Erle Stanley Gardner
Perry Mason Die verschwundene Schwester
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Erle Stanley Gardner
Perry Mason Die verschwundene Schwester
scanned by AnyBody corrected by Yfffi Sie ist jung, schön und Witwe. Ihr Mann, der berühmte Chirurg Malden, ist gerade mit seinem Privatflugzeug tödlich verunglückt. Und jetzt steht sie in Perry Masons Büro und will seinen Rat. Denn sie hat einiges über das Leben ihres Mannes entdeckt, das ihr gar nicht paßt: Er hat Geld beiseite geschafft, eine Geliebte gehabt und unter falschem Namen eine luxuriöse Wohnung angemietet. Und in eben dieser Wohnung nach dem verschwundenen Geld zu suchen, bittet sie den Staranwalt. Perry Mason verspricht ihr das und läuft geradewegs in eine Falle... ISBN 3-548-10109-7 Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M - Berlin - Wien Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Case of the Fugitive Nurse Übersetzt von Renate Weigl Juli 1981
Vom selben Autor in der Reihe der Ullstein Bücher P. M. und die toten Augen (1609) P. M. und der Tote im Rollstuhl (1678) P. M. und die schweigende Braut (1757) P. M. und der Scheidungsgrund (1769) P. M. und die Leiche im Laub (1786) P. M. und die rote Kaffeedose (1804) P. M. und die bestochenen Zeugen (1816) P. M. und die fünfzig Päckchen (1840) P. M. und die Katze mit dem Goldfisch (1852) P. M. und das Mädchen mit der Narbe (1870) P. M. und der letzte Brief (1888) P. M. und das fliegende Gift (1906) P. M. und der Tote im Park (1924) P. M. Ärger wegen Frances (1942) P. M. und die alten Zeitungen (1960) P. M. und das ambulante Aktmodell (1978) P. M. und die feurigen Finger (10005) P. M. und der wunde Punkt (10023) P. M. und die Leiche am Steuer (10042) P. M. und die Unschuld vom Land (10054) P. M. und der Engel mit Krallen P. M. und der grinsende Gorilla P. M. und die sterbenden Fische (10066) P. M. und die blauen Flecken (10069) P. M. und der lachende Verlierer (10081) P. M. und der stille Teilhaber (10097)
1 Della Street, Perry Masons Privatsekretärin, legte eine gehämmerte Visitenkarte auf den Schreibtisch ihres Chefs. Der Rechtsanwalt überflog die Karte. »Mrs. Summerfield Malden«, meinte er. »Was möchte sie, Della?« »Sagt Ihnen der Name etwas?« »Nein. Müßte er das?« Della nickte. »Alle Zeitungen waren gestern davon voll. Sie ist Steffanie Malden, die Frau, oder besser gesagt, die Witwe von Dr. Summerfield Malden. Der Arzt flog mit seiner Privatmaschine zu einem Ärztekongreß nach Salt Lake City. Aus bisher unerfindlichen Gründen stürzte die Maschine ab. Ungefähr eine Stunde nach der Katastrophe wurden die Trümmer in einem der ausgetrockneten Seen in der Wüste entdeckt. Dr. Maldens Leiche war völlig verkohlt. Man nimmt an, daß ihn ein Motorschaden zu einer Notlandung zwang, bei der er Bruch machte.« Mason nickte. »Jetzt erinnere ich mich. Dr. Malden war ein bekannter Chirurg, nicht wahr?« »Ja, einer unserer besten«, bestätigte Della. »Ich nehme an«, meinte Mason grübelnd, »daß mich Mrs. Malden wegen der Testamentseröffnung konsultieren möchte, aber... verflixt noch mal, gewöhnlich wartet man mit diesen Dingen wenigstens, bis die Beerdigung vorbei ist. Sie müßte doch...« »Müßte«, unterbrach ihn Della. »Wollen Sie damit sagen, daß...« »Ich will gar nichts sagen, Chef«, antwortete Della, »aber den Eindruck einer gramgebeugten Witwe macht sie wirklich nicht. Sie scheint mir eher nervös und ungeduldig zu sein. Eines muß man ihr lassen, sie sieht sehr gut aus. Von ihrer Garderobe gar nicht erst zu reden. Ihre Schuhe haben
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mindestens 40 Dollar gekostet. Nur eines vermisse ich bei der jungen Dame: Trauer.« »Jung sagen Sie? Dr. Malden war doch im gesetzten Alter«, fragte Mason. »Ich nehme an, sie ist seine zweite, wenn nicht gar seine dritte Frau.« »Wie alt schätzen Sie sie?« »So etwa 26 - 27. Sie weiß über ihre Vorzüge genau Bescheid und zieht sich auch so an, daß sie voll zur Geltung kommen. Sicher war sie ein sehr kostspieliges Vergnügen für Dr. Malden, darauf können Sie sich verlassen.« Perry Mason lachte. »Ich wüßte nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte, Della. Ein Mann kann diese Kleinigkeiten gar nicht so schnell wahrnehmen und seine Schlüsse daraus ziehen.« »Bei ihr bestimmt«, widersprach Della Street und schnippte mit den Fingern. »Sie sorgt nämlich schon dafür.« »Für eine Frau, die gerade eben erst Witwe wurde, ist dieses Benehmen ein bißchen ungewöhnlich, finden Sie nicht?« meinte Mason. »Sie hatte ja 24 Stunden Zeit«, versetzte Della lächelