Parker begleicht die alte Rechnung Curd H. Wendt »Recht passabel, Mister Parker«, bemerkte Agatha Simpson und musterte ...
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Parker begleicht die alte Rechnung Curd H. Wendt »Recht passabel, Mister Parker«, bemerkte Agatha Simpson und musterte wohlgefällig die Köstlichkeiten, die der Butler für sie am kalten Büfett zusammengestellt hatte. »Wenn es so bleibt, kann ich es hier ein paar Tage aushalten.« »Sobald Mylady sich im Gelände befinden, dürfte der Speiseplan eine grundlegende Änderung erfahren«, gab Parker zu bedenken, während die majestätische Dame beherzt zulangte. »Was ist denn das für ein Störenfried?« fragte Agatha Simpson gleich darauf und bedachte den eleganten Endvierziger, der sich inmitten der Gäste Gehör zu verschaffen versuchte, mit einem mißbilligenden Blick. »Sofern man korrekt unterrichtet ist, handelt es sich um Mister Brian Cunney, den Inhaber des Hotels«, teilte der Butler mit. »Merkt der Mensch denn nicht, daß ich noch speise?« erwiderte Mylady ärgerlich. »Er soll seine Rede später halten.« Die Hauptpersonen: Buddy Snyder erhält als Spendensammler eine Abfuhr. Brian Cunney lädt betuchte Mitbürger zum Überlebenstraining in die unwegsamen Highlands ein. Perry Ferguson entledigt sich in luftiger Höhe seiner Waffen. Frank Temple bewahrt ein brisantes Erinnerungsstück auf. Eric O’Toole will einer exzentrischen Dame Disziplin beibrin gen. Hank Finley trifft in der Einöde zwei alte Bekannte wieder. Lady Simpson will partout eine Wette gewinnen, vergißt über allem Streß aber das Genießen nicht. Butler Parker erlebt als Lebensretter Undank und nimmt eine wortlose Einladung zum Duell an. »Meine sehr verehrten Damen und Herren«, begann Cunney, nachdem er endlich Aufmerksamkeit gefunden hatte. »Als Ge schäftsführer dieses Hotels und der Adventure Ltd. ist es mir eine Freude, Sie als Teilnehmer des Kurses begrüßen zu können. Den 2
heutigen Abend wollen wir nutzen, um uns näher kennenzulernen und noch mal die Wohltaten der Zivilisation zu genießen.« »Ein vernünftiger Vorschlag«, nickte Lady Agatha. »Wer – wie Sie – in gesicherten Verhältnissen lebt, wird sich vielleicht fragen, welchen Sinn ein Überlebenstraining hat«, fuhr der Mann im maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug fort. »Aber wie leicht kann es passieren, daß man plötzlich gezwungen ist, sich in menschenleerer Wildnis zu behaupten. Denken Sie nur an eine Notlandung mit dem Flugzeug, an einen Schiffbruch, der Sie auf eine einsame Insel verschlägt…« »Ich habe mal bei einem Jagdausflug in Kenia den Anschluß an die Gruppe verpaßt, und schon war der Safaribus weg«, meldete sich ein rundlicher Mann um die Sechzig zu Wort. »Man hat mich zwar bald wieder aufgegabelt, aber bei der Gelegenheit habe ich mir geschworen, bei passender Gelegenheit an einem Überle benstraining teilzunehmen.« »Da sehen Sie es, meine Damen und Herren«, griff Cunney den Einwurf freudig auf. »Hier können wir Ihnen zwar weder Löwen noch Nashörner bieten, aber die urwüchsige Landschaft der nordwestlichen Highlands ist hervorragend geeignet, Überlebens techniken zu trainieren, die sich in allen Erdteilen bewähren.« Anschließend gab der Hotelchef die Aufteilung der Teilnehmer in drei Gruppen bekannt und kündigte an, Werkzeuge und Notratio nen würden nach dem Frühstück ausgegeben. Nach und nach entstanden Gespräche zwischen den ausnahmslos betuchten Wohlstandsbürgern, die sich in dem kleinen, aber feinen Hotel in der Nähe von Achnasheen eingefunden hatten, um das Überleben in freier Natur zu trainieren. Brian Cunney ging von Tisch zu Tisch, trank hier ein Glas, plau derte dort ein Weilchen und kam schließlich auch zu Mylady und Butler Parker. »Lady Simpson vermutlich?« vergewisserte er sich mit einer Verbeugung und nahm Platz, nachdem die ältere Dame ihn dazu aufgefordert hatte. »Ein paar Tage Bewegung an frischer Luft werden mir guttun, junger Mann«, eröffnete Agatha Simpson das Gespräch, während Parker ihr Champagnerglas nachfüllte. »Aber machen Sie sich keine Hoffnungen, daß Sie mir noch was beibringen können.« »Wie meinen Sie das, Mylady?« fragte Cunney mit leichten An zeichen von Verunsicherung. 3
»Was Überlebenstechniken angeht, macht mir niemand etwas vor«, warf Mylady sich in die ohnehin üppige Brust. »Daß ich noch lebe, ist der beste Beweis.« »Als Detektivin war Mylady schon häufiger akuten Gefährdun gen ausgesetzt, Mister Cunney«, griff der Butler erläuternd ein. »Ach so, Detektivin sind Sie«, sagte Cunney lächelnd. »Be stimmt ein interessanter Beruf.« »Eine Berufung, Mister Funny«, korrigierte Agatha Simpson selbstbewußt. »Begabung verpflichtet.« »Verstehe«, nickte ihr Gesprächspartner. »Übrigens heiße ich Brian Cunney, Mylady.« »Nichts anderes habe ich gesagt, Mister Funny«, behauptete Lady Simpson mit Entschiedenheit. »Sie müssen sich verhört ha ben.« »Schon möglich, Mylady«, räumte Cunney höflich ein. »Aber was ich noch fragen wollte: Hatten Sie sich nicht allein für das Überlebenstraining angemeldet?« »Stimmt, mein Lieber«, bestätigte Mylady. »Ich nehme auch nur allein teil.« »Aber der Herr…«, setzte Cunney an und deutete mit einer Kopfbewegung in Parkers Richtung. »Mister Parker ist mein Butler«, setzte Lady Agatha ihn ins Bild. »Er begleitet mich.« »Dann bleibt er also im Hotel und wartet, bis Sie nach fünf Ta gen vom Training zurückkehren?« wollte der Mann im Nadelstrei fenanzug wissen. »Keineswegs, Mister Funny«, widersprach die Detektivin. »Mis ter Parker bleibt in meiner Nähe. Darauf muß ich bestehen.« Brian Cunney machte ein ratloses Gesicht. »Abgesehen von dem Teilnehmerbeitrag für Mister Parker, den Sie noch entrichten müssen«, sagte er schließlich. »Wollen Sie denn allen Ernstes mit Ihrem Butler ins Gelände ziehen, Mylady? Das sind doch keine realistischen Bedingungen.« »Und ob das realistische Bedingungen sind, Mister Funny«, ent gegnete die resolute Dame. »Mister Parker ist stets in meiner Nähe. Warum nicht auch beim Überlebenstraining?« Cunney wand sich und unternahm geduldig mehrere Anläufe, um die selbstbewußte Dame davon zu überzeugen, daß man das Überleben in freier Natur nicht lernen könne, wenn man stets
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einen hilfsbereiten Butler in Rufweite habe. Bei Agatha Simpson biß er jedoch auf Granit. Als der Hotelchef sich schließlich resignierend erhob und mit säuerlicher Miene angenehme Nachtruhe wünschte, stand auch Parker auf und bot dem Mann an, nachträglich aus eigenen Mit teln seinen Teilnehmerbeitrag zu entrichten. »Jetzt gleich, Mister Parker?« erkundige sich Cunney. »Sofern es genehm ist, Mister Cunney«, erwiderte der Butler. »Gut, dann kommen Sie bitte mit in mein Büro«, schlug sein Gegenüber vor. »Da kann ich Ihnen gleich die Quittung ausstel len.« Vor der Tür seines Büros zog Cunney einen Schlüssel aus der Tasche, um aufzusperren. »Seltsam«, murmelte er gleich darauf. »Sollte ich denn verges sen haben abzuschließen?« Die Tür war tatsächlich unverschlossen, und Brian Cunney trat als erster über die Schwelle. Im nächsten Moment blieb er jedoch wie angewurzelt stehen. Auf dem Ledersofa an der Längswand saßen zwei Männer in grauen Anzügen und Trenchcoats. »Was… was macht ihr denn hier?« wollte der Hotelchef wissen. »Ich habe jetzt keine Zeit.« Wortlos erhoben sich die beiden, gingen an Parker und Cunney vorbei zur Tür und waren gleich darauf verschwunden. Während der Butler den Scheck ausfüllte, behielt er Brian Cun ney ebenso konzentriert wie unauffällig im Auge. Kleine Schweiß tropfen standen auf der Stirn des Mannes. Seine Hand zitterte, als er die Quittung unterschrieb. »Darf man unter Umständen fragen, wer die beiden Herren wa ren, Mister Cunney?« erkundigte sich der Butler. »Ach, nur zwei Mitarbeiter«, erwiderte der Hotelchef mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Vermutlich werden Sie die Leute morgen näher kennenlernen.« »Man dankt für die Auskunft und erlaubt sich, eine möglichst ungestörte Nacht zu wünschen, Mister Cunney«, sagte Parker, deutete eine Verbeugung an und kehrte gemessenen Schrittes zu seiner Herrin zurück. Dabei überlegte er, bei welcher Gelegenheit ihm die Männer in den Trenchcoats schon mal begegnet waren. Die Gesichter hatten sich seinem Gedächtnis eingeprägt. Eine Verwechslung war kaum 5
möglich. Dennoch fand der Butler keine Antwort auf seine Frage. Vorerst jedenfalls. * Drei komfortable Geländewagen japanischer Herkunft standen bereit, um die Teilnehmer in die Wildnis der schottischen High lands zu chauffieren. Während des Frühstücks tauchte Cunney noch mal auf und bat seine Gäste um Verständnis dafür, daß während ihrer fünftägigen Abwesenheit dringende Renovierungs- und Umbauarbeiten im Hotel durchgeführt würden. »Im Zuge dieser Arbeiten wird auch unser alter Tresor durch ei nen neuen ersetzt«, teilte der Hotelbesitzer mit. »Deshalb muß ich Sie leider bitten, alle Wertsachen, Bargeld, Schmuck und Schecks mitzunehmen. Was Sie bei sich tragen, kann nicht ab handen kommen. Dagegen weiß man bei Fremden im Haus ja nie…« Diese Mitteilung führte dazu, daß Parker nicht nur den Picknick korb trug, auf dem die um ihr leibliches Wohl besorgte Agatha Simpson bestanden hatte. Der Butler transportierte auch eine voluminöse Schatulle aus Krokodilleder, die wertvolle Stücke aus dem Familienschmuck seiner Herrin enthielt. Am Wagen kamen weitere Belastungen hinzu, die Kombination aus Beil und Spaten sowie die in eine Blechdose eingeschweißte Notration, die man jedem Teilnehmer eigenhändig überreichte. Die Mitfahrer in Lady Agathas Gruppe hatten allerdings deutlich weniger Gepäck. Dan Harris, ein gut vierzigjähriger Autohändler aus Newport mit schwammigem Gesicht und blonden Haarsträhnen, hatte lediglich eine Art Brotbeutel geschultert. Virginia Newton, ein ältliches Fräulein in pinkfarbenem Jogginganzug, führte einen kleinen Rucksack mit sich. Ähnlich bescheiden war die Ausrüstung von Linda Campbell, der Ehefrau eines Londoner Industriellen. Die kleine Gruppe wurde vervollständigt durch den südenglischen Brauereibesitzer Patrick Masters, der am Vorabend sein glimpflich verlaufenes SafariErlebnis zum besten gegeben hatte.
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Als Gruppentrainer und Lenker des Fahrzeugs stellte sich der kaum dreißigjährige Eric O’Toole vor, ein hochaufgeschossener Bursche in paramilitärischer Kluft, dessen ruppiger Ton dem But ler sofort mißfiel. »Was soll denn das?« brauste O’Toole auf, als er den gewichti gen Picknickkorb an Parkers Arm gewahrte. »Das ist meine Privatangelegenheit, junger Mann«, gab Lady Simpson ebenso unwirsch zurück. »Sind da Lebensmittel drin?« forschte der Trainer mit strengem Blick. »Sie sind wohl hungrig?« erwiderte die ältere Dame spitz. »Dann sollten Sie im Hotel erst mal frühstücken.« O’Toole schluckte und ballte instinktiv die Fäuste, aber er zwang sich zur Ruhe. »Wollen Sie das alles im Gelände mitschleppen?« erkundigte er sich höflich, so weit es ihm zu Gebote stand. »Keineswegs«, reagierte die Lady verdutzt. »Das macht Mister Parker.« »Ach so. Verstehe. Das macht Mister Parker«, wiederholte der junge Mann grimmig. »In der Tat, Mister O’Toole«, bekräftigte der Butler und verneig te sich knapp. »Und der Regenschirm muß auch mit?« fragte der Trainer grin send, als, er das altväterlich gebundene Universal-Regendach an Parkers angewinkeltem Unterarm entdeckte. »Was haben Sie denn für ‘ne Vorstellung von Überlebenstraining?« »Das geht Sie nichts an, Mister Fool«, meldete sich die Detekti vin wieder zu Wort. »Ich heiße O’Toole, nicht Fool!« platzte dem Mann der Kragen. »Sagte ich das nicht, Mister Fool?« erkundigte sich Lady Agatha und setzte ein Lächeln auf, das ihren Gesprächspartner fast zur Weißglut brachte. »Jedenfalls bleibt der Picknickkorb hier«, entschied O’Toole wü tend. »Als Übungsleiter kann ich so was nicht zulassen.« »Sie werden es zulassen, junger Mann«, entgegnete Mylady in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Nicht wahr, Mister Parker?« »Mylady schlagen wieder mal genau den richtigen Weg ein«, sagte der Butler und verbeugte sich leicht.
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O’Tooles blasses, sommersprossiges Gesicht nahm eine Farbe an, wie man sie von Vollreifen Tomaten kennt. Doch als die übri gen Teilnehmer nachdrücklich darauf bestanden, nun endlich ab zufahren, schluckte er seine Wut hinunter. Der Trainer machte auf dem Absatz kehrt, schwang sich hinters Lenkrad und ließ den Motor an. Gleich darauf schoß das gelände gängige Gefährt in rasantem Tempo vom Parkplatz und bog in einen schmalen Schotterweg ein, der in die Einöde der Highlands führte. Nach einer Stunde Fahrt, die zuletzt durch freies Gelände ohne erkennbare Wege führte, brachte O’Toole den geräumigen Wagen auf einer Waldlichtung zum Stehen. Hier brannte ein kleines Lagerfeuer, an dem fünf Männer saßen, die allesamt nicht älter als dreißig waren und einen durchtrainier ten Eindruck machten. Das Quintett steckte in derselben olivgrü nen Kluft wie O’Toole. Der offene Jeep, der die Männer herge bracht hatte, parkte am Waldrand. »Zuerst werden wir uns jeder eine wetterfeste Hütte aus Zwei gen bauen«, gab der Gruppenleiter das Programm bekannt, so bald seine Fahrgäste ausgestiegen waren und sich mit gemischten Gefühlen umgeblickt hatten. »Wer das hier geübt hat, braucht sich heute abend keine Sorgen um ein Dach über dem Kopf zu machen. Die Jungs werden Ihnen ein paar Tips geben«, setzte er hinzu, als er die ratlosen Mienen gewahrte. »Aber die Arbeit muß jeder allein machen. Nur so kann man’s lernen.« Wenig später wurden eifrig die mitgebrachten Beile geschwun gen. Der rundliche Brauereibesitzer kam schon nach den ersten Schlägen unübersehbar ins Schwitzen und bewunderte insgeheim die zähe Konstitution des ältlichen Fräuleins im Jogginganzug. Autohändler Dan Harris wollte der nicht mehr taufrischen, aber immer noch attraktiven Industriellengattin hilfreich zur Hand ge hen, wurde von O’Toole aber unverzüglich zurückgewiesen. Auch Parker war bei der Arbeit und hatte nach kurzer Zeit das stabile Grundgerüst einer iglu-ähnlichen Hütte stehen, das er mit einem Geflecht aus Tannenzweigen wetterdicht machte. Nur Agatha Simpson war konsequent darauf bedacht, sich keine unnötigen Anstrengungen zuzumuten. Sie hatte es sich auf dem Stamm einer umgestürzten Fichte bequem gemacht und genoß die klare Vormittagssonne in vollen Zügen. 8
Neben ihr stand der Picknickkorb, dessen Inhalt sie wesentlich mehr interessierte als das emsige Treiben um sie herum. »Wo ist denn Ihre Hütte, Mylady?« wollte der Trainer wissen, als er beim Rundgang in die Nähe der älteren Dame kam. »Gleich vor Ihnen, junger Mann«, teilte Agatha Simpson gelas sen mit und deutete auf Parkers fast vollendetes Werk. »Wenn Sie schlecht sehen, sollten Sie sich eine Brille verschreiben las sen.« Anscheinend hatte O’Toole sich vorgenommen, auf keinen Fall die Fassung zu verlieren, sondern dem eigenwilligen Gast nachdrücklich ins Gewissen zu reden. »Seh’n Sie, Mylady – ich hab ja für vieles Verständnis«, schickte er beschwörend voraus. »Aber in ‘ner Gruppe kann nun mal nicht jeder machen, was er will.« »Weshalb nicht?« fragte Agatha Simpson beiläufig und betrach tete liebevoll den gebratenen Putenschenkel, der einen Teil ihrer privaten Notration bildete. »Wenn Mister Parker alles für Sie erledigt, lernen Sie doch nichts«, versuchte O’Toole es auf einer anderen Schiene. »Mister Parker erledigt keineswegs alles für mich, junger Mann«, stellte die resolute Dame klar. »Er nimmt mir nur die De tailarbeit ab, die ich mir zu all meinen Verpflichtungen nicht auch noch aufhalsen kann.« Angesichts dieser selbstzufriedenen Gelassenheit kam dem Trainer die mühsam bewahrte Fassung doch abhanden. »Sie geben den anderen ein denkbar schlechtes Beispiel«, knurrte der Sommersprossige. »Und als verantwortlicher Grup penleiter muß ich darauf bestehen, daß sich jeder unterordnet, solange wir im Trainingslager sind. Auch Sie, Mylady.« »Unterordnen?« wiederholte Agatha Simpson grollend. »Ich ha be mich noch nie im Leben untergeordnet, junger Mann.« »Dann werden Sie es hier lernen«, trumpfte O’Toole auf. »Höchste Zeit, daß Ihnen jemand Disziplin beibringt!« Mylady, die auf solche Äußerungen ebenso sensibel wie spontan zu reagieren pflegte, antwortete mit einer ihrer berüchtigten Maulschellen. Ihre Armmuskulatur, durch Golf und Bogensport gestählt, vollbrachte eine stürmische Liebkosung – nicht ohne nachhaltige Folgen. O’Toole taumelte, rückwärts und mühte sich vergeblich, die ramponierte Kinnlade wieder in die gewohnte Position zu rücken. Dabei achtete er nicht auf herumliegende Äste, stolperte und 9
kippte hintenüber in eine stachlige Konstruktion aus Fichtenzwei gen. Das provisorische Bauwerk hielt stand und fing den Strauchelnden auf. Lobende Worte für die Fähigkeiten des Butlers fand der Sommersprossige dennoch nicht. Im Gegenteil! Wie im Reflex glitt die rechte Hand des Mannes in den Aus schnitt seiner olivgrünen Feldjacke. Parker, der das Geschehen aufmerksam verfolgt hatte, wollte schon eingreifen, doch im selben Moment besann sich der Trainer und zog die Hand wieder zurück. * Den fünf >Jungs< wie O’Toole sie nannte, war der kleine Zwi schenfall nicht entgangen. Im Laufschritt kamen sie aus allen Richtungen herbei. »Was ist los, Eric?« wurde der Gruppenleiter gefragt. Irritierte Blicke wanderten zwischen dem baumlangen Trainer und der re soluten Detektivin hin und her. »Ach, nichts«, preßte O’Toole gequält hervor und strich behut sam über die roten Striemen, die Lady Agathas Finger auf seiner Wange hinterlassen hatten. »Alles okay, Jungs.« »Mister O’Toole hat sich im Ton vergriffen«, warf die ältere Da me lächelnd ein. »Da sah ich mich genötigt, ihm Manieren beizu bringen.« »Ihr könnt jetzt zu den vereinbarten Punkten marschieren und schon mal die Vorbereitungen treffen«, wies der Übungsleiter seine Mitarbeiter an, nachdem er sich mühsam aus der Umar mung der Tannenzweige befreit hatte. »Sobald die Hütten fertig sind, schicke ich die Leute hinterher.« Die fünf nickten, warfen der majestätischen Dame noch einen ehrfürchtigen Blick zu und trotteten in verschiedenen Richtungen davon. »Darf man gegebenenfalls um Auskunft bitten, welchem Zweck die Schußwaffe dient, die Sie bei sich führen, Mister O’Toole?« wandte sich Parker an den Trainer, der immer noch Probleme mit seiner Kinnlade zu haben schien.
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O’Tooles dunkle Augen verengten sich zu Schlitzen. Vergeblich versuchte er, im undurchdringlichen Gesicht des Butlers zu lesen, ehe er sich zu einer Antwort bequemte. »Das ist nur zur Sicherheit«, erklärte er. »Hin und wieder läuft einem in dieser Gegend ein tollwütiger Fuchs über den Weg. Da möchte man kein Risiko eingehen, besonders, wenn Verantwor tung für eine Gruppe von Unerfahrenen im Spiel ist.« »Unerfahren?« protestierte Agatha Simpson umgehend. »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß ich unerfahren bin, junger Mann?« »Ich meine: unerfahren im Gelände«, wurde O’Toole deutlicher. »Sie werden schon sehen, was es da für Schwierigkeiten zu meis tern gibt, Mylady.« »Eine Kriminalistin wird damit spielend fertig«, brüstete sich die ältere Dame, ohne zu wissen, welche Schwierigkeiten der Grup penleiter im Sinn hatte. »Sie können sich eigentlich schon auf den Weg machen«, schlug O’Toole, dessen Augen sich bei dem Wort Kriminalistik kaum merklich verengt hatten, vor. »Ihre Hütte ist ja fertig und macht einen stabilen Eindruck.« »Das will ich meinen, Mister Fool«, pflichtete Mylady ihm bei. »Bei fast allen Aufgaben ist auf Mister Parker absolut Verlaß.« »Man dankt für das unverdiente Lob, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen und deutete eine Verbeugung an. »Darf man im übrigen hoffen, Näheres über den weiteren Programmverlauf zu erfahren?« wandte er sich anschließend wieder dem Trainer zu. »Hier ist ein Kompaß«, sagte O’Toole und überreichte dem But ler das Kästchen. »Ich hoffe, Sie können damit umgehen.« »Grundlegende Kenntnisse sind meiner Wenigkeit durchaus vorhanden, Mister O’Toole«, ließ Parker ihn wissen. »Dann nehmen Sie Marschzahl dreiundvierzig und gehen Sie so lange geradeaus, bis Sie auf Buddy Snyder treffen«, wies der Ü bungsleiter ihn an. »Das ist einer von den Jungs, die eben hier waren. Er wird Ihnen die nächste Aufgabe erklären.« »Wetten, daß ich die auf Anhieb löse, Mister Fool?« fragte Agat ha Simpson forsch. »Glaub ich nicht. Ich wette dagegen«, erwiderte O’Toole. »Um ‘ne Flasche Whisky?« »Eine Kiste, mein Lieber«, nannte Agatha Simpson ihre Bedin gungen. »Und zwar Cognac von der feinsten Sorte.« 11
»Okay, ‘ne Kiste französischen Cognac«, willigte ihr Gegenüber ein und grinste. Der Mann schien sich seiner Sache sicher zu sein. Die resolute Dame war nicht weniger davon überzeugt, daß sie die Wette gewinnen würde. Und notfalls gab es immer noch But ler Parker. Fröhlich stapfte Lady Agatha über die Lichtung von dannen, wo bei Parker mit dem Kompaß in der Hand die Richtung angab. Josuah Parker war ein Butler, wie man ihn im traditionsbewuß ten England nur noch selten findet. Makellos wie seine Umgangs formen war auch die äußere Erscheinung. Unter dem konservativ geschnittenen Zweireiher schauten, de zent gestreifte Beinkleider hervor. Ein weißer Eckkragen und eine schwarze Melone rundeten das Bild ab. Seine würdevolle Haltung, die manchmal so steif wirkte, als hät te er einen Ladestock verschluckt, zeichnete Parker ebenso aus wie seine schier unerschütterliche Gelassenheit und Höflichkeit. Während das Alter des Butlers nur schwer zu schätzen war, hat te Agatha Simpson die Sechzig sichtbar überschritten. Dennoch zeigte sie sich auf eine eigenwillige Art modebewußt und ver wandte besondere Sorgfalt auf die Auswahl ihrer Hüte. Nicht nur ihre beeindruckende Fülle, die von einem dekorativ geschnittenen Jagdkostüm zusammengehalten wurde, unter schied Agatha Simpson von Josuah Parker, der über eine eher durchschnittliche Statur verfügte. Auch was das Temperament anging, stellte Mylady das genaue Gegenteil ihres Butlers dar. Genauso immens wie ihr Vermögen war Lady Agathas Spar samkeit, die auf schottische Vorfahren schließen ließ. Nur wenn es um ihr Steckenpferd, die Kriminalistik, ging, spielten Kosten keine Rolle. Vehement stürzte sich die ältere Dame in haarsträubende Aben teuer, trat lustvoll in jedes Fettnäpfchen und fühlte sich als die Detektivin des Jahrhunderts. In der Tat konnte sie Erfolge vor weisen, um die man sie selbst bei Scotland Yard beneidete. Daß in Wahrheit der Butler es war, der geduldig die Fäden ent wirrte, die seine Herrin fröhlich verknotete, der die Mehrzahl der Fettnäpfchen aus dem Weg räumte und mit Mut und Phantasie der Unterwelt Paroli bot, übersah Mylady großzügig. Vermutlich merkte sie es nicht mal. Josuah Parker trug gemessenen Schrittes den Picknickkorb und die Schmuckschatulle, das kombinierte Spatenbeil, die Dosenrati 12
onen und seinen schwarzen Universal-Regenschirm durch die grandios zerklüftete Landschaft der westlichen Highlands. Er be diente sich dabei des Kompasses, und die ältere Dame folgte ihm mit ihrem perlenbestickten Pompadour, der am rechten Handge lenk baumelte. Mit den zierlichen Damenhandtäschchen der Jahrhundertwende hatte der Lederbeutel indes nicht viel mehr als den Namen ge mein. Er diente auch nicht zur Aufbewahrung von KosmetikUtensilien, sondern enthielt Lady Simpsons sogenannten Glücks bringer, ein veritables Hufeisen, das von einem schweren Braue reigaul stammte. Diesen Glücksbringer wußte die resolute Lady bei handfesten Auseinandersetzungen ebenso überraschend wie wirksam im Nahkampf einzusetzen. Fast nur dienstlichen Zwecken dienten auch die martialischen Hutnadeln, die in Agatha Simpsons kurio ser Kopfbedeckung steckten. Sie waren geschliffen und besaßen das Format mittlerer Grillspieße. Eric O’Toole sah dem skurrilen Paar mit zusammengekniffenen Augen nach, bis es im Wald verschwunden war. Erst dann drehte er sich um, prüfte noch mal den Sitz seines Unterkiefers und schickte sich an, die Hütten der übrigen Teilnehmer zu inspizie ren. Ein leicht ansteigender Weg und die wärmenden Strahlen der Sommersonne ließen in Lady Agatha schon bald das unbändige Verlangen nach einer erholsamen Pause wachsen. Parker wählte deshalb einen Platz für das Picknick aus, servierte Krabbensalat auf Toast und entkorkte einen trockenen Weißwein. »So lasse ich mir ein Überlebenstraining gefallen, Mister Par ker«, verkündete die ältere Dame frohgemut und hob das Glas. »Mister Fool sieht das alles viel zu verbissen.« »Eine Feststellung, der man unter keinen Umständen wider sprechen möchte, Mylady«, pflichtete der Butler ihr bei. »Ich habe mich übrigens entschlossen, dieser albernen Veran staltung den Rücken zu kehren und mir das Geld zurückgeben zu lassen«, gab Mylady nach einer kurzen Pause bekannt. »Mylady wünschen, unverzüglich nach London zurückzukeh ren?« erkundigte sich Parker. »Jedenfalls noch heute, Mister Parker«, setzte die Detektivin ihn ins Bild. »Sobald ich die Wette gegen… Wie hieß der Lümmel noch, Mister Parker?« 13
»Mylady dürften Mister Eric O’Toole zu meinen geruhen, falls man nicht sehr irrt«, half der Butler dem Gedächtnis seiner Herrin auf die Sprünge. »Richtig, Fool. Der Name lag mir auf der Zunge«, nickte Agatha Simpson und ging nahtlos vom Krabbensalat zu getrüffelter Gän seleberpastete über. »Sobald ich die Wette gegen Mister Fool ge wonnen habe, reise ich ab.« »Mylady hegen keinerlei Zweifel am Ausgang der Wette?« »Bin ich schon jemals an einer Aufgabe gescheitert, Mister Par ker?« »Ein solcher Fall ist meiner Wenigkeit nicht erinnerlich, Mylady.« »Trotzdem würde ich gern wissen, was der Flegel für eine Auf gabe gemeint hat.« »Über detaillierte Informationen dürfte Mister Snyder verfügen, der offensichtlich die Absicht hat, Mylady kurzfristig seine Aufwar tung zu machen«, teilte Parker mit. In diesem Augenblick hatte auch Lady Agatha den breitschultri gen Mann im olivfarbenen Kampfanzug bemerkt, der mit hochro tem Kopf sich dem wildromantischen Picknickplatz näherte. Mit seiner Stimmung schien es nicht zum besten zu stehen. * »Verdammt, ich dachte schon, Sie wären vom Weg abgekom men«, knurrte Snyder, sobald er sich in Hörweite befand. Die ohnehin rötliche Tönung seiner Gesichtshaut wurde noch um etli che Nuancen kräftiger, als er die kulinarischen Spezialitäten ge wahrte, die der Butler auf einer blütenweißen Tischdecke ange richtet hatte. »Sagen Sie mal, wollen Sie das Überlebenstraining eigentlich lä cherlich machen?« erkundigte er sich, mühsam beherrscht. »Das habe ich überhaupt nicht nötig, junger Mann«, reagierte Lady Agatha gelassen und nahm noch einen Schluck Chablis. »Wie meinen Sie das?« Snyder wirkte wie ein Kessel kurz vor dem Überkochen. »Pfadfinderspiele für erwachsene Menschen sind lächerlich, jun ger Mann«, erwiderte die ältere Dame von oben herab. »Anscheinend haben Sie den Sinn des Trainings nicht begrif fen«, hielt der Mann im Kampfanzug entgegen. 14
»Für jemand mit gesundem Menschenverstand ist das auch nicht zu begreifen«, ließ Mylady sich zwischen zwei Käsewürfeln vernehmen. »Warum soll ich mir eine Hütte aus Zweigen bauen, wenn ich jederzeit eine Suite im Hotel mieten kann?« »Okay, okay«, stöhnte Snyder und faßte sich mit hilfloser Geste an die Stirn. »Wenn Sie so denken – warum verschwinden Sie dann nicht einfach?« »Das werde ich in kürzester Frist auch tun, junger Mann«, setz te Agatha Simpson ihn ins Bild. »Vorher muß ich nur noch schnell eine Wette gewinnen.« »Eine Wette?« Buddy Snyders Gesicht war ein einziges Frage zeichen. »Es geht um die nächste Aufgabe in diesem Pfadfinderspiel«, in formierte die Detektivin und schob noch einen Käsewürfel nach. »Mister Fool war der Ansicht, ich würde sie nicht schaffen.« »Ehrlich gesagt, seh ich da auch schwarz für Sie«, bemerkte der breitschultrige Überlebenstrainer. »Bei Ihrer… äh… ich meine…« Nun sein Blick, der an Myladys eindrucksvoller Gestalt hän genblieb, sagte, was er meinte. »So schwierig wird’s schon nicht sein, mein Lieber«, war Mylady sicher und bedeutete dem Butler durch Kopfnicken, das Geschirr wegzuräumen. »Eigentlich nicht«, meinte Snyder mit breitem Grinsen. »Es geht nur darum, einen kleinen Fluß zu überqueren und auf der anderen Seite ein Mittagessen aus Pilzen zu kochen.« Zehn Minuten später konnte Parkers Herrin sich durch Augen schein davon überzeugen, daß der Mann im Kampfanzug die Wahrheit gesagt und nur eine Kleinigkeit unterschlagen hatte: Das Flüßchen, das es zu überqueren galt, gurgelte am Grund einer zehn Meter tiefen und mindestens ebenso breiten Fels schlucht mit nahezu senkrechten Wänden. Allerdings hatte Brian Cunneys Adventure Ltd. Vorkehrungen getroffen, die das Über queren erleichtern sollten. Von einem Baumstamm hüben zu einem Baumstamm drüben war ein Seil gespannt. Ein neues, beruhigend dickes zwar, aber eben nicht mehr als ein Seil. »Na, soll ich Ihnen mal zeigen, wie das geht?« fragte der Trai ner grinsend.
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»Warum denn nicht?« Mit einer Handbewegung ermunterte die majestätische Dame ihn, seine Fertigkeiten im Hangeln zu de monstrieren. Die Kraft und Gelenkigkeit, die Snyder an den Tag legte, war in der Tat bemerkenswert. Wie ein Affe hing er mit Armen und Bei nen am Seil, krabbelte behend zur anderen Seite hinüber und war ebenso schnell wieder zurück. »Recht hübsch, junger Mann«, ließ Agatha Simpson sich sogar zu einem Lob hinreißen. »Haben Sie das eingeübt, um im Zirkus aufzutreten?« »Von wegen Zirkus«, widersprach Buddy Snyder, der noch leicht außer Atem war. »So überquert man einen Fluß, wenn man nichts anderes als ein Seil zur Verfügung hat. Und jetzt sind Sie an der Reihe, Mylady.« »Gut, ich werde Ihnen zeigen, wie ich einen Fluß überquere«, bot die Detektivin an. »Dazu brauche ich nicht mal Ihr komisches Seil.« Unverzüglich schlug Agatha Simpson den grasbewachsenen Pfad ein, der nach links am Rand der Schlucht entlangführte. Parker folgte ihr in würdevoller Haltung. Dem Butler war längst klar, welches Ziel seine Herrin anstrebte und wie sie den Fluß zu überqueren gedachte. Sekunden später fiel auch bei Buddy Snyder der Groschen. »Halt!« rief er dem skurrilen Paar nach. »Das gilt nicht. Die sind für eine spätere Übung bestimmt.« Mylady ließ sich durch diesen Einwand nicht im mindesten be eindrucken. Ein Stück flußabwärts, wo die enge Schlucht sich zu einem wei ten Tal mit sanften Ufern verbreitete, lagen wie bestellt zwei Ka nus, die indianischen Vorbildern nachempfunden waren. Fest ent schlossen, die zerbrechlich wirkenden Schiffchen auf ihre Tragfä higkeit zu testen, schritt die resolute Dame wacker aus und er reichte ihr Ziel, ehe der Trainer sie eingeholt hatte. »So lernen Sie nie, wie man in der Wildnis überlebt«, hielt der Mann im Kampfanzug der älteren Dame in fast beschwörendem Ton entgegen. »Wollen Sie die Sache mit dem Seil nicht wenigs tens probieren?« »Wenn man überleben will, kommt es in erster Linie auf den klaren Verstand an, junger Mann«, mußte er sich von Lady Agat ha belehren lassen. »Ein vernünftiger Mensch macht es sich nicht 16
schwerer als unbedingt nötig. Warum soll ich mir beim Klettern am Seil die Gliedmaßen verrenken, wenn ich gemütlich mit einem Boot übersetzen kann?« »Kommen Sie denn wenigstens in den Kahn rein, ohne daß Ihr Butler Ihnen hilft?« fragte Snyder, der allmählich zu resignieren schien. »Ich sehe keine Veranlassung, das auszuprobieren, junger Mann«, beschied Mylady ihn kühl. »Soll ich vielleicht so tun, als hätte ich keinen Butler, nur damit Ihren geistlosen Spielregeln Genüge getan ist?« »Schon gut«, winkte der Trainer ab. Er hatte die Fruchtlosigkeit dieser Auseinandersetzung eingesehen. »Wir treffen uns da oben auf dem Felsplateau zum Feuermachen und Pilzesuchen.« Abrupt machte der Mann auf dem Absatz kehrt und stapfte in Richtung Schlucht zurück, um den Fluß vorschriftsmäßig am Seil zu überqueren. »Ein solch uneinsichtiger Mensch ist mir schon lange nicht mehr begegnet, Mister Parker«, stellte die leidenschaftliche Detektivin kopfschüttelnd fest, während der Butler wortlos das Kanu mit wenigen Paddelschlägen ans andere Ufer lenkte. * Josuah Parker war es gewohnt zu improvisieren. Deshalb berei tete es ihm keine Mühe, eine Feuerstelle anzulegen und für Feuer zu sorgen – auch ohne Zündhölzer. Die steinzeitliche Methode mit einem rotierenden Holzstab, der durch Reibungshitze trockenes Moos entzündet, erwies sich als durchaus praktikabel. Das erste Rauchwölkchen stieg schon auf, bevor Lady Agatha außer Hörwei te war. Nach eingehender Abwägung aller Vor- und Nachteile hätte die gewichtige Dame sich entschlossen, auf Pilzsuche zu gehen, ob wohl es ihr schwerfiel, einen Fliegenpilz von einem Pfifferling zu unterscheiden. »Wie wollen Sie denn Pilzsuppe kochen, wenn Sie nicht mal ei nen Topf haben, junger Mann?« versuchte die Detektivin dem Überlebenstrainer auf den Zahn zu fühlen. »Wenn Ihnen nichts Passendes einfällt, müssen Sie die Pilze auf heißen Steinen braten«, antwortete Snyder. 17
»Papperlapapp, mein Lieber«, entgegnete Mylady lächelnd. »Haben Sie schon an Mister Parkers Bowler gedacht?« Dem Trainer klappte die Kinnlade herunter. »Sehen Sie!« Lady Simpson triumphierte. »Von mir können Sie noch eine Menge lernen, was Überlebenstechnik angeht. Vor al lem sollte man immer einen Butler haben.« Inzwischen war man im angrenzenden Waldstück unterge taucht, um nach pflanzlichem Eiweiß für die Mahlzeit unter freiem Himmel zu fahnden, Parker legte behutsam die ersten dürren Zweige auf das funkenknisternde Moos, als er unvermittelt die Ohren spitzte. Myladys baritonal gefärbtes Organ schien ernsthafte Meinungs verschiedenheiten mit dem Begleiter zu haben. In würdevoller Haltung, aber so rasch, wie es sich für einen bri tischen Butler gerade noch geziemte, schlug Parker die Richtung ein, aus der Agatha Simpsons wütende Äußerung an sein Ohr drang. Tannenzweige peitschten sein glattes Gesicht, aber der Butler schritt steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, durch den Wald und verzog keine Miene. »Unverschämtheit!« hörte er seine Herrin sagen. »Wenn Sie nicht sofort dieses lächerliche Schießeisen wegwerfen, können Sie was erleben.« Parker erreichte den Rand der Lichtung und konnte sich mit ei nem Blick ein Bild vom Stand der Auseinandersetzung machen. Zu seiner Rechten stand die ältere Dame und ließ angriffslustig den wohlgefüllten Pompadour kreisen. Links saß Buddy Snyder am Boden und lehnte sich mit dem Rücken an einen Felsblock. Das Gesicht des Trainers war von Wut und Schmerz verzerrt. Sein linkes Bein machte einen leicht verdrehten Eindruck, so daß der Butler aus der Distanz ein Unterschenkelmalheur diagnostizie ren konnte. Wehrlos war Snyder allerdings nicht. Seine Rechte umklammer te den Griff eines kurzläufigen Revolvers, mit dem er Agatha Simpson in Schach hielt. Mit der Linken dirigierte er ein kleines Sprechfunkgerät vor den Mund und sprach hastig hinein. Schon im Gehen hatte Parker die Gabelschleuder aus der rech ten Außentasche seines schwarzen Covercoats gezogen. Er legte eine hartgebrannte Ton-Erbse in die Lederschlaufe und visierte Snyders rechte Schläfe an.
