pragmatisch und selektiv. Beispielsweise sollen einige Agencies zusammengelegt, wahrend andere verlagert werden sollen, und einige vollig ,verschont' bleiben (Hommen 2003b: 43). Allerdings ist derzeit noch nicht absehbar, ob diese Politik
Tobias Bach von der seit Herbst 2005 amtierenden Koalitionsregierung unter Jens Stoltenberg (Arbeiterpartei) fortgefiihrt wird. Gerade vor dem Hintergrund einer sehr skeptischen Haltung der Koalitionsparteien hinsichtlich einer Einschrankung der ministeriellen Weisungsbefugnis erscheint dies eher fraglich.
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„Manageinent-Autonomic" durch Haushaltsreformen
Die Diskussion zur hierarchischen Position der Regulierungs- und Aufsichtsbehorden gegenliber den Ministerien konzentriert sich in erster Linie auf die Dimension der policy autonomy. Anders formuliert geht es dabei urn den ministeriellen Einfluss auf den Output der Regulierungsbehorden i.S. von Einzelentscheidungen. Im Unterschied hierzu stehen bei der management autonomy die Freiraume der Agencies im Umgang mit ihren Ressourcen im Mittelpunkt (Verhoest et al. 2004). Die Erweiterung der management autonomy offentlicher Organisationen kann in die privatwirtschaftlich inspirierte Debatte um die Umgestaltung des offentlichen Sektors a la New Public Management eingeordnet werden (Hustedt, in diesem Band). Demnach bewirkt ein erweiterter operativer Handlungsspielraum im Hinblick auf finanzielle Ressourcen, Personal, Organisation Oder Beschaffung eine hohere Effizienz des Verwaltungshandelns (Hood 1991). Die Ausweitung der management autonomy kam in den 1980er Jahren auf die verwaltungspolitische Agenda. Insbesondere forderte eine Reihe nachgeordneter Behorden mehr lokale Autonomic und groBerer Flexibilitat (Lsegreid und Roness 1998: 30). Das offentliche Haushalts- und Dienstrecht, aber auch Richtlinien der jeweils iibergeordneten Ministerien und des Finanzministeriums schrankten nach Auffassung von Behordenleitern und Beschaftigtenvertretern die organisatorische Handlungsfahigkeit deutlich ein (NOU 1989:5: 127). In einem 1983 von zwolf Leitern nachgeordneter Einrichtungen verfassten Brief an das Finanzministerium beklagten diese, dass fiir eine effiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen die entsprechenden Anreize fehlten, was 1983 mafigeblich zur Einsetzung des sog. Haga-Ausschusses beitrug (NOU 1984:23: 5; Interview mit der Abteilungsleiterin flir Steuerung und Ergebnisorientierung von Statskonsult am 14.10.2004). In Ubereinstimmung mit einer Grundsatzentscheidung der damaligen Regierung empfahl dieses Gremium eine deutlichere politische Prioritatensetzung durch die Benennung von Zielen und Resultaten in den Haushaltsdokumenten sowie mehr Autonomic beim Umgang mit finanziellen Ressourcen (Helgesen 2001: 60; NOU 1984:23: 10). Einige dieser Vorschlage wurden Mitte der 1980er Jahre im Rahmen einer Haushaltsreform umgesetzt, weitere Reformen folgten Ende der 1980er und zu
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Beginn der 1990er Jahre (Stokke 1993). Hierbei handelt es sich ganz iiberwiegend um Ausnahmen von den klassischen Haushaltsprinzipien (z.B. Jahrlichkeitsgrundsatz, fehlende gegenseitige Deckungsfahigkeit von Haushaltstiteln). In der praktischen Umsetzung dieser Reformen wurde deutlich, dass vor allem die Moglichkeiten zur gegenseitigen Deckung von Verwaltungs- und Personalbudgets, zur Nutzung von Verwaltungsmitteln fiir Investitionen sowie zur Uberschreitung des Verwaltungsbudgets (um maximal zwei Prozent) gegen entsprechende Mehreinnahmen genutzt werden (0msrud 2002: 10). Mit der Abschaffung des Stellenplans und der damit verbundenen Zusammenlegung von Personal- und Verwaltungsausgaben in einem einzigen Haushaltsposten sowie der Einfiihrung der Rahmenbudgetierung bei der Erstellung des Haushaltes wurde die Mitte der 1980er Jahre begonnene Flexibilisierung des Haushaltsrechts 1997 fortgesetzt (Christensen et al. 2002a: 69-70; Statskonsult 1999a: 22-24). Im diesem Zusammenhang wurde immer auch die Notwendigkeit einer verstarkten Ausrichtung des Verwaltungshandelns an Zielen und Ergebnissen betont. Die MaBnahmen zur Erhohung der politischen Prioritatensetzung - dazu mehr im folgenden Abschnitt - stehen gerade bei der Umsetzung der Haushaltsreformen aber im Schatten der management autonomy (0msrud 2002). So deuten mehrere Fallstudien darauf bin, dass die administrativen Vollmachten ausgenutzt und als ausreichend empfunden werden, wahrend das performance management eher zogerlich implementiert wurde (ebd.; Statskonsult 1999a). Eine mogliche Erklarung hierfur liegt in den unterschiedlichen Reformstrukturen. Die Umsetzung der Haushaltsflexibilisierung lag in den Handen des Finanzministeriums, das den Reformprozess durch entsprechende ressortiibergreifende Richtlinien begleitete. Demgegeniiber oblag die Einfiihrung der (zunachst auf den Haushalt bezogenen) Ziel- und Resultatsteuerung dem Verwaltungsministerium und Statskonsult, die auf eine dezentrale Formulierung von Zielen innerhalb der Ressorts setzten und nicht iiber die gleichen verbindlichen Handlungsinstrumente wie das Finanzministerium verfugten (0rnsrud 2000: 87-88). Als Fazit kann somit festgehalten werden, dass das Haushaltsrecht innerhalb der vergangenen 15-20 Jahre deutlich gelockert wurde und Einzelentscheidungen von den Ministerien auf die Direktorate verlagert wurden (Christensen/ Laegreid 2002: 173; Laegreid/ Roness 1998: 41; Statskonsult 1999a: 44; Interview). Dennoch gilt fiir die norwegischen Agencies weiterhin ein einheitliches Haushaltsund Tarifrecht sowie das Verwaltungs- und das Informationsfreiheitsgesetz (Laegreid et al. 2003: 18). Die Erweiterung der operativen Handlungsspielraume fmdet innerhalb eines einheitlichen Rahmens statt, der von den einzelnen Agencies und den Ministerien - die entsprechende Kompetenzen z.T. delegieren miissen - unterschiedlich stark ausgenutzt werden kann. Inwieweit dies geschieht, hangt u.a. von Kapazitat und Kompetenz der Agencies und der Nutzung von
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performance management als Kontrollmechanismus durch die iibergeordneten Ministerien ab (Laegreid/ Roness 1998: 46).
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Ziel- und Resultatsteuerung - das norwegische performance management
Sieht man von den fehlgeschlagenen Versuchen der Programmbudgetierung der 1970er Jahren einmal ab, wurde der Grundstein fiir die Einfiihrung von performance management in der norwegischen Zentralverwaltung vom schon erwahnten Haga-Ausschuss gelegt. Dieser regte an, als Gegengewicht zu den erweiterten operativen Freiheiten der Verwaltung auch die zu erreichenden Ergebnisse des Verwaltungshandelns in die Haushaltsdokumente aufzunehmen (NOU 1984:23). Die Uberlegungen der Haga-Kommission spiegelten somit die internationale Reformdebatte der 1980er Jahre wider; angestrebt wurde mehr Effektivital, mehr Markt und mehr Management. Besonders deutlich wird dies an den vier von der Kommission aufgestellten Leitlinien, namlich (1) der Steuerung staatlicher Einrichtungen durch Ziele und die Festlegung der finanziellen Rahmenbedingungen, (2) Zuriickhaltung zentraler Instanzen bei der Detailsteuerung im Hinblick auf das ,wie' der Zielerreichung, (3) Nutzung von Wettbewerbs- und Anreizmitteln und schlieBlich (4) Entwicklung ergebnisorientierter Haushaltsund Steuerungssysteme innerhalb der einzelnen Einrichtungen (ebd.). Andererseits trug auch eine zunehmend wahrgenommene Machtlosigkeit der Politik gegeniiber einer ausdifferenzierten Verwaltung und organisierten Interessen maBgeblich zu einem Ruf nach ,mehr Politik' in der Zentralverwaltung bei (Gr0ndahl/ Gr0nlie 2004: 178). Die verwaltungspolitische StoBrichtung (Ergebnisorientierung, Rahmensteuerung) muss demnach auch im Lichte der politischen Rezeption der ersten Machtuntersuchung gesehen werden, wonach Detailsteuerung und die ausgepragte Sektoralisierung der Verwaltung die groBen Linien der Politik zunehmend verdrange (Lind 1999: 312).
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5.7 Haushaltsreform und Vorhabenplanung: Viele Ziele, wenige Ergebnisse? Im Rahmen der Haushaltsreform, welche an die Vorschlage der HagaKommission ankniipfte, wurde die Angabe von angestrebten und bisher erreichten Ergebnissen in den Haushaltsentwiirfen 1985 in die norwegische Haushaltsordnung (,3evilgningsreglement") aufgenommen. Ziel- und Resultatsteuerung (ZRS) wurde damit zu einem formal verbindlichen Steuerungsprinzip der offentlichen Verwaltung. Eine interorganisatorische Steuerung zwischen Ministerien und Agencies i.S. won performance contracting, also „some form of performance target setting, monitoring and reporting'' (Talbot 2004: 6), war jedoch nicht Gegenstand dieser Reform.'^ Der Haga-Ausschuss empfahl aber bspw. die EinfUhrung von organisationsinternen Vorhabenplanen {virksomhetsplaner) und betonte die Bedeutung eines regelmaBigen Dialogs zwischen den beiden Ebenen (NOU 1984:23). Die Empfehlungen des Haga-Ausschusses wurden 1986 von der biirgerlichen Koalitionsregierung unter Ministerprasident Kare Willoch in einem Reformprogramm fiir den offentlichen Sektor („Programm zur Modemisierung der staatlichen Verwaltung") aufgegriffen. Dort wurden hauptsachlich schon laufende Oder in der Planung befindliche MaBnahmen zur Burgerorientierung, Deregulierung und zur (vorsichtigen) Privatisierung staatlicher Leistungserbringung zusammengefasst (Lind 1999: 307-312). Ubergeordnetes Programmziel war die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns, was durch eine starkere Ergebnisorientierung und ,Rahmensteuerung' der Verwaltung erreicht werden sollte. Einerseits sollten die einzelnen Organisationen mehr Handlungsfreiheit bekommen, andererseits sollte hierdurch die politische Steuerung der Verwaltung gestarkt werden (ebd.). Eine schwachere Kontrolle von Input und Prozessen soil demnach mit einer starkeren zentralen Kontrolle des Verwaltungsoutput einhergehen, was auch als , Paradox der Autonomisierung' bezeichnet werden kann (Verhoest et al. 2004). Durch die BUndelung unterschiedlicher Reformansatze in einem Dokument sollte Verwaltungspolitik ein starkeres politisches Gewicht bekommen - eine Vorgehensweise, die unmittelbar am danischen Reformprogramm von 1982 angelehnt war.^^ Nach einem Regierungswechsel im gleichen Jahr beschloss auch die Nachfolgeregierung unter Gro Harlem Brundtland (Arbeiterpartei) ein *' ^ Die Haushaltsreform bezog sich in erster Linie auf das Verhaltnis von Storting und Regierung, etwa im Hinblick auf die Ergebnisberichterstattung in den Haushaltsentwiirfen. *' ^ Nach Aussage eines Zeitzeugen bekam die fiir Reformen zustandige Planungs- und Datenabteilung im Ministerium fiir Verbraucher und Verwaltung das danische Reformprogramm von der Ministerin „auf den Tisch gelegt mit der Frage, ob man nicht in Norwegen auch etwas Ahnliches durchfiihren sollte" (Lind 1999: 318).
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Reformprogramm unter dem Titel ,J)er neue Staat" (Administrasjonsdepartementet 1987), das in wesentlichen Teilen die Vorschlage der Vorgangerregierung aufnahm.^^ Dort wird die im Haga-Bericht vorgezeichnete neue Steuerungslogik emeut aufgegriffen und zudem auf die interorganisatorische Steuerung ausgedehnt: Die staatlichen Einrichtungen sollen in zunehmendem MaBe Ziele und Teilziele in Zusammenarbeit mit den zentralen Behorden formulieren, iiber erzielte Resultate Bericht erstatten und Vorhabenplane ausarbeiten. (ebd.: 7) Im Ergebnis war die Einfiihrung der (organisationsinternen) Vorhabenplanung in alien staatlichen Einrichtungen bis Ende 1990 die einzige verpflichtende MaBnahme, die auf der Grundlage dieses Reformprogramms beschlossen wurde (Laegreid 2001: 137). Bei der Umsetzung der Vorhabenplanung in die Praxis war Statskonsult, das Direktorat fiir Verwaltungsreformen, der wichtigste Akteur. Bis Ende 1990 batten 80% aller staatlichen Einrichtungen, die auf eine schriftliche Befragung durch Statskonsult antworteten, einen Vorhabenplan erstellt (Statskonsult 1991). Ein maBgeblich an der Ausarbeitung des Konzepts der Vorhabenplanung beteiligter Akteur bemerkte jedoch, dass viele Einrichtungen eher mit der Erstellung des Dokuments als mit substantieller Planung beschaftigt waren (Haugli Nilsen 1991: 42). Die ergebnisorientierte Steuerung durch iibergeordnete Behorden war zudem nur schwach ausgepragt, und die Aufgabenplane wurden nicht zur Steuerung der nachgeordneten Einrichtungen benutzt (ebd.: 33). Die Fokussierung des Konzepts auf die Erstellung von Zielhierarchien gilt als wichtige Ursache fiir den begrenzten praktischen Wert der Aufgabenplane, was eine Interviewpartnerin wie folgt formulierte: Ein Teil dessen, was bei der Ziel- und Resultatsteuerung und somit auch bei der Vorhabenplanung nicht klappte, waren die Zielhierarchien. Als wird uns in den 1990em damit beschaftigten (...) reichten die Blatter nicht aus, wir mussten sie zusammenkleben und alles sollte mit allem zusammenhangen. Das waren mindestens vier bis fiinf Ebenen (Interview Statskonsult).
~^ Allerdings werden in den Programmen unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Arbeitsteilung zwischen offentlichem und privaten Sektor vertreten. Wahrend die Willoch-Regierung eine moderate Privatisierungspolitik beabsichtigte, strebte die Brundtland-Regierung die Aufrechterhaltung und Effektivisierung des offentlichen Sektors an (Lind 1999: 323).
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5.2 Neuorientierung der Verwaltungspolitik: Von Zielen zu Ergebnissen Die technokratische Umsetzung der Vorhabenplanung sowie die oben angedeutete Zurtickhaltung der Ministerien und Behorden bei der Zielformulierung und Berichterstattung im Haushalt waren vermutlich ausschlaggebend flir die inhaltliche und organisatorische Neuausrichtung der norwegischen Verwaltungspolitik in der ersten Halfte der 1990er. Im Finanzministerium wurde 1991/92 eine Sektion fur Haushalts- und Wirtschaftsfuhrung aufgebaut, zu deren Aufgaben auch die Weiterentwicklung der Zielformulierung und Berichterstattung im Haushalt gehorte (Helgesen 2001: 62). Dies ist in Verbindung mit einer von diesem Ministerium initiierten Grundsatzentscheidung der Regierung zu sehen. Hiemach sollen ab 1994 im jahrlichen Haushalt fiir alle wichtigen Aufgaben Resultatziele, also Output- und Outcome-Ziele formuliert werden. Darliber hinaus sollen die Ministerien ihre Systeme zur Ergebnismessung und Berichterstattung iiberpriifen und ausbauen (St.prp. nr. 1 1992-93: 27-28). Bei der Begleitung dieses Prozesses sollte das Finanzministerium eine aktive Rolle einnehmen (Helgesen 2001: 63). Zwei Jahre spater konkretisierte das Finanzministerium diese Anforderungen im Rahmen einer verbindlichen Richtlinie fiir die interorganisatorische Steuerung mit ergebnisbezogenen Kontrakten. Im Ergebnis konnte das Finanzministerium seit Beginn der 1990er Jahre aus dem Schatten der bisher dominierenden Akteure Statskonsult und Verwaltungsministerium treten (siehe hierzu Christensen/ Laegreid 2002: 134-135; Helgesen 2001; Lassen 1997: 5). In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff ,Zielsteuerung' zunehmend durch ,Resultatsteuerung' abgelost. Die Verbindung von Steuerungssystem und Verwaltungspraxis i.S. von Ergebnismessung, Berichten, Analyse und aktiver Nutzung der Informationen auf der Ftihrungsebene sollte hierdurch in den Mittelpunkt der Reformbemiihungen geriickt werden (Haugli Nilsen 1994: 4). Ruft man sich die groBen Schwierigkeiten bei der Implementation der Zielsteuerung ins Gedachtnis, konnte die Neuausrichtung damit erklart werden, dass letztlich das Steuerungsmodell an die Anforderungen der Praxis angepasst wurde, wo die Formulierung eindeutiger, widerspruchsfreier und operationalisierbarer Ziele mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Darliber hinaus fiihrte die Rezeption des „Performance management"Gedankens im norwegischen Rechnungshof („Riksrevisjonen") zu einer zusatzlichen institutionellen Verankerung der neuen Steuerung. Einerseits veroffentlicht der Rechnungshof seit 1993 neben den klassischen Priifberichten auch performance audits, die in zunehmendem MaBe von den parlamentarischen Ausschiissen aufgegriffen wurden. Andererseits wurde 1996 eine Abteilung fiir Verwaltungsrevision aufgebaut, welche im Unterschied zum input-orientierten Ansatz die effiziente Umsetzung von Parlamentsbeschllissen durch die Verwaltung und
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die Erreichung der politischen Zielsetzungen iiberpriifen soil (Christensen et al. 2002b: 45). Unter anderem fiihrte die teilweise drastische Kritik des Rechnungshofes am Finanzmanagement der Ministerien dazu, dass das „0konomistyringsreglement" (Regierungsverordnung zur Haushalts- und Wirtschaftsfiihrung) und die dazugehorigen Ausfuhrungsbestimmungen durch das Finanzministerium uberarbeitet wurden (Helgesen 2001: 65; Interview Statskonsult). Dabei wurde auch ein kontraktahnliches Steuerungssystem institutionalisiert, worauf im Folgenden eingegangen wird.
5.3 Die Elemente der interorganisatorischen Steuerung Mit dem unter der Federfiihrung des Finanzministeriums erarbeiteten 0konomistyringsreglement wurde 1996 ein System der ergebnisorientierten, interorganisatorischen Steuerung fiir alle staatlichen Einrichtungen verbindlich eingefuhrt (Finansdepartementet 2003b, 2003a).^^ Dieses besteht aus den vier Hauptelementen (1) Steuerungsdialog, (2) Zuteilungsbrief, (3) Berichte und (4) systematische Nutzung der Informationen durch das Ministerium. Neben der ergebnisorientierten Steuerung als zentralem Prinzip wird auch die Anpassung der Steuerung an das Steuerungsobjekt betont. Gerade die Ministerien werden dadurch aufgefordert, ihren Steuerungsbedarf auf ihre - oft sehr unterschiedlichen - nachgeordneten Einrichtungen anzupassen zu definieren und daran ihre Steuerungspraxis auszurichten (Statskonsult 2004). 1.
