Diedrich Möhlmann Konrad Sauer Richard Wäsch
KOMETEN 2., stark bearbeitete Auflage Mit 54 Abbildungen und 10 Tabellen
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Diedrich Möhlmann Konrad Sauer Richard Wäsch
KOMETEN 2., stark bearbeitete Auflage Mit 54 Abbildungen und 10 Tabellen
Akademie-Verlag Berlin
ISBN 3-05-500629-1
Erschienen im Akademie-Verlag Berlin, Leipziger Straße 3 — 4, Berlin, DDR-1086 © Akademie-Verlag Berlin 1990 Lizenznummer: 202 · 100/90 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: Druckhaus „Maxim Gorki“, Altenburg, 7400 Lektor: Dipl.-Met. Heide Deutscher Einbandgestaltung: Ralf Michaelis LSV 1495 Bestellnummer: 763 938 9 (6966)
Vorwort zur zweiten Auflage
Die große Nachfrage nach der ersten Auflage dieses Büchleins und die vielen neuen und vertiefteren Kenntnisse über Kometen und ihre Wechselwirkungen mit dem sie umströmenden Plasma des Sonnenwindes sind uns Anlaß, dem Angebot des Akademie-Verlages zu folgen und eine zweite, wesentlich überarbeitete Auflage vorzulegen. Der Abschluß der Arbeiten zu dieser zweiten Auflage erfolgte im Mai 1988, also zu einem Zeitpunkt, an dem ein Großteil der Auswertungen der direkten kosmischen Experimente und Beobachtungen und auch der bodengebundenen Beobachtungsprogramme abgeschlossen und publiziert wurde. Damit gibt dieses Büchlein den aktuellen Stand unseres Wissens von den Kometen nach der „Halley-Kampagne“ des Jahres 1986 wieder.
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ..........................................................................
9
2. 2.1.
10
2.2. 2.3.
Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung...................... Die Einordnung der Kometen in das astronomische Weltbild ................................................................................. Der Halleysche Komet............................................................ Das Erscheinen von Kometen.................................................
3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.3.
Himmelsmechanik der Kometen.......................................... Bahnen beim gravitativen Zweikörperproblem ....................... Kometenbahnen ..................................................................... Kurzperiodische Kometen....................................................... Langperiodische Kometen ...................................................... Nichtgravitative Kräfte ...........................................................
22 22 24 25 27 28
4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.
Der Kometenkern ............................................................... Radius, Masse und Rotation ................................................... Figur und Oberfläche ............................................................. Aktivitätsmodelle.................................................................... Kernaufbau ............................................................................. Beziehungen zu Meteoren und Meteoriten.............................
31 31 34 41 47 51
5. 5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3. 5.1.4. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6.
Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie ............ Der interplanetare Staub......................................................... Morphologie interplanetarer Staubpartikel ............................. Element- und Isotopenzusammensetzung............................... Mineralogie der extraterrestrischen Staubpartikel ................... Kristalline Phasen ................................................................... Die meteoritische Komponente .............................................. Der Ursprung der festen Kometenmaterie .............................. Experimentelle Ergebnisse der Halley-Sonden ....................... Zur Natur der silikatischen Staubpartikel ............................... Der Aufbau des Kometenkerns ...............................................
53 54 55 56 58 59 60 62 64 70 77
6.
Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre ......................................................................... Kenntnisstand vor den Kometenmissionen ............................. Die Kometenatmosphäre ........................................................ Der Plasmaschweif ................................................................. Modell der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung ..............
80 83 83 90 98
6.1. 6.1.1. 6.1.2. 6.1.3.
10 12 14
6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.3. 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3.
Krgebnisse der Kometenmissionen ......................................... Messungen am Kometen Giacobini-Zinner............................ Ergebnisse der Halley-Missionen ........................................... Ein neues Plasmamodell für Komet Halley............................. Vorbetrachtungen ................................................................... Das Mehrflüssigkeitsmodell.................................................... Ergebnisse und Diskussion .....................................................
103 106 109 116 116 118 119
7. 7.1. 7.2.
Der Staubschweif ................................................................ 128 Mechanische Theorie ............................................................. 128 Wechselwirkung mit dem Plasma ...................................... 140
8.
Herkunft und Entstehung der Kometen ............................... 145
9. 9.1. 9.2. 9.3. 9.4.
Missionen zum Kometen Halley .......................................... VEGA.................................................................................... GIOTTO............................................................................... PLANET-A........................................................................... Weitere Programme (1HW)...................................................
10.
Literaturverzeichnis ............................................................ 157
11.
Sachverzeichnis................................................................... 163
149 149 153 155 155
1.
Einleitung
Im Frühjahr 1986 erfolgten mit vier interplanetaren Meßsonden direkte physikalische Untersuchungen in der Nähe des Kometen Halley. Dieses Ereignis der Weltraumforschung brachte die Kometen wieder mehr in des Blickfeld der naturwissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit. Es ist das Anliegen dieses Büchleins, die wesentlichsten Ergebnisse und Probleme der Kometenforschung unter Berücksichtigung der vielen neuen Ergebnisse zusammenfassend darzustellen. Dabei ist die Darstellung so angelegt, daß sie für den interessierten Laien wie auch für den Physiker oder Astronomen informativ und lesbar ist. Schwerpunkte dieses Büchleins sind die durchaus interessante und für die Entwicklung unseres Weltbildes wichtige Geschichte der Kometenbeobachtung, die physikalischen Grundgesetze der Bewegung der Kometen, also die „Himmelsmechanik der Kometen“, die bekannte Physik und Chemie der bislang nahezu unbekannten Kometenkerne, die auch gegenwärtig noch umstrittene Herkunft und Entstehung der Kometen, die stoffliche Zusammensetzung der Kometen, insbesondere im Hinblick auf Verbindungen zu Meteoriten und die vielen neuen Aspekte der plasmaphysikalisch zu beschreibenden Wechselwirkung von kometarem Gas, Plasma und Staub mit dem von der Sonne kommenden Energiestrom. Abschließend werden die wesentlichen Charakteristika der Kometensonden vorgestellt, die 1986 Messungen in der Nähe des Kometen Halley durchführten. Wir danken Frau I. Zingel für die sorgfältige Anfertigung des Manuskriptes. Unser herzlichster Dank gilt auch Dipl.-Phys. M. Danz für die Bearbeitung der Abschnitte über den Staubschweif.
2.
Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
Die Geschichte unseres sich entwickelnden naturwissenschaftlichen Verständnisses der Kometen ist durchaus ein typisches Beispiel für die weltbildrelevante Entwicklung der Naturwissenschaften. Dabei liegt die spezielle Bedeutung der Kometen wohl auch darin begründet, daß bei ihnen, wie bei allen nicht (im Labor) reproduzierbaren Naturphänomenen, nur das beharrliche und qualitativ immer besser werdende Beobachten und Sammeln von Daten, die zum Zeitpunkt der Erfassung durchaus noch nicht immer in ihrer Bedeutung bekannt sein müssen, die Voraussetzung für das (spätere) Verständnis des Phänomens bildet, das oft nur aus dem Vergleich einer Vielzahl dieser Phänomene resultiert.
2.1.
Die Einordnung der Kometen in das astronomische Weltbild
Der mit dem Wissen seiner Zeit den Himmel beobachtende Mensch vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende war, unabhängig von den mit diesen Beobachtungen verbundenen und sehr unterschiedlich motivierten Interpretationen, mit zwei offenbar grundsätzlich unterschiedlichen Gruppen von Himmelserscheinungen konfrontiert. Da waren zum einen die vielen regelmäßigen und wiederkehrenden Phänomene, wie die Phasen des Mondes, der jährliche Sonnengang und die stets unveränderlich wiederkehrenden Sternbilder, die Bahnen der Planeten am Himmel und die, wenngleich auch nach etwas komplizierten Regeln, wiederkehrenden Finsternisse von Sonne und Mond. Da waren aber auch die so regellos auftauchenden, oft sehr beeindruckenden Kometen mit ihrem keinem geometrischen (also regelmäßigen) Formenideal entsprechenden Erscheinungsbild, oder auch die Meteore, also die Sternschnuppen, mit ihrer offenbaren Regellosigkeit und darüber hinaus noch weitere atmosphärische und irreguläre Leuchterscheinungen. Die so exakten phänomenologischen Regelmäßigkeiten am Himmel konnten in vielen antiken Hochkulturen bereits zur Prognose genutzt werden, und das war natürlich ein Gewinn von unschätz-
2.1. Die Einordnung der Kometen in das astronomische Weltbild
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barem praktischem Wert, z. B. für die Aufstellung von die Zeit ordnenden Kalendern, für die terminliche Bestimmung des Beginns der jährlich wiederkehrenden Überflutungen des Nils oder auch für die Navigation. Das Phänomen der hinter diesen Regelmäßigkeiten vermuteten „göttlichen Harmonien“ war darüber hinaus von ganz eminenter weltanschaulicher und philosophischer Bedeutung, und dies nicht nur im Hinblick auf die Ableitung oder Bestätigung religiöser Vorstellungen und als Basis für die geistige Machtausübung, sondern auch als erkenntnistheoretische Grundlage für das Weltbild einer durch Gesetze geordneten und eben nicht chaotischen Welt. Und dies ist genau die philosophische Grundlage unserer heutigen Naturwissenschaften, die zunehmend die fundamentalen Gesetze dieses Szenariums erkennen. Was aber konnten dann im Weltbild früherer Zeiten solche Himmelserscheinungen wie die so „gesetzlosen“ Kometen darstellen? Mußten sie nicht etwas sein, das die Unordnung und Regellosigkeit, eine Störung der „göttlichen Weltordnung“ und eben das „Prinzip des Bösen“ manifestierte? Man kann so verstehen, daß bis in das Mittelalter hinein, abhängig von Überlieferung, Religion und jeweiligen geistigen Strömungen, sehr helle Kometen mit ihren oft imposanten Schweiflängen von über 90° am Himmel als göttliche „Zuchtruten“ und „Bußezeichen“ des Himmels oder als Verletzer göttlicher Ordnung und Ankündigung von Kriegen, Seuchen oder anderen Katastrophen, aber interessanterweise auch ab und an als (nachträgliche) Symbole, z. B. guter Ernten, interpretiert wurden. Wer hierüber heute erhaben lacht, der macht sich über seine eigene Geschichte, auf der auch er aufbaut, lustig. Verlachen aber sollte man diejenigen, die auch heute noch überlieferte mystische Vorstellungen oder neu erdachte pseudowissenschaftlich verbrämte Katastrophenprognosen und Sensationsberichte im Sinne einer Kometenfurcht verbreiten und vertreten. Noch im Jahre 1910 mißbrauchten Sensationspropheten und eine unseriöse Presse z. B. die Wiederkehr des Halleyschen Kometen zu Weltuntergangsspekulationen. So sollte die Erdatmosphäre mit Blausäure vergiftet werden, da die Erde am 19. März 1910 auf ihrer Bahn einen Nebenschweif des Kometen passierte. Nicht einmal eine verstärkte Sternschnuppenhäufigkeit war dann aber zweifelsfrei nachweisbar. Die Entwicklung des Verständnisses der Natur der Kometen ist eng verknüpft mit der sich im 17. Jahrhundert schnell entwickelnden astronomischen Meßtechnik und der Anerkennung der
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2. Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
quantifizierenden Messung und Beobachtung als methodische Grundlage exakter Naturwissenschaften. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist in diesem Sinne die Bestimmung der Bahnen von Kometen und damit ihre räumliche Einordnung im Sonnensystem. Seit Aristoteles galten die Kometen als irdische oder atmosphärische Ausdünstungen, aber schon der römische Philosoph Seneca hielt sie für Himmelskörper. Borelli sprach 1664 als erster die Vermutung aus, daß sich der Komet vom Dezember 1664 auf einer Parabelbahn bewegen müsse. Tycho de Brahe konnte durch Winkelmessungen nachweisen, daß die Kometen von der Erde weiter entfernt sind als der Mond. Sein Schüler und Nachfolger Kepler vermutete, daß sich die Kometen auf Geraden bewegen. Die erste Bahnbestimmung eines Kometen gelang dann 1680/81 dem Pastor Dörfel in Plauen, der die Bahn des großen Kometen von 1680 durch Intuition und Probieren als Parabel identifizierte. Eine vollständige Bahnbestimmung wurde um dieselbe Zeit von Newton versucht, aber erst 1705 durch Halley erfolgreich durchgeführt. Später haben vor allem Olbers, Bessel und Gauss das Problem der Bahnbestimmung von Kometen im Prinzip gelöst und praktisch handhabbar gemacht. Damit waren die Kometen als freilich immer noch sehr sonderbare Himmelskörper, die sich im Sonnensystem bewegen, in das astronomische Weltbild eingeordnet. Merkwürdig blieben jedoch ihre noch lange umstrittene Konsistenz, ihre in einem engen mechanistischen Rahmen nicht verstehbaren Bahnverteilungen und ihre eigentliche Herkunft.
2.2.
Der Halleysche Komet
Die neuere Geschichte der Kometenforschung ist eng verbunden mit den Arbeiten des englischen Mathematikers, Astronomen und Geophysikers Sir Edmund Halley, der 1705 nach Newtons Methoden die Bahnelemente von 24 Kometenerscheinungen berechnete und dabei herausfand, daß die Kometen von 1531, 1607 und 1682 nahezu gleiche Bahnen hatten. Aus der großen Ähnlichkeit der Bahnelemente schloß Halley, daß es sich hier nicht um drei verschiedene Kometen, sondern um ein und dasselbe Objekt mit nahezu 76 Jahren Umlauf zeit handelte. Daraus resultierte die Prognose einer Wiederkehr des Kometen Anfang 1759. Halley war es nicht vergönnt, den Triumph der Richtigkeit seiner Prognose zu erleben, er hätte dazu 103 Jahre alt werden müssen.
2.2. Der Halleysche Komet
13
Sir Edmund Halley, der übrigens als erster u. a. die Eigenbewegung der Fixsterne und die „magnetische Natur“ des Nordlichtes erkannte, der die erste größere Karte der geometrischen Deklination herausgab und erste Positionen von Sternen des Südhimmels bestimmte, der die Theorie der Bewegung des Mondes verbesserte, vielfache gerätetechnische Verbesserungen, z. B. bei der Taucherglocke, entwickelte und auch den Spiegeloktanten erfand, der die Anwendbarkeit des Barometers für Höhenbestimmungen erkannte und der u. a. auch von der Royal Society nach Danzig geschickt wurde, um den Streit zwischen Hooke und Hevelius über die Überlegenheit astronomischer Beobachtungen mit dem Fernrohr gegenüber solchen mit dem bloßen Auge zu schlichten, starb am 14. 1. 1742 in Greenwich. Die Überprüfung der Halleyschen Prognose der Wiederkehr des später nach ihm benannten Kometen Halley beschäftigte die Astronomen und Mathematiker. Der französische Mathematiker Clairot berechnete gemeinsam mit Madame Lepaut die störenden Einflüsse der damals bekannten großen Planeten auf die Bahn des wiedererwarteten Kometen und sagte mit einem Fehler von 30 Tagen die Passage des sonnennächsten Punktes seiner Bahn für den 13. April 1759 voraus. Die Wiederentdeckung des Kometen erfolgte dann am 26. Dezember 1758 durch den Bauern und Liebhaberastronomen Johann Georg Palitzsch aus Prohlis bei Dresden. Der sonnennächste Punkt der Bahn wurde am 12. März 1759 passiert. Die Bedeutung der Bestätigung dieser auf der Grundlage der Newtonschen Mechanik und Gravitationstheorie ausgeführten Berechnungen und Prognosen muß sehr hoch eingeschätzt werden, da damit insbesondere auch die Richtigkeit dieser Grundlagen bewiesen und das Weltbild einer durch Naturgesetze geordneten Welt bestätigt wurde. Bis zur nächsten Wiederkehr, die im Jahre 1835 stattfinden mußte, waren die Beobachtungsmethoden weiter vervollkommnet worden. Am 5. August 1835 wurde der Komet dann zuerst gesehen, am 16. 11. 1835 erfolgte der Periheldurchgang. Das nächste Erscheinen war für 1910 zu erwarten. Die Bahnberechnungen waren insofern komplizierter, als auch der inzwischen entdeckte Neptun in diese Störungsberechnungen mit einbezogen werden mußte, da der Halleysche Komet seinen sonnenfernsten Punkt erst hinter der Neptunbahn erreicht. Am 11. September 1909 wurde der Komet dann von Wolf in Heidelberg S aufgefunden, nur 24 in Rektaszension und 4’ Deklination von
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2. Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
dem berechneten Ort entfernt. Nachträglich wurde er dann auch noch auf einer am 24. August in Heluan (Ägypten) aufgenommenen Photoplatte aufgefunden. Die Perihelpassage erfolgte am 20. April. Am 18. Mai zog er vor der Sonnenscheibe vorbei, wobei die Erde den Schweif des Kometen passieren mußte, falls er wenigstens 24 Millionen Kilometer (Entfernung Erde— Komet zu diesem Zeitpunkt) lang und nicht zu schmal war. Übrigens ließ sich bei diesem Vorübergang von der Sonnenscheibe trotz intensiver Beobachtungen keine Absorption der Sonnenstrahlung durch die Kometenmaterie nachweisen, die demnach sehr dünn sein muß. Die Entwicklung des Schweifes war während des gesamten Mai des Jahres 1910 bemerkenswert, die Länge betrug bis zu 30 Millionen Kilometer. Teleskopisch konnte der Komet bis zum Juni 1911 verfolgt werden, so daß genügend Daten für eine sehr genaue Bahnberechnung vorlagen und eine präzise Prognose für das 1986 stattfindende Wiedererscheinen möglich war. Am 16. Oktober 1982, also bereits dreieinhalb Jahre vor der Perihelpassage, konnte der Komet als Objekt der 24,2-Größenklasse mit einer CCD-Matrix als Sensor am 5-m-Mount-PalomarSpiegel wiederentdeckt werden, nur 8 Minuten in Rektaszension und weniger als 1’ in Deklination von dem durch Yeomans berechneten Ort entfernt. Bemerkenswert ist, daß der nur einige Kilometer große Komet zum Zeitpunkt der Wiederentdeckung noch außerhalb der Saturnbahn war, was einen Eindruck von den technischen Möglichkeiten der modernen Astronomie gibt. Die intensiven Beobachtungen des Kometen Halley von Raumsonden und von bodengebundenen Observatorien aus, die anläßlich seiner Sonnennähe im Jahre 1986 möglich waren, haben das Wissen um diesen speziellen Kometen extrem erweitert. Diese Ergebnisse lassen sich kurz mit dem in Tabelle 1 zusammengestellten „Steckbrief“ angeben.
2.3.
Das Erscheinen von Kometen
Kometenentdeckungen sind wegen des spektakulären Erscheinungsbildes der Kometen bereits aus alten Hochkulturen überliefert. Die erste Überlieferung scheint aus dem Jahre 1095 v. u. Z. zu stammen (Ho Peng Yoke, 1962). Die Anzahl derartiger Berichte, vor allem aus dem chinesischen Raum, dem Fernen Osten und dem Mittelmeerraum, ist insbesondere seit dem 4. Jahrhundert
2.3. Das Erscheinen von Kometen
15
Tabelle 1 Charakteristika des Kometen Halley Erste überlieferte Beobachtung Bisher kürzeste Umlaufzeit Bisher längste Umlaufzeit Bisher größte Erdannäherung Bisher größte Schweif länge Periheldistanz Exzentrizität (1986)
i Bahngeschwindigkeit im Perihel Bahngeschwindigkeit im Aphel Maximale Entfernung von der Ekliptik Kerndimensionen (Näherung als dreiachsiges Ellipsoid) Kernvolumen Kernoberfläche Kernmasse Kerndichte Rotationsperiode (um lange Achse) Präzessionsperiode (der langen Achse) Ungefähre Richtung des (konstanten) Drehimpulsvektors des Kerns (in ekliptischen Koordinaten) Albedo (des Kerns) Aktive Oberfläche Assoziierte Meteorströme
240 v. u. Z. 74,42 Jahre (1835 — 1910) 79,25 Jahre (151 — 530) 0,033 AE (10. 4. 1837) 150° (1910) 0,5871 AE 0,967268 111, °848 58, °145 162, °239 54,55 km/s 0,91 km/s + 0,17 AE; – 9,99 AE 16km; 8 km; 7,5 km ca. 600 km3 ca. 400 km2 ca. 3 · 1014 kg (vgl. Tab. 2) ca. (0,4 ± 0,2) g/cm3 4,9 Tage; (7,4 Tage) 2,2 Tage l = 180° ± 15° b = – 10° ± 15° 0,04 ca. 40 km2 (10% der Oberfläche) Eta-Aquariden Orioniden
vor unserer Zeitrechnung ständig angestiegen. Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch das aus chinesischen Quellen überlieferte Erscheinen des Halleyschen Kometen im Jahre 240 v. u. Z. Mit der Entwicklung der astronomischen Beobachtungstechnik ist dann ein weiteres Ansteigen der Kometenentdeckungen und -beobachtungen seit dem 17. Jahrhundert feststellbar, das noch einmal im 19. Jahrhundert durch den Einsatz der Fotografie und die damit mögliche Verbesserung der Empfindlichkeit verstärkt wurde. Der erste teleskopisch entdeckte Komet war übrigens der durch Kirch gefundene Komet von 1680. Erste systematische Entdeckungen sind dann im Zeitintervall von 1760 bis 1840 mit nur
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2. Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
wenigen Namen verbunden. Vor allem die Franzosen Messier, Mechain, Gambart und Pons sind hier zu nennen. Pons war beispielsweise Entdecker oder Mitentdecker von 36 der zwischen 1800 und 1839 entdeckten 48 Kometen. Seither ist die Anzahl der Entdecker stark angestiegen, insbesondere durch die zunehmende Beteiligung amerikanischer Astronomen, wie Swift, Barnard und Brooks, und neuerdings auch japanischer Astronomen. Umstritten ist die erste fotografische Aufnahme eines Kometen, die von dem Kometen Donati 1858 VI gemacht worden sein soll. Die erste fotografische Entdeckung eines Kometen war die des Kometen P/Barnard 3 im Jahre 1892. Wirksam wurde diese Methode der systematischen Entdeckung von Kometen mit der Entwicklung von Weitwinkel-Schmidt-Teleskopen. Bemerkenswert hierbei ist übrigens die dominierende Verteilung der Observatorien auf der Nordhemisphäre, die deutlichen Einfluß auf die Verteilung der entdeckten Objekte und damit auf die Statistik der Eigenschaften der Kometenbahnen hat. Weitere Auswahleffekte, welche die Statistik beeinflussen, sind z. B. die Helligkeit des Kometen und seine Periheldistanz — neue Kometen mit mehr als 8 AE Periheldistanz sind gegenwärtig noch nicht systematisch erfaßbar —, Umlaufzeit und Datum der Perihelpassage — im Hinblick auf die erst relativ kurze systematische Beobachtungsdauer im Vergleich zu den im wesentlichen großen Umlaufzeiten — und die räumliche Lage der Bahnen — z. B. im Hinblick auf die relative Lage und Bewegung der Erde. Neben den mit aufwendigen Techniken erfolgenden Entdeckungen neuer Kometen spielt das visuelle Auffinden auch heute noch eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Das gilt insbesondere für Objekte, die erst in der Nähe der Sonne erkennbar werden, wobei teilweise zuerst die Enden der Schweife neben dem hellen Hintergrund sichtbar werden. Viele derartige visuelle Entdeckungen der letzten Zeit erfolgten durch japanische Amateurastronomen. Genaue Angaben über Suchtechniken und zugehörige instrumentelle Ausrüstungen, insbesondere für Amateure, können bei Bortle (1981) und Kresak (1982) gefunden werden. Eine Vorhersage des Erscheinens eines Kometen ist nur für den Fall möglich, daß die Bahn dieses Kometen ausreichend bekannt ist, er also bereits ein- oder mehrmals beobachtet wurde. Die gegenwärtigen Kometenkataloge umfassen fast 1000 derartige Objekte. Es werden jedoch jährlich ungefähr vier bis fünf „neue“ Kometen entdeckt. Dabei werden die Kometen provisorisch mit der Jahreszahl und in der Reihenfolge ihrer Entdeckung mit den ersten Buch-
2.3. Das Erscheinen von Kometen
17
staben des Alphabets a, b, c ... bezeichnet. Eine spätere und endgültige Bezeichnung erfolgt dann mit der Jahreszahl und in der Reihenfolge der Passage des sonnennächsten Bahnpunktes (Perihel) mit römischen Ziffern. Zusätzlich werden die meisten Kometen mit dem Namen ihrer Entdecker bezeichnet, wobei die periodischen Kometen, also die bereits im Planetensystem „eingefangenen“ und periodisch wiederkehrenden Kometen noch mit einem P vor dem Namen versehen werden. Der P/Halley hatte im Zusammenhang mit seinem Erscheinen 1910 also auch die Bezeichnung 1909c bzw. 1910 II und mit seiner Wiederentdeckung am 16. 10. 1982 die Bezeichnung 1982i. Das Erscheinungsbild eines Kometen ist durch den sternartigen hellen Kern, die ihn wie ein verwaschener Gasschleier umgebende Atmosphäre, die sogenannte Koma und einen oder z. T. mehrere stark strukturierte Schweife gekennzeichnet. Hieraus resultiert auch die ursprünglich aus dem Griechischen stammende Bezeichnung „Komet“; „kometes“ bedeutet soviel wir „langhaariger Stern“. In den folgenden Abschnitten wird auf die einzelnen Strukturteile eines Kometen und die mit ihnen verknüpften physikalischen Prozesse vertiefter eingegangen. An dieser Stelle soll zum allgemeinen Verständnis des Erscheinungsbildes der Hinweis darauf genügen, daß der Kern ein relativ locker gepacktes, „tiefgefrorenes“ und zumeist einige Kilometer großes kompaktes Agglomerat aus gefrorenem Wassereis, verschiedenen Kohlenwasserstoffverbindungen und CO2-Eis mit gesteinsartigen Beimengungen und weiteren eingefrorenen Gasen ist, das infolge der Ausgasung abdeckende Krustenschichten hat. Infolge der Annäherung an die Sonne tritt eine Ausgasung leichtflüchtiger Elemente und Verbindungen ein, die Teile der Kruste und auch der gesteinsartigen Beimengungen mit fortreißen und so die Atmosphäre und den Staubschweif bilden kann. Durch den ständig von der Sonne heranströmenden Sonnenwind und die durch die elektromagnetische Sonnenstrahlung eintretende Ionisation dieser damit elektrisch leitfähigen Atmosphäre erfolgt eine Umströmung der Koma durch das Sonnenwindplasma, die zur Ausbildung des von der Sonne weggerichteten geraden Schweifes aus Gas und Plasma führt. Übrigens hat Biermanx (1951) aus der Existenz dieser Plasmaschweife bereits auf das Vorhandensein des erst später mit Satelliten direkt entdeckten Sonnenwindes geschlossen. Oft tritt auch ein gekrümmter und breit gefächerter Schweif auf, der eine Folge der sich hauptsächlich unter dem Einfluß der solaren Gravitation und des Lichtdruckes der Sonne be-
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2. Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
wegenden Staubteilchen mit Durchmessern von 10–7 m bis zu einigen 10–6 m ist. Man spricht in diesem Falle auch von einem Staubschweif. Da sich mit der Verteilung der größeren Teilchen des Staubes in der Umgebung der Kometenbahn nach vielen Umläufen Staub und meteoritische Materie dort stark ansammeln, wird manchmal auch ein „Gegenschweif“ beobachtbar, der sich vom Kometen in Richtung zur Sonne zu erstrecken scheint. Solche Erscheinungen werden aber nur sichtbar, wenn die Erde auf ihrer Bahn die Bahnebene des Kometen kreuzt, so daß der Gegenschweif als eine Folge der Streuung des Sonnenlichtes an den um die Kometenbahn verteilten Teilchen anzusehen ist. Übrigens sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, daß mit der langsamen Auflösung von Kometen und der resultierenden Verteilung fester Materie in Form kleiner Partikel längs und in der Umgebung der ursprünglichen Kometenbahn ein „Meteoritenstrom“ entstehen kann, der z. B. zu erhöhter Sternschnuppenhäufigkeit und auch zum Fall von Meteoriten führen kann, wenn die Erde in ihrer Bewegung eine solche Kometenbahn kreuzt. Die auf der Erde gefundenen primitivsten Stein-Meteorite, die sogenannten „kohligen chondritischen“ Meteorite, oder aber die vermutlich noch primitiveren in der oberen Atmosphäre absinkenden „Brownlee-Teilchen“ (s. Kapitel 5) könnten auf diesem Wege aus sich aufgelöst habenden Kometen stammen. Das eingangs erklärte Erscheinungsbild eines Kometen ist vielen Menschen gegenwärtig leider nur über den Umweg von astronomischen Fotografien bekannt, da in der Tat dieses Jahrhundert bisher relativ arm an auffälligen Kometen war. Ganz anders war da die Situation im vorigen Jahrhundert. Der „große“ Komet von 1811 war der erste in dieser Serie heller Kometen. Er war beispielsweise im September 1811 wochenlang am nördlichen Himmel zu sehen. Zu erwähnen ist dann auch der P/Halley im Jahre 1835. Damals war er übrigens um zwei Größenordnungen heller als bei seiner nächsten Wiederkehr im Jahre 1910. Ein weiterer heller Komet des vorigen Jahrhunderts war der „große“ Komet von 1843 I, der anfangs sogar am Tage sichtbar war, sich der Sonnenphotosphäre bis auf 130000 km näherte und eine enorme Schweiflänge von mehr als 250 Millionen Kilometer Länge (das ist mehr als die Entfernung Sonne—Mars) entwickelte. Bemerkenswert war auch der 1826 entdeckte Bielasche Komet, der bei seinem Erscheinen 1845/46 ein bis dahin noch nie gesehenes Schauspiel bot, indem er sich in zwei selbständige Kometen von ähnlicher Gestalt, aber ungleicher Größe teilte, die beide Koma und Schweif ent-
2.3. Das Erscheinen von Kometen
19
wickelten. In der weiteren Entwicklung scheinen sich beide Kometen aufgelöst zu haben, sie wurden nur bei ihrem nächsten Erscheinen 1852 noch einmal beobachtet. Wenn die Erde um den 23. November herum in die Nähe der Bahn des ehemaligen Kometen Biela kommt, werden übrigens seit 1885 die „Andromediden“ als Sternschnuppen beobachtbar. Inzwischen ist erkannt worden, daß ungefähr ein Viertel aller Kometen zerfallen. Zu den auffälligsten Kometen des 19. Jahrhunderts zählt der am 2. Juni 1858 entdeckte Donatische Komet, der in Koma und Schweif viele auffällige Veränderungen, Bewegungen und Schwingungen leuchtender Ausströmungen zeigte. Der Schweif erreichte eine Länge von 60 Millionen Kilometern. Ähnlich imposant war nach dem hellen Augustkometen von 1862 dann mit einer Schweiflänge von über 100° der Septemberkomet 1882 II. Bald nach dem Periheldurchgang zeigte auch dieser Komet zuerst eine auffällige Veränderung des Kerns, der sich dann in 5 oder 6 „Lichtknoten“ trennte, die sich voneinander entfernten. Diese Liste bemerkenswerter Kometen des vorigen Jahrhunderts läßt sich noch weiter fortsetzen. Wesentlicher ist jedoch für das weitere Verständnis der Kometen die Anwendung der durch Kirchhoff und Bunsen entwickelten Spektralanalyse. Donati beobachtete als erster Kometenspektren am Kometen von 1864. Auf diesem Wege konnten in den folgenden Jahren viele chemische Elemente und Verbindungen nachgewiesen werden und ein konsistentes Bild vom physiko-chemischen Zustand der Kometen geschaffen werden. Gleichzeitig wurde klar, daß in Kometenatmosphären komplizierte plasmachemische Prozesse ablaufen, die gegenwärtig durchaus noch nicht vollständig bekannt und verstanden sind und für die Chemie sehr interessant sein dürften. Abgesehen von ständigen speziellen Verfeinerungen auch durch die Erkenntnisse der Weltraumforschung war mit den Methoden der Mechanik und Gravitationstheorie, den astronomischen und auch spektralanalytischen Beobachtungen und weiteren Anwendungen der sich entwickelnden Physik und Chemie das bereits kurz dargestellte prinzipielle Bild von Kometen mit den Arbeiten von Fred Whipple, der endgültig die Existenz eines festen Kometenkerns nachwies, in der Mitte unseres Jahrhunderts abgeschlossen. Wesentlich neue Erkenntnisse schienen nicht mehr zu erwarten zu sein, was übrigens in einigen Ländern zum Nachlassen des Interesses an Kometen und dem Abbruch von Traditionen führte. Das in diesem Jahrzehnt wiedererwachte Interesse an Kometen
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2. Aus der Geschichte der Kometenbeobachtung
resultiert vor allem aus der nach wie vor offenen Frage nach der ursprünglichen Herkunft der Kometen, ihrer möglichen Bedeutung für das sich gegenwärtig stürmisch entwickelnde Verständnis der Entstehungsprozesse des Planetensystems, ihrer Art und Weise der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind, die z. B. der von Venus und Mars teilweise analog ist, sowie aus der Tatsache, daß die Kometen gegenwärtig die einzigen Körper sind, die über ihre Bahnen Informationen über die äußeren Teile des Sonnensystems geben können, in denen sich möglicherweise noch unbekannte Körper bewegen, die bisher nicht erklärbare Störungen der Bahnen der äußeren Planeten hervorrufen könnten. Höhepunkte dieser neuen Entwicklung der Kometenforschung war die direkte Unter-
Abb. 1. Aus den von der Sonde VEGA 2 aus ca. 8000 km Entfernung vom Kern des Kometen Halley zur Erde gesandten Bilddaten hergestelltes Bild der Tagesseite des Kometenkerns. Das Sonnenlicht kommt von links unten, so daß die oberen Teile des Kerns zur unbeleuchteten Nachtseite gehören. Helle Gebiete auf dem Kern sind aktive (ausgasende) Teile der Oberfläche. Diese aktiven Gebiete sind z. T. linienartig verteilt.
2.3. Das Erscheinen von Kometen
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suchung des Kometen Halley mit interplanetaren Sonden im März 1986 und die dem vorausgegangene erste direkte plasmaphysikalische Untersuchung des Schweifs des Kometen Giacobini-Zinner im Jahre 1985 mit der ISEE-3-Sonde. Abbildung 1 zeigt ein Bild eines Kometenkerns, der mit den von den Raumsonden zur Erde gefunkten Bilddaten erstmalig sichtbar wurde.
3.
Himmelsmechanik der Kometen
Grundlage für das Verständnis der Bewegung der Kometen und damit auch für Aussagen zu ihrer Entwicklungsgeschichte ist die Anwendung der Newtonschen Mechanik und des Newtonschen Gravitationsgesetzes, also die „Himmelsmechanik“. Ihre wesentlichsten Ergebnisse und die aus den Eigenschaften der realen Kometenbahnen ableitbaren Eigenschaften der Kometen sind Gegenstand dieses Abschnittes.
3.1.
Bahnen beim gravitativen Zweikörperproblem
Seit Kepler und Newton und der mathematischen Lösung des Problems der Beschreibung der Bewegung zweier nur über ihre Schwerkraft wechselwirkender Körper ist bekannt, daß sich beide auf Kreis-, Ellipsen-, Parabel- oder Hyperbelbahnen um den ge-
Abb. 2. Bahnellipse und Bahnelemente beim Zweikörperproblem Bahnelemente: a — große Halbachse, e — Exzentrizität, n — wahre Anomalie, F — Brennpunkt, — Argument des Perihel (Winkel zwischen aufsteigendem Knoten ( ) und Perihel (P), von F aus gemessen)
3.1. Bahnen beim gravitativen Zweikörperproblem
23
meinsamen (und ohne äußere Einwirkung konstant bleibenden) Massenschwerpunkt bewegen. In dem Falle der Bewegung einer sehr kleinen Masse m um eine sehr große Masse M p m fällt dieser Massenschwerpunkt praktisch mit dem der Masse M zusammen. Im folgenden soll im Hinblick auf die Kometen mit dieser Näherung gerechnet werden, also ihre Bewegung um den Massenschwerpunkt „Sonne“ beschrieben werden. Dann befindet sich gemäß der Abb. 2 die Masse M (Sonne) im Brennpunkt F der Ellipse, die als Vertreter der am häufigsten auftretenden Bahngruppe gewählt wurde. Die Bahngleichung für diese Ellipse ist r((t)) =
a(1 – e2) . 1 + e cos((t) – ω)
(1)
Demzufolge gilt für die radiale Geschwindigkeit vr =
γM e sin n(t)
(2)
H
und für die azimutale Geschwindigkeit vθ = rθ˙ =
Η = γM (1 + e cos n(t)), H
r
(3)
wobei γ die Gravitationskonstante γ = 6,674 · 10–11 m3 kg–1 s–2 und H der Betrag des Bahndrehimpulses ist. Mit der zur Ekliptik senkrechten Komponente Hz und den in der Ekliptik liegenden Komponenten Hx und Hy (wobei Hx durch die Richtung zum Frühlingspunkt und Hy durch die Forderung nach einem rechtshändigen Koordinatensystem bestimmt ist) folgt für die Bahnneigung i und die Lage des aufsteigenden Knotens cos i = Hz /H ,
(4)
tan
(5)
= – Hx /Hy .
Die Erhaltungsgrößen „Betrag des Drehimpulses“ und „Gesamtenergie E der Masse m“ legen die weiteren noch offenen Bahnparameter fest a=
γMm 2|E|
bzw.
. [ 1 – m2Hγ |E| M ]
E= –
γM , 2a
(6)
2
e=
3 3
2
(7)
3. Himmelsmechanik der Kometen
24
Für die Winkelgeschwindigkeit gilt mit n = ω ¯t
ω ¯ = ω0 [1 + e cos (θ (t) – ω)]2 , wobei
ω02 =
3.2.
γM p3
=
γM . a3(1 – e2)3
(8) (9)
Kometenbahnen
Die in der Astronomie üblich gewordene Einbindung der Bahnebene und der in ihr verlaufenden Bahn von Kometen in das ekliptikale Koordinatensystem, das durch die Ekliptikebene (also die Bahnebene der Erde), die in ihr als Koordinatenursprung liegende Sonne und die Richtung des im Sternbild des Widders liegenden „Frühlingspunktes“ O fixiert ist, wird mit der Abb. 3 gegeben.
Abb. 3. Lage und Orientierung der Bahn des Kometen Halley, bezogen auf die der Erdbahn (Ekliptikebene)
Dabei bedeuten: i — die Neigung der Kometenebene gegenüber der Ekliptikebene, wobei Eindeutigkeit durch die Vereinbarung erzielt wird, daß i < 90° für prograd (also im Sinne des Erd-
3.2. Kometenbahnen
25
Umlaufes) bewegte Kometen und i > 90° für retrograd umlaufende Kometen gilt. — den im prograden Sinne gemessenen Winkel zwischen den (von der Sonne aus gesehenen) Richtungen zum Frühlingspunkt und zum aufsteigenden Knoten der Kometenbahn, der als Schnittpunkt der von „unterhalb“ der Ekliptikebene kommenden Kometenbahn mit der Ekliptik definiert ist. Analog ist der „absteigende Knoten“ definiert. Die beide Knoten verbindene Linie wird auch als Knotenlinie bezeichnet. ω — den in der Kometenbahnebene im Umlaufsinne des Kometen von der Sonne aus gesehenen Winkel zwischen den Richtungen zum aufsteigenden Knoten und zum Perihel, also dem sonnennächsten Punkt der Kometenbahn. Die Bedeutung aller anderen Bahnelemente ist aus den Darstellungen des vorhergehenden Abschnittes entnehmbar. Mit der Kenntnis dieser Bahnelemente ist es nun möglich, sämtliche Ergebnisse von Bahnbestimmungen an Kometen geeignet zusammenzufassen. Das ist, um nur die aktuelle Zusammenstellung zu nennen, mit dem Kometenkatalog von Marsdex (1979) erfolgt, der in seiner neueren vollständigeren Ausgabe von 1982 710 Objekte enthält, wobei davon 121 zu den kurzperiodischen Kometen mit Umlaufzeiten kleiner als 200 Jahre gehören und 589 zu den langperiodischen Kometen mit Umlauf zeiten größer als 200 Jahre. Dieser Katalog kann als Ausgangspunkt für vielfache statistische Untersuchungen über die Verteilung der Bahnparameter und ihre entsprechende astronomische Interpretation dienen. Die folgenden Darstellungen der himmelsmechanischen Eigenschaften der Kometen gehen von diesem Datenmaterial aus.
3.2.1.
Kurzperiodische Kometen
Die radiale Verteilung der Halbachsen a der kurzperiodischen Kometen ist in Abb. 4 dargestellt. Bemerkenswert ist auch die Häufigkeit der Bahnneigungen, die in Abb. 5 wiedergegeben ist. Offenbar sind die kurzperiodischen Kometen durch die intensiven Bahnstörungen, die von den großen Planeten verursacht werden, schon nahe an die Ekliptikebene „herangezogen“ worden. Die kurzperiodischen Kometen repräsentieren also keine entstehungsgeschichtlich eigenständige Kometengruppe; sie sind offenbar im inneren Sonnensystem eingefangene Objekte.
26
3. Himmelsmechanik der Kometen
Besonders deutlich wird diese Wirkung der Planeten am Beispiel der „Kometenfamilie“ des Jupiter, die an der relativen Häufung von Kometen in der Nähe der Jupiterbahn in Abb. 4a zu erkennen ist.
Abb. 4a. Verteilung der Apheldistanzen kurzperiodischer Kometen
Abb. 4b. Verteilung der Bahnneigungen mit der dünnen Linie für langperiodische und der stärkeren für kurzperiodische Kometen (nach Hughes, 1982)
3.2. Kometenbahnen
27
Abb. 4c. Verteilung der Lage (Richtungen) der aufsteigenden Knoten der langperiodischen Kometen (nach Kresak, 1982)
Abb. 4d. Verteilung der Perihelwinkel für langperiodische Kometen (nach Kresak, 1982)
3.2.2.
Langperiodische Kometen
Eigenschaften der langperiodischen Kometen sind in Abb. 4b bis 5 dargestellt. Die Verteilung der Bahnneigungen ist in Abb. 4b wiedergegeben. Sie scheint ausreichend gut durch einen dem sin i proportionalen Verlauf charakterisiert zu sein, was wegen der ebenfalls dem Sinus proportionalen Größe der Flächenelemente an der Einheitskugel (~ sin ϑ dϑ) auf eine (keine Richtung auszeichnende) gleichmäßige Zufallsverteilung hinweist. Die noch nicht oder nur wenig vom inneren Sonnensystem beeinflußten Kometen scheinen also gleichmäßig aus allen Richtungen zu kommen. Diese Aussage wird durch die mit Abb. 4c angegebene Gleichverteilung der Richtungen der aufsteigenden Knoten und die in Abb. 4d vorgestellte Verteilung der Perihelwinkel bestätigt. Die etwas größere Häufigkeit der Perihelwinkel zwischen 0° und 180° kann durch die schon erwähnte Dominanz der Observatorien (und Beobachter) in der Nordhemisphäre bedingt sein, da die Breite des Perihels ~ (sin ω ) (sin i) ist und
3. Himmelsmechanik der Kometen
28
Abb. 5. Lage der Perihelia der langperiodischen Kometen vor dem Hintergrund der gesamten Himmelskugel (nach Kresak, 1982)
Kometen mit ω ~ 90° günstiger von der Nordhemisphäre aus beobachtbar sind. Die Lage der Perihelia der langperiodischen Kometen auf dem Gesamthimmel ist in Abb. 5 wiedergegeben. Abgesehen von einer noch sehr umstrittenen kleinen Häufung um den Zielpunkt „A“ der Bewegung der Sonne ist auch aus dieser Darstellung ablesbar, daß die Kometen offenbar aus allen Richtungen kommen. Das ist eine Eigenschaft, die sie deutlich von allen Körpern zumindest des bis jetzt bekannten Planetensystems (einschließlich der Asteroiden) unterscheidet, die nahezu alle nur „ekliptiknahe“ sind. Diese Sonderrolle der Kometen ist von großer Bedeutung für ihre noch offene Einordnung in die planetare Kosmogonie.
3.3.
Nichtgravitative Kräfte
Neben den gravitativen Störungen durch die Planeten ist die Bewegung von Kometenkernen noch einer weiteren, z. T. wesentlichen Störkraft ausgesetzt. Es ist dies, wie zuerst von Whipple (1950) erkannt wurde, der wie ein Antrieb wirkende Strahleffekt lokal aus dem Kern ausströmender Gase. Derartige „jets“ werden häufig bei Kometen beobachtet. Sie sind ein wesentliches Argument für die Vorstellung, daß der Kometenkern ein fester Körper und kein lockerer Teilchenschwarm ist.
3.3. Nichtgravitative Kräfte
29
Ein nicht rotierender Kometenkern, bei dem die Ausgasung auf der Tagesseite erfolgt, erfährt eine aus Richtung Sonne kommende Kraft, welche die gravitative Anziehungskraft der Sonne teilweise reduzieren und damit die Bahn wesentlich verändern kann. In dem realistischen Fall eines rotierenden Kerns kann man annehmen, daß die stärkste Ausgasung auf der „Nachmittagsseite“ erfolgt, wobei zu beachten ist, daß die Rotationsachse nicht senkrecht auf Tabelle 2 Abschätzung kometarer Massen (nach Rickmax et al., 1987) Komet
m (kg)
Encke Grigg-Skjellerup Tempel 2 Honda-Mrkos-Pajdusakova Tuttle-Giacobini-Kresak Forbes d’Arrest Kopff Schwassmann-Wachmann 2 Wolf-Harrington Giacobini-Zinner Churyumov-Gerasimenko Tsuchinshan 1 Borelly Gunn Brooks 2 Finlay Daniel Faye Ashbrook-Jackson Schaumasse Comas Solá Kearns-Kwee Tuttle Stephan-Oterma Olbers Pons-Brocks Halley
2,4 — 3,2 · 10 11 < 9,3 · 10 14 < 3,8 — 10 (1,5 — 5,4) · 1011 11 < 3 · 10 11 < 9 · 10 (0,8 — 6,3) · 1012 13 < 2,9 · 10 12 < 3,1 · 10 12 < 3,1 — 10 12 < 2,8 — 10 13 < (0,1 — 1,3) · 10 12 < 2,1 · 10 12 < 8,4 · 10 13 < 1,1 · 10 11 < 1,8 · 10 11 < 3,3 · 10 11 < 2,7 · 10 13 < 8,3 · 10 14 < 2,3 · 10 12 < 2,0 · 10 12 < 3,8 · 10 11 < 7,6 · 10 13 < 1,6 — 10 14 < 1,6 · 10 14 < 1,7 · 10 14 < 1,7 · 10 (0,1 — 1,4) · 1014 *
13
* Eine aktuellere Massenabschätzung von Sagdeev, Eliasberg und 14 Moroz (1987) ergab 3 · 10 kg für die Masse des Kerns des Kometen Halley.
30
3. Himmelsmechanik der Kometen
der Kometenbahnebene stehen muß, so daß auch eine Kraftkomponente senkrecht zur Bahnebene auftreten kann. Überdies macht sich neben der radialen auch eine tangentiale Kraft (parallel oder antiparallel zur Bewegungsrichtung) bemerkbar. Diese tangentiale Kraft führt im Falle einer prograden Rotation zu einer Beschleunigung des Kometen und damit zu einer Vergrößerung der Umlaufzeit. Im Falle einer retrograden Rotation tritt der umgekehrte Effekt auf. Die Periodenveränderungen periodischer Kometen sind daher ein geeignetes Mittel zur Untersuchung nichtgravitativer Kräfte. Übrigens war Encke der erste, der die Abnahme der Umlaufzeit des nach ihm benannten Kometen um 2,5 Stunden bemerkte. Abbremsungen wurden u. a. auch bei den periodischen Kometen P/Tuttle und P/Giacobini-Zinner gefunden. Die erste Vermutung eines abbremsenden interplanetaren Mediums bestätigte sich nicht, da auch Beschleunigungen (P/Brooks 2) und völlig irreguläre Verhaltensweisen (P/Faye, P/Pons-Winnecke) beobachtet wurden, wobei letztere auf Präzisionsbewegungen der Rotationsachsen rückführbar sind (Whipple, 1982; Sekanina, 1982). Aus einer Abschätzung der nichtgravitativen Kräfte haben übrigens Marsden et al. (1973) abgeleitet, daß ihr Einfluß auf die Bewegung von einigen Kometenkernen am besten verstanden werden kann, wenn man annimmt, daß diese im wesentlichen aus fest gefrorenem Wasserschnee bestehen, Kometen also so etwas sind wie „schmutzige Schneebälle“. Die Berücksichtigung der genannten nichtgravitativen Kräfte ist übrigens bisher die einzige Methode, um aus dem Vergleich beobachtbarer und berechneter Positionen Abschätzungen über die Masse eines Kometenkernes zu erhalten. Eine so ermittelte Zusammenstellung kometarer Masse ist in Tabelle 2 gegeben.
4.
Der Kometenkern
Ausgangspunkt aller mit Kometen verknüpften Prozesse und Phänomene ist der Kometenkern. Die genaue Kenntnis der an und mit diesem Kern während des Umlaufes um die Sonne infolge der Aufheizung auftretenden Erscheinungen ist daher die Voraussetzung für das Verständnis für das Gesamtphänomen „Komet“.
4.1.
Radius, Masse und Rotation
Die geometrische Größe von Kometenkernen konnte bisher durch direkte visuelle oder fotografische Methoden nicht genau bestimmt werden. Die Ursache hierfür liegt vor allem darin, daß sie sich der Erde auf ihrer Bahn zumeist nicht mehr als einige Millionen Kilometer nähern (die bisher engste bekannte Annäherung erfolgte 1770 durch den Kometen Lexell 1770P I mit 0,015 AE ≈ 2 ,3 · 106 km). Ein Kern mit 10 km Durchmesser würde aber bei einer Entfernung von z. B. 5 · 106 km nur mit einem Blickwinkel von ca. 0,4 Bogensekunden sichtbar sein. Er würde damit gerade in den Grenzbereich der fotografischen Auflösung von 0,''5 (Dollfus, 1961) bzw. der visuellen Auflösung von 0,''1 (Kuiper, 1950) kommen. Da der Kern jedoch noch von der hellen Koma überstrahlt wird und die Kernoberfläche, wie wir seit den Halley-Missionen wissen, relativ dunkel ist, blieben die Kometenkerne für bodengebundene Methoden bisher unsichtbar. Allerdings besteht die Hoffnung, mit den Methoden der Speckle-Interferometrie künftig doch auch von der Erdoberfläche aus mehr über Kometenkerne zu erfahren. Dies gilt in gleicher Weise für die direkten Radarmethoden. Kamoun et al. (1981) haben auf diesem Wege bereits 2,3 km abgeschätzt. den Radius des P/Encke auf 1,5+−1,0 Man war also bisher im wesentlichen auf indirekte Schlußfolgerungen bei der Bestimmung der Ausdehnungen der Kometenkerne angewiesen. Dabei beruht die Methode zur Abschätzung des Radius auf ungefähren Bestimmungen der Größe der reflektierenden Oberfläche des Kerns. Diese folgt aus der Kenntnis der (meßbaren) scheinbaren Helligkeit des Kerns (bzw. „kernnaher“ Gebiete), wenn man dessen Entfernung zur Erde, den Phasenwinkel
4. Der Kometenkern
32
und die optischen Oberflächeneigenschaften (Albedo) kennt. Insbesondere die wirkliche Kernhelligkeit und seine Albedo sind aber nur sehr ungenau bekannt, so daß diese Abschätzungen mit großen Ungenauigkeiten behaftet sind. Beispielsweise führte ja auch der für den Kometen Halley angenommene (und wie wir heute wissen, zu große). Albedowert zu einem zu kleinen „vorhergesagten“ Durchmesser. Dennoch ist, mit nunmehr verbesserten Parametern, dies indirekte Verfahren die einzige Möglichkeit, für die große Zahl der Kometenkerne zu Abschätzungen über ihre Größe zu kommen (Roemer, 1966). Generell folgt aus diesen Rechnungen, daß für kurzperiodische Kometen die Radien im Bereich einiger Kilometer und für langperiodische Kometen bei 10 km liegen (Kresak, 1973; Whipple, 1978). Mit einem typischen Radius von ca. 10 km und einer, wie wir seit 1986 wissen, typischen Dichte um 0,4 g/cm3 folgt dann als charakteristische Größenordnung für die Masse eines größeren Kometenkerns m ≈ 1014 kg. Damit liegt die Fluchtgeschwindigkeit an der Oberfläche eines Kometen bei 1 m/s (ein Hochspringer, der auf der Erde 2 m hoch springt, hat übrigens eine Absprunggeschwindigkeit von ca. 6,3 m/s, er könnte also bequem von einem Kometenkern „abspringen“). Die gravitative Bindungsenergie, die im Laufe eines gravitativen Wachstums eines solchen Kometenkerns frei würde, liegt bei δE = 1015 Ws. Die resultierende Temperaturerhöhung δT des wachsenden Kerns betrüge dann gemäß
δT =
δEm0 mk
é 10–2 grd
(10)
nur den Bruchteil eines Grades. Bei dieser Abschätzung gilt für die Boltzmann-Konstante k = 1,38 · 10 –23 Ws/grd und m 0 ≈ 3 × 10–26 kg für die Masse des Wassermoleküls. Ein Aufschmelzen des Kometenkernes kann also während seines Wachstums (infolge der frei werdenden Gravitationsenergie) nicht aufgetreten sein. Daher sollten die Kometenkerne noch relativ unverändert Bestandteile des „präplanetaren“ Nebels, aus dem unser Planetensystem entstand, enthalten. Gerade hierauf beruht ja das große planetogonisch motivierte Interesse an den Kometenkernen. Die Folgen einer vermuteten Rotation von Kometenkernen waren bereits im Zusammenhang mit den nichtgravitativen Kräften als wesentliche Argumente für das Whipplesche Modell eines festen Kometenkerns erwähnt worden. Beobachtungen der Bewegungen
4.1. Radius, Masse und Rotation
33
von Jets und der damit verknüpften Spiralen in der Koma und der wiederholt auftretenden expandierenden Halos sind ebenfalls als direkte Hinweise auf die Rotation von Kometenkernen mit lokalen stark ausgasenden Gebieten zu verstehen. Aus diesen HaloBewegungen sowie aus photometrischen Messungen konnten für ca. 50 Kometen Rotationsperioden abgeschätzt werden. In einigen Fällen gelang sogar die Bestimmung der Lage der Rotationsachse. Für die untersuchten Kometen ergab sich eine mittlere Rotationsdauer von ungefähr 15 Stunden. Die Orientierung der berechneten Rotationsachsen wies keine Vorzugsrichtung auf (Whipple, 1982). Die kürzeste bestimmte Periode liegt beim Donatischen Kometen bei 4,14 Stunden und führt damit für sich von der Oberfläche abtrennende Teile nahe an die „erste kosmische Geschwindigkeit“ heran, von der an diese Teile nicht mehr auf die Oberfläche zurückfallen. Diese kritische Periode liegt bei TKrit. =
(3γρπ )
1/2
,
(11)
wobei ρ die mittlere Massendichte in g/cm3 und γ = 6,674 · 10–11 m3 kg–1 s–2 die Gravitationskonstante ist. Der so mit (11) berechenbare kritische Wert beträgt ca. 3,3 Stunden. Im Hinblick auf das Rotationsverhalten von Asteroiden liegt bei den Kometen möglicherweise eine andere Ursache für die Rotation vor. Die infolge der Zusammenstöße der von ursprünglich wenigen „Asteroiden-Mutterkörpern“ entstandenen Trümmer (die heutigen Asteroiden) haben eine mittlere Rotationsdauer von 5,22 h für Körper mit Radien um oder kleiner als 1 km (Degewij, 1977). Die längere Rotationsperiode der Kometen und die unterschiedliche Art und Weise der Streuung um diesen Mittelwert deutet darauf hin, daß Kometen nicht analog den Asteroiden als Relikte eines Zusammenstoßes größerer Körper, sondern in einem direkten Akkretionsprozeß entstanden sind. Genauere Schlußfolgerungen können hier jedoch noch nicht gezogen werden, da sowohl für Kometen als auch für kleine Asteroiden die jetzigen Kenntnisse eine saubere Statistik noch nicht zulassen. Mit den direkten Beobachtungen am Kometen Halley wurde das Rotationsverhalten von Kometen noch präziser untersuchbar. Bevor auf die entsprechenden Ergebnisse eingegangen wird, die analog auch auf andere Kometenkerne übertragbar sind, sollen kurz einige Aussagen der Physik zum Rotationsverhalten frei bewegter ausgedehnter Körper vorgestellt werden. So kann gezeigt
4. Der Kometenkern
34
werden, daß einem beliebig geformten Körper zur Beschreibung seiner Rotationsbewegungen ein sog. „Trägheitsellipsoid“ zugeordnet werden kann, das im allgemeinen drei unterschiedliche Achsen hat. Falls der betrachtete Körper in seiner Form tatsächlich ein Ellipsoid darstellt, so fallen beide Ellipsoide (bis auf einen Faktor) zusammen. Wenn nun der Drehimpulsvektor (der Drehbewegung des Körpers) in Richtung einer der drei Achsen des Trägheitsellipsoides zeigt, dann tritt nur eine Rotationsbewegung um eben diese Achse auf (nur bei einer Kugel ist also stets nur eine Rotation um die jeweilige Achse möglich). In allen anderen Fällen tritt eine Rotation um eine Achse und eine Präzision dieser Achse um den ja konstanten Drehimpulsvektor auf. Dabei ist es interessant, daß stabile Rotationsbewegungen nur um die längste und um die kürzeste Achse des Trägheitsellipsoids möglich sind. Eine Rotation um die „mittlere“ Achse wird sofort instabil. Charakteristische Maße für die Rotationsbewegungen eines beliebig geformten Körpers sind mithin die Lage der Rotationsachse (z. B. mit ihrem Neigungswinkel zum Drehimpulsvektor beschreibbar), die Rotationsperiode und die Präzessionsperiode. Da der Kern des Kometen Halley ungefähr mit den Maßen 16 km · 8 km · 7,5 km (als den Längen für die drei Achsen) beschrieben werden kann, folgt, daß er als irregulär geformter Körper im allgemeinen Falle ebenfalls eine Rotation und eine Präzession ausführen sollte. In der Tat ergaben sich aus den drei „Schnappschüssen“ mit den Kameras von VEGA 1 und VEGA 2 und von GIOTTO und aus der Periodenanalyse bodengebundener Beobachtungen eine Rotation um die lange Achse mit 4,9 Tagen Periode und eine Präzessionsperiode von 2,2 Tagen. Der Winkel zwischen langer Achse und (konstantem) Drehimpulsvektor liegt bei 73°. Bezieht man sich auf Abb. 1, so zeigt dieser Drehimpulsvektor ca. 25° nach links mit einer Neigung von ca. 20° nach unten (südwärts). Diskutiert wird weiterhin anstelle der 4,9 Tage noch eine Periode von 7,4 Tagen. Ein endgültiges Modell liegt noch nicht vor.
4.2.
Figur und Oberfläche
Die in den vorangehenden Abschnitten vorgestellten Ergebnisse wiesen bereits darauf hin, daß das Whipplesche Modell eines festen Kometenkernes aus locker gepackten, tiefgefrorenen unterschiedlichen Eisen mit Staubbeimengungen die Beobachtungen besser
4.2. Figur und Oberfläche
35
erklären kann als das alternative „Sandbank-Modell“ eines intern beweglichen Schwarmes eisummantelter Staubkörner (Lyttleton, 1953). Das Whipplesche Modell wurde in seinen wesentlichen Aussagen, auch durch die Kometenmissionen des Jahres 1986, bestätigt. Die Interpretation der Beobachtungen von Eigenschaften der Kometen weist darauf hin, daß Kometenkerne keine radiale Strukturierung, z. B. infolge von Differentiationsprozessen, zeigen, sie sind also im Mittel homogen. Das folgt z. B. daraus, daß die Emissionsspektren (der Koma) von Kometen und auch das „Kontinuum zu Emissionsverhältnis“ in den Spektren für alte und neue Kometen sehr ähnlich sind (Donn, 1977). Eine radiale Strukturierung würde hier zu Unterschieden führen, da bei den alten Kometen infolge ihrer vielen Periheldurchgänge bereits dicke Schichten der ehemaligen Oberfläche abgetragen wurden. Gestützt wird dieses Ergebnis auch durch die Tatsache, daß die bei Kometenteilungen auftretenden Fragmente, die zweifellos tiefliegende Strukturen freilegen, ebenfalls keine spektralen Besonderheiten zeigen. Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß diese „Homogenität“ nur bis zu einer (noch nicht klar identifizierten) möglicherweise recht variablen kleinen Skalenlänge gilt, da die bereits erwähnten Jets und expandierende Halos auf lokale Inhomogenitäten an der Oberfläche hinweisen. Diese lokal aktiven Regionen zeigen übrigens z. T. auch nach vielen Rotationen noch Aktivitätsphasen mit einer typischen Dauer von Stunden bis knapp einem Kometentag. Dabei setzt, wie die Beobachtungen der Kometenmissionen gezeigt haben, interessanterweise diese Aktivität schnell ein (mit Anstiegszeiten von weniger als einer Stunde), und zwar bereits kurz nach Sonnenaufgang (auf der Kometenoberfläche) und nicht erst in der Nähe des am frühen Nachmittag liegenden Temperaturmaximums. Die Feststellung der Tatsache, daß die kometare Aktivität nicht ungefähr gleichmäßig von der gesamten Kometenoberfläche ausgeht, sondern nur von eng begrenzten Gebieten auf der jeweiligen Tagesseite des Kerns, ist übrigens eines der wesentlichen Ergebnisse der Bildbeobachtungen liefernden VEGA- und GIOTTOMissionen. Wie bereits erwähnt, sind im Mittel nur ca. 10% der 2 Oberfläche, also ungefähr 40 km aktiv (Huebner et al., 1986). Dabei werden diese aktiven Gebiete durch ihre relativ größere Helligkeit, infolge des verstärkten Streulichtes, durch das ausströmende Gas-Staub-Gemisch sichtbar. Ihre Albedo ist mit 10% nicht wesentlich höher als die der passiven Gebiete. Leider ist es
36
4. Der Kometenkern
4.2. Figur und Oberfläche
37
Abb. 8. Aus Abb. 6 durch Gradientenbildung (der Helligkeit) abgeleitetes Bild, mit dem die Gebiete stärksten Gefälles, also der Rand des Kometen, sichtbar gemacht werden
bisher nicht gelungen, die aktiven Gebiete mit direkten Oberflächenstrukturen, wie Gräben, „Kratern“ oder Erhöhungen, eindeutig in Zusammenhang zu bringen, so daß die genauere Beschreibung dieser Aktivitätsprozesse, die im folgenden Abschnitt
Abb. 6. Originalbild des Kerns des Kometen Halley in Falschfarbendarstellung. Das Bild wurde von VEGA 2 genau 1,9 Sekunden vor der größten Annäherung (8030 km) aufgenommen. Abb. 7. Aus Abb. 6 durch geeignete Filterung und Glättung abgeleitetes Bild. Mit der Filterung wurden Bildstörungen aus dem Originalbild entfernt.
38
4. Der Kometenkern
Abb. 9. Dieses Bild der Halley-Mehrfarben-Kamera entstand am 13. März um 23:56:50 Uhr Weltzeit (UT) aus ungefähr 25 000 Kilometer Entfernung vom Kern des Kometen Halley. Die (im Original) verschiedenen Farben entsprechen unterschiedlichen Helligkeiten zwischen Weiß und Schwarz. Der Kern ist in der Mitte des Bildes als dunkles Gebilde zu erkennen: Die hellen Streifen sind Staub-Fontänen (Jets), die von den sonnenbeschienenen Gebieten des Kerns ausgehen. Diese Staub-Jets werden von dem Sonnenlicht, das aus der unteren, rechten Ecke des Fotos kommt, beleuchtet. Die Aufnahme zeigt ein 111 × 111 Quadratkilometer großes Gebiet. Foto: Max-Planck-Institut für Aeronomie
4.2. Figur und Oberfläche
39
Abb. 10. Kern des Kometen Halley in einer aus der angepaßten Überlagerung von 6 Einzelbildern der GIOTTO-Kamera resultierenden Darstellung (Foto: Max-Planck-Institut für Aeronomie, Lindau, BRD).
diskutiert wird, noch in vielen Punkten unklar und damit spekulativ ist. Die Abb. 10 zeigt ein aus sechs entsprechend maßstabsgerecht angepaßten Einzelbildern hergestelltes Bild der Kometenoberfläche, wie sie von der GIOTTO-Sonde aus gesehen wurde. Da infolge der Rotation des Kerns und des Zeitverzuges zwischen VEGA 2 und GIOTTO beide Sonden nahezu die entgegengesetzten Seiten des Kerns sahen, kann auf der Basis der gewonnenen Bilddaten eine erste „grobe“ schematische Karte der Oberfläche des Kometen Halley angegeben werden, wie sie mit Abb. 11 dargestellt ist. Der unregelmäßig geformte Kern mit den schon erwähnten Maßen von ca. 16 · 8 · 7,5 km3 zeigt offenbar eine Reihe von Oberflächenstrukturen. Übrigens haben die angegebenen Maße eine Ungenauigkeit von jeweils ungefähr ± 500 m. Wegen der Überstrahlung des Kernrandes durch die Jets ist zusätzlich die genaue Lage des Randes auf der sonnenzugewandten Seite des Kerns
40
4. Der Kometenkern
Abb. 11. Schematische Karte von Oberflächenstrukturen des Kerns des Kometen Halley. Das VEGA-Teilbild resultiert aus einer Interpretation der Abb. 1 (Möhlmann, 1988); das GIOTTO-Teilbild wurde nach Keller (1987) und Keller et al. (1986) gezeichnet.
beim VEGA-2-Bild; das in seiner Originalform mit der Abb. 6 wiedergegeben wird, nicht zu definieren. (Der Rand wurde daher in Abb. 11 an diesen Stellen gestrichelt dargestellt.) Der Vergleich von Abb. 6 und Abb. 1 zeigt übrigens deutlich, wie durch geeignete Bildbearbeitungsmethoden auch aus stark verrauschten Bildern noch geeignete Informationen gewonnen werden können (vgl. Möhlmann et al., 1986 und Möhlmann et al., 1987). Die mit der Abb. 11 dargestellten Oberflächenstrukturen zeigen deutlich flache und ringartige Gebilde, die von der Form her als „Krater“ bezeichnet werden, ohne damit bereits festzulegen, daß sie von Einschlagkratern oder gar von Auswurfkratern herrühren. Sie sind so etwas wie schüsselartige Vertiefungen. Eine weitere Gemeinsamkeit beider Teilbilder in Abb. 11 ist die Existenz einer großräumigen zentralen „Einbuchtung“ oder „Absenkung“, die möglicherweise, wie auf dem GIOTTO-Teilbild erkennbar, an einem „Berg“ bzw. Hügel endet. Hinzuweisen ist auch darauf, daß die aktiven Zonen beider Teilbilder z. T. in denselben Oberflächengebieten zu liegen scheinen. Der Unterschied zwischen den beiden
4.3. Aktivitätsmodelle
41
Teilbildern, der darin liegt, daß auf der GIOTTO-Hemisphäre nur abgegrenzte Aktivitätszentren zu erkennen sind, während diese auf der VEGA-Hemisphäre durch Zonen gemäßigter (aber nicht verschwindender) Aktivität verbunden sind, kann darin begründet sein, daß das GIOTTO-Bild (vgl. Abb. 10) hauptsächlich die Nachtseite der Oberfläche erfaßt und nur am linken Rand schräg den Rand der Tagesseite abbildet, während das VEGABild einen direkten Blick auf die Tagesseite gestattet, auf der sich die Aktivität bereits voll entwickelt hat (nur die Gebiete am linken Rand in Abb. 11 sind Teile der unbeleuchteten Nachtseite — vgl. auch Abb. 1). Die charakteristischen Dimensionen der in Abb. 11 dargestellten Oberflächenstrukturen liegen bei 1 km bis 2 km in horizontaler Ausdehnung und vertikal bei einigen 100 m. Von globaler Natur ist offenbar nur die „zentrale Einbuchtung“. Feinere Strukturen sind natürlich nicht erkennbar, da die maximale Auflösung der Kameras beider Sonden bei ungefähr 100 m lag. Übrigens sind auch die Aktivitätszentren z. T. von relativ geringer Ausdehnung mit typischen Dimensionen von 0,5 km bis 1 km. Sie sind in ihrer Struktur bisher nicht weiter auflösbar.
4.3.
Aktivitätsmodelle
Die bereits mehrfach erwähnten Aktivitätsprozesse an der Kometenoberfläche lassen sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren : — Aktivitätsphänomene treten nur auf der kometaren Tagesseite auf, — schneller Anstieg der Aktivität im Gas-Staub-Ausstoß mit Anstiegszeiten von weniger als einer Stunde, — Einsetzen der Aktivität bereits wenige Stunden nach Sonnenaufgang (und nicht erst bei höheren „Mittagstemperaturen“), — Dauer der Aktivität über mehrere Stunden, mit z. T. aber kurzzeitigen Variationen, — Quellen der Aktivität sind „Aktivitätszentren“ mit relativ geringen Ausdehnungen mit der Größenordnung von einem Teil bis zu einigen Quadratkilometern. Der größte Teil der Kometenoberfläche ist nicht aktiv, — Aktivitätszentren können nach ihrem „Erlöschen“ bei erneuter Sonnenbestrahlung (z. B. nach einer Rotation) wieder aktiv werden.
4. Der Kometenkern
42
Die Aktivität des Gas-Staub-Ausstoßes vom Kometenkern ist offenbar eine Folge der thermischen Aufheizung durch die solare Strahlung. Das folgt bereits aus der Tatsache, daß nur die jeweilige Tagesseite aktiv ist. Da feststeht, daß die Ursache der Aktivität Gas-Ausbrüche von zumeist sublimierendem Wasserdampf, Kohlenwasserstoffen und CO2 sind, die bei Temperaturen um 200 K rapide (exponentiell) steigend mit zunehmender Temperatur beginnen, wenn eine freie Oberfläche vorliegt, bedeutet die Tatsache der Existenz lokaler Aktivitätszentren, daß die durch die Sonneneinstrahlung in den oberflächennahen Kerngebieten auftretende Erwärmung nur an wenigen Stellen ausreicht, um entweder die Oberfläche ausreichend aufzuheizen oder um störende Kruste zu überwinden. Da nun die Temperaturmessungen von Bord der VEGA-Sonden eine Oberflächentemperatur von 300 K — 400 K nachgewiesen haben, bleibt als Erklärung nur die Existenz einer dunklen, den Kometenkern überziehenden und bis auf wenige Stellen vollständig abdeckenden Kruste übrig. Daß diese Kruste dunkel sein muß, folgt bereits aus den erwähnten Albedowerten von ca. 4%; auch die genannte relativ starke Aufheizung erfordert eine dunkle Kruste. Offenbar muß diese Kruste aber einige „dünne Stellen“ oder Löcher haben, die dann Quellen der beobachteten Aktivität sind. Eine genauere Diskussion dieser Prozesse bedarf einer Abschätzung der Temperaturverhältnisse an und in Kometenkernen. Diese Untersuchung der Temperaturentwicklung und -verteilung in Kometen hat davon auszugehen, daß die absorbierte Sonnenenergie zu einer Erwärmung der Oberfläche auf die Temperatur To führt, die ihrerseits diese Wärme durch Wärmeleitung radial nach innen weitergibt, durch Sublimation zum Ausgasen aufwendet und auch als thermische Wärmestrahlung wieder abgibt. Daraus resultiert die Wärmebilanzgleichung (vgl. Kührt, 1984), CS dT (1 – A) = εσT04 + LZ(T0) + K(T0) 4rh(t)2 dr
|
r=R
,
(12)
die als Oberflächen-Randbedingung für die Wärmeleitungsgleichung zu nehmen ist, die den Wärmetransport „nach innen“ beschreibt :
ρC(T)
dT ∂ = ∂r dt
(K(T) ∂r∂ T) + 2r K(T) ∂r∂ T ;
(13)
4.3. Aktivitätsmodelle
43
T — Temperatur (in K), CS — Solarkonstante, rh — heliozentrischer Abstand des Kometen, A — Albedo, ε — Emissionsvermögen, σ — Stephan-Boltzmann-Konstante, L — Sublimationswärme, Z — Sublimationsfluß, R — Radius des Kometenkerns, ρ — Dichte, c — spezifische Wärme, K — Wärmeleitkoeffizient. Als Näherung wurde hierbei vorausgesetzt, daß der Kometenkern von allen Seiten gleichmäßig bestrahlt wird, was im Falle einer gut entwickelten Koma mit mehr als 104 km Durchmesser, in der sich der nur wenige Kilometer große Kern befindet, näherungsweise berechtigt ist. In diesem Falle spielt auch die Rotation des Kometen keine Rolle. Bei nicht gut entwickelten Kometenatmosphären sind Korrekturen infolge der nicht isotropen Bestrahlung durch die Sonne und wegen der Rotation zu berücksichtigen. Die hierbei auftretenden Abweichungen sind jedoch nicht gravierend, sie führen zu Temperaturunterschieden von einigen 10 K auf der Oberfläche (Weissman, Kiefer, 1981). Die auf der Basis der Gleichungen (12) und (13) von Kührt (1984) erhaltene Temperarurentwicklung im Kometen und an der Oberfläche im Verlaufe eines Umlaufes beschreibt also in guter Näherung zumindest das mittlere Temperaturverhalten an der Oberfläche, das lokal durch Anisotropien noch leicht variieren kann, das im Innern aber durch diese Variationen praktisch nicht beeinflußt ist. Für den Fall des Kometen Halley wird dies Modell einer „nackten“ Eisoberfläche und bei Verwendung einer für Laboreis bestimmten Wärmeleitfähigkeit die notwendige Sublimationstemperatur von ca. 215 K in Perihelnähe problemlos erreicht. Bemerkenswert ist auch, daß die „Temperaturwelle“ infolge des Umlaufes — also wegen der relativ kurzen Sonnennähe — nur wenige Meter in den Kern eindringen kann, der vermutlich eine mithin relativ ungestörte Innentemperatur zwischen 50 K (amorphes Eis) und 70 K (kristallines Eis) hat. Diese Oberflächentemperaturen genügen nun bereits, um zu einer Ausgasung „leichtflüchtiger“ Elemente und Verbindungen zu führen. Die zugehörige Sublimationsrate läßt sich (im Rahmen der Gültigkeit der kinetischen Gastheorie) darstellen als Z = p(2πmkT)
–1/2
(14)
wobei m die Molekülmasse, p den Dampfdruck und T die Temperatur darstellen; k ist die Boltzmannkonstante. Tabelle 3 gibt normiert auf eine Entfernung von 1 AE zwischen Komet und Sonne und für einen vollständig die solare Strahlung
4. Der Kometenkern
44
absorbierenden Kern, die Gleichgewichtstemperatur T0 (am Subsolarpunkt und für einen atmosphärelosen Kern) und die zugehörige Sublimationsrate Z0 für verschiedene Eise wieder (nach Delsemme, 1982). Tabelle 3 Sublimationsraten für verschiedene Eise Schnee
Z0 (1018 · cm–2 · s–1)
T0 (K)
Stickstoff CO Methan Formaldehyd Ammoniak CO2 Wasserstoffzyanid Ammoniak-Wasser Klathrate Wasser
14,3 13,0 10,6 5,0 3,7 3,5 2,3 2,7 1,9 1,7
40 44 55 90 112 121 160 213 214 215
Ganz offenbar können Kometen also bereits bei relativ tiefen Temperaturen merkbar ausgasen, allerdings sinken die Ausgangsraten um ca. 2 Größenordnungen ab, wenn die Entfernung auf ca. 50 AE ansteigt. Der Vergleich der real an Kometen erfolgenden Ausgasung mit diesen Modellrechnungen zeigt, daß die Übereinstimmung am besten mit einem Kernmodell zu erreichen ist, bei dem die Sublimation und die Verdampfungsrate im wesentlichen durch Wassereis bestimmt werden. Gleichzeitig werden natürlich weitere Verbindungen und Atome frei, so daß insgesamt eine sehr komplexe Chemie in der Koma ablaufen kann. Einer der Ansätze zur Erklärung der Staubproduktion von Kometen und der beobachteten Aktivitätsphänomene, die sich z. B. in „Helligkeitsausbrüchen“ und den schon erwähnten Jets zeigen, besteht darin, daß kleinräumige Zusammensetzungsinhomogenitäten an der Oberfläche auftreten, die zu lokal unterschiedlichen Gasdrücken und auch zu Temperaturinhomogenitäten führen können. Damit wird es möglich, daß durch den lokal verstärkten Gasdruck Ausbrüche auftreten können, die explosionsartig Gase freisetzen und auch Bruchstücke der festen ausgegasten
4.3. Aktivitätsmodelle
45
Oberfläche als Staubpartikel oder auch größere Bruchstücke mitreißen. Eine andere mögliche Erklärung der kometaren Aktivität besteht in der Berücksichtigung thermomechanischer Spannungen, die infolge der Aufheizung der Oberflächenschicht und ihrer resultierenden Volumenvergrößerung auftreten (Kührt, Möhlmann, 1984). Die Entwicklung der tangentialen Spannungen in der Kometenoberfläche während eines Umlaufes erreicht bereits in ca. 10 AE Entfernung von der Sonne die internen Bindungsspannungen der Kometenkernmaterie, die bei 104 Pa liegen. Ganz offenbar könnten in einer Kometenoberfläche Brüche auftreten, die zu Rißbildungen und auch zum Wachsen von Spalten und damit zu einem Einsetzen der Aktivität führen. Der Nachteil beider hier diskutierter Modellansätze zur Erklärung des Aufbrechens der Kruste, als Voraussetzung für die Aktivität von Kometenkernen, besteht in der sehr ungenauen Kenntnis der realen Wärmeleitfähigkeit der oberflächennahen Kerngebiete. Aus der relativ geringen Massendichte dieser Materie von ungefähr 0,4 g cm–3 folgt ja eine sehr lockere Packung mit vielen Poren. Dies sollte zu einer geringeren Wärmeleitfähigkeit als bei solidem Eis führen. Allerdings könnten diese Poren durch die auch noch nach innen führende Sublimation in Oberflächennähe „verstopft“ werden. Zur genauen Klärung dieser Frage sind Laborexperimente mit simulierter Kometenmaterie in Vorbereitung. Überdies wurde bei diesen Modellen nicht berücksichtigt, daß (zumeist bei dem Hauptteil der Oberfläche) eine thermisch isolierende Kruste über dem Eis liegt. Die Entdeckung dieser dunklen Kruste war eines der besonderen Ergebnisse der VEGA- und GIOTTO-Missionen. Aber auch die thermischen Eigenschaften dieser Kruste sind weitestgehend unbekannt, sicher ist nur, daß sie wegen der beobachteten relativ hohen Temperaturen eine im Vergleich zum Laboreis sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit haben muß. Thermische oder Gasdruck-Modelle der oben beschriebenen Art bedürfen also einer Präzisierung durch die Berücksichtigung des Krusteneinflusses. Hinzu kommen damit aber auch Modellansätze, bei denen das direkte Verhalten der Kruste als Schlüssel zum Verständnis der kometaren Aktivität angesehen wird. Ein Vertreter der letztgenannten Richtung ist der „Altvater“ der Kometenforschung, Fred Whipple, der annimmt, daß die Kruste immer wieder dadurch aufgebrochen wird, daß aus vorhergehenden Auswürfen Steine auf die Oberfläche zurückfallen und sie mit ihrem Aufschlag lokal aufreißen und so zu neuer Aktivität führen.
46
4. Der Kometenkern
Möglich ist auch, daß die Kruste in verschiedenen Gebieten unterschiedlich dick ist und die aktiven Gebiete solche mit einer dünnen oder gar fehlenden Kruste sind. Dafür, daß in aktiven Gebieten das sublimierende Eis praktisch frei an der Oberfläche liegt, spricht die Tatsache des Einsetzens der Aktivität bereits nach Sonnenaufgang. Auch die sich wiederholende Aktivität eines Gebietes ist ein Argument für diese Modellvorstellung. Möglich sind in diesem Zusammenhang auch „freie Eishänge“ als Quellen der Aktivität, da sich an solchen Hängen, wegen des Herabrollens der infolge der Sublimation des Eises freiwerdenden Steine, kaum eine Kruste bilden kann. Horizontale Aktivitätszentren müßten im Rahmen dieses Bildes übrigens langsam infolge der zunehmenden Gerölldecke absterben. Dieser Mechanismus ist insofern attraktiv, als er auch das „Verschwinden“ von Kometen, also das „Erlöschen“ ihrer Aktivität erklären kann. Ein solcher Komet könnte dann nur durch einen Meteoritenimpakt, der einen Teil der Oberfläche zerstört, „wiederbelebt“ werden. Alle diese Modelle der krustendeterminierten Aktivität führen sofort zur Frage nach Entstehung und Entwicklung der Kometenkruste. Bedenkt man die relativ kleine aktive Fläche von ca. 40 km2 und einen Massenverlust von mindestens 30 t/s in Perihelnähe, so folgt eine Abtragrate eines aktiven Gebietes von ca. 2 · 10–6 m/s oder ungefähr 15 cm/Tag. Bei einem Gesamtmassenverlust des Kometen Halley während seiner 1986er Annäherung von 5 · 1011 kg entspricht dann sogar eine totale Abtragetiefe aktiver Gebiete von 20 m (falls stets dieselben Gebiete ausgasen). Offenbar können solche Tiefen nicht erreicht werden, wenn eine stark poröse Oberfläche erhalten bleibt, durch die eine Ausgasung tiefer Schichten erfolgen würde. Die Oberfläche über aktiven Gebieten muß also mit abgetragen werden, nur Zentimeter große und größere Steine müßten zurückbleiben und im Laufe der Aktivität eine Trümmerabdeckung (bei horizontalen Flächen) bilden. Wiederholt aktive Gebiete sind damit ein Hinweis auf „aktive Hänge“, an denen das Eis praktisch frei liegt. Die übrige Kometenoberfläche, die ja im wesentlichen passiv ist, dürfte im Rahmen dieses Modells dann Trümmerbedeckt sein. Die beobachteten Oberflächenstrukturen sind dann (nach vielen Umläufen, während die ursprünglichen Strukturen abgetragen wurden) eine Folge des Wanderns von Hängen, die sich horizontal über die Oberfläche „fräsen“. Die aktiven Gebiete mit dem freiliegenden sublimierenden Eis sind dann im Hinblick auf die eingangs genannten Beobachtungen
4.4. Kernaufbau
47
zu erklären durch ihre schnelle Aufheizung auf ca. 215 K, direkt nach Sonnenaufgang. Sie emittieren Gas und (mitgerissenen) Staub. Das Gas expandiert frei in den Weltraum, wobei sich (unabhängig von der Neigung der Quelle) sehr schnell ein praktisch vertikaler Druckgradient (um den Kern) einstellt, in dem der Staub vertikal und damit wegen des kleinen Quellgebietes scheinbar fokussiert abströmt und so zu den beobachteten Jets führt. Natürlich können diese Staubpartikel unter dem Einfluß des Sonnenlichtes noch weiter zersetzt werden und ausgasen. Teilchen, die größer als einige Millimeter bis Zentimeter sind, fallen als „Hagel“ auf die Oberfläche zurück. Sie bilden auf die Dauer eine die Aktivität erstickende Kruste, die nur in den aktiven Gebieten dünn oder praktisch nicht vorhanden ist. Die Ausgasung führt zu einer bereits teilweise ausgegasten oberen Schicht, unter der sich das infolge der einwärts gerichteten Sublimationsflüsse verfestigte und noch unveränderte Eis des Kerns befindet. Eine solche teilweise (aber sehr viel langsamer) ausgegaste Schicht dürfte sich überall unter der (passiven) Kruste befinden. Über die Dicke der Kruste gibt es noch keine gesicherten Vorstellungen. Sie dürfte ohne Geröllschicht im cm-Bereich liegen, die Dicke der Geröllschicht kann jedoch wesentlich stärker sein.
4.4.
Kernaufbau
Über den inneren Aufbau von Kometenkernen ist auch durch die Kometenmissionen nur wenig Neues bekannt geworden. Das Schlüsselergebnis in diesem Zusammenhang ist wohl, daß die mittlere Massendichte bei 0,4 g/cm3 liegt und daß damit eine sehr lockere und poröse Konsistenz vorliegen muß. Eine weitere Eigenschaft der Kernmaterie kann aus dem gezeitenbedingten Zerfall von Kometen, die der Sonne zu nahe kommen, abgeschätzt werden. Dazu wird ein nichtrotierender kugelförmiger Körper der Masse M = 4/3πR3ρ¯ mit dem Radius R und der mittleren Dichte ρ¯ betrachtet, der mit einem (Kreisbahn-)Bahnradius r0 die Sonne (Masse M☼) umläuft. Im Mittelpunkt des umlaufenden Körpers herrscht Kraftfreiheit, da sich dort gerade die gravitative Beschleunigung der Sonne und die Fliehkraft ausgleichen:
γ
M☼ v2 = = ωK 2 r 0 . r0 2 r0
(15)
4. Der Kometenkern
48
Auf andere Volumenelemente des betrachteten Körpers wirken also wegen ihrer etwas unterschiedlichen Bahnradien, die zwischen r0 – R und r0 + R liegen, auch unterschiedliche Anziehungskräfte von der Sonne und ebenfalls veränderte Fliehkräfte, was zu Spannungen in dem Körper führt. Auf der sonnenzugewandten Seite des Kometen wirken so eine stärkere Anziehungskraft der Sonne und eine verminderte Fliehkraft, während auf seiner Nachtseite zusätzliche Fliehkräfte und eine verminderte solare Anziehungskraft „nach außen“ ziehen. Im Sinne einer Taylor-Entwicklung um den Bahnradius r0 gilt für beide Kräfte: γ
2x + ωK2x = 3γ
M☼ x, r0 3
(16)
wenn x als radiale Koordinate von r = r 0 aus genommen wird, also gilt x = r – r0 . Die auf ein Oberflächenmassenelement (Masse dm) aus bei x = R an der Oberfläche wirkende zusätzliche Kraft ist also größenordnungsmäßig gegeben mit M☼ dm R. (17) Kg ~ γ r0 3 Daraus resultiert übrigens, daß dieser Körper durch seine Eigengravitation nur solange zusammengehalten werden kann, wie gilt
γ
M dm õ γ R2
R
(18)
oder auch
ρ¯ >
3 M☼ . 4π r0 3
(19)
Bei einer Dichte von ρ¯ ≈ 0,4 gcm–3 können Kometenkerne der Sonne also nicht näher als rc ≈ 109m kommen, ohne zu zerfallen, wobei zu bedenken ist, daß der Sonnenradius 0,696 · 109 m beträgt. Da Kometen derartige Annäherungen auch ohne Zerfall „überleben“, ist dies sowohl ein Argument dafür, daß das oben erwähnte Lyttletonsche Modell eines lockeren Teilchenschwarms nicht richtig ist, als auch, daß es interne nichtgravitative Bindungskräfte in Kometenkernen gibt. Aus (18) ergibt sich für die Kraftdichte, die auf ein Volumenelement bei x wirkt, kg = – γ
M☼ ρ¯ x, r0 3
(20)
4.4. Kernaufbau
49
wenn man für die Oberfläche die Dichte ρ = ρ¯ annimmt, was für die locker gepackten Kometen berechtigt ist. Daraus folgt für den Betrag der gezeitenbedingten Spannungen τ g (Druck) an der Kometenoberfläche x = R
τg = γ
M☼ ρ¯ 2 R . 2r03
(21)
Mit der Dichte von ca. 1 gcm–3 und dem für den Zerfall kritischen Sonnenabstand von 7 · 108m folgt für Kometen mit Radien von einigen Kilometern als Größenordnung für diese Bindungsspannungen τ ~ 104 Pa. Dieser Wert ist in ungefährer Übereinstimmung mit Werten, die aus den erwähnten minimalen Rotationszeiten von Kometenkernen abgeleitet werden können. Analog den obigen Überlegungen gilt nämlich für die Kraftdichte, die auf ein Oberflächenmassenelement infolge der Eigenrotation des Kometen wirkt, kR =
4π 2 ρx , T2
(22)
woraus für diese rotationsbedingten Fliehkraftspannungen an der Oberfläche x = R folgt
τR =
2π 2 2 ρR , T2
(23)
Daraus folgt, daß die Bindungsspannungen bei einem mit 4,14 Stunden rotierenden Kern von einigen Kilometern Radius ebenfalls bei mindestens 104 Pa liegen müssen, da ansonsten Teile der Oberfläche abgeworfen würden. Dieselbe Größenordnung von 104 Pa für die Bindungsspannungen wird übrigens auch aus den Kräften abgeleitet, wie sie bei hellen Meteoren auftreten müssen (Wetherill und Re Velle, 1982). Eine weitere Information über den Kernaufbau folgt aus der Tatsache, daß ungefähr ein Viertel aller Kometen in mehrere Teilkometen zerfallen, wobei diese Teilkometen zumindest zeitweise als selbständige Kometen weiter existieren. Einer der interessantesten derartigen Zerfälle ereignete sich übrigens mit der Teilung des Kometen West im Jahre 1976 in vier Teile. Derartige Teilungen sind ein Hinweis auf eine „Blockstruktur“ von Kometenkernen, die damit aus vielleicht nur wenigen kilometergroßen „Bausteinen“ oder Blöcken betehen können. Möglich ist natürlich auch, daß sich tief einfräsende Gräben
50
4. Der Kometenkern
(bzw. Hänge) und thermomechanische Spannungen hier eine Rolle spielen können. Ein möglicher Hinweis auf die genannte Blockstruktur kann auch aus der linienartigen Verteilung der mäßig aktiven Gebiete (vgl. Abb. 11) resultieren, wenn diese Linien die Grenzen der benachbarten Blöcke auf der Oberfläche darstellen. Aus diesen Darstellungen geht bereits hervor, daß es noch kein allgemein akzeptiertes Modell für Kometenkerne gibt. Daher seien an dieser Stelle die wichtigsten der in den letzten Jahren entwickelten Modellansätze dargestellt, die alle Präzisierungen des Whippleschen Modells eines „schmutzigen Schneeballs“ sind. Von Donn und Rahe (1982) wurde das Modell eines porösen Kerns mit geringer Dichte vorgeschlagen, wobei der Kometenkern aus interstellar entstandenen Partikeln (Körnern) gewachsen sein soll. Problematisch sind hierbei die vermuteten großräumigen Blockstrukturen, die aber mit dem „fraktalen Modell“ von Donn und Hughes (1986) erklärbar sind, das von einer stochastischen Akkretion ausgeht. Das „Überleben“ der Blöcke weist dann auf relativ geringe Differenzgeschwindigkeiten beim Zusammenstoß hin und damit auf eine Entstehung in den äußeren Teilen des Sonnensystems (Möhlmann, 1986), in denen dann aber eigentlich mehr Körper, als bisher vermutet, vorhanden sein müssen. Ein weiteres Kernmodell wurde von Gombosi und Houpis (1986) vorgeschlagen, in dem viele kleine Blöcke durch Eis-StaubKörner „zusammengeleimt“ sind. Der Nachteil dieses Modells ist ebenfalls die Schwierigkeit, Kometenteilungen zu erklären. Diese Probleme werden mit dem Vorschlag von Weissmann (1986) umgangen, der von einem „Trümmerhaufen-Modell“ ausgeht, bei dem der Kern aus km-großen Trümmern besteht. Dieser Vorschlag ist zum Teil ähnlich dem „Modell eines Kometenkerns mit sehr lockerem Agglomerationsgefüge“ (mittlerer Dimensionen) von Reichstein (1985). Zu erwähnen ist auch das „Perkolations-Modell“ von Horanyi und Kecskemety (1982), das von einer aus der Perkolationstheorie abgeleiteten Packungsformel für Staubteilchen unterschiedlicher Form ausgeht. Interessant ist, daß sich hierbei 3 eine Dichte von 0,32 g/cm ergibt. Etwas alternativ ist dagegen das „Krusten-Modell“ von Wallis und Wickramasinghe (1987), das von einer nichtausgasenden relativ festen Kruste und einem darunterliegenden homogenen Eiskern aus Eis und organischen Verbindungen ausgeht (Modell eines schmutzigen Eisbergs). Die Aktivität wird in diesem Modell durch Löcher in der Kruste möglich. Kometenteilungen sollen dadurch auftreten, daß sich aktive Gebiete tief in den Kern „boh-
4.5. Beziehungen zu Meteoren und Meteroriten
51
ren“ und ihn so instabil machen. Die Bildauswertungen von VEGA und GIOTTO geben keinen Hinweis auf die Richtigkeit dieses Modells. Vermutlich paßt zu den neueren Ergebnissen ein „Block-Modell“ aus wenigen großen (fraktalen) Blöcken (Kometesimalen), die ihrerseits ein lockeres Agglomerationsgefüge, gemäß dem Perkolationsmodell, bilden, das auch die von Donn und Rahe (1982) postulierte Porosität mit erfassen kann. Die Anlagerung der Kometesimale ist dann aber ein ernst zu nehmender Hinweis darauf, daß zumindest zur Zeit der Entstehung der Kometen und möglicherweise auch noch heute wesentlich mehr Masse im äußeren Sonnensystem vorhanden ist, als bisher angenommen wird.
4.5.
Beziehungen zu Meteoren und Meteroriten
Zusammenhänge zwischen Kometen und Meteorschwärmen sind seit langem aus astronomischen Beobachtungen und resultierenden Bahnbestimmungen bekannt. Tabelle 4 gibt die Zuordnung von Sternschnuppen zu Kometen, aus deren langsamer Auflösung diese Meteore hervorgegangen sind. Bemerkenswert ist auch, daß in der Literatur mögliche Zusammenhänge zwischen Kometen und Asteroidenfamilien diskutiert werden, wobei angenommen wird, daß diese Asteroiden „erloschene“ Kometen sind (Wetherill, 1979). Allerdings ist dies auch sehr umstritten (Kresak, 1980). Leider existiert noch kein gesicherter Meteoritenfund, der direkt einem der Meteorströme zuzuordnen ist und somit als Belegexemplar für Kometenmaterie untersucht werden könnte. Das in Nordamerika errichtete „Prairie Network“ von Meteorbeobachtungsstationen hat jedoch durch die systematische Erfassung und Auswertung von „Feuerkugel“-Beobachtungen (das sind Meteore heller als –4m) einen wesentlichen Beitrag zur Untersuchung kometarer Materie geleistet. Dabei werden im Hinblick auf Kometen nur solche Feuerkugeln untersucht, die entweder zu einem bekannten Meteorstrom gehören oder die ihren sonnenfernsten Bahnpunkt außerhalb der Jupiterbahn (also nicht im Asteroidengürtel) haben. Dabei hat sich ergeben, daß solche Feuerkugeln, die vermutlich kometaren Ursprungs sind, in ihren Eigenschaften nicht sehr einheitlich sind. Aus dem Verhalten beim Eintauchen in die Erdatmosphäre konnte auf die schon erwähnten Bindungsspannungen von ca. 10 4 Pa geschlossen werden. Un-
4. Der Kometenkern
52
Tabelle 4 Kometen in Erdbahnnähe und zugehörige Meteorradianten (Drummond, 1981) Name
Datum
Meteorstrom
Halley 1910 II Schwassmann-Wachmann 3 1930 VI Pins-Winnecke 1951 VI Encke 1977 XI Swift-Tuttle 1862 III Giacobini-Zinner 1978 h. Halley 1910 II Encke 1977 XI Tempel-Tuttle 1965 IV Mellish 1917 I Tuttle 1967 V 1861 I Thatcher 1919 V Metcalf 1911 II Kiess 1964 VIII Ikeya 1739
Mai 1908 Juni 1909
η Aquariden τ Herculiden
Juni 1923 Juni 1929 Aug. 1912 Okt. 1908 Okt. 1924 Nov. 1907 Nov. 1916 Dez. 1914 Dez. 1922 Apr. 1921 Juli 1925 Sept. 1901 Okt. 1924 Okt. 1925
Juni-Bootiden
β Tauriden (Tag) Perseiden Draconiden Orioniden N.+S.-Tauriden Leoniden Monocerotiden Ursiden Lyriden ο Draconiden Aurigiden ε Geminiden Leo Minoriden
gefähr 25% der Feuerkugeln sind jedoch stärker gebunden. Sie werden zunehmend mit kohligen chondritischen Meteoriten identifiziert (Wetherill, Re Velle, 1982). Daraus folgt, wie in Kap. 5 ausführlicher diskutiert, daß die gesteinsartige feste Kometenmaterie möglicherweise aus zwei Komponenten bestehen kann, nämlich einer sehr primitiven Komponente mit geringer Dichte und geringer Bindung und zum geringeren Anteil aus den etwas entwickelteren kohlig chondritischen Meteoriten größerer Dichte und mit starken kohäsiven Bindungen.
5.
Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
Im folgenden wird der Begriff „feste Kometenmaterie“ ausschließlich für die silikatischen und oxidischen Komponenten verwendet. Die überwiegend den Kern aufbauenden, vergleichsweise sehr leichtflüchtigen Verbindungen, wie H2O, CO2, CH4 etc., liegen im Kometenkern zwar auch im festen Aggregatzustand vor, werden aber im Kap. 6 im Zusammenhang mit ihren in der Kometenatmosphäre nachweisbaren Tochtermolekülen behandelt. Das feste Material in Kometen kann in die gegenwärtig von Erde, Mond und Meteoriten her bekannten Stoffklassen eingeordnet werden. Hierbei besteht übrigens die Möglichkeit, daß wir mit dem interplanetaren Staub oder den chondritischen Meteoriten bereits über Material verfügen, das kometaren Ursprungs ist. Eine Mischung aus beiden Materialgruppen als Bestandteil der festen Kometenmaterie ist ebenfalls denkbar. In jedem Falle bedeutet dies, daß die Kometen, falls sie Objekte des Sonnensystems sind, mit ihrer festen Komponente praktisch unverändertes primitives präplanetares Material enthalten, was von großer planetogonischer Bedeutung ist. Eine Modifizierung dieses Modells wäre erforderlich, falls die Kometen interstellarer Herkunft sind. Die feste Kometenmaterie würde dann, zumindest zum Teil, wahrscheinlich unveränderter interstellarer Staub sein, der nicht durch irgendwelche frühen Differentiationsprozesse während der Bildung des Planetensystems modifiziert wurde und auch in seinen Eigenschaften von der präplanetaren „Ur“-Materie abweichen kann. In den folgenden Ausführungen soll zunächst auf die möglicherweise von Kometen stammende Materie eingegangen werden, von der bereits direkte laborative Untersuchungsergebnisse vorliegen. Dabei handelt es sich einerseits um den interplanetaren Staub und hier insbesondere um die sogenannten Brownlee-Partikel bzw. um entsprechende sphärische Teilchen aus Tiefseesedimenten, andererseits um meteoritische Materie, wobei insbesondere die primitiven kohlenstoffhaltigen Vertreter von Interesse sind. Letztere gehören zur Gruppe der Chondrite. Sie werden allgemein als Kohlechondrite (oder C-Chondrite) bezeichnet und, wie in Tab. 5 dargestellt, in die Typen I, II oder III unterteilt. Chondrit be-
54
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
Tabelle 5 Chemische Zusammensetzung der C-Chondrite in Masse-% (Kiesl, 1979)
H2O C Ka2O MgO Al2O3 SiO3 P 2 O5 S K 2O CaO TiO2 Cr2O3 MnO FeO Femet Comet Nimet NiO
Typ I
Typ II
Typ III
20,54 3,77 0,76 15,56 1,77 23,08 0,27 6,16 0,07 1,51 0,08 0,28 0,19 24,12 0,11 0,01 0,02 1,17
13,23 2,44 0,54 19,00 2,31 27,31 0,27 3,13 0,05 2,03 0,10 0,39 0,17 27,07 0,01 0,01 0,16 1,56
1,00 0,46 0,55 23,86 2,65 33,75 0,32 2,22 0,05 2,32 0,12 0,51 0,20 29,29 2,34 0,06 1,08 0,33
deutet, daß die Meteoriten sogenannte Chondren enthalten. Darunter versteht man sphärische Silikatteilchen, die bis zu einigen Millimetern groß sein können. Untersuchungen von Staubpartikeln interplanetarer Herkunft im Labor sind möglich, seit ihr Einfang mit hochfliegenden Flugzeugen oder Ballonen in der Stratosphäre (Brownlee-Partikel) möglich ist bzw. mit Hilfe entsprechender Technik solche Teilchen aus Sedimenten der Ozeane gewonnen werden können. Die Brownlee-Partikel haben eine durchschnittliche Größe von 2—50 µm. Die in den Tiefseesedimenten enthaltenen, meist sphärischen Teilchen haben Abmessungen von 100—300 µm (Fraundorf et al., 1982). Ihre Form deutet auf Schmelzvorgänge hin.
5.1.
Der interplanetare Staub
Die über den Staub bisher vorliegenden Informationen wurden auf unterschiedlichem Wege gewonnen. Einerseits fanden „astronomische Fernerkundungstechniken“ Anwendung, die über die Interpretation der Lichtstreuung und der Infrarotemission um-
5.1. Der interplanetare Staub
55
fangreiches Datenmaterial lieferten, z. B. aus der Untersuchung des Zodiakal-Lichtes, andererseits haben Laboruntersuchungen an eingefangenen Staubteilchen unser Wissen über diese Materieform sehr erweitert. Um die Natur der Staubkomponente, speziell der Kometen besser zu verstehen, ist es erforderlich, ihre morphologischen, physikalischen, chemischen und mineralogischen Eigenschaften kennenzulernen. Die darüber gegenwärtig vorherrschenden Vorstellungen werden im folgenden beschrieben. Dabei stützt sich die Darstellung der morphologischen Eigenschaften auf die Untersuchung die Stratosphären-Partikel, während zur Chemie und Mineralogie außerdem die Eigenschaften der Tiefseesedimentteilchen und IR-spektroskopische Untersuchungen an Kometen berücksichtigt werden.
5.1.1.
Morphologie interplanetarer Staubpartikel
Es ist bekannt, daß die Erde ständig einem Bombardement unterschiedlichster Teilchen aus dem Weltraum ausgesetzt ist. Der größte Teil davon wird in der Folge der Wechselwirkung mit der Erdatmosphäre zerstört oder zumindest sowohl physikalisch als auch chemisch verändert. Wenn die hereinstürzenden Partikel aber eine bestimmte Größe nicht überschreiten, ist die physikalische Beeinflussung durch die Erdatmosphäre so gering, daß sie selbst an der Oberfläche praktisch unverändert überleben (Whipple, 1950). Die mittlere Geschwindigkeit von Partikeln, die sich auf die Erde zubewegen, liegt bei 15 km · s–1. Das heißt, daß Partikel der Größe <50 µm bereits in 100 km Höhe vollständig abgebremst werden und in der Folge dieses Prozesses sich zwar erwärmen, aber nicht schmelzen. Nach Fraundorf (1980) werden weniger als die Hälfte aller Teilchen mit Abmessungen bis 5 [im und einer Dichte von 1 g · cm–3 nicht über 500 °C erhitzt und dies auch nur für wenige Sekunden. Die mechanischen Eigenschaften der Stratosphären-Partikel sind allgemein durch eine niedrige Dichte gekennzeichnet. Aus Untersuchungen von Meteoriten geht hervor, daß die Dichten zwischen 10–2 g · cm–3 und 10 g · cm–3, mit einem Mittelwert von 0,8 g · cm–3, liegen. Die Dichten der Partikel in Meteoritenströmen reichen von 1,06 g · cm–3 (Geminiden) bis 0,01 g · cm–3 (Giacobiniden). Der Meßfehler beträgt (Fechtig, 1982) ±15%. Geht man davon aus, daß Meteorströme Kometen zugeordnet werden können, dann hat der Kometenstaub die erwähnte geringe Dichte. Die
56
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
Partikel sind wahrscheinlich meist sehr locker gepackte zerbrechliche Aggregate (fluffy types). Bestätigt wird dies durch die Brownlee-Partikel, die eine derartige Struktur haben und zum größten Teil Abmessungen von 10 µm nicht überschreiten. Vom mineralogischen Standpunkt aus sind die extraterrestrischen Teilchen als feingekörnt zu bezeichnen. Sie sind überwiegend dunkel bis schwarz gefärbt, und der Chemismus der Haupt- und Spurenelemente ist dem der chondritischen Meteorite ähnlich.
5.1.2.
Element- und Isotopenzusammensetzung
Eine qualitative Analyse (Fehler bis 50%) vieler Hauptelemente in 57 Stratosphären-Mikrometeoriten zeigt Abb. 12. Außer für Ca zeigen die anderen Elemente keine systematischen Abweichungen
Abb. 12. Element-Silizium-Verhältnis von 57 stratosphärischen Mikrometeoriten, normalisiert auf die mittlere Zusammensetzung der CI-Chondrite (Fraundorf et al., 1982 und McSween und Richardson, 1977)
5.1. Der interplanetare Staub
57
von der CI-chondritischen Zusammensetzung. Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, daß die analysierten Teilchen sehr klein sind und die Zusammensetzung deshalb häufig von einem einzelnen Mineral bestimmt werden kann. Präzisere Werte erhält man von den extraterrestrischen Schmelztropfen, die aus Tiefseesedimenten geborgen wurden. Diese Partikel haben Abmessungen bis über 1 mm und sind durch den Schmelzvorgang natürlich homogenisiert. Deshalb streuen die Meßwerte auch weit weniger als in den Stratosphärenteilchen. Die Schmelztröpfchen sind verarmt an leichtflüchtigen Elementen (z. B. Na, C, S). Die refraktären (schwerflüchtigen) Elemente entsprechen den chondri-
Abb. 13. Mg/Si- und Al/Si-Verhältnis in 230 extraterrestrischen Schmelzkugeln aus Tiefseesedimenten im Vergleich zu C- und H- bzw. L-Chondriten (Fraundorf, 1980)
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
58
tischen Anteilen. Nickel ist abgereichert und möglicherweise während des Aufschmelzens beim Durchgang durch die Atmosphäre mit anderen Metallphasen entwichen (Abb. 13). Die Ähnlichkeit mit Mg/Si- und Al/Si-Verhältnissen ist bei den primitiven CChondriten (CI, CM) am größten. Isotopenuntersuchungen ergaben in den meisten Fällen solare Häufigkeiten. Das Auftreten von 53Mn (entsteht aus der Wechselwirkung von Fe mit kosmischer Strahlung) in den Schmelzkugeln der Tiefseesedimente beweist deren kosmische Herkunft (Nishizumi et al., 1980). Rajan et al., 1977 untersuchten 4He-Konzentrationen und stellten fest, daß dieses Isotop nur durch den Sonnenwind implantiert sein kann. Der α-Zerfall von Uran, durch den ebenfalls 4He entsteht, scheidet aus, da der Urangehalt (unter 15 ppb) zu gering ist. Möglich ist aber auch, daß die untersuchten Partikel extrasolares Gas enthalten. Allerdings weist auch das 20 Ne/36Ar-Verhältnis von 9 ± 3 auf eine solare Implantation hin, denn es ist dem solaren ebenfalls sehr ähnlich (Sonne: 11 ± 3). Die angeführten Daten deuten auf viele Gemeinsamkeiten der solaren, präplanetaren und kometaren Materie und damit auf einen kogenetischen Ursprung hin.
5.1.3.
Mineralogie der extraterrestrischen Staubpartikel
Eine grobe Einteilung der Partikel nach ihren mineralogischen Eigenschaften ist in Tabelle 6 aufgeführt (Brownlee et al., 1976). Wie bereits erwähnt, sind die meisten in der oberen Atmosphäre eingefangenen Teilchen sehr porös und zerbrechlich. Viele haben eine sogenannte ,,Weintrauben“-Struktur. Es ist unbekannt, ob dieses morphologische Merkmal die ursprüngliche Bauweise darstellt oder, zumindest zum Teil, durch die Wechselwirkung mit der Atmosphäre entstand. Die monomineralischen Staubteilchen Tabelle 6 Zusammensetzung der Brownlee-Partikel Partikel-Art
Anzahl in %
Abmessung
Chondritische Aggregate Fe-Sulfid, Ni-haltig Silikat (mafisch) Schmelzkugeln (chondritisch)
55 30 10 5
2—12 µm 10 µm 30 µm bis 3 mm
5.1. Der interplanetare Staub
59
der mafischen (dunklen, basischen) Silikate stellen sich oft als idiomorphe (eigengestaltig) bis xenomorphe (fremdgestaltig) Kristalle dar. Die FeS(+Ni)-Partikel kommen dagegen häufiger als Sphäroide, aber auch als irreguläre Massenaggregate, Einkristalle und in plattiger Form vor. Die Zusammensetzung, Textur und Mineralogie der Tiefseesediment-Kugeln sind denen der Schmelzkruste chondritischer Meteorite sehr ähnlich. Insgesamt vermittelt die Mineralogie der Staubpartikel, aber auch die der sphärischen Teilchen aus den Tiefseesedimenten den Eindruck, als ob beide Spezies mit den Kohlechondriten verwandt sind. Ob sie allerdings in einen genetischen Zusammenhang mit diesen gebracht werden können, ist fraglich, da die C-Chondrite z. B. kein oder nur sehr wenig Fe-Sulfid enthalten und dessen Ursprung in den Staubteilchen unklar ist.
5.1.4.
Kristalline Phasen
In den eingefangenen Staubpartikeln treten hauptsächlich Olivin, Pyroxene und Fe-Sulfide als einkristalline Phasen auf (Fraundorf et al., 1982). Das Eisensulfid entspricht zum größten Teil dem Pyrrothit (Fe1–xS) mit 1—5 Atom-% Ni und einem Schwefeldefizit bis zu 50%. Weiterhin kann Magnetit (Fe3O4), Troilit (FeS) und Pentlandit (Fe, Ni)9S8 beigemischt sein (Brownlee, 1978). Alle diese Mineralphasen werden auch in CI- und CM-Chondriten nachgewiesen. Die extraterrestrischen Tiefseesediment-Schmelztröpfchen sind im Vergleich zu den stratosphärischen Staubpartikeln häufig an Fe angereichert. In beiden Teilchentypen kommen überwiegend Mg-reicher Olivin und Enstatit (MgSiO3) vor. Untergeordnet treten Ca-reiche Pyroxene auf. Gelegentlich nachgewiesene Fe-reiche Silikate zeigten einen hohen Magnetit-Anteil, dessen Herkunft unklar ist. Eine sekundäre Bildung infolge Erwärmung beim Durchdringen der Atmosphäre ist hier wahrscheinlich. Neben den beschriebenen Mineralaggregaten enthalten die Staubpartikel feingekörnte kristalline Phasen mit Abmessungen <100nm, oder die Staubteilchen bestehen nur aus einer derartigen Kornfraktion. Mineralogisch bestehen sie im wesentlichen aus den gleichen Kristalliten. Interessant, insbesondere vom Standpunkt der Genese planetaren Materials aus, sind Partikel, die offensichtlich bei reduzierenden Bedingungen entstanden. Hierbei handelt es sich um Teanit-
60
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
Tröpfchen (Teanit: nickelreiches Eisen der Meteorite) mit relativ niedrigem Ni-Gehalt, Mikroaggregaten aus kristallinen Silikattröpfchen und Pyrrothit-Kristallen (30—200 nm). Einige der Metallteilchen sind eingebettet in Fe-Karbidkristallite, die Abmessungen von 10—20 nm haben (Fraundorf et al., 1982). Andere Partikel bestehen aus Silikatkörnern, umgeben von einem Mantel aus Magnetit und FeS-Körnchen. Die Schmelzkugeln der Tiefseesedimente liefern naturgemäß nicht so eindeutige Informationen zur Diskussion ihrer Entstehung oder Herkunft, wie dies bei den Staubteilchen der Fall ist. Atmosphärische Erhitzung, z. T. bis zum Schmelzen, und die Wechselwirkung mit dem Wasser können Struktur und Mineralogie erheblich modifiziert haben. In einigen Sphäroiden sind aber trotzdem noch Restkristallite enthalten, die Rückschlüsse auf das Ausgangsmaterial zulassen. Neben vergleichsweise viel Mg-reichem Olivin ist vor allem Enstatit enthalten. Weiterhin konnte aber auch Spinell, Troilit, Pentlandit, Diopsid, Perowskit und Chromit nachgewiesen werden. Aus der Untersuchung des Stratosphären-Staubes lassen sich natürlich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob die silikatische Komponente eines Kometen grundsätzlich nur in dem beschriebenen Teilchengrößenspektrum vorliegt oder ob auch größere Objekte (Zentimeter- oder Meterbreich) vorkommen. Letzteres erscheint real, da Kometen mit Meteoritenströmen in Verbindung gebracht werden können. Auf dieser Basis ist denkbar, daß zumindest einige der bekannten Meteorströme (z. B. Orioniden, Geminiden, Giacoboiden, η-Aquariden etc.) feste ,,Rest“-Substanz vormals existenter Kometen darstellen. Trifft dies zu, dann kann sogar ein Teil dieses Materials in Form von Meteoriten die Erdoberfläche erreicht haben. Möglicherweise ist dann die silikatische Komponente bereits bekannt, ohne daß dies gegenwärtig sicher belegt werden kann. Kandidaten hierfür sind insbesondere die primitiven CI-Chondrite, die ja eine gewisse stoffliche Ähnlichkeit mit den Brownlee-Partikeln zeigen.
5.2.
Die meteoritische Komponente
Die mineralischen und chemischen Komponenten der C-Meteorite sind in den Tabelle 7 und 5 zusammengefaßt. Die C-Chondrite vom Typ I bestehen bis zu 60% aus Schichtgittersilikaten (Chlorit etc.), bis etwa 7% aus Magnesiumsulfat
5.2.Die meteoritische Komponente
61
Tabelle 7 Wesentlichste bisher in CI-Chondriten nachgewiesene Mineralphasen (Nagy, 1975) Mineral
Formel
Anhydrit Bloedit Breunerit Brucit Calcit Chlorit
CaSO4 MgSO4 · Na2SO4 · 4H2 O (Fe, Mg)CO3 Mg(OH)2 CaCO3 X = Mg + Al, Fe, Cr + Mn Xn(Y4O10)(OH)8 Y = Si + Al Mg6Si4 O10(OH)8 CaMg(CO3)2 CaSO4 · 2H2O e F 2O3 · nH2O MgCO3 MgSO4 · nH2O Fe3O4 Na2Ca3(PO4)2O Ca9MgH(PO4 )7 X(A1, Mg)2 (Si4O10)(OH)8 ; X-austauschbare Kationen Mg2SiO4 — Fe2 SiO4 (Fe, Ni)9S8 MgO Mg, Fe, CaSiO3 (Fe, Ni)0,9S H6Mg8Si12O12O30(OH)10 · 6H2O Mg6Si4 O10(OH)8 S NiFe2 O4 FeS
Chrysotil Dolomit Gips Limonit Magnesit Magnesiumsulfat Magnetit Merrillit Whitlockit-Phase Montmorillonit Olivin Pentlandit Periklas (?) Pyroxen Pyrrholit Sepiolit Serpentin Schwefel Trevorit Troilit
und zu ca. 6% aus Fe3O4 (Magnetit), der auch Ni und Mn enthält, weiterhin aus Gips, Dolomit und Limonit. C-Chondrite des Typs II enthalten neben den Schichtgittersilikaten auch Olivin, Pyroxen, Troilit und Magnetit. Außerdem kommt etwas Fe, Ni-Metall vor, und es treten vereinzelt Chondren auf. Die Typ-III-Vertreter der C-chondrite sind im wesentlichen durch Olivin (70%), Pyroxen und Plagioklas gekennzeichnet und entsprechen in ihrer Zusammensetzung bereits weitgehend den gewöhnlichen Chondriten. Wesentlichster Hinweis darauf, daß die C-Chondrite (insbesondere
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5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
die Vertreter des Typs I) bei tiefen Temperaturen entstanden sind, ist ihr hoher H2O-Gehalt und der Kohlenstoffanteil. Die vom planetogonischen Standpunkt aus primitive Natur dieser Meteoriten kommt weiterhin dadurch zum Ausdruck, daß metallisches Eisen und Eisensulfid (Troilit) fehlen oder nur in Spuren vorhanden sind. Die CI-Meteorite unterlagen also keinem evolutionären Prozeß, der zu umfangreichen stofflichen Differentiationsvorgängen geführt hat. Das heißt auch, daß sie sehr wahrscheinlich niemals Teil größerer, bereits differenzierter Mutterkörper waren, wie das für andere Meteoritentypen angenommen werden muß, sondern spricht für ihren kometaren Ursprung. Ein weiterer Hinweis auf den „ursprünglichen“ Charakter der CI-Meteorite ist auch das hohe Alter. Die mit Hilfe unterschiedlicher Methoden bestimmten Werte liegen für die ältesten Bestandteile zwischen 4,46 und 4,69 Mrd. Jahren. Dies entspricht dem Alter des Planetensystems, wie es auch aus Altersbestimmungen an anderen Meteoriten und des Mondgesteins folgt. Falls die CI-Meteorite also kometaren Ursprungs sind, kann daraus auf die prinzipielle Zugehörigkeit der Kometen zum Sonnensystem geschlossen werden.
5.3.
Der Ursprung der festen Kometenmaterie
Aus den Ausführungen zur Natur der Bronwlee-Partikel und den C-Chondriten geht hervor, daß sie aus der festen Kometenmaterie resultieren könnten. Geht man nun bei der Beantwortung der Fragen nach der Entstehung der Kometen ebenfalls von diesen Modellvorstellungen aus, dann ergeben sich folgende Möglichkeiten: Die feste Kometenmaterie ist a) im wesentlichen mit den CI-Chondriten identisch, b) besteht vor allem aus den Brownlee-Partikeln c) oder entspricht einem Stoffgemisch aus CI-Chondriten und Bronwlee-Partikeln. Auf der Basis des heutigen Kenntnisstandes kann nicht entschieden werden, welches der drei Modelle der Realität am nächsten kommt, falls das hier skizzierte Grundmodell richtig ist. CI-Chondrite sind, wie bereits erwähnt, ausgesprochene Tieftemperaturbildungen. Die daraus folgenden stofflichen Eigenschaften „passen“ zur Natur der Kometen, da deren Hauptkomponenten ja Eisvarietäten einer Reihe leichtflüchtiger Ver-
5.3. Der Ursprung der festen Kometenmaterie
63
bindungen darstellen (Modell a)). Für die Brownlee-Partikel als feste Kometenmaterie (Modell b)) treffen im Prinzip die gleichen Feststellungen zu, die auch für die CI-Chondrite erörtert wurden. Außerdem gehen beide Ansätze mit den Vorstellungen konform, die die Kometen als Objekte des Sonnensystems betrachten. Bei Modell c) müssen, im Gegensatz zu den Modellen a) und b), einige zusätzliche Fakten in die Diskussion mit einbezogen werden. Die Zusammensetzung der Brownlee-Partikel hat zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit der der CI-Chondrite, ist aber mit letzteren nicht identisch. Die Brownlee-Partikel enthalten z. B. Fe-Sulfid und einige hochschmelzende Oxide und Karbide, die im Gegensatz dazu in den CI-Chondriten gar nicht oder nur untergeordnet auftreten. Entspricht also Modell c) der festen Kometenmaterie, dann ist letztere entweder ein rein mechanisches Stoffgemisch, dessen Komponenten unterschiedlichen Ursprungs sind und aus verschiedenen Quellen stammen, oder es gibt einen genetischen Bezug, wobei die eine Komponente durch entsprechende Umwandlung aus der anderen entsteht oder beide aus einem Reservoir stammen, aber unterschiedlichen Einflüssen unterlagen. Im letzteren Fall hätten sich z. B. aus dem Tieftemperaturmaterial der CI-Chondrite die Brownlee-Partikel bilden können, bzw. beide entstammen gleichartigem Ausgangsmaterial, unterlagen aber in der folgenden Evolutionsetappe unterschiedlichen thermodynamischen Bedingungen, was auch zu verschiedenen Reaktionsprodukten (CIChondrite oder Brownlee-Partikel) führte. Hieraus ergibt sich für den zeitlichen Ablauf der Entstehung der Kometen als Objekte des Sonnensystems folgendes: Ist die feste Komponente in Modell c) ein rein mechanisches Stoffgemisch ohne genetischen Bezug, dann gibt es keinen zwingenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der Entstehung des festen Kometenmaterials und der Kometen insgesamt. Dies gilt ebenfalls für die Modelle a) und b) und auch für den Fall, daß sowohl CIChondrite als auch Brownlee-Partikel unterschiedliche ,,Reaktions“-Produkte nur eines einzigen Ausgangsstoffes sind. Andere Verhältnisse liegen vor, wenn sich die eine Komponente (BrownleePartikel) aus der anderen (CI-Meteorite) entwickelt hat. Die Kometen müßten hiernach ein geringeres Alter als die CI-Meteorite haben. Dabei muß die Zeitdifferenz mindestens die Spanne umfassen, die für die Bildung der Bownlee-Partikel in der entsprechenden Menge erforderlich war. Obwohl, wie bereits dargestellt, vieles dafür spricht, daß die Kometen bezüglich ihres Ursprungs zum Planetensystem gehören, kann eine interstellare Entstehung
64
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
gegenwärtig noch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Diese Auffassung leitet sich unter anderem auch aus den stofflichen Eigenschaften der Kometen ab. Die leichtflüchtigen Hauptkomponenten enthalten Verbindungen, die zu einem erheblichen Teil auch in interstellaren Molekül- und Staubwolken vorkommen. Außerdem sind z. B. Oxide und Karbide, wie sie in den BrownleePartikeln als Materialkomponenten auftreten, wahrscheinlich ebenfalls im interstellaren Staub anzutreffen (der aber auch Bestandteil präplanetarer Materie war).
5.4.
Experimentelle Ergebnisse der Halley-Sonden
Im folgenden soll nun auf die Ergebnisse der Experimente eingegangen werden, die mit Hilfe der Halley-Sonden in der Nähe des Kerns des Kometen Halley durchgeführt wurden. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung von festen Partikeln, die vom Kometenkern stammen. Es wird von Interesse sein zu prüfen, welche Ergebnisse die Experimente lieferten und welche Schlußfolgerungen bezüglich der oben skizzierten Vorstellungen zu ziehen sind. Während der Begegnungen der Sonden VEGA-1 und VEGA-2 sowie GIOTTO mit dem Kometen Halley sind unter anderem folgende Untersuchungen durchgeführt worden. Analysiert wurden mit Hilfe eines Staub-Impact-Massenanalysators (bei den VEGAMissionen wurde dieses Experiment mit der Abkürzung PUMA und bei der GIOTTO-Mission mit PIA bezeichnet) vom Kometenkern abströmende Staubpartikel. Der für die chemische Analyse wichtige Teil des Experiments war jeweils ein Flugzeit-Massenspektrometer (Kissel, 1986). Die Nutzung eines derartigen Analysegerätes wurde durch die hohe Differenzgeschwindigkeit zwischen den Sonden und dem Kometenkern (ca. 80 km/s) möglich. Vor den Massenspektrometern befand sich ein Target, das als Prallplatte wirkte. Die darauf mit der erwähnten hohen Geschwindigkeit einschlagenden kometaren Staubpartikel zerfielen (im
Abb. 14a/b. Massenspektrum eines kometaren Partikels (PUMA-1, VEGA-1, Ref.-Nr. 51341). Dieser Partikeltyp ähnelt in seiner Zusammensetzung Cl-Chondriten (Kissel, 1986).
5.4. Experimentelle Ergebnisse der Halley-Sonden
65
66
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
wesentlichen) in Ionen, wobei die positiv geladenen im Spektrometer analysiert wurden. Die Auswertung der Spektren, bzw. deren Aussagekraft, hängt von vielen Faktoren ab. Zu den wichtigsten gehört, daß die Natur der zur Analyse zur Verfügung stehenden Ionen bekannt sein muß. Weiterhin bezieht sich dies auf die Beurteilung der in den Spektren angezeigten Intensitäten. Diese Faktoren lassen sich nicht mit der für eine eindeutige Analyse erforderlichen Exaktheit fassen, weil Laborexperimente zur Kalibrierung, bei denen kometare Staubteilchen mit Geschwindigkeiten bis zu 80 km/s auf ein Target prallen, technisch nicht durchführbar sind. Man ist deshalb auf Extrapolationen angewiesen. Daraus ergab sich, daß im wesentlichen einfach geladene Ionen entstehen, was sich bei der Auswertung der Spektren auch als brauchbar erwies. Zur Korrektur der Intensitäten wurden entsprechende Faktoren ermittelt, die vor allem die zu erwartende Ionisierungarbeit berücksichtigen, um so eine gewisse Quantifizierung zwischen den einzelnen Ionen zu ermöglichen (Krueger, 1983; Kissel und Krueger, 1987). Als generell schwierig erweist sich der Umstand, daß die Massenauflösung eines Spektrometers, das auf einer Raumsonde arbeiten muß, naturgemäß begrenzt ist. Im Falle der auf den Halley-Sonden eingesetzten Geräte lag sie bei m/dm ≈ 150. Das Problem hierbei liegt darin, daß für eine eindeutige Identifizierung der Elemente deren Isotopenmuster als Entscheidungskriterium eine wesentliche Rolle spielt. Ist das Untergrundrauschen zu hoch, so „verschwinden“ die in entsprechend geringen Anteilchen vorhandenen Isotopen vieler Elemente darin und eine isotopische Kontrolle ist nicht möglich. Für normierende Berechnungen im Verlaufe der Auswertung der Spektren bezieht man sich deshalb auf Elemente, bei denen die beteiligten Isotopen eindeutig identifizierbar sind. So wird in den später beschriebenen Untersuchungen für die Normierung anstelle des gewöhnlich benutzten 28 29 30 Siliziums (Si) ( Si : Si : Si = 29,7 : 1,5 : 1) das Magnesium (Mg) 24 25 26 ( Mg : Mg : Mg = 7,3 : 0,9 : 1) verwendet. Die auftretenden natür-
Abb. 15a/b. Massenspektrum eines kometaren Partikels (PUMA-1, VEGA-1, Ref.-Nr. 54955). Dieser Partikeltyp repräsentiert den Hauptteil der gemessenen Teilchen (Kissel, 1986).
5.4. Experimentelle Ergebnisse der Halley-Sonden
67
68
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
lichen Isotopen des Mg werden in geringerem Ausmaß durch den Untergrund beeinflußt als die des Si. Die von den VEGA-Massenspektrometern erzeugten Spektren stammen von Partikeln, die größtenteils eine Masse um 10–16 g hatten. Das ist weniger als vorher abgeschätzt worden ist. Faßt man die Spektren klassifizierend zusammen, so schälen sich drei unterschiedliche Typengruppen heraus. Die Abbildungen 14, 15 und 16 repräsentieren Beispiele der einzelnen Gruppen, wobei es sich hier um unbearbeitete (z. B. sind noch instrumentelle Effekte enthalten) Spektren handelt. Die Teilabbildungen a) zeigen die originalen Flugzeitspektren, die Teilabbildungen b) die daraus abgeleiteten Massenspektren. Auf den Ordinaten sind, jeweils in logarithmischem Maßstab, die unkalibrierten Intensitäten dargestellt. Die Abbildungen 15 und 16 zeigen Spektren von Partikeln, die mit einem geschätzten Anteil von etwa 80% an dem gesamten vom Kometenkern kommenden Teilchenstrom beteiligt sind. Der Rest entspricht in seiner stofflichen Charakteristik dem Spektrum in Abb. 14. Das Spektrum in Abb. 15 ist sowohl durch leichte als auch schwerere Elemente charakterisiert. Dazu gehören H (1), C (12), N (14), O (16), Na (23), Mg (24), Si (28), S (32), Ca (40) und Fe (56). Dagegen wird das Elementespektrum der Abb. 16 von den leichten Elementen H (1), C (12), N (14) und O (16) beherrscht. Im Spektrum der Abb. 14 dominieren die schweren Elemente. Neben C (12) und 0(16) sind das vor allem Na (23), Mg (24), Si (28), Ca (40) und Fe (56). Im ersten Fall umfaßt das Spektrum Elemente, die für Kohlenwasserstoffverbindungen und Silikate typisch sind. Der zweite Fall kann Partikeln zugeordnet werden, die zumindest durch Kohlenwasserstoffe dominiert werden. Letzterer repräsentiert dagegen Silikate. Somit erhalten die analysierten Partikel offenbar alle die Elemente und Verbindungen, die bereits vor den Halley-Experimenten den Kometen zugeschrieben wurden.
Abb. 16a/b. Massenspektrum eines kometaren Partikels (PUMA-1, VEGA-1, Ref.-Nr. 51445). Dieser Partikeltyp repräsentiert Teilchen, die durch leichte Elemente beherrscht werden (Kissel, 1986).
5.4. Experimentelle Ergebnisse der Halley-Sonden
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5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
70
5.5.
Zur Natur der silikatischen Staubpartikel
Eine kosmochemische Charakterisierung der Massenspektrometerdaten wurde von Jessbergee et al. (1988) vorgenommen. Ausgehend von 79 ausgewählten und gewichteten Spektren wurde ein Vergleich mit Elementhäufigkeiten in kohligen Chondriten des Typs I (CI-Chondrite) angestellt. Die einzelnen Werte sind in Tabelle 8 zusammengefaßt. Wie daraus hervorgeht, stimmt die mittlere Zusammensetzung der Halley-Staubpartikel und der CI-Chondriten innerhalb eines Faktors 2 überein. Ausnahmen sind die leichten und volatilen Elemente. Offenbar sind die kometaren Partikel reicher an volatilen Elementen und Verbindungen und in dieser Hinsicht auch „sonnenähnlicher“ als die CI-Chondriten. Tabelle 8 Mittlere Atommengen der Elemente in Halley-Staubpartikeln und CI-Chondriten (Jessberger et al., 1988) Element
Halley-Staub
H C N O Na Mg Al Si S K Ca Ti Cr Mn Fe Co Ni
2025 ± 385 815 ± 165 42 ± 14 890 ± 110 10 ± 6 = 100 6,8 ± 1,7 185 ± 19 72 ± 23 0,2 ± 0,1 6,3 ± 1,9 0,4 ± 0,2 0,9 ± 0,2 0,5 ± 0,2 52 ± 9 0,3 ± 0,2 4,1 ± 2,1
CI-Chondrite Halley-Staub/ CI-Chondrite 492 70,5 5,6 712 5,3 = 100 7,9 93 47,9 0,35 5,68 0,22 1,25 0,88 83,7 0,21 4,59
4,1 11,6 7,5 1,3 1,9 = 1,0 0,9 2,0 1,5 0,5 1,2 1,9 0,7 0,6 0,6 1,2 0,9
Bei den Hauptelementen der Silikate fällt auf, daß einem „Überangebot“ an Si ein „Defizit“ an Fe gegenübersteht. Benutzt man wiederum die Werte der Tabelle 4, dann ergibt sich ein Fe/SiAtomverhältnis von 0,3. Im Cl-chondritischen Material liegt es
5.5. Zur Natur der silikatischen Staubpartikel
71
dagegen bei 1,0. In mehr planetar entwickelten Meteoriten (z. B. Achondriten) bewegt sich das Fe/Si-Verhältnis zwischen 1,4 und 0,23. Hieraus jedoch ableiten zu wollen, daß die Silikat-Komponente des Kometen Halley entsprechend differenziertem Material entspricht, wäre sehr spekulativ, aber nicht völlig von der Hand zu weisen. Brownlee et al. (1987) kommen aus Vergleichen der submikroskopischen Verteilung der Fe/(Fe + Mg)-Verhältnisse in der Matrix von CI-Chondriten und in den VEGA-Spektren zu dem Schluß, daß beide sehr unterschiedlich sind und Halley-„Silikate“ nicht den CI-chondritischen entsprechen. Das Fe/(Fe + Mg)-Verhältnis in der Chondritmatrix liegt zwischen 0,3 und 0,7 mit deutlicher Häufung bei 0,5. In den kometaren Staubpartikeln bewegt es sich zwischen 0 und 1, in den meisten (untersuchten) Fällen liegt es aber unter 0,1. Jessberger et al. (1988) haben nun festgestellt, daß es, im Gegensatz zu den Ergebnissen von Brownlee et al. (1987), im Halley-Material eine Gruppierung gibt. Neben extremen Staubspektren (kein Fe bzw. wenig Mg) treten Partikelhäufungen mit Fe/(Fe + Mg) von ca. 0,2 und ca. 0,5 auf. Ähnliche Verteilungen wurden in einigen interplanetaren Staubpartikeln (IDP) und in der Matrix des CI-Chondriten Orgueil entdeckt. Sowohl die IDP als auch die Orgueil-Matrix sind durch Schichtgittersilikate gekennzeichnet und haben in der Verteilung des Fe/(Fe + Mg)Verhältnisses einen positiven Peak bei 0,5. Andererseits zeigte ein kristallwasserfreies IDP ein im wesentlichen sehr niedriges Fe/ (Fe + Mg)-Verhältnis, aber mit einem Streubereich bis 1. Aus diesem Erscheinungsbild gewinnen Jessberger et al. (1988) den Eindruck, daß die Fe/(Fe + Mg)-Verteilung in den kometaren Staubpartikeln eher denen in kristallwasserfreien IDPs als dem durch hydratisierte Schichtgittersilikate gekennzeichneten IDPs ähnelt. Sollte sich dieser Trend weiter erhärten lassen, dann kann als Silikatkomponente der kometaren Staubpartikel Olivin und Pyroxene eine wesentliche Rolle spielen. Diese Interpretation erfährt noch eine gewisse Unterstützung durch die Ergebnisse IRspektrometrischer Messungen am Kometen Halley. Diese Spektren enthielten ebenfalls Hinweise auf Silikate, wie Olivin und Pyroxene, weniger auf Schichtgittersilikate. Wie bereits angedeutet, ist die Ableitung von definierten silikatischen Mineralen aus den Spektren sehr spekulativ, weil die Bestimmung quantitativer Werte nicht möglich ist. Aus den Intensitätsverhältnissen lassen sich bestenfalls mineralogische Trends erahnen. Auch aus Spektren, die offenbar reinen Silikatpartikeln
72
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
zuzuordnen sind, können Mineralformeln nicht abgeleitet werden. Im konkreten Fall stellt sich dies wie folgt dar. Aus einem PUMA-1-Spektrum lassen sich die in Tab. 9 aufgeführten Atom- bzw. Molekülspezies abschätzen, wobei die Zuordnung einiger Atome zu den jeweiligen Massenpeaks nicht immer eindeutig war. Für die meisten im Spektrum enthaltenen silikatischen Hauptelemente ist die Abschätzung aber relativ sicher. Aus Tabelle 9 Abgeschätztes Elementmuster eines PUMA-1-Spektrums einschließlich ihrer relativen Intensitäten und den ermittelten Molekülen bzw. Atommengen Spezies
Rel. Intensitäten
Mol./Atom-Mengen (× 1000)
O OH H2O Na Mg Al Si O2 Ca Fe
30 600 25
2000 35000 1400 8 4100 300 12000 5500 80 1200
0,14 98 8,2 333 175 3 65
untergeordnete Spezies: H, N, K, Cr, Mn, Ti
den ebenfalls aufgelisteten relativen Intensitäten der einzelnen Atome bzw. Moleküle wurden dann die entsprechenden Atom-/ Molekül-Mengen abgeschätzt. Diese wiederum führten zur näherungsweisen Bestimmung von Mineralformeln, deren Ergebnis mit: 2(Ca, Na)0,3 (Mg0,8Al0,1Fe0,1) (Si0,9Al0,1)8 O20(OH)16 · 3H2O + l,5Mg6Si6O20(OH) + 3-α/γ-FeO(OH) + 12SixOy angegeben werden kann. Das ist 2 · Smektit + 1,5 · Talk + 3 · Geothit/Lepidochrokit + 12 · Siliziumoxid (unstöchiometrisch). Ausgangspunkt für diesen Versuch war die Vorstellung, daß vor allem hydratisierte Schichtgittersilikate in kometaren Silikaten eine
5.5. Zur Natur der silikatischen Staubpartikel
73
wesentliche Rolle spielen (was möglicherweise nicht der Fall ist). In diesem Sinne ist die oben angegebene Formel zwar möglich, aber im Falle des betrachteten Spektrums durchaus nicht zwingend. Bei einfacheren Spektren, z. B. bei solchen, die nur eindeutige und starke Peaks bei den Massenzahlen 16(O), 24(Mg), 28(Si) und 56(Fe) zeigen, kommt man auch nicht zu Mineralformeln, die (eigentlich zwangsläufig) Olivin oder Pyroxen ergeben müßten. Besonders hieraus ist erkennbar, daß die Ergebnisse der massenspektrometrischen Experimente noch viele Fragen offen lassen. Trotzdem haben sie aber einen naturwissenschaftlich wertvollen Erkenntniszuwachs gebracht. An erster Stelle steht dabei, daß durch die kosmochemische Auswertung der Standpunkt erhärtet werden konnte, daß Kometen (streng genommen natürlich nur der Komet Halley) Objekte des Sonnensystems sind und auch genetisch hierher gehören. Mit Blick auf die Silikate des Kometenkerns ist zwar deutlich vorsichtiger zu formulieren, aber es spricht nichts dagegen, daß Silikate bzw. Silikatgemische, wie sie z. B. in den chondritischen Meteoriten enthalten sind, auftreten. Das mögliche Vorherrschen von Olivin und Pyroxenen vor hydratisierten Schichtgittersilikaten würde sogar Vorstellungen stützen, die davon ausgehen, daß Kometen noch ursprünglichere Silikate aufbewahren, als dies von den kohligen Chondriten her bekannt ist. Sie enthalten in ihrer Matrix ein relativ Undefiniertes Gemisch von Silikaten, auch hydratisierten Schichtgittersilikaten. Letztere stellen wahrscheinlich Verwitterungsprodukte präplanetarer Mineralassoziationen dar, wie sie in Planetesimals oder in Kometesimals vorstellbar sind. Bei der Kondensation aus einem abkühlenden solaren (präplanetaren) Nebel, aber auch bei der Generation präsolaren Materials infolge stellarer Prozesse, erscheinen bei den Silikaten sehr früh Olivin und Pyroxene. Ihr Auftreten in Kometen ist deshalb auch plausibel. Problematisch ist, daß diese Mineralspezies bereits bei relativ niedrigen Temperaturen im Kontakt mit Wasser schnell verwittern. Im Ergebnis dessen entstehen vor allem hydratisierte Schichtgittersilikate. Sie bilden sich bereits bei Temperaturen um 230 K, wie Untersuchungen an antarktischen Gesteinen zeigten. Bezogen auf kometare Verhältnisse, könnte dies folgendes bedeuten. Da die Temperaturen auf der sonnenzugewandten Seite des Kometenkerns beim Periheldurchgang auf über 300 K ansteigen können, sollten dort angereicherte Silikate, wie Olivin bzw. Pyroxene, leicht verwittern. Die dunkle Kruste des Kometenkerns könnte deshalb zum großen Teil auch aus Schichtgittersilikaten aufgebaut sein. Der größte Teil der von den Massenspek-
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5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
trometern aufgefangenen Staubteilchen entstammt aber nicht dieser Kruste. Sie ist im Gegenteil relativ stabil, und von dort abgelöste Partikel fallen häufig wieder auf die Oberfläche zurück. Die „Atmosphärilien“ des Kometen entspringen tieferen Bereichen des Kerns, sie entweichen aus dem Innern durch „Risse“ bzw. „Löcher“ in der Kruste. Da die Temperaturen darunter sehr schnell absinken, wahrscheinlich innerhalb nur weniger Meter auf etwa 70 K, werden Silikate wie Olivin oder Pyroxene, die im Kometeninnern enthalten sind, kaum einer nennenswerten Verwitterung unterliegen. Sie entweichen mit den leichtflüchtigen Spezies sehr schnell (400—1000 m/s) und gelangen sicher fast unverändert dorthin, wo sie von den Massenspektrometern der Halley-Sonden analysiert wurden. Aus diesem Grunde ist es möglich, daß die Silikatpartikel zum größeren Teil aus Olivin und Pyroxenen und zum kleineren Teil aus deren Verwitterungsprodukten bestehen. Andere Teilchentypen, wie sie in einer solaren Urwolke auftreten können, müssen naturgemäß auch vertreten sein. Eine Reihe von Spektren weisen dies auch deutlich aus. Zusammenfassend ist hinsichtlich des Ursprungs der festen Kometenmaterie und bezogen auf die in Kap. 5.3. entwickelten Modellvorstellungen folgende Einschätzung möglich: — Im Kern eines Kometen sind Silikate, Oxide und Elemente (z. B. auch Kohlenstoff, Metalle, Legierungen etc.) enthalten, wie sie von den chondritischen Meteoriten und den BrownleePartikeln her bekannt sind. — Vorherrschend sind Silikate, Oxide etc., die in der Kondensationssequenz des solaren Nebels früh erscheinen bzw. die bereits als interstellarer Staub Teil der Gas-/Staubwolke waren, aus der das Sonnensystem entstand. Die Silikatspezies werden durch Olivin und Pyroxene beherrscht. — Hydratisierte Schichtgittersilikate entstehen in größerem Umfange erst bei Kometen, deren Bahnverlauf sie in die Nähe der Sonne führt. Infolge der dadurch ansteigenden Temperaturen wird die Umwandlung des Olivins und der Pyroxene in Schichtgittersilikate initiiert und/oder stark beschleunigt. Durch die oftmalige Wiederholung dieses Prozesses reichern sich diese Schichtgittersilikate in der Oberfläche des Kometenkerns an. — Die feste Materie des Kometenkerns repräsentiert einen ursprünglicheren Stoffzustand, als dies bei den kohligen Chondriten des Typs I der Fall ist, da die dort vorherrschenden hydratisierten Schichtgittersilikate erst durch einen nach-
5.5. Zur Natur der silikatischen Staubpartikel
75
folgenden Umwandlungsprozeß, vor allem durch Reaktion von Olivin und Pyroxenen mit Wasser, entstehen. Gleichzeitig ist damit ein möglicher Entstehungsort der kohligen Chondrite des Typs I, nämlich die äußerste dünne Kruste eines Kometenkerns, gegeben. Geht man nun von der Betrachtung der Natur der festen Kometenmaterie im engeren Sinne zur Betrachtung der Natur des planetaren Kleinkörpers Komet insgesamt über, dann sind bezüglich seiner Einordnung in das Sonnensystem einige (spekulative) Anmerkungen möglich. Legt man den kosmochemischen Trend zugrunde, dann sind Kometen mit recht großer Sicherheit als Objekte des Sonnensystems zu bezeichnen. Die Ähnlichkeit in der Hauptelementverteilung mit der in den CI-Chondriten stützt diese Schlußfolgerung. Sie hat auch noch ihre Berechtigung, wenn man vom oben diskutierten Fe/(Fe + Mg)-Verhältnis ausgeht und dies im mineralogischen Sinne interpretiert. Auf dieser Basis sind dann sogar weiterreichende Ansätze möglich. Wenn sich nämlich die Kometen jenseits der Plutobahn, z. B. in der hypothetischen Oortschen Wolke bildeten, dann ist mit Umwandlungsreaktionen, die Olivin oder Pyroxene in Schichtgittersilikate transformieren, nicht zu rechnen. Zumindest nicht im Kern der Kometen, da deren Temperatur kaum über 30—40 K steigen dürfte. Ähnliches ist beim Kometen Halley zu erwarten, dessen Inneres (ab einige Meter unter der Kruste) auch beim Periheldurchgang nicht höher als etwa 70 K erwärmt werden dürfte. Bei Kometen mit noch sonnennäherer Umlaufbahn können die Kerntemperaturen aber durchaus höhere Werte erreichen. Hinsichtlich des Ursprungs und des Charakters der festen Materie ist letzteres aber belanglos. Die feste Komponente entspricht eher Kondensaten, wie sie in der präsolaren Gas-/Staub-Wolke auftreten sollten. Somit gehört dieses Material zwar zum Sonnensystem, aber durch die große Entfernung zum sich entwickelnden Zentralgestirn ist es durch letzteres im wesentlichen unbeeiflußt geblieben. Auch dies führt zu dem Standpunkt, daß Kometen Objekte des Sonnensystems sind. Allerdings entstanden sie in dessen äußerstem Randbereich. Ihre stofflichen Eigenschaften sollten deshalb der Natur interstellarer Materie zumindest sehr ähnlich sein. Aus diesem Grunde enthalten Kometenkerne festes Material (Silikate, Oxide etc.), wie es in interstellaren Staubwolken auftritt, zumindest zum großen Teil. Eingebettet ist es in verschiedenen Eisspezies, vor allem Wassereis, das wahrscheinlich im wesentlichen aus dem inneren Sonnensystem
76
5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
stammt. Am Ort der Akkretion der Kometenkerne lag das Wasser (neben anderen Verbindungen) aber als festes Tieftemperaturkondensat vor. In der Interpretation der oben angegebenen Daten ist die Tendenz, die Halley-Ergebnisse auf alle Kometen zu generalisieren, deutlich geworden. Es ist aber bekannt, daß alle diese Objekte sehr unterschiedliche Erscheinungsformen aufweisen können. Untersuchungen zur weiteren Klärung dieser Fragen sind von Weissman (1987) auf der Basis von Isotopenanalysen durchgeführt worden. Das Verhältnis Deuterium/Wasserstoff (D/H), ermittelt am Kometen Halley, liegt zwischen 0,6 und 4,8 · 10–4. Dieser Wert ist größer als im interstellaren Medium und auch größer als bei Jupiter und Saturn. Dagegen stimmt er gut mit den Werten der terrestrischen Ozeane und den Atmosphären von Uranus und Titan überein. Bei letzteren führt man dies darauf zurück, daß diese Körper einem heftigen kometaren Bombardement ausgesetzt waren. Im Vergleich zu dichten Molekülwolken (interstellaren) ist das D/H-Verhältnis von Halley aber beträchtlich niedriger. Das widerspricht der Hypothese, daß sich Kometen gerade dort bildeten, und zwar noch vor dem Kollaps derartiger Systeme, der zur Entstehung von Sternen und Planetensystemen führte. Unwahrscheinlich ist deshalb auch, daß Kometen, die sich in den Molekülwolken gebildet haben könnten, vom Sonnensystem eingefangen wurden. Vielmehr erscheint es als sicherer, daß sich Kometen aus dem gleichen Materialreservoir entwickelten, aus dem auch die anderen Objekte des Sonnensystems entstanden. Auch andere Isotopenmuster bestätigen diesen Standpunkt. Das Sauerstoffisotopenverhältnis von Halley wurde zu 18O/16O = 0,0023 ± 0,0006 bestimmt, was mit dem Sonnensystemwert von 0,00250 gut übereinstimmt. Gleiches gilt für das Kohlenstoffisotopenverhältnis 12C/13C von 80—100, welches dem terrestrischen Werte entspricht. Diese Parameter zeigen, daß eine Generalisierung der HalleyErgebnisse auf andere Kometen durchaus möglich ist. Darüber hinaus wird aber auch deutlich, daß Kometen und andere planetare Objekte des Sonnensystems die gleiche Materialbasis haben. Zum Beispiel sollten Kometen eine wichtige Rolle als Materiallieferanten für einige planetare Atmosphären und die Ozeane der Erde gespielt haben.