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An die primitiven, mit Einweckgummis bestückten Holzgabeln, die Lausbuben zu verbotener Jagd benutzten, erinnerte diese Schleuder nur noch entfernt. Nach demselben Grundprinzip kon struiert, war die Spezialanfertigung, die der Butler benutzte, ihren Urahnen an Reichweite und Treffsicherheit haushoch überlegen. Gelassen spannte Parker die extrastarken Gummistränge und schickte seinen tönernen Gruß auf die Reise. Snyder stöhnte hörbar, als die hartgebrannte Kugel keck an seine Stirn tippte. Instinktiv wollte er sich vom Boden aufraffen, sank aber jammernd wieder zurück. Sein Kopf verlor den Halt und kippte vornüber. Pistole und Funkgerät entglitten seinen Händen. »Mister Parker!« rief Agatha Simpson in den Wald hinein. »Mis ter Parker, wo stecken Sie denn?« »Stets zu Diensten, Mylady«, meldete sich der Butler und trat auf die Lichtung. »Ich fürchte, Sie müssen sich um den zudringlichen Lümmel kümmern, Mister Parker«, ließ die Detektivin verlauten. »Er scheint in Ohnmacht gefallen zu sein.« »Eine Feststellung, der meine Wenigkeit nichts hinzuzufügen hat«, erwiderte Parker. »Darf man im übrigen die Hoffnung äu ßern, daß Mylady unversehrt sind?« »Natürlich bin ich das, Mister Parker«, warf Lady Agatha sich in die Brust. »Aber daß der Lümmel derart empfindlich ist, hätte ich nicht gedacht. Eine kleine Maulschelle, und schon verliert er das Bewußtsein.« »Mylady sahen Grund, Mister Snyder in die Schranken zu ver weisen?« »Und ob, Mister Parker. Das Subjekt hat sich derart unver schämt benommen, daß ich ihm einfach Manieren beibringen mußte.« »Mylady wurden doch nicht etwa in unsittlicher Weise beläs tigt?« »Dann hätte ich es gewiß nicht bei einer simplen Ohrfeige be lassen, Mister Parker. Nein, der Lümmel wollte Geld! Einen Scheck, genauer gesagt!« »Eine Mitteilung, die man zwar mit Empörung, aber ohne be sondere Überraschung zur Kenntnis nimmt, Mylady.«
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»Für mich kam das überhaupt nicht überraschend, Mister Par ker«, versicherte die leidenschaftliche Detektivin umgehend. »Ich habe dieses Gesindel von Anfang an durchschaut.« »Was eindrucksvoll für Myladys kriminalistische Begabung spricht, falls die Anmerkung erlaubt ist.« »Eigentlich habe ich an dem Firlefanz nur teilgenommen, weil ich die Bande von innen heraus aufrollen wollte, Mister Parker«, fuhr Agatha Simpson fort. »Dieser Zwischenfall war das Signal zum gnadenlosen Kampf.« »Darf man möglicherweise um Auskunft bitten, mit welchen Mit teln Mylady diesen Kampf zu führen gedenken?« »Ich werde die geldgierige Bande einkesseln und vernichtend schlagen«, kündigte die resolute Lady an. »Von Ihnen erwarte ich ein paar hübsche Vorschläge, wie ich dabei im einzelnen vorgehe, Mister Parker. Mit solchen Details kann ich mich nicht auch noch belasten.« »Meine Wenigkeit wird sich befleißigen, Myladys Vorstellungen in vollem Umfang zu entsprechen«, versicherte der Butler, deute te einen Verbeugung an und wandte sich zunächst an Buddy Sny der, der in diesem Augenblick wimmernd aus seinen Träumen erwachte. Der Ganove war noch zu benommen, um ernsthaft zu protestieren, als Parker mit Handschellen aus speziell gehärtetem Stahl seine Bewegungsfreiheit nachhaltig einschränkte. Erst als der Butler den Revolver und das kleine Funkgerät in den Taschen seines schwarzen Covercoats verschwinden ließ, lichte ten sich die Schleier vor den verquollenen Augen des Gemaßre gelten. »Was soll der verdammte Unsinn?« fluchte er mit schmerzlich verzogener Miene. »Seid ihr denn verrückt geworden?« »Keineswegs und mitnichten, Mister Snyder«, entgegnete der Butler kühl. »Gegebenenfalls dürfte der Hinweis genehm sein, daß Sie sich gewisse Unannehmlichkeiten selbst zuzuschreiben haben.« »Ich?« spielte Snyder wenig überzeugend den Ahnungslosen. »Wodurch denn bloß?« »Alles Leugnen wird Ihnen nichts helfen, junger Mann«, schalte te sich die ältere Dame ein. »Damit zwingen Sie mich nur, meine Vernehmungsmethode zu verschärfen.« »Hören Sie mal, Lady, was wird hier eigentlich gespielt?« er kundigte sich der Trainer argwöhnisch. 20
»Gespielt wird überhaupt nicht«, mußte er sich umgehend be lehren lassen. »Wenn Sie nicht auf der Stelle ein Geständnis ab legen, werden Sie merken, wie ernst Ihre Lage ist.« »Geständnis?« wiederholte Snyder und bemühte sich, einen entgeisterten Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern. »Was soll ich denn gestehen, verdammt noch mal?« »Daß Sie eine alleinstehende Dame ihrer Ersparnisse’ berauben wollten«, raunzte die immens vermögende Lady ihn an. »Sie haben wohl zu viele Kriminalfilme gesehen«, blaffte der Mann im Kampfanzug. »Was hat das denn mit Raub zu tun, wenn ich Ihnen höflich vorschlage, einen bescheidenen Betrag für einen wohltätigen Zweck zu spenden?« »Unverschämtheit!« reagierte die Detektivin grollend. »Das geht zu weit.« Sekundenbruchteile später war der perlenbestickte Pompadour unterwegs, steuerte sein Ziel an und stieß wie ein Raubvogel auf Buddy Snyder nieder. Dumpfes Klatschen wurde hörbar, als der Glücksbringer sich vehement in den Nacken des Trainers schmiegte. Snyder zuckte zusammen wie unter einem Stromstoß. Aus her vorquellenden Augen starrte er die resolute Dame haßerfüllt an und ließ ein verhaltenes Röcheln hören, ehe er zur Seite kippte und sich aus der Diskussion zurückzog. * Mit stabilen Ästen und zähem Paketklebeband, von dem er stets eine Rolle mitführte, schiente Parker Buddy Snyders Unterschen kel. Dank der Narkose, die Lady Agatha ihm beschert hatte, be kam der Trainer von der schmerzhaften Manipulation nicht viel mit. »Darf man möglicherweise fragen, wie Mylady weiter vorzuge hen gedenken?« erkundigte sich der Butler, nachdem er Erste Hilfe geleistet hatte, so gut es in der Wildnis möglich war. »Zug um Zug werde ich die Strolche zur Strecke bringen, Mister Parker«, verkündete Agatha Simpson energisch. »Dazu muß ich allerdings erst wieder den Fluß überqueren.« »Ein Unterfangen, das sich gegebenenfalls erübrigen dürfte, My lady«, erwiderte Parker. Man hatte inzwischen das Waldstück 21
durchquert und näherte sich wieder der Schlucht, über die das Seil gespannt war. Unter den letzten Bäumen, verdeckt durch herabhängende Zweige, blieb das skurrile Paar stehen. Parker war ohnehin davon ausgegangen, daß Snyder mit Hilfe seines Mini-Senders um Verstärkung nachgesucht hatte. Deshalb war er überrascht, daß nur ein einzelner Mann sich mit eiligen Schritten am gegenüberliegenden Ufer näherte. Bekleidet war der Unbekannte mit dem bei Adventure Ltd. übli chen Kampfanzug aus olivgrünem Tuch. Eine großkalibrige Auto maticwaffe hatte er mit einem Lederriemen umgehängt. Entweder besaß der Gangster sportlichen Ehrgeiz, oder er wuß te nichts von der Existenz der Kanus. Jedenfalls hängte er sich ohne Zögern ans Seil und trat nach Affenart den schwankenden Weg über die Schlucht an. Im selben Augenblick verließen Parker und Mylady ihre De ckung. Der Bewaffnete hatte gerade die halbe Strecke hinter sich, als das Paar aus Shepherd’s Market den Baumstamm erreichte, um den das diesseitige Ende des Seils geschlungen war. »Darf man um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten«, ließ der Butler sich in seiner förmlichen Art vernehmen. Der Mann am Seil erstarrte. Mühsam wandte er den Kopf. »Mylady würde gern erfahren, in welcher Absicht Sie sich nä hern«, sagte der Butler mit undurchdringlicher Pokermiene. »Buddy hat über Funk gemeldet, daß es Schwierigkeiten gibt«, erwiderte sein Gesprächspartner. »Deshalb wollte ich mit Ihnen ein klärendes Gespräch führen.« »Eine Absicht, die man nur als löblich bezeichnen kann«, sagte Parker. »Allerdings sieht meine Wenigkeit sich genötigt, um Aus kunft zu bitten? welchem Zweck die Feuerwaffen dienen sollen, die Sie unübersehbar mit sich führen.« »Das hat nichts zu sagen«, behauptete der Bewaffnete. »Glau ben Sie etwa, ich würde damit schießen?« »Mylady dürfte eine solche Möglichkeit zumindest nicht aus schließen«, entgegnete der Butler. »Deshalb darf man Sie höflich ersuchen, sich der Waffen zu entledigen, ehe Sie Ihren Weg fort setzen. Einer kultivierten Gesprächsatmosphäre sind Feuerwaffen ohnehin im Weg, wie die Erfahrung lehrt.« »Unsinn«, widersprach der Gangster am Seil und wollte sich weiter auf Parker zuhangeln, doch im nächsten Moment erstarrte der Mann erneut. 22
»Nein!« kreischte er in heilloser Panik und starrte mit schreck geweiteten Augen auf das Fahrtenmesser, das der schwarz ge wandete Butler in der Hand hielt. »Darf man Sie möglicherweise erneut bitten, sich der Waffen zu entledigen?« äußerte der Butler gelassen und ließ die Messer schneide sanft über das Seil gleiten. »Okay«, knurrte der Ganove. Er mußte sich jedoch erheblich verrenken, bis er den Lederriemen seiner Automatic von der Schulter gestreift hatte und die Waffe klatschend im Fluß landete. »Von der Pistole in Ihrer Schulterhalfter sollten Sie sich eben falls trennen, falls man diesen wohlgemeinten Rat unterbreiten darf«, sagte Parker. »Entsprechendes gilt für das Wurfmesser am Gürtel.« Hin und her gerissen zwischen Angst und Wut, kam der Mann am Seil der höflich vorgetragenen Aufforderung nach. Dann erst steckte der Butler das Messer weg und lud den entwaffneten Gangster mit einer Verbeugung zum Näherkommen ein. »Mister Funnys Personal legt Manieren an den Tag, die man nicht ungestraft durchgehen lassen kann, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson fest und schritt zur Tat. Kaum hatte der Mann wieder festen Boden unter den Füßen, traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine von Myladys ge fürchteten Ohrfeigen. Postwendend stieß er einen kläglichen Heulton aus, der an einen liebeskranken Wolf bei Vollmond erin nerte. Schwankend ruderte der Ganove mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Letztlich hatte er es jedoch dem reakti onsschnellen Eingreifen des Butlers zu verdanken, daß ihm der folgenschwere Sturz in die Schlucht erspart blieb. Buchstäblich in letzter Sekunde hakte sich der gebogene Bam busgriff von Parkers altväterlich gebundenem UniversalRegenschirm am Gürtel des Kampfanzuges fest und zerrte den Mann in Sicherheit. Dankbar für diese Rettung aus höchster Not zeigte er sich allerdings nicht. Im Gegenteil! Mit einem Wutschrei federte der Breitschultrige vom Boden ab und ging mit geballten Fäusten zum Angriff über. Der Butler, der mit unfreundlichen Gesten gerechnet hatte, war jedoch auf der Hut. Er wich dem ungestümen Angreifer nicht aus, sondern verneigte sich tief, als der Mann zum entscheidenden Hechtsprung ansetz 23
te. Daß es sich bei dieser Verbeugung keineswegs um einen Aus druck höflicher Verehrung handelte, wurde dem Gangster erst bewußt, als es zu spät war. Geräuschvoll gab Parkers Gegner seinen gesamten Vorrat an Atemluft von sich, als die stahlverstärkte Krempe des Bowlers sich ungeniert in seiner Magengrube breitmachte und das sensible Verdauungsorgan gegen die Wirbelsäule drängte. Zugleich hauchte der Mann auch seinen Kampfgeist aus. Wie ein nasses Handtuch blieb er über der Schulter des Butlers hängen, der ihn behutsam abrollen und ins Gras plumpsen ließ. Minuten später saßen Buddy Snyder und sein Verbündeter, der sich als Perry Ferguson vorstellte, einträchtig nebeneinander, in nig verbunden durch ein paar Handschellen aus Spezialstahl. »Was soll der hirnverbrannte Unsinn?« protestierte Ferguson, sobald er wieder halbwegs zu Puste gekommen war. »Wir werden Sie wegen Freiheitsberaubung anzeigen.« »Irrtum, junger Mann«, setzte Agatha Simpson ihn barsch ins Bild. »Das ist keine Freiheitsberaubung, sondern eine Verhaf tung.« »Verhaftung?« wiederholte ihr Gegenüber mit verdutztem Ge sichtsausdruck. »Dazu gibt es doch überhaupt keinen Grund.« »Als ob Raub und Erpressung keine Gründe wären«, reagierte die Detektivin mit deutlichem Vorwurf. »Raub und Erpressung! Wie kommen Sie denn auf solchen Un sinn?« zeigte sich Ferguson entrüstet. »Ihr Komplice hat vergeblich versucht, mich meiner Ersparnisse zu berauben«, ließ Mylady ihn wissen. »Sie haben sich der Beihil fe schuldig gemacht. Vergeblich natürlich, denn Grünschnäbel haben bei mir keine Chance, junger Mann.« »Buddy«, wandte Ferguson sich in strengem Ton an Snyder. »Hast du etwas getan, das man als Raub oder Erpressung miß verstehen könnte?« »Wo denkst du hin, Perry!« erwiderte Snyder mit beleidigter Miene. »Ich habe die Dame nur höflich gebeten, sich mit einer Einlage an dem Trainingszentrum zu beteiligen, das Mister Cun ney nächstes Jahr bauen will.« »So ein Unverfrorener!« fuhr die majestätische Dame erzürnt dazwischen. »Der Lümmel hat mich bedroht und wollte mich zwingen, einen Blanko-Scheck zu unterschreiben.«
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»Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Madam«, nahm Ferguson den Trainer in Schutz. »Buddy ist ein anständiger Mensch. Sie müssen ihn mißverstanden haben.« »Eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt sich nach entspre chenden Gesprächen mit Mister Cunney noch erweisen dürfte, Mister Ferguson«, beschied Parker ihn kühl. »Das ist das Stichwort, das ich auch gerade geben wollte, Mister Parker«, ließ Lady Agatha sich wieder vernehmen. »Es wird höchste Zeit, daß ich mir den Chef dieser Bande vorknöpfe.« »Eine Feststellung, der man sich nur mit Nachdruck anschließen kann«, pflichtete der Butler ihr bei. »Darf man in diesem Zusam menhang noch die Frage stellen, wie Mylady mit Mister Snyder und Mister Ferguson zu verfahren gedenken?« »Die Lümmel können hier warten, bis sie von der Polizei abge holt werden, Mister Parker«, entschied die passionierte Detektivin und wandte sich zum Gehen. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, sagte Parker und schloß sich an. »Wollen Sie uns etwa hier zurücklassen, bis wir verhungert und verdurstet sind?« rief Ferguson dem skurrilen Paar nach. »Keineswegs und mitnichten, Mister Ferguson«, sagte Parker und wandte sich noch mal nach den kläglich dreinschauenden Gangstern um. »Angesichts Ihrer Erfahrungen im Überlebenstrai ning dürfte die Gefahr eines vorzeitigen Hinscheidens als äußerst gering einzuschätzen sein. Dank der offensichtlich stabilen Wet terlage wird sich auch der Bau einer Schutzhütte erübrigen.« »Und mein Bein?« machte Snyder sich mit dem Ausdruck von Verzweiflung bemerkbar. »Man wird es keinesfalls versäumen, Ihnen rechtzeitig ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, Mister Snyder«, versprach der Butler, ehe er an der Seite seiner Herrin von dannen schritt. * »Zuerst werde ich die Lümmel im Camp überwältigen und mich ihres Geländewagens bemächtigen«, kündigte die Detektivin an, während Parker sie im Kanu übersetzte. »Anschließend fahre ich zum Hotel und mache den Kopf der Bande dingfest.«
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»Ein Entschluß, zu dem man Mylady nur beglückwünschen kann«, bemerkte der Butler, wobei er das Stechpaddel mit selbstverständlicher Routine handhabte. Der Landgang verlief dank Parkers diskreter Unterstützung rei bungslos, und da Mylady während des Rückweges auf eine Pick nickpause verzichtete, kam schon nach einer knappen halben Stunde das Lager auf der Waldlichtung in Sicht. Scheinbar verlassen standen fünf mehr oder weniger ansehnli che Hütten auf freier Fläche. O’Tooles Allrad-Gefährt und der Jeep seiner >Jungs< parkten am Waldrand. Erst beim zweiten Hinse hen gewahrte der Butler, daß hinter herabhängenden Zweigen noch ein drittes Fahrzeug stand, das ihm bis zum Abmarsch aus dem Camp nicht aufgefallen war. »Sieht so aus, als ob die Strolche sich verkrochen hätten, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson enttäuscht fest und ließ ihre Bli cke über die Waldlichtung schweifen. »Andererseits dürften Mylady mit einer gewissen Hinterlist des Gegners rechnen, falls man nicht sehr irrt«, gab Parker zu beden ken. Er traute dem Frieden nicht, zumal sich in diesem Augenblick ein nervöses Kribbeln in seiner Magengrube bemerkbar machte. Das war die Art, in der sich die geheimnisvolle innere Stimme zu melden pflegte, die ihn schon oft vor tödlichen Gefahren gewarnt hatte. »Selbstverständlich, Mister Parker«, nickte die passionierte De tektivin und schritt forsch auf die erste Hütte zu. »Ich gehe also davon aus, daß das kriminelle Gesindel mich in eine Falle locken will?« »Da biste längst drin, alte Schachtel«, tönte postwendend eine Männerstimme aus dem grünen Geflecht. Innerhalb von Sekundenbruchteilen tauchte aus jeder der Hüt ten ein Bewaffneter auf. Gelassen registrierte der Butler das grimmig verzerrte Gesicht Eric O’Tooles und erkannte einen der Männer, denen er am Abend zuvor in Brian Cunneys Büro begegnet war. Hinzu kamen drei auffällig unauffällig gekleidete Gestalten mit dunklen Brillen und grauen Filzhüten, die den Eindruck professioneller Killer machten. »Na, erkennen Sie mich nicht wieder?« fragte der Mann, dessen Identität Parker immer noch Rätsel aufgab. Er hatte den Finger
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am Abzug eines langläufigen Revolvers und ließ ein breites Grin sen sehen. In diesem Augenblick dämmerte es dem Butler. »Vermutet man gegebenenfalls recht, Mister Hank Finley vor sich zu haben?« vergewisserte er sich. »Na seh’n Sie mal«, schmunzelte Finley. »Ich hab Sie schon gestern abend erkannt. Bei Ihrem eigenartigen Aufzug ist das ja kein Wunder.« »Was meine bescheidene Wenigkeit keineswegs bestreiten möchte, Mister Finley«, antwortete Parker. »Darf man im übrigen die Frage anschließen, ob Sie Ihre Haftstrafe mittler weile verbüßt haben?« »Dachten Sie, ich wäre getürmt?« gab der Gangster belustigt zurück. »Von den zehn Jährchen wegen Bankraub hat man mir vier wegen vorbildlicher Führung erlassen.« »Eine Entscheidung, die der zuständige Richter zutiefst bedau ern würde, wenn er über gewisse Aktivitäten Ihrerseits unterrich tet wäre, Mister Finley«, entgegnete der Butler. »Was soll’s? Ich bin frei. Und wenn ich Sie und Ihre feiste Ge bieterin erst mal zum Schweigen gebracht habe, kann ich auch wieder ruhig schlafen«, sagte Finley mit tückischem Grinsen. »Was ist eigentlich mit Buddy und Perry?« »Sollte man davon ausgehen, daß Sie Mister Snyder und Mister Ferguson zu meinen geruhen, Mister Finley?« wollte Parker wis sen. »Dumme Frage. Was ist mit den Jungs?« bohrte der Gangster. »Waren Ihnen wohl nicht ganz gewachsen, oder?« »Mister Snyder zog sich während eines Wortwechsels mit Myla dy ein Unterschenkelmalheur und diverse Prellungen zu«, teilte der Butler mit der undurchdringlichen Miene eines abgebrühten Pokerprofis mit. »Mister Ferguson entschloß sich daraufhin spon tan, seinem verletzten Komplicen Gesellschaft zu leisten und das Eintreffen ärztlicher Hilfe abzuwarten.« »Hab ich mir fast gedacht«, nickte Finley grimmig. »Aber das war mit Sicherheit Ihr letzter Streich, Parker!« »Darf man möglicherweise um Auskunft bitten, wie Sie diese Äußerung konkret verstanden wissen möchten, Mister Finley?« fragte der Butler. Inzwischen ließ er unauffällig die Blicke wan dern und hielt diskret nach einer Möglichkeit Ausschau, das uner freuliche Blatt zu Wenden.