Als Steuerungsdialog wird im 0konomistyringsreglement der formale Rahmen des interorganisatorischen Steuerungsprozesses bezeichnet, in dem u.a. Ziele, angestrebte Ergebnisse sowie fmanzielle und rechthche Rahmenbedingungen vom Ministerium an eine Agency vermittelt werden. Letztere berichtet wiederum an das Ministerium. Im Einzelnen geht es hierbei um die - vom Ministerium in Absprache mit der jeweiligen Agency festzusetzenden - Steuerungsdokumente, Haufigkeit und Gegenstand von Steuerungsbesprechungen {etatstyringsm0ter) zwischen Vertretem der beiden Verwaltungsebenen und Berichtspflichten der Agency gegeniiber dem Ministerium. Die Bezeichnung ,Dialog' verdeutlicht, dass der Steuerungsprozess nicht top-down verlaufen soil: Die nachgeordneten Einrichtungen sol-
^' Auch die Vorhabenplanung ist im 0konomistyringsreglement rechtlich verankert worden. Demnach mussen alle Einrichtungen mit ein- und mehijahriger Perspektive die Erreichung und Umsetzung von Zielen und angestrebten Ergebnissen planen, diese Plane durchfiihren und schlieBlich intern und an die ubergeordnete Behorde berichten.
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len die Moglichkeit erhalten, ihre Auffassung zu Zielen, Ergebniskriterien und Indikatoren zur Sprache zu bringen (Christensen/ Laegreid 2002: 172). Offensichtlich haben regelmaBige Besprechungen zwischen Ministerien und Agencies - wenn auch in unterschiedlicher Haufigkeit - Eingang in die Verwaltungspraxis gefunden (Interview Statskonsult). Gegenstand dieser Besprechungen sind neben den erzielten Ergebnissen und der Performanz der Behorde auch finanzielle und administrative Themen, wahrend inhaltliche Diskussionen von vergleichsweise geringer Bedeutung sind (Laegreid et al. 2005a: 23). Dabei stellt sich die Frage, welche Akteure am Steuerungsdialog beteiligt sind? Als ein wichtiger Grund flir die Institutionalisierung des Dialogs gilt die Beobachtung, dass die interorganisatorische Steuerung haufig unstrukturiert ablief und oft nicht auf der Fiihrungsebene verankert war (Interview Statskonsult). Idealerweise werden Ziele und Anspruchsniveaus von der politischen Fiihrung (Minister, Staatssekretare, politische Ratgeber) formuliert und dann immer mehr heruntergebrochen und operationalisiert. Dieser Prozess setzt eine aktive Teilnahme der politischen Fiihrung am Steuerungsdialog voraus - was in der Praxis aber nur in Ausnahmefallen geschieht (Christensen/ Laegreid 2002: 158). Nicht die Politiker, sondern die Fiihrungskrafte in den Ministerien haben durch Ziel- und Resultatsteuerung eine wichtigere Rolle bei der interorganisatorischen Steuerung bekommen (Christensen/ Laegreid 1998: 133; Olsen 1996: 197). Die neue Steuerungslogik ist also eine „administrative Steuerungslogik", die in einem Spannungsverhaltnis zur „politischen Logik" steht (Christensen/ Laegreid 2002: 169). Klare und widerspruchsfreie Ziele, die auf strategischer Ebene die Verwaltung programmieren, liegen demnach nicht im Interesse von Politikern, die Ziele zur Vermeidung spaterer Riickfragen lieber schwammig formulieren und sich liber Detailfragen profilieren mochten. Dariiber hinaus deutet einiges darauf hin, dass die Vorhabenplane der Agencies haufig Ausgangspunkt des Steuerungsprozesses sind und die Ausarbeitung von Zielen und Indikatoren bottom-up in einem kooperativen Prozess zwischen Ministerium und Agencies geschieht (Laegreid et al. 2005a; 0rnsrud 2002). Die Behorden spielen demnach bei der Ausarbeitung der Steuerungsdokumente eine entscheidende Rolle, der Dialog mit dem Ministerium ist weniger hierarchisch, als es das Modell vielleicht vermuten lasst. 2.
In der Agency-Literatur nehmen Kontrakte i.S. von Vereinbarungen zwischen Ministerien und Agencies eine prominente Rolle ein (Greve 2000; Jann 1999; Talbot 2004). Das norwegische Pendant zum performance contract ist der sog. Zuteilungsbrief (tildelingsbrev), der als wichtigstes Instrument der interorganisatorischen Steuerung gilt (Statskonsult 1999b). Bis
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Tobias Bach Anfang der 1990er Jahre informierten die Ministerien mit Hilfe dieses Dokuments ihre nachgeordneten Behorden schlicht uber die verfugbaren Haushaltsmittel und Stellen, wobei dem Brief keine Steuemngsfunktion im Hinblick auf die fachlichen Aufgaben der Agencies zukam (Statskonsult 1999a: 48). Im Zusammenhang mit der verstarkten Fokussierung auf Zielund Resultatsteuerung wurde dieser zunehmend als Instrument zur Steuerung nachgeordneter Behorden verstanden (Statskonsult 1994).^^ Laut 0konomistyringsreglement und den dazugehorigen Ausfuhrungsbestimmungen sollen die Zuteilungsbriefe u.a. iibergeordnete Ziele, Angaben zu strategischen Herausforderungen und Tatigkeitsschwerpunkten, zeitlich stabile Steuerungsparameter, Berichtspflichten und Angaben zu den delegierten Vollmachten enthalten. In der Praxis zeigt sich, dass die Mehrzahl der zentralstaatlichen Behorden mit Ergebnisindikatoren arbeitet, die in quantitativer Form die Nutzung der vorhandenen Ressourcen und den Output der Behorden erfassen, wahrend die Qualitat des Verwaltungshandelns und dessen gesellschaftliche Auswirkungen in deutlich geringerem MaBe abgedeckt werden (Laegreid et al. 2005a: 21). Dariiber hinaus zeigen empirische Untersuchungen auch, dass mehr Ziele als messbare Ergebnisindikatoren formuliert werden, dass haufig Aufgaben anstatt von Zielen in den Zuteilungsbriefen genannt werden, und dass einfach quantifizierbare Aufgaben dominieren (z.B. Uberwachungstatigkeiten) (ebd.; 0msrud 2002: 11-13; Statskonsult 1999a: 56).
3.
Alle Agencies miissen fur ,ihr' Ministerium einen Jahresbericht anfertigen, der sich auf die im Zuteilungsbrief gestellten Anforderungen bezieht und weitere Informationen enthalten soil, die fiir die Steuerung der Organisation relevant sind. Im 0konomistyringsreglement wird prazisiert, dass die Berichte auf Zielerreichung und Ergebnisse gerichtet sein sollen, wobei ein breiter Ergebnisbegriff verwendet wird, der sowohl Input, Output, Outcome als auch interne Prozesse mit einbezieht. In einer auf mehreren Fallstudien basierenden Untersuchung weist Statskonsult darauf hin, dass in den Jahresberichten iiberwiegend die Aufgaben der jeweiligen Behorde beschrieben werden, wahrend kaum iiber Ergebnisse des Verwaltungshandelns berichtet wird (Statskonsult 1999a: 58). Daneben kritisiert Statskonsult auch die als unzureichend empfundene analytische Aufbereitung der Informationen hin, gerade in Bezug auf statistische Angaben (ebd.: 59). In der Praxis zeigen
"" Dieser Gedanke wurde bspw. im Emeuerungsprogramm von 1987 wie folgt formuliert: „Der jahrliche Zuteilungsbrief fiir die bewilligten Mittel soil aktiv benutzt werden, um Ziele, Anforderungen und Anweisungen an nachgeordnete Organe zu sammeln." (Administrasjons- departementet 1987:38).
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sich zudem erhebliche Unterschiede in Aufbau und Inhalt der Berichte (Bach 2005; Statskonsult 2001). Daher kommt in der Praxis dem Dialog zwischen Ministerien und Agencies eine zentrale Rolle beim Ausgleich moglicher Defizite der Berichte zu, etwa indem Unklarheiten aufgegriffen werden, die von den Agencies erklart werden mlissen. 4.
Das Idealmodell der Ziel- und Resultatsteuerung geht von einem geschlossenen Steuerungszyklus aus, in dem Informationen iiber die erzielten Ergebnisse die Wissensgrundlage fiir die zukiinftige Steuerung bilden (Pollitt 2006; Statskonsult 1994). Die Ministerien sollen also aus Abweichungen von den im Zuteilungsbrief formulierten Vorgaben Konsequenzen ziehen (Laegreid 2001). Hierzu miissen die Ministerien It. 0konomistyringsreglement iiber die entsprechende Kompetenz und standard operating procedures verfugen, die - wie alle Teilelemente der interorganisatorischen Steuerung - den Besonderheiten der jeweiligen Behorde angepasst sein sollen. In der Praxis hat die (positive wie negative) Sanktionierung der Agencies in der Praxis allerdings nur eine marginale Bedeutung, das Steuerungssystem hat eher eine bewusstmachende Funktion (Christensen/ Laegreid 2002: 158; Statskonsult 1999a: 59-60).
Die einzelnen Elemente des norwegischen Modells der Steuerung und Organisation zentralstaatlicher Agencies sollen im Folgenden am Beispiel der norwegischen Aufsichtsbehorde fiir die zivile Luftfahrt („Luftfartstilsynet", LT) und der Steuerung dieser Behorde durch das Verkehrsministerium („Samferdselsdepartementet", SD) exemplarisch verdeutlicht werden.^^ Die oben geschilderten institutionellen Wandlungsprozesse werden am Ende dieses Beitrags erneut aufgegriffen und diskutiert.
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Interorganisatorische Steuerung in der Praxis
Die norwegische Luftfahrtbehorde ist eine mit weit reichenden Kompetenzen ausgestattete, fachlich hoch spezialisierte Behorde mit knapp 150 Beschaftigten, deren Arbeitsgebiet in hohem MaBe internationalisiert ist. LT wurde mit Beginn des Jahres 2000 als organisatorisch eigenstandige Aufsichtsbehorde im Geschaftsbereich des Verkehrministeriums errichtet, wodurch die zuvor im staatlichen Verwaltungsbetrieb „Luftfartsverket" (seit 2003 staatliche Aktiengesellschaft „Avinor AS") integrierten Uberwachungs- und Kontrollaufgaben der Luft" Die Fallstudie beruht auf zwei Interviews mit je zwei Beschaftigten der Luftfahrtbehorde und des Verkehrsministeriums sowie einer Reihe offentlicher und interner Dokumente (Bach 2005 m.w.A.).
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fahrtverwaltung von Infrastruktur und operativer Flugsicherung getrennt wurden. Zu den Aufgaben von LT zahlen u.a. der Erlass von Vorschriften, die Erteilung von Genehmigungen und Lizenzen an Fluggesellschaften, Piloten, Werkstatten und Flughafen sowie die Durchflihrung von Vor-Ort Inspektionen. Die hierfur geltenden Vorschriften werden uberwiegend von der Behorde selbst erlassen, wahrend das Verkehrsministerium nur selten und erst nach Aufforderung durch LT selbst Vorschriften erlasst (Interview mit dem Luftfahrtsdirektor und dem Leiter der Juristischen Abteilung von Luftfartstilsynet am 7.12.2004). Umfang und Inhalt der nationalen Vorschriften, die formale Organisation der Luftfahrtbehorde, Aufsichtsmethodik und -frequenz sowie Mindestanforderungen an die Qualifikationen des Personals sind in hohem MaBe in intemationalen Abkommen geregelt. LT muss dafur sorgen, dass die norwegischen Luftfahrtbestimmungen mit diesen Standards iibereinstimmen. Darliber hinaus vertritt die Behorde in Absprache mit dem Verkehrsministerium die norwegischen Interessen in intemationalen Gremien.^'* LT unterliegt auBerdem regelmaBigen extemen Kontrollen durch intemationale Luftfahrtorganisationen, deren Empfehlungen und Auflagen von der Behorde sehr ernst genommen werden, da grobe und dauerhafte Abweichungen von verbindlichen Regeln dazu fiihren konnen, dass die norwegischen Luftfahrtunternehmen vom intemationalen Verkehr ausgeschlossen werden (St.meld. nr. 17 2002-03: 100). Insgesamt gesehen hat die internation a l Zusammenarbeit flir die tagliche Arbeit der Luftfahrtbehorde sehr groBe Bedeutung, der Kontakt zum Ministerium hingegen ist meist nicht sehr intensiv (Interview Luftfartstilsynet). Dariiber hinaus besteht ein enger, informeller Kontakt zu den Adressaten, was auch durch die Rekrutierung von Personen mit mehrjahriger Berufserfahrung im Luftfahrtssektor begunstigt wird. Diese werden flir den verwaltungsmaBigen Teil der Arbeit in der Behorde entsprechend fortgebildet (Hommen 2003a: 45). Die Luftfahrtbehorde deckt derzeit fast 75% ihrer Ausgaben durch eigene Einnahmen, die beispielsweise durch Gebiihren fiir die Zulassung und Uberprtifung von Luftfahrzeugen erzielt werden. Bevor im Folgenden der Prozess der interorganisatorischen Steuerung der Luftfahrtbehorde dargestellt wird, sollte auch kurz auf das Steuerungssubjekt, also das Verkehrsministerium, eingegangen werden. Zum Geschaftsbereich dieses mit ca. 130 Beschaftigten eher kleinen Ministeriums gehoren neben der Luftfahrtbehorde mehrere, teilweise sehr groBe Einrichtungen und Unternehmen.^^ ""* Dies sind u.a. die Gemeinschaftsorganisation der europaischen Luftfahrtsbehorden (Joint Aviation Authorities, JAA), die schrittweise durch die seit September 2003 bestehende Europaische Agentur fiir Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency, EASA) ersetzt wird, das Spezialorgan der Vereinten Nationen fur die zivile Luftfahrt (International Civil Aviation Organisation, ICAO) sowie die European Civil Aviation Conference (ECAC). ^^ Im Einzelnen sind dies die Flugsicherungs- und Lufthafengesellschaft Avinor, die Ungliickskommission fiir zivile Luftfahrt und Schienenverkehr, die Post, die Norwegische Staatsbahn (NSB), die
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Die Zustandigkeit fiir die Luftfahrtbehorde liegt bei der Sektion fur Luftfahrt, die zur Abteilung fiir Luftfahrt, Post und Telekommunikation gehort und auch fiir die Ungliickskommission fiir zivile Luftfahrt und Schienenverkehr sowie Avinor verantwortlich ist (Interview mit dem Leiter der Sektion fiir Luftfahrt und einer Referentin des Samferdselsdepartementet am 12.1L2004). Die Rolle des Ministeriums beschrankt sich im Bereich der Luftfahrt - abgesehen von der Bearbeitung ressortiibergreifender Aufgaben - auf iibergeordnete poHtische, verwaltungsmaBige und fmanzielle Angelegenheiten (z.B. Festlegung von Gebiihren, Aufkauf okonomisch unrentabler Flugstrecken) (St.meld. nr. 17 2002-03: 100). Eine entscheidender Einflussfaktor fiir die interorganisatorische Steuerung ist im vorliegenden Fall die fachliche Uberlegenheit der Aufsichtsbehorde gegeniiber dem Ministerium. Nach Auffassung der Beschaftigten von LT sitzt die fachliche Kompetenz in Sachen Luftfahrtsicherheit ausschlieBlich bei der Luftfahrtbehorde selbst (Hommen 2003a: 56, 63). Auch im Ministerium wird diese Auffassung weitestgehend geteilt: Es gibt gewisse Dinge, die wir nicht konnen, aber das ist auch deren Aufgabe. (...) Sie miissen den technischen Teil machen, wahrend wir kontrollieren miissen, ob sie die iibergeordnete Zielsetzung erreichen. (...) Es ist auch nicht sinnvoll, dass wir als Ministerium anfangen, Detailanweisungen zu geben (Interview Samferdselsdepartementet). Die Tatigkeit der Luftfahrtbehorde und die Steuerung derselben durch das Ministerium sind zudem dadurch gepragt, dass keine Ungliicke in der Luftfahrt akzeptiert werden, okonomische Gesichtspunkte also einen nachrangigen Stellenwert einnehmen (Interview Samferdselsdepartementet). In diesem Zusammenhang wird von den Vertretem des Verkehrsministeriums hervorgehoben, dass klar zwischen der Steuerung einer Aufsichtsbehorde und eines ,normalen' Direktorats unterschieden werden muss. Obwohl das Ministerium in beiden Fallen iiber voile Weisungsbefugnis verfiige, liege die Schwelle fiir die Uberpriifung fachlicher Entscheidungen bei einer Aufsichtsbehorde deutlich hoher. Es muss schon viel passieren, bis wir die fachlichen Einschatzungen der Luftfahrtbehorde iiberpriifen. (...) In der Praxis, wo viel Aufmerksamkeit auf Veranderungen und Sicherheit in der Luftfahrt gerichtet ist, ist die Schwelle besonders hoch, wenn es darum geht, dass das Ministerium die Luftfahrtbehorde direkt dahingehend iiberpriifen soil, wie sie sich in bestimmten Fragen mit sicherheitsmaBiger Bedeutung verhalt. (Interview Samferdselsdepartementet)
Schienen-Infrastruktur-Behorde, die Eisenbahnaufsicht, die Post- und Telekommunikationsaufsicht und die staatliche StraBenverkehrsbehorde.
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Der hohe Stellenwert der Sicherheit in der Luftfahrt fiir LT wurde in Zusammenhang mit dem vom Parlament beschlossenen Umzug der Behorde von der Hauptstadt Oslo nach Bod0 (Nord-Norwegen) deutlich. Hierbei auBerte LT weit reichende Bedenken, ob eine Verlagerung moglich sei, ohne die Sicherheit in der Luftfahrt und die intemationale Anerkennung der norwegischen Luftfahrt zu gefahrden. Der Widerstand der Behordenspitze gegen den Umzug wurde schlieBlich durch einen Personalwechsel zu Beginn des Jahres 2005 gebrochen. SchlieBlich ist hervorzuheben, dass durch die organisatorische Trennung von Aufsichtsfunktion und operativer Flugsicherheit Luftfartsverket/Avinor zum Uberwachungsobjekt von LT wurde, wahrend beide Organisationen weiterhin zum Geschaftsbereich des Verkehrsministeriums gehoren. In der Luftfahrtbehorde wird diese Situation als problematisch eingeschatzt, da gerade Avinor iiber gute Kontakte zum Verkehrsministerium verfiige und Konflikte auf informellem Wege gelost werden. Aus diesem Grund beflirwortet LT die Uberfiihrung von Avinor in den Geschaftsbereich eines anderen Ministeriums (Interview Luftfartstilsynet). Ebenso wird auch der im Regierungspapier zu den regulatory agencies gemachte Vorschlag, die Weisungsbefugnis der Verkehrsministerin einzuschranken und ein gemeinsames Widerspruchs-Komitee fiir den Transportsektor einzurichten, begriiBt.^^ Wie schon erwahnt wurde diese MaBnahme bisher allerdings nicht umgesetzt. Wie sieht also vor diesem Hintergrund der Steuerungsdialog zwischen Verkehrsministerium und Luftfahrtbehorde im Einzelnen aus? Insgesamt finden parallel zur Berichterstattung der Luftfahrtbehorde - pro Jahr drei Steuerungstreffen zwischen den beiden Ebenen statt.^^ Von Seiten der Luftfahrtbehorde nehmen daran der Luftfahrtsdirektor und die Abteilungs- und Stabschefs teil. Das erste Treffen wird iiblicherweise von der Verkehrsministerin selbst geleitet, die durch den Departementsrat (administrative Spitze des Ministeriums) unterstiitzt wird; der Staatssekretar oder der politische Ratgeber werden nur in Ausnahmefallen einbezogen. Dariiber hinaus sind der Abteilungsleiter Luftfahrt und Vertreter der Luftfahrts- sowie der Haushalts- und Wirtschaftssektion beteiligt. Die iibrigen beiden Steuerungstreffen werden vom Abteilungsleiter Luftfahrt geleitet, die politische Fiihrungsebene ist daran nicht beteiligt. Die Besprechun" Eine auch in der Offentlichkeit gefuhrte Auseinandersetzung iiber die Verlagerung von LT nach Bod0 zwischen dem Luftfahrtsdirektor und der Verkehrsministerin im Dezember 2004 fiihrte dazu, dass der Luftfahrtsdirektor Ende Januar 2005 seinen Posten aufgab (Aftenposten 2005). "^ Nach Aussagen der Interviewpartner in der Luftfahrtbehorde ist die Anzahl der formellen Beschwerden insgesamt sehr niedrig. Diese bezogen sich zudem ganz uberwiegend auf nicht bestandene Priifungen (Interview Luftfartstilsynet). "^ Die Luftfahrtbehorde erstellt neben dem im 0konomistyringsreglement geforderten Jahresebericht auch viermonatHche ,Zwischenberichte', in denen zur Haushaltssituation und den Ergebnisindikatoren berichtet wird.