5.6. Der Aufbau des Kometenkerns
5.6.
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Der Aufbau des Kometenkerns
Zum strukturellen Aufbau eines Kometenkerns ist festzustellen, daß das Modell des „schmutzigen Schneeballs“ im allgemeinen brauchbar ist, an einigen Stellen aber modifiziert werden muß. Der Kometenkern ist mit einer sehr dünnen Kruste (eventuell nur einige Zentimeter) fast schwarzen Materials bedeckt. Ihre Albedo liegt zwischen 0,02 und 0,04. Die Kruste ist an verschiedenen Orten „aufgerissen“ bzw. zeigt einige „Löcher“, durch die das helle Innere des Kerns hervortritt. Die schwarze Kruste besteht wahrscheinlich aus dunklen Silikaten unterschiedlicher Natur, wobei hydratisierte Schichtgittersilikate eine vorherrschende Rolle spielen sollten. Außerdem ist dem Silikatmaterial offenbar ein beträchtlicher Kohlenstoff- oder Kohlenwasserstoffanteil zugemischt. Das Innere des Kerns besteht vorwiegend aus Wassereis, einschließlich einiger noch leichter flüchtiger Verbindungen im Eiszustand und wenigen Prozent fein verteilter Silikate, Oxide, Elemente, Legierungen etc. Silikate, Kohlenstoff und längerkettige Kohlenwasserstoffe werden in der Oberfläche akkumuliert, wenn in Sonnennähe die leichtflüchtigen Stoffe und Verbindungen aus den oberflächennahen Bereichen sublimieren. Die Dichte des Kerns liegt offenbar zwischen 0,4 und 0,6 g/cm3. Detailkenntnisse über den Innenaufbau des Kerns liegen nicht vor. Dazu kann lediglich festgestellt werden, daß, berücksichtigt man die äußere Form und einige Strukturmerkmale der Oberfläche, der Kern eventuell ein Konglomerat einiger kleinerer Blöcke oder „Teilkerne“ ist. Bezüglich noch kleinerer Bausteine (Kometesimals) lassen sich einige Schlußfolgerungen aus den bereits oben beschriebenen Massenspekten ziehen. Wie erwähnt, besteht der größte Teil der untersuchten Partikel aus Elementen, die sowohl organischen Verbindungen als auch Silikaten zuzuordnen sind. Somit haben diese Teilchen prinzipiell eine Zusammensetzung, wie sie von den sogenannten Greenberg-Partikeln (Greenberg, 1982) her bekannt sind. Sie werden in Anlehnung an den Begriff Planetesimal als Kometesimal bezeichnet. Dabei geht Greenberg (1982) davon aus, daß sich in interstellaren Materiewolken Kometen-„Staub“ entwickelte, dessen Partikel bereits alle Komponenten des Kometen enthalten. Insgesamt werden drei Evolutionsstufen von präkometaren Teilchen angenommen. Gemeinsames Merkmal aller drei Typen ist ein Silikat- oder Kohlenstoff kern. Er ist eingehüllt in einen ein- oder mehrschichtigen Mantel leichtflüchtiger Verbindungen, deren Zusammensetzung der stofflichen Charakteristik
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5. Chemie und Mineralogie der festen Kometenmaterie
unterschiedlich entwickelter interstellarer Materiewolken entspricht (Abb. 17). Bei den refraktären organischen Verbindungen soll es sich in diesem Modell um komplexere Moleküle handeln, über deren Natur oder Aufbau noch nichts bekannt ist. Von Greenberg (1982) zu diesen Fragen durchgeführte Experimente brachten ebenfalls keinen Aufschluß. Denkbar ist, daß sie durch Photoioni-
Abb. 17. Querschnitt möglicher Teilchen unterschiedlich entwickelter interstellarer Materiewolken, die auch als Bausteine von Kometesimalen in Frage kommen (Greenberg, 1982)
sation, Wechselwirkung mit anderer energetischer Strahlung oder Teilchen aus Elementen und leichteren Verbindungen synthetisiert wurden und nur in Form komplexerer Moleküle die Chance bestand, mit dem Silikatkern verbunden zu bleiben. Aus den Massenspektren ist zu entnehmen, daß die Greenbergschen Kometesimalen ein geeignetes Modell darstellen. Auch ihre Zusammensetzung ist plausibel. Mit Blick auf den inneren Aufbau eines Kometenkerns sind auf dieser Basis folgende Schlußfolgerungen möglich: — Der Kometenkern setzt sich aus Kometesimalen zusammen, wie sie in Abb. 17 vom Prinzip her dargestellt sind.
5.6. Der Aufbau des Kometenkerns
79
— Der Kometenkern ist nicht als ein einziges großes Kometesimal anzusehen. Das gleiche gilt auch für die einzelnen größeren (hypothetischen) Blöcke oder „Teilkerne“. — Die Kometesimalen sind mehr oder weniger gleichmäßig im gesamten Kern verteilt. Sie befinden sich wahrscheinlich in einer „Matrix“, die vorwiegend aus Wassereis besteht. — Neben Kometesimalen vom Greenberg-Typ treten in geringerem Ausmaß auch Kernbausteine auf, die vorwiegend aus Silikaten, Oxiden etc. und refraktären organischen Verbindungen bestehen.
6.
Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Die physikalischen Prozesse, die in der Umgebung von Kometen bei ihrer Bewegung um die Sonne ablaufen, werden in ihren Grundzügen dadurch bestimmt, daß die vom Kometenkern durch Sublimation erzeugte Neutralgasatmosphäre mit der elektromagnetischen Strahlung der Sonne und dem gleichfalls von ihr ausgehenden Plasmastrom (Sonnenwind) in Wechselwirkung tritt. Gekoppelt mit komplizierten Molekülreaktionen werden dabei plasmaphysikalische Prozesse ausgelöst, deren theoretische Durchdringung bis heute noch recht unvollkommen ist und den Einsatz modernster Methoden der Plasmaphysik erfordert, wie sie auch für ähnliche Aufgaben in anderen Bereichen (Laser-Plasma-Wechselwirkung, Tokamak-Physik) entwickelt werden. Die Atmosphäre von Kometen befindet sich auf Grund ihrer Bewegung auf stark elliptischen Bahnen um die Sonne in einem sehr veränderlichen Zustand. Merkliche atmosphärische Aktivität setzt bei Annäherung an die Sonne ein, wobei Kometen, die reich an leichtflüchtigen Bestandteilen (Volatiles) wie CO und CO2 sind früher aktiv werden (d é 3 AE) als solche, bei denen die Sublimation durch H2O bestimmt wird (d ≈ 2AE). In demselben Maße, wie die Erzeugung von Neutralgas zunimmt, variiert auch der Charakter der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung. Ohne ausgeprägte Atmosphäre stellt der Komet (ähnlich wie der Mond) ein vernachlässigbares Hindernis im Sonnenwind dar; der solare Plasmastrom trifft ungehindert auf die Kometenoberfläche auf und wird dort absorbiert. Bei starker Aktivität in Sonnennähe dagegen ist die abströmende Neutralgasatmosphäre, die vorwiegend durch solare UV-Strahlung ionisiert wird, Ursache dafür, daß eine großräumige „Umströmung“ des Kometen mit charakteristischen Längen von 108 km einsetzt, was am deutlichsten in der Ausbildung der Kometenschweife sichtbar wird. Eine nicht unbedeutende Rolle bei dieser Wechselwirkung spielt das vom Sonnenwind mitgeführte Magnetfeld, das zu vielfältigen Erscheinungen bis hin zur Ausbildung einer induzierten Magnetosphäre mit ausgebildetem Stromsystem führen kann. Mit Plasmamessungen in der Umgebung von Kometen finden die Untersuchungen zur Wechselwirkung des Sonnenwindes mit
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
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planetaren Objekten eine konsequente Fortsetzung. Beginnend mit der Erforschung der Magnetosphäre der Erde, die ein Beispiel für die Umströmung von Planeten mit eigenem Magnetfeld ist und infolge der damit verbundenen Abbremsung des Sonnenwindes eine deutlich ausgebildete Bugstoßfront (bow shock) besitzt, sind durch den Einsatz von Satelliten u. a. auch die Plasmastrukturen im Umfeld der Venus untersucht worden, wo auf Grund des Fehlens eines Eigenmagnetfeldes die direkte Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der planetaren Ionosphäre der dominierende Faktor ist. Diese bildet das eigentliche Hindernis für den Sonnenwind, der in gleicher Weise wie durch ein Magnetfeld abgebremst wird und vor dem Planeten eine Stoßfront ausbildet. Ähnliche Verhältnisse bestehen am Mars. Neuere Erkenntnisse darüber haben die im Frühjahr 1989 bei der PHOBOS-Mission durchgeführten Plasma- und Magnetfeldmessungen gebracht (s. Nature, Vol. 341, 1989). Bei den Kometen handelt es sich ähnlich wie bei der SonnenwindIonosphären-Wechselwirkung um das Eindringen des Sonnenwindes in ein durch Photoionisation erzeugtes Plasma. Allerdings gibt es dort eine spezifische Situation: Infolge des Fehlens von Gravitation sorgt die kometare Ausgasung von leichtflüchtigen Bestandteilen dafür, daß in großen Entfernungen vom Kern kontinuierlich Plasma produziert wird und dementsprechend vom Sonnenwind „aufgenommen“ werden muß. Dieser Prozeß der kontinuierlichen Massenaufladung des Sonnenwindes ist schließlich ausschlaggebend dafür, daß ein gegenüber den Verhältnissen bei Planeten grundsätzlich verändertes Bild der Umströmung entsteht. Wegen der Schwierigkeiten einer umfassenden theoretischen Modellierung von Kometenatmosphären, bei der photochemische Reaktionen und die durch den Sonnenwind erzeugte Plasmadynamik in selbstkonsistenter Form zu berücksichtigen wären, gibt es in den existierenden Modellen eine schwerpunktsmäßige Ausrichtung jeweils auf die eine oder andere Seite des Problems. Das heißt, in der einen Klasse von Modellen werden eine vereinfachte Geometrie und Plasmadynamik angenommen zugunsten einer möglichst vollständigen Erfassung chemischer Prozesse; bei der anderen Richtung dagegen wird die chemische Reaktionskinetik auf ein Minimum reduziert und sich fast ausschließlich auf plasmadynamische Vorgänge orientiert, die ein Bild der Strömungsverhältnisse ergeben sollen. Erste entscheidende Fortschritte bei der mathematischen
82
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Modellierung der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung gab es vor mehr als 20 Jahren durch die Arbeit von Biermann u. a. (1967), in der die Aufnahme des kometaren Plasmas durch den Sonnenwind (Massenaufladung) mit Hilfe magneto-hydrodynamischer (MHD-)Gleichungen beschrieben wird. In dem verwendeten Modell wird der Massenzuwachs infolge Produktion kometaren Plasmas sowie der (als momentan angenommene) Impuls- und Energieaustausch in sehr vereinfachter Form über Quellterme in den MHD-Gleichungen berücksichtigt. Auf demselben Grundkonzept basieren bis heute die weiter verbesserten Modellrechnungen, die im Fall dreidimensionaler Geometrie mit erheblichem numerischem Aufwand verbunden sind und ein allgemein akzeptiertes Bild der zu erwartenden Plasmastrukturen bei maximal ausgebildeter Kometenatmosphäre geliefert haben (s. Brandt und Mendis, 1979; Brandt und Chapman, 1981; Mendis und Houpis, 1982; Hughes, 1982; Fernandez und Jockers, 1983; Mendis, Houpis und Marconi, 1985). Abgesehen von den Beschränkungen durch die Wahl vereinfachter Grundgleichungen, wodurch der numerische Aufwand in vertretbaren Grenzen gehalten wird, gibt es das Problem, daß in den meisten Modellrechnungen von stationären Bedingungen ausgegangen wird, während in der Kometenatsmosphäre und bei der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind tatsächlich eine Reihe nichtstationärer Phänomene (Ausbrüche, bewegende Envelopen, Strahlbewegungen und Diskontinuitäten im Schweif u. ä.) beobachtet worden sind. Auch in dieser Richtung hat es in jüngster Zeit erste Bemühungen im Rahmen von MHD-Modellen gegeben (SchmidtVoigt, 1988). Nach den Missionen zu den Kometen Giacobini-Zinner und Halley in den Jahren 1985/1986 liegt nun erstmalig umfangreiches Material direkter Plasmamessungen aus unterschiedlichen Gebieten der Kometenatmosphäre vor, das für einen Vergleich mit den Aussagen theoretischer Modelle geeignet ist. Als generelle Tendenz läßt sich dabei feststellen, daß mit fortschreitender Analyse der Meßergebnisse mehr und mehr deutlich wird, daß das ursprünglich entwickelte Konzept der Massenaufladung des Sonnenwindes durch kometare Ionen zwar einige grundsätzliche Eigenschaften, wie die Abbremsung des Sonnenwindes, richtig wiedergibt, für die Erklärung einer Vielzahl wichtiger Plasmaphänomene aber nicht ausreichend ist. Ein wichtiger Punkt andauernder Diskussionen in der Literatur betrifft das Problem der kometaren Bugstoßfront, deren Existenz durch MHD-Modellrechnungen vorhergesagt wor-
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
83
den ist. Obwohl bei den Missionen zum Kometen Halley stoßfront-ähnliche Strukturen beobachtet worden sind, zeigen sie jedoch wenig Gemeinsamkeiten mit den gut untersuchten Erscheinungen an der Bugstoßfront der Erde. Eigene Bemühungen zur Klärung sichtbar gewordener Diskrepanzen, die schließlich zu einem neuen Plasmamodell für Kometen geführt haben (Sauer, 1988), werden an späterer Stelle ausführlich erläutert.
6.1.
Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
Unsere Kenntnisse über die Natur von Kometen hatten sich etwa seit der Jahrhundertwende durch Beobachtungen vom Boden aus beträchtlich erweitert. In jüngster Zeit sind durch die Satellitentechnik neue Möglichkeiten für Fernerkundungen erschlossen worden. Spektroskopische Messungen hatten insbesondere wertvolle Informationen über die Zusammensetzung der Kometenatmosphäre geliefert. Aber auch hier verblieben deutliche Lücken. Weit unbefriedigender jedoch waren die Kenntnisse über die Art der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem kometaren Plasma. Nur durch direkte Messungen mittels Raumsonden konnte man bei der Erforschung dabei ablaufender Plasmaprozesse deutliche Fortschritte erwarten. Dieser Abschnitt ist weitgehend mit früheren Darstellungen (Möhlmann u. a., 1986) identisch. Den Kenntnisstand vor den Kometenmissionen wiederzugeben kann dabei unter zweierlei Gesichtspunkten gesehen werden. Zum einen sind es Informationen, die auch nach den direkten Messungen durch Raumsonden ihre Bedeutung behalten haben, wie z. B. über die chemische Zusammensetzung der Kometenatsmosphäre, soweit sie spektroskopischen Beobachtungen zugänglich war, über zugehörige reaktionskinetische Modelle und über den Plasmaschweif, der nach wie vor seine Geheimnisse besitzt. Zum anderen erscheint es zweckmäßig, wenn bisherigen Ansichten neuere Tendenzen, die im Ergebnis direkter Messungen entstanden, gegenübergestellt werden. Das betrifft die Plasmamodelle zur Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung, wo sich grundsätzlich neue Entwicklungen abzeichnen.
6.1.1.
Die Kometenatmosphäre
Identifizierte Spezies und Muttermoleküle Die bisher auf Grund ihrer atomaren und molekularen Emissionen festgestellten Spezies sind in Tabelle 10 aufgeführt, wobei nicht alle Konstituenten in allen Kometen beobachtet worden sind.
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
84
Die meisten der beobachteten Radikale sind nicht stabil. Sie entstehen vielmehr durch photochemische Reaktionen aus den Muttermolekülen, die durch Verdampfen aus dem Kometenkern freigesetzt werden. Aussagen über die Natur dieser Moleküle sind zur Zeit nur indirekt über die gemessenen Atome, Moleküle und Radikale in Verbindung mit theoretisch konstruierten Reaktionen möglich und sind daher mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Tabelle 10 Spektrale Identifikation in Kometen Elemente
Neutrale und Radikale
Ionen
H O C S Na K Ca V Mn Fe Co Ni Cu Cr
C2 C13C CH CN CO CS NH OH C3 NH2 H2O HCN CH3CN
C+ Ca+ + CO + CH + OH + CN + N2 + CO2 H2O+
12
Neben den sehr sicheren Kandidaten wie H2O, CO2, CO, NHS, CH4 und C2H2 gibt es wahrscheinlich noch viele andere komplizierte Moleküle. Hier kommen in erster Linie solche Verbindungen in Frage, wie sie auch in interstellaren Molekülwolken nachgewiesen wurden. Die spektroskopische Beobachtung von Kometen erstreckt sich über den gesamten Bereich der elektromagnetischen Strahlung. Die meisten der neutralen Radikale, Metalle und Ionen sind im optischen Bereich nachweisbar; Radio- und VUV-Beobachtungen unter Einsatz von Satellitentechnik haben seit etwa 1970 die diagnostischen Möglichkeiten beträchtlich erweitert. Die Bestimmung der Ausgasungsraten erfolgt aus der Energiebilanz unter Berücksichtigung von Sublimation, Wärmeleitung
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
85
sowie Ein- und Rückstrahlung von Sonnenenergie. Auf Modellrechnungen ist bereits in Kapitel 4.3. in Verbindung mit einer Diskussion über den Wärmehaushalt des Kometenkerns eingegangen worden. Im Ergebnis ist u. a. gezeigt worden, daß die Ausgasungsrate für einen Wassereis-Kometen auf Z0 j 2 · 1018 cm2 s–1 bei einer Gleichgewichtstemperatur von etwa 200 K ansteigt, wenn sich der Komet der Sonne auf 1 AE nähert. Für einen Kometen mit einem Radius von r = 1 km bedeutet das eine totale Ausgasungsrate von Q j 2 · 1029 s–1. Das ist ein Wert, der recht gut mit dem aus spektroskopischen Messungen übereinstimmt. Elemente, Tochtermoleküle und Radikale Bei der anschließenden Diskussion einiger individueller Moleküle wird davon ausgegangen, daß H2O, CO2, CO, CH4 und NH3 die wichtigsten Muttermoleküle sind (s. a. Fernandez und Jockers, 1983). Wasser wird als einer der wesentlichsten Bestandteile von Kometenkernen angesehen; eine direkte Beobachtung im Radiobereich ist jedoch bisher nicht gelungen. Neben dem Nachweis der wichtigsten Dissoziationsprodukte O und OH ist die Identifizierung des H2O+-Moleküls im Spektrum des Kometen Kohoutek 1973 XII von Bedeutung, nachdem die Emission dieses Moleküls im Labor (Lew und Heiber, 1973) untersucht worden ist. Nachfolgend konnte auch in früher aufgenommenen Spektren von Kometen die H2O+-Emission identifiziert werden. Von den neutralen Komponenten nimmt Wasserstoff eine besondere Stellung ein, da er eine gewaltige Wolke (r á 106 km) bildet, die den Kometen nahezu symmetrisch umgibt. Die mehr oder weniger stark ausgeprägte Abflachung auf der sonnenzugewandten Seite entsteht durch den solaren Strahlungsdruck. Biermann und Trefftz (1964) hatten die Existenz einer intensiven Lα-Emission (λ = 1216Å) bei Kometen vorhergesagt. Eine Bestätigung dafür gab es wenige Jahre später bei Beobachtungen der Kometen Tago-Sato-Kosaka 1969 IX und Benett 1970 II mit Instrumenten an Bord der Satelliten OAO-2 (OAO = Orbiting Astronomical Observatory). Aus dem Isodensiten-Bild konnte nach dem sogenannten Fontainen-Modell von Haser (1957) eine Lebensdauer von Wasserstoff (gegenüber Photodissoziation und Ladungsaustausch) von τH j 2 · 106 s und eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit von v H j 9 km/s ermittelt werden. Eine noch bessere Anpassung
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6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
ließ sich später durch Kombination von zwei gleich großen Geschwindigkeitsverteilungen mit vH j 20 km/s und vH j 7 km/s erreichen. Es wird angenommen, daß die schnellere Komponente aus der Photodissoziation von H 2 O (H 2 O + hv → OH + H (~ 20 km/s)) resultiert, während die langsamere Komponente aus Photodissoziation von OH hervorgeht (OH + hv → O + H). Sehr deutlich wird die sehr unterschiedliche räumliche Verteilung der neutralen Komponenten und der Ionen, wenn man den
Abb. 18. Fotografische Beobachtung eines Kometen — im sichtbaren Bereich und — durch La-Emission
Kometen einmal im optischen und nahen IR-Bereich und zum anderen im VUV-Bereich beobachtet. In Abb. 18 ist das Ergebnis derartiger Messungen für den Kometen West (1975n) schematisch dargestellt. Während die Wasserstoffwolke um den Kern konzentriert ist, strömen die Ionen bis auf sehr große Entfernungen (á 107 km) in den Schweif ab. Emissionslinien des OH-Radikals wurden zuerst von Swings u. a. (1941) im Kometen Cunningham 1941 I beobachtet. Aus theoretischen Modellen wird auf eine Lebensdauer von τOH j 105 s geschlossen; direkte Messungen darüber liegen nicht vor. Als Muttermolekül für das OH-Radikal kommt außer Wasser noch Formaldehyd (HCOH) in Betracht. Da sich dieses Molekül jedoch sehr instabil gegenüber Photodissoziation verhält, ist ein direkter Nachweis sehr schwierig, und Versuche blieben bisher auch ergebnislos.
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
87
Wichtige Aufschlüsse über die Herkunft von OH und H lassen sich aus den zugehörigen Produktionsraten und ihrer Variation mit dem heliozentrischen Abstand gewinnen. Keller und Lillie (1974/78) z. B. haben durch Messungen an den Kometen Benett und Tago-Sato-Kosaka nachgewiesen, daß die H-Produktionsrate (reduziert auf 1 AE) bei QH j 5 · 1029 s–1 liegt und um den Faktor 2 höher ist als die entsprechende Rate für OH, was für H2O als Muttermolekül spricht. Wie H2O zählt auch CO2 zu den wesentlichsten Kandidaten, die als Muttermoleküle in Frage kommen; das gilt auch für CO, obwohl es zu den leichtflüchtigen Verbindungen gehört. Im Gegensatz zu Wasser, wo Photodissoziation der bestimmende Verlustprozeß ist, sind die Reaktionsraten von CO2 und CO gegenüber Photodissoziation und -ionisation nahezu gleich, so daß sie in ionisierter Form komplexe Molekülreaktionen eingehen können. Andererseits unterscheiden sich CO2 und CO von H2O dadurch, daß sie wesentlich stabiler sind und so in größeren Mengen aus der inneren in die äußere Atmosphäre gelangen können. Dort werden sie dann vom Sonnenwind aufgenommen und in der großräumigen Plasmaströmung mitgeführt. Über die Emissionsbanden von CO+ und CO2+ lassen sich Aussagen über die neutralen Moleküle gewinnen; Angaben über ihre Produktionsraten sind jedoch noch nicht möglich. Modellrechnungen hierzu sind z. B. in einer Arbeit von Feldman und Brune (1976) zu finden. Die vermutete Zugehörigkeit von CH4 zu den Muttermolekülen entstammt dem Fakt, daß der Wasserstoff in der solaren Urwolke zur Entstehung des Methans geführt haben müßte. Seine Bestimmung ist aber nach wie vor sehr unsicher, denn er kann weder im sichtbaren noch im ultravioletten Spektrum nachgewiesen werden. Die beobachteten Anteile an CH sind wahrscheinlich Reaktionsprodukte von Kohlenwasserstoffen und vor allem des CH4. Ein weiterer Hinweis auf kohlenstoffhaltige Muttermoleküle ist das Auftreten von atomarem Kohlenstoff. Modellvorstellungen gehen davon aus, daß er aus rekombinierendem CO+ entsteht oder aber durch Photodissoziation von CO, wobei auf diesem Wege bis 50% des beobachteten C-Anteils erzeugt werden könnten. C2- und C3-Radikale sind verantwortlich für entsprechende Emissionslinien im sichtbaren Teil des Spektrums. Ihr Anteil insgesamt ist relativ gering. Die Quelle beider Spezies ist noch höchst unsicher. Es herrscht die Meinung vor, daß sie durch Photodissoziation aus komplexeren Kohlenwasserstoffen entstehen.
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6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Reaktionskinetische Modelle Für die Beschreibung der photochemischen Vorgänge in Kometenatmosphären sind eine Vielzahl unterschiedlicher reaktionskinetischer Modelle entwickelt worden. Dabei wird von einer angenommenen chemischen Zusammensetzung des Kerns ausgegangen und versucht, unter Einbeziehung verschiedener Reaktionskanäle die berechneten Verteilungen an die beobachteten Profile
Abb. 19. Ionen-Molekülreaktionen von H2 O unter Beteiligung von UV-Strahlung und Sonnenwind (nach Yamamoto, 1981)
anzupassen. Wie vielschichtig dieses Problem ist, wird bereits deutlich aus den Modellen, wo lediglich Wasser als alleinige Kernsubstanz angenommen wird. Mendis u. a. (1972) entwickelten ein Modell, in dem H2O und die Tochterprodukte OH, O, H, O+ und H+ und Elektronen betrachtet werden. Dabei werden Photodissoziation, Photoionisation und Ladungsaustausch der kometaren Neutralen mit den Sonnenwindprotonen in der äußeren Koma als Reaktionsprozesse berücksichtigt. Es zeigte sich, daß mit diesem Modell keine ausreichende Anpassung an gemessene Verteilungen erzielt werden konnte, was insbesondere die Geschwindig-
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
89
keitsprofile der Komponenten anbetraf. Wichtige Molekülreaktionen unter Einbeziehung von H2O+ und H3O+ fehlten in dem obigen Modell. Verbesserte Modelle wurden in der Folgezeit entwickelt, in denen mehr und mehr Molekülreaktionen berücksichtigt wurden. Eine Diskussion dazu soll hier nicht erfolgen. Bereits das vollständigere H2O-Reaktionsschema in Abb. 19 vermittelt einen Eindruck darüber, wie der Umfang anwächst, wenn weitere Spezies (CO2, CO, CN, C2 u. a.) in reaktionskinetische Modelle einbezogen werden. Ein Modell für die äußere Koma des Kometen Halley mit H2O, CO2 und CO im Verhältnis 1:0,15:0,15 ist von Ip (1981) durchgerechnet worden; entsprechende Ergebnisse zeigt
Abb. 20. Modell der äußeren Koma für den Kometen Halley nach Ip (1981), angenommene Zusammensetzung: H2O:CO2:CO = 1:0,15:0,15
90
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Abb. 20. Das aufwendigste chemische Reaktionssystem zur Modellierung von Kometenatmosphären wurde von Mitchell u. a. (1981) entwickelt, die 128 Spezies mit 1192 Reaktionen in ihrem Modell berücksichtigten. In eine andere Richtung gingen die Untersuchungen von Marconi und Mendis (1982), die sich anstelle der Chemie stärker auf die thermodynamischen Prozesse in den von H2O bestimmten Kometenatmosphären konzentrierten. Für Bedingungen bei 1 AE wurde der Satz von Erhaltungsgleichungen für Teilchendichte, Impuls, Energie und Fluß solarer UV-Strahlung gelöst. Die erhaltenen Ergebnisse sind insofern von Bedeutung, als sie Hinweise geben, inwieweit es in den Reaktionsmodellen gerechtfertigt ist, mit konstanten Geschwindigkeits- und Temperaturprofilen zu rechnen. Natürlich kann ein solches Vorgehen nicht Modelle ersetzen, in denen Molekülreaktionen und dynamische Prozesse mit Energie- und Impulstaustausch kombiniert werden.
6.1.2.
Der Plasmaschweif
Die für den irdischen Beobachter bei hellen Kometen auffälligste Erscheinung ist der Plasmaschweif. Er kann bei vollständiger Entwicklung eine Länge von 20 bis 30 Millionen Kilometer bei einer radialen Ausdehnung bis zu einigen Hunderttausend Kilometern erreichen. Wegen der inhomogenen Natur des Plasmas und auftretender magnetischer Instabilitäten, auf die anschließend noch kurz eingegangen wird, ist es schwierig, aus den spektralen Beobachtungen relevante Ionen-Dichteprofile zu konstruieren. Erschwerend kommt hinzu, daß über den Transport von Plasma aus den zentralen Gebieten im Schweif unter Mitwirkung des Sonnenwindes ebenfalls wenig bekannt ist. Ein Versuch in dieser Richtung stellt das Modell von Ip (1979) dar. Hiernach gibt es längs der Schweifachse einen raschen Abbau von H 2 O + -Ionen durch starke dissoziative Rekombination. Das hat zur Folge, daß im entfernten Schweif selbst für H2O-reiche Kometen die Anteile von CO+ und anderen Ionen wie CO2+ und N2+ gegenüber H2O+ dominieren. Weit außen (> 10 7 km) sind im wesentlichen nur noch die atomaren Spezies H + und O + vorhanden. Das obige Modell ist auch in der Lage, einige Hinweise über die Ionenverteilung quer zur Schweifachse zu liefern. Auf vielen fotografischen Aufnahmen von Kometen wird ersichtlich, daß der Plasmaschweif keineswegs eine homogene Er-
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
91
Abb. 21. Komet Bennett 1969i (Karl-Schwarzschild-Observatorium Tautenburg)
92
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
scheinung darstellt; es wurden die vielfältigsten räumlich und zeitlich variierenden Strukturen beobachtet. Dazu gehören u. a. Dichtekondensationen, Knoten, schraubenförmige Wellen, Schweifstrahlen und Abrisse von Schweifteilen. Eine Klassifizierung von Schweifstrukturen wird z. B. in der Arbeit von Brandt (1982) vorgenommen. Große Beachtung haben immer wieder die strahlenförmigen Strukturen gefunden, die man auf schwach belichteten Fotografien erkennt und die ihren Ursprung in Kernnähe zu haben scheinen (Abb. 21). Es treten Strahlenbündel auf, die nahezu symmetrisch um die Schweifachse angeordnet sind. Ihre Neigung zur Achse ist nicht zeitlich konstant, sondern zeigt im Mittel abnehmende Tendenz, wobei bei Beobachtungen des Kometen Kobayashi-Berger-Milon (1975 h) eine mittlere Rate von etwa 3° pro Stunde registriert worden ist. Ein anderes Phänomen ist die Ausbildung von Dichtekondensationen, die sich längs des Schweifs mit Geschwindigkeiten bis zu 100 km/s ausbreiten und sich damit wesentlich schneller bewegen als auf Grund thermischen Abströmens (~ 1 km/s) zu erwarten wäre. Häufig wurden Korrelationen zu analogen Bewegungen in benachbarten Schweiffilamenten beobachtet. Das Auftreten derartiger Strukturen wird mit der Kelvin-Helmholtz-Instabilität in Verbindung gebracht. Nach den Modellen von Ershkovich (1980) wird der Schweif als ein ideal leitender Zylinder betrachtet, der vom Sonnenwind umströmt wird. Dabei entstehen an der Grenzfläche schraubenförmige Wellen, ähnlich wie auf der Wasseroberfläche, die vom Wind überstrichen wird. Die durchgeführten Modellrechnungen lieferten gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen bei den Kometen Morehouse 1908, Arend-Roland 1957 und Kohoutek 1973 bezüglich Wellenlänge und Amplitude. Vorbehalte gegenüber dieser Interpretation sind jedoch durch den + Nachweis von Doppler-Verschiebungen bei H2O -Emissionen entstanden. Die Messungen zeigen eine schweifabwärts gerichtete Bewegung von H2O+-Plasma mit 20 bis 40 km/s, womit angezeigt ist, daß die Dichtekondensationen eine materielle Bewegung darstellen. Die Schweifstrahlen werden im allgemeinen entsprechend einem Modell von Alfvén (1957) als magnetische Flußröhren interpretiert, die bei der Relativbewegung von Komet und Sonnenwind in den Schweif gezogen werden (Abb. 22). Obwohl dieses Modell sehr anschaulich wirkt und weitere Schlußfolgerungen bezüglich der Schweifabrisse erlaubt, ist in einer Arbeit von Lees (1964)
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
93
Abb. 22. Modell für Schweifstrahlen nach Alfvén (1957). Bildung eines magnetischen Schweifs aus dem Magnetfeld des heranströmenden Sonnenwindes (a) infolge des teilweisen „Festhaltens“ des Magnetfeldes durch die elektrisch leitfähige Kometenionosphäre (b, c). Das resultierende Magnetfeld ist im Bildteil (d) dargestellt.
darauf hingewiesen worden, daß bei der Umströmung eines Hindernisses durch einen magnetisierten Plasmastrom, wie den Sonnenwind, sich keine axialsymmetrischen Verhältnisse einstellen können, wie es das Alfvén-Modell voraussetzt. Es bildet sich vielmehr eine magnetische Barriere aus, die ihrerseits einen erhöhten Plasmastrom senkrecht zur ursprünglichen Magnetfeld-Ebene erzeugt. Hinweise auf die Existenz einer derartigen Konfiguration hat es durch Messungen an der Venus gegeben (Russel u. a., 1981), so daß sicherlich Modifizierungen am Alfvén-Modell notwendig sind. Als Konsequenz der Faltung der magnetischen Feldlinien im zentralen Bereich des Kometen wird von Ip und Mendis (1976) angenommen, daß sich längs der Schweifachse eine Neutralschicht ausbildet, welche die beiden Plasmagebiete mit entgegengesetzter Magnetisierung voneinander trennt. In dieser Schicht kann ein
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
94
Strom induziert werden, der auf der Drift des Plasmas in Richtung zur Stromschicht beruht. Modellmäßige Betrachtungen liefert für diesen Strom die einfache Beziehung IS j
c Bl 2π S S
Dabei sind BS das Schweif-Magnetfeld und lS die Länge der Neutralschicht längs des Schweifes. Für lS = 10 6 km und Bs = 100 nT erhält man einen Strom von IS j 10 8 A. Nimmt man weiter nach Ip und Mendis (1976) an, daß etwa 20% des Schweifstromes durch die innere Koma (mit einer radialen Ausdehnung von 103 km) fließen, so kann das eine sehr effektive Quelle für zusätzliche Ionisation sein, nach der — angeregt durch die Arbeiten von Wurm (1943) — vielfach gesucht worden ist. Als mögliche Ursache für erhöhte Ionisation kommen in diesem Zusammenhang auch solche Prozesse in Betracht, die ähnlich wie bei terrestrischen Substürmen bei Stromabbrüchen auftreten. Dabei können Elektronen auf Energien bis zu 100 keV beschleunigt werden und somit starke Ionisation in der Kometenatmosphäre (kometare Auroras) auslösen. In dem gleichen Maße, wie Unsicherheit bezüglich der sich im Plasmaschweif ausbildenden Stromsysteme herrscht, gibt es kontroverse Vorstellungen und Abschätzungen über die Stärke des dort vorhandenen Magnetfeldes, was wegen der unmittelbaren Verkopplung beider Probleme nicht weiter überrascht. Einfache Abschätzungen über die Stärke BS des Schweif-Magnetfeldes wurden von Ip und Mendis (1976) mit dem bereits oben erwähnten Modell gefalteter Feldlinien durchgeführt. Sie interpretieren die Bewegung der Schweifstrahlen als Plasmadrift, was auf die Beziehung B S j B0
u ud
führt, wo B0 das ungestörte Magnetfeld des Sonnenwindes, u die Sonnenwind-Geschwindigkeit und ud die charakteristische Driftgeschwindigkeit für die Verschiebung der Schweifstrahlen sind. Nach Beobachtungen liegt ud bei 100 km/s weitab von der Achse, und sie sinkt ab auf etwa 1 km/s bei Annäherung an die Schweifachse. Damit muß für das Magnetfeld im achsennahen Gebiet mit einer beträchtlichen Erhöhung (é 400) gegenüber den ungestörten Bedingungen gerechnet werden. Obwohl diese Berechnungen auf sehr einfachen Modellen basieren, erscheint ein Magnetfeld von
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
95
über 100 nT nicht unbegründet. Von Ershkovich (1978) hat es allerdings Einwände gegen ein derartig erhöhtes Schweif-Magnetfeld gegeben. Nach seinen Berechnungen liegt das Magnetfeld bei etwa 10 nT, was dem Wert im ungestörten Sonnen wind entspricht und auch mit Messungen im Venus-Schweif in Einklang steht, der in mehrfacher Hinsicht Ähnlichkeit mit dem Magnetfeldschweif von Kometen haben muß.