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Doch Hank Finley, Eric O’Toole und die drei unbekannten Killer paßten auf wie die Schießhunde und gaben sich nicht die gerings te Blöße. Jeder Ausbruchsversuch wäre einem glatten Selbstmord gleichgekommen. »Am liebsten hätte ich euch gleich gestern abend kaltgemacht«, ließ Finley verlauten. »Aber dann dachte ich doch, es wäre siche rer, ein paar Spezialisten aus London anzufordern.« Dabei deute te er mit einer Bewegung des Kopfes auf die drei Männer mit den dunklen Brillen. »Sie haben also die Absicht, mich kaltblütig zu erschießen, jun ger Mann?« vergewisserte sich die Detektivin, die bisher die Fas sung bewahrt hatte. »Ich schieße nicht, ich lasse schießen«, gab Finley unter höhni schem Grinsen zurück. »Für Sie bleibt es allerdings dasselbe.« »Eine Feststellung, der man unter keinen Umständen wider sprechen möchte, Mister Finley«, meldete sich Parker in seiner stets höflichen Art zu Wort. »Sollte Mylady gegebenenfalls davon ausgehen, daß Sie die Exekution an Ort und Stelle vorzunehmen gedenken?« »Das war nicht so praktisch«, erwiderte Finley beiläufig. »Dann müßten wir Ihre Leichen hier verbuddeln oder mühsam zum Fluß schleifen. Die Arbeit könnt ihr uns abnehmen, indem ihr euch selber zum Fluß bemüht.« »Das ist ja pure Schikane«, ereiferte sich Lady Simpson. »Dafür werden Sie büßen, junger Mann.« »Glaub ich kaum, Madam«, konterte Finley unbeeindruckt. An schließend winkte er zwei der Killer heran. »Ihr geht zusammen mit O’Toole und dem Pärchen zum Fluß«, wies er die Männer an. »Ich komme mit Phil gleich nach.« »Okay, Mister Finley«, kam prompt die Bestätigung. »Sollen wir mit dem Hit warten, bis Sie da sind?« »Auf jeden Fall«, verlangte der Gangster. »Aber paßt bloß auf! Die zwei haben ‘ne Menge fauler Tricks auf Lager.« Mylady mochte protestieren, wie sie wollte. Angesichts der ent sicherten Schußwaffen hatte sie keine andere Wahl, als erneut den Weg zum Fluß anzutreten. Dabei waren ihr körperliche An strengungen ohnehin ein Greuel. Parker dagegen war erleichtert, daß Finley den Vollzug seiner Rache noch hinausgeschoben hatte. Dadurch stiegen die Aussich ten, die Machtverhältnisse zu ändern, beträchtlich. 28
* Eric O’Toole, der den aus London angereisten Killern den Weg weisen sollte, führte die kleine Gruppe an. Agatha Simpson und der Butler folgten Seite an Seite. Dahinter gingen, in einigen Schritten Abstand, die Männer mit den dunklen Brillen, die ihre entsicherten Revolver im Anschlag hielten. Niemand fiel auf, daß Parker im Gehen seinen schwarzen Uni versal-Regenschirm zur Distanzwaffe umfunktionierte. Dazu löste er zunächst den kleinen Sicherungshebel am Schirmgriff. Bei nächster Gelegenheit ließ er die Spitze des altväterlich ge bundenen Regendachs über eine Baumwurzel schleifen, so daß das bleigefütterte Ende senkrecht zur Seite klappte. Dadurch war der hohle Schaft zum Lauf geworden, aus dem der Butler kleine, bunt gefiederte Pfeile verschießen konnte. Für den Antrieb sorgte eine Patrone mit komprimierter Kohlensäure, die in den schwar zen Schirmfalten verborgen war. Die Wegbiegung, die gleich darauf auftauchte, erschien Parker als geeigneter Platz für das riskante Unterfangen, die bewaffneten Wächter auszuschalten und Finleys finstere Rachepläne zu durch kreuzen. Ein rascher, verstohlener Blick über die Schulter… Wie zufällig wippte das Schirmende in die Höhe, und schon glitt das erste der kaum stricknadelgroßen Geschosse aus dem Lauf. Dicht über dem Erdboden huschte der zierliche Pfeil lautlos da hin, suchte sich sein Ziel und – fand es im rechten Unterschenkel des rechten Killers. Irritiert zuckte der Mann zusammen. Er hatte das geräuschlos im Tiefflug nahende Geschoß nicht kommen sehen. Nur den klei nen Einstich hatte er verspürt, als die nadelscharfe Spitze sein Hosenbein durchdrang und seitlich in der Wade steckenblieb. Unwillig wollte der Bewaffnete nach dem vermeintlichen Insekt schlagen und stieß einen spitzen Schrei aus. Dadurch wurde sein Nebenmann aufmerksam, der sich verdutzt zur Seite wandte und ebenfalls den kleinen, unheimlichen Pfeil gewahrte. Auf diese Sekunde der Unaufmerksamkeit hatte Parker gehofft. Er nutzte die Chance, die sich ihm bot, ebenso kaltblütig wie er folgreich. 29
Ruckartig ließ er den schwarzen Universalschirm vom angewin kelten Unterarm senkrecht in die Höhe steigen und hatte im sel ben Augenblick das untere Ende in der Hand. Anschließend mach te der Butler auf dem Absatz kehrt und ließ den bleigefüllten Griff auf dem Haupt des linken Killers niedergehen. Der graue Filzhut des Mannes störte den innigen Kontakt zwi schen Schirmgriff und Schädeldecke nur geringfügig. Röchelnd knickte der Killer in den Knien ein und ließ sein Mordwerkzeug fallen. Sein Komplice war ohnehin zu intensiv mit sich selbst und dem kleinen Pfeil beschäftigt, um seine Waffe noch im Anschlag halten zu können. Sicherheitshalber ließ Parker aber auch ihn mit dem bleigefüllten Bambusgriff des schwarzen Universal-Regendachs Bekanntschaft schließen. Zwar war die Pfeilspitze mit einem Betäubungsmittel pflanzli cher Herkunft präpariert, doch dauerte es ein paar Sekunden, bis die entspannende Substanz über die Blutbahn das Gehirn erreich te und ihre Wirkung entfaltete. O’Toole, der seinen Revolver in der Schulterhalfter stecken hat te, war der kleine Zwischenfall in seinem Rücken natürlich nicht entgangen. Kurz entschlossen machte der Cheftrainer auf dem Absatz kehrt, um in das Geschehen einzugreifen. Mylady sorgte jedoch dafür, daß O’Tooles Vorhaben im Ansatz kläglich scheiterte. Schwungvoll setzte sie ihren geliebten Glücks bringer in Marsch und legte den Talisman mit Nachdruck auf die Schädeldecke des Mannes. Daraufhin überlegte er es sich anders, zog die Hand wieder aus dem Jackenausschnitt und griff statt dessen nach der schmerzen den Stelle, wo sich im Nu eine hufeisenförmige Schwellung bilde te. Dabei starrte er die resolute Dame aus hervorquellenden Au gen haßerfüllt an. Sein Mund formte Flüche. Heraus kamen aber nur unverständli che Blubberlaute. Kalter Schweiß bedeckte O’Tooles bleiche Stirn, während er auf unsicheren Füßen einen Kosakentanz präsentier te. Dabei erwies sich jedoch, daß der Waldboden mit den vielen Baumwurzeln kein Tanzparkett war. Die improvisierte Darbietung endete damit, daß der Trainer eine nicht ganz makellose Rolle vorwärts absolvierte. Dann blieb er auf dem Rücken liegen, streckte alle viere von sich und entschlummerte. 30
»Das war aber auch höchste Zeit, Mister Parker«, schnaufte A gatha Simpson. »Jetzt werde ich erst mal eine Pause einlegen und mich ein wenig stärken.« »Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Mylady zu widersprechen«, meldete der Butler in seiner höflichen Art je doch Widerspruch an. »Es dürfte der Hinweis genehm sein, daß Mister Finley die Absicht äußerte, mit einem weiteren Bewaffne ten kurzfristig zu folgen.« »Papperlapapp, Mister Parker«, schob Lady Agatha den Einwand souverän beiseite. »Ich werde dem Lümmel zeigen, daß man sich mit mir nicht ungestraft anlegt.« »Ein Vorhaben, das unter den obwaltenden Umständen nicht leicht zu verwirklichen sein dürfte, Mylady«, gab Parker zu be denken. »Ich werde die Schurken in eine Falle locken, Mister Parker«, entschied die ältere Dame spontan. Der Butler machte sie jedoch darauf aufmerksam, welche Schwierigkeiten dieser Taktik entgegenstanden: In dem relativ offenen Gelände war es praktisch unmöglich, das friedlich schnar chende Trio der ausgeschalteten Bewacher so zu verstecken, daß Finley und sein Begleiter nicht stutzig wurden. Viel Zeit blieb ohnehin nicht. Mit dem Auftauchen des rache durstigen Gangsters war in den nächsten Minuten zu rechnen. »Allein würde ich es mit den Lümmeln schon aufnehmen«, er widerte die resolute Lady selbstbewußt. »Aber ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen, weil ich mich für Ihre Sicherheit ver antwortlich fühle, Mister Parker.« »Myladys beispiellose Fürsorge verpflichtet meine Wenigkeit zu tiefstem Dank«, ließ der Butler sich mit einer angedeuteten Ver beugung vernehmen. »Dankbarkeit tut immer gut, Mister Parker«, nickte Agatha Simpson geschmeichelt. »Außerdem erwarte ich ein paar hübsche Vorschläge. Ich möchte sehen, ob Sie mitdenken.« »Mylady dürfte einen taktischen Rückzug erwägen, um sich eine bessere Angriffsposition zu verschaffen, falls man nicht sehr irrt«, kam Parker der Aufforderung nach. »Was stelle ich mir konkret darunter vor, Mister Parker?« wollte die Detektivin wissen. »Mylady werden eines der Kanus benutzen, um die nächste Ort schaft flußabwärts zu erreichen und von dort zum Hotel zurück 31
zukehren«, teilte der Butler seine Überlegung mit. »Der Weg zum Flußufer wird nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.« »Gut aufgepaßt, Mister Parker«, ließ Agatha Simpson sich zu überschwenglichem Lob hinreißen. »Auf diese Weise kann ich gleich den Boß der Bande überwältigen, ohne mich mit Randfigu ren aufzuhalten.« »Eine Überlegung, die beredtes Zeugnis von Myladys taktischer Begabung ablegt«, ließ Parker verlauten und deutete eine Ver beugung an. Ehe er seiner Herrin den Weg zum Liegeplatz der beiden Kanus wies, zog der Butler jedoch sein Sprühfläschchen aus der Tasche. Der Killer mit dem zierlichen Pfeil im Unterschenkel schlummer te zwar tief und fest, aber Eric O’Toole und der zweite HitSpezialist, die sich in unruhigen Träumen wälzten, konnten eine Dosis des feinen, betäubenden Nebels vertragen, der auf Knopf druck der Düse entströmte. Umgehend glätteten sich die Gesichtszüge der Männer, als Par ker sie kurz an dem Fläschchen schnuppern ließ. Gleichzeitig ging das gequälte Röcheln in fast melodisches Schnarchen über. * Mit kräftigen Paddelschlägen trieb Parker das Kanu in die Mitte des kleinen Flusses, wo die Strömung am stärksten war. Etwa fünf Meilen unterhalb lag die Ortschaft Glencennoch, wie er am Abend zuvor bei einem Blick auf die Karte festgestellt hatte. Si cher gab es eine Möglichkeit, von dort aus zum Hotel zu kommen, wo der Butler sein Fahrzeug abgestellt hatte, das als >Trickkiste auf Rädern< legendären Ruf genoß. Noch aber war das skurrile Paar Hank Finley nicht entkommen, wie Parker bei einem Blick über die Schulter registrierte. Das Ka nu schoß gerade in flotter Fahrt auf die erste Flußbiegung zu, als der Ex-Bankräuber samt gemietetem Killer am Liegeplatz auf tauchte. Postwendend rissen beide ihre Waffen aus den Schulterhalftern und eröffneten das Feuer. Sie sahen jedoch schnell ein, daß bei einer Distanz von schätzungsweise zweihundert Metern die Aus sicht auf einen Treffer recht dürftig war.
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Bevor die Männer hinter der Kurve seinen Blicken entschwan den, gewahrte der Butler noch, daß Finley hastig in ein kleines Funkgerät sprach. Anschließend sprangen beide in das zweite Kanu und nahmen die Verfolgung auf. Da die Gangster zu zweit paddelten, billigte Parker ihnen gute Chancen zu, den Vorsprung in kurzer Zeit aufzuholen. Deshalb hielt er konzentriert nach einer versteckten Bucht Ausschau, die ihm als Hinterhalt dienen konnte. Doch unvermittelt sah er sich gezwungen, alle Aufmerksamkeit auf die Beherrschung des Boo tes zu konzentrieren. Inzwischen waren die Hänge des sanften Tales, durch das der Fluß gemächlich seine Bahn zog, wieder zusammengerückt. Statt Wiesenstreifen gab es rechts und links nur noch kahle Felsbö schungen. Und die Strömung hatte sich deutlich verstärkt. Auch das Rauschen, das der Butler Sekunden zuvor zum ersten Mal wahrgenommen hatte, wurde lauter. Das Geräusch konnte nur von einer Stromschnelle stammen, deren Schwierigkeiten er aber noch nicht abzuschätzen vermochte. In diesem Moment schlug eine Kugel in die Felsen. Eine Fontäne von Erde und Steinsplittern spritzte auf und verschonte auch nicht Lady Simpson. »Unverschämtheit!« ereiferte sich die Detektivin. »Das werden die Flegel büßen!« »Was eindeutig zu hoffen steht, Mylady«, erwiderte Parker und trieb kurz entschlossen das Kanu mit schnellen Paddelschlägen in die Schlucht, deren Windungen zwischen engen Felswänden einen gewissen Schutz versprachen. Schätzungsweise ein Drittel ihres Rückstandes hatten Finley und sein Assistent mittlerweile aufge holt. Die Strömung wurde zusehends stärker und riß das zerbrechli che Gefährt in atemberaubendem Tempo mit sich. Der Butler be schränkte sich darauf, mit gezielten Paddelschlägen für den nöti gen Abstand zwischen Bordwand und Felsufer zu sorgen. Sekunden später öffnete sich die Schlucht wie ein Tor. In wilden Kaskaden schoß der Fluß in ein Tal mit weit zurücktretenden Wänden. Das Rauschen des stürzenden Wassers verstärkte sich zu ohrenbetäubendem Donnern und Dröhnen. »Was ist das für ein merkwürdiges Geräusch, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame, die mit dem Rücken in Fahrtrich
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tung saß, aber Parker sah nur, daß ihre Lippen sich bewegten. Er verstand kein einziges Wort. »Man bittet um Nachsicht, Mylady«, murmelte der Butler und – zog den Kopf ein. In rasanter Schußfahrt glitt das Kanu in einer schmalen Rinne zwischen Findlingsbrocken talwärts und tauchte klatschend mit der Nase ins schäumende Wasser. Eine regelrechte Kaskade stieg auf und prasselte wie ein Platzregen auf die Bootsinsassen nieder. Doch damit war das Ende der Stromschnelle erreicht. Der Fluß wälzte sich wieder gleichmäßig dahin. Allerdings gab es auch kei ne schützenden Felsvorsprünge mehr. Falls die Verfolger dem skurrilen Paar nicht den Gefallen taten, an der Stromschnelle zu scheitern, war mit dem Schlimmsten zu rechnen. Sie tauchten am Ende der Schlucht auf. Finley und sein Beglei ter kämpften wie Wildwasserprofis beim Olympiatraining. Trotz dem konnten sie nicht verhindern, daß ihr Boot gegen einen der Findlinge getrieben wurde und sich querstellte. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es den Männern jedoch nach kurzer Zeit, ihr Gefährt wieder freizubekommen, was Lady Agatha mit einem enttäuschten Ausruf quittierte. Kaum hatten die Gangster wieder ruhiges Wasser unter dem Kiel, zeigten sie sich fest entschlossen, ihr Vorhaben endlich über die Bühne zu bringen. Während Hank Finley weiter mit dem Stechpaddel hantierte, kniete sein dunkel bebrillter Begleiter im Bug nieder und hob langsam die großkalibrige Waffe. * Gelassen nahm Josuah Parker die Einladung zum Duell an, zu mal ihm gar keine andere Wahl blieb. Über eine Waffe verfügte er allerdings nicht. Doch auch in dieser Situation bedauerte der Butler nicht, daß er die Pistolen und Revolver der ausgeschalteten Wächter in ein Ge büsch geworfen hatte, statt sie zu sich zu stecken. Der Gebrauch von Feuerwaffen war Parker im tiefsten Herzen zuwider. Es gab ja auch andere Möglichkeiten. Schon hielt der Butler seine stählerne Gabelschleuder in der Hand und lud die lederne Schlaufe mit einer Murmel aus hartge
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branntem Ton. Parker strammte die extrastarken Gummistränge und visierte den Mann mit der dunklen Brille an. Sekundenbruchteile später glitt der tönerne Gruß davon. Gleich zeitig blitzte drüben das Mündungsfeuer auf. Ein scharfer Knall zerriß die mittägliche Stille auf dem ruhigen Fluß und rollte als donnerndes Echo von den Felswänden zurück. Unvermittelt sah der Butler sich seines schwarzen Bowlers be raubt, den er tief in die Stirn gezogen hatte. Die stahlverstärkte Kopfbedeckung hatte das Projektil abgefangen, hatte sich selb ständig gemacht und war in hohem Bogen ins Wasser gesegelt. Mylady zeigte jedoch Geistesgegenwart und fischte das gute Stück heraus, ehe es abgetrieben wurde. An den Verfolgern im zweiten Kanu war der erste Waffengang des ungewöhnlichen Duells weniger glimpflich vorübergegangen. Während Parkers Melone noch durch die Luft segelte, warf der Killer im Filzhut beide Arme in die Höhe, als wollte er seiner Freu de über den Treffer Ausdruck verleihen. Daß ihm dabei die Waffe aus der Hand rutschte und klatschend im Fluß versank, schien den Mann nicht weiter zu irritieren. Das irdene Geschoß aus Parkers Zwille traf ihn dicht über der Nasenwurzel und sorgte für nachhaltige Bewußtseinstrübung. Ohne sich um Finleys wütende Vorhaltungen zu kümmern, ließ der Killer sich hintenüber sinken und suchte den Boden des Kanus auf, um erst mal ein Nickerchen zu halten. Fest entschlossen, das Duo aus Shepherd’s Market, dem er eine mehrjährige Haftstrafe verdankte, auf keinen Fall entkommen zu lassen, setzte der Gangster nun seine eigene Waffe ein. Das heißt, er versuchte es. Ehe er den schallgedämpften Revolver ziehen konnte, ereilte al lerdings auch ihn das Geschick in Gestalt einer hartgebrannten Tonkugel, die der Butler unverzüglich auf die Reise geschickt hat te. Finley stieß einen sirenenähnlichen Jaulton aus, als das lautlo se Geschoß auf seiner Oberlippe niederging und eingehend den Sitz der Schneidezähne prüfte. Halb besinnungslos vor Wut und Schmerz stand der Mann auf schwankenden Beinen im Boot, angelte nach der Waffe, die im mer noch in der Schulterhalfter steckte, und verlor plötzlich das Gleichgewicht. Heftig mit den Armen rudernd, kippte der Gangster über Bord und landete platschend im Wasser. 35
Das kalte Naß schien so etwas wie eine belebende Schockwir kung auszuüben. Finley tauchte prustend aus den Fluten und klammerte sich an der Bordkante des treibenden Kanus fest. Sein Versuch, sich an der Seitenwand hochzuziehen, mißlang jedoch. Parker benutzte sein Paddel jetzt zum Bremsen und wartete ge lassen, bis das Boot der Verfolger längsseits kam. Mit dem Bam busgriff seines schwarzen Universalschirms zog er das Kanu her an und kümmerte sich anschließend um Hank Finley, mit dessen Schwimmkünsten es offenbar nicht weit her war. Willig ließ der Gangster sich mit Handschellen aus speziell ge härtetem Stahl versorgen, ehe der Butler ihm an Bord half. Wenig später hatte Parker beide Boote in eine kleine Bucht manövriert, die durch herabhängende Zweige wenigstens einigermaßen gegen Blicke geschützt war. * Parker brachte die Männer an Land und fesselte sie in halbwegs bequemer Stellung an den Stamm einer Birke. Dabei ging ihm die Begegnung vom Vorabend noch mal durch den Kopf. Inzwischen war ihm auch der Name des zweiten Mannes eingefallen, der in Cunneys Büro gesessen hatte. Es handelte sich um einen gewis sen Ronald Bates, der zusammen mit Finley wegen bewaffneten Bankraubes verurteilt worden war. Wem hatte man das unerfreuliche Zusammentreffen mit diesen >alten Bekannten< zu verdanken? An einen Zufall mochte der Butler nicht glauben. Woher wußte Finley allerdings, daß Mylady gerade in dieser Woche an einem ganz speziellen Überlebenstrai ning in den nordwestlichen Highlands teilnahm? Daß Finley und Bates in Brian Cunneys Diensten standen, kam dem Butler immer unwahrscheinlicher vor. Hätte es sich tatsäch lich um seine Mitarbeiter gehandelt, hätte Cunney sie vermutlich kurz vorgestellt, bevor er sie entließ. Seine Mimik hatte unübersehbar verraten, daß die Anwesenheit des Duos in seinem Büro ihm alles andere als recht war. Schließ lich fiel Parker noch die Sache mit der Tür ein, die Finley und Ba tes dank ihrer professionellen Schulung kurzerhand selbst aufge schlossen hatten, ohne erst lange auf den Hausherrn zu warten.
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»Mylady liegen mittlerweile zuverlässige Informationen über Ih ren Auftraggeber vor«, wandte sich der Butler mit unbewegter Miene an Finley, der ihn in einer Mischung aus Wut und Besorgnis anstarrte. Der Gangster öffnete den Mund, doch Parker ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß es sich um Mister Cunney handelt?« fragte er. »Verdammt, das wissen Sie auch?« entfuhr es seinem Gegen über. »Gegen Ihre Tricks scheint wirklich kein Kraut gewachsen zu sein, Parker.« »Eine Feststellung, der man nicht um jeden Preis widersprechen möchte, Mister Finley«, entgegnete der Butler. »Dennoch sieht man sich genötigt einzuräumen, daß noch gewisse Informations lücken bestehen.« »Und die soll ich Ihnen stopfen, was?« Finley wollte sein Gesicht zu höhnischem Grinsen verziehen. Die demonstrative Geste ent gleiste jedoch etwas, da seine Oberlippe, die den Anprall der klei nen Tonkugel abgefedert hatte, langsam zum Format einer Brat wurst anschwoll. »In der Tat, Mister Finley«, bestätigte Parker. »Mylady wäre Ih nen außerordentlich verbunden, wenn Sie freimütig über den Auf trag Auskunft geben würden, der Sie in diese einsame Region führte.« »Irgendwoher hat der Chef gewußt, daß hier so’n Überlebens training stattfindet«, berichtete der Gangster. »Und da sollten wir die Leute ‘n bißchen von ihren überflüssigen Wertsachen entlas ten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Is ja auch ‘n lockeres Arbeiten in dieser Einöde. Im Prinzip schon.« »Darf Mylady möglicherweise erfahren, wie Sie diese letzte Äu ßerung verstanden wissen möchten, Mister Finley?« hakte der Butler nach. »Wenn Sie beide nicht hier aufgetaucht wären, wäre es ein lo ckeres Arbeiten gewesen«, wurde Finley deutlicher. »Merken Sie nicht, daß der Lümmel das Blaue vom Himmel her unterlügt, Mister Parker?« fuhr Lady Agatha in diesem Augenblick dazwischen. »Mylady sehen Veranlassung, an Mister Finleys Angaben zu zweifeln?« vergewisserte sich Parker.
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»Der Fall liegt klar auf der Hand, Mister Parker«, ließ Lady A gatha verlauten. »So?« schaltete Finley sich empört ein. »Wo hat die große De tektivin denn das Haar in der Suppe gefunden?« »Geben Sie doch endlich zu, daß Sie den Auftrag hatten, mich kaltblütig zu ermorden«, fuhr die resolute Dame ihn an. »Wenn Sie Ihr Geständnis noch länger hinauszögern, zwingen Sie mich, meine Vernehmung zu verschärfen.« »Hab ich überhaupt kein Interesse dran, Mylady«, versicherte Finley eilig. »Das Zusammentreffen mit Ihnen war wirklich rein zufällig, Lady. Im Affekt sozusagen, ehrlich.« »Der verstockte Lümmel macht immer noch Ausflüchte, Mister Parker«, beschwerte sich Agatha Simpson. »Ich werde ihm eine kleine Lektion erteilen müssen, ehe ich mit der Vernehmung fort fahre.« »Um Himmels willen, nein!« flehte der Gangster mit der wurst förmigen Lippe. »Was ich sage, ist die reine Wahrheit. Da der Chef – ich weiß nicht, welche – Verbindungen zu Cunney hat, sollten wir bei dem Überlebenstraining ‘n bißchen mithelfen und dafür sorgen, daß die Sache sich unterm Strich auch lohnte. Fi nanziell, verstehen Sie?« »Geht Mylady möglicherweise recht in der Annahme, daß Ihre tatkräftige Hilfe Mister Cunney nicht unbedingt willkommen ist?« hakte Parker ein. »Er hat aber nicht ernsthaft protestiert, als wir ankamen«, er widerte der Gangster mit treuherziger Miene. »Ein Verhalten, das Mister Cunney unter Umständen schlecht bekommen wäre, falls man eine persönliche Vermutung äußern darf, Mister Finley.« »Kommt drauf an, was der Chef gesagt hätte«, wich sein Ge sprächspartner aus. »Jedenfalls wollte Cunney die Leute auch abziehen, nur etwas moderater. Aber damit kommt man ja auf keinen grünen Zweig.« »Mit den Methoden, denen Sie sich verschrieben haben, Mister Finley, mit Verlaub aber auch nicht«, erwiderte Parker kühl. »Nicht, wenn man an Leute Ihres Schlages gerät«, urteilte Fin ley deprimiert. »Demnach sollte man davon ausgehen, daß Ihr Zusammentref fen mit Mylady und meiner Wenigkeit uneingeschränkt zufällig war, Mister Finley?« vergewisserte sich der Butler. 38
»So zufällig wie ‘n Verkehrsunfall«, nickte sein Gesprächspart ner. »Ron und ich haben gehofft, Sie würden uns nicht erkennen, bevor die Spezialisten aus London da waren.« »Versteht man Sie recht, daß Sie die sogenannten Spezialisten herbeordert haben, um Mylady und meine Wenigkeit ins sprich wörtliche Jenseits zu befördern, Mister Finley?« wollte der Butler genau wissen. Schlagartig wurde dem gesprächigen Gangster bewußt, daß er sich ein Stück zu weit vorgewagt hatte. »Genaugenommen hat der Chef die Spezialisten beauftragt«, stellte er klar. »Konnte ja auch niemand außer Mister Temple ma chen, weil das ‘ne Stange Geld kostet.« »Eine völlig überflüssige Ausgabe, die Ihr Arbeitgeber sich da geleistet hat, Mister Pinley«, griff Agatha Simpson an dieser Stelle ein. »Sie sehen ja, was seine angeblichen Spezialisten gegen mich ausgerichtet haben. Nichts. Weniger als nichts.« »Meine Entscheidung war’s nicht«, trat Finley mit kalten Füßen unüberhörbar den Rückzug an. »Die Sache mit den Spezialisten hat der Chef zu verantworten.« »Dennoch darf Mylady unwidersprochen davon ausgehen, daß Sie es waren, der Mister Temple den entscheidenden Hinweis gab«, forschte Parker nach. »Das schon«, räumte Finley zögernd ein. »Aber ich wollte ihn nur fragen, wie wir uns verhalten sollten. Ich habe Mister Temple sogar vorgeschlagen, daß wir uns zurückziehen, Ron und ich. A ber davon wollte er nichts wissen.« »Demnach waren Sie und Mister Bates willens, Mylady aus dem Weg zu gehen, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden?« fragte der Butler, obwohl er von dieser Version nicht im geringsten ü berzeugt war. Aber Finley nickte heftig zur Bekräftigung. »Bestimmt wären wir Ihnen aus dem Weg gegangen«, beteuer te er mit unterwürfiger Miene. »Aber der Chef meinte, das Über lebenstraining war ‘ne einmalige Gelegenheit, die er sich auf kei nen Fall entgehen lassen wollte.« »Sollte man aus Ihrer Äußerung gegebenenfalls schließen, daß Mylady und meine bescheidene Wenigkeit Mister Temple näher bekannt sind, Mister Finley?« erkundigte sich Parker höflich. »Ob er Sie näher kennt, weiß ich nicht«, erwiderte der Gangs ter. »Aber in der Szene gibt es ja kaum jemand, der Sie nicht kennt.« 39
»Stimmt, junger Mann. Ich habe mir beträchtlichen Ruhm er worben«, nickte Lady Simpson geschmeichelt. »Aber ich habe auch noch mehrere Karrieren vor mir.« »Dann werd ich mich bemühen, im Knast jeden Tag die Zeitung zu lesen, damit ich nichts verpasse«, schwindelte Finley prompt. »Ist Mylady korrekt unterrichtet, daß Sie nach Ihrer Entlassung aus der Haft außer Mister Temple auch noch andere Arbeitgeber hatten, Mister Finley?« fragte der Butler, um das Thema nicht ausufern zu lassen. »Nee«, schüttelte Finley den Kopf. »Ich kam als kleines Licht ohne Anschluß aus dem Knast und konnte ziemlich bald bei Mister Temple unterkriechen. Erst mußte ich in den Kneipen, die er be treut, hin und wieder für Ordnung sorgen. Dann hab ich mich langsam raufgedient.« »Mylady vermutet also das Richtige, wenn Mister Temple die Erpressung von Schutzprämien als Einnahmequelle nutzt?« wollte Parker noch wissen. »Im wesentlichen schon«, bestätigte Finley und spitzte gleich zeitig die Ohren. Auch der Butler hatte das Geräusch vernommen. * Der Motor in der Ferne arbeitete anscheinend in einem Jeep, der im Geländegang durch die unwegsame Wildnis schaukelte. Unver züglich machte Parker seine Herrin aufmerksam. »Ich werde die Lümmel abfangen und überwältigen, Mister Par ker«, entschied die ältere Dame spontan. »Sie dürfen sich schon mal was Hübsches einfallen lassen.« »Man dankt für den ehrenvollen Auftrag, Mylady«, antwortete der Butler und lüftete andeutungsweise den inzwischen trockenen Bowler. Parker lauschte konzentriert auf das Wimmern der Ma schine, um Fahrtrichtung und Geschwindigkeit des Wagens ab schätzen zu können. Die Geräuschquelle befand sich flußaufwärts, eine Meile oder wenig mehr entfernt. Sie näherte sich zügig und schien genau auf das Quartett am Fluß zuzuhalten. Offenbar nutzte der Fahrer den nur von wenigen Bäumen bestandenen Grasstreifen in Ufernähe, um schneller voranzukommen. Innerhalb kurzer Zeit war mit dem Eintreffen des Wagens zu rechnen. 40
Hank Finley reagierte mit sichtlicher Erleichterung auf das na hende Motorengeräusch. Wenn der Fahrer den Kurs beibehielt, bestand für ihn noch Hoffnung – glaubte er jedenfalls. Schnell hatten Parker und die Detektivin sich für zwei mächtige Fichtenstämme entschieden, hinter denen sie die Ankömmlinge erwarten wollten. Doch ehe das skurrile Paar sich in die Deckung zurückzog, holte Parker noch mal sein Sprühfläschchen mit der betäubenden Pflanzenessenz hervor. Eingehend ließ er Hank Finley an dem feinen Nebel schnuppern, der aus der Düse strömte. Auch der Spezialist, der eben erst aus seinen unruhigen Träumen erwachte, ging nicht leer aus. Beide bedankten sich mit einem Lächeln für die entspannende Wohltat und machten es sich so bequem, wie es mit Handschellen nur möglich war. Gemessenen Schrittes begab sich Parker hinter seinen Baum stamm, derweil Agatha Simpson schon probeweise ihren perlen bestickten Pompadour rotieren ließ. Plötzlich hielt die majestäti sche Dame unvermittelt inne, erstarrte förmlich und verschaffte sich durch explosionsartiges Niesen Erleichterung. Hank Finley und der Killer, obwohl schon entschlummert, fuhren sichtbar zusammen. Die Insassen des Jeeps schienen jedoch nichts gehört zu haben. Jedenfalls näherte sich das Fahrzeug mit unverminderter Geschwindigkeit. Der Wagen tauchte am Uferstreifen auf. Zwei Männer in oliv grünen Kampfanzügen saßen auf den vorderen Sitzen des offenen Gefährts und hielten angestrengt nach etwas Ausschau. Worum es sich dabei handelte, war leicht zu erraten. Bodenwellen zwangen den Fahrer, das Tempo zu drosseln, sonst hätte er die schlummernden Gangster überrollt. So brachte er den hochbeinigen Geländewagen gerade noch rechtzeitig zum Stehen. »Verdammt, was ist das?« fluchte der Mann am Steuer. Der Beifahrer hätte ihm gern geantwortet, doch als er den Mund öffnete, um zu einer Erklärung anzusetzen, blieb ihm die Luft weg. Daran war Lady Agathas Glücksbringer schuld, der sich mit der Zärtlichkeit einer Dampframme in den Nacken des Unbekannten schmiegte. Fassungslos starrte der Fahrer die gewichtige Dame an, die un vermittelt hinter dem Baum hervorgetreten war und ebenso un 41
vermittelt einen Volltreffer erzielt hatte. Doch die Lähmung, von der der Gangster befallen wurde, dauerte nur Bruchteile von Se kunden. Blitzartig zuckte seine Hand zum Ausschnitt der olivgrünen Kampfjacke. Parker, der auf der anderen Seite des Fahrzeugs aus der Deckung getreten war, durchkreuzte diese finsteren Absich ten ebenso wirksam wie nachhaltig. Mit unbewegter Miene ließ er seinen schwarzen UniversalRegenschirm durch die Luft wirbeln und pochte mit dem bleige füllten Bambusgriff nachdrücklich auf den Schädel des Fahrers. Daraufhin vergaß der Mann unverzüglich sein feindseliges Vorha ben. Wimmernd verdrehte er die Augen und wollte sich zu Parker umwenden, was ihm aber beträchtliche Mühe bereitete. Auch die langläufige Pistole, deren Griff er schon umfaßt hielt, war dem Gangster plötzlich viel zu schwer. Kurz entschlossen beließ er die Waffe in der Schulterhalfter, bettete sein müdes Haupt auf das Lenkrad und ließ die Arme hängen. Schnarchtöne signalisierten eindeutig, daß sein Auftrag ihm gleichgültig geworden war. »Immer fahren Sie mir dazwischen, Mister Parker«, beschwerte sich die passionierte Detektivin. »Sie gönnen mir nicht die kleins te Freude.« »Man bittet in aller Form um Nachsicht und wird sich künftig be fleißigen, keineswegs mehr Myladys Unmut zu erregen«, ver sprach der Butler in seiner durch nichts zu erschütternden Höf lichkeit. »Natürlich hätte ich den zweiten Lümmel auch noch überwältigt, Mister Parker«, stellte die resolute Dame klar. »Eine Feststellung, der man nicht mal im Traum widersprechen würde, Mylady«, erwiderte Parker. »Darf man im übrigen fragen, wie Mylady angesichts der veränderten Sachlage weiter vorzuge hen gedenken?« »Ich werde weiterhin meinem taktischen Einsatzplan folgen, Mister Parker«, gab die Detektivin ausweichend zur Antwort. »Das hat sich bisher ausgezeichnet bewährt.« »Mylady könnten das motorisierte Fahrzeug der Herren benut zen«, stieß der Butler sie mit der Nase auf die ungeahnten Mög lichkeiten, die sich jetzt eröffneten.
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»Richtig, darauf wollte ich Sie auch gerade aufmerksam ma chen, Mister Parker«, nickte Agatha Simpson. »Natürlich werde ich das Fahrzeug beschlagnahmen und dienstlicher Nutzung un terstellen.« »Eine Entscheidung, die man nur mit ungeteiltem Beifall auf nehmen kann, Mylady«, ließ Parker sich vernehmen und räumte die schlummernden Insassen von den Sitzen. »Aber was mache ich denn mit all den Gangstern, die ich ding fest gemacht habe, Mister Parker? Die kann ich doch unmöglich in diesem Vehikel mitnehmen.« »Mylady dürften erwägen, die Herren auf dem Wasserweg der nächsten Polizeistation zwecks weiterer Bearbeitung zuzustellen«, antwortete der Butler und erklärte seiner Herrin, wie er sich das konkret vorstellte. »Wirklich recht hübsch, Mister Parker«, lobte die majestätische Dame großzügig. »Die Idee könnte fast von mir sein.« »Meine Wenigkeit fühlt sich geehrt, Mylady«, bekannte Parker und schickte sich an, die Gangster in den Kanus zu verstauen, je zwei in ein Boot. Anschließend kettete er sie mit Handschellen so an die Sitzbänke, daß sie ihre schwimmenden Gefängnisse nicht verlassen konnten. Ein Notizzettel mit knappen Anweisungen für die uniformierten Empfänger wurde am Bug befestigt. Danach schob der Butler die Kanus ins Wasser und sah ihnen noch einen Moment nach, wie sie auf der trägen Strömung davontrieben, der Ortschaft Glencen noch entgegen, wo es einen ländlichen Polizeiposten gab. * Parker folgte zunächst den Reifenspuren des Jeeps in der Ge genrichtung, um den Weg aus dem Talkessel heraus zu finden. Wenige Minuten später hatte man eine Anhöhe erreicht, die einen weiten Blick ins offene Gelände erlaubte. Hier brachte der Butler das nicht gerade komfortable Gefährt zum Stehen und stellte den Motor ab. Anschließend entfaltete er die Karte, die im Handschuhfach des Jeeps steckte, und zog den Kompaß aus der Tasche, um sich zu orientieren. Erst war nur das sanfte Rauschen des Windes in den Wachol derbüschen und das leise Rascheln der Landkarte zu hören. Doch 43
im nächsten Moment lauschten Parker und Mylady angestrengt in dieselbe Richtung. Waren da nicht menschliche Stimmen gewesen? Eine Sekunde später trug der Wind die nächsten Geräuschfetzen herüber. Deutlich war die Stimme einer hysterisch schreienden Frau vom Fluchen eines Mannes zu unterscheiden. »Vorwärts, Mister Parker, ich werde gebraucht«, ordnete Lady Agatha an und vergewisserte sich, daß ihr geliebter Glücksbringer am gewohnten Platz war. »Man wird sich bemühen, Mylady in kürzester Frist an den Ort des Geschehens zu bringen«, versprach der Butler und ließ den Jeep mit abgestelltem Motor bergab rollen. Richtung und Entfer nung, aus der die Schreie kamen, hatte er sich genau eingeprägt. In der Hoffnung, daß weder schroffe Felsabbrüche noch umge stürzte Bäume ihn zu Umwegen zwangen, chauffierte Parker sei ne Herrin über die leicht abschüssige Bergflanke talwärts. Da waren die Schreie wieder! Diesmal schon wesentlich näher, und gleich darauf fiel ein Schuß. Der Butler verschärfte das Tempo, soweit es die Geländever hältnisse zuließen. Deshalb hatte er nicht geringe Mühe, den Jeep rechtzeitig zum Stehen zu bringen, als unvermittelt quer zur Fahrtrichtung ein Felsen auftauchte. Parker wollte den Motor starten und den Wagen nach rechts lenken, um eine passierbare Lücke zu suchen, als heftiges Schluchzen an sein Ohr drang. Gemessen und würdevoll verließ der Butler das Fahrzeug und ging die wenigen Schritte zu den Felsen hinüber, die von der Bergseite her wie eine mannshohe Mauer wirkten. An der Talseite fiel das graue Gestein jedoch fast senkrecht ab, mindestens fünf zehn Meter tief, wie Parker beim ersten Blick über die natürliche Brüstung feststellte. Am Fuß der Wand erstreckte sich ein grasbewachsenes Plateau mit verstreuten Felsbrocken und Wacholderbüschen, das den But ler unwillkürlich an eine Freilichtbühne erinnerte. Auf ihr agierten und reagierten vier Menschen. Was sich Parkers Augen bot, war allerdings kein Theaterspiel, sondern bitterer Ernst. Etwas von der Felswand weg standen der blonde, schwammige Autohändler Dan Harris und die attraktive Industriellengattin Lin da Campbell. Die Frau schluchzte haltlos, während der Mann 44
ohnmächtig die Fäuste ballte und Flüche murmelte, die hier oben nicht zu verstehen waren. Beide wurden in Schach gehalten von zwei Burschen in olivfar benen Kampfanzügen, die dem Butler den Rücken zukehrten. Langläufige Revolver, die die Gangster im Anschlag hielten, blink ten matt in der Nachmittagssonne. »Verdammt noch mal, ziert euch nicht so!« brüllte einer der Bewaffneten. »Runter mit den Klamotten und dann rein ins Ver gnügen. Wir machen ein paar hübsche Bildchen, und dann könnt ihr euch wieder anziehen.« »Nein, nie!« kreischte Linda Campbell, vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte heftiger. Dan Harris reagierte überhaupt nicht auf das barsche Komman do. Er stand mit trotzig geballten Fäusten da und starrte in die kleinen, schwarzen Mündungslöcher der Revolver, die ihn zwingen sollten, für Pornofotos zu posieren. Bilder, die man möglicherwei se dazu benutzen würde, ihn und Linda Campbell zu erpressen. Josuah Parker zögerte keine Sekunde. Er lud seine Gabelschleu der, strammte die Gummistränge und setzte eine hartgebrannte Tonmurmel in Marsch. Das irdene Geschoß suchte sich den kreisförmigen, kahlen Fleck am Hinterkopf des linken Gangsters als Landeplatz, klopfte ver nehmlich an und überredete den Mann zu einer längeren Ver schnaufpause. Wie eine Marionette, der man die Fäden gekappt hat, sackte der Bewaffnete in sich zusammen. Bäuchlings suchte er innigen Kon takt zu Mutter Erde und streckte alle viere von sich. Seinem Komplicen erschien das Verhalten merkwürdig. Hastig blickte der Mann sich um. Nur an der Felswand sah er nicht hinauf. Deshalb entging ihm, daß der Butler bereits die zweite Tonmurmel auf die Reise geschickt hatte. »Was gibt’s denn da zu sehen, Mister Parker?« ertönte in die sem Augenblick Lady Simpsons baritonal gefärbtes Organ. Von Neugier geplagt, hatte die ältere Dame unter beträchtlicher Mühe den Jeep verlassen und näherte sich mit forschen Schritten. »Mistreß Campbell und Mister Harris sollten gezwungen werden, für sogenannte unzüchtige Fotos zu posieren, sofern man die Si tuation richtig beurteilt«, meldete Parker und versuchte, seiner Herrin einen Platz mit Sicht auf das Plateau zu verschaffen.
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»Und bei so etwas sehen Sie zu, Mister Parker?« entrüstete sich Agatha Simpson. »Mistreß Campbell und Mister Harris waren und sind vollständig bekleidet, Mylady«, zerstreute der Butler ihre Sorge um sein sitt liches Wohlergehen. Unverzüglich konnte sich auch die Detektivin davon überzeu gen, daß die beiden Teilnehmer trotz massiver Drohungen stand haft geblieben waren. »Hallo!« rief Agatha Simpson von oben herunter und winkte so vehement mit beiden Armen, daß Parker um ihre Standfestigkeit fürchtete. Dan Harris und Linda Campbell erschienen nach dem unverhoff ten Ende ihres schrecklichen Erlebnisses wie erstarrt. Erst nach einer Weile winkten sie müde zurück. »Und die Schurken sind geflüchtet, Mister Parker?« wollte Lady Simpson wissen, während sie sich von dem Blick in die Tiefe los riß und wieder den Jeep ansteuerte. »Man war so frei, die Herren zum Verweilen einzuladen, Myla dy«, teilte der Butler mit unbewegter Miene mit und nahm wieder am Lenkrad des hochbeinigen Gefährts Platz. Zwei Minuten später hatte er eine Ausweichmöglichkeit gefunden, umfuhr die Fels wand und brachte den Jeep auf dem Plateau zum Stehen. Von Weinkrämpfen geschüttelt, fiel die attraktive Mrs. Campbell der älteren Dame um den Hals. Dan Harris ergriff Parkers schwarz behandschuhte Rechte und schüttelte sie inständig. Die Gangster in den olivgrünen Kampfanzügen schienen von ei ner derart gefühlvollen Begrüßung nichts zu halten. Sie schnarch ten um die Wette, daß die Wacholderbüsche vibrierten. * »Ich war zunächst ungefähr drei Meilen östlich von hier«, be richtete Harris, sobald Linda Campbell sich einigermaßen beruhigt hatte. »Mein Trainer zeigte mir gerade, wie man einen Bogen für die Jagd baut, da kam ein japanischer Geländewagen mit zwei Männern drin.« »Vermutlich die Schurken, die ich eben ausgeschaltet habe«, warf Lady Agatha mit verstehendem Lächeln ein.
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»Nein, zwei andere«, widersprach der Autohändler. »Sie be drohten uns beide mit Pistolen, wollten alle meine Wertsachen haben und brausten gleich darauf wieder los.« »Kann und muß man vermuten, daß den erwähnten Herren nicht unbeträchtliche Werte in die Hände fielen, Mister Harris?« erkundigte sich Parker. »Ich mußte alle Schecks, die ich bei mir hatte, blanko unter schreiben«, teilte sein Gegenüber mit. »Außerdem hatte ich eini ges an Bargeld in der Tasche.« »Keine Sorge, junger Mann«, ließ die Detektivin sich verneh men. »Sie erhalten Ihr Eigentum zurück. Ich stehe unmittelbar vor dem entscheidenden Schlag gegen den Chef der Bande.« »Hoffentlich«, meinte Harris, ohne besonders hoffnungsvoll zu wirken. »Im nachhinein betrachtet, hätte ich die Sachen doch besser im Hotel gelassen.« »Dort wäre Ihr Eigentum kaum sicherer gewesen, falls der Hin weis erlaubt ist, Mister Harris«, gab Parker zu bedenken. »Meinen Sie?« fragte der Autohändler überrascht. »Dann gehen Sie also davon aus, daß das Hotelpersonal mit den Räubern unter – einer Decke steckt?« »Daran dürfte nach dem bisherigen Stand von Myladys Ermitt lungen nicht zu zweifeln sein, Mister Harris«, bestätigte der But ler. »Und der Inhaber? Weiß er davon?« erkundigte sich sein Ge sprächspartner. »Mister Cunney dürfte nachhaltig in die Machenschaften ver strickt sein, falls man nicht sehr irrt«, teilte Parker mit. »Da fällt mir noch was ein – im Zusammenhang mit dem Raub überfall«, sagte Harris unvermittelt. »Erst kam es mir komisch vor. Jetzt kann ich mir einen Reim darauf machen.« »Darf Mylady möglicherweise erfahren, wovon Sie konkret zu sprechen belieben, Mister Harris?« hakte Parker interessiert nach. »Bevor die Räuber wieder wegfuhren, winkten sie meinen Trai ner beiseite und erzählten ihm etwas, das ich nicht mitbekommen sollte«, berichtete Dan Harris. »Der Trainer antwortete auswei chend, als ich ihn danach fragte. Er war überhaupt nicht sehr ge sprächig und bot an, mich zum Camp zurückzuführen.« »Ein Angebot, mit dem Sie einverstanden waren, Sir?« wollte der Butler wissen.