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gen dauem durchschnittlich etwa 2-3 Stunden, das Treffen unter Leitung der Ministerin hingegen selten langer als eine Stunde. Die Tatsache, dass die Besprechungen auf der Fiihrungsebene beider Organisationen verankert sind, macht dieses Steuerungsinstrument nach Auffassung eines Interviewpartners im Verkehrsministerium besonders wirksam (Interview Samferdselsdepartementet). Gegenstand der Steuerungstreffen sind einerseits finanzielle Aspekte wie die Einnahmesituation und das Budget des folgenden Haushaltsjahres, einschlieBlich der Entwicklung der Zielindikatoren. Andererseits informiert LT uber die Umsetzung von Empfehlungen der sog. Ungliickskommission, iiber pro-aktive SicherheitsmaBnahmen sowie iiber den Sachstand des Umzugs der Behorde nach Bod0. Natiirlich bestehen auch iiber den formalen Steuerungsdialog hinaus Kontakte zwischen den beiden Ebenen. Dieser werden im Ministerium jedoch nicht als Unterhohlung des formalen Steuerungsprozesses empfunden, sondem vielmehr als notwendiger Bestandteil der inhaltlichen Arbeit. Aus der Sicht der Luftfahrtbehorde werden jedoch seit 2003 (im Zusammenhang mit einem von LT vorgelegten Entwurf einer Vorschrift fiir kommerziell genutzte Flugplatze) verstarkt informelle Steuerungsversuche in Form von „wohlgemeinten Ratschlagen" 29
unternommen, was von den Interviewpartnem sehr negativ bewertet wird. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Agency bei einem Ungliick auf dem Schwarzen Peter sitzen bleiben wiirde, betonen die Interviewpartner die fachliche Autonomic der Luftfahrtbehorde. Wenn sich eine Aufsichtseinrichtung einem Bereich annahert, der kontroverser Natur ist und viel Geld kostet, dann wird das Interesse groB. (...) Wenn uns jemand steuem soil, dann sollen sie das formell und iiber Anweisungen machen, und das findet so fast nicht statt. (...) Deswegen lassen wir uns nur in einem gewissen MaBe steuem. Wenn wir meinen, dass etwas auf eine bestimmte Weise gemacht werden soil, dann tun wir das auch. Wir befolgen nicht alle Ratschlage. (Interview Luftfartstilsynet) Uber den im 0konomistyringsreglement beschriebenen Steuerungsdialog hinaus kann auch der individuelle Arbeitsvertrag des Luftfahrtdirektors als Element der interorganisatorischen Steuerung verstanden werden. In der Praxis gibt es aber keine direkte Verkniipfung zwischen diesen beiden Instrumenten: Die unregelmaBig zwischen Luftfahrtsdirektor und Departementsrat stattfmdenden Gespra^^ Im Kern ging es bei der Flugplatzvorschrift darum, dass LT bestimmte Sicherheitsanforderungen an die Flugplatze und deren geographische Umgebung stellt, die von einem Teil der 26 regionalen Flugplatze praktisch nicht erfullt werden konnen. Der kontroverse Charakter hangt auch mit distriktspolitischen Uberlegungen zusammen, worin Flugplatze eine wichtige Rolle spielen (Interview Luftfartstilsynet).
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che stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Steuerungsbesprechungen. Das [Gesprache zwischen Direktor und Departementsrat, TB] passiert hin und wieder, auf keinen Fall jedes Jahr. Im Laufe der ersten fiinf Jahre hat es wohl zwei oder drei Gesprache gegeben, das lauft nicht so strukturiert ab, wie man vielleicht glauben mag. (Luftfartstilsynet 2004) Der jahrliche Zuteilungsbrief wird von der Luftfahrtsektion des Ministeriums ohne Beteiligung von LT ausgearbeitet, was sowohl innerhalb des Ministeriums als auch der Luftfahrtbehorde als unstrittig gilt. Sobald der Haushalt am Ende des Kalenderjahres durch das Parlament verabschiedet wurde, Ubersendet das Ministerium das Dokument an die Agency. Bei einer naheren Betrachtung der durchschnittlich ca. vier Seiten langen Zuteilungsbriefe fallt auf, dass diese in den ersten drei Jahren nach der Errichtung der Behorde (2000-2002) weder explizite Ziele noch Indikatoren fiir die Zielerreichung enthalten. Sowohl in den einzelnen Zuteilungsbriefen als auch in den Jahresberichten der Agency dieses Zeitraums wird aber auf die Entwicklung von Indikatoren zur Verbesserung der ergebnisorientierten Steuerung und Berichterstattung hingewiesen bzw. diese vom Ministerium eingefordert. Im Zuteilungsbrief fiir 2003 werden erstmalig Ergebnisindikatoren genannt, die in den darauffolgenden Jahren beibehalten wurden. Diese waren zuvor - auf Initiative der Luftfahrtbehorde - zwischen den beiden Ebenen abgestimmt worden, wobei die Vorschlage der Agency vom Ministerium iibernommen wurden. Sie [die Luftfahrtbehorde, TB] wissen, woriiber sie berichten, welche Mittel sie zur Verfiigung haben, zum Beispiel bestimmte Daten, die aufgezeichnet werden und iiber die wir Bescheid wissen sollten. Deswegen war es wichtig, dass die Behorde selbst Anregungen gibt, welche Anforderungen an sie realistisch sind. (...) Wenn wir Anforderungen stellen, iiber die nicht berichtet werden kann, ergibt das wenig Sinn. (Interview Samferdselsdepartementet) Der Kompetenzvorsprung der Agency wird auch im Zusammenhang mit der Ausgestaltung dieser Indikatoren deutlich. Ein Indikatorenbiindel umfasst die geplante und die tatsachlich erreichte Produktion (z.B. Stichprobekontrollen) in insgesamt drei Aufsichtsbereichen.^^ Dariiber hinaus wird die Bearbeitungszeit von der Uberpriifung eines Luftfahrtbetriebs oder eines Lufthafens bis zur Ubersendung eines - ggf. vorlaufigen - Priifberichts erfasst, wobei eine maximale Zeitspanne von drei Wochen angestrebt wird. Fiir beide Zielgr56en - geplante ^^ Dies sind (1) Luftfahrtsuntemehmen (Betreiber, Schulen und Werkstatten), (2) Luftfahrzeuge sowie (3) Lufthafen und Luftfahrtanlagen.
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Produktion und dreiwochige Bearbeitungszeit - wird eine Zielerreichung in 80% aller bearbeiteten Falle angestrebt. Allerdings werden im Zuteilungsbrief keine Angaben dazu gemacht, welche (absoluten) Zielzahlen fiir die einzelnen Aufsichtsbereiche angestrebt werden sollen. Die Interviewpartner im Verkehrsministerium raumen in diesem Zusammenhang ein, dass sie nicht in der Lage sind, hierzu quantitative Vorgaben zu mac hen. Was von der Luftfahrtbehorde festgesetzt wird, ist das, was sie idealerweise innerhalb eines Jahres machen konnen. Inwiefem das erreicht wird, ist eine wichtige Information fiir uns. Man muss darauf vertrauen, dass das realistisch ist. (...) Wir verfiigen nicht iiber die notwendige Kompetenz, urn uns so spezifisch damit befassen zu konnen. (Interview Samferdselsdepartementet) Dariiber hinaus wird deutlich, dass die Indikatoren lediglich einen Teil der Aufgaben der Luftfahrtbehorde abdecken, namhch die Kontrolltatigkeit. Fiir Tatigkeitsfelder, die einer Quantifizierung weniger zuganglich sind oder wo der Informationsgehalt quantitativer Indikatoren als gering eingeschatzt werden muss, etwa bei der Ausarbeitung von Vorschriften oder die Vertretung norwegischer Interessen in intemationalen Organisationen, gibt es keine eigenen Ergebnisindikatoren. Die Jahresberichte von LT enthalten eine Reihe weiterer Informationen zu den Aktivitaten der Behorde und zu wichtigen Entwicklungen im Luftfahrtsektor. Im Hinblick auf Inhalt und ,Passgenauigkeit' zum Zuteilungsbrief ist eine deuthche Entwicklung zu erkennen. Die ersten beiden Berichte der Behorde (2000 und 2001) orientierten sich deutlich an den Schwerpunktbereichen des LTintemen Strategieplans und dienten zudem auch als Darstellung gegeniiber der interessierten Offentlichkeit. Die Berichte der folgenden Jahre (2002-2004) reflektieren zunehmend die Anforderungen der Zuteilungsbriefe und informieren auf durchschnittlich 20 Seiten zu den wichtigsten Aktivitaten und Kennzahlen (u.a. Ergebnisindikatoren, Haushalt, neue Vorschriften, Krankenstand, Mediendeckung, Aktivitatsschwerpunkte).^^ Dieser Entwicklung liegt offensichtlich ein bewusstes Vorgehen der Luftfahrtbehorde zugrunde: Wir haben allmahlich herausgefunden, dass es keinen Grund dafiir gibt, im Verhaltnis zum Ministerium ins Detail zu gehen. Wir haben sowieso alle Vollmachten bei uns, wir berichten in groben Ziigen. Dann konnen sie [das Verkehrsministerium, TB] uns ausgehend vom Bericht gegebenenfalls Fragen stellen. (Interview Luftfartstilsynet)
^' Berichte und Zuteilungsbriefe der Luftfahrtbehorde sind im Internet offentlich zuganglich <www.luftfartstilsynet.no>.
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Der Informationsfluss von der Luftfahrtbehorde zum Ministerium beschrankt sich jedoch nicht auf den Jahresbericht und die viermonatlichen Berichte. Beispielsweise iibersendet LT Protokolle und vorbereitende Unterlagen aus dem Bereich der intemationalen Kooperation an das Ministerium. Beide Ebenen bewerten Form und Umfang der Berichterstattung der Agency und den Informationsaustausch insgesamt als positiv und ausreichend. Fasst man die Steuerungspraxis zwischen Verkehrsministerium und Luftfahrtbehorde zusammen, fallt zunachst die weitgehende Formahsierung des Steuerungsdialoges auf, der in hohem MaBe auf der Fiihrungsebene der beiden Organisationen angesiedelt ist. Allerdings ist die politische Fuhrung in diesem Prozess deutlich weniger prasent als die administrative Fiihrungsebene des Ministeriums. Der Kompetenz- und Informationsvorsprung der Luftfahrtbehorde sowie deren faktische fachhche Unabhangigkeit schranken die Steuerungsmoghchkeiten des Ministeriums im Allgemeinen sowie Breite und DetailHerungsgrad der formalen Steuerungsdokumente deutUch ein. Dennoch gibt es offensichtlich punktuelle Steuerungsversuche des Ministeriums auf informellem Wege, wahrend dieses sein formal vorhandenes Weisungsrecht praktisch nie einsetzt. Nach dem Idealmodell der Kontraktsteuerung fuhrt eine Abweichung der Ergebnisse von den Zielvorgaben zu positiven bzw. negativen Konsequenzen. Eine derartige explizite Sanktionierung der Luftfahrtbehorde findet in der Praxis nicht statt. Erreicht die Luftfahrtbehorde bestimmte Zielvorgaben nicht, werden mogliche Ursachen hierfur in den Steuerungstreffen erlautert, was aber nur selten der Fall ist. Es kann also die Vermutung aufgestellt werden, dass die Ausgliederung der Aufsichtsbehorde aus der Vorgangerorganisation Luftfartsverket und die damit verbundene organisatorische Trennung von Flughafenbetrieb und operativer Flugsicherheit einerseits sowie Aufsichts- und Kontrollfunktionen andererseits deutlich zur fachlichen Autonomisierung von LT beigetragen hat.
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Schlussfolgerungen
Am Ende des Beitrags soil die Frage nach der moglichen Zunahme von Agencification in Norwegen innerhalb der vergangenen beiden Jahrzehnte wieder aufgegriffen werden. Hierbei ist zunachst festzuhalten, dass organisatorisch unabhangige, in der norwegischen Diktion als freistehend bezeichnete zentralstaatliche Behorden auBerhalb der eigentlichen Ministerien nichts Neues sind. Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich dieses Modell sowohl in der Praxis als auch auf normativer Ebene verfestigt und wurde auch von der Hermansen-Kommission, die Ende der 1980er Jahre eine systematische Untersuchung zur Organisation der Zentralverwaltung vorlegte, nicht in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund wird
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deutlich, dass das 2003 von der amtierenden Regierung vorgeschlagene Modell der unabhangigen Reguliemngs- und Aufsichtsbehorde, welches durch das Fehlen eines direkten ministeriellen Weisungsrechts gekennzeichnet ist, eine klare Abweichung von der bis dahin gultigen institutionellen Blaupause darstellt. In der Praxis hat sich dieses Modell allerdings (noch) nicht durchsetzen konnen. In der Terminologie von Verhoest et al. (2004) stellten diese Reformvorschlage auf eine Erweiterung der policy autonomy eines Teils der norwegischen Direktorate ab. Hierin ist ein deutlicher Unterschied zu den seit Mitte der 1980 Jahre vorangetriebenen Haushaltsreformen zu sehen, im Rahmen derer die Direktorate (wie auch andere staatliche Behorden und Einrichtungen) erweiterte Handlungsspielraume beim Umgang mit ihren Ressourcen erhalten haben (management autonomy). Dies hat auch dazu gefiihrt, dass sich die Rolle der Direktorate und insbesondere deren Fiihrungskrafte gewandelt hat: Sie sollen deutlich starker als noch vor dreiBig Jahren selbst planen und mitdenken und werden starker mit Flihrungskraften aus der Privatwirtschaft verglichen (Christensen/ Laegreid 2002: 149). Wurden erweiterte Handlungsspielraume gewahrt, war dies seit den 1980er Jahren immer auch mit Uberlegungen hinsichtlich einer verbesserten Steuerung und Kontrolle der Behorden verkniipft, sei es durch Ergebnisberichte im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung, organisationsinteme Vorhabenplane Oder durch die funktionale Aufwertung der Zuteilungsbriefe und jahrliche Berichte der Behorden. In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch das seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachtende verstarkte Engagement des Finanzministeriums zur Umsetzung ziel- und ergebnisorientierter Steuerungsinstrumente zu sehen. Vergleicht man die praktische Umsetzung der einzelnen Elemente des im 0konomistyringsreglement vorgezeichneten Steuerungsdialogs mit den Ergebnissen einer international vergleichenden Studie zum interorganisatorischen performance management (Pollitt 2006: 41), trifft man auf einige Parallelen. Die Nutzung von Ergebnisindikatoren ist weit verbreitet, diese haben jedoch fiir das Steuerungsverhalten der Ministerien i.S. eines performance steering allenfalls eine mittelbare Bedeutung. Auch im Hinblick auf die geringe Beteiligung der politischen Fiihrungsebene an der ergebnisorientierten Steuerung bildet Norwegen im westeuropaischen Vergleich keine Ausnahme (siehe auch die Beitrage von Hustedt und Tiessen). Die hier gewonnen Erkenntnisse sind in vielfacher Hinsicht ankniipfungsfahig. So wird in der neueren Agency-Forschung immer wieder hervorgehoben, dass die Rechtsform einer Agency und die damit verbundenen formalen Steuerungsinstrumente des Ministeriums bestenfalls Anhaltspunkte fiir die Erklarung der interorganisatorischen Steuerungsbeziehungen bieten (Laegreid et al. 2005b; Pollitt 2004; Pollitt et al. 2004: 11, 24). Offensichtlich spielen Aufgabenportfolio
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(z.B. regulative, verwaltende, kommerzielle Aufgaben), politische Sichtbarkeit und die Verstandlichkeit der Aufgabe fiir Nicht-Fachleute fiir die Steuerungspraxis eine weitaus wichtigere Rolle (hierzu insbes. Pollitt 2006), wofiir die Fallstudie einige Hinweise enthalt. Darliber hinaus konnte anhand der Fallstudie gezeigt werden, dass die Einbindung in internationale Policy-Netzwerke (man konnte auch von internationalen Fachbriiderschaften sprechen) ein entscheidender Faktor fiir die inhaltliche Autonomic von Agencies sein kann (Pollitt et al. 2004; Dohler in diesem Band). Damit bewegen wir uns aus der Sphare des better management in eine starker politikwissenschaftlich gefarbte Fragestellung, die auf die Rolle nationaler Behorden im Prozess des policy making abstellt. In einer eher normativ gepragten Debatte werden die Auswirkungen von ManagementReformen auf die politische Kontrolle der Verwaltung diskutiert (Christensen/ Laegreid 2001). Eine starker empirisch orientierte Fragestellung konnte lauten, welche Rolle die Direktorate im politischen Prozess einnehmen und in welchem MaBe diese am Prozess der Politikformulierung beteiligt sind? Hat sich deren Rolle im Kontext der oben skizzierten Reformen gewandelt? Hierbei bietet sich ein - auch vergleichend angelegtes - Forschungsdesign an, das die skizzierten Kontextbedingungen behordlicher Autonomic aufgreift.
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Einleitung
Im Zuge der „fieberartigen Ausbreitung" verselbstandigter Verwaltungseinheiten in vielen Mitgliedstaaten der Europaischen Union (EU) (vgl. Pollitt et al. 2001) riicken die auf europaischer Ebene etablierten Agenturen zunehmend in den Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen und wissenschaftlicher Debatten. Der Diskussionsgegenstand „europaische Agentur" ist dabei ebenso wenig eindeutig und abschlieBend definiert wie Agenturen auf nationaler Ebene.' Im vorliegenden Beitrag werden jene Einrichtungen betrachtet, die unter der ersten Saule der europaischen Gemeinschaft etabhert werden und die Europaische Kommission wie folgt beschreibt: „Eine Gemeinschaftsagentur ist eine nicht mit den Gemeinschaftsinstitutionen (Rat, Parlament, Kommission usw.) zusammenhangende Einrichtung des europaischen offentlichen Rechts mit eigener Rechtspersonlichkeit. Ihre Schaffung erfolgt durch einen Rechtsakt des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts, in dem die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aufgaben der Agentur geregelt sind" (EU-Kommission 2004: 3).^ Dieser Definition entsprechen derzeit sechzehn Einrichtungen, die nach ihren Griindungsjahren unterschieden werden in Agenturen der ersten Generation (EtabHerung in den 1970er Jahren), Agenturen der zweiten Generation (Etablierung wahrend der 1990er Jahre) sowie Agenturen der dritten Generation (Etabherung in den letzten Jahren) (Vos 2003; Fhnders 2004; Geradin/ Petit 2004). Auf nationaler Ebene werden Agenturen haufig in der Debatte um die Modernisierung des offentlichen Sektors unter dem Schlagwort „New Public Mana' Smullen spricht treffend von einer Situation „Iost in translation" (2004:184), die in den nationalen Diskussionen durch divergente und teils widerspriichliche Definitionen dieses Behordentyps entstanden ist. " Trotz des Bezugs zur ersten Saule (EG) wird im Folgenden der Begriff EU-Agentur verwendet. ^ In der Definition des Juristischen Dienstes der Kommission werden die Gemeinschaftsagenturen in differenzierter Weise mit folgenden Merkmalen beschrieben: Rechtspersonlichkeit; autonome Leitungsorgane; Finanzautonomie; Personal, auf das die Regelungen fiir die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaft anzuwenden sind sowie festgelegte Aufgaben und Befugnisse (SEC(2001)340).
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gement" (NPM) erortert. Mit dem Begriff „Agencification" wird ein neues Verhaltnis zwischen Politik und Verwaltung proklamiert, in dem Aufgaben aus der (zumeist monolithischen) Ministerialverwaltung an Behorden ausgelagert werden, die mit einer gewissen Unabhangigkeit ausgestattet sind und ergebnisorientiert gesteuert werden sollen (Pollitt et al. 2001: 279). Zentrale Themen der Debatte um Agencification sind die Ursachen flir die Errichtung von Agenturen, die Art und Weise ihrer Steuerung und die Erfolgsbedingungen ihrer Leistungserbringung (Pollitt et al. 2004: 13). Die wissenschaftliche Analyse europaischer Agenturen hingegen erfolgt bisher nur ansatzweise und vorwiegend losgelost von solchen nationalen Debatten (Flinders 2004: 522). In rechtswissenschaftlichen Untersuchungen werden die Zulassigkeit ihrer Etablierung sowie die daraus resultierenden Konsequenzen fiir ihre Kompetenzen und deren juristische Uberpriifbarkeit diskutiert (Lauwaars 1979; Lenaerts 1991, 1993; Everson 1995; Chiti 2000; Bergstrom/ Rotkirch 2003; Chiti 2004). Andere Arbeiten beteiligen sich an der lebhaften Debatte um die EU als Prototyp eines regulatory state (Majone 1994, 1996) und untersuchen die EU-Agenturen als neuartige Regulierungsagenturen auf ihre Autonomie und demokratische Verantwortlichkeit (Majone 1997; Kreher 1998b; Yataganas 2001; Majone 2002b, 2003a). Zwar werden dabei Steuerungsmechanismen analysiert, allerdings zumeist beschrankt auf Kompetenzen und Aufgaben der EUAgenturen und selten hinsichtlich ihrer Anwendungspraxis durch die beteiligten Akteure. Hier will der vorliegende Beitrag ankniipfen und den Stand und die Perspektiven der Steuerung europaischer Agenturen in der Praxis aufzeigen sowie deren Auswirkungen auf die Rolle der europaischen Agenturen skizzieren. In bewusst engem Bezug zu Untersuchungen anderer Delegationsbeziehungen auf EU-Ebene, etwa zwischen Mitgliedstaaten und Kommission (vgl. Pollack 1997), werden die von der Institutionenokonomie entwickelten Konzepte der Principal-Agent-Theorie und der Transaktionskostentheorie als heuristischer Analyserahmen verwendet. Es wird angenommen, dass sich bei den EUAgenturen als neue Delegationsform im EU-System ahnliche Charakteristika wie bei den bereits untersuchten Delegationsbeziehungen beobachten lassen und damit an bereits iiberprlifte Hypothesen angekniipft werden kann.
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Delegation als modus operandi in der EU als regulatory state
Gemeinhin wird die EU als ein politisches System sui generis verstanden, in dem die politischen Gewalten in unikater Weise zwischen den Institutionen geteilt werden (Lenaerts 1991). Mit dem Mehrebenencharakter der EU wird mindestens eine Delegationsbeziehung immanent: Die Mitgliedstaaten delegieren Kompe-
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tenzen und Aufgaben an die europaische Ebene bzw. die EU-Institutionen (Kelemen 2002: 97). Die Untersuchungen zu den vielfaltigen und interdependenten Delegationsbeziehungen innerhalb des EU-Systems sind zu einem neuen Forschungsbereich avanciert,'* der sich v.a. der Erkenntnisse US-amerikanischer Forschung unter der Pramisse bedient, das europaische Institutionengefiige teile zentrale Charakteristika mit dem US-amerikanischen System der Gewaltenteilung (Majone 1991; Caporaso 1996). Trotz Kritik an einer solchen Betrachtungsweise (vgl. Eberle 2003) werden aus diesen Forschungsergebnissen Hypothesen generiert, die sich auch fiir eine Analyse europaischer Agenturen als neu entwickelte Delegationsform innerhalb des EU-Systems nutzen lassen.
2.1 Theoretische Erkldrungsansdtze fiir die Delegation von Aufgaben In der Principal-Agent-Theorie werden Delegationsbeziehungen als Ubertragung von Aufgaben durch einen Auftraggeber („principar') an einen Auftragnehmer („agent") modelliert. Aus der Arbeitsteilung und Spezialisierung sollen grundsatzliche Vorteile fiir beide Akteure generiert werden (Keck 1994: 196; Boston et al. 1996: 19). Wenngleich sich fiir derartige Auftragsbeziehungen viele Anwendungsgebiete finden lassen,^ werden im Folgenden primar die Beziehungen zwischen Politik und Verwaltung betrachtet. Dem Akteursbild der RationalChoice-Theorie folgend wird in der Principal-Agent-Theorie dem agent eine rationale Verfolgung seiner Eigeninteressen unterstellt, insbesondere dass er sich in kontinuierlichem Widerspruch zu den Interessen des principal verhalt und jeden eigenen Handlungsspielraum zu dessen Ungunsten nutzt - woraus der Steuerungsbedarf bzw. das Steuerungsinteresse des principal deduziert werden. Konkret wird ein solch abweichendes Verhalten des agent auf Anreize zuriickgefiihrt, die bei der Formulierung des institutionellen Designs der Delegation verankert wurden oder Delegationsbeziehungen per se kennzeichnen, genauer die zwischen principal und agent bestehenden Interessenkonflikte und Informationsasymmetrien (McCubbins/ Page 1987: 410f.; Calvert et al. 1989: 589, 605). Zur Verringerung dieser Anreize schlagen die Vertreter der Principal-AgentTheorie verschiedene Kontroll- bzw. Steuerungsmechanismen vor, die ein konformes Verhalten des agent sicherstellen sollen (vgl. Kiewiet/ McCubbins 1991): Wahrend ex ante Steuerungsmechanismen in der Ausgestaltung der Delegationsbeziehung die Handlungen des agent beeinflussen sollen, versuchen ex post ^ Insbesondere die Beziehung zwischen Mitgliedstaaten und Kommission ist Gegenstand zahlreicher Studien (Pollack 1997; Franchino 2000b; Kassim/Menon 2003; Pollack 2003). ^ Erste Anwendungen der Principal-Agent-Theorie finden sich in wirtschaftswissenschaftlichen Analysen der Beziehungen innerhalb von Untemehmen (Ross 1973; Jensen/Meckling 1976).
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Steuerungsmechanismen, das Verhalten des agent wahrend der Delegationsbeziehung anzupassen. Ex ante konnen principals das institutionelle Design des agent bestimmen und quasi in „vorauseilender Erkenntnis" iiber eine entsprechende institutional choice (vgl. Knott 1987) Steuerungsmoglichkeiten sichem. Hierunter werden grob die Programmierung der Behorde (deren Ziele, Aufgaben und administrative Vollzugsinstrumente) und die Organisationsstrukturen (Aufbau- und Ablauforganisation sowie personelle Grundlagen) subsumiert, die die Entscheidungsfindung bzw. Handlungsvorbereitung und darin bestehenden Freiraume des agent determinieren. Ex post konnen principals durch ein effizientes Berichtswesen und die Androhung von Sanktionen den agent steuem (z.B. finanzielle Sanktionen nach Prlifung durch eine Haushaltskontrolle). Daneben konnen principals zum einen selbst als police patrols permanent den agent kontrollieren (z.B. iiber Anhorungspflichten) oder sich iiber Dritte als fire alarms unkonformes Verhalten des agent melden lassen und diesen damit selektiv kontrollieren, etwa indem der Offentlichkeit Informationen iiber behordliche Tatigkeiten zuganglich gemacht werden (McCubbins/ Schwartz 1984). Gegenseitige Kontrollrechte bzw. -pflichten mehrerer Agents als institutional checks (Kiewiet/ McCubbins 1991: 34) bieten weitere Optionen zur ex post Steuerung, z.B. durch die Moglichkeit der Klage gegen die Behorde. SchlieBlich weisen Calvert et al. (1989: 606) auf Verhaltensregeln hin, die sich mit der Antizipation des Sanktionsverhaltens des principal durch den agent im taglichen Umgang herausbilden und als eine informelle ex post Steuerung dienen konnen. Obwohl zumeist den ex ante Steuerungsinstrumenten eine groBere Bedeutung zugemessen wird (Huber/ Shipan 2002), sollten sie fur ein funktionierendes Delegationsverhaltnis mit ex post Kontrollinstrumenten verkniipft werden (McCubbins et al. 1989: 440). Zwar kann eine ex post Steuerung auch Anderungen am ex ante formulierten institutionellen Design der Behorde auslosen, in der Regel ist sie aber mit geringeren SanktionsmaBnahmen bewehrt (Kiewiet/ McCubbins 1991: 32). In der US-Forschung erhielten vor allem die Beziehungen zwischen dem Kongress bzw. seinen Ausschiissen als principal und einer regulatory agency bzw. commission als agent weitreichende akademische Aufmerksamkeit. Zur Analyse der Autonomic und demokratischen Verantwortlichkeit dieser Behorden stand zunachst das Konfliktpotenzial der Akteurspraferenzen im Mittelpunkt der Untersuchungen (vgl. Thatcher/ Stone Sweet 2002). Spater wurden - unter naherer Betrachtung der Etablierung der Aufgabendelegation - weiterflihrende Schlussfolgerungen gezogen: Demnach hangt der Ermessensspielraum der Agenturen nicht nur von deren Praferenzen und den Praferenzen des Kongresses ab, sondem auch von jenen Kontroll- und Steuerungsmechanismen, welche ihre Praferenzen an die des Kongresses angleichen sollen. Ceteris paribus wird erwartet, dass die Responsivitat der Behorde steigt, je strenger die Kontrollmechanis-
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men ausgestaltet sind und sich ihre Autonomie verringert, je restriktiver und umfassender diese Instmmente in der rechtlichen Grundlage der Delegation formuliert sind (Pollack 2002: 202). Die Transaktionskostentheorie weist fiir eine Analyse von Delegationsbeziehungen auf die Relevanz der Akteursmotive bei der Etablierung hin. Demnach wird das institutionelle Design einer Agentur als Kosten-Nutzen-Kalkulation der Politik aufgefasst, in der Etablierungs- sowie Kontroll- bzw. Steuerungskosten gegen die zukiinftige Leistungserbringung aufgerechnet werden. Mit anderen Worten: Es werden die Vorteile der Expertise einer autonomen Behorde abgewogen mit den Kosten, die durch den potenziellen Verlust politischer Kontrolle auf Grund eigenmachtigen Verhaltens der Behorde verursacht werden konnen (Bawn 1995). In jlingerer Forschung ist vor allem die Studie von Epstein und O'Halloran (1999) einschlagig, in der den Kosten fiir die Angleichung der konflikthaften Akteurspraferenzen zwei grundlegende Nutzenkalkiile gegeniiber gestellt werden: Einerseits kann das MaB an Glaubwiirdigkeit der politischen Akteure die Einrichtung von unabhangigen, glaubwlirdigen Regulierungsinstitutionen auslosen. Andererseits konnen die Verfiigbarkeit von Informationen und die jeweilige Nachfrage nach politisch relevanter Expertise die politischen Akteure veranlassen, autonome Behorden mit entsprechendem Aufgabenprofil zu errichten.
22 Der regulative Staat und die Begrenztheit politischer Entscheidungsfindung als Promotoren europdischer Agenturen Die von der Principal-Agent-Theorie proklamierte Auswahl von Steuerungsinstrumenten zur Angleichung der Praferenzen des agent an die des principal wird auch in nationalen Debattenbeitragen um Agencification zur Steigerung der Responsivitat von Agenturen thematisiert. Im Zuge der NPM-Reformbewegung werden neue Kontroll- und Steuerungsmechanismen diskutiert, um die aus Effizienzerwagungen geforderte starkere Zielorientierung des offentlichen Sektors sicherzustellen - etwa die Einfiihrung eines Kontraktes als vertraglicher Form einer Leistungskompensation fiir die Agenturen (Jann 1999). Fiir die europaischen Agenturen hingegen wird diese „prozedurale" Dimension der Aufgabendelegation weder von den politischen Akteuren noch der akademischen Diskussion thematisiert. Stattdessen wird in der akademischen Literatur zumeist die „funktionale" Dimension der Aufgabendelegation an EU-Agenturen analysiert und ^ In Neuseeland, dem bekennenden Vorreiter in der Implementation NPM-beeinflusster Verwaltungsreformen, verweisen die zentralen Reformakteure explizit auf die Inspiration und Anleitung durch Konzeptionen der Principal-Agent-Theorie (vgl. Boston et al. 1996).
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nach den Grtinden fiir deren Etablierung gefragt. Dass es sich bei der Entwicklung der EU um den beispielhaften Aufstieg eines regulatory state handelt (Majone 1994, 1996), bildet dabei die zentrale Grundlage der Betrachtungen: Auf Grund der Kompetenzverteilungen innerhalb des europaischen Mehrebenensystems, genauer den fehlenden fiskalischen Gestaltungsoptionen der EU-Organe, werden bei der Ausgestaltung von Gemeinschaftspolitiken vor allem regulative Instrumente angewendet, die in der Summe einen wachsenden Regulierungsstaat formen (Caporaso 1996: 39; Laffan 2001; Majone 2002a; Moran 2003: 17). Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme der EU als regulatory state werden Motive fiir die Aufgabendelegation an EU-Agenturen identifiziert, die das Entscheidungsverhalten der Politik thematisieren und in transaktionskostentheoretischen Diskussionen zu policy credibility und political uncertainty hervorgebracht werden (Gilardi 2004: 72ff.). Einerseits wird erfolgreicher regulativer Politik unterstellt, sie miisse moglichst glaubwiirdig formuliert und daher durch geringe politische Interventionen gekennzeichnet sein. Eine solche Selbstbindung der Politik zur Sicherstellung ihrer Glaubwurdigkeit wiederum wird mit der Etablierung und Autonomisierung von Regulierungsagenturen assoziiert (vgl. Pollack 1997). Auf Grund ihrer dualen (administrativen und politischen) RoUe im EU-System ist die Kommission hinsichtlich ihrer Glaubwurdigkeit besonders starken Risiken ausgesetzt (Majone 2000), zu dessen Kompensation die Etablierung europaischer Agenturen mit regulativem Aufgabenprofil empfohlen wird (Majone 2000; Franchino 2002; Dyson 2004). Andererseits wird regulativer Politik wegen der Komplexitat der darin bearbeiteten Sachverhalte unterstellt, dass sie die Unsicherheit fiir die politischen Akteure erhoht - iiber die optimale Handlungsstrategie oder auch iiber die optimale Verfolgung ihrer Eigeninteressen (Gilardi o.J.). Politische Unsicherheit auf Grund regulativer Komplexitat wiederum steigert die Relevanz von Informationen wie auch die Kosten fiir deren Generierung. Mit der Etablierung autonomer Behorden fiir Regulierungsaufgaben konnen diese Kosten verringert bzw. auf selbige verlagert werden (McCubbins/ Page 1987: 417). Fiir die EU wird auch wegen der Kompetenzverteilung und ihrer strukturellen Komplexitat eine besonders starke Nachfrage nach Informationen unterstellt (vgl. Radaelli 1995) und eine Etablierung von EUAgenturen befiirwortet, um mit einer regulation by information (Majone 1997) den Informationsbedarf zur Formulierung konsistenter Regulierungspolitiken einzulosen und gleichzeitig den bestehenden Regulierungsstrategien eine neue indirekte Form hinzuzufiigen. Zusammengefasst erlauben die Uberlegungen der Transaktionskostentheorie erste informierte Annahmen iiber die Etablierungslogik europaischer Agenturen, wonach die Errichtung unabhangiger und mit Expertise ausgestatteter Regulierungsinstitutionen zentraler Bestandteil und zugleich notwendige Vorausset-
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zung fiir eine effektive Politikgestaltung in der EU als regulatory state darstellt. Die Funktion der EU-Agenturen im Rahmen einer regulation by information und deren notwendige Glaubwurdigkeit sollten sich in einer Steuerung widerspiegeln, die autonome Handlungsspielraume bereithalt. Daneben bietet die Principal-Agent-Theorie einen Analyserahmen fiir die Untersuchung dieser Steuerung, wobei neben den Praferenzen von principal und agent jene Mechanismen als relevant gelten, die zur Kontrolle und Steuerung der Agenturen verwendet werden. Mit der Frage nach Art und Weise der Steuerung liegt zwar im vorliegenden Beitrag der Schwerpunkt auf dieser „prozeduralen" Betrachtung der entwickelten Delegationsform, allerdings wird auch die „funktionale" Perspektive einbezogen, um Interdependenzen zwischen der Etablierungslogik und der Steuerungslogik zu erfassen. Daher gilt es zunachst, vor dem institutionellen Kontext die Etablierungslogik der neuen Delegationsform zu analysieren.
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Moglichkeiten und Grenzen einer Aufgabendelegation an EUAgenturen
Fines der zentralen Merkmale aller Delegationsformen im EU-System leitet sich aus Gerichtsurteilen des Europaischen Gerichtshofes (EuGH) von 1958 ab bekannt als das Meroni-Prinzip. Darin stellt der EuGH jene restriktiven Bedingungen fest, unter denen eine Aufgabendelegation durch die vertraglich verankerten EU-Institutionen einzuraumen ist. Zwar konnen Aufgaben grundsatzlich an andere Institutionen delegiert werden, allerdings nur offiziell und ausdriicklich, nur wenn die delegierende Institution diese Tatigkeiten kontrolliert und ausschlieBlich Aufgaben, die sie selbst verantwortet. Von besonderer Bedeutung ist die Einlassung des Gerichts, dass keine hoheitlichen Aufgaben an andere Institutionen iibertragen werden diirfen (Lauwaars 1979: 37Iff.; Lenaerts 1993: 46ff.). Trotz dieser „anti-delegation doctrine" (Vos 2003: 129) haben sich Delegationsbeziehungen im EU-System etabliert, die als institutioneller Kontext auch die Etablierung der EU-Agenturen beeinflussen.
' Fall 09/56 Meroni & Co. gegen die Hohe Behorde [1957-58] ECR 133 und Fall 10/56 Meroni & Co. gegen die Hohe Behorde [1957-58] ECR 157.
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3.1 Das europdische Verwaltungsmodell Flir die Implementation der Gemeinschaftspolitiken delegiert der Rat formal die Zustandigkeiten an die Kommission (Art. 202(3) (ex 145) EGV), die allerdings nur fiir wenige Politikfelder den Vollzug selbst iibemimmt. Entsprechend dem Subsidiaritatsprinzip als einer der constitutional ideologies (Moran 2002: 402) der EU wird die Mehrzahl der auf EU-Ebene formulierten Gemeinschaftspolitiken durch mitgliedstaatliche Verwaltungen implementiert, die Kommission beschrankt sich auf deren Uberwachung und Kontrolle. Als ursachlich fiir diesen „Exekutivfoderalismus" (Lenaerts 1993: 28) gelten neben den vertraglichen Beschrankungen der Kompetenzen der Gemeinschaft auch die starke Position der Mitgliedstaaten im politischen Prozess (Dehousse 1997: 248). Wie alle Bereiche des EU-Systems unterliegt auch das europaische Verwaltungsmodell einer starken Dynamik, die gleichermaBen die europaische und die nationale Ebene tangiert. Auf EU-Ebene fuhrt das zur besseren Vorbereitung und Umsetzung der Ratsbeschliisse eingefuhrte und 1987 rechtlich kodifizierte Komitologieverfahren (Beschluss 87/373/EWG des Rates) zu einer Ausweitung der Gemeinschaftsexekutive. In einem komplexen und wachsenden System von Ausschiissen werden von Vertretem der Kommission und nationaler Verwaltungen die Beschlusse des Rates vorbereitet und ausformuliert bzw. deren Implementation abgestimmt (Dogan 1997; Franchino 2000a; Toller/ Hofmann 2000; Dehousse 2003; Egeberg et al. 2003). Auf nationaler Ebene expandiert das EUVerwaltungsmodell v.a. iiber die Umsetzung europaischer Rechtsakte, haufig mit inhaltlichem Bezug zum Gemeinsamen Binnenmarkt (Majone 2002a: 335). So ist in einer der Telekommunikationsrichtlinien die Etablierung einer „Gruppe flir den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten" vorgesehen, die aus je einem Vertreter der mitgliedstaatlichen Kontrollstellen, einem Vertreter der Kontrollstelle der EU-Institutionen und einem Kommissionsvertreter bestehen und die Kommission unabhangig beraten soil (Richtlinie 95/46/EG, Art. 29). In der Verordnung des Rates zum Statut der europaischen Exekutivagenturen wiederum sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, zur Verwaltung bestimmter Gemeinschaftsprogramme nationale Agenturen fiir Telle der Aufgabenwahrnehmung zu benennen (Verordnung (EG) Nr. 58/2003). SchlieBlich sollen nach den jungsten Richtlinien zu Telekommunikation und Energie nationale Regulierungsagenturen die Liberalisierung dieser Markte umsetzen (Nicolaides 2004: 612f.; Gilardi 2005). Diesen knapp skizzierten Beispielen ist gemein, dass sie die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Implementationsfunktion in unterschiedlicher Intensitat verpflichten, nationale Behorden bereitzustellen was neben Funktionsanderungen bestehender Behorden auch Neugriindungen zur Folge haben kann (Fleischer 2005).
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In der akademischen Literatur werden derartige Weiterentwicklungen des EU-Verwaltungsmodells haufig in Diskussionen um die Rolle nationaler Verwaltungen im europaischen Integrationsprozess erortert. Einerseits wird das Einflusspotenzial mitgliedstaatlicher Verwaltungen als aszendent bewertet, da sie sich direkt und intensiv an den Komitologieausschiissen beteiligen (Trondal 2001; Trondal/ Veggeland 2003) und zwischen den - zur Umsetzung von EURecht eingesetzten - Behorden einflussreiche Netzwerke bilden konnen (vgl. Gilardi 2003). Andererseits wird der Kommission unterstellt, iiber die Komitologie und die Funktionsbestimmung nationaler Behorden Kompetenzen fiir sich zu generieren, die zuvor nationale Verwaltungen innehatten (vgl. Ballmann et al. 2002; Krapohl 2004, Fleischer 2005). Auch den EU-Agenturen kann ein Einfluss auf die Machtbalance zwischen Kommission und Mitgliedstaaten im europaischen Verwaltungsmodell unterstellt werden. Mit einer Analyse der Motive, Bedingungen und des Verlaufs ihrer Etablierung lassen sich erste Einschatzungen dariiber abgeben, inwieweit die EU-Agenturen bewusst in einen solchen Zusammenhang gestellt wurden.
3.2 Die Etablierung von EU-Agenturen Die Entscheidung zur Griindung europaischer Agenturen ist nicht - wie im USamerikanischen „Administrative Procedure Act" - in einer subsidiaren Norm (z.B. einem spezifischen Artikel der Griindungsvertrage) verankert, die durch spezialrechtliche Regelungen konkretisiert werden kann (vgl. Shapiro 1997). Vielmehr wurden alle bisherigen Agenturen in sekundarrechtlichen Verordnungen errichtet (EU-Kommission 2003a: 4). Dass die EU-Agenturen nicht als treaty-framed (Geradin 2005: 43) gelten, bietet den Principals einen universalen Zugriff bis hin zur jederzeit moglichen Abschaffung der Agenturen. Die sekundarrechtlichen Grlindungsverordnungen (GV) der EU-Agenturen nehmen auf verschiedene Artikel der Griindungsvertrage Bezug und erfordem damit bestimmte Legislativverfahren, die die beteiligten Akteure, deren Kompetenzen so wie die Entscheidungsmodi bestimmen. Infolge ihrer rechtlichen Grundlage gehoren grundsatzlich neben der Kommission - als die formal Aufgaben delegierende Institution - die Mitgliedstaaten iiber den Rat und das Europaische Parlament (EP) zur enacting coalition (Kelemen 2002: 95). Dass bestehende Delegationsbeziehungen, wie die zwischen Mitgliedstaaten und Kommission, den institutionellen Kontext der neuen Delegationsform bilden, erhoht einerseits die ^ Eine solche Moglichkeit wurde auch bei der Formulierung der europaischen Verfassung erwogen, aber nicht umgesetzt (Bergstrom/ Rotkirch 2003: 37ff.).
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Komplexitat dieser, im abstrakteren Sinne tetragonalen, Delegationsform zwischen Kommission, Mitgliedstaaten, Parlament und Agenturen (Krapohl 2004: 530) und hat andererseits spezifische Auswirkungen auf die Etablierung und Steuerung dieser neuen EU-Behorden. Alle Griindungsverordnungen fiir die Agenturen der ersten Generation sowie fiir die Mehrzahl der Agenturen der zweiten Generation wurden wegen ihrer Bezugnahme auf Art. 235 (ex 308) EGV im Konsultationsverfahren formuliert. Zugang zur Entscheidungsarena erhielten die Kommission mit ihrem Vorschlagsrecht, das Europaische Parlament mit der Moglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag und die Mitgliedstaaten iiber den Rat und dessen einstimmigen Beschluss. Dahingegen wurden die Griindungsverordnungen weniger Agenturen der zweiten Generation, insbesondere aber aller neueren Agenturen, auf Grund anderer Artikelbeziige im Mitentscheidungsverfahren ausgearbeitet. In dieser Entscheidungsarena agiert ebenfalls die Kommission mit ihrem Vorschlagsrecht, das Parlament hat allerdings die Moglichkeit, diesen Vorschlag abzuandem, die Mitgliedstaaten entscheiden im Rat mit qualifizierter Mehrheit (vgl. fiir eine Gegeniiberstellung der Verfahren die Beitrage in European Union Politics 2004, Stokman/ Thomson 2004). Bei der Arzneimittelagentur und dem Gemeinsamen Sortenamt veranderte der Rat den Artikelbezug des urspriinglichen Kommissionsvorschlages, und eroffnete anstelle des Mitentscheidungsverfahrens das Konsultationsverfahren, womit die Einflussmoglichkeiten des Parlaments begrenzt blieben (Kreher 1997: 232). Diese Erzwingung eines bestimmten Legislativverfahrens deutet bereits darauf hin, dass die Verhandlungsergebnisse keiner reinen funktionalen Etablierungslogik entsprechen konnen (Krapohl 2004: 520f.) Stattdessen wurden die Verhandlungen von weiteren Faktoren beeinflusst, die eng mit den interinstitutionellen Beziehungen als Kontext verkniipft sind. Dies wird u.a. in den Kommissionsvorschlagen zu den neueren Agenturen deutlich, die ausschlieBlich auf spezifische Vertragsartikel Bezug nehmen: Zwar wird mit dem Mitentscheidungsverfahren das Parlament starker eingebunden, allerdings liegt die eigentliche Motivation in einer Beschrankung der Entscheidungsfindung des Rates. Mit einer starkeren Politikfeldbindung der EU-Agenturen (EU-Kommission 2002: 8) konnen die Mitgliedstaaten nicht mehr jene diffusen Bedingungen an die Agenturen kniipfen, die sie in vergangenen Entscheidungssituationen haufig hervorbrachten (Lenaerts 1993: FN 3). Daneben betreten die Legislativakteure fiir die Etablierung der EU-Agenturen dieselben Entscheidungsarenen wie bei der Formulierung von Richtlinien und Verordnungen fiir Gemeinschaftspolitiken, deren Detailliertheit und Umfang mit einem systemimmanenten wechselseitigen Misstrauen der EU-Organe verbunden wird (Kelemen 2004: 166). Ubertragen auf die Formulierung der Griindungsverordnungen euro-
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paischer Agenturen lieBe dies vermuten, dass diese zum einen ebenfalls in umfassender und detaillierter Weise ausformuliert sind und zum anderen Elemente beinhalten, die ein institutionelles Misstrauen widerspiegeln. SchlieBlich sind die Entscheidungsarenen mit fallspezifischen Zugangsmoglichkeiten und Spielregeln in der Praxis heterogener, wenn man sich vergegenwartigt, dass es sich bei den hier als korporativ aufgefassten Akteuren um unterschiedliche Generaldirektionen (GD), Ministerrate und ParlamentsausschUsse handelt (Kreher 1998a: 106). Entsprechend schwierig diirfte die Formulierung konsistenter Handlungsstrategien seitens der Akteure sein und es ist anzunehmen, dass auch diese Diskontinuitat bzw. fehlende stringente Etablierungsstrategie (Statskontoret 1997: 13; Geradin/ Petit 2004: 40) eine rein funktional orientierte Etablierungslogik behindert. Auch fiir die EU-Agenturen wurde das Meroni-Prinzip restriktiv interpretiert, wenngleich dessen Anwendungsberechtigung umstritten ist (Lauwaars 1979; Hilf 1999; Yataganas 2001). Die Kommission kann mit einer solchen Einengung der Agenturtatigkeiten ihre exekutiven Kompetenzen schiitzen. Solange die delegierten Aufgaben formal aus ihrem Portfolio stammen und von ihr kontrolliert werden miissen, befindet sie sich zudem in einer exponierten Stellung gegeniiber den Agenturen. Als Motive der Mitgliedstaaten fiir eine restriktive Auslegung des Meroni-Prinzips konnen zwei verschiedene Kalkiile gelten: Zum einen ist aus ihrer Perspektive eine Unkontrollierbarkeit der Agenturen problematisch, schlieBlich konnten diese neuen EU-Institutionen bei einer Autonomisierung nach Kompetenzausweitungen zu Lasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen streben (Geradin 2005: 16). Zum anderen konnen die EU-Agenturen mit ihrem exekutiven Aufgabenbereich zu Konkurrenten der nationalen Verwaltungen aufsteigen, deren Position mit einer entsprechenden Limitierung der EUBehorden sichergestellt werden muss (Everson 1995: 198; Kelemen 2002: 103). Auch dem Parlament wird unterstellt, inzwischen diese Interessen an einer Aufgabenbeschrankung zu teilen, da es sonst in administrativer Hinsicht Kompetenzbereiche verlieren konnte, die es mit der Einfiihrung des Mitentscheidungsverfahrens in legislativer Hinsicht erst gesichert hat (Kelemen 2002: 110). Einer solch restriktiven Anwendung des Meroni-Prinzips konnen Effekte auf die Steuerung der EU-Agenturen unterstellt werden: Mit der Beschrankung auf nichthoheitliches Handeln konnten aus Sicht der Principals die Kompetenzen der EUAgenturen ausreichend limitiert sein und etwaige Handlungsspielraume in der Aufgabenerledigung nicht als virulent gelten. In vielen Fallen wurde die Etablierung von EU-Agenturen durch politische Interessen einzelner Akteure iiberlagert. Wahrend bspw. die Beobachtungsstelle fiir Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hauptsachlich auf Initiative des damaligen franzosischen Staatsprasidenten Mitterand gegriindet wurde, der dem Vor-
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schlag fiir eine solche Behorde auf nationaler Ebene zu mehr Zustimmung verhelfen wollte (Estievenart 1996: 58f.; Kreher 1997: 240), hatte die Umweltagentur im seinerseits amtierenden Kommissionsprasidenten Delors einen machtigen Fiirsprecher, der die Umweltpolitik auf EU-Ebene starker institutionell verankern wollte (Jimenez-Beltran 1996: 30, Interview EU-Kommission). Auch die erhebliche Varianz in der Dauer der Legislativverfahren zur Formulierung der Grlindungsverordnungen dokumentiert die Durchsetzungskraft politischer Interessen. Die Verfahren wurden in erheblichem MaBe durch zwei AnstoBe verzogert: Zum einen waren die Kompetenzen und Aufgaben der Agenturen Gegenstand intensiver und langwieriger Debatten. So verursachten die Diskussionen um die neuen Bestimmungen der Gemeinschaftszulassungsverfahren und die Art und Weise der Beteiligung der Arzneimittelagentur einen langen Entscheidungsprozess und iiberlagerten daneben nahezu vollstandig eine Beschaftigung mit den Organisationsstrukturen der neuen Agentur (Lyon 2000: 25). Zum anderen wird erst bei den neuesten Agenturen ihr jeweiliger Standort in den Griindungsverordnungen vorgegeben, in alien anderen Fallen musste dieser nach Art. 289 EGV einstimmig im Rat beschlossen werden (Geradin 2005: 26). Die Aussicht auf den Sitz einer EU-Agentur scheint so reizvoll, dass diese auch als Motiv einiger Mitgliedstaaten gewertet wird, iiberhaupt als Advokaten einer Etablierung von Agenturen auf EU-Ebene aufzutreten (Geradin/ Petit 2004: FN 173). Bereits die Agenturen der zweiten Generation konnten ihre Arbeit erst aufnehmen, als nach jahrelangen Auseinandersetzungen im Rat ein package deal iiber den Sitz der Agenturen erzielt worden war (Kreher 1997: 228f.). Die Errichtung der jiingsten Agenturen hatte sich wegen der Standortfrage ebenfalls verzogert und artete auf der Konferenz der Staats- und Regierungschefs in Laeken in eine lebhafte Diskussion aus, die erst durch das beherzte Eingreifen des damaligen belgischen Ratsprasidenten Verhofstadt gelost wurde. Dabei argumentierte der italienische Ministerprasident Berlusconi, eine europaische Lebensmittelbehorde miisse zwangslogisch in Parma sitzen, da dieser Standort ein Synonym flir gutes Essen sei und die Finnen nicht einmal wussten, was Prosciutto sei (als alternativer Standort war Helsinki im Gesprach). Auch die Beschwerde des osterreichischen Bundeskanzlers Schiissel, die EU-Agentur mit Sitz in Osterreich habe nur 19 Mitarbeiter, wohingegen andere tausende hatten (BBC News online, 16.12.2001), verdeutlicht die eigentliche Zielsetzung der vorgebrachten Argumente: Es geht eher um das Pres^ Wahrend der erste Kommissionsvorschlag fiir das Harmonisierungsamt fiir den Binnenmarkt bereits 1980 vorlag und die Griindung erst im Dezember 1993 erfolgte, dauerte der Rechtsetzungsprozess fiir die Etablierung der Umweltagentur nur neun Monate (Kreher 1998a: 107). '° Dass die Entscheidung so schnell getroffen wurde, wird auch auf das in der Sitzung vorangegangene Scheitem einer Einigung beziiglich der europaischen Verfassung gewertet (Sunday Telegraph, 21.12.2003).
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tige und die damit verbundenen Arbeitsplatze, eine EU-Behorde im eigenen Land zu errichten als urn exklusive Zugriffsrechte auf die Agenturen. Als Hohepunkt der bisherigen Errichtung europaischer Agenturen gelten die 1990er Jahre, was insbesondere auf die beiden Vertragswerke von Maastricht und Amsterdam zuriickgefuhrt wird, die mit der Entscheidung zur Einfuhrung eines Gemeinsamen Binnenmarktes u.a. zu Erweiterungen der Kommissionskompetenzen beitrugen (Fischer-Appelt 1999: 546ff.). In Antizipation einer Weigerungshaltung der Mitgliedstaaten gegen eine allzu starke Kompetenzausweitung oder auch organisatorische VergroBerung der Kommission (Kelemen 2002: 99f.) verfasste selbige Vorschlage fiir die Etablierung diverser EUAgenturen, die anstelle der Kommission administrative Aufgaben ausfiihren sollten (Kreher 1997: 232f.; Vos 2000: 1; Dimitrakopoulos/ Richardson 2002). Dass die Kommission in den letzten Jahren wieder verstarkt weitere EUAgenturen vorgeschlagen hat, wird von ihr primar mit der zunehmenden Sektoralisierung des Binnenmarktes begriindet (vgl. Williams 2005). Allerdings wird in der akademischen Literatur darauf hingewiesen, dass seit der Einfuhrung des Mitentscheidungsverfahrens der Kommission Kompetenzverluste drohen, die sie mit neuen Regelungsfeldem zu kompensieren sucht, die von EU-Agenturen mitbearbeitet werden (Tsebelis/ Garrett 2001). Mit der Mitteilung fiir ein Statut der Exekutivagenturen (KOM (2000)788endg.) und dem Vorschlag fiir die Rahmenbedingungen der Regulierungsagenturen (KOM(2002)718endg.) zeigt die Kommission zudem neuen Aktionismus, der gegeniiber den bisherigen Agenturgriindungen eine starkere Stringenz hervorbringen soil - auch um mitgliedstaatlicher Kritik an einer fehlenden Etablierungsstrategie zu begegnen. Der bislang letzte Akt dieser Bemiihungen ist der Kommissionsvorschlag fiir eine inter-institutionelle Vereinbarung zwischen Rat, Parlament und Kommission zu den Rahmenbedingungen der Regulierungsagenturen (KOM(2005)59endg.). In den Errichtungsverordnungen der neuesten Agenturen werden bereits einige Elemente dieser langfristig orientierten Ausgestaltung des europaischen Agenturmodells umgesetzt. Zusammengefasst unterscheiden sich die Ursachen und Motive zur Errichtung europaischer Agenturen von der auf nationaler Ebene dominierenden Etablierungslogik (Kreher 1997). Im Gegensatz zum dort vorherrschenden Streben nach mehr Effizienz oder Forderungen nach mehr Verantwortlichkeit und Transparenz in der Verwaltung lasst sich bei den EU-Agenturen eine diffuse Etablierungslogik beobachten, bei der die funktionalen Motive von politischen Erwagungen sowie Einflussfaktoren des institutionellen Kontextes iiberlagert werden. " Wenngleich die divergenten Begriffsverwendungen in diesen beiden Kommissionsdokumenten, z.B. bei dem Terminus „Regulierungsagentur" auch darauf hinweisen konnte, dass auch diese Bemiihungen nicht zwangslaufig eine solche Stringenz herstellen (Geradin/Petit 2004:48).
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Wenngleich die Formuliemng der Steuemng im Rahmen der GV - ahnlich wie andere Entscheidungsgegenstande des Sekundarrechts - eher umfassend und detailliert ausfallen diirfte, gibt es Hinweise darauf, dass die beteiligten Akteure ihr Steuerungsinteresse insbesondere auf die Kompetenzen und Aufgaben und weniger auf die Funktionsweise der Agenturen richten. Die Relevanz der interinstitutionellen Beziehungen im Gemengelage der Motive verdichtet zudem die Annahme, dass die Steuerungsinteressen der Principals nicht ausschlieBlich die Aufgabenerledigung durch die Agenturen fokussieren, sondern auch auf die Rolle der Agenturen in der Machtbalance des Exekutivfoderalismus abzielen. Demzufolge stimmen die aus transaktionskostentheoretischer Perspektive vorgebrachten Argumente fiir eine Etablierung von EU-Agenturen nur bedingt mit den beobachtbaren Akteurskalkiilen uberein: Weder eine Generierung von Informationen noch eine glaubwiirdige Politikformulierung stehen als funktionale Nutzenkalkiile im Vordergrund. Stattdessen gilt es neben der Befriedigung kurzfristig motivierter politischer Kalkiile insbesondere, mithilfe der Agenturen die Machtbalance in den interinstitutionellen Beziehungen zu beeinflussen. Mit einem Vergleich der ex ante formulierten Steuerungsinstrumente und deren tatsachlicher Anwendung lasst sich analysieren, inwiefem diese Etablierungslogik in der Steuerungslogik reflektiert wird und welche Auswirkungen diese Steuerung fiir die Rolle der EU-Agenturen zeitigt.
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Zvt^ischen Hierarchic und Sclbststcucrung: Die Logik und Praxis der Steucrung curopaischer Agenturen
Als Resultate der Entscheidungsprozesse konnen die Grlindungsverordnungen der EU-Agenturen Aufschluss iiber die Verwirklichung der zutage getretenen Interessen an Steuerungsmoglichkeiten bzw. das im Ergebnis den Akteuren zur Verftigung stehende Steuerungsinstrumentarium geben. Im Folgenden soil deren Wirkungsweise in der Praxis unter besonderer Betrachtung von zwei Fallen - der 12
Arzneimittelagentur und der Umweltagentur - analysiert werden.
'^ Die folgenden Ausfiihrungen basieren auf Fallstudien, die im Rahmen der Diplomarbeit der Verfasserin zwischen 10/2002 und 02/2003 durchgefuhrt wurden (vgl. Fleischer 2003).