Abb. 23. Modell über Schweifabrisse nach Niedner und Brandt (1978)
96
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Wertvolle Ergebnisse bezüglich Struktur und Stärke des Magnetfeldes im Schweifgebiet von Kometen haben die erstmaligen direkten Messungen an Bord der Raumsonde ICE gebracht, die im September 1985 durch den Schweif des Kometen Giacobini-Zinner geflogen ist. Diese werden in Kap. 6.2. kommentiert. Ein markantes Schweifphänomen sind die sogenannten Abrisse (disconnection event), bei denen der Komet einen Teil seines Schweifes verliert und wieder neu aufbaut. Derartige Erscheinungen sind aus der Kometenliteratur seit langer Zeit bekannt. Erste Beobachtungen stammen aus dem Jahre 1890 von Barnard (1893), der in der Folgezeit weitere Ereignisse beschrieb. Neuere Untersuchungen über die Struktur des Sonnenwindes haben dazu geführt, daß die Richtungsumkehr des Magnetfeldes an den interplanetaren Sektorbegrenzungen als mögliche Ursache für Schweifabrisse in Betracht gezogen worden ist. Danach sind Abrisse dann zu erwarten, wenn der Komet von einer derartigen Sektorgrenze überstrichen wird. Eine qualitative Erklärung dieses Phänomens geht von dem Alfvénschen Modell über die Bildung der Strahlenstruktur im Kometenschweif aus. Von Niedner und Brandt (1978) stammt das in Abb. 23 dargestellte Szenarium: A: Der Sonnenwind mit einer eingeschlossenen Sektorgrenze nähert sich dem Kometen, dessen Schweifstruktur normal ausgebildet ist. B: Die Sektorgrenze trifft den Kometen. Dabei wird das Magnetfeld entgegengesetzter Polarität (im Vergleich zur ursprünglichen Richtung) von der Kometen-Ionosphäre festgehalten, und verbunden damit setzt nach den Alfvénschen Modellvorstellungen eine erneute Faltung der Magnetfeldlinien um den Kern ein. C: Die alte Schweifstruktur setzt sich von dem Kometen ab. Dieser Vorgang wird als großräumiger Schweifabriß von der Erde aus sichtbar. D: Eine neue „stabile“ Schweifkonfiguration hat sich ausgebildet. Dieser Vorgang wiederholt sich beim Auftreffen der nächsten Sektorgrenze, so daß etwa mit einem Ereignis pro Woche gerechnet werden kann. Ähnliche Vorgänge spielen sich offensichtlich an der Venus ab. Nach Beobachtungen von Russell u. a. (1981) ändert sich die Polarität der Magnetoschweif-Windungen beim Durchgang durch eine Sektorgrenze, was sehr dafür spricht, daß das von Niedner
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
97
und Brandt (1978) beschriebene Szenarium auch auf die Venus angewendet werden kann. Da der Sonnenwind keine gleichförmige Plasmaströmung ist, sondern — ausgelöst durch eruptive Vorgänge auf der Sonne — sehr dynamische Eigenschaften besitzt, werden neben den Sektorbegrenzungen andere Ursachen für Schweifabrisse diskutiert. In Betracht kommen insbesondere interplanetare Stoßwellen, die auf Grund sprunghafter Änderungen der Parameter des Sonnenwindes (Dichte, Geschwindigkeit und Temperatur) das dynamische Gleichgewicht der Wechselwirkung erheblich stören können. Le Borgne (1982) konnte an Hand von Meßergebnissen der Sonden ISEE 3 und Helios 2 zeigen, daß kurz vor dem Abreißen eines Schweifteiles des Kometen Bradfield 1979 am 6. 2. 1980 eine interplanetare Stoßfront den Kometen passiert hatte. Bezüglich der Beobachtung von Schweifaktivitäten beim Kometen Halley im Jahre 1986 wird auf die Arbeiten von Brandt und Niedner (1986), Celnik (1986), Jockers (1986), Wu und Qiu (1986) sowie Caron u. a. (1986) verwiesen. Am Beispiel der Schweifabrisse ist besonders deutlich geworden, daß das kinetische Verhalten von Feinstrukturen im Plasmaschweif mit Eigenschaften des Sonnenwindes korreliert ist. Da dieser selbst wegen seiner Bedeutung innerhalb der solar-terrestrischen Verkopplung ein wichtiges und interessantes Untersuchungsobjekt der kosmischen Forschung darstellt, soll abschließend auf die Möglichkeit hingewiesen werden, Plasmaschweife von Kometen als natürliche Sonden zur Diagnostik des Sonnenwindes zu nutzen. In zweierlei Hinsicht lassen sich auf diese Weise direkte Messungen mit Raumsonden wirkungsvoll ergänzen: (1) Kometen erreichen die Sonne unter allen Inklinationen, und (2) sie nähern sich der Sonne bis auf geringe Abstände, die für Raumsonden ausgeschlossen sind. Im einfachsten Fall kann aus der Orientierung des Schweifes in bezug auf die SonnenwindRichtung, ausgedrückt durch den Aberrationswinkel e, die radiale Geschwindigkeit ut nach der Beziehung tan e = vj_/uT berechnet werden, wenn die transversale Geschwindigkeit des Kometen v± bekannt ist. Es ist historisch interessant, daß Biermann (1951) — angeregt durch beobachtete Schweifaktivitäten — bei der Interpretation der Schweiforientierung darauf geführt worden ist, die Existenz eines kontinuierlichen Teilchenstroms, den Sonnenwind, zu postulieren, lange vor einem direkten Nachweis durch Raumsonden.
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
98
6.1.3.
Modell der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung
Vorbetrachtungen Wie schon in der Einleitung zu Kap. 6 ausgeführt worden ist, spielt der Sonnenwind bei der Physik von Kometen eine dominierende Rolle. Seine Wechselwirkung mit der Kometenatmosphäre führt zur Ausbildung großräumiger Plasmastrukturen, deren mathematische Modellierung über die spezifische Situation bei Kometen hinaus von grundsätzlicher Bedeutung für die kosmische Plasmaphysik ist. Das nachfolgend dargestellte Modell der Sonnenwind-KometenWechselwirkung beruht auf der klassischen Arbeit von Biermann, Brosowski und Schmidt, 1967; im weiteren nach den Namen der Autoren als BBS-Modell bezeichnet. Es ist bis in die jüngste Zeit hinein für die Interpretation der Sondenmessungen an den Kometen Giacobini-Zinner und Halley verwendet worden. Dabei sind jedoch einige Schwierigkeiten aufgetreten, die auf den sichtbar gewordenen Diskrepanzen zwischen den Modellaussagen und den Meßergebnissen der Kometenmissionen beruhen und ausführlicher in Kap. 6.2. diskutiert werden. Damit in Verbindung stehen auch die Ausführungen in Kap. 6.3., wo ein neues Plasmamodell vorgestellt wird, das eine deutlich verbesserte Übereinstimmung mit den Messungen bringt. Bei dem Sonnenwind handelt es sich um einen von der Sonne ausgehenden kontinuierlichen Plasmastrom sehr geringer Dichte, für den in einer Entfernung von 1 AE eine Geschwindigkeit von 3 400 km/s und eine Dichte von 5 Elektronen und Protonen pro cm charakteristische Werte sind. Unter gestörten Bedingungen auf der Sonne (Flares, Eruption u. ä.) können allerdings erhebliche Abweichungen von den genannten Mittelwerten auftreten. So kann die Geschwindigkeit kurzzeitig auf etwa 800 km/s ansteigen. Im Sonnenwind wird das interplanetare Magnetfeld (5 nT bei 1 AE) auf Grund hoher Leitfähigkeit im „eingefrorenen“ Zustand mitgeführt. Bildlich ausgedrückt, sind die Magnetfeldlinien an die Elektronen „angeheftet“ und folgen so der Bewegung des Plasmas. Wechselwirkung zwischen der Kometenmaterie und dem Sonnenwind setzt ein, wenn die vom Kometen abströmende Neutralgas-Atmosphäre durch solare UV-Strahlung ionisiert wird. (Auch Ladungsaustausch und Elektronenstoß kommen als Ionisations-
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
99
prozesse in bestimmten Gebieten in Betracht). Tatsächlich findet also eine Plasma-Plasma-Wechselwirkung statt, wobei der Sonnenwind und das kometare Plasma die „Stoßpartner“ sind; und das ist von entscheidender Bedeutung. Erst die Relativbewegung zwischen geladenen Teilchen ist die Voraussetzung für effektive Wechselwirkung und damit für den Transport kometaren Materials in den (Plasma-) Schweif. Ohne Ionisation könnte der Sonnenwind die Kometenatmosphäre wegen ihrer geringen Dichte nahezu ungehindert durchdringen. Es bleibt das nicht ausreichend geklärte Problem, in welcher Weise die Ionen kometaren Ursprungs vom Sonnenwind aufgenommen werden bzw., konkreter ausgedrückt, wie der Impuls- und Energieaustausch zwischen beiden Ionensorten abläuft. Plasmaphysikalische Überlegungen gehen davon aus, daß durch die Bewegung der geladenen Teilchen im Plasma elektrische und magnetische Felder aufgebaut werden, die ihrerseits wiederum weiträumig auf die Teilchen zurückwirken. Durch diese kollektive Wechselwirkung wird das Plasma zu einem komplizierten schwingungsfähigen System, das ausgezeichnete Eigenmoden (Plasmawellen) besitzt. Existieren Quellen für freie Energie (gerichtete Teilchenbewegung, thermische Anisotropien u. a.), so können Plasmainstabilitäten angeregt werden, mit denen in gewissen Frequenzbereichen stark überhöhte Feldfluktuationen verbunden sind (s. z. B. Ip and Axford, 1982). Die Wechselwirkung der Ladungsträger mit den angeregten Plasmawellen ist im allgemeinen ein sehr effektiver Prozeß, der an die Stelle harter Stöße im Neutralgas tritt. Prinzipiell sind die auf kollektiver Wechselwirkung beruhenden Relaxationsprozesse nur im Rahmen kinetischer VielteilchenTheorien beschreibbar. Diese sind jedoch äußerst kompliziert und aufwendig. Echte Fortschritte hat es in den letzten Jahren durch Teilchensimulationen, speziell durch die Hybridcode-Methode, gegeben. Hierbei werden die Elektronen als magnetisierte Flüssigkeit und die Ionen als Einzelteilchen beschrieben, deren gegenseitige Verkopplung über elektrische und magnetische Felder erfolgt. Wie in der Arbeit von Omidi und Winske (1987) gezeigt worden ist, hängt die Art der „Massenaufladung“ des Sonnenwindes durch kometare Ionen entscheidend davon ab, wie die Plasmaströmung zum interplanetaren Magnetfeld orientiert ist. Für den wichtigen Fall senkrechter Ausbreitung werden makroskopische elektrische Felder induziert, in denen die kometaren Ionen beschleunigt werden. Wir kommen auf diesen Punkt später zurück.
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
100
Das BBS-Modell Ohne diese Detailkenntnisse, über die wir heute aufgrund von Teilchensimulationen verfügen, wurde in dem BBS-Modell mehr oder weniger intuitiv davon ausgegangen, daß der Ionengyrationsradius ri = vi/ωi (vi: Ionengeschwindigkeit, ωi: Ionen-Zyklotronfrequenz) als effektive Wechselwirkungslänge in einem magnetisierten Plasma angesehen werden kann. (Für Sonnenwind-Bedingungen liegt dieser Wert bei ri j 500 km für Protonen bzw. ri j 104 km für kometare Ionen der Masse mi = 20 mp, mp: Protonenmasse.) Damit war die Vorstellung verbunden, daß die kometaren Ionen etwa 103 km benötigen, bis sie vom Sonnenwind akkumuliert worden sind, d. h., bis eine Geschwindigkeits- und Temperaturrelaxation stattgefunden hat. Zieht man weiterhin in Betracht, daß die charakteristischen Dimensionen für Kometen in der Größenordnung von 106 km liegen, so kommt man zu dem Konzept, das dem BBS-Modell zugrunde liegt: Der Sonnenwind wird als magnetisierte Flüssigkeit behandelt, der beim Eindringen in die Kometenatmosphäre durch (momentane) Aufnahme kometarer Ionen seine makroskopischen Eigenschaften (Masse, Impuls und Energie) verändert. In dem theoretischen Modell ist dieser Schritt gleichbedeutend damit, daß magnetohydrodynamische (MHD-) Gleichungen verwenden werden, in denen die Plasma-PlasmaWechselwirkung lediglich in Form von Quelltermen für Masse, Impuls und Energie ihre Berücksichtigung findet. Abweichend von dem ursprünglichen BBS-Modell wollen wir hier annehmen, daß der thermische Druck des Plasmas gegenüber dem magnetischen Druck vernachlässigt werden kann. Als charakteristische Geschwindigkeit tritt dann nur die Alfvén-Geschwindigkeit vA =
B
√μ0nm
(24)
auf, wo n die Plasmadichte, m die Masse, B die Magnetfeldstärke und μ0 die diamagnetische Suszeptibilität sind. Für den ungestörten Sonnenwind (B j 8 nT, n = 5 cm–3 ) ist v A j 70 km/s, so daß bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 400 km/s der Sonnenwind eine Überschallströmung (M A j 6) darstellt. Die Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem kometaren Plasma, das durch Photoionisation des vom Kometenkern abströmenden Neutralgases entsteht, läßt sich im Fall eindimensio-
6.1. Kenntnisstand vor den Kometenmissionen
101
naler Geometrie — die x-Achse entspricht der Verbindungslinie Sonne—Komet — durch das folgende System magneto-hydrodynamischer Gleichungen beschreiben: ∂ ∂n + (nv) = n0νPh – 2nϕ , ∂t ∂x
(25)
∂ρ ∂ + (ρv) = n0m0νPh – 2ρϕ , ∂t ∂x
(26)
(
)
2 ∂ ∂ ρv2 + B = m0n0v0νPh – 2ρvϕ , (ρv) + 2 μ0 ∂x ∂t
(27)
∂ ∂ B+ (Bv) = – Bϕ . ∂t ∂x
(28)
Es handelt sich nacheinander um die Bilanzgleichungen für Teilchendichte (n), Massendichte (g), Impuls (gv) und Magnetfeldstärke (B). Dabei bedeuten weiterhin n 0 , m 0 und v 0 j 1 km/s Dichte, Masse und Geschwindigkeit des kometaren Neutralgases und νPh die Photoionisationsrate. Aus m = ρ/n kann die Variation der mittleren Masse des Plasmas infolge Aufnahme kometarer Ionen berechnet werden. Sie variiert zwischen m = mP für den ungestörten Sonnenwind und mi j 20 mP im kernnahen Bereich, wo kometares Plasma dominiert. Mit dem Term auf der rechten Seite der Gl. (25)—(28), der proportional zu ϕ(x) ist, wird dei laterale Verlust bei lokalen Abweichungen der Plasmaströmung vom ebenen Grenzfall beschrieben. (Die zugehörige Gleichung wird hier nicht aufgeschrieben, s. z. B. Sauer und Baumgärtel, 1986.) Das Neutralgas-Dichteprofil n0(x) ist durch die kometare Produktionsrate Q (j 1030 Moleküle pro Sekunde) und die Strömungsgeschwindigkeit v0 bestimmt: n0(x) =
Q . 4πx 2v
(29)
Das System von Gleichungen (25)—(28) läßt sich verhältnismäßig einfach numerisch integrieren. Dabei geht man als Anfangszustand von dem ungestörten Sonnenwind aus, der die abströmende Neutralgaswolke durchdringt. Mit „Einschalten“ der Photoionisation wird kometares Plasma produziert, und die Wechselwirkung mit dem Sonnenwind setzt ein. Die Integration wird dann fortgesetzt, bis ein stationärer Zustand erreicht ist.
102
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Abb. 24. Räumliche Profile der Plasmageschwindigkeit, des Magnetfeldes und der Plasmadichte als Ergebnis der Modellrechnung für Komet Halley
In Abb. 24 ist das Ergebnis derartiger Modellrechnungen dargestellt. Folgt man der Richtung zum Kern (x =0), so erkennt man die Abnahme der Plasmageschwindigkeit, verbunden mit einem leichten Anstieg der Plasmadichte und des Magnetfeldes als Folge der Aufnahme kometarer Ionen durch den Sonnenwind. Diese Abbremsung setzt sich jedoch nicht kontinuierlich fort. Die Überschallströmung reagiert vielmehr mit der Bildung einer Stoß-
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
103
front, die in Form eines markanten Sprungs aller Plasmaparameter bei x j – 8 · 10 5 km zu sehen ist. Die Plasmaparameter unmittelbar vor und hinter der Stoßfront sind durch die RankineHugeniot-Bedingungen festgelegt. Weitere Massenaufladung des Sonnenwindes bei Annäherung an den Kern führt schließlich zur fast vollständigen Stagnation der Plasmaströmung. In unmittelbarer Nähe des Kerns führt das Abströmen kometaren Plasmas zur Bildung eines magnetfeldfreien Gebietes, einer sog. diamagnetischen Kavität. In der großskaligen Darstellung in Abb. 24 ist der Abfall der Magnetfeldstärke sehr nahe bei x = 0 erkennbar. Dieser Effekt konnte in den früheren Arbeiten im Rahmen des BBS-Modells, in dem der Einfluß des Magnetfeldes auf die Plasmaströmung vernachlässigt worden ist, nicht vorhergesagt werden. Die Ausdehnung der magnetischen Kavität wird durch die Bilanz zwischen dem dynamischen Druck des kometaren Plasmas und dem magnetischen Druck bestimmt; sie liegt bei etwa 5 · 103 km. (In genaueren Modellen sind wegen der hohen Neutralgasdichten im kernnahen Bereich zusätzlich Rekombinations- und Reibungseffekte zu berücksichtigen, s. Sauer und Baumgärtel, 1986; Baumgärtel und Sauer, 1987.) Bezüglich analytischer Beziehungen, aus denen die Lage der Stoßfront in Abhängigkeit von den Parametern des Sonnenwindes und der kometaren Ausgasung hervorgeht, und einer Diskussion von Grundstrukturen der kometaren Umströmung, wie sie sich aus dem ursprünglichen BBS-Modell ergeben, wird auf die frühere Abhandlung (Möhlmann u. a., 1986) verwiesen. Auf den frühen Ansätzen von Biermann u. a. (1967) einer hydrodynamischen Beschreibung der Umströmung von Kometen durch den Sonnenwind basierten in der Folgezeit weiterführende Untersuchungen unter Einbeziehung zwei- und dreidimensionaler Modelle (Brosowski und Wegmann, 1973; Biermann u. a., 1974; Schmidt und Wegmann, 1981; Roatsch u. a., 1986; Schmidt u. a., 1986).
6.2.
Ergebnisse der Kometenmissionen
Erste Ergebnisse über den Plasmazustand in der Umgebung eines Kometen wurden von der amerikanischen Sonde ICE (International Cometary Explorer) gewonnen, die im September 1985 durch den Schweif des Kometen Giacobini-Zinner geflogen ist. Zuvor hatte diese, mit Plasmageräten gut ausgerüstete Sonde langjährige Messungen im Sonnenwind ausgeführt, und sie war dann
104
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
durch komplizierte Kursmanöver auf eine geeignete Bahn zum Kometen Giacobini-Zinner gebracht worden (s. Science, Vol. 232, 1986, p. 297-428). Im Frühjahr 1986 erreichten 5 Raumsonden die Nähe des Kometen Halley (nähere Erläuterungen siehe Kap. 9). In der Reihenfolge wachsender (Minimal-) Abstände zum Kometenkern handelt es sich um die Sonde GIOTTO der westeuropäischen Raumfahrtorganisation ESA (r j 500 km), die sowjetischen Sonden VEGA 1 (r j 8000 km) und VEGA 2 (r j 9000 km) und die japanischen
Abb. 25. Bahnen der Halley-Sonden SUSEI (S), GIOTTO (G), VEGA 1 (VI) und VEGA 2 (V2) in bezug auf die Sonnen-Kometen-Achse. N (nucleus) bezeichnet die Lage des Kometenkerns. Die Hyperbel kennzeichnet die Lage der kometaren Bugstoßfront entsprechend den Erwartungen des BBS-Modells.
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
105
Sonden Suisei = Planet A (r j 150000 km) und Sakigake = MST5 (r j 7,6 · 106 km). Die Bahn der Sonden war in allen Fällen gegenüber der Sonne-Kometen-Achse um etwa 70 Grad geneigt, s. Abb. 25.
Abb. 26. Variation von Elektronendichte ne, Elektronentemperatur Te und Elektronengeschwindigkeit ve, gemessen von der Sonde ICE während ihres Fluges durch den Schweif des Kometen GiacobiniZinner (Bame u. a., 1986)
106
6.2.1.
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Messungen am Kometen Giacobini-Zinner
Die von der Sonde ICE am Kometen Giacobini-Zinner gewonnenen Meßdaten haben erstmalig ein sehr umfassendes Bild von der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit kometaren Plasmen vermittelt. An dieser Stelle kann jedoch nur an Hand weniger Darstellungen, die nicht bis ins Detail erläutert werden, auf einige wesentliche Aspekte hingewiesen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Meßgeräte an Bord der Raumsonde und erste Interpretation der gewonnenen Daten findet man in dem oben genannten Heft der Zeitschrift „Science“. Abb. 26 zeigt die Variation von Elektronendichte (ne), Elektronentemperatur (Te) und Elektronengeschwindigkeit (ve) längs der Sondenbahn. Als generelle Tendenz erkennt man die Abbremsung des Sonnenwindes bei Annäherung der Sonde an den Kern, die mit einer Erhöhung der Elektronendichte einhergeht. Im Bereich größter Annäherung ist diese durch die Dichte des kometaren Plasmas bestimmt. Selbst in der komprimierten Darstellung dieser Meßergebnisse wird sichtbar, daß der Prozeß der Wechselwirkung nicht kontinuierlich verläuft, sondern durch mehr oder weniger ausgeprägte Fluktuationen und Bereiche mit unterschiedlichen Spektren gekennzeichnet ist. Die daraus abgeleiteteten Plasmastrukturen des Kometen Giacobini-Zinner sind in Abb. 27 dargestellt. Genauere Analysen der Meßdaten galten der Frage nach der Existenz einer kometaren Bugstoßfront, wie sie vom BBS-Modell (Kap. 6.1.3.) vorhergesagt worden ist. Hierzu entstand kein eindeutiges Bild. Zum einen wurden deutliche Übergänge zwischen zwei Zuständen registriert, die mit dem Durchflug durch eine Stoßfront in Verbindung gebracht worden sind, zum anderen jedoch hatten die beobachteten Übergänge nur wenig Gemeinsamkeiten mit den erwarteten Erscheinungen, wie sie von planetaren Bugstoßfronten her bekannt sind. Um diesem offenen Problem Rechnung zu tragen, wurde die Bezeichnung „Bugwelle“ (Bow wave) anstelle von „Bugstoßfront“ (Bow shock) gewählt. Nach neueren Auswertungen von Smith u. a. (1986) werden die gemessenen Strukturen als bewegte Stoßfront interpretiert. Die Magnetfeldmessungen an Bord der Sonde ICE waren wegen ihrer günstigen Bahn durch den Schweif (7 800 km vom Kern entfernt, senkrecht zur Sonne-Kometen-Achse) gut geeignet, Vorstellungen über die großräumige Struktur des Magnetfeldes zu überprüfen (s. Abb. 27). Aus der Variation des Magnetfeldes (nach
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
107
Abb. 27. Bahn der Sonde ICE und Plasmastrukturen in der Umgebung des Kometen Giacobini-Zinner (nach Bame u. a., 1986)
Betrag und Richtung) längs der Bahn (Abb. 28) konnte der Verlauf des Magnetfeldes im Schweif gebiet, dargestellt in Abb. 29, rekonstruiert werden. Es ist in guter Übereinstimmung mit dem Bild, das von Alfvén (1954) auf Grund einfacher Überlagerungen über den Einfang der Magnetfeldlinien durch das kometare Plasma hoher Leitfähigkeit entwickelt worden ist (s. Kap. 6.1.2.).
108
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Abb. 28. ICE-Magnetfeldmessungen während der Annäherung an den Kometen Giacobini-Zinner (kometo-zentrisches solarekliptisches Koordinatensystem); nach Slavin u. a., 1986)
Abb. 29. Schematische Darstellung des zentralen Schweifgebietes in der Ebene des interplanetaren Magnetfeldes (IMF); nach Slavin et al., 1986
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
6.2.2.
109
Ergebnisse der Halley-Missionen
Nach dem erfolgreichen Vorbeiflug der fünf Raumsonden am Kometen Halley sind die erhaltenen Ergebnisse zusammenfassend in internationalen Zeitschriften (Nature, Vol. 321, 1986; Astronomy and Astrophysics, Vol. 187, 1987) bzw. in den Tagungsbänden von zwei internationalen Kometenkonferenzen (Heidelberg, 1986; Brüssel, 1987) publiziert worden. Die genaue Analyse des vorliegenden Materials hat in zunehmendem Maße deutlich gemacht, daß entgegen ersten Einschätzungen eine Reihe markanter Plasmaphänomene im Rahmen bisher existierender Modelle nicht erklärt werden können. Es geht dabei in erster Linie um (1) die Natur gemessener Unstetigkeiten im Abstand von etwa 106 km vom Kern, die einerseits gewisse Eigenschaften haben, um sie als eine kometare Bugstoßfront auszuweisen, sich andererseits aber wiederum von den gut untersuch-
Abb. 30. Plasmadaten während der Annäherung der GIOTTO-Sonde an den Kometen Halley. Von unten nach oben: Elektronendichte n e (10 eV—30 keV); Dichte heißer Elektronen w e (hot) (0,8—3,6 keV); Elektronentemperatur T e ; Elektronengeschwindigkeit v e ; Zählrate für Ionen (250—500 eV) (Reme u. a., 1986)
110
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
ten Stoßfronten im Sonnenwind deutlich unterscheiden, und (2) um die sog. Kometopause in einer Entfernung von etwa 10 5 km, an der theoretisch nicht erwartete starke Änderungen der Plasmaparameter und des Magnetfeldes beobachtet worden sind.
Abb. 31. Magnetfeldmessungen während der Annäherung der GIOTTO-Sonde an den Kometen Halley (Neubauer u. a., 1986) (Die räumliche Zuordnung ergibt sich aus Abb. 30.)
Beispiele für die Variation der Plasmaparameter bzw. des Magnetfeldes längs der GIOTTO-Bahn sind in den Abbildungen 30 und 31 dargestellt. (Die Zuordnung zwischen der Sonden-Zeit und dem Abstand der Sonde zum Kometen geht aus Abb. 31 hervor.) Die Lage der vermeintlichen kometaren Stoßfront (Bow shock) und der Cometopause (in Abb. 31 mit PB — pile-up boundary bezeichnet) sind durch gestrichelte Linien bzw. Schraffur markiert. Löst man die Variation der Plasmaparameter im Bereich der „Stoßfront“ (r j 1,15 · 106 km) genauer auf (s. Abb. 32), so wird zwar erkennbar, daß dort ein Übergang von einem Plasmazustand zu einem anderen stattfindet, abrupte Änderungen jedoch, wie sie für planetare Bugstoßfronten charakteristisch sind, treten nicht auf. Stellt man die Abstände zusammen, an denen während des Durchfluges der Halley-Sonden durch die Kometenatmosphäre
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
111
Abb. 32. Variation der Plasmaparameter im Bereich der vermeintlichen kometaren Bugstoßfront; nach Neugebauer u. a., 1987. Von oben nach unten: Protonendichte, Protonengeschwindigkeit, Tangential- und Normalkomponente der Geschwindigkeit bezüglich der „Stoßfront“, thermische Geschwindigkeiten
stoßfront-ähnliche Plasmastrukturen beobachtet worden sind, so variieren diese zwischen etwa 5 · 105 km und 1,2 · 106 km (s. Oya, 1986). Einen interessanten Aspekt bezüglich dieser räumlichen Variabilität stellen die Konsequenzen dar, die von japanischen Wissenschaftlern aus der Frequenz-Zeit-Charakteristik kometarer Kilometer-Strahlung (CKR), gemessen an Bord der Sonde Sakigake, gezogen worden sind. Als Ursache für die beobachtete eletromagnetische Strahlung kommen bewegte Stoßfronten in Betracht, und aus der zeitlichen Frequenzvariation läßt sich die Bewegungsgeschwindigkeit der Fronten ableiten. Sie liegt im Bereich zwischen etwa 80 km/s und 300 km/s, wobei Bewegungen sowohl
112
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
in Richtung auf den Kern als auch entgegengesetzt dazu registriert worden sind. Als Auslöser für die laufenden Unstetigkeitsfronten werden Irregularitäten im Sonnenwind bzw. in der kometaren Ausgasung angesehen. Dieser Punkt wird in den späteren Diskussionen über die Ergebnisse durchgeführter Modellrechnungen (s. Kap. 6.3.) eine wesentliche Rolle spielen. Das Gebiet, in dem nach den oben genannten japanischen Messungen auf die Existenz bewegter Stoßfronten geschlossen werden kann, ist generell durch starke Fluktuationen aller Plasmaparameter charakterisiert (s. Abb. 30), wobei gewisse periodische Variationen auf die Anregung von Wellen hindeuten. Da ein theoretischer Zugang zu den beobachteten Erscheinungen bisher fehlte, hat man es auch als „mysteriöses Gebiet“ bezeichnet. Während es bezüglich des experimentellen Nachweises einer kometaren Stoßfront in der Literatur nach wie vor sehr widersprüchliche Ansichten gibt, haben die VEGA- und GIOTTO-Missionen gut übereinstimmende Ergebnisse erbracht, was die Existenz einer „Unstetigkeit“ im Abstand von etwa 10 5 km vom Kern betrifft, die in bisherigen Kometenmodellen nicht enthalten war. Diese hat in der Literatur je nach dem vermuteten physikalischen Ursprung unterschiedliche Bezeichnungen erhalten: Cometopause (Gringauz et al., 1986) — Grenze zwischen Sonnenwind und Kometenplasma; „Pile-up boundary“ (Neubauer et al., 1986) — Einsetzen erhöhter magnetischer Kompression; Collisionpause (Reme et al., 1986) — Grenze zum stoßbestimmten Plasma im kernnahen Bereich. Besonders markant zeigt sich die Existenz eines unstetigen Überganges zwischen zwei Plasmazuständen in den Messungen des Plasmaanalysators PLAZMAG-1 auf der Sonde VEGA 2 (Gringauz et al., 1986). Wie in dem oberen Teil der Abb. 33 zu sehen ist, stellt die Änderung der Teilchen-Energieverteilung im Gebiet um r j 1,5 · 10 5 km eine weit deutlicher ausgeprägte Unstetigkeit dar, als zuvor weiter außen als kometare Stoßfront identifiziert worden ist. An nahezu gleicher Stelle ist von dem GIOTTO-Magnetometer (s. Abb. 31) ein deutlicher Anstieg des Magnetfeldes von etwa 15 nT auf über 30 nT registriert worden. Gleichzeitig setzen in diesem Bereich nahezu periodische Variationen der Plasmaparameter ein, wie in Abb. 31 am Beispiel des elektrischen und magnetischen Feldes zu sehen ist. Die Periodenlänge liegt hier bei etwa 2500 km. Auch bei weiterer Annäherung an den Kern wurden periodische bzw. quasi-periodische Plasmastrukturen gemessen (Gringauz et al., 1986; Zastenker et al., 1986), die sich besonders deutlich
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
113
Abb. 33. Variation der Plasmaparameter im Bereich der Cometo pause; nach Galeev u. a., 1986. Von oben nach unten: Spektrogramm des Ionenflusses, elektrisches Feld und Magnetfeld (z-Komponente)
114
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Abb 34. Variation der Dichte einiger Gruppen kometarer Ionen im Bereich maximaler Annäherung der Sonde VEGA 2 an den Kern des Kometen Halley; nach Gringauz u. a., 1986
6.2. Ergebnisse der Kometenmissionen
115
auch in Variationen der kometaren Ionendichte äußerten. Nach den Messungen von Zastenker et al. (1986) enthalten die Ionendichte-Profile im Bereich um 5 · 105 km ausgeprägte MinimaMaxima-Strukturen, wobei z. B. über eine Distanz von 4000 km ein vorübergehender Anstieg der Dichte um den Faktor 3 registriert worden ist. Abb. 34 zeigt die Dichte verschiedener kometarer Ionen (H2O- und CO-Gruppe, CO2+, Fe u. a.) in Abhängigkeit vom kometozentrischen Abstand R im Bereich von 7 · 104 km bis l,5 · 104 km. Abgesehen von dem nicht-monotonen Verlauf ist ersichtlich, daß die Ionendichte innerhalb dieses Gebietes um fast zwei Größenordnungen anwächst und Werte von n j 103 cm–3 erreicht. Bei der Annäherung der GIOTTO-Sonde an den Kern des Ko-
Abb. 35. Variation der Plasmadichte (n) und des Magnetfeldes (B) in der Umgebung der diamagnetischen Kavität, gemessen von der GIOTTO-Sonde; nach Balsinger u. a., 1986, bzw. Neubauer u. a., 1986. Auffallend ist das relative Maximum der Dichte bei x j 12000 km.
116
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
meten Halley bis auf 500 km wurden für die Plasmaphysik sehr interessante Ergebnisse aus dem kernnahen Bereich gewonnen. Die magnetometrischen Messungen während der Phase größter Annäherung haben den Nachweis erbracht, daß der Kern (zumindest auf der sonnen-zugewandten Seite) von einem magnetfeldfreien Gebiet mit einer radialen Ausdehnung von etwa 5 000 km umgeben ist; es wird als diamagnetische Kavität bezeichnet. Die gemessene räumliche Variation des Magnetfeldes und der Plasmadichte in der Umgebung der diamagnetischen Kavität ist in Abb. 35 zu sehen. Beginnend bei r j 104 km, wo die Magnetfeldstärke noch etwa 50 nT beträgt, fällt das Magnetfeld sehr abrupt ab, bis bei r j 5000 km der Wert Null erreicht ist. Nahezu symmetrisch steigt dann nach dem Vorbeiflug das Feld wieder auf den Ausgangswert an. Ursache für die diamagnetische Kavität ist das Abströmen des durch Photoionisation erzeugten Plasmas (v0 j 1 km/s), wodurch das Magnetfeld aus dem kernnahen Gebiet herausgedrängt wird. Dieser Prozeß setzt sich so lange fort, bis der Strömungsdruck des kometaren Plasmas durch den entstehenden magnetischen Druck kompensiert werden kann. Die beobachteten Effekte sind somit in guter Übereinstimmung mit dem einfachen theoretischen Modell in Kap. 6.1.3. Wie jedoch die dort zitierten genaueren Modellrechnungen gezeigt haben, ist es wegen der spezifischen Bedingungen im kernnahen Bereich (hohe Teilchendichten) erforderlich, Reibungskräfte und Rekombination in die entsprechenden Bilanzgleichungen einzubeziehen. Bisher nicht ausreichend geklärt ist die Frage, auf welche Effekte der gemessene nichtmonotone Verlauf der Ionendichte, die außerhalb der diamagnetischen Kavität ein markantes Maximum aufweist (s. Abb. 35, oben) zurückzuführen ist. Diskutiert wird auch hier der Aspekt, daß es sich um einen nicht-stationären Vorgang handeln könnte.
6.3.
Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
6.3.1.
Vorbetrachtungen
Bei der Diskussion der Ergebnisse der Halley-Missionen wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die gemessenen Plasmastrukturen nicht in überzeugender Weise mit den Aussagen des BBS-Modells (Kap. 6.1.3.) in Übereinstimmung sind. Das betrifft im wesentlichen die beim Kometen Halley als kometare Bugstoßfront identifizierten Unstetigkeiten, die nicht die erwarteten Eigenschaften einer MHD-Stoßfront besitzen und der nicht vorher-
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
117
gesagte unstetige Übergang, der allgemein als Cometopause bezeichnet worden ist. Das Bemühen, in diesen Punkten eine befriedigende theoretische Erklärung zu finden, ist geleitet worden von folgenden Überlegungen: (1) Kann das Einflüssigkeitskonzept, das sicherlich in weiten Bereichen seine Gültigkeiten besitzt, auch auf Situationen angewendet werden, die mit einem Übergang von einer Überschall-Strömung in eine Unterschall-Strömung verbunden sind? Man muß dabei vor Augen haben, daß es sich bei dem kontaminierten Sonnenwind um eine Mehrflüssigkeitsströmung handelt, die mit abnehmemdem Abstand zum Kometenkern ihre Zusammensetzung zugunsten der kometaren Komponente verändert. (2) Wie reagiert diese Mehrkomponenten-Strömung, bestehend aus Protonen, kometaren Ionen und Elektronen, wenn der Mach-Punkt erreicht wird? Es ist sicherlich naheliegend, daß die Bildung einer Stoßfront durch die Impulsflüsse bei den Ionensorten kontrolliert wird. Damit in Verbindung entsteht wiederum die Frage, ob es in jedem Fall berechtigt ist, die üblichen RankineHugeniot-Bedingungen auf unstetige Übergänge in einer Mehrkomponenten-Strömung anzuwenden. Tatsächlich besteht ja zwischen den verschiedenen Ionensorten keine „starre“ Kopplung, wie im Einflüssigkeitskonzept angenommen, sondern die zwischen den geladenen Teilchen wirkenden elektromagnetischen Kräfte sind „elastischer“ Natur und ermöglichen es, daß die Teilchen unterschiedlicher Masse in gewissem Umfange unterschiedlich auf äußere Störungen reagieren können. Will man diesen Umstand in einem theoretischen Modell berücksichtigen, so bedeutet das, Einflüssigkeitsmodelle aufzugeben und wesentlich komplexere Beschreibungen zu entwickeln. Ein bisher in der Kometen-Plasmaphysik praktizierter Weg ist die Anwendung von Teilchensimulationen. Insbesondere durch Hybridcode-Simulationen, die eine Kombination von Teilchenund Flüssigkeitsmodellen darstellen, sind mit vertretbarem numerischen Aufwand wichtige Erkenntnisse über Mikroprozesse bei der „Massenaufladung“ des Sonnenwindes gewonnen worden, s. z. B. Omidi und Winske, 1987. Ihr Nachteil besteht jedoch darin, daß wegen technischer Beschränkungen mit dieser Methode bei Kometen nicht der erforderliche Raumbereich erfaßt werden kann. Aus diesem Grunde wurde ein Mehrflüssigkeitsmodell entwickelt, das bezüglich der elastischen Kopplung durch elektromagnetische Kräfte einige Elemente der Hybridcode-Simulationen besitzt und durch Verwendung von Flüssigkeitsgleichungen numerisch günstiger zu handhaben ist.
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
118
6.3.2.
Das Mehrflüssigkeitsmodell
An dieser Stelle werden nur die wichtigsten Schritte bei der Ableitung der Mehrflüssigkeitsgleichungen skizziert. Eine ausführliche Darstellung befindet sich in dem IKF-Report (Sauer, 1988). Entgegen dem Einflüssigkeitsmodell werden die Ionensorten hier als individuelle Plasmakomponenten behandelt. Ausgangspunkt bilden die Momentengleichungen für Sonnenwind-Protonen (p), kometare Ionen (i) und Elektronen (e), wobei im folgenden nur die Impulsbeziehungen aufgeschrieben werden: e ∂ (n ν ) + = (nανα · να + pα) = α (E + να · B) . mα ∂t α α
(30)
Alle Größen sollen nur von x abhängen, das Magnetfeld liegt in der z-Richtung, die Geschwindigkeit (να) und das elektrische Feld (E) haben wegen der Lorentz-Kraft jeweils x- und y-Komponenten. Pα ist der thermische Druck der jeweiligen Teilchensorte. Unter der Annahme masseloser Elektronen (me = 0) und der Voraussetzung von Quasi-Neutralität (ne = npni) kann das elektrische Feld aus den Gleichungen für die Protonen und Ionen eliminiert werden. Zusammen mit der Kontinuitätsgleichung erhält man dann für die kometaren Ionen folgendes System von Gleichungen ∂ni ∂ + (n v ) = Qj , ∂t ∂x i ix
Qi = n0νPh ,
(31)
∂ ∂ (n v2 + pi) = Qjv0 (n v ) + ∂t i ix ∂x i ix –
[
· ni 1 ∂ ∂ B2+ p + enp (vpy – viy) Bz + 2μ0 ∂x z ∂x e mi(np + ni)
n in p e ∂ ∂ (n v v ) = (vpx – vix) Bz (n v ) + ∂t i iy ∂x i iy ix mi(np + ni)
(32)
], (33)
Die Produktion kometarer Ionen wird durch die Terme erfaßt, die proportional zur Photoionisationsrate sind. Analoge Gleichungen (ohne Quellterme) erhält man für die Protonen durch Vertauschung der Indizes (i ↔ p). Die Bilanzgleichungen für Teilchendichte, Impuls und Energie
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
119
— letztere wird hier nicht aufgeschrieben — sind zu ergänzen durch die Maxwell-Gleichung für die z-Komponente des Magnetfeldes: ∂Bz ∂ + (v B ) = 0 , ∂x ex z ∂t
(34)
npvpx + nivix np + ni
(35)
wo vex =
die Elektronengeschwindigkeit in x-Richtung ist. Problematisch in diesem eindimensionalen Modell ist das Einfügen lateraler Verluste bei Abweichungen von der ebenen Strömung, vgl. Kap. 6.1.3. Ohne größeren Verlust der Aussagekraft kann das System der Mehrflüssigkeitsgleichungen (MF-Gleichungen) durch die Annahme kalter Elektronen und Ionen erheblich reduziert werden. Es verbleiben 7 Gleichungen für die Größen np, ni, vpx, vix, vpy, viy und Bz, die anstelle der Gln. (25)—(28) der Einflüssigkeitstheorie verwendet werden.
6.3.3.
Ergebnisse und Diskussion
Bevor das System von MF-Gleichungen in ähnlicher Weise wie in Kap. 6.1.3. für die Bedingungen beim Kometen Halley gelöst wird, sollen einige wichtige Eigenschaften dieses Systems diskutiert werden. In bekannter Weise können Eigenmoden (Plasmawellen) bestimmt werden, indem man das linearisierte System von Gleichungen mit Hilfe eines periodischen Ansatzes (A α exp (–iωt + ikx)) löst. Dabei wird angenommen, daß für die Grundlösung v px = v ix = v S
und
v p y = v iy = 0
gilt. Ohne die zu lösende Gleichung vierten Grades in k anzugeben, sollen hier nur die Ergebnisse genannt werden: Neben den bekannten Alfvén-Wellen mit der Dispersion
ω = k(vA ± vS)
(36)
treten zwei neue Wellenmoden auf, deren Dispersion (außerhalb der Bereiche, wo eine Kopplung mit den Alfvén-Wellen statt-
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
120
findet) durch die Beziehung ω = ω~ + kv
(37) ~ gegeben ist. Die (Misch-) Frequenz ω ist gemäß der Beziehung ω~ = ε ω + ε ω , (38) S
i
cp
p
ci
gewichtet mit den relativen Dichten ep =
np , np + ni
ei =
ni , np + ni
(39)
durch die Protonen- und Ionen-Zyklotronfrequenz a>ep bzw. a>c, bestimmt. Wie sich bei der anschließenden Diskussion gemessener Plasmafluktuationen zeigen wird, stellt bereits die Existenz des neuen Wellenmodes ein wesentliches Ergebnis der Mehrflüssigkeitstheorie dar (s. a. Glassmeier u. a., 1986; Raeder u. a., 1986).
Abb. 36. Räumliche Variation der Plasmaparameter als Ergebnis stationärer Rechnung. Von oben nach unten: Plasmageschwindigkeit und Alfvén-Geschwindigkeit (beide in km/s), Ionendichte, Protonen–3 dichte (in cm ), Magnetfeldstärke (in nT). Die Gas-Produktionsrate ist 5 –1 5 Q = 6 · 10 s . Bei x j –10 km ist der Mach-Punkt erreicht.
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
121
Ein weiterer Punkt betrifft die Berechnung stationärer Lösungen. Dazu werden die MF-Gleichungen durch Streichen der Zeitableitungen in ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen überführt. Die Integration beginnt in großen Entfernungen vom Kometenkern (Entfernung etwa 2 Mill. km) mit einem Zustand, der dem ungestörten Sonnenwind entspricht. Mit zunehmender Produktion kometaren Plasmas vergrößert sich die Massenaufladung des Sonnenwindes, der dadurch kontinuierlich abgebremst wird. Ergebnisse derartiger Rechnungen sind in Abb. 36 dargestellt. Zu sehen ist die Variation der wichtigsten Plasmaparameter im Bereich von –1,2 · 106 km bis –1 · 105 km. Die Integration bricht dort ab, wo die Strömungsgeschwindigkeit die Alfvén-Geschwindigkeit erreicht. Von entscheidender Bedeutung für die sich tat-
Abb. 37. Räumliche Variation der Plasmaparameter im Übergangsbereich zwischen Überschall- und Unterschall-Strömung als Ergebnis nicht-stationärer Rechnung. Von oben nach unten: Ionendichte, Ionengeschwindigkeit (x-Komponente), Protonendichte, Protonengeschwindigkeit (x-Komponente), Magnetfeldstärke; Einheiten wie in Abb. 36.
122
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
sächlich einstellende Plasmastruktur ist nun die Frage, wie sich der Übergang von der Überschall- zur Unterschall-Strömung vollzieht. Diese kann nur durch nicht-stationäre Rechnungen beantwortet werden. Die Art des Übergangs am Resonanzpunkt (v = vA) hängt sicherlich wesentlich von dem Verhältnis der Impulsflüsse von Protonen und kometaren Ionen ab. Im vorliegenden Fall beträgt die kometare Dichte zwar nur ni j 2 cm–3, während die Protonendichte bei np j 30 cm–3 liegt, wegen der Masse von mi j 20 mp für die dominierende Ionenkomponente jedoch überwiegt der Impulsfluß der kometaren Ionen bereits den der Protonen. Wie die nicht-stationäre Rechnung tatsächlich zeigt (Abb. 37), sind diese Bedingungen offensichtlich ausschlaggebend dafür, daß der Mach-Punkt sich lediglich durch deutlich veränderte Gradienten in den Plasmaparametern markiert, nicht aber durch Bildung einer Stoßfront im klassischen Sinne in Erscheinung tritt. Damit ist im Rahmen der Mehrflüssigkeitstheorie nachgewiesen worden, daß unter den konkreten Bedingungen, die für Komet Halley bei maximaler Aktivität gelten, keine kometare Bugstoßfront existiert. Die Stelle, an welcher der Übergang von der Überschall- zur Unterschall-Strömung stattfindet (x j –1,2 · 105 km), und einige mit diesem Übergang verbundene Eigenschaften — verstärkte Geschwindigkeitsrelaxation, Anstieg des Magnetfeldes auf über 30 nT u. a. — lassen den Schluß zu, daß es sich bei dem als Cometopause bezeichneten Gebiet tatsächlich um die Umgebung des Mach-Punktes (Resonanzgebiet) handelt. Eine solche Aussage läßt sofort die Frage entstehen, wie die beobachteten Plasmastrukturen zu deuten sind, welche mit kometaren Bugstoßfronten in Verbindung gebracht worden sind. Bezüglich dieses Problems bietet sich aufgrund der durchgeführten nicht-stationären MF-Rechnungen folgende Klärung an*): Es wurde beobachtet, daß die Geschwindigkeitsrelaxation des Sonnenwindes infolge Massenaufladung mit der Bildung laufender Stoßfronten als ein Transient-Phänomen einhergeht. Eine entsprechende Momentaufnahme ist in Abb. 38 zu sehen. (Die Front der Stoßwelle bewegt sich mit etwa 80 km/s.) Obwohl genauere Vergleiche mit *) In einer alternativen Interpretation spielt der endliche Druck der mitgeführten kometaren Ionen eine entscheidende Rolle, s. Sauer u. a., 1989.
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
123
den gemessenen Stoßfronten noch ausstehen, scheinen die Profile in Abb. 38 in einigen markanten Eigenschaften gut mit den Beobachtungen übereinzustimmen. Das betrifft neben der geringen Stärke der Schocks die räumlich-periodischen Strukturen, die als typisches Merkmal eine Mehrflüssigkeits-Stoßfront begleiten. Zu beachten ist, daß hier die Dichte der kometaren Ionen sehr klein ist im Vergleich zur Protonendichte, wodurch (im Gegensatz zu
Abb. 38. Beispiel für eine laufende Stoßfront als Transient-Phänomen während des Übergangs zum stationären Zustand Von oben nach unten: Protonendichte, Protonengeschwindigkeit, Magnetfeldstärke, y-Komponente der Protonengeschwindigkeit, yKomponente der Ionengeschwindigkeit, Ionendichte, Ionengeschwindigkeit
124
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
den Bedingungen am Mach-Punkt) wesentliche Elemente der Einflüssigkeits-Stoßfront erhalten bleiben. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die in Kap. 6.2.2. beschriebenen experimentellen Hinweise auf bewegte Stoßfronten beim Kometen Halley. Wie ebenfalls bereits erwähnt, ist dieser Aspekt auch in einer Arbeit von Smith u. a. (1986) in Verbindung
Abb. 39. Räumlich-periodische Strukturen während gestörter Bedingungen. Von oben nach unten: Protonendichte, Protonengeschwindigkeit, Magnetfeldstärke, lonendichte, Ionengeschwindigkeit
mit den ICE-Messungen am Kometen Giacobini-Zinner diskutiert worden. Neben den bewegten Mehrflüssigkeits-Stoßfronten, die als Transient-Phänomene infolge Irregularitäten des Sonnenwindes bzw. der kometaren Ausgasung gesehen werden, ist durch die nichtstationären Rechnungen deutlich geworden, daß die Mehrflüssigkeitsströmung sehr empfindlich auf äußere Störungen reagiert, wobei Wellen angeregt werden, deren Dispersion durch Gl. (37) gegeben ist. Ein Beispiel zeigt Abb. 39, wo eine instationäre Phase
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
125
vor Erreichen des stationären Zustandes dargestellt ist. Wir möchten in diesem Zusammenhang nur auf einige Messungen verweisen, bei denen periodische bzw. quasiperiodische Strukturen registriert worden sind, z. B. in den Arbeiten von Gringauz u. a. (1986a, b), Zastenker u. a. (1986) und Anderson u. a. (1986). Beispiele gibt es in den Abbildungen 33 und 34). Eine weiterführende Diskussion zu diesem Punkt geht über den abgesteckten Rahmen dieses Buches hinaus. Abschließend lassen sich unsere Ergebnisse wie folgt zusammenfassen : — Die Anwendung der Mehrflüssigkeitstheorie führt zu einem völlig neuen Plasmamodell der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung.
Abb. 40 a Abb. 40. Plasmamodell der Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung nach der Mehrflüssigkeitstheorie (a), Plasmaprofile längs der Achse Sonne—Komet, schematisch (b)
126
6. Wechselwirkung des Sonnenwindes mit der Kometenatmosphäre
Abb. 40 b — Es existiert keine (stationäre) kometare Bugstoßfront*). — In dem Überschall-Gebiet können laufende Stoßfronten als Transient-Phänomen durch instationäre Vorgänge (zeitliche Änderungen der Parameter des Sonnenwindes bzw. der kometaren Ausgasung) erregt werden. *) s. Fußnote auf S. 122.
6.3. Ein neues Plasmamodell für Komet Halley
127
— Der Übergang von der Überschall- zur Unterschall-Strömung wird durch die Impulsflüsse von Protonen und kometaren Ionen kontrolliert, was zu einer starken Verbreitung der Resonanz führt. Er findet beim Kometen Halley an der Stelle statt, wo die sog. Cometopause identifiziert wurde (x j 105 km). — Inwieweit eine echte Cometopause existiert, die eine Barriere für den Protonenfluß darstellt, ist noch zu klären. In komprimierter Form ergibt sich das in Abb. 40 dargestellte Bild der Umströmung von Kometen durch den Sonnenwind.
7.
Der Staubschweif
Bei der Annäherung eines Kometen an die Sonne beginnt der Kometenkern — bedingt durch die Erwärmung — Neutralgas „abzublasen“. Im Zusammenhang damit gelangen Staubteilchen mit Radien vom µm-Bereich bis zu einigen Zentimetern in die nähere Umgebung des Kerns. Für die weitere Bewegung dieser Staubteilchen ist — außer für die schwersten — die Anziehungskraft des Kometenkerns vernachlässigbar klein. Der deutsche Astronom und Mathematiker W. Bessel (1836) war einer der ersten, der versuchte, eine mechanische Theorie für die Bewegung der Staubteilchen zu entwickeln und damit die Entstehung der Schweife zu erklären. Neben der solaren Gravitationskraft, die auf die Staubteilchen wirkt, machte er eine Repulsionskraft dafür verantwortlich, daß die Staubteilchen in eine antisolare Richtung abgedrängt werden und einen Staubschweif bilden, welcher immer in etwa der Sonne entgegengerichtet ist. Die von Bessel postulierte Repulsionskraft wurde später mit dem Lichtdruck der Sonne in Verbindung gebracht. Die im folgenden dargestellten präziseren Theorien zur Dynamik des Submillimeter-Staubs in Kometenschweifen wurden auch anhand der 1986er Daten vom Kometen Halley geprüft und bestätigt und insbesondere auch im Sinne einer Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Verlassens des Kernes benutzt, um einzelne starke Staub-Emissionsereignisse zeitlich genau zu bestimmen. Die so erhaltenen Daten spielten dann eine wesentliche Rolle bei der genaueren Bestimmung der Rotationseigenschaften des Kerns des Kometen Halley.
7.1.
Mechanische Theorie
Bei der Behandlung der mechanischen Theorie, die im wesentlichen den Überlegungen von Fernandez und Jockers (1983) folgt, sind für die Bewegung des Staubes zwei Kräfte maßgebend, die Anziehungskraft der Sonne FG und die Kraft FR, hervorgerufen durch den Strahlungsdruck der Sonne. In Abschnitt 7.2. wird dargestellt, daß dazu auch noch die Kräfte, die von den
7.1. Mechanische Theorie
129
Plasmen der Kometenatmosphäre und des interplanetaren Raumes auf den Staub ausgehen, zu berücksichtigen sind. Für ein kugelförmiges Staubteilchen vom Radius a mit der Dichte Q und einem Sonnenabstand r gilt für die Gravitationskraft GM 4 (40) F G = 2 ☼ π ρ a3 r 3
(
)
und für den Strahlungsdruck FR =
(r)
π a2 r c
∞
∫Q I
2
pr
dλ ,
(41)
0
wobei c die Lichtgeschwindigkeit darstellt; I(λ) bedeutet die Energieverteilung im Sonnenspektrum in der Entfernung r und π a2Q pr(λ , a) den Wirkungsquerschnitt für die Übertragung des Impulses von Strahlung der Wellenlänge λ auf das Teilchen mit dem Radius a. (Qpr ist ein relatives Maß für die a- und λ-abhängige Impulsübertragung der Strahlung auf Partikel.) Da die beiden Kräfte FG und FR radial und in entgegengesetzter Richtung wirken und sich beide mit r–2 ändern, wird ein Staubteilchen unter dem Einfluß dieser beiden Kräfte eine Keplersche Bahn entsprechend einem reduzierten „effektiven“ Gravitationsfeld (1 — β) FG beschreiben. Hier ist der Parameter β das Verhältnis von Strahlungsdruck zu Gravitation bzw. das Verhältnis der Beschleunigung eines Staubteilchens durch Lichtdruck und Gravitation: 2
b=
FR 3r = · FG 4cGM☼
∞
∫ 0
QprIdλ . ρa
(42)
Um die Bildung von Staubschweifen unter dem Einfluß des „effektiven“ Gravitationsfeldes (1 — β) FG zu verstehen, ist es sinnvoll, die von Bredichin (siehe Jaegermann, 1903) eingeführten Begriffe der Syndyname und der Synchrone zu benutzen. Wir betrachten dazu einen Kometenkern, der beständige Teilchen mit einem bestimmten Wert des Parameters β = β* und mit der relativen Geschwindigkeit Null bezüglich der Bewegung des Kerns abgibt. Die Teilchen werden durch die Kraft (1 — β *) FG beschleunigt und bilden eine Linie, die sogenannte Syndyname.
130
7. Der Staubschweif
Mathematisch ausgedrückt, stellt die Syndyname den Ort aller Staubteilchen mit festem β = β * zu einem bestimmten Beobachtungszeitpunkt tc dar, wobei die Teilchen den Kern zu unterschiedlichen Zeitpunkten tc — τ mit der Relativgeschwindigkeit Null verlassen haben, τ ist die Emissionszeit des Teilchens. Entlang einer Syndyname wächst die Emissionszeit τ mit der Entfernung vom Kern. Da die Teilchen außerdem unter dem Einfluß einer Zentralkraft stehen, liegt die Syndyname in der Bahnebene des Kometen. Im allgemeinen wird die Anfangsgeschwindigkeit der Staubteilchen ungleich Null sein und einen bestimmten Wert vj haben. Damit wird auch der resultierende Syndynamenschweif einen endlichen Querschnitt der Breite j 2vjτ haben (s. Abb. 41). Gleichzeitig ist aus der Form der Syndynamen zu erkennen, daß
Abb. 41. Die Bewegung der Staubteilchen nach dem Verlassen des Kometenkernes (Finson und Probstein, 1986a)
7.1. Mechanische Theorie
131
Abb. 42. Komet Mrkos 1957d. Plasmaschweif (links) und Staubschweif (leicht nach rechts gekrümmt) sind klar zu erkennen (Aufnahme des Hale Observatoriums Mount Palomar, California)
der Staubschweif in der Regel um einen bestimmten Winkel gegenüber dem Plasmaschweif abweicht, der hauptsächlich in Richtung des Radiusvektors von der Sonne wegweist (vgl. auch die Abb. 42 und 43). In der Realität haben wir unterschiedliche Teilchengrößen und wahrscheinlich auch unterschiedliche Bestandteile, d. h. Teilchen mit unterschiedlichen β-Werten und damit unterschiedliche Syndynamen. Anstelle der Ordnung der Teilchen entsprechend ihrem Wert für β, wie es mit den Syndynamen geschieht, ist es gleichfalls möglich, die Staubteilchen entsprechend ihrer Emissionszeit vom Kern zu ordnen. Dementsprechend wird eine Synchrone als der Ort aller Teilchen mit verschiedenem β definiert, die zur gleichen Zeit den Kern verlassen, d. h., auf der Synchrone befinden sich alle zum relativen Emissionszeitpunkt τ abgegebenen Teilchen. Die Synchronen sind entgegen der Bewegungsrichtung des Kometen zum Radiusvektor aus der Sonne um einen Winkel gekippt, der vom Alter (d. h. der Emissionszeit) der jeweiligen Synchrone abhängt. Wie bei den Syndynamen existiert auch bei den Synchronen eine gewisse Auffächerung, da die Teilchen den Kern nicht mit der Anfangsgeschwindigkeit Null verlassen. Mit den exakten Methoden der Bahnberechnung im Sonnensystem ist die Berechnung der Bahnen der Staubteilchen, der Syndynamen (für vorgegebene verschiedene Werte von β) und der Synchronen möglich. Abb. 44 zeigt ein Netz von Syndynamen
132
7. Der Staubschweif
Abb. 43. Komet West 1975n. Der breitere Staubschweif ist nach links leicht gekrümmt, während der Plasmaschweif in etwa auf der Verbindungslinie Sonne — Komet liegt (Aufnahme des Kitt Peak National Observatory, Arizona)
und Synchronen, berechnet von Saito, Isobe u. a. (1981), überlagert mit einer Photographie des Kometen Seki-Lines 1962 III. Wie man sieht, sind zur Bildung des Staubschweifes Parameterwerte für β von 0,1 bis etwa 2 notwendig. Falls kein Lichtdruck wirkt ( β = 0), sind die Bahnen der Staubteilchen nach dem Perihel meist Hyperbeln um die Sonne, während vor dem Perihel Ellipsen die Regel sind. Die Synchronen der Abb. 44 zeigen, wo sich die zu verschiedenen Zeiten nach dem Periheldurchgang (in h) ausgestoßenen Teilchen befinden. Der Schnittpunkt einer Synchrone mit einer Syndyname bestimmt auf der Synchrone den Punkt, an dem sich die Teilchen mit dem Parameterwert ß, die zur entsprechenden Zeit der Synchrone emittiert wurden, befinden. Umgekehrt wird auf der Syndyname der Punkt festgelegt, an dem sich die Teilchen mit dem β-Wert der Syndyname befinden, die zum Zeitpunkt r der Synchrone vom Kern abgegeben wurden. Wir wollen nun betrachten, welche Werte der Parameter β überhaupt annehmen kann. Aus Beziehung (42) ist erkennbar, daß β im wesentlichen von Qpr(λ, a), dem Teilchenradius und der Art des Materials abhängt. Die Funktion Qpr, die ebenfalls vom Teilchenradius a, von der Wellenlänge der Strahlung λ und der Materialart bestimmt wird, kann für homogene, isotrope und kugelförmige Teilchen mit bekanntem Brechungsindex mit Hilfe der Mieschen Theorie der Lichtstreuung numerisch berechnet
7.1. Mechanische Theorie
133
Abb. 44. Ein Netz von Syndynamen (gestrichelte Kurven) und Synchronen (durchgezogene Kurven), überlagert mit einer Fotografie des Kometen Seki-Lines 1962 III. Die Syndynamen sind entsprechend den β-Werten und die Synchronen mit der Zeit nach dem Periheldurchgang (in h) gekennzeichnet (nach Saito, Isobe u. a., 1981)
134
7. Der Staubschweif
werden (siehe z. B. van de Hülst, 1957 oder Giese, 1961). Der Brechungsindex hängt stark von der Wellenlänge der Strahlung ab und kann der Literatur entnommen werden. Abb. 45 zeigt von Körösmezey und Yusopov (1983) berechnete Qpr für verschiedene im Kosmos bedeutsame Materialien in Abhängigkeit vom Teilchenradius: Die Brechungsindizes wurden dabei für Obsidian und
Abb. 45. Wirkungsquerschnittsfaktor Qpr in Abhängigkeit vom Teilchenradius a für verschiedene Materialien (nach Körösmezey und Yusupov, 1983)
basaltisches Glas für 0,2 µm ï λ ï 0,4 µm von Lamy (1978) und für 0,4 µm ï λ ï 6,0 µm von Pollack, Toon u. a. (1973) übernommen; für Eisen wurden die Werte von Johnson und Christy (1974), für Graphit von Taft und Phillipp (1965) und für Magnetit von Huffman und Stapp (1973) benutzt. Für Teilchenradien mit a á 0,2 µm ist Qpr annähernd konstant und von der Größenordnung 1 für alle betrachteten Materialien. Mit den I(λ)-Werten von Arversen, Griffin u. a. (1969) für 0,2 µm ï λ ï 2,5 µm und von Makarova und Kharitonov (1972)
7.1. Mechanische Theorie
135
Abb. 46. β-Werte als Funktion des Teilchenradius für verschiedene Materialien (nach Lamy und Koutchmy, 1979)
für 2,5 µm ï λ ï 6,0 µm läßt sich nun der Parameter β nach (42) numerisch bestimmen. Abb. 46 zeigt für verschiedene Materialien berechnete Kurven für β , über dem Teilchenradius aufgetragen (aus Lamy und Koutchmy, 1979). Der Maximalwert für β wird für Teilchenradien zwischen a = 0,1 ... 0,2 µm erreicht. Für größere Radien ist, wie die Abb. 45 zeigt, Qvr annähernd konstant, so daß β entsprechend (42) ungefähr mit a –1 abnimmt. Für a ï 0,1 µm ist die Abnahme von β im wesentlichen durch die starke Abnahme des Wirkungsquerschnittsfaktors Qpr bedingt. Mit anderen Worten ausgedrückt, wächst für Teilchen mit a ï 1,0 µm ihre „Transparenz“ gegenüber dem Lichtdruck. Aus den für die Bildung von Staubschweifen erforderlichen Werten von β zwischen 0,1 ... 2 und den Ergebnissen der Abb. 46 folgt, daß mit Hilfe des Lichtdrucks nur Teilchen mit Radien bis etwa 1 µm in den Schweif gelangen können. Die untere Grenze für die Teilchenradien liegt bei etwa 2 π a á λmin, wobei λmin die minimale Wellenlänge des Sonnenlichtes ist. Lange Zeit wurde die oben beschriebene Methode dazu be-
7. Der Staubschweif
136
nutzt, um auf indirektem Wege zu Aussagen über die Größe und die stoffliche Zusammensetzung des Staubes zu gelangen. Mit einigen weiteren vereinfachenden Annahmen ist es möglich, aus beobachteten Helligkeitsverteilungen im Staubschweif des Kometen Eigenschaften der größenmäßigen Verteilung des Staubes abzuleiten (Finson und Probstein, 1968a, b; Sekanina und Miller 1973; Jambor, 1973). Bei der nach Finson und Probstein (1968 a, b) benannten Methode gehen neben β und tc — τ drei weitere funktionelle Parameter in die Lösung ein; (1) die Staubproduktionsrate Nd(tc — τ), (2) die Größenverteilung der Staubpartikel v(ρa) d(ρa) und (3) die Emissionsgeschwindigkeit der Staubpartikel vj = vj(β , τ ; tc). Durch Variieren dieser drei Parameter wird die theoretische Lösung des Problems der Helligkeitsverteilung im Schweif ermittelt, die am besten mit dem beobachteten photometrischen Profil übereinstimmt. Die dabei benutzten Werte für die Parameter werden dann für N d , v( ρ a) d( ρ a) und vj = vj(β , τ ; tc) als die realen Werte ausgewählt. Abb. 47 zeigt theoretische Isophoten des Kometen Arend-Roland, wie sie von Finson und Probstein (1968b) berechnet wurden, zusammen mit gemessenen Isophoten. Die Untersuchungen der Werte für die Kometen Arend-Roland und Bennett 1970 II führten zu ähnlichen Verteilungsfunktionen für die Teilchengröße. Sie können durch eine Verteilung beschrieben werden, die in der Literatur (siehe Hanner 1980) SekaninaMiller-Verteilung genannt wird: n(a) = 0 0,69(2ρa — 0,9 · 10–4) n(a) = (2ρa)5
2ρa < 0,9 · 10–4 ;
n(a) = 0,08656(2ρa)–4,2
2ρa > 2,6 · 10–4 .
0,9 · 10–4 ï 2ρa ï 2,6 · 10–4 ;
Die Gleichungen beziehen sich auf CGS-Einheiten und enthalten die Dichte der Teilchen als Skalenfaktor. Wegen der vielen eingehenden Vereinfachungen und Unbestimmtheiten kann jedoch diese Größenverteilung nur als eine Größenordnungsabschätzung betrachtet werden. Sind die Staubproduktionsrate Nd und die Anfangsgeschwindigkeiten bestimmt, ist es möglich, die Gasproduktionsrate durch eine Modellrechnung für die Staubbeschleunigung durch die Gas-
7.1. Mechanische Theorie
137
Abb. 47. Berechnete und gemessene Isophoten für den Kometen Arend-Roland (nach Sinson und Probstein, 1968b)
Strömung zu berechnen (Probstein, 1969). Für das Verhältnis der Massenproduktionsraten Staub zu Gas fanden Finson und Probstein (1968 b) für den Kometen Arend-Roland während des Beobachtungszeitpunktes Werte nahe 1. Für den Kometen Bennett ermittelten Sekanina und Miller ein Verhältnis von 0,5, so daß dieser Komet weniger staubig zu sein scheint. Da in der Nähe der Kometenoberfläche die Mitführungskraft des ausströmenden Gases die größte auf den Staub wirkende Kraft ist, wird mit Hilfe gasdynamischer Modellrechnungen versucht, die Emissionsgeschwindigkeit der Teilchen vfzu bestimmen. Ab einer Entfernung von rund 20 Kometenkernradien (Prob-
138
7. Der Staubschweif
Abb. 48. Emissionsgeschwindigkeit vj der Staubteilchen in Abhängigkeit vom Teilchenradius a (nach Gombosi; Szegö u. a., 1983)
stein, 1969) wird wegen der dann niedrigen Gasdichte auch die Mitführungskraft durch das Gas sehr klein, für die Geschwindigkeit der Staubteilchen wird ein bestimmter Wert erreicht, der als Emissionsgeschwindigkeit vj angesehen werden kann. Die weitere Bewegung des Staubes wird dann wieder im wesentlichen durch Lichtdruck und Gravitation bestimmt. Die maximalen Entfernungen E(a), die Teilchen unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Materials allein gegen den Lichtdruck zurücklegen können, wurden von Körösmezey und Yusupov (1983) berechnet. Solche Berechnungen sind u. a. auch für die Experimentvorbereitungen der zukünftigen Kometenmissionen von Bedeutung. Einen Überblick über die bei der Wechselwirkung von Staub und Gas benutzten Modelle bis zum Jahr 1981 gibt Wallis (1982). Neuere Ergebnisse finden sich bei Marconi und Mendis (1982, 1983) und Gombosi, Szegö u. a. (1983), von denen auch Abb. 48 stammt. In dieser Abbildung ist die für verschiedene Teilchengrößen durch die Gasströmung erreichbare Emissionsgeschwindigkeit vj dargestellt. Für Teilchen mit Radien ï 1 µm beträgt diese Geschwindigkeit rund 400 m/s, während für größere Radien dieser Wert schnell kleiner wird und für a = 1 mm nur noch etwa 50 m/s beträgt.
7.1. Mechanische Theorie
139
Abb. 49. Gegen den Lichtdruck maximal erreichbare Entfernung E der Staubteilchen vom Kern (nach Körömezey und Yusupov, 1983)
Wie bereits oben erwähnt, wirkt auf Staubpartikel mit Radien zwischen
λmin ï a ï 1 µm 2π der Lichtdruck merklich. Das zeigt auch die von Körösmezey und Yusupov (1983) übernommene Abb. 49 für die maximal erreichbare Entfernung der Teilchen mit einer Anfangsgeschwindigkeitsverteilung vj entsprechend der Abb. 48. Die Teilchen mit Radien von etwa 0,1 bis 1 µm gelangen gegen den Lichtdruck je nach Materialart nur bis etwa 5 · 103 ... 5 · 104 km vom Kern weg.
7. Der Staubschweif
140
Dort besitzen sie die Geschwindigkeit Null und werden danach vom Lichtdruck in den Schweif befördert, wobei ihnen nach (41) eine Beschleunigung bS von bs =
FR
4π ρ a 3
3 = 4aρc 3
() r r
2
∞
∫Q I
pr
dλ
0
erteilt wird. Für die hier betrachteten Teilchen 2 π a á λ mi n war Q pr ~ 1 und nur langsam mit λ veränderlich, so daß man für sie bs ≈
10–4 2aρ
(rr )
2
in
cm · s–2
schreiben kann. Die Wahl der Konstanten wurde dabei so getroffen, daß für Ni und H2O Gleichheit von Strahlungsdruckkraft FR und Gravitationskraft FG (β = 1) etwa für die bei Giese (1961) angegebenen Teilchenradien erreicht wird. Den zur Bildung der Staubschweife nötigen β-Werten von 0,1 bis 2 entsprechen dann bei r = r = 1 AE Beschleunigungen von 0,05...1 cm · s–2, die jedoch nur von kleinen oder sehr leichten Teilchen erreicht werden können. Wie schon oben angedeutet wurde, dürften Teilchen welche größer als einige µm sind, demnach im Schweif nicht auftreten.
7.2.
Wechselwirkung mit dem Plasma
Seit den sechziger Jahren wurden Versuche unternommen, aus der Farbe des reflektierten Sonnenlichtes durch Anwendung der Mieschen Theorie Werte für die Teilchendurchmesser zu erhalten (Liller, 1960; Notni, 1964). Die dabei ermittelten Radien liegen höher als die aus der Theorie des Lichtdruckes ermittelten Werte. Eine obere Grenze für die Radien der Teilchen im Schweif ist dabei nicht festzulegen, so daß angenommen werden kann, daß sich dort auch Staubpartikel mit a á 1 µm befinden. Wenn diese Annahme größerer Teilchen haltbar sein soll, müssen neben Lichtdruck und Gravitationskraft noch andere Kräfte vorhanden sein, die zumindest bei großen Teilchen eine stärkere Wirkung haben. Außerdem darf diese Kraft nur in der Nähe des Kometen wirksam werden, da ansonsten durch sie alle mittelgroßen Staubteilchen
7.2. Wechselwirkung mit dem Plasma
141
im Sonnensystem beeinflußt werden müßten, was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Nach Notni (1964, 1966a, b) ist die Ursache dieser zusätzlich auf den Staub wirkenden Kraft durch die Wechselwirkung von elektrisch aufgeladenen Staubteilchen mit dem Plasma des Kometenkopfes gegeben. Bei seiner Bewegung im Plasma nimmt ein Staubteilchen zunächst Ladung auf, wozu folgende Prozesse beitragen: — bei gleicher Elektronen- und Ionentemperatur treffen mehr Elektronen als Ionen pro Sekunde auf das Teilchen, — die Auslösung von Photoelektronen, — die Auslösung von Sekundärelektronen. Im Gleichgewicht ist die Änderung der Aufladung pro Zeiteinheit gleich Null, so daß gilt Ne(l – Re) = Ni(l – Ri) + Nes + Nis + Nph .
(43)
Hier ist N e die Zahl der pro Sekunde auftreffenden Elektronen, Ni die der Ionen; Nes ist die Zahl der durch Elektronen ausgelösten Sekundärelektronen mit Energien größer als eU (U — Potential der Teilchenoberfläche, eU — Energie in Elektronenvolt), Nis die Zahl der durch Ionen und neutrale Atome ausgelösten Sekundärelektronen; Nph — Zahl der pro Sekunde ausgelösten Photoelektronen mit Energien größer als eU; Re, Ri — Reflexionskoeffizienten. Nph ist außer von der Entfernung von der Sonne r und den Materialeigenschaften nur von U abhängig, während die anderen Größen außerdem noch von der Temperatur T, der Teilchendichte n und der Relativgeschwindigkeit des Plasmas abhängen. Für vorgegebenes n, T, v und Nph stellt (43) eine Gleichung für die Aufladung U der Staubteilchen dar. Einige der Ergebnisse für die Aufladung zeigt Abb. 50 (Notni, 1966). Während für die Verhältnisse des interplanetaren Raumes (n = 1...100 cm–3, T = 104...106 K, V = 100...1000 km · s–1) die Aufladung meist positiv ist, wird für Verhältnisse, wie wir sie im Kometenkopf antreffen (n sehr groß, n á 10 4 cm –3 ), die Aufladung meist negativ sein. Nur bei sehr hohen Temperaturen kann die Aufladung durch die Sekundärelektronenemission positive Werte erreichen. Zu der ansonsten auf neutrale Teilchen ausgeübten Kraft durch direkten Stoß von Elektronen und Ionen mit den Staubteilchen, die durch die Aufladung und damit die Fokussierung der Ionen bzw. Elektronen um mehrere Größenordnungen anwachsen oder
142
7. Der Staubschweif
Abb. 50. Elektrische Aufladung eines Staubteilchens im Plasma (nach Notni, 1966)
absinken kann, kommt jetzt die wesentlich effektivere Wechselwirkung des geladenen Staubes mit dem Plasma über die CoulombKräfte hinzu. Jeder Ladungsträger des Plasmas, der in der Nähe eines geladenen Staubpartikels vorbeifliegt, wird in seiner Bewegung gestört, wodurch ein Impulsaustausch stattfindet, der der Bewegung des Partikels relativ zum Plasma insgesamt entgegenwirkt. Die dem Staub im interplanetaren Raum durch direkten Stoß und Coulomb-Wechselwirkung mit dem Plasma erteilten Ben . Nur für sehr hohe Plasmaschleunigungen betragen etwa 10 –s ρa 3 –4 –3 teilchendichten von 10 –10 cm , die im interplanetaren Raum jedoch meistens nicht erreicht werden, kann diese Beschleunigung nicht mehr gegenüber der Beschleunigung durch den Lichtdruck n (bei r = 1 AE) vernachlässigt werden. bs ≈ 10–4 ρa
7.2. Wechselwirkung mit dem Plasma
143
Abb. 51. Dichten eines CO+-Elektronen-Plasmas für bestimmte Be–1 schleunigungen kleiner Teilchen mit ρ = 1 g · cm ; Plasmageschwin–1 digkeit V = 10 km · s (nach Notni, 1966)
Innerhalb der Kometenkoma kann die Beschleunigung durch das Plasma wesentlich höhere Werte annehmen. In Abb. 51 sind die Teilchendichten und die Temperatur eines CO+-ElektronenPlasmas aufgetragen, die notwendig sind, um ein Staubpartikel mit a = 10 – 3 cm bzw. a = 10 – 5 cm und g = 1 g/cm 3 mit b = 1 cm · s –2 oder b = 100 cm · s –2 zu beschleunigen (Notni, 1966). Für die Plasmageschwindigkeit wurde V = 10 km · s–1 zugrunde gelegt. In kernnahen Gebieten der Kometenkoma können Plasmadichten Werte bis 10 8 cm –3 und darüber erreichen. In solchen Fällen ist die durch die Coulomb-Wechselwirkung mit dem Plasma erreichte Beschleunigung sehr hoch und im Temperaturbereich zwischen 104 bis 106 K größer als alle durch andere Wechselwirkungen erzielten Beschleunigungen (zum Vergleich wurden in Abb. 51 die nahezu horizontalen Kurven für die Beschleunigung mit b = 1 cm · s–2 durch direkten Stoß mit angegeben). Da die Ladung des Staubteilchens entsprechend Abb. 51 bei hohen Dichten mit der Plasmatemperatur zunächst ansteigt, steigt auch die Mitführungskraft. Das Maximum wird etwa bei 3 · 105 K erreicht,
144
7. Der Staubschweif
während oberhalb die Mitführung wegen des Ladungsabfalls durch Sekundärelektronen wieder abfällt. Jenseits der Nullstelle bei T ≈ 9 · 105 K ist die Aufladung nur noch schwach positiv, und merkliche Beschleunigungen können durch elektrische Kräfte nicht mehr auftreten. Dieses Verhalten trifft sowohl für Teilchen mit Radien kleiner als 1 µm (a = 0,1 µm), als auch für größere Teilchen (a = 10 µm) zu. Durch die starke Kopplung zwischen elektrisch aufgeladenem Staub und dem Plasma der Koma werden demnach Teilchen kleiner und mittlerer Radien zusammen mit dem Plasma in Richtung des Plasmaschweifes gebracht. In einiger Entfernung vom Kometenkopf wird die Plasmadichte so niedrig, daß sich Staub und Plasma entkoppeln und die Staubteilchen unter dem Einfluß der jetzt wieder die Hauptkräfte darstellenden Gravitations- und Lichtdruckkraft einen separaten Staubschweif bilden. Für die Richtigkeit dieser Modellvorstellungen spricht, daß bei den meisten Kometen Staub- und Plasmaschweif in Kopfnähe dieselbe Richtung besitzen (siehe z. B. Abb. 42 und 43). Auch die beobachtete Form der Staubschweife läßt sich mit dieser Theorie, bei der im Gegensatz zur klassischen Theorie die Teilchen eine hohe Anfangsgeschwindigkeit in einer Vorzugsrichtung besitzen, recht gut erklären (Notni, 1964). Neuere Arbeiten von Wallis (1983) und Wallis und Hassan (1983) beschäftigten sich u. a. mit den Bahnen aufgeladener Staubteilchen unter dem Einfluß elektromagnetischer Kräfte in der Kometenkoma. Nach Wallis und Hassan (1983) können die den Lichtdruck übersteigenden elektromagnetischen Kräfte zur Herausbildung von in der Koma beobachteten fächerförmigen Staubstrukturen beitragen, die sonst meist mit aus dem Kern austretenden Staub-Jets erklärt werden (Sekanina, 1979).
8.
Herkunft und Entstehung der Kometen
Die gegenwärtigen und statistisch noch keinesfalls gesicherten Kenntnisse über die radiale Verteilung der Kometen wurden in Abb. 4 zusammengestellt. Eine etwas andere Darstellung wird in Abb. 52 gewählt, die wegen der Relation E = –M/2a die Energieverteilung der Kometen darstellt. Negative a-Werte beziehen sich dabei auf gravitativ nicht an die Sonne gebundene und also hyperbolische Bahnen. Dabei stellen die relativ häufigen Bahnen zwischen 0 und 0,1 · 10–3 AE–1 die frisch aus der weiter unten diskutierten Oortschen Woke kommenden Kometen dar. Zu den in Abb. 52 auftretenden hyperbolischen Bahnen ist festzustellen, daß die größte der diesen Bahnen entsprechenden Geschwindigkeiten „im Unendlichen“ relativ zur Sonne nur 0,8 km/s beträgt. Für wirklich das Sonnensystem kreuzende Kometen interstellarer Herkunft müßten jedoch mittlere Relativgeschwindigkeiten um 20 km/s erwartet werden, wie sie die Sonne relativ zu ihren Nachbarn aufweist. Die Tatsache, daß bisher keine einzige derartige hyperbolische Bahn beobachtet wurde, ist ein Hinweis darauf, daß die wenigen beobachteten schwachhyperbolischen Bahnen nicht „interstellaren Ursprungs“ sind, sondern über Störungen durch die großen Planeten, die schon erwähnten nichtgravitativen Effekte, oder auch einfach durch noch vorhandene Beobachtungsfehler zu erklären sind. Damit sind die Kometen in das Sonnensystem „eingemeindet“, was auch mit den in Kap. 5 diskutierten Substanzanalysen und mit Altersbestimmungen an primitiven kohlig chondritischen Meteoriten verträglich ist, die alle auf eine Entstehungszeit vor ca. 4,55 Milliarden Jahren hinweisen. Das ist auch genau das Alter der ersten festen Materie im Planetensystem, wie es aus den Untersuchungen der Mondmaterie und Meteoriten bestimmt wurde. Auch die in Kap. 5 dargestellten Ergebnisse der stofflich orientierten Auswertung der VEGAund GIOTTO-Staubdaten weisen auf eine gemeinsame Herkunft der Kometen und der übrigen Materie des Sonnensystems hin. Wenn nun aber die Kometen zum Sonnensystem gehören, wie sind dann ihre gegenüber nahezu allen anderen Mitgliedern des Sonnensystems drastisch unterschiedliche Verteilung der Bahnneigungen (Abb. 5) und ihre große Häufigkeit am Rande der gravi-
146
8. Herkunft und Entstehung der Kometen
tativen Einflußsphäre der Sonne zu erklären? Der hierzu erfolgreichste Ansatz einer Erklärung stammt von dem holländischen Astronomen Jan Hendrik Oort (1950), der die Existenz einer später nach ihm benannten Oortschen Wolke aus, wie man heute vermutet, ca. 1010 bis 1012 Kometen postulierte, die sich in einigen 104 AE Entfernung um die Sonne bewegen (Abb. 52). Im inneren
Abb. 52. Radiale Verteilung der großen Halbachsen der langperiodischen Kometen (nach Hughes, 1982)
Sonnensystem werden nur solche Kometen beobachtbar, die durch Störungen ihrer Bahn infolge unbekannter Großkörper, vorbeiziehender Sterne oder interstellarer Wolken aus der Oortschen Wolke heraus bis in Sonnennähe fallen. Abschätzungen zeigen, daß dies bisher ca. 13% der Gesamtzahl sind. Dabei können die Wechselwirkungen mit den großen Planeten und die in Sonnennähe auftretenden nichtgravitativen Kräfte dazu führen, daß diese Kometen nach einem oder mehreren Umläufen letztlich im inneren Sonnensystem eingefangen bleiben und somit zur Gruppe der „kurzperiodischen“ Kometen führen. Eine weitere Gruppe von ca. 9% der Gesamtzahl der Kometen in der Oortschen Wolke wurde durch
8. Herkunft und Entstehung der Kometen
147
die erwähnten Bahnstörungen in den interstellaren Raum hinausgeworfen. Bei diesen Abschätzungen der Auswirkungen der Störungen wird davon ausgegangen, daß diese durch Sterne verursacht werden, die sich bis zu 1 pc (entspr. ca. 3 · 10 5 AE) der Sonne nähern und dann die Oortsche Wolke beeinflussen. Man kann dabei davon ausgehen, daß bisher ca. 2 · 104 derartige „nahe Vorübergänge“ von Sternen erfolgten (Weissmann, 1982). Derartige direkte Störungen können auch die Ursache für die Gleichverteilung der Bahnneigungen und die Auflösung einer möglicherweise anfangs vorhandenen Vorzugsrichtung sein. Die gegenwärtigen Kenntnisse von Kometen deuten also auf ihren eigentlichen Aufenthalt in der Oortschen Wolke in einigen 104 AE Entfernung hin, die durch stellare Störungen dynamisch beeinflußt wird. Zu beantworten ist dann die Frage nach der Entstehung der Oortschen Wolke. Dazu werden sowohl Ansätze diskutiert, die davon ausgehen, daß die Kometen direkt in der Oortschen Wolke entstanden, als auch solche Erklärungen für möglich gehalten, die eine spätere dynamisch bedingte Ansammlung der Kometen in dieser Wolke annehmen, die Oortsche Wolke also als ein sekundäres dynamisches Phänomen anzusehen ist. Im Rahmen der zuletzt erwähnten Erklärungsversuche können inzwischen die Hypothesen ausgeschlossen werden, die eine interstellare Entstehung der Kometen und einen späteren Einfang annehmen (Radzijevskij, Tomanov, 1977), weil dem sowohl die bereits erwähnten Altersbestimmungen als auch das Fehlen einer Vorzugsrichtung entgegenstehen, da der Einfang vorzugsweise prograd erfolgen würde (Fernandez, 1981). Auch die bereits erwähnten stofflichen Untersuchungen am kometaren Staub weisen ja auf eine Entstehung der Kometen gemeinsam mit dem Sonnensystem hin. Gegenwärtig erscheinen die Ansätze am geeignetsten, die eine Entstehung der Kometen in der Oortschen Wolke gleichzeitig mit der des Planetensystems annehmen. Hierfür gibt es insofern unabhängige Argumente, als Modellrechnungen der zur Protosonne führenden Kollapsprozesse eines Fragments einer interstellaren (präsolaren) Wolke zeigen, daß ein reibungsbedingter Abtransport von Drehimpuls in die Außengebiete der kollabierenden Wolke stattfinden muß, um den Gesamtdrehimpuls des kollabierenden Systems zu erhalten. Es muß sich dabei bereits sehr früh ein relativ massearmer Ring mit großem Radius bilden, der praktisch den Gesamtdrehimpuls des Systems trägt. Es ist möglich, daß die Oortsche Wolke eben aus diesem Ring resultierte, aller-
148
8. Herkunft und Entstehung der Kometen
dings scheint dem möglicherweise entgegenzustehen, daß die Materiedichte in diesem großen Ring zu klein war, um durch Akkretion Kometen zu bilden. Gestützt wird dies Modell jedoch durch die wahrscheinliche Blockstruktur der Kometenkerne, die auf eine akkretive Entstehung hinweist, wobei die Anlagerungsgeschwindigkeiten so klein gewesen sein müssen (~ 1 m/s), wie sie nur bei ca. 103 AE bis 104 AE auftreten (Möhlmann, 1987; Keller, 1987). Indirekt wird diese Vorstellung auch dadurch gestützt, daß die alternative Erklärung der Entstehung der Kometenkerne im Gebiet um Uranus und Neptun dadurch problematisch erscheint, daß die Kometen während des „Hinausschleuderns“ in die Oortsche Wolke mit zu großer Geschwindigkeit wiederholt kollidiert sein müssen, so daß sie nicht mehr ihre heutige Konsistenz haben könnten. Das Problem des Ursprungs der Kometenkerne ist auch nach den Kometenmissionen noch nicht eindeutig gelöst. Möglich ist übrigens auch, daß Kometen frühe Planetesimale in der noch gasdominierten Frühphase der kollabierenden präplanetaren Scheibe sind, die in den inneren Teilen des heutigen Sonnensystems bereits verschwunden sind und eben nur noch an den ursprünglich äußeren Rändern auftreten. Dies entspräche in vielen Aspekten dem erstgenannten Modell einer Entstehung in 103 AE bis 104 AE Entfernung. Allerdings könnte dann das Gas der präplanetaren (präsolaren) Wolke eine wesentlich größere Rolle gespielt haben, und es müßte mehr Masse im äußeren Sonnensystem vorhanden sein, als bisher angenommen wurde. Das Problem des Ursprungs der Kometen ist also noch offen. Eine Präzisierung scheint nur insofern erkennbar zu werden, als zunehmend eine mit dem Planetensystem kogenetische Entstehung angenommen wird. Wir wissen jedoch gegenwärtig noch viel zu wenig über die wirklichen Verhältnisse in den äußeren Teilen des Sonnensystems, um genauere Angaben über die Entwicklung der zumeist noch unbekannten Materie außerhalb des gegenwärtig bekannten Planetensystems machen zu können. Hier sind noch Überraschungen möglich. Die auch nicht erklärbaren Bahnstörungen bei Uranus und Neptun deuten darauf hin. Vielleicht bringt uns das Hubble-Teleskop der NASA in den 90er Jahren bei der Klärung dieser Fragen weiter.
9.
Missionen zum Kometen Halley
Die relativ gut bekannte Bahn des P/Halley, die inzwischen so weit entwickelte Weltraumforschungstechnik und die zeitlich geeignete Wiederkehr dieses Kometen im Jahre 1986 haben den Halleyschen Kometen zu einem Ziel für Experimente zur direkten Erforschung des Kometen gemacht. Nach einer bereits 1985 mit der ehemaligen und für Messungen im Sonnenwind ausgelegten ISEE-3-Sonde der USA durchgeführten plasmaphysikalischen Untersuchung des Schweifes des Kometen Giacobini-Zinner erfolgten im Jahre 1986 direkte Messungen durch die für Kometenuntersuchungen ausgelegten Sonden VEGA 1 und VEGA 2, SUISEI, GIOTTO und SAKIGAKE. Diese Experimente und die sie begleitenden Programme werden im folgenden kurz dargestellt.
9.1.
VEGA
Die Bahnwahl der VEGA-Sonden führte nach dem Start in der zweiten Hälfte des Dezembers 1984 zuerst zur Venus, wo ein mit Fallschirmen versehener Landeteil abgesetzt wurde und als gemeinsames sowjetisch-französisches Experiment ein Ballon (25 kg) mit 15 kg wissenschaftlicher Nutzlast in der Venusatmosphäre in Wolkenhöhe (55 km) trieb, um die Eigenschaften der Venusatmosphäre genauer zu untersuchen. Nach der Umlenkung an der Venus nahmen die noch als Relaisstation für den Lander arbeitenden VEGA-Sonden Kurs auf den Kometen Halley, den sie im März 1986 erreichten. Die Bezeichnung VEGA resultiert aus den jeweils ersten beiden Anfangsbuchstaben der russischen Bezeichnungen für Venus (Venera) und Halley (Gallei). Aus Sicherheitsgründen erfolgte eine Duplizierung der Sonde. In Abb. 53 ist der erwähnte Bahnverlauf dargestellt. Die kometennächsten Bahnpunkte von 8890 km bzw. 8030 km wurden am 6. März 1986 (von VEGA 1) und am 9. März (von VEGA 2) erreicht. Die VEGA-Sonden wurden unter voller Verantwortung der UdSSR geschaffen. Beim Entwurf und der Entwicklung der wissenschaftlichen Nutzlast und der zugehörigen Hilfssysteme wirkten Wissenschaftler und Techniker aus mehreren europäischen
150
9. Missionen zum Kometen Halley
Ländern mit. Ein internationales wissenschaftlich-technisches Komitee organisierte diese Arbeiten. Die VEGA-Sonde ist ein dreiachsig stabilisiertes Meßgerätesystem mit einer auf den Kometenkern auszurichtenden nachführenden Plattform. Die gesamte wissenschaftliche Nutzlast beträgt 144,3 kg, die Datenübermittlungsrate liegt bei 65536 kbit/s.
Abb. 53. Bahn der VEGA-Sonden 1984-1986
Um die Gefahr der Zerstörung der Sonde durch Staub oder andere feste Teilchen aus dem Kometen zu reduzieren, sind Teile der Sonde mit Schutzschilden abgeschirmt. Die nicht abschirmbare» Solarzellen wurden dann auch während der Vorbeiflüge stark beschädigt. Die wesentlichen wissenschaftlichen Ziele der VEGA-Experimente, die alle erfüllt wurden, waren — die Erfassung der Oberflächeneigenschaften und der physischen Parameter des Kometenkerns (Form, Masse, Rotation, Temperatur, Aktivitätsphänomene, Oberflächenmorphologie, ...),
9.1.
VEGA
151
— die chemisch und physikalisch motivierte Untersuchung der kernnahen Gebiete der Gas-Staub-Atmosphäre und der primär freigesetzten Verbindungen (Muttermoleküle), — die Zusammensetzung der Kometenatmosphäre in verschiedenen Entfernungen vom Kern, — Wechselwirkung von Kometenatsinophäre und -ionosphäre mit dem Sonnenwind. Dazu dienten folgende Gerätekomplexe (Blamont, Sagdeev, 1984). 1. Das TV-System mit zwei Kameras, die für spektrale Untersuchungen mit acht verschiedenen Filtern ausgerüstet waren. Die Brennweite der Kameras betrugen 150 mm und 1200 mm, ihre Sensoren sind 512 × 576 CCD-Matrizen, die ein Blickfeld von 3,5° × 5,2° bzw. von 0,4° × 0,6° erfaßten. Die maximale Auflösung bei 10 000 km Entfernung beträgt damit 180 m, bei 3000 km Entfernung ca. 60 m. 2. Das Dreikanal-Spektrometer, das aus einem Teleskop mit 10 cm Öffnung und 35 cm Brennweite und drei lokalen Spektrometern besteht. Durch Bewegung des Sekundärspiegels des Teleskops erfolgte eine Winkelskannierung in zwei Dimensionen, so daß auch bildhafte Informationen erhalten wurden. Die Spektrometer arbeiteten in den Wellenlängenbereichen von 120—350 nm, 350 bis 900 nm und 900—1800 nm. 3. Das Infrarot-Spektrometer mit drei optischen Kanälen von 2,5—5 µm, 6—12 µm, 7—14 µm, wobei in den ersten beiden Bereichen spektroskopisch gearbeitet wurde, während mit dem dritten Kanal ein Infrarotbild der inneren Koma gewonnen wurde. 4. Das Staub-Massenspektrometer, mit dem die Verdampfung des mit ca. 70 km/s aufprallenden Staubes zu Plasma ausgenutzt wurde und das Plasma massenspektroskopisch untersucht wurde. Mit diesem Verfahren konnte die Elemente- und Isotopenzusam–16 –10 mensetzung der Staubpartikel im Bereich von 10 g bis 10 g untersucht werden. 5. Die Staub-Teilchenzähler, die auf der Basis piezoelektrischer Elemente als Mikrophone für Teilchen mit mehr als 10–10 g Masse oder als Plasmadetektoren für Massen im Bereich 10–12 g —10–18 g arbeiteten. 6. Das Neutralgas-Spektrometer, mit dem das Neutralgas über Spitzenentladungen zu 50-keV-Ionen ionisiert und dann analysiert wurde. Auf diesem Wege wurde eine Identifikation von Molekülen im Bereich von 1—80 atomaren Masseneinheiten möglich.
152
9. Missionen zum Kometen Halley
7. Die Ionen-Massenspektrometer und Elektronenanalysatoren, mit denen der totale Ionenfluß von der Sonne, die Dichte der kometaren Ionen, das Energiespektrum der Sonnenwindionen zwischen 50 eV und 25 keV und das Energiespektrum der Elektronen zwischen 3 eV und 5 keV gemessen wurde. Hinzu kommt noch, daß das Energiespektrum der kometaren Ionen gemessen wurde, woraus bei der großen Relativgeschwindigkeit zur Sonde die Ionenmassen abgeleitet wurden. 8. Der Zähler hochenergetischer Teilchen, der mit Halbleiterdetektoren, Antikoinzidenz-Szintillatoren und einer entsprechenden Bordelektronik die Messung von Teilchen gestattet, die infolge der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind beschleunigt wurden. Gemessen wurden Ionen im Bereich von 20 keV bis zu einigen MeV und Elektronen von 175 eV bis zu einigen MeV. 9. Die Plasmawellen-Analysatoren, die mit zwei Antennen empfangene elektromagnetische Strahlungen des Plasmas im Bereich von 0,1—1000 Hz und 0—3000 kHz messen. Dabei wurden die Temperatur und Dichte des Kometenplasmas mit einer LangmuirSonde erfaßt. 10. Das Magnetometer zur Messung des infolge der Umströmung auftretenden Magnetfeldes in der Nähe von Kometen. Die Empfindlichkeit liegt bei 10–1 nT. Das Gerät war notwendig zur Erfassung der Strukturen vor dem Kometenkern. Das Arbeitsregime der VEGA-Sonden sah während des Fluges Übertragungen der zwischenzeitlich gespeicherten Plasmameßdaten mit einem Rhythmus von 20 bis 30 Tagen vor. 72 Stunden vor der Begegnung mit dem Kometen wurde die Plattform für die optischen Experimente abgeklappt. Im Intervall 60 bis 50 Stunden vor der Begegnung wurden z. T. nacheinander alle Geräte eingeschaltet. Zwischen 50 Stunden und 48 Stunden vor der Begegnung wurden dann auch die Kameras eingeschaltet. Die Entfernung zum Kometen betrug dann aber noch 14 Millionen Kilometer. Im Intervall 36 Stunden bis 24 Stunden vor der Begegnung wurden wieder alle Geräte, am Ende des Intervalls auch wieder die Kameras für zwei Stunden eingeschaltet. Drei Stunden vor der eigentlichen Begegnung arbeiteten dann wieder alle Geräte, die Kameras ab zwei Stunden vor der Begegnung. Nach dem nahen Vorübergang wurden die Kameras eine Stunde nach der Begegnung abgeschaltet und noch einmal 24 Stunden und 48 Stunden danach wieder eingeschaltet. Zu den VEGA-Sonden besteht kein Funkkontakt mehr.
9.2.
9.2.
GIOTTO
153
GIOTTO
Das GIOTTO-Projekt der ESA zur Erforschung des Kometen Halley ist nach dem Florentiner Maler Giotto de Bondone benannt, der, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen gesehen hatte, diesen anstelle des Sterns von Bethlehem bei seiner Darstellung der Heili-
Abb. 54. Bahn der GIOTTO-Sonde zum Kometen Halley
gen Drei Könige verwendet. Abb. 54 zeigt die Bahnwahl für die GIOTTO-Sonde. Der mit der ESA-Rakete Ariane vorgesehene Start gelang am 10. Juli 1985 (in Kourou/Guyana). Die Begegnung mit dem P/Halley erfolgte am 14. März 1986, mit der größten Annäherung von ca. 600 km. Die wissenschaftlichen Zielstellungen der GIOTTO-Sonde, die übrigens spinstabilisiert ist, waren denen der VEGA-Sonden ähnlich. Für die Aufgaben befanden sich ca. 58 kg wissenschaftliche Nutzlast auf dieser Sonde, mit der folgende
154
9. Missionen zum Kometen Halley
Experimente erfolgreich durchgeführt wurden (Fechtig, Rahe, 1984): — die Fernsehkamera, mit der Bilder vom Kometenkern und von der Koma in verschiedenen Spektralbereichen übermittelt wurden. Dabei wurde das Bild durch linienweise Skannierung und Ausnutzung der Spin-Stabilisierung von CCD-Sensoren aufgebaut. — das Neutral-Massen-Spektrometer, das mit Hilfe elektrischer und magnetischer Felder eine Massenspektrometrie des Neutralgases der inneren Koma erlaubte. Besonderes Interesse galt bei diesen Messungen den Muttermolekülen mit Massen bis zu 35 atomaren Masseeinheiten. — das Ionen-Massen-Spektrometer, mit dem in der äußeren heißen Koma Ionen bis zu 8 keV und in der inneren kühleren Koma Ionen bis zu 1,5 keV gemessen wurden. — das Staub-Massenspektrometer, mit dem analog wie bei dem ähnlichen Experiment auf den VEGA-Sonden das Plasma, das durch den Aufprall der Staubpartikel bei 70 km/s Geschwindigkeitsdifferenz entsteht, massenspektrometrisch analysiert wurde. — der Staub-Aufschlag-Analysator, der aus mehreren Mikrophonen besteht und zur Trefferzählung und zur Massenbestimmung genutzt wurde. — das „Optical-Probe“-Experiment zur Untersuchung des am Staub gestreuten Lichtes und zur Erfassung der optischen Eigenschaften des Staubes. — Plasmaexperimente zur Messung der beschleunigten Ionen in vier Kanälen (0,1—4,6 MeV und größer 45 MeV), der Elektronen in drei Kanälen (30—185 keV) und schwerer Teilchen mit Z > 2 in zwei Kanälen (von 2,1 MeV—16 MeV) sowie zur Messung der Zusammensetzung und Verteilung der positiven thermischen Ionen und der Elektronenenergiespektren. Es erfolgte auch eine Plasmaanalyse zur Messung der Energieverteilung der Ionen im Bereich 10 eV—20 keV. Erwähnt werden soll an dieser Stelle, daß gemäß dem sogenannten Pfadfinder-Konzept die genauen Bahndaten des Kometen Halley, wie sie aus den Beobachtungen von VEGA 1 folgten, sofort dem GIOTTO-Projekt übermittelt wurden, um so die Annäherung von 600 km an den Kometenkern zu erreichen. Da die GIOTTO-Sonde noch größtenteils einsatzfähig ist, wird gegenwärtig geprüft, ob sie nach einem nahen Vorbeiflug an der Erde (im Jahre 1990) zu anderen Kometen umgelenkt werden wird.
9.3. PLANET-A (SUISEI)
9.3.
155
PLANET-A (SUISEI)
Das japanische „Institute of Space and Astronomical Science“ (ISAS) entsandte ebenfalls eine Sonde zur Untersuchung des Kometen Halley. Vor dem Start der eigentlichen Sonde ,,Planet-A“, der am 14. April 1985 erfolgte, wurde Anfang Januar 1985 bereits die Test-Sonde MS-T 5 gestartet — auch als Sakigake bezeichnet. Die Begegnung mit dem Halleyschen Kometen erfolgte für Planet-A am 8. März 1986. Zu dieser Zeit stand MS-T 5 0,1 AE entfernt vom Kometen und maß die Eigenschaften des vom Kometen nicht gestörten Sonnenwindes. Planet-A ist eine spinstabilisierte Sonde, die mit einer UV-(Lyman-α-)Kamera und einem Sonnenwindanalysator ausgerüstet ist. Die mit der UV-Kamera gewonnenen Bilder dienten vor allem der Untersuchung der Verteilung und der Dynamik des Wasserstoffs in der Umgebung des Kometen. Die Kamera ist mit einer 125 × 150 CCD-Matrix als Sensor ausgerüstet und hat einen Öffnungswinkel von 2,5°. Ihrer Auflösung von 1’ entspricht eine von 30 km in 100 000 km Entfernung. Die plasma-physisikalischen Experimente dienen der dreidimensionalen Erfassung des Energiespektrums der Elektronen und Ionen im Sonnenwind, um Rückschlüsse auf die physikalischen Prozesse in der Nähe der Bow shock zu erhalten. Interessant ist, daß auf diesem Wege die 2,2-Tage-Periodizität in den Rotationsbewegungen des Kerns nachgewiesen wurde.
9.4.
Weitere Programme (IHW)
Zusätzlich zu den vier erwähnten Sonden, die zur Erforschung des Kometen Halley erbaut und in dessen Nähe gebracht wurden, sind noch eine Reihe weiterer Vorhaben zu erwähnen, die aus Anlaß des Wiedererscheinens des P/Halley Beiträge zur Kometenforschung liefern. Der zusätzliche Einsatz der Sonnenwind-Plasma-Sonde ISEE 3 als ICE (Int. Comet. Expl.) zur Untersuchung des Schweifes des Kometen Giacobini-Zinner im Jahre 1985 und des P/Halley (aus 30 Millionen Kilometer Entfernung) wurde bereits erwähnt. Außerdem wurde die reparierte SMM-(Solar Maximum Mission) Sonde während der Perihelpassage des Kometen eingesetzt und auch noch ein die Venus umlaufender noch einsatzfähiger Orbiter auf den Kometen ausgerichtet. Weiterhin wurden mehrere Raketenexperimente durchgeführt, um oberhalb der dichten Schich-
156
9. Missionen zum Kometen Halley
ten der Atmosphäre Messungen vornehmen zu können. Eine ganz besondere Bedeutung haben natürlich trotz aller dieser herausragenden Vorhaben die astronomischen Beobachtungen von den Observatorien am Erdboden. Alle diese Vorhaben wurden in der „International Halley Watch“ (IHW) koordiniert, die nach Abschluß aller Messungen am Halleyschen Kometen im Sinne eines Datenzentrums alle die Daten, die am Kometen Halley während seiner Wiederkehr im Jahre 1986 gewonnen werden, archiviert und deren Daten nunmehr allen Interessenten zur Verfügung stehen.
10.
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11.
Sachwortverzeichnis
Akkretion 76 aktive Hänge 46 Aktivität 35 ff., 41 ff. Aktivitätszentren 41, 42 Albedo 42, 77 Alfvén-Geschwindigkeit 100 Alfvén-Wellen 119 Aquariden, η- 60
Giotto-Sonde 34, 35, 39, 51, 145, 153 ff. Gravitationskraft 129 Greenberg-Partikel 77
Bahnelemente 22 ff. Bahngleichung 23 BBS-Modell 98 ff. Berg 40 Bielascher Komet 18 Bindungsspannungen 45, 49, 51 Blockstruktur 49, 50 Brownlee-Teilchen (Partikel) 18, 53, 58, 60 ff., 74 Bugstoßfront 106
ICE 103 ideomorph 59 IHW 155 interplanetarer Staub 53 Ionen-Zyklotronfrequenz 120 Isophoten 137 Isotop 58, 66 ISEE-3 21 Isotopenuntersuchungen 58
C-Chondrit 53, 54, 57 ff., 70 Chondre 54 Chondrit 53 Collisionpause 112 Cometopause 112 diamagnetische Kavität 103, 116 Drehimpuls 23 Drehimpulstransport 147 Ekliptikebene 24, 25 Ellipse 22 ff. Erde 53 Flugzeit-Massenspektrometer 64 Gegenschweif 18 Geminiden 55, 60 Giacobiniden 55, 60 Giacobini-Zinner 106 ff.
Hagel 47 Halley-Sonden 64, 74 Hybridcode-Simulationen 117
Jet 28, 33, 39, 47 Kernmasse 29, 31 ff. Kernradius 31 ff. Kohlechondrite 59, 70, 75 Koma 17 kometare Bugstoßfront 106, 109, 112 Kometenbahn 24 Kometenfamilie 26 Kometesimal 73, 77ff. Kometopause 110 Krater 37, 40 Kruste 45 ff. kurzperiodische Kometen 25, 146 langperiodische Kometen 27, 146 Lichtknoten 19 mafisch 58 Magnetfeldmessungen 106, 110
11. Sachwortverzeichnis
164
magnetohydrodynamische Gleichungen 101 Massendichte 33, 47 Mehrflüssigkeitsmodell 118 Meteorite 51 ff., 53, 62, 74 Meteorstrom 55 Mond 53 nichtgravitative Kräfte 28 Olivin 59 ff., 71, 73 ff. Oortsche Wolke 146 ff. Orioniden 60 PIA 64 pile-up boundary 110, 112 Periheldurchgang 13 ff., 19 Planetesimal 73 Plasmamodell 116 Plasma-Plasma-Wechselwirkung 99 Plasmastrukturen 122 Produktionsrate 101 PUMA 64, 72 Pyroxen 59 ff., 71, 73 ff.
„schmutziger Schneeball“ 77 Schweif 17 Sonnensystem 53, 62, 63, 73, 75 ff. Sonnenwind 17, 98 Sonnenwind-Kometen-Wechselwirkung 98 Staubschweif 18, 128 Stoßfront 102 Strahlungsdruck 129 Sublimation 43, 44 Suisei 149, 155 Synchrone 129 Syndyname 129 Temperatur 42 ff. thermomechanische Spannungen 45, 50 Trümmerhaufenmodell 50 VEGA-Sonden 35 ff., 51, 104, 145, 149 ff. „Weintrauben“-Struktur 58 Whipplesches Modell 34, 50 Xenomorph 59
Rotation 31 ff., 49 Sakigake 149 Sandbankmodell 35
Zweikörperproblem 22 ff. Zodiakallicht 55
Das Buch gibt eine leicht verständliche Einführung in das heutige Wissen über Kometen, wobei bereits die wesentlichsten Ergebnisse der Raumfahrtmissionen zum Kometen Halley im Jahre 1986 mit aufgenommen wurden. Besondere Schwerpunkte des Buches sind neben der himmelsmechanischen Einordnung der Kometen in unser Sonnensystem die stofflichen Eigenschaften der festen Materie, aus der die Kometenkerne bestehen, die Beschreibung der Wechselwirkung der vom Kometenkern abströmenden Materie mit dem von der Sonne heranströmenden Plasma, dem Sonnenwind, und die Fragen nach Entstehung und Herkunft der Kometen. Kurz dargestellt werden die bisher zur Erforschung der Kometen unternommenen Raumfahrtexperimente. Die von den VEGA- und GIOTTO-Missionen stammenden erstmaligen Abbildungen eines Kometenkerns und seiner Oberflächeneigenschaften sind in diese zweite Auflage mit aufgenommen worden.
ISBN 3-05-500629-1