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»Natürlich«, nickte der blonde Autohändler. »Ich dachte, wir würden von dort aus die Polizei alarmieren.« »Was aber mitnichten geschah, Mister Harris?« »Wir kamen überhaupt nicht im Camp, sondern hier an«, be richtete der Beraubte. »Der Typ, der bei Mistreß Campbell war, schien uns schon zu erwarten. Und dann ging’s gleich los.« »Was ging los, junger Mann?« fragte die ältere Dame mit un verhohlenem Interesse, »Sie verlangten, daß wir uns ausziehen und… na ja, Sie wissen schon«, druckste Harris herum. »Sie woll ten uns in eindeutigen Situationen fotografieren.« »Vermutlich, um Sie und Mistreß Camphell später mit den Auf nahmen erpressen zu können, Mister Harris«, warf Parker ein. »Die Idee kam mir auch, Mister Parker«, pflichtete der Auto händler ihm bei. »Jedenfalls gerieten die Halunken in eine Stink wut, als wir uns weigerten, und gaben sogar einen Schuß ab, um uns gefügig zu machen.« »Demnach gehen Sie davon aus, daß Ihr Trainer von den Räu bern Weisung erhielt, Sie hierherzuführen, wo die unzüchtigen Fotografien angefertigt werden sollten?« fragte der Butler. »So sieht’s für mich aus«, nickte Harris. »Nur frage ich mich, wo die Kamera herkam, wenn weder mein noch Mistreß Camp bells Trainer die Aktion geplant hatte.« »Aber die haben doch die Räuber, mitgebracht und meinem Trainer gegeben«, meldete sich die Industriellengattin zu Wort. »Kann und muß man Ihre Äußerung so verstehen, daß Sie e benfalls ausgeraubt wurden, Mistreß Campbell?« fragte Parker nach. »Ja, natürlich«, bestätigte die attraktive Frau, die wieder sehr gefaßt wirkte. »Vor einer knappen Stunde kreuzte der japanische Geländewagen mit den Männern, die Dan – ich meine, Mister Har ris – Ihnen beschrieben hat, auch hier auf.« »Unverschämte Lümmel«, grollte die passionierte Detektivin. »Ich werde den Subjekten eine Lektion erteilen, die sie bis an ihr Lebensende nicht vergessen.« »Eine Ankündigung, die man nur uneingeschränkt begrüßen kann, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen. »Darf man im übrigen um Anweisungen bitten, wie Mylady mit den verhinderten Fotografen zu verfahren gedenken?« »Ich lasse die Strolche hier, Mister Parker«, entschied die ener gische Dame spontan. »Sonst wird es zu eng im Auto.« 48
»Die Herren könnten sich ermuntert fühlen, das sprichwörtliche Weite zu suchen, falls der Hinweis genehm ist, Mylady«, gab Par ker zu bedenken. »Sie haben doch Handschellen, Mister Parker«, erwiderte Agat ha Simpson erstaunt. »Damit dürfte das kein Problem sein.« »Leider sieht man sich zu der Mitteilung genötigt, daß man den mitgeführten Vorrat verbraucht hat, Mylady«, antwortete Parker. »Dann nehmen Sie Paketband, Mister Parker«, wußte die De tektivin sofort Rat. »Man bedauert, auch in dieser Hinsicht über keinerlei Vorräte mehr zu verfügen«, teilte der Butler mit und deutete eine Ver beugung an. »Dann lassen Sie sich etwas anderes einfallen, Mister Parker«, verlangte Agatha Simpson unwirsch. »Meine Zeit ist kostbar. Um solche Details kann ich mich nicht auch noch kümmern.« »Ein Umstand, von dem meine Wenigkeit durchaus überzeugt ist, Mylady«, versicherte Parker und traf Vorbereitungen, um au ßer Dan Harris und Linda Campbell auch die beiden Ganoven im Jeep mitzunehmen. Zu diesem Zweck ließ er die Männer ausgiebig an dem Sprüh fläschchen schnuppern. So war nicht damit zu rechnen, daß sie sich während der Fahrt durch störende Aktivitäten bemerkbar machten. Anschließend verstaute er die entspannt Schlummernden im Fußraum vor den hinteren Sitzen. Mylady erklomm ächzend den Beifahrersitz. Linda Campbell und Dan Harris ließen sich auf der Rückbank nieder, wobei ihnen die querliegenden Gangster als Fußstützen dienten. »Und jetzt zum Hotel, Mister Parker!« ordnete Lady Agatha an, während der Jeep sich in Bewegung setzte und in gemächlichem Tempo talwärts holperte. »Nie würden meine Wenigkeit Mylady widersprechen«, erwider te der Butler durchaus wahrheitsgemäß. »Dennoch dürfte der Hinweis genehm sein, daß Mylady unter Umständen einen gering fügigen Umweg in Betracht ziehen könnten.« »Sie wissen, daß ich Umwege verabscheue, Mister Parker«, re agierte die ältere Dame mürrisch. »Warum nicht direkt in die Höhle des Löwen?« »Mylady dürften sich genötigt sehen, Rücksicht auf Mistreß Campbell und Mister Harris zu nehmen«, gab Parker zu beden
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ken. »Bei der Ankunft vor dem Hotel konnte möglicherweise mit Kampfhandlungen zu rechnen sein.« »Das habe ich natürlich längst in Betracht gezogen, Mister Par ker«, entgegnete Agatha Simpson unbekümmert. »Darüber hinaus dürften Mylady erwägen, sich der beiden Kri minellen zu entledigen, um Bewegungsfreiheit und Handlungs spielraum zu gewinnen«, fuhr der Butler fort und lenkte das hochbeinige Gefährt um einen haushohen Felsbrocken. »Entledigen?« wiederholte die Detektivin. »Wie meinen Sie das, Mister Parker?« »Die Herren der Polizeistation in Glencennoch dürften sich freu en, zwei Kriminelle im Empfang nehmen zu können«, wurde Par ker deutlicher. »Überdies könnten Mistreß Campbell und Mister Harris dort ihre Aussagen zu Protokoll geben.« »Das ist genau der Vorschlag, den ich Ihnen unterbreiten wollte Mister Parker«, versicherte Lady Agatha. »Allerdings erwarte ich, daß Sie mir eine Begegnung mit Polizisten ersparen. Der Anblick schlägt mir immer gleich auf den Kreislauf.« »Ein Umstand, der meiner bescheidenen Wenigkeit hinlänglich bekannt ist, Mylady«, erwiderte der Butler und warf noch einen Blick auf die Karte, die auf seinen Knien lag. Nach Parkers Be rechnung mußte man gleich auf die Landstraße treffen, die links nach Glencennoch und rechts zu Brian Cunneys Berghotel führte. Auf der schmalen, wenig befahren nen Asphaltpiste hielt Parker kurz, schob die Landkarte ins Handschuhfach und bog nach links ein. Anschließend trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Nach einer knappen Meile kam dem Jeep ein Fahrzeug entge gen. Ein Taxi, wie der Butler von weitem erkannte. »Darf man möglicherweise hoffen, daß Sie sich imstande sehen, den Jeep eigenhändig nach Glencennoch zu lenken, Mister Har ris?« fragte er nach hinten. »Klar, kein Problem«, gab der Autohändler zurück. »Hauptsa che, die Gangster bleiben lange genug bewußtlos.« »In dieser Hinsicht kann man Sie durchaus beruhigen, Mister Harris«, entgegnete Parker und gab dem nahenden Taxi Blinkzei chen mit der Lichthupe. Sekunden später hielten die Fahrzeuge auf gleicher Höhe nebeneinander. Harris und seine Begleiterin siedelten auf die vorderen Plätze des Jeeps um, der Butler und die Detektivin wechselten zum Taxi hinüber. 50
Dem Fahrer kam die Umsteigeaktion zwar spanisch vor, aber er war offensichtlich froh, unverhofft auf freier Strecke einen Auftrag zu erhalten. »Wohin?« erkundigte er sich, nachdem das skurrile Paar zuge stiegen war. »Zu Mister Cunneys Berghotel«, antwortete Parker in seiner stets höflichen Art. * Eine Viertelstunde später ließ sich das Paar aus Shepherd’s Market auf dem Parkplatz des Hotels absetzen. Parker begab sich zunächst zu seinem hochbeinigen Monstrum und hielt nach ver dächtigen Spuren Ausschau. Für ihn war es denkbar, daß man sich während seiner Abwesenheit an dem Fahrzeug zu schaffen gemacht und für gewisse Überraschungen gesorgt hatte. Die Suche fiel jedoch ergebnislos aus. Deshalb schloß der Butler die Fahrertür auf und steckte einige Kleinigkeiten zu sich, die im Handschuhfach lagen. Anschließend geleitete er seine Herrin zum Hoteleingang. »Wegen Umbau vorübergehend geschlossen«, stand auf dem Schild an der Tür. Von Handwerkern war allerdings nichts zu se hen oder zu hören. »Hoffentlich ist der Lümmel wenigstens im Haus«, meinte Agat ha Simpson, während Parker auf die Klinke drückte. Die Tür war verschlossen. Für den Butler stellte das neuzeitliche Zünderschloß jedoch kein ernstzunehmendes Hindernis dar. Gelassen zog er sein handliches Universalbesteck aus einer der unergründlichen Innentaschen des schwarzen Covercoats. Auf den ersten Blick erinnerte das zierliche Werkzeug an das Besteck eines passionierten Pfeifenrauchers. Es war jedoch un gleich vielseitiger zu verwenden und hatte sich schon öfter als »Sesam, öffne dich!« bewährt. Nach einem prüfenden Blick wählte Parker die passende Stahl zunge aus und ließ sie langsam in den Schlitz gleiten. Im Anfang leistete der Mechanismus noch Widerstand, doch der Butler verstand es, ihm diesen Widerstand innerhalb kurzer Zeit auszu reden. Mit leisem Klicken glitt der Riegel zurück. 51
Im Foyer herrschte dämmriges Licht. Der mit luxuriösen Teppi chen ausgelegte Raum war menschenleer, die Rezeption erwar tungsgemäß unbesetzt. Lautlos glitten Parker und Mylady am Eingang des Restaurants vorbei, in dem sich ebenfalls niemand aufhielt. Gleich darauf hat ten sie den Korridor erreicht, der zu Brian Cunneys Büro führte. Einen Schritt vor der Ecke blieb der Butler stehen und lauschte. Agatha Simpson wollte schon protestieren und ohne Umschwei fe das Büro des Hotelchefs stürmen, doch mit eindringlicher Geste gelang es Parker, sie zurückzuhalten. Er hatte Geräusche ver nommen, die auf die Anwesenheit von Menschen hindeuteten. »Ich geh mir mal eben vorne Zigaretten ziehen«, sagte eine schnarrende Männerstimme. »Dann bring mir welche mit, Bud«, verlangte der Besitzer einer wesentlich dunkleren Stimme. »Okay«, antwortete Bud. »Bin gleich wieder da.« In dieser Hinsicht hatte er sich allerdings getäuscht. Als der breitschultrige Bodyguard mit gezogener Pistole ah nungslos um die Ecke bog, senkte sich lautlos der bleigefüllte Bambusgriff von Parkers altväterlich gebundenem Universal schirm auf sein Haupt. Im Zeitlupentempo wandte der Mann sich zur Seite und starrte den Butler aus hervorquellenden Augen ungläubig an. Im nächs ten Moment ließ er einen Blubberlaut hören, knickte in den Knien ein und nahm bäuchlings auf dem flauschigen Teppich Platz. Obwohl Bud sich ausgesprochen geräuscharm aus dem Gesche hen zurückgezogen hatte, rechnete Parker fest damit, daß sein Komplice aufmerksam geworden war und Verdacht geschöpft hat te. Wieder gab er Mylady ein Zeichen und bezog an der Ecke Pos ten. Minuten vergingen. Bud hätte längst vom Zigarettenautomaten zurück sein müssen, wäre ihm unterwegs nichts zugestoßen. End lich schob sich hinter der Ecke der Lauf einer schallgedämpften Pistole hervor. Gelassen wartete der Butler, bis auch die Hand sichtbar wurde, die die Waffe hielt, und setzte dann sein Universal-Regendach erneut ein. Diesmal tippte er mit der bleigefütterten Spitze nach drücklich auf die Hand des Mannes, der sein Gesicht noch nicht gezeigt hatte.
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Reflexartig spreizte der Unbekannte die Finger und ließ sein Mordinstrument fallen. Ehe der Gangster jedoch den sirenenähnli chen Heulton ausstoßen konnte, der ihm schon in der Kehle steckte, zeigte Parker einen Ausfallschritt, der jedem Fechtlehrer ein anerkennendes Nicken entlockt hätte. Behend, wie man es bei seiner würdevollen Erscheinung für ausgeschlossen gehalten hätte, wirbelte der Butler um die Ecke und erlaubte der Schirmspitze, eingehend den Solarplexus des Gegners zu massieren. Dadurch blieb das schmerzliche Heulen endgültig in der Kehle stecken. Der Mann gab mit einem leisen Pfeifgeräusch nur seinen Vorrat an Atemluft von sich. Dann knickte er in Hüften und Knien ein und zeigte kein Interesse mehr an weiteren Auseinanderset zungen. Wenig später hatte Parker das apathisch wirkende Duo in einer fensterlosen Putzmittelkammer einquartiert. Ausgiebig ließ er die Männer an dem Sprühfläschchen mit der betäubenden Pflanzen essenz schnuppern, ehe er die Tür hinter sich schloß und den Schlüssel drehte. »Jetzt wird sich ja zeigen, ob Mister Funny im Haus ist oder ob ihm der Boden unter den Füßen zu naß geworden ist«, ließ Lady Simpson verlauten. »Mylady argwöhnen, daß Mister Cunney der sprichwörtliche Bo den unter den Füßen zu heiß geworden sein könnte?« korrigierte der Butler auf seine höfliche Art. »Wie auch immer«, überging die Detektivin souverän den klei nen Unterschied. »Heiß oder naß – unbequem ist beides.« »Eine Feststellung, der man mitnichten widersprechen möchte, Mylady«, gab Parker ihr mit einer knappen Verbeugung recht. »Im übrigen dürften Mylady von der Annahme ausgehen, daß Mister Cunney sich tatsächlich in seinem Büro aufhält.« »Woraus schließe ich das, Mister Parker?« »Aus der Anwesenheit der Bodyguards können Mylady zweifels frei schließen, daß Mister Cunneys Büro derzeit benutzt wird«, antwortete der Butler. »Allenfalls dürfte noch die Möglichkeit in Betracht kommen, daß Mister Cunney nicht allein ist…« »… sondern gerade Besuch hat«, ergänzte die Detektivin. »Vermutlich dieser… dieser… Der Name des Schurken liegt mir auf der Zunge, Mister Parker.«
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»Mylady dürften Mister Temple meinen, falls man sich nicht gründlich täuscht.« »Richtig, Pemple«, nickte Lady Agatha. »Was war noch mit die sem Pemple, Mister Parker?« »Mister Finley war so freundlich, Mister Temple als seinen Auf traggeber zu nennen, wie Mylady erinnerlich sein dürfte«, half Parker dem Gedächtnis seiner Herrin auf die Sprünge. »Wie Mis ter Finley ergänzend zu berichten wußte, ist Mister Temple auf dem weiten Feld der Schutzgelderpressung tätig und unterhält nicht näher definierte Beziehungen zu Mister Brian Cunney, dem Besitzer dieses Hauses.« »Ich weiß, ich weiß«, sagte Mylady unwirsch. »Ich wollte nur prüfen, ob Sie aufgepaßt haben, Mister Parker.« Schritt für Schritt schob sich das skurrile Paar durch den Korri dor Richtung Cunneys Bürotür. Dicke Teppiche, die auch hier den Boden bedeckten, schluckten jedes Geräusch. Am liebsten hätte die resolute Dame in filmreifer Manier die Tür eingerannt und den Hotelbesitzer im Handstreich überwältigt. Der Butler war jedoch Diplomat genug, ihr dieses Vorhaben auszure den. Parker und seine Herrin standen gleich darauf an der Tür und preßten beide das rechte Ohr ans Holz. Ein Blick durchs Schlüs selloch war enttäuschend ausgefallen. Offenbar hatte man es von innen verhängt. Das Fehlen der optischen Informationen wurde durch die akusti schen, die nach draußen drangen, allerdings hinreichend wettge macht. »Ich weiß überhaupt nicht, was du hast, Brian«, war eine Män nerstimme zu hören. »Das ist doch wirklich die perfekte Gelegen heit, diese verdammten Schnüffler ein für allemal aus dem Weg zu räumen.« »Hab kein gutes Gefühl bei der Sache, Frank«, gestand Cunney kleinlaut. »Quatsch«, widersprach sein Besucher. »Vermutlich ist die Sa che längst erledigt. Ich habe Finley hochbezahlte Hit-Spezialisten geschickt. Auf die ist absolut Verlaß.« »Auch das Ausrauben der Leute find ich ‘ne riskante Tour, Frank«, trug der Hotelbesitzer weitere Bedenken vor. »Diesen reichen Figuren den einen oder anderen Scheck aus dem Kreuz leiern… Vielleicht ein bißchen Druck machen, wenn jemand nicht 54
freiwillig spendet – okay. Aber so geht mir die Sache einfach zu weit.« »Hab gar nicht gewußt, daß du so zimperlich bist, Brian«, erwi derte sein Besucher, der nur Frank Temple heißen konnte, mit spöttischem Unterton. »Willst dich wohl mit deinen Drogenmillio nen zum wohlsituierten Ehrenmann machen, was?« »Hör mal zu, Frank«, brauste Cunney – hörbar betroffen – auf. »Ich bin halbwegs glatt aus den Geschäften von damals rausge kommen und habe mich fest entschlossen, da nie wieder einzu steigen.« »Schon gut, Brian. Spar dir deine Predigten«, schnitt Temple ihm mürrisch das Wort ab, doch Cunney war noch nicht fertig. »Und da kommst du mit deinen Jungs und machst hier ‘ne Filia le auf«, redete der Hausherr erbost weiter. »Ich hab ja für vieles Verständnis, wenn in London die Geschäfte schlecht laufen, aber ein Doppelmord…« »Früher warst du doch auch nicht so kleinlich«, ließ sein Besu cher in lauerndem Tonfall verlauten. »Was willst du damit sagen?« fauchte der Hotelbesitzer wütend. »Etwa diese alte Geschichte?« »So schnell verjährt ein Polizistenmord nicht, Brian«, gab Temple zu bedenken. »Du weißt, daß ich dich in der Hand habe.« »Ich weiß, Frank«, gestand Cunney deprimiert. »Um ein Haar war die Razzia für uns beide ins Auge gegangen«, breitete Temple dennoch genüßlich die Geschehnisse von damals aus. »Koksen gros ist eben ein riskantes Geschäft. Aber weil du schneller warst, ging es für den Bullen ins Auge.« »Ich weiß, Frank«, fuhr Cunney entnervt dazwischen. »Mußt du das denn immer wieder aufwärmen?« »Als wir uns absetzten, warst du dankbar, daß ich deinen Bal lermann an mich nahm, um das Ding verschwinden zu lassen«, erklärte Temple unbeeindruckt. »Erst wollte ich die Kanone tat sächlich in die Themse schmeißen. Aber heute bin ich froh, daß ich das nicht getan habe.« »Kann ich mir denken«, knurrte Cunney unwillig. »Ich wußte schon lange, daß du ein verdammter Hund bist, Frank.« Die nicht gerade von Freundlichkeiten strotzende Unterhaltung ging noch weiter, doch plötzlich war Parker nicht mehr bei der Sache. Die geheimnisvolle innere Stimme, die ihn schon vor man cher tödlichen Gefahr gewarnt hatte, meldete sich mit dezentem 55
Kribbeln in der Magengrube zu Wort. Gleichzeitig hatte der Butler den Eindruck, als hätte sich hinter seinem Rücken etwas bewegt. Langsam löste er sein rechtes Ohr von Cunneys Bürotür. Im Zeitlupentempo wandte er sich um und… blickte in die Mündung eines Trommelrevolvers mit supermodernem Schalldämpfer. Es war Finleys Kollege Ronald Bates, der am anderen Ende des Flures stand und von einem Ohr zum anderen grinste. »Hoch die Pfoten, verdammte Schnüffler!« kommandierte er und stieß anschließend einen schrillen Pfiff aus. Zögernd kamen Lady Agatha und Josuah Parker der unfreundli chen Aufforderung nach. Gleichzeitig wurde die Bürotür von innen geöffnet. Brian Cunney und Frank Temple, die spontan das Kriegsbeil be graben hatten, standen auf der Schwelle. Auch sie hielten entsi cherte Schußwaffen mit aufwendigen Schalldämpfern im An schlag. »Man bedauert ungemein, auf diese unerfreuliche Weise Ihre geschätzte Bekanntschaft machen zu müssen, Mister Temple«, ließ Parker mit unbewegter Miene verlauten und hielt verstohlen nach einer Möglichkeit Ausschau, das bewaffnete Trio für einen Meinungsaustausch zu gewinnen. Doch alle waren Profis, die ihr Handwerk gründlich gelernt hat ten und sich nicht die geringste Blöße gaben. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit gab, diesen zu allem entschlossenen Gangstern zu entkommen, konnte nur Geduld, gepaart mit unablässiger Wachsamkeit, zum Ziel führen. »Im Gegensatz zu Ihnen, Mister Parker, bin ich sehr erfreut, auf diese Weise Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen«, griff Temple die Bemerkung des Butlers ironisch auf. »Kommen Sie doch rein in Mister Cunneys Büro. Ich möchte mich ein bißchen mit Ihnen unterhalten.« »Man dankt für die freundliche Einladung, Mister Temple«, sag te der Butler, lüftete andeutungsweise die schwarze Melone und ließ die ältere Dame vorangehen. * »Also haben Sie es doch geschafft, Hank Finley und den teuer bezahlten Spezialisten zu entwischen«, eröffnete Temple das Ge 56
spräch, sobald das Paar aus Shepherd’s Market auf einem leder nen Sofa Platz genommen hatte. »Was heißt hier entwischt, junger Mann?« protestierte Lady Simpson. »Das hört sich ja so an, als wäre ich vor den Lümmeln davongelaufen.« »Man erlaubt sich den Hinweis, daß die erwähnten Herren sich mittlerweile in Polizeigewahrsam befinden dürften, Mister Temple.« »Siehst du, Frank?« schaltete Cunney sich in vorwurfsvollem Ton ein. »Ich hab’s ja gewußt, daß die Sache schiefgeht.« »Quatsch! Halt’s Maul, Brian!« fuhr Temple ihn an. »Merkst du denn nicht, daß die zwei nur bluffen?« Der Gangster wollte unbe eindruckt erscheinen, doch das nervöse Zucken seiner Mundwin kel entging Parker nicht. »Man konnte die Herren überreden, in Booten die Fahrt nach Glencennoch anzutreten«, teilte der Butler weitere Einzelheiten mit. »Eine telefonische Rückfrage bei der dortigen Polizeistation dürfte Aufschluß darüber geben, ob die Herren ihr Ziel erreicht haben.« »Schluß mit dem dummen Gequatsche«, unterbrach Temple unwirsch, während Cunney unruhig auf seinem Stuhl herum rutschte und sich die Schweißperlen von der Stirn tupfte. »Jeden falls war das euer letzter Streich.« »Darf Mylady möglicherweise erfahren, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchte, Mister Temple?« erkundigte sich Par ker mit undurchdringlicher Pokermiene. »Stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind, Parker«, gab der Bandenchef mit teuflischem Grinsen zurück. »Die Londoner Szene wird mir auf den Knien danken, wenn ich Sie und Ihre ü berkandidelte Chefin für alle Zeiten von der Bildfläche verschwin den lasse.« »Überkandidelt! Haben Sie das gehört, Mister Parker?« ereiferte sich Lady Agatha. »Ich glaube, ich muß dem Lümmel erst mal Manieren beibringen.« »Mister Temples Umgangsformen sind in der Tat beklagenswert, Mylady«, pflichtete der Butler ihr bei. »Dennoch dürften Mylady in Betracht ziehen, daß der Genannte und seine Helfershelfer mo mentan über die Argumente mit der größeren Durchschlagskraft verfügen.«