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4.1 Kompetenzen and Aufgaben europdischer Agenturen Art, Umfang und Definitionsscharfe der Aufgaben europaischer Agenturen sind in deren Griindungsverordnungen relativ heterogen formuliert. In der akademischen Literatur stehen verschiedene funktionale Typologisierungen bereit, zumeist werden drei (Dehousse 2002: 9; Bergstrom/ Rotkirch 2003: 16ff.) bzw. vier Gruppen (Kreher 1997: 236ff.; Vos 1999: 191ff.; Yataganas 2001: 24) identifiziert. Die Kommission unterscheidet ebenfalls vier funktionale Typen (EUKommission 2004: 6), iiber die die folgende Tabelle 1 einen knappen Uberblick gibt.
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Tabelle 1: Die funktionalen Typen von EU-Agenturen Beginn der Personal Haushalt Agentur Standort Tatigkeiten 2004 2004* (J) Einrichtungen zur Erleichterung der Funktionsweise des Binnenmarktes Amt fiir die Harmonisierung im Binnenmarkt Alicante 675 1993 115,1'M (HABM) (E) 38 1993 Gemeinschaftliches Sortenamt Angers 7,5'> (OCVV) (F) 314 1993 Europaische Agentur fiir die Beurteilung von London 28,5'^ (GB) Arzneimitteln (EMEA) 2002 Europaische Agentur fiir Lebensmittelsicher- Parma 138 29,0 heit (EFSA) (I) 2002 Europaische Agentur fiir die Sicherheit des Lissabon 65 10,6 Seeverkehrs (EMSA) (PT) Koln 2003 Europaische Agentur fiir Flugsicherheit 33 ll,l^M (EASA) (D) Europaische Agentur fiir Netz- und InformaHeraklion 2005 — — tionssicherheit (ENISA) (GR) (2) Beobachtungsstellen fur das Zusammentragen und Verbreiten von Informationen 1994 Europaische Umweltagentur Kopenhagen 27,2 117 (DK) (EUA) Wien 34 1998 Europaische Stelle zur Beobachtung von 8,0 Rassismus und FremdenfeindHchkeit (A) (EUMC) 1995 Europaische Beobachtungsstelle fiir Drogen Lissabon 65 9,4 (PT) und Drogensucht (EBDD) (3) Einrichtungen zur Fdrderung des sozialen Dialogs auf europdischer Ebene Europaisches Zentrum fiir die Forderung der Thessaloniki 112 14,8 \9J5 Berufsbildung (Cedefop) (GR) 1975 Europaische Stiftung fiir die Verbesserung der Dublin 88 10,3 (ERL) Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) 1995 Europaische Agentur fiir die Sicherheit und 17 10,6 Bilbao Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA) (E) (4) Einrichtungen zur Durchfuhrung von Aufgaben und ProgrammenfUr die EU Turin 1994 Europaische Stiftung fiir Berufsbildung 104 195,9'^ (ETF) (I) Ubersetzungszentrum fiir die Einrichtungen 1995 Luxemburg 181 28,3'^ der Europaischen Union (CdT) (L) 2000 Europaische Agentur fiir Wiederaufbau Thessaloniki 263 374,6^^ (EAR) (GR) Quelle: Haushalt der Europaischen Gemeinschaften, Abl. L 053, Jg. 47, vom 23/02/2004 und die jeweiligen Jahresberichte der Agenturen, HnMio. € '^ ausschliefilich Eigeneinnahmen (GebUhren). ^'davon 178,3 Mio. € fiir die Programme Phare/ ^^ zzgl. 64,8 Mio. € GebUhren, Cards, Tacis und Meda. ^'zzgl. 5,2 Mio. € GebUhren. ^^ davon 350,7 Mio. €fUr verschiedene Programme.
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(1) Dass die Agenturen des ersten Typs unter dem Begriff „QuasiRegulierungsagenturen" (Yataganas 2001: 24) firmieren, ist auf ihre Aufgaben und ad mini strati ven Vollzugsinstrumente zuriickzufiihren. Diese Agenturen sind fur die Sicherstellung der Konformitat, Notifikation und/ oder Zulassung bestimmter Produkte bzw. Standards zustandig. Ihre Vollzugsinstrumente reichen von Berichten, iiber gutachterliche Stellungnahmen bis hin zu imperativen Verwaltungsakten mit unilateralem Einfluss auf die rechtliche Sphare von Individuen (im Fall einer Registrierung) (Chiti 2000: 331). Dennoch steht keiner dieser Agenturen de jure eine eigene Ermessensbefugnis zu, ihre Hauptaufgabe liegt vielmehr in der Entscheidungsvorbereitung der Kommission, die im Anschluss die formal-rechtlichen Konsequenzen zieht. Alle Grlindungsverordnungen dieser Agenturen wurden im Mitentscheidungsverfahren formuliert, was mit der Beteiligung des Parlaments deutliche Effekte auf ihre Ausgestaltung hat. Bei flinf dieser sieben Agenturen wurden in den Grlindungsverordnungen gleichzeitig neue Verfahren eingefuhrt, etwa das zentralisierte Zulassungsverfahren im Fall der Arzneimittelagentur (ABl. Nr. L 214 vom 24.8.1993) oder gemeinsame Vorschriften fur die Zivilluftfahrt im Fall der Agentur fiir Flugsicherheit (ABl. Nr. L 240 vom 7.9.2002). Zwar kann solchen Verkniipfungen von Errichtungsgrundlage und Definition neuer gesetzlicher Aufgaben im Rahmen einer Verordnung des Rates unterstellt werden, dass sie fiir die neuen Behorden Moglichkeiten zur Einflussnahme auf die Definition ihrer Aufgaben bieten (vgl. Horn 1995). Allerdings sind in den meisten Grlindungsverordnungen Evaluationen liber die Funktionsweise der Verfahren vorgesehen, die eine spatere „Nachjustierung" durch die enacting coalition ermoglichen. Obschon dies geschehen ist, wurde dabei in keinem Fall das Mandat eingeschrankt, stattdessen wurde die Aufgabenpalette sukzessive erweitert, wie das Beispiel der Arzneimittelagentur illustriert. In ihrer ersten Grlindungsverordnung wurde der EMEA die Erstellung von Gutachten zur Beurteilung von Human- und Tierarzneimitteln im zentralisierten Zulassungsverfahren ubertragen. Dennoch wuchs die Nachfrage durch ihre stakeholder und einzelne Mitgliedstaaten, weitere Aktivitaten zu entfalten, vor allem im Bereich der Uberwachung in Verkehr gebrachter Medikamente. Im Laufe der Entwicklung des gemeinsamen Marktes fiir Arzneimittel definierte dementsprechend die Kommission die Aufgaben der Arzneimittelagentur auch im Bereich der Pharmakovigilanz relativ weit. Mit der Generalrevision der EUArzneimittelregulierung 2004 wurden durch die Anderung ihrer GV der EMEA zudem weitere Zulassungsgegenstande zur Beurteilung delegiert, z.B. pflanzliche Arzneimittel (GV EMEA 2004, Art. 56, 57). Wenngleich sich der Umfang ihrer Aufgaben erweitert hat, wurde jene Definitionsscharfe beibehalten, die die Regelungen des Zulassungsverfahrens bieten.
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Dass die Kommission bei der Formulierung ihres Vorschlags zur Neuregelung des Gebiihrenfestsetzungsverfahrens „die EMEA um ausfiihrliche Riickmeldungen liber die mit der geltenden Regelung gewonnenen Erfahrungen ersucht" (KOM(2005)106endg.: 2), kann ebenso als Indiz fiir ihre eigenstandige und relevante Position im Politikfeld gelten wie der deutliche Zuzug von liaison offices der Pharmaindustrie an den Sitz der Agentur nach Canary Wharf in London (Vogel 1998: 8). Daneben eroffnet die in den Zulassungsverfahren der EUArzneimittelregulierung als Entscheidungsgrundlage dominierende wissenschaftliche Rationalitat nicht nur die Moglichkeit einer zentralen Positionierung der EMEA in diesem Politikfeld, sondem verhindert nahezu die Ubernahme dieser Rolle durch die Kommission. Nach Chiti sei selbige gar der Gefahr „of being captured by scientists" (Chiti 2000: 336) ausgeliefert, da sie nicht Uber geniigend Ressourcen zur Kontrolle der Gutachten der Agentur verfugt. In der Praxis ist demnach nur ein Fall bekannt, in dem die Kommission vom Zulassungsgutachten der Arzneimittelagentur abgewichen hatte. (2) Eine zweite Gruppe von Agenturen ist in verschiedenen Handlungsfeldern fiir die Sammlung von objektiven, zuverlassigen und vergleichbaren Informationen bzw. Daten zustandig, die sie durch ein von ihnen errichtetes und verwaltetes Netzwerk von Partnem akquirieren (EU-Kommission 2004: 6). Der Gegenstand ihrer Uberwachung variiert und kann technischer, wissenschaftlicher Oder auch sozialer Natur sein, die verfiigbaren administrativen Vollzugsinstrumente hingegen sind identisch und bestehen iiberwiegend aus Berichten. In ihrer Aufgabe als Informationsvermittler nehmen diese so genannten „Uberwachungsagenturen" (Yataganas 2001: 24) eine beratende und entscheidungsvorbereitende Rolle fiir die Hauptorgane der EU ein, gleichzeitig konnen ihre Dienstleistungen auch von Extemen, wie Drittstaaten, Organisationen oder Privaten in Anspruch genommen werden (Everson 1995: 62). Mit einer Ausnahme wurden alle Uberwachungsagenturen im Konsultationsverfahren errichtet. Fiir die Umweltagentur konnte sich die Kommission mit einem Vorschlag durchsetzen, dessen Artikelbezug das Mitentscheidungsverfahren erforderte und dem Parlament groBere Mitbestimmung ermoglichte. Der Einfluss des Parlaments wird u.a. in Art. 20 der GV deutlich: „Spatestens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung beschlieBt der Rat nach Stellungnahme des Europaischen Parlaments (...) anhand eines Berichts der Kommission (...) liber weitere Aufgaben der Agentur" (GV EUA 1990, Art. 20). Mit dieser Evaluation sollte eine Ubertragung weiterflihrender Befugnisse zu einem spateren Zeitpunkt unter einem potenziell anderen politischen Interessengeflige zum Thema Umweltschutz ermoglicht werden. Neben dieser befristeten Kompetenzlibertragung trug im Fall der Umweltagentur v.a. die Aufgabendefmition in der GV zu einer eigenen - und eher ex-
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pansiven - Auslegung der Aufgaben seitens der EUA bei (Majone 2003: 310). Zwar beinhaltet die GV der Umweltagentur eine enumerative Beschreibung ihrer 13
Aufgaben, diese bleibt allerdings ungenau und illustriert einen inhaltlich sehr weitgefassten Aufgabenbereich. Ursachlich fiir diese „vague legislation" (Horn 1995: 15) ist u.a. der diffuse Anspruch an die Agentur, neben einer breiten Themenpalette auch einen breiten Adressatenkreis zu bedienen (EU-Kommission 2003a: 7). In der Anfangsphase ihres Bestehens gab es vermehrt Konflikte mit der GD Umwelt, die eine Kompetenzverletzung der Umweltagentur darin begriindet sah, dass diese an das Ende ihrer veroffentlichten Berichte Schlussfolgerungen fiir weitere Politiken setzte, was aus Sicht der Kommission als PolicyMaking aufgefasst wurde und nicht zur exekutiven Programmierung der Agentur zahlte (Interviews KOM, Schout 1999). Nichtsdestotrotz wurden in der 1999 verabschiedeten Neufassung der GV jene vage Aufgabenbeschreibung beibehalten und zusatzliche Aufgaben addiert. Inzwischen sind die anfanglichen Auseinandersetzungen iiber die Aufgaben der EUA in systematische konflikthafte Beziehungsmuster zwischen der EUA und der GD Umwelt gemiindet (Gilardi 2004: FN 249). (3) Unter der dritten Gruppe werden jene Agenturen subsumiert, die den sozialen Dialog in der EU fordem sollen und in deren agenturintemen Organen aus diesem Grund die jeweiligen Sozialpartner vertreten sind. Diese Agenturen eines Kooperationsmodells (Yataganas 2001: 24) sollen die Durchfuhrung bestimmter Gemeinschaftsprogramme unterstiitzen und dabei in kooptierender Weise die Sozialpartner einbinden (Majone 2003: 300). Dass die Kooperationsagenturen in Bereichen operieren, in denen die Gemeinschaft keine oder wenig eigenstandige Rechtsetzungsbefugnisse hat, befordert die exekutive Arbeitsorientierung dieser Agenturen (Fischer-Appelt 1999: 49ff.). Dennoch bilden einige Agenturen zur besseren Abstimmung mit den national zustandigen Behorden Expertennetzwerke heraus, die ihnen eine - wenn auch geringe - eigene Rolle im Rahmen ihrer administrativen Aufgaben ermoglicht.
'^ So wird nicht naher erlautert, was z.B. die „F6rderung der Vergleichbarkeit der Umweltdaten auf europaischer Ebene sowie erforderlichenfalls Forderung einer starkeren Harmonisierung der Messverfahren auf geeignetem Wege" (GV EUA 1993, Art. 2.iv) konkret beinhaltet. '"* Laut GV haben folgende Themenkomplexe Vorrang (was nicht die Bearbeitung anderer Themen ausschlieBt): „Luftqualitat und atmospharische Emissionen; Wasserqualitat, Schadstoffe und Wasserressourcen; Zustand des Bodens, der Tier- und Pflanzenarten und der Biotope; Nutzung des Bodens und der naturlichen Hilfsquellen; Abfallbewirtschaftung; Gerauschemissionen; umweltgefahrdende Chemikalien und der Schutz der Kustengebiete" (GV EUA 1993, Art. 3). '•' Unter anderem wurden die „Unterstutzung der Kommission beim Austausch von Informationen iiber die Entwicklung der Verfahren und bewahrtesten Praktiken fiir Umweltvertraglichkeitspriifungen" dem Aufgabenkatalog in hinzugefiigt (GV EUA 1999, Art. 2.xii).
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(4) Den Vertretem der letzten Gruppe ist gemein, dass sie ausschlieBlich von den Organen und Einrichtungen der EU als Dienstleister in Anspruch genommen werden konnen (Kreher 1997: 238). Diese Agenturen eines Exekutivmodells (Yataganas 2001: 24) standen Vorbild fiir den Kommissionsvorschlag zur Einrichtung von Exekutivagenturen fiir die Verwaltung der Gemeinschaftsprogramme (Vos 2003: 120), welcher RiickschlUsse auf ihre Aufgaben erlaubt. Wenn die Exekutivagenturen als konsequente Imitatoren dieser EU-Agenturen „mit der vollstandigen oder teilweisen Ausfiihrung eines oder mehrerer Gemeinschaftsprogramme betraut werden, mit Ausnahme der Handlungen, die einen Ermessensspielraum, insbesondere zur Umsetzung politischer Entscheidungen bei der Durchfiihrung der Programme implizieren" (KOM(2000)788: 17), dann wird deutlich, dass den interinstitutionellen Dienstleistern nur Aufgaben mit nahezu keinen Handlungsspielraumen zukommen. Zusammenfassend folgt die Programmierung der europaischen Agenturen dem Meroni-Prinzip und unterbindet de jure eigenes hoheitliches Verwaltungshandeln. Dennoch haben die Agenturen der vier Funktionstypen unterschiedlich weite Handlungsspielraume, die wiederum unterschiedliche Anlasse zur Steuerung erwarten lassen. Wahrend die erzeugte Mitbestimmung der Agenturen des Quasi-Regulierungsmodells an ihrer Aufgabendefinition und die damit einhergehende Bedeutung im jeweiligen Politiksektor Anlasse zur Steuerung geben konnten, sind es bei den Uberwachungsagenturen vor allem ihre vage definierten Aufgaben, die Steuerungsaktivitaten verursachen dlirften. Bei den Agenturen des Kooperations- und des Dienstleistungsmodells hingegen sollten die administrative Aufgabenausrichtung und deren expliziter Charakter sehr geringe Handlungsspielraume bieten und kaum Anlasse zur Steuerung provozieren. Dass diese unterschiedliche discretionary authority (Epstein/ O'Halloran 1994: 702) nicht gegen die Principals verwendet wird, ist mit weiteren Vorgaben im institutionellen Design der EU-Agenturen beeinflusst worden, wenngleich das Interesse der Principals an diesen Strukturen deutlich geringer ausgepragt ist und daher auch teils diffuse Steuerungswirkungen akzeptiert werden.
4.2 Zur Organisationsstruktur europdischer Agenturen Trotz der Divergenz ihrer Aufgaben ist die Organisationsstruktur der EUAgenturen relativ homogen (EU-Kommission 2004: 5): Alle europaischen Agenturen haben eine duale Leitungsstruktur mit einem aufsichtsratsahnlichen Organ, dem Verwaltungsrat (auch Vorstand), und einem vorstandsartigen Organ fiir die operativen Aufgaben, welches von einem Direktor (Verwaltungsdirektor, auch President) gefiihrt wird (Fischer-Appelt 1999: 220). Dass die EU-Agenturen
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einem sehr ahnlichen Organisationsmodell folgen, ist allerdings nicht zwangslaufig auf eine einheitliche Strategic bei ihrer Errichtung zuriickzufuhren. Vielmehr hatten sich die beteiligten Principals mit der Aufbauorganisation der Agenturen der ersten Generation auf ein Modell verstandigt, dessen problemlose Funktionsweise und Bereitstellung ausreichender Steuerungsoptionen auch fiir die weiteren Agenturen als geeignet erschien. Die dominierende Anwendung des Konsultationsverfahrens und nicht zuletzt das geringe Interesse der Principals an den Organisationsstrukturen der EU-Agenturen unterstlitzten eine Beibehaltung dieses getroffenen Kompromisses. Bei den Agenturen der dritten Generation wurden geringfugige Modifikationen am Organisationsmodell vorgenommen, was auch auf eine veranderte Position des EP in den Mitentscheidungsverfahren zurlickzufiihren ist. Der Verwaltungsrat verantwortet die Festlegung des Arbeitsprogramms einer Agentur, die Verabschiedung des Haushaltplans sowie die Emennung des Direktors. Zumeist fiir drei Jahre zahlen zu seinen Mitgliedem entsprechend der GV in der Regel je ein Vertreter aus der Fachverwaltung jedes Mitgliedstaates und ein Vertreter aus der zustandigen Generaldirektion. In einigen Fallen, etwa der Arzneimittelagentur und der Umweltagentur, sind zudem vom Parlament emannte wissenschaftliche Sachverstandige vertreten. Zwar sind die Verwaltungsratsmitglieder nicht weisungsgebunden, dennoch handeln die Reprasentanten der Mitgliedstaaten vorwiegend wie Botschafter ihrer nationalen Verwaltung bzw. ihres nationalen Fachministers (Metcalfe 1999: 205). Die Kommission sieht sogar die Gefahr, diese Gremien konnten zu stark von mitgliedstaatlichen Interessen geleitet bzw. auch blockiert werden und das Gemeinschaftsinteresse in den Hintergrund drangen. Fiir einige Verwaltungsrate der neuesten Agenturen wurden daher bereits Uberlegungen des Kommissionsvorschlags zu den Rahmenbedingungen fiir die europaischen Regulierungsagenturen umgesetzt. So sind im Verwaltungsrat der EFSA Experten vertreten, die Erfahrungen aus Verbraucherorganisationen oder anderen betroffenen Kreisen nachweisen miissen. In den Agenturen fiir die Sicherheit des Seeverkehrs und fiir Netzsicherheit sitzen ebenfalls nicht-stimmberechtigte Delegierte bestimmter Interessengruppen im Verwaltungsrat. Perspektivisch sollen solche stakeholder der Agenturen eine intensivere Ausiibung der politischen Kontrollfunktion des Parlaments ermoglichen (KOM(2002)718endg.: 11, Kelemen 2002: 109). Allerdings lassen sich die bei einigen Agenturen vom EP emannten Sachverstandigen nur begrenzt zur Steuerung nutzen, zumal das Parlament ohnehin daran kein ausgepragtes Interesse hat: Als Teil der Haushaltsbehorde der Gemeinschaft hat es den vom Verwal'^ Seit 2004 gehoren auch zwei Sachverstandige aus Patientenorganisationen sowie je ein Vertreter von Arzte- und Tierarzteorganisationen dem Verwaltungsrat der EMEA an (GV EMEA 2004, Art. 65.1).
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tungsrat verabschiedeten Haushaltsplan der Agenturen zu genehmigen und gibt in dieser Doppelrolle einer glaubwiirdigen Beteiligung an der Festlegung des EU-Haushalts den eindeutigen Vorrang gegeniiber einem allzu intensiven Engagement bei der Steuerung einer Agentur iiber den Verwaltungsrat (Schout 1999: 128). Die Entscheidungen des Verwaltungsrates mils sen in wichtigen Fragen wie der Emennung des Direktors oder der Annahme des Haushaltsplans im Konsens getroffen werden, bei anderen Fragestellungen zumeist mit einer Zweidrittelmehrheit. In der Praxis orientieren sich die nationalen Reprasentanten in den Abstimmungen bei beiden beobachteten Agenturen am Entscheidungsverhalten der Kommissionsvertreter (Interviews). Obschon gelegentlich mitgliedstaatlichen Vertretem im Verwaltungsrat fehlendes Engagement vorgeworfen wird (EU-Kommission 2003b: 53), muss das Entscheidungsverhalten der mitgliedstaatlichen Vertreter keineswegs als ein bewusster Zugriffsverzicht gewertet werden. Stattdessen ware vorstellbar, dass ihre Abhangigkeit von den Heimatministerien uberschatzt wird und sie der Position der Kommissionsvertreter als autonome Fachleute zustimmen oder sich gegeniiber der „europaischen Idee" loyaler verhalten als nationalen Interessen. Daneben ware ein praktisches Argument fiir diese Form der Entscheidungsfindung erwagbar: Neben ihrer Tatigkeit im Verwaltungsrat der Agentur gehen die nationalen Vertreter auch ihren Aufgaben im heimatlichen Ministerium nach und verfiigen moglicherweise iiber weniger Ressourcen zur Vorbereitung von Verwaltungsratssitzungen als die Kommissionsbeamten. Gleichzeitig befordem die Arbeitsbedingungen der Verwaltungsrate die dominante Position der Kommissionsvertreter, insbesondere die GroBe der Gremien und die geringe Frequenz ihrer Sitzungen. Bestarkt durch die EUOsterweiterung verringert die wachsende Anzahl von Verwaltungsratsmitglie17
dern die Einflusschancen der einzelnen Akteure auf Entscheidungen. Bei den relativ seltenen Zusammenkiinften (ca. zweimal jahrlich in den meisten Fallen) werden zudem anstatt strategischer vor allem administrative Themen behandelt (EU-Kommission 2003b: 53). Daneben gibt es in fast alien Agenturen Ausschlisse, die Stellungnahmen zu technischen oder wissenschaftlichen Fragen abgeben bzw. als Informationsvermittler tatig werden. Als Ausnahme bilden in der Arzneimittelagentur die wissenschaftlichen Ausschlisse das eigentliche Entscheidungszentrum der Agentur, in denen die Beurteilung der Arzneimittel erfolgt. Im Fall der Umweltagentur dient der so genannte Beirat vor allem der „Qualitatssicherung" bei der Verab'' Verschiedentlich wurde daher vorgeschlagen, ein Biiro im Verwaltungsrat einzurichten, in dem eine begrenzte Anzahl von Verwaltungsratsmitgliedern administrative Entscheidungen trifft, um den gesamten Verwaltungsrat zu entlasten und selbigen einzig fiir die Formulierung strategischer Entscheidungen zu konstituieren (EU-Kommission 2003b:6f.,54).
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schiedung des Arbeitsprogramms (Interviews KOM, EUA). Dass die in diesen Gremien getroffenen primar wissenschaftlichen Entscheidungen auch strategische Effekte zeitigen konnen, zeigt die Zustandigkeit des Beirats der EUA fiir die Uberprlifung und Auswahl der Mitglieder des Partnernetzwerkes der Umweltagentur, die auf Grundlage wissenschaftlicher Kriterien erfolgen soil (Interview EUA). In der Praxis obliegt damit dem Beirat eine wichtige vorbereitende Rolle fiir eine der Hauptaufgaben der Umweltagentur. Die Ausschiisse setzen sich aus Experten zusammen, die von den Mitgliedstaaten berufen werden und deren Unabhangigkeit explizit durch die GV vorge18
schrieben wird - in einigen Fallen diirfen auch nicht-stimmberechtigte Sachverstandige teilnehmen. Fiir einige der Agenturen der dritten Generation konnte sich das Parlament mit der Forderung durchsetzen, die wissenschaftlichen Ausschiisse auch mit Vertretem der Adressaten einer Agentur zu besetzen, im Fall der ENISA besteht deren technischer Ausschuss ausschlieBlich aus Sachverstandigen der interessierten Kreise (GV ENISA, Art. 8.1). Folglich kann die Prasenz der Principals in den agenturinternen Organen als wichtige Steuerungsoption mit hohem Einflusspotenzial gelten. Zunachst konnten aus Perspektive der Principal-Agent-Theorie beide Organe als Form einer direkten Kontrolle der Principals liber police patrols gelten. Allerdings sind in beiden Gremien jeweils Delegierte vertreten und es werden zunehmend stakeholder eingesetzt, was eher als selektive Steuerung iiber fire alarms aufgefasst werden kann. Demnach wird bei den EU-Agenturen eine Kombination der von der Principal-Agent-Theorie unterschiedenen Steuerungsmodi angewandt. Allerdings schrankt die Funktionsweise dieser Gremien die tatsachliche Wahrnehmung dieses Steuerungspotenzials merklich ein. So haben die Beobachtungen zu den Verwaltungsraten verdeutlicht, dass mit dem Abstimmungsverhalten, der GroBe der Gremien und der Frequenz ihrer Sitzungen nicht alien Principals eine gleich intensive Beteiligung an dieser Steuerung zukommt und stattdessen die Kommission diese Moglichkeit zur Einflussnahme auf die strategische Ausrichtung der EU-Agenturen intensiver nutzt als die Mitgliedstaaten oder das Parlament. Die Ausschiisse wiederum bieten nur den Mitgliedstaaten und zunehmend dem Parlament Moglichkeiten einer, auf fachlich-wissenschaftliche Bereiche begrenzten, Steuerung der Agenturen (Metcalfe 1999: 205), die auf Grund ihrer beratenden Funktion fiir andere agenturinterne Organe durchaus wichtige Steuerungsimpulse erzielen kann. Jede EU-Agentur wird von einem Direktor geleitet, der als gesetzlicher Vertreter deren gesamte Tatigkeiten verantwortet und in den meisten Fallen fiir fiinf "^ In der EMEA wurde zudem ein Verhaltenskodex verabschiedet, der eine jahrliche Darstellung der finanziellen Interessen der Ausschussmitglieder vorsieht und so die Einflussnahme der Industrie auf die Ausschusse verringem soil (GV EMEA 2004, Art. 63.2).
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Jahre beauftragt wird. Im Rahmen seiner Geschaftsfiihrungsbefugnis nimmt der Direktor umfassende Kompetenzen bei der Formulierung des Arbeitsprogramms, der Aufstellung des Haushaltsplans und in Personalangelegenheiten wahr (Fischer-Appelt 1999: 270f.). Insbesondere in der Aufbauphase wird dem Direktor eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der neuen Agentur beigemessen (Williams 2003: 16), was das Beispiel der Umweltagentur illustriert. Bin Hintertreffen der spanischen gegeniiber der danischen Bewerbung um den Standort der Agentur wurde mit der Emennung des spanischen Kommissionsbeamten Domingo Jimenez-Beltran zum ersten Exekutivdirektor der EUA in Kopenhagen als angemessener Preis in den Verhandlungen akzeptiert (Schout 1999: 123f.). Das Emennungsrecht fiir die Behordenleitung nimmt bei alien Agenturen der zweiten und dritten Generation formal der Verwaltungsrat durch einstimmi19
gen Beschluss wahr, faktisch allerdings hat die Kommission hier groBe Einflussmoglichkeiten - nicht nur auf Grund ihrer ohnehin starken Position in dortigen Abstimmungssituationen. Zum einen besitzt die Kommission ein Vor20
schlagsrecht fiir die Position des Direktors, von dem sie auch regen Gebrauch macht. Zum anderen kann die Verlangerung der Amtszeit des Direktors mit Vorlage eines Kommissionsvorschlags auch ohne neues Auswahlverfahren erfolgen, was bereits die Kritik des Rechnungshofs an moglichen „Abhangigkeiten des Direktors (...) von den fiir die Verlangerung seines Mandats zustandigen Stellen der Kommission" (EuRH 2002: 4) provoziert hat. Dass die Kommission an diesen Steuerungsmoglichkeiten festhalten will, zeigt ihr Vorschlag, im Rahmen einer - infolge der Annahme der neuen Haushaltsordnung - notwendigen Anderung aller Griindungsverordnungen der EU-Agenturen diese Verfahren einheitlich nach dem Vorbild der Europaischen Stiftung fiir Berufsbildung auszugestalten (KOM(2002)406endg.: 7). Als Modell dient deshalb eine Agentur der zweiten Generation, weil bei selbiger der Kommission jene Rechte zufallen und in den GV der neueren Agenturen auch professionelle Einstellungskriterien sowie teilweise offentliche Ausschreibungen fiir den Direktorposten vorgeschrieben sind(Geradin2005:41). Einige Agenturen sind bei der Durchfiihrung ihrer Aufgaben an ein Netzwerk von Partnereinrichtungen gebunden, welches sie aufbauen und verwalten. Hierzu zahlen alle Agenturen des Uberwachungstyps, aber auch die Arzneimittelagentur oder die Europaische Lebensmittelbehorde arbeiten mit nationalen '^ Fiir die Agenturen der ersten Generation emennt die Kommission den Direktor direkt (GV CEDEFOP 1975, Art. 6; GV E.FOUND 1975, Art. 8). ^° Als Ausnahme wird der President des HABM vom Verwaltungsrat vorgeschlagen und dem Rat emannt. Bei der EASA wird das Vorschlagsrecht der Kommission in der GV leicht eingeschrankt: „Die Kommission kann einen oder mehrere Kandidaten vorschlagen" (Hervorhebung JF) (GV EASA, Art. 16.1).
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Experten in Netzwerken zusammen. Das Partnemetzwerk der Umweltagentur „Eionet" umfasst derzeit liber 300 nationale Einrichtungen und Experten. Einerseits fordert das Eionet die Unabhangigkeit und professionelle Integritat der Umweltagentur, andererseits verhindert es politisch motiviertes Verhalten seitens der Agentur, sofern diese nicht ihre Reputation gefahrden und zukunftige Kooperationen erschweren will (Majone 1997). Demgegeniiber streben allerdings auch die beteiligten nationalen Verwaltungen nach Glaubwlirdigkeit durch Unabhangigkeit - mit einem in der Folge systematischen Spannungsverhaltnis innerhalb des Netzwerkes, welches durch Ambitionen nach unabhangiger Expertise zur Steigerung der Glaubwlirdigkeit gepragt ist (vgl. Slaughter 2004). Gleichzeitig bietet ein funktionierendes Netzwerk auch konkrete Steuerungsoptionen: Zum einen konnen die Mitgliedstaaten die EU-Agentur und deren nationale Partnereinrichtungen als institutional checks zur gegenseitigen Steuerung und Kontrolle einsetzen. So finden etwa regelmaBig Konferenzen zwischen der Umweltagentur und den nationalen Anlaufstellen statt, um sich gegenseitig liber den Stand der Projekte zu informieren (Interview EUA). Zum anderen lassen sich die im Netzwerk etablierten Kontakte zur Vorgabe unausgesprochener Regeln nutzen, die eine antizipierende Haltung der EU-Agentur gegenliber den Mitgliedstaaten fordem. Der Kommission und dem Parlament hingegen bieten diese Partnernetzwerke nahezu keine Steuerungsmoglichkeiten (Kelemen 2002: 103). Allerdings bedient das Eionet primar mitgliedstaatliche Interessen, die sich nicht auf die Steuerung der EU-Agenturen beziehen, sondem mit dem institutionellen Kontext dieser Delegationsbeziehung verknlipft sind. Zum einen gait das Eionet als wichtiges Verhandlungsinteresse einzelner Mitgliedstaaten, angesichts unterschiedlicher nationaler Herangehensweisen besser liber die Bemlihungen der anderen Lander bei der Uberwachung der Umwelt informiert zu sein und die unternommenen - auch fmanziellen - Anstrengungen zur Entwicklung ihrer nationalen Uberwachungssysteme nicht zu konterkarieren. Damit wollten die Mitgliedstaaten die bisherigen informellen Strategien des „naming and shaming" (Eberlein 2004: 22) verstarken und letztlich ein klassisches Problem kollektiven Handelns losen (vgl. Olsen 1965). Zum anderen bedient diese Netzwerkstruktur das Interesse aller Mitgliedstaaten, nicht nur die Rolle und Relevanz ihrer nationalen Verwaltungen weiterhin selbst zu definieren (Kelemen 2002: 103f.) sondern auch ihre Partizipationsmoglichkeiten auszubauen, die bei einer Bearbeitung der Themen durch die Kommissionsdienste wesentlich geringer ausfallen wurden(Vos2003: 119f.).
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43 Zu Personal und Haushalt europdischer Agenturen Grundsatzlich unterstehen alle EU-Agenturen dem Statut und den Beschaftigungsbedingungen flir die Beamten und sonstigen Bediensteten der Europaischen Gemeinschaften, deren Vorgaben in der Praxis allerdings nicht durchgehend gefolgt wird. So wird die Eingruppierung des Personals teilweise umgangen, um flache Hierarchien zu sichem (Schout 1999: 119). Auch der vorgegebene - und in anderen europaischen Einrichtungen iibliche - Grad an geographischer Ausgewogenheit der Mitarbeiter wird nicht erreicht. Stattdessen dominiert die Nationalitat des Standortlandes und es erweist sich als schwierig, geeignete Bewerber aus anderen EU-Staaten anzuziehen (EU-Kommission 2003b: 68). Dementsprechend bildet sich in den EU-Agenturen kaum ein europaischer „esprit du corps" heraus (vgl. Shore 2000), der anstelle nationaler Sichtweisen einen europaischen Horizont bei der Erledigung der Aufgaben fordert. Vielmehr wird die jeweilige Organisationskultur von der dominanten Nationalitat gepragt - und damit der Verwaltungskultur des Standortlandes. So werden innerhalb der in Kopenhagen ansassigen Umweltagentur Kontakte und Kooperation anstatt Hierarchic gefordert und neue Mitarbeiter aus anderen Mitgliedstaaten sind teilweise sehr iiberrascht, dass z.B. die gegenseitige Anrede - wie in Danemark iiblich - per Du erfolgt (Interview EUA). Daneben leihen in der Umweltagentur einige Mitgliedstaaten Verwaltungsmitarbeiter unter Fortzahlung ihrer Bezuge an bestimmte Abteilungen aus. Wenngleich es sich hierbei um Einzelfalle handelt, werden diese Mitarbeiter v.a. in der RNC-Abteilung („Reporting and Networking Coordination") eingesetzt, die sich mit der Koordination des Eionet beschaftigt (EUA 2000d: 30) und der als Schnittstelle zu den nationalen Institutionen strategische Aufgaben zukommen. Dass auch die Kommission die Relevanz solcher Kontakte erkannt hat, zeigt das zwischen der GD Umwelt und der Umweltagentur vereinbarte Austauschprogramm fur Mitarbeiter (EUA 2000d: 36). Unterstutzend wirken in anderen Fallen agenturinteme Regeln, etwa bei der EMEA, die den Mitarbeitern ohne Verlust ihrer Senioritat einen Wechsel in die Kommission ermoglichen (Interview EMEA). Umgekehrt waren in der EMEA viele Mitarbeiter vor ihrer Anstellung in anderen europaischen Einrichtungen beschaftigt, auch bei der GD Untemehmen (Interviews KOM, EMEA). Bei der Finanzierung europaischer Agenturen werden drei Formen unterschieden (Kuckelkom/ Farm 2002: 2): Agenturen, die sich vollstandig selbst finanzieren (die beiden Amter und das Ubersetzungszentrum); Agenturen, die sich teils durch Gebiihren und teils durch Zuschiisse aus dem EU-Haushalt fi-
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nanzieren (EMEA, EFSA) sowie Agenturen, die vollstandig durch Zuschlisse aus dem EU-Haushalt finanziert werden (alle anderen Agenturen). In der Haushaltsterminologie der EU fallen die Zuschiisse an EU-Agenturen unter die nichtobligatorischen Ausgaben und es entscheidet somit final das Parlament iiber deren Feststellung (Dehousse 1997: 258). Dass die Mittel fur EU-Agenturen in eigenen Haushaltstiteln veranschlagt werden, ermoglicht die Beteiligung der jeweiligen Fachausschiisse des Parlaments bei den Haushaltsberatungen (Tillich 1998: 126) und verhindert bislang eine Konkurrenz zwischen den Agenturen um die Zuschusse (Fischer-Appelt 1999: 299). Wenngleich die Feststellung der Mittel an EU-Agenturen im Rahmen des Haushaltsverfahrens dem Parlament groBe Steuermoglichkeiten bieten sollte, bleibt diese power of the purse in der Praxis dadurch beschrankt, dass die Planung der Aufgaben der Agenturen fiir das nachste Haushaltsjahr nicht mit den zugeschriebenen Mitteln korrespondiert. Synonym fur andere Beispiele werden bei der Umweltagentur „additional requests (...) included within the work programme, without due consideration for their costs" (Schout 1999: 160). Dass die Finanzvorschriften zur Aufstellung und Ausfiihrung des Haushaltsplans vom jeweiligen Verwaltungsrat formuliert werden und die EU-Agenturen nicht den Gemeinschaftsvorschriften unterstehen, befordert die beschrankte Handlungsfahigkeit des Parlaments. Im Verfahren zur Entlastung der Mittel fiir die Ausfiihrung des Haushaltsplans bieten sich allerdings Moglichkeiten einer ex post Steuerung: Einerseits kann das EP die Entlastung verweigem, zwar ohne Konsequenzen fiir die Handlungsfahigkeit einer Agentur, aber mit erheblicher Gefahr fiir die Reputation einer Behorde. Andererseits ermoglicht der Folgebericht zur Entlastung die Forderung von MaBnahmen, denen die Agenturen nachkommen und deren Fortschritt sie an das Parlament berichten miissen (Fischer-Appelt 1999: 292). Daneben werden die EU-Agenturen hinsichtlich ihrer Rechnungslegung durch Auditstellen kontrolliert, die innerhalb der Generaldirektionen angesiedelt sind (Verordnung (EG) Nr. 2342/2002, Art. 109ff.). Bezuglich ihres Haushaltsvollzugs werden sie zudem vom Europaischen Rechnungshof ex post iiberwacht. Insgesamt lassen sich im Subtext der Vorgaben zum Personal durchaus Steuerungsoptionen fiir die Principals identifizieren, etwa zur Formulierung unausgesprochener Regeln bzw. zur Unterstiitzung einer antizipierenden Haltung der EU-Agentur gegeniiber ihren Forderungen. Die Mitgliedstaaten konnen dies iiber die entwickelte Organisationskultur der Agenturen, den personellen Austausch Oder eine Instrumentalisierung der „Leihmitarbeiter" verfolgen. Der "' Uber die Gebuhrenfestsetzung entscheidet nicht nur der jeweihge Verwaltungsrat, sondem nach einem in der GV kodifizierten Festsetzungsverfahren auch der Rat, die Kommission und/oder bestimmte Komitologieausschtisse, um auch die Agenturen mit Eigenmitteln an die Gemeinschaftsorgane zu binden (Fischer-Appelt 1999: 281).
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Kommission sind hier weniger Moglichkeiten gegeben, aber auch sie nutzt Steuerungsmechanismen im Bereich Personal. Beziiglich der Finanzen erhalten Kommission und Mitgliedstaaten iiber den Verwaltungsrat bei der Aufstellung und Ausfuhrung des Haushaltsplans intensive Steuerungsmoglichkeiten. Diese sind umso bedeutender, da das Parlament zwar im Rahmen des Haushaltsverfahrens Vorgaben trifft, diese allerdings nicht uneingeschrankt durchsetzen kann.