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»Trotzdem hätte der Lümmel eine Lektion verdient, Mister Par ker«, beharrte die resolute Dame, ließ den Pompadour aber wie der sinken. »Eine Feststellung, der man unter keinen Umständen wider sprechen möchte, Mylady«, stimmte Parker ihr zu. Er war ausge sprochen erleichtert, daß seine Herrin Einsicht zeigte und darauf verzichtete, die Schmähung ebenso spontan wie handfest zu süh nen. Obwohl das alterslose Gesicht des Butlers glatt blieb, standen seine Sinne unter Hochspannung. Unauffällig wanderten die Au gen. Doch die Chance, auf die er hoffte, bot sich nicht. Bei der ner vösen Wachsamkeit, die das bewaffnete Trio an den Tag legte, konnte jede Bewegung die letzte sein. »Du willst die beiden doch nicht etwa hier im Büro umlegen, Frank?« meldete Cunney sich in diesem Moment zu Wort. »Denk an die Spuren.« »Keine Sorge«, entgegnete Temple herablassend. »Ich hab ‘ne bessere Idee.« »So?« fragte Cunney mißtrauisch. »Du hast doch garantiert ein Kühlhaus, Brian«, schickte der aus London angereiste Gangster voraus. »Ja und?« Dem Hotelbesitzer schien nicht besonders wohl in seiner Haut zu sein. »Wir werden Lady Simpson und Mister Parker höflich bitten, dort zu übernachten, da sie wegen der Umbauarbeiten ihr Zim mer nicht benutzen können«, verriet Temple unter hämischem Grinsen. »Wenn die beiden dann steif gefroren sind, kannst du sie hinkutschieren, wo der Pfeffer wächst.« »Was? Du willst mir auch noch die Leichen aufhängen, Frank?« fragte Cunney entsetzt. »Kannst du die nicht wenigstens mitneh men?« »Red nicht so ‘n hirnverbrannten Unsinn, Brian«, fuhr der Ban denchef ihm wütend über den Mund. »Soll ich die komischen Ty pen vielleicht nach London mitnehmen? In dem Hubschrauber, der mich gleich wieder abholt, ist sowieso nur Platz für mich. Bas ta!« Temple winkte Ronald Bates zu sich an den Tisch, ohne seine Waffe zu senken oder das Paar auf dem Sofa aus den Augen zu lassen. 58
»Erst mal das Geschäftliche«, murmelte er. »Wie waren die Ein nahmen, Ron?« »Nicht schlecht, Chef«, meldete Bates. Mit einer Hand öffnete er die Ledertasche, die er mitgebracht hatte, mit der anderen hielt er weiterhin seinen schallgedämpften Trommelrevolver im An schlag. Der erste Griff in die Tasche förderte ganze Bündel Banknoten und anderes Papier zutage. »Die Schecks sind alle blanko unter schrieben, Chef«, erklärte der Ganove dazu. »Nicht schlecht«, kommentierte Temple und nickte anerken nend. »Gleich morgen früh wird das Geld abgehoben, und wenn die Leute aus der Wildnis in die Zivilisation zurückkehren, sind ihre Konten leergeräumt.« Beide stimmten ein polterndes Gelächter an, ohne auch nur Se kundenbruchteile in ihrer Wachsamkeit nachzulassen. Brian Cun ney lachte aus Höflichkeit mit, obwohl es ihn sichtlich Mühe kos tete. »An hochkarätigem Schmuck sind auch ein paar Pfund zusam mengekommen, Chef«, fuhr Bates fort, griff erneut in die Tasche und hielt ein glitzerndes Knäuel aus Gold und Brillanten unters Licht. »Dafür hab ich auch schon Abnehmer«, nickte sein Auftragge ber. »Dann hat der Einsatz sich in jeder Hinsicht gelohnt.« »Kann man wohl sagen, Chef«, pflichtete Bates ihm bei und be dachte das skurrile Paar mit vielsagendem Grinsen. »Burt muß übrigens auch gleich eintreffen. Er hat die andere Hälfte der Leute abkassiert.« »Er wird schon rechtzeitig kommen«, zeigte Temple sich zuver sichtlich. »Aber vorher legen wir noch gemeinsam die verdamm ten Schnüffler auf Eis. Bevor ich abfliege, will ich sicher sein, daß da nichts schiefgelaufen ist.« »Alles klar, Chef«, bestätigte Bates, ließ die Tasche zuschnap pen und stellte sie unter den Tisch. »Wer geht vor?« »Brian natürlich«, entschied der Gangsterchef. »Er weiß den Weg und wird sich freuen, Uns führen zu dürfen.« Die Miene, die der Hotelbesitzer zog, sprach eine andere Spra che. Mit schweren Schritten ging er zur Tür und trat auf den Flur. Beim Verlassen des Büros war Parker die gespannte Aufmerk samkeit in Person. Doch draußen auf dem Gang stand Brian Cun ney mit vor Angst und Nervosität flackernden Augen und hatte 59
den Finger am Abzug. Vier Schritte hinter dem Butler und seiner Herrin lauerten Frank Temple und Ronald Bates mit schußbereiten Waffen. Angesichts dieser Lage verzichtete Parker auf Aktivitäten, die zwangsläufig eine tödliche Bleiinjektion nach sich gezogen hätten, und er trat an der Seite seiner Herrin den Weg zum Kühlkeller an. * Der Zugang zum Vorratsraum, in dem Cunneys Küchenchef Fleisch und andere verderbliche Waren bei Temperaturen um zwanzig Grad unter Null lagerte, war mit einer schweren, doppel wandigen Stahltür verschlossen. Umständlich zog der Hausherr einen Schlüsselbund aus der Ta sche und öffnete die Vorhängeschlösser, mit denen die schweren Riegel gesichert waren. »Moment, Brian. Laß Ronald das machen«, ordnete Temple an, als Cunney die Riegel zurückziehen wollte, um die Tür zu öffnen. »Komm du herüber zu mir.« Gehorsam wie ein Hund folgte der Hotelchef dem Befehl und wechselte auf die andere Seite der Tür. Dafür löste sich Bates von seinem Arbeitgeber und schickte sich an, die Aufgabe des Portiers zu übernehmen – mit entsichertem Revolver in der Hand. Quietschend schwang die gewichtige Tür auf. Ein frostiger Hauch wehte aus dem Raum, der von einer einsamen Neonröhre erhellt wurde. »Es ist doch wohl nicht Ihr Ernst, daß Sie mich da hineinschi cken wollen, junger Mann?« meldete Agatha Simpson unverzüg lich Protest an. »Ich habe ja nicht mal einen Wintermantel bei mir.« »Der würde Ihnen auch nicht viel nützen, Mylady«, gab Temple spöttisch zurück. »Es dauert dann nur ein bißchen länger, bis Sie starr und steif sind.« »Das werden Sie noch bereuen, junger Mann«, schwor die älte re Dame mit finsterer Miene. »Hör endlich mit dem Gequatsche auf«, schnitt der Gangsterboß ihr das Wort ab. »Los, rein in den Kühlschrank, sonst knallt’s!«
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Mylady maß den Mann mit einem Blick, der bei jedem anderen tödlich gewirkt hätte. Anschließend wandte sie sich abrupt ab und machte den ersten Schritt. Bei diesem Schritt blieb es jedoch… Unvermittelt erbleichte Lady Simpson. Schweißtropfen traten auf ihre Stirn, die Unterlippe begann zu zittern. »Mister Parker«, stöhnte die passionierte Detektivin mit letzter Kraft, wie es schien. »Mein Kreislauf…« Mitten im Satz brach Mylady ab, verdrehte in eindrucksvoller Weise die Augen und sank in sich zusammen. Josuah Parker tat jedoch nicht, was man von ihm erwartet hät te. Er zeigte nicht die geringste Neigung, seiner in Ohnmacht fal lenden Herrin zu Hilfe zu kommen. Dies war der Moment, auf den er schon lange gewartet hatte. Ruckartig ließ der Butler den schwarzen Universalregenschirm durch die Luft wirbeln und pochte mit der bleigefüllten Spitze nachdrücklich auf Ron Bates’ Handgelenk. Jaulend spreizte der Türsteher die Finger und ließ seine Waffe fallen. Während der Ganove noch entgeistert auf seine rasch schwel lende Hand starrte und sich für nichts anderes mehr interessierte, trat Parker blitzschnell nach hinten aus – gegen die halboffene Tür des Kühlraumes. Schwungvoll setzte sich das stählerne Ungetüm in Bewegung und… entlockte Frank Temple, der sich nicht rechtzeitig in Sicher heit bringen konnte, ein schmerzliches Stöhnen. Völlig verdattert ließ der Gangster die Waffe fallen und taumelte rückwärts… aus gerechnet gegen Brian Cunney, der drei Schritte hinter ihm stand. Nach dem Schmerzenslaut, den der Hotelbesitzer hören ließ, schien die Begegnung mit seinem Intimfeind alles andere als er freulich verlaufen zu sein. Während Temple seitwärts in den Knien einknickte und leise röchelnd aus dem Geschehen ausschied, fand Brian Cunney das Treppengeländer und konnte sich noch auf den Beinen halten. Für ein paar Sekunden jedenfalls… Ehe der Hotelchef jedoch seine Bleispritze wieder in Schußposi tion hatte, ließ Parker schon seine Melone wie eine schwarze Fris beescheibe davonschwirren. In elegantem Bogen glitt die mit Stahlblech unterfütterte Kopfbedeckung auf Cunney zu, während der Butler hinter der doppelwandigen Stahltür in Deckung ging,
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die seiner Herrin und dem unablässig lamentierenden Bates eben falls als Schutz diente. Den konnte jeder der drei auch brauchen, denn im nächsten Augenblick drückte der völlig entnervte Cunney ab. Mit sanftem >Plopp< glitt das Projektil aus dem schallgedämpf ten Lauf und klatschte vernehmlich gegen die Tür. Ein langgezogenes Jaulen ertönte wie von einem Hund, der mit dem Schwanz in eine Drehtür geraten ist. Auf diese Weise signali sierte der Hausherr, daß der Bowler sein Ziel erreicht hatte. Wie sich anschließend herausstellte, hatte die Stahlkrempe der Melone ihm eine völlig neue Frisur verpaßt, aber auch die Nasen spitze nicht ganz ungeschoren gelassen. Diskret klickten Handschellen. Unter vernehmlichem Ächzen er hob Lady Simpson sich vom Boden – mit Parkers tatkräftiger Hilfe »Na, wie war ich, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen und blickte den Butler herausfordernd an. »Mylady agierten in einer Weise, die man nur als unvergleichlich bezeichnen kann«, spendete Parker umgehend das verdiente Lob und verneigte sich tief. »Das ist eben wahre Schauspielkunst, Mister Parker«, ließ Lady Agatha mit bedeutungsvoller Miene verlauten. »Von den Gänsen, die heutzutage als Stars hofiert werden, kann mir keine das Was ser reichen.« »Eine Einschätzung, der man mitnichten widersprechen möchte, Mylady«, erwiderte der Butler. »Darf man im übrigen um Aus kunft bitten, wie Mylady mit den Herren zu verfahren beabsichti gen?« »Da hab ich eine hübsche Idee, Mister. Parker«, schickte die Detektivin wohlgefällig schmunzelnd voraus. »Meine Wenigkeit kann eine gewisse Neugier mitnichten ver hehlen, Mylady.« »Wer anderen eine Grube gräbt, soll selbst reinfallen, heißt ein altes Sprichwort, Mister Parker«, erklärte die majestätische Dame und deutete mit dem Daumen auf den Kühlraum. »Mylady gedenken, die Herren auf Eis zu legen?« vergewisserte sich Parker. »Sie wollen uns da rein…?« protestierte Ron Bates, den seine Hand plötzlich nicht mehr zu kümmern schien. In seinen Augen stand das blanke Entsetzen.
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»Das… das können Sie doch nicht machen…«, stammelte der Ganove, um gleich darauf einen markerschütternden Schrei aus zustoßen. Temple und Cunney schreckten aus ihren unruhigen Träumen hoch, erfuhren, Worum es ging, und stimmten ebenfalls ein Geze ter an, das an sizilianische Klagefrauen erinnerte. Agatha Simpson ließ sich jedoch nicht erweichen und setzte ih ren perlenbestickten Pompadour ein, um das Trio dorthin zu trei ben, wo sie es haben wollte. Wenig später fiel mit dumpfem Knall die Tür zu. Gewissenhaft schob Parker den Riegel vor, hängte die Vorhängeschlösser ein und schloß ab. In ihrer Panik trommelten die Männer von innen gegen die Tür, bis Lady Agatha ihren schmiedeeisernen Glücksbringer mit Nach druck anklopfen ließ. Augenblicklich verstummten die störenden Geräusche. »Sie haben nicht den geringsten Grund, sich zu beklagen«, stellte die passionierte Detektivin mit einer Stimme klar, die selbst die doppelwandige Stahltür mühelos durchdrang. »Ich gebe Ihnen nur Gelegenheit auszuprobieren, was Sie mir und Mister Parker zugedacht hatten.« Hinter der Tür erscholl Wehgeschrei, bis die resolute Dame er neut unter Einsatz ihres ledernen Handbeutels für Ruhe sorgte. »Im Gegensatz zu Ihnen will ich die Sache aber nicht auf die Spitze treiben«, ließ Agatha Simpson weiter verlauten. »Ich wer de Sie rechtzeitig wieder herausholen.« »Meine Wenigkeit wird sich erlauben, Mylady an die Herren zu erinnern«, versprach Parker, während man dem Kühlraum den Rücken kehrte und die Treppe zum Erdgeschoß ansteuerte. »Da ich die Lümmel auf frischer Tat ertappt und überführt habe, sind eigentlich gar keine Geständnisse mehr nötig, Mister Par ker«, teilte Mylady ihre Überlegungen mit. »Einen Denkzettel ha be ich den Schurken ja auch schon verpaßt. Damit ist der Fall für mich erledigt.« »Kann und muß man diese Äußerung so Verstehen, daß Mylady den weiteren Gang der Dinge der Polizei zu überlassen geden ken?« vergewisserte sich der Butler. »Nichts anderes wollte ich andeuten, Mister Parker«, nickte La dy Simpson. »Die Kleinarbeit, die noch zu tun ist, dürfen die Bob bies leisten.« 63
»Wie Mylady wünschen«, erwiderte Parker höflich. »Gelegenheit zum Telefonieren dürfte sich in Mister Cunneys Büro bieten, falls der Hinweis genehm ist.« Sekunden später hatte man den Flur erreicht, der zum Büro des Hotelbesitzers führte. Doch unvermittelt blieb der Butler stehen und gab seiner Herrin ein Zeichen. Parker meinte sich genau zu erinnern, daß Frank Temple die Tür offen ließ, als er als letzter den Raum verließ. Jetzt aber war sie geschlossen. * Würdevoll und gemessen schritt der Butler auf die Tür zu, wobei die Teppiche jedes Geräusch schluckten. Im Gehen griff er in die rechte Außentasche seines Covercoats und hielt gleich darauf eine kleine weiße Plastikkapsel in der Hand. Von weitem sah die Kugel in seiner schwarz behandschuhten Rechten wie ein Pingpongbällchen aus. Erst bei näherem Hinse hen fielen die winzigen Löcher ins Auge, mit denen die Oberfläche übersät war. Behutsam legte Parker die Linke auf die Türklinke und preßte das perforierte Bällchen zusammen, bis feines Knistern von split terndem Glas hörbar wurde. Blitzschnell drückte er die Tür einen Spalt auf, warf seinen Gruß hinein und zog wieder zu. Drinnen rollte das Bällchen ungehindert bis unter Cunneys Schreibtisch und gab dabei ein zischendes Geräusch von sich. In einer Weise, die man nur als vehement bezeichnen konnte, ging die glasklare Flüssigkeit aus der zerdrückten Ampulle eine Ver bindung mit dem Luftsauerstoff ein. Im Nu füllte das betäubende, die Atemwege reizende Gas, das aus dieser Verbindung hervor ging, den ganzen Raum. Krächzen und Keuchen, das Sekunden später in Cunneys Büro losbrach, signalisierte dem Butler zweifelsfrei, daß er sich nicht getäuscht und nicht ohne Grund diese Vorsichtsmaßnahme ergrif fen hatte. Nahtlos ging das Krächzen hinter der Tür in krampfartige Hus tenanfälle über. Wenig später ebbten die Geräusche jedoch wie
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der ab. Friedliches Schnarchen wurde vernehmbar, und Parker öffnete vorsichtig die Tür. Hinter Brian Cunneys Schreibtisch saß ein unbekannter Mann. Sein Kopf war übermüdet auf die Platte gesunken. Neben ihm stand eine Ledertasche. Allerdings nicht die von Ronald Bates, wie der Butler mit raschem Blick registrierte, sondern eine zweite, ähnliche. Es schien sich um den Kassierer Burt Fielding zu han deln, dessen Ankunft Ron Bates angekündigt hatte. Parker durchschritt das Büro und öffnete die Fenster, um zu lüf ten. Als Lady Agatha argwöhnisch schnuppernd eintrat, hatte der Butler den schlummernden Ganoven schon mit Handschellen aus spezialgehärtetem Stahl versorgt. »Sind wirklich hübsche Stücke dabei«, stellte Mylady anerken nend fest, als Parker sie einen Blick in die Tasche des zweiten Beuteboten tun ließ. Auch hier glitzerten Gold und edle Steine, stapelten sich Bündel von Schecks und Banknoten. »Sie können jetzt die Polizei anrufen, Mister Parker«, sagte A gatha Simpson und zog ein traumhaftes Collier mit Diamanten heraus, um es näher zu betrachten. »Möchte wissen, wer sich heutzutage noch solchen Schmuck leisten kann«, murmelte die Detektivin und ließ das exklusive Stück immer wieder durch die Finger gleiten. Drei Ziffern drehte der Butler, dann ließ er den Hörer sinken und lauschte nach draußen. Auch die passionierte Detektivin hat te etwas gehört. »Was ist das für ein eigenartiges Knattern, Mister Parker?« woll te sie wissen. »Sofern man sich nicht gründlich täuscht, dürfte es sich um den Helikopter handeln, mit dem Mister Temple heute abend samt Beute nach London zurückfliegen wollte«, gab Parker Auskunft. »Dann gibt es ja doch noch Arbeit, Mister Parker«, stellte die resolute Dame fest und streichelte liebevoll ihren perlenbestickten Pompadour. »Eine Annahme, die als ausgesprochen wahrscheinlich gelten dürfte, Mylady«, pflichtete der Butler ihr bei. *
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»Ich werde die Lümmel am Eingang abfangen und ihnen einen vernichtenden Empfang bereiten«, gab die Detektivin bekannt, während das Knattern rasch näher kam. »Sie schneiden ihnen den Rückzug ab, Mister Parker.« »Darf man gegebenenfalls erfahren, was Mylady sich konkret darunter vorstellen?« erkundigte Parker sich. »Sorgen Sie dafür, daß der Hubschrauber fluguntauglich ist, falls einer der Lümmel entkommen sollte, Mister Parker«, wurde Agatha Simpson deutlicher. »Alles andere erledige ich.« »Wie Mylady wünschen«, erwiderte der Butler, deutete eine Verbeugung an und entfernte sich. Der Lärm, mit dem der Helikopter die dünn besiedelte Bergwelt überflutete, war ohrenbetäubend geworden. Auf dem nicht be nutzten Teil des Parkplatzes ging das Fluggerät nieder. Das Knat tern verstummte. Die Rotorblätter kamen zum Stillstand. Parker hatte das Haus durch einen Hinterausgang verlassen und stand unsichtbar hinter Ligusterbüschen, als Pilot und Copilot aus der gläsernen Kanzel sprangen, sich reckten und streckten und dann auf das Hotel zu schritten. In dieser Situation wären die ahnungslosen Männer ein leichtes Ziel für ihn gewesen. Er wartete aber lieber, bis sie seinen Blicken entschwunden wa ren, und stieg dann hinter das Lenkrad seines hochbeinigen Monstrums, das kaum zwanzig Meter von dem Hubschrauber ent fernt stand. Gelassen startete er den Motor, ließ das umgebaute Taxi anrol len und manövrierte es so exakt auf die Landekufen des Hub schraubers, daß die gläserne Kanzel nicht die geringste Schram me abbekam. Als der Butler den Motor abstellte und die Hand bremse anzog, standen das linke Vorderrad und das linke Hinter rad des Gefährts auf je einer Kufe des Fluggeräts. Würdevoll stieg Parker wieder aus, schaltete die Diebstahlsiche rung ein und entfernte sich unbemerkt. Gleich darauf betrat er wieder durch die Hintertür das Hotel und schlug gemessen die Richtung zum Foyer ein. In diesem Augenblick drang dumpfes Klatschen an sein Ohr, auf das inbrünstiges Stöhnen folgte. Soweit es die stets korrekte Hal tung eines hochherrschaftlichen Butlers erlaubte, beschleunigte Parker seine Schritte. Einen Treffer schien Mylady auf ihrem Punktekonto immerhin schon verbucht zu haben. 66
Um den zweiten sah sie sich unverhofft betrogen. »Hiergeblieben!« hörte der Butler die Detektivin im nächsten Moment rufen. »Mister Parker, wo stecken Sie denn?« »Stets zu Diensten, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen und war an der Seite der älteren Dame. »Der zweite Lümmel hat sich in geradezu hinterhältiger Weise geduckt. Sonst hätte ich ihn genauso erlegt wie den ersten«, ver sicherte die resolute Dame und deutete auf den apathisch wir kenden Piloten, der sich wie ein Bettvorleger vor ihr ausgebreitet hatte. »Eine Feststellung, die man unter keinen Umständen anzweifeln möchte, Mylady«, erwiderte der Butler und verneigte sich andeu tungsweise. »Was ist denn, Mister Parker?« fragte die ältere Dame unwirsch, als Parker keinerlei Anstalten traf, den fluchtenden Copiloten zu verfolgen. »Wollen Sie tatenlos zusehen, wie das Subjekt ent kommt?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, antwortete der Butler. »Man war so frei, gewisse Vorkehrungen gegen einen übereilten Abflug des Herrn zu treffen, falls der Hinweis genehm ist.« »Darum hatte ich Sie allerdings auch gebeten, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson klar. »Sie sehen, daß meine taktische Entscheidung richtig war.« »Meine Wenigkeit muß gestehen, Myladys Weitblick unter schätzt zu haben«, sagte Parker und trat anschließend vor die Tür, um auf den Parkplatz sehen zu können. Sprintstark, wie er war, hatte der Copilot sein Fluggerät bereits erreicht. Aus der Ferne gewahrte der Butler, wie der Mann einen Moment sinnend dastand. Anschließend wandte er sich kurz entschlossen Parkers schwarzem Gefährt zu, das breit und behäbig quer zum Helikopter stand. Offenbar machte sich der Flieger Hoffnungen, das altertümlich wirkende Vehikel wegfahren zu können. Doch als seine Hand den Griff der Fahrertür berührte, erlebte er eine Überraschung. Nicht umsonst war der schwarze Kasten bei eingeweihten Unterweltlern als >Trickkiste auf Rädern< berüchtigt. Augenblicklich wurde die elektrische Spannung, unter die Parker sämtliche Türgriffe gesetzt hatte, wirksam.