4.4 Zur Arbeitsweise europdischer Agenturen Flir alle europaischen Agenturen wird laut GV im Verwaltungsrat am Ende des laufenden Jahres ein Arbeitsprogramm fiir das kommende Jahr zur Abstimmung gestellt. Diese Arbeitsprogramme bieten durch ihre kontinuierliche Formulierung einen langfristigen Rahmen fiir die Arbeitsweise der Agenturen. Formuliert wird das Arbeitsprogramm in vielen Fallen vom Direktor, der hierzu in der Regel neben der Kommission auch (wenn vorhanden) die Ausschiisse um vorherige Stellungnahmen bittet. Bei der Arzneimittelagentur gestaltet sich nach Aussage der beteiligten Akteure die Formulierung des Arbeitsprogramms durch die Agentur, die GD Untemehmen und die Ausschiisse kooperativ und flihrt zu einem Ergebnis, welches im Verwaltungsrat meist keiner groBeren Anderungen bedarf (Interviews KOM, EMEA). Dass in der Praxis durchaus auch konflikttrachtigere Aushandlungsprozesse ablaufen konnen, zeigt das Beispiel der Umweltagentur. Hier wird die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats zum Arbeitsprogramm als wissenschaftlicher Ausgleich gegenliber einer unterstellten politisch motivierten Projektauswahl im Verwaltungsrat genutzt (EUA 2000b: 108). Zumeist sind die in den Arbeitsprogrammen formulierten Zielvorstellungen iiber die Arbeitsweise der EU-Agenturen eng mit der Definitionsscharfe ihrer Aufgaben in der Griindungsverordnung verknlipft und stehen damit in direktem Bezug zu den funktionalen Typen europaischer Agenturen. Im Fall der QuasiRegulierungsagenturen bieten ihre Griindungsverordnungen bestimmte Zielvorgaben flir ihre relativ prazise gestellten Aufgaben. So ist etwa die Arzneimittelagentur im Rahmen der Zulassungsverordnung verpflichtet, liber eine Zulassung innerhalb von 210 Tagen eine Empfehlung zu verfassen. Dementsprechend werden in den Arbeitsprogrammen der EMEA die Zulassungen des nachsten Jahres geschatzt und grobe Hauptziele flir das Aufgabenspektrum der Agentur formuliert. Dahingegen mlissen die in den Griindungsverordnungen diffus formulierten Aufgaben der Agenturen des Uberwachungsmodells in den Arbeitsprogrammen stark prazisiert werden (EU-Kommission 2003a: 7). Flir die Agenturen des Kooperationsmodells beinhalten die Arbeitsprogramme eher deklaratorische Zielsetzungen zur weiteren Entwicklung der Agenturen, da sie bereits eng an die
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Vorgaben durch die umzusetzenden Gemeinschaftsprogramme gebunden sind. In den Arbeitsprogrammen der Agenturen des Exekutivmodells werden in ahnlicher Weise eher ungenaue Zielsetzungen getroffen, in der Gewissheit, dass ihre Tatigkeiten als Dienstleistungen von den anderen EU-Organen abgerufen werden. In Korrespondenz zu den Arbeitsprogrammen erstellen alle europaischen Agenturen gemaB ihrer Griindungsverordnungen Jahresberichte, die Angaben zu den Tatigkeiten und der Aufgabenerledigung der Agentur sowie zum Stellenund Haushaltsplan beinhalten (Fischer-Appelt 1999: 264). Nach Verabschiedung im jeweiligen Verwaltungsrat wird bei den Agenturen der ersten Generation dieser Bericht an die Kommission, bei alien anderen Agenturen auch an den Rat, das Parlament, die Mitgliedstaaten sowie den Rechnungshof versendet. Trotz dieser scheinbaren Offentlichkeitswirkung der Berichte bleibt deren Steuerungsbedeutung gering, da die enthaltenen Informationen wegen des Zustandekommens der Berichte bereits im Vorfeld den Principals bekannt sind. Fiir den Rechnungshof hingegen bilden diese Berichte eine wichtige Grundlage zur Auslibung seiner Kontrollfunktion. Bei keiner europaischen Agentur werden fiir die Aufgabenerledigung umfassende Managementinstrumente eingesetzt, wie sie auf nationaler Ebene unter dem Begriff „Kontraktmanagement" diskutiert und angewandt werden. Das bisherige System von korrespondierenden Arbeitsprogrammen und Jahresberichten erlaubt nur rudimentar, die eingesetzten Ressourcen mit dem - ohnehin unterschiedlich klar definierten - Leistungsoutput der Agenturen zu kontrastieren. Dennoch konnen darin Elemente einer Zielsteuerung identifiziert werden, die allerdings fallspezifisch variieren und deren Steuerungswirkungen als sehr gering eingestuft werden miissen (Fleischer 2003). In ersten extemen Evaluationen iiber die Effizienz der EU-Agenturen spiegelt sich diese geringe Ergebnisorientierung wider: Nach Einschatzung der GD Haushalt ist die effizientere Aufgabenerledigung gegeniiber einem Vollzug der Aufgabe innerhalb der Kommissionsdienste nicht in alien Fallen gegeben (EU-Kommission 2003b: 7). Ahnliches hat auch der Haushaltsausschuss des EP belegt und mit einem Vergleich der Lohnstlickkosten der EU-Agenturen und der Kommissionsdienste aufgezeigt, dass nur die Halfte der EU-Agenturen ihre Tatigkeiten giinstiger durchfiihrt, als eine Bearbeitung der Aufgabe durch die Kommissionsbeamten ware (Kuckelkom/ Farm 2002: 6). Dass bei den europaischen Agenturen keine durchgreifende Ergebnisorientierung angestrebt wird, darf aber keineswegs einzig darauf zuriickgefiihrt werden, dass die Principals bereits iiber die ex ante Mechanismen ihre Steuerungsinteressen befriedigt sehen (vgl. Huber/ Shipan 2002). Vielmehr kann ein veritables Desinteresse an einer solchen ex post Steuerung seitens der Principals unterstellt werden, verursacht durch verschiedene Bedingungen der Aufgabendelega-
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tion: Einerseits kann die grundsatzliche Orientierung der EU-Agenturen auf nicht-hoheitliche Aufgaben das fehlende Interesse der Principals an einer ergebnisorientierten Steuerung nachvollziehbar machen. Andererseits hat sich die auf nationaler Ebene durch die NPM-Bewegung proklamierte Effizienzorientierung (und damit einhergehende Einfiihrung von Messtechniken und Kennzahlen zur Leistungserfassung) bislang nicht als handlungsleitendes Kriterium im europaischen Institutionengefiige durchgesetzt, stattdessen dominieren Partizipationsund Legitimitatsziele (vgl. Olsen 2002). Zusammengefasst folgt die Steuerung europaischer Agenturen zumeist einem traditionellen, hierarchischen Muster. Trotz der unterschiedlichen Steuerungsinstrumente fiir die verschiedenen Principals nutzt die Kommission die ihr umfassend zur Verfiigung gestellten Steuerungsoptionen intensiver als die Mitgliedstaaten und das Parlament. Auch wenn sich durch die praktische Anwendung der Vielzahl an Steuerungsinstrumenten durch die Principals mit der Principal-Agent-Theorie plausibel begriinden lieBe, dass die Handlungsspielraume der Agenturen eher gering ausfallen, so bleibt die Frage nach deren Nutzung durch die Agenturen offen. Eine rein eigennutzorientierte Interpretation selbiger scheint allerdings in der Praxis nicht vorzuliegen. Stattdessen lasst sich - z.B. in den Partnemetzwerken - eine professionelle Selbststeuerung beobachten, bei der mit Reputation und Vertrauen Anreizmechanismen in den Vordergrund treten, die einerseits von den Principals nicht vorgehalten werden und andererseits fehlende Anreize einer ergebnisorientierten Steuerung ersetzen konnen.
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Schlussfolgerungen und Ausblick: Die EU-Agenturen als Instrumente einer europaischen Verwaltungspolitik?
In der vorangegangenen Analyse der Steuerung europaischer Agenturen bestatigten sich die aus der beobachtbaren Etablierungslogik formulierten Annahmen: In den Grlindungsverordnungen der EU-Agenturen werden die Steuerungsinstrumente in Tradition des europaischen Sekundarrechts umfassend und detailliert formuliert. Daneben liegt der Schwerpunkt der verfiigbar gemachten Steuerungsinstrumente auf ex ante Mechanismen des institutionellen Designs der EUAgenturen, wohingegen ex post Mechanismen, etwa eine ergebnisorientierte Steuerung, vernachlassigt werden. Dass im Rahmen dieses institutionellen Designs in der Praxis vomehmlich Kompetenzen und Aufgaben fokussiert werden, weitere Mechanismen wie Aufbau- und Ablauforganisation hingegen weitgehend in den Hintergrund treten, zeigt die Ambivalenz der Steuerungsziele: Fiir die Principals soil diese Steuerung nicht ausschliefilich die konforme Erledigung
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einer Verwaltungsaufgabe sicherstellen, sondem weiterfiihrenden Interessen an der Position der Agenturen in den interinstitutionellen Beziehungen des Exekutivfoderalismus dienen. Eine Rollenbeschreibung der EU-Agenturen muss demnach zwei Dimensionen voneinander trennen: (1) Zum einen lasst sich auf einer „Policy"-Dimension eine Rolle der EU-Agenturen im jeweiligen Politikfeld beschreiben, jene Handlungsspielraume widerspiegelnd, die mit der Steuerungspraxis entstehen. (2) Zum anderen lasst sich auf einer „institutionellen" Dimension eine Relevanz der EU-Agenturen fiir die inter-institutionellen Beziehungen im europaischen Verwaltungsmodell skizzieren, die ebenfalls durch die Steuerung charakterisiert wird und zudem eng mit dem jeweiligen Politikfeld verknlipft ist. (1) Trotz der Beschrankung auf nicht-hoheitliche Aufgaben oszillieren die Agenturen hinsichtlich ihrer eigenen Rolle im jeweiligen Politikfeld auf einem Spektrum: An dem einen Ende lassen sich die Quasi-Regulierungsagenturen verorten, die wegen ihrer entscheidungsvorbereitenden Aufgaben und der Interdependenz zwischen ihrer Etablierung und der Einfiihrung neuer Verfahren erhebliche Moglichkeiten haben, sich eigene Handlungsspielraume zu schaffen und eine starke Rolle herauszubilden. Auf dem anderen Ende lassen sich die Dienstleistungsagenturen einordnen, die in ihrer Aufgabenstellung sehr stark gebunden werden und denen kaum eine eigene Rolle zukommt. Den Agenturen des Uberwachungsmodells werden auf Grund ihrer ungenauen Aufgabendefinition und der Ausrichtung auf Partnemetzwerke gewisse Handlungsspielraume eroffnet, die zu einer maBigen Rolle fiihren und sie zwischen beide Pole in Nahe der Quasi-Regulierungsagenturen stellen. Dahingegen sind die Kooperationsagenturen in ihrer kooptierenden Ausrichtung mit tendenziell geringeren Handlungsspielraumen ausgestattet, die eine eher schwache Rolle bestimmen und sie zwischen beide Pole nahe der Dienstleistungsagenturen setzen. Zur Sicherstellung einer konformen Interpretation dieser unterschiedlichen Spielraume sind zwar weitere Steuerungsinstrumente etabliert worden, allerdings bestatigt deren Funktionsweise in der Praxis das skizzierte Spektrum. Weder bestehen signifikante Unterschiede in der Organisation der Agenturen (auBer geringe Modifikationen, z.B. in der Zusammensetzung des Verwaltungsrates), Oder den Rekrutierungsmustem, noch zeigen sich fiir die Arbeitsweise deutliche Unterschiede - alle EU-Agenturen werden bislang nur sehr begrenzt ergebnisorientiert gesteuert. Einzig bei der Finanzierung lieBen sich deutlichere Differenzen erkennen, allerdings gehoren die finanzautonomeren Agenturen zu jener Gruppe von Quasi-Regulierungsagenturen, denen auf Grund ihrer Aufgaben ohnehin die groBten Handlungsspielraume zugeschrieben werden. Insgesamt wird damit das Potenzial der EU-Agenturen zur Herausbildung einer eigenen Rolle in ihrem Politikfeld iiber die jeweilige Programmierungsbindung sowie die administrati-
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ven Vollzugsinstrumente beeinflusst und weniger von den weiteren Steuerungsinstrumenten. (2) Fiir eine Einschatzung der Relevanz von EU-Agenturen in den interinstitutionellen Beziehungen lassen sich aus der Steuerungspraxis zunachst verschiedene Ankniipfungspunkte identifizieren. Dass sich einige mitgliedstaatliche Vertreter im Verwaltungsrat kaum fiir deren Arbeit interessieren, kann als Hinweis aufgefasst werden, dass dieses Gremium nicht aus rein funktionalen Grlinden so besetzt wird, sondern vielmehr die Krafteverbaltnisse der Legislativakteure widerspiegelt: Die Mitgliedstaaten bestehen auf einem Sitz im Verwaltungsrat, obwohl sie keine starken Zugriffsinteressen auf die Agenturen haben, um ein Kompetenzmonopol der Kommission zu verhindem. Dass in den neueren Agenturen auch stakeholder anstelle mitgliedstaatlicher Vertreter in den Verwaltungsraten sitzen, kann als Verhandlungsverlust der Mitgliedstaaten gegeniiber der starkeren Stellung des EP in den Legislativverfahren gelten, aber auch deren geringes Interesse an einer solchen Steuerung widerspiegeln. Die traditionelle Konfliktlinie zwischen Mitgliedstaaten und Kommission wird auch mit dem mitgliedstaatlichen Interesse an Partnemetzwerken thematisiert, die aus ihrer Perspektive in ahnlicher Weise wie die Komitologie indirekt die Kommission kontrollieren helfen. Daneben driicken diese Netzwerke eine weitere Konfliktlinie aus: Die Mitgliedstaaten eint nicht immer die europaische Idee, stattdessen sind viele Interaktionen durch gegenseitiges Misstrauen gepragt, welches durch die Partnernetzwerke und die Moglichkeiten einer gegenseitigen indirekten Kontrolle befriedigt wird. Auch bei der Steuerung iiber finanzielle Vorgaben wird ein traditioneller Konflikt interinstitutioneller Beziehungen auf EU-Ebene deutlich: Die Agenturen werden quasi als „Nebenschauplatze" fiir ein Kraftemessen zwischen Kommission und Parlament verwendet, indem die Kommission im Verwaltungsrat an einer Aufgabendefinition der Agenturen mitformuliert, der das Parlament im Haushaltsverfahren nur bedingt zugestimmt hat und welche es nur schwer mit den verfiigbaren haushalterischen ex post Steuerungsinstrumenten verhindern kann. Folglich weisen einige Aspekte in der Anwendungspraxis der Steuerungsinstrumente darauf hin, dass die verschiedenen Principals - und insbesondere die Kommission und die Mitgliedstaaten - die Steuerung der EUAgenturen an bekannte Konfliktlinien der Machbalance zwischen den Akteuren auf EU-Ebene koppeln und diese neuen Behorden bewusst zu deren Beeinflussung einsetzen. Eine Betrachtung der Politikfelder, in denen die Agenturen agieren, erhellt das jeweilige Einflusspotenzial von EU-Agenturen zur Anderung dieser Machtbalance. Die Agenturen der ersten und zweiten Generation (mit Ausnahme der beiden Amter und der Arzneimittelagentur) entfalten ihre Aktivitaten in Bereichen, die als Teil eine Strategic der social regulation vomehmlich marktkorrigierend jene
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sozial- Oder umweltpolitischen Probleme verringem sollen, die mit der Umsetzung des Gemeinsamen Binnenmarktes in die gemeinschaftsweiten Regelungen einbezogen wurden (Fischer-Appelt 1999: 546f.). Diese Politikfelder sind durch einen Modus der positiven Integration gepragt, in dem MaBnahmen und Instrumente gewohnlich der ausdrlicklichen Zustimmung der Mitgliedstaaten bediirfen (vgl. Scharpf 1999: 70ff.). In der Folge konnen Agenturen in diesen Politikfeldem eher als Starkung der dominanten Position der Mitgliedstaaten aufgefasst werden (Dehousse 1997; Kreher 1997; Vos 2003; Chiti 2004). Allerdings finden sich unter diesen Agenturen nur Typen des Uberwachungs-, des Kooperationsund des Exekutivmodells, was wiederum eine Kompetenzsteigerung der Mitgliedstaaten insofern limitiert, als dass die Bedeutung der Agenturen wegen deren beschrankter Rolle in ihren Politikfeldern eher gering ausfallt. Dahingegen konnen die beiden Amter, die Arzneimittelagentur und alle Agenturen der dritten Generation als begleitende Akteure einer economic regulation aufgefasst werden, bei der neue Sektoren des Binnenmarktes marktschaffend reguliert werden. Diese Politikfelder folgen einem negativen Integrationsmodus, in dem zumeist verbindliche, legislative Instrumente eingesetzt werden und der Kommission eine zentrale Position als Legislativakteur zukommt (vgl. Scharpf 1999: 68f.). Insofern konnen diese Agenturen eher als Unterstutzung der starken Position der Kommission verstanden werden. Mit einer Delegation von Aufgaben zur Bearbeitung neuer Regulierungsgegenstande kann die Kommission zudem durch diese Quasi-Regulierungsagenturen neue Kompetenzen generieren, die vormals in mitgliedstaatlicher Verantwortung lagen (vgl. Krapohl 2004; Fleischer 2005). Insgesamt lassen die Entwicklungen der EU-Agenturen bis zur nunmehr dritten Generation einen gewissen Trend erkennen: Sind die ersten beiden Generationen noch vomehmlich administrative Heifer der Kommission, die indirekt vor allem Kontrollinteressen der Mitgliedstaaten befriedigen, so begleiten die neuesten Agenturen neue Felder europaischer Regulierungspolitik durch die Kommission. Zugespitzt formuliert lieBen sich insbesondere die neueren Agenturen als „Alibi-Behorden" bezeichnen, die in mancher Hinsicht Ausweitungen von Kommissionskompetenzen verdecken sollen. Mit ihrer traditionell hierarchischen Steuerungspraxis bindet die Kommission die EU-Agenturen stark an sich, was eine potenzielle Instrumentalisierung nicht nur erleichtem, sondem - mit Blick auf die Beschrankung auf nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln - auch als grundlegendes Merkmal der Delegationsbeziehungen gelten kann. Zusammen mit den Bemiihungen der Kommission um eine kiinftig stringentere Etablierungsstrategic - nach ihren Vorstellungen - lieBe sich diese Entwicklung des europaischen Agenturmodells als Form einer europaischen Verwaltungspolitik skizzieren. Dabei liegt eines der zentralen Ziele dieser verwaltungspolitischen
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Aktivitaten der Kommission nicht - wie auf nationaler Ebene - in einer effizienteren Erledigung von Verwaltungsaufgaben (vgl. Jann 2001). Stattdessen dient diese Verwaltungspolitik auf EU-Ebene vomehmlich einer Starkung der Kommission und Ausweitung ihrer Kompetenzen innerhalb der Machtbalance zwischen den EU-Organen.
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Autorenverzeichnis Tobias Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl ftir Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universitat Potsdam. Dr. Dominik Bollhoff ist Referent im Bundesministerium des Innem und derzeit abgeordnet in die Projektgruppe „Burokratieabbau" im Bundeskanzleramt. Dr. Marian Dohler ist Professor fiir Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik und Verwaltung an der Femuniversitat Hagen. JuMa Fleischer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Regierungsorganisation in Westeuropa" am Lehrstuhl fiir Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universitat Potsdam. Thurid Hustedt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Regierungsorganisation in Westeuropa" am Lehrstuhl fur Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universitat Potsdam. Dr. Martin Lodge ist Lecturer in Political Science and Public Policy am Department of Government der London School of Economics (LSE) und Research Theme Leader am Centre for Analysis of Risk and Regulation (CARR). Jan Tiessen ist Associate Analyst bei RAND Europe in Cambridge.