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Am ganzen Leib zitternd, zeigte der Copilot des Gangsterchefs eine tänzerische Darbietung, die an frühe Formen des Rock ‘n Roll denken ließ. Rhythmisch agierte der Tänzer zwar recht exakt, doch schien es ihm bei der Choreographie an Einfallsreichtum zu mangeln. Auch das Gekrächze, das er zu seinen Verrenkungen ausstieß, konnte kaum als anspruchsvoller Gesang gelten. Eine Einschät zung, der übrigens auch Agatha Simpson zuneigte, die sich für eine Kapazität auf diesem Gebiet hielt. Parker machte sich auf den Weg, um den tanzenden Flieger zum Abbruch seiner unerwünschten Vorführung zu überreden. Routiniert tippte er mit der Schirmspitze auf einen kaum sichtba ren Kontaktknopf am Trittbrett und schaltete damit den Strom aus. Im selben Augenblick verstummte der Rocksänger. Die Finger, die sich um den Türgriff gekrampft hatten, lösten sich. Auch die Gesichtszüge des sichtlich erschöpften Tänzers nahmen einen Ausdruck entspannter Gelassenheit an. Langsam knickte der Mann in den Knien ein und bedachte Par ker mit einem dankbaren Blick, ehe er seufzend die Augen schloß und sich zu einem Nickerchen auf dem Asphalt ausstreckte. * Josuah Parker war noch damit beschäftigt, dem gestoppten Flüchtling Handschellen anzulegen, als von der Landstraße eine blaue Roverlimousine nahte und unmittelbar vor dem Eingang des Hotels stoppte, wo Mylady stand und herübersah. Ein fülliger Mann von schätzungsweise fünfzig Jahren stieg aus und ging auf die Detektivin zu, die sich ihm prompt in den Weg stellte. »Kommt überhaupt nicht in Frage, daß Sie wieder wegfahren, junger Mann«, hörte der Butler im Näherkommen das sonore Or gan seiner Herrin. »Erst werde ich Sie vernehmen.« »Was heißt denn hier vernehmen?« protestierte der Ankömm ling. »Das können Sie doch nicht einfach.« »Darf Mylady unter Umständen erfahren, was Sie hierher ge führt hat?« schaltete der Butler sich in den Wortwechsel sein. Dabei musterte er den Mann ebenso unauffällig wie aufmerksam. 68
Um einen Gangster schien es sich nicht zu handeln. Um einen Touristen auch nicht. Nach der Buchstabenkombination auf dem Nummernschild war der blaue Rover hier in der Gegend angemel det. »Wenn Sie’s unbedingt wissen müssen«, bequemte sich sein Gegenüber zu einer Auskunft. »Ich bin Koch hier im Hotel und hatte Urlaub. Jetzt wollte ich meinen Dienst antreten, aber wenn wegen Umbau geschlossen ist, fahre ich besser wieder nach Hau se.« Der Mann wollte sich abwenden und in seinen Wagen steigen. Daß er es so eilig hatte, seine Arbeitsstätte wieder zu verlassen, hing vermutlich nicht nur mit dem Schild an der Tür zusammen. Vermutlich hatte der Bedienstete auch den hingestreckten Pilo ten hinter der Glastür entdeckt und sich einen Reim darauf ge macht. Da gewahrte er auch noch den Copiloten, der erschöpft vor dem hochbeinigen Monstrum zu Boden gegangen war und sich von den Strapazen seiner tänzerischen Einlage erholte. »Hiergeblieben!« sagte Lady Agatha, als sie merkte, daß der Koch sich ans Steuer schwingen wollte. »Wenn Sie schon ge kommen sind, dann sollen Sie auch Ihren Dienst antreten.« »Ja… aber…«, versuchte der Mann zu widersprechen. »Kein Aber! Sie zeigen unverzüglich, was Sie können. Oder soll ich erst ungemütlich werden?« Der leicht ergraute Küchenmeister schien sich in einem Alp traum zu wähnen. Eingeschüchtert leistete er der Anordnung Fol ge, stieg über den friedlich schlummernden Hubschrauberpiloten hinweg und schlug die Richtung zur Küche ein. »Leider muß man Sie bitten, auf den Einsatz tiefgekühlter Vor räte einstweilen zu verzichten«, sagte Parker, der ihm gefolgt war. »Das Kühlhaus ist vorübergehend zweckentfremdet, sofern der Hinweis genehm ist.« »Da habe ich nämlich das Gesindel untergebracht, bis es von der Polizei abgeholt wird«, ergänzte Agatha Simpson, die eben falls mitgekommen war, um einen kritischen Blick in die Küche zu werfen. Langsam drehte der Koch sich auf dem Absatz um. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Ihren Chef, Mister Funny, und all die anderen Gangster«, wur de die passionierte Detektivin deutlicher.
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»Mister Cunney ist im Kühlhaus?« fragte der Koch entgeistert und verstand kein Wort mehr. Die resolute Dame hatte ihn jedoch derart beeindruckt, daß er weder zu widersprechen noch Fragen zu stellen wagte. »Für wie viele Personen soll ich kochen?« erkundigte er sich dann. »Nur für mich«, teilte Lady Agatha mit. »Und auch etwas für Mister Parker«, setzte sie nach kurzer Pau se hinzu und verließ das Reich der Töpfe und Pfannen. »Sobald angerichtet ist, dürfen Sie mich in der Bar verständigen.« »Falls man eine dringliche Empfehlung aussprechen darf, sollten Sie lieber für etwa zwanzig Personen kochen«, sagte Parker mit unbewegter Miene, bevor er seiner genußfreudigen Herrin folgte. »Verstanden, zwanzig Personen«, nickte der Koch schicksalser geben und machte sich an die Arbeit. * Ein Telefon war in der Hotelbar vorhanden. Wunschgemäß schenkte der Butler seiner Herrin einen Kreislaufbeschleuniger ein, ehe er den Höret abnahm und die Nummer der Polizei drehte. Wenig später hatte er einen leiten den Beamten der regionalen Polizeibehörde am Apparat. »Sie sind Mister Parker?« vergewisserte sich der offenbar noch junge Mann. »Gut, daß Sie sich melden. Sie haben uns einiges an Rätseln aufgegeben.« »Darf man gegebenenfalls um Auskunft bitten, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchten, Sir?« erkundigte sich Par ker höflich. »Erst mal die Männer in den Kanus, die heute nachmittag in Glencennoch angetrieben und vorläufig in Haft genommen wur den«, erwiderte der Besamte. »Die vier nannten Ihren Namen.« »In der Tat überredete meine Wenigkeit die erwähnten Herren, sich auf diese Weise der Polizei in Glencennoch zu stellen«, bestä tigte der Butler. »Eine gute Stunde später sprachen dann ein gewisser Dan Har ris und eine Mistreß Campbell bei den Kollegen in Glencennoch vor«, fuhr der Ordnungshüter fort. »Sie erstatteten Anzeige we gen Raub und Nötigung und brachten gleich zwei Verdächtige mit. 70
Auch in diesem Zusammenhang fiel mehrfach Ihr Name, Mister Parker.« »Eine Mitteilung, die man ohne große Überraschung zur Kennt nis nimmt, Sir.« »Wir haben alle sechs Verdächtigen eingehend vernommen, können uns aber noch kein klares Bild machen, was eigentlich vorgefallen ist«, gestand der Gesprächsteilnehmer. »Deshalb wollte ich ohnehin gerade einen Wagen zum Berghotel schicken, denn am Telefon hat sich niemand gemeldet.« »Ein Vorsatz, den Sie unverzüglich in die Tat umsetzen sollten, falls man eine solche Empfehlung vorbringen darf«, ließ Parker sich vernehmen. »Sofern Sie sich persönlich herbemühen, dürfte auch Gelegenheit bestehen, sich einen umfassenden Überblick über die kriminellen Aktivitäten zu verschaffen, die von hier aus gingen.« »Wirklich?« Der Beamte zögerte. »Die Auftraggeber und Hauptakteure warten schon ungeduldig darauf, ein offenherziges Gespräch mit Ihnen führen zu dürfen«, teilte der Butler gelassen mit. »Die Drahtzieher sind schon festgenommen?« wunderte sich der leitende Polizist. »Etwa von Ihnen und Ihrer Arbeitgeberin?« »In der Tat, Sir.« »Okay, dann kommen wir sofort«, entschied Parkers Ge sprächspartner. »Mit Schußwaffengebrauch ist also nicht mehr zu rechnen?« »Keineswegs und mitnichten, Sir«, konnte der Butler ihn beru higen. »In dieser Hinsicht können Sie völlig unbesorgt sein, falls der Hinweis genehm ist.« Minuten später stoppten kurz nacheinander mehrere Polizeiwa gen vor dem Hotel. Während Lady Agatha konsequent ihre Kreis laufbehandlung fortsetzte, um die Zeit bis zum Essen zu überbrü cken, begab sich Parker zum Eingang, um die Herren einzuwei sen. Unter den Männern, die den schwarzen Limousinen entstiegen, war auch Lieutenant McCohen, mit dem der Butler kurz zuvor telefoniert hatte. »Darf man Sie höflich bitten, meiner Wenigkeit zum Kühlhaus zu folgen?« bot Parker an und lüftete andeutungsweise den Bow ler. Auf dem Weg nach unten weihte er den leitenden Beamten
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knapp in die Ergebnisse ein, die Lady Simpsons Ermittlungen ge zeitigt hatten. Anschließend entfernte der Butler die Vorhängeschlösser und schob die Riegel der Kühlhaustür zurück. Der Anblick der zahlreichen Uniformträger, die sie auf dem Flur erwarteten, schien weder Brian Cunney noch Frank Temple oder Ronald Bates sonderlich zu erfreuen. Die Erleichterung, endlich das frostige Quartier verlassen zu können, überwog bei weitem. Der Arm des Gesetzes ereilte auch Burt Fielding, Temples zwei ten Kassierer, der in Cunneys Büro zurückgeblieben war und ge rade aus seinen unruhigen Träumen erwachte, als die Polizisten eintraten. »Möglicherweise darf man Ihnen empfehlen, sich der Hilfe von Mister Fielding und Mister Bates zu bedienen«, wandte sich Parker an den Lieutenant. »Die Herren dürften zuverlässig wissen, wo sich die verstreut im Gelände campierenden Teilnehmer des so genannten Überlebenstrainings befinden.« Dankbar lächelnd nahm McCohen den Rat an. Über Funk forder te er mehrere geländegängige Fahrzeuge an, mit denen die Opfer der Bande aus der Einöde des unwegsamen Berglandes zurück geholt werden sollten. Bates und Fielding, beide in Handschellen, fuhren wohl oder übel mit, um den Beamten den Weg zu weisen. Eine halbe Stunde später traf die erste Gruppe von Teilnehmern im Hotel ein. Zu ihnen gehörten auch die dürre Miß Virginia New ton und der rundliche Brauereibesitzer Patrick Masters, die sich überschwenglich für ihre Rettung bedankten. Nach und nach trafen auch alle anderen Kandidaten und Kandi datinnen ein, für die der Kurs zu einem Überlebenstraining ganz spezieller Art geworden war. Das Foyer des Hotels füllte sich mit lebhaft Disputierenden aller Altersgruppen, von denen jeder eine haarsträubende Geschichte zu berichten hatte. Mitten in dem Trubel tauchte unvermittelt der füllige Koch auf und ging auf Parker zu. »Im Restaurant ist für zwanzig Personen gedeckt«, meldete der Mann mit der weißen Ballonmütze. »Die Herrschaften können Platz nehmen.« Schnell zeigte sich, daß der Butler keineswegs übertrieben, son dern nur vorausschauend gehandelt hatte, als er Myladys Bestel lung von zwei auf zwanzig Essen aufstockte. Alle waren froh, sich
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nach den nervenaufreibenden Strapazen im Gelände bei einer warmen Mahlzeit stärken zu können. Der Koch hatte sich Mühe gegeben. An den geräucherten Forel lenfilets mit Meerrettichsahne, die der Mann mit Parkers Hilfe als Vorspeise servierte, fand selbst Agatha Simpson nichts auszuset zen. Die Stimmung stieg beträchtlich, als Champagner ausgeschenkt wurde und Patrick Masters unter allgemeinem Beifall einen Toast auf die Detektivin und den Butler ausbrachte. Es wurde ein rauschender Abend, die ältere Dame stand im Mit telpunkt des Geschehens, und der diensteifrige Koch fuhr uner müdlich auf, was Keller und Küche zu bieten hatten. »Natürlich werde ich dafür sorgen, daß Sie alle Ihre Teilnahme gebühren zurückerhalten«, kündigte die Detektivin an. »Die Be wirtung heute abend geht auf Mister Funnys Rechnung. Als kleine Wiedergutmachung.« Die euphorische Stimmung, in der die älte re Dame sich befand, erhielt jedoch einen geringfügigen Dämpfer, als Parker sie diskret daran erinnerte, daß die von Bates und Fiel ding eingesammelten Wertsachen noch an ihre Eigentümer zu rückgegeben werden mußten. Wie eine Auktionatorin hielt Lady Agatha ein Schmuckstück nach dem anderen in die Höhe und händigte es denjenigen aus, die sich meldeten. Es fand sich auch die rechtmäßige Besitzerin des traumhaft schönen Colliers aus Brillanten. Sie nahm freude strahlend ihren geraubten Schmuck in Empfang. Zuletzt trennte sich die passionierte Detektivin von den Schecks, die der Butler nach Kontoinhabern vorsortiert und be reitgelegt hatte. »Nicht die kleinste Kleinigkeit ist übriggeblieben, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson fest, als auch der letzte Scheck zu seinem Aussteller gefunden hatte. »Was eindeutig zu erwarten war, Mylady«, merkte Parker an. »Ich werde jetzt nach London zurückkehren, Mister Parker«, entschied die resolute Dame, leerte ihr Glas in einem Zug und erhob sich ächzend. »Ist der Wagen startklar?« »Jederzeit, Mylady«, bestätigte der Butler mit einer Verbeu gung. Unter huldvollem Nicken verließ die füllige Lady das Restaurant, gefolgt von Josuah Parker, der so steif wirkte, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Vor dem Eingang traf das skurrile Paar 73
noch mit Lieutenant McCohen zusammen, der sich in aller Form für Myladys erfolgreichen Einsatz bedankte. »Inzwischen sind wir schon einen großen Schritt weiter«, teilte der Mann erfreut mit. »Zumindest Cunney und Temple werden wohl für den Rest ihres Lebens hinter Gittern verschwinden.« »Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, daß die Polizisten hier in Schottland viel einsichtiger sind als in London, Mister Parker?« fragte Mylady, während man über den Parkplatz zum hochbeini gen Monstrum schritt. »Darf man gegebenenfalls um Aufklärung bitten, wie Mylady diese Äußerung verstanden wissen möchten?« erkundigte sich der Butler. »Die Beamten sind wenigstens dankbar, wenn man ihnen die Kastanien aus dem Feuer holt, und versuchen gar nicht erst, sich selbst mit Lorbeer zu schmücken«, ließ Lady Agatha verlauten und enterte mit Parkers diskreter Hilfe den Fond des Wagens. Unterwegs schaltete der Butler das Autoradio ein, um die Nach richten zu hören. »Heute nachmittag ist es der Polizei gelungen, eine Bande von Kriminellen dingfest zu machen, die in den nordwestlichen High lands ihr Unwesen trieb«, tönte es aus dem Lautsprecher. »Wäh rend eines sogenannten Überlebenstrainings…« »Das ist ja wirklich die Höhe, Mister Parker«, unterbrach die De tektivin den Bericht. »Erinnern Sie mich daran, daß ich mich gleich morgen bei der BBC beschwere. Oder noch besser, beim Innenminister.« »Man wird es keinesfalls versäumen, Mylady«, versprach Parker mit unbewegter Miene und schaltete das Radio ab. Seine Augen durchdrangen die Dunkelheit, während das hochbeinige Monstrum auf nächtlichen Straßen heimwärts rollte.
ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 420 Edmund Diedrichs
PARKER kühlt die wilden Hunde Lady Agatha wird von einem jungen Mann um eine Spende ge beten. Der Hilfesuchende unterstreicht seine Bedürftigkeit durch 74
einen großen Mastino, der über ein beeindruckendes Gebiß ver fügt. Die ältere Dame zeigt jedoch keine Angst, nur Verwunde rung. Dem Tier paßt nämlich das Fell nicht so recht, es scheint einige Nummern zu groß zu sein. Josuah Parker nimmt sich des jungen Mannes an, den er samt Hund in Myladys Haus »einlädt«. Hundefreunde, denen der Mann mit dem Mastino angehört, su chen ihren verschwundenen »Kollegen« und legen sich mit Parker an. Der Butler besucht mit Mike Rander einen Nachtclub, dessen Manager die Hundefreunde lenkt. Doch man versucht sie zu ei nem Bad in der Themse zu überreden. Gewisse Züchter erkennen schnell, daß sie an die Falschen ge raten sind. Parker hat wieder mal vorgesorgt. Es läuft so, wie sich die Gangster es nicht vorstellen. McWarden gelangt an den »gro ßen Boß«, und Mylady animiert die Tierfreunde zu einem ganz besonderen Spiel. Ein neuer BUTLER PARKER aus der Feder von Edmund Died richs. Sie sollten ihn lesen!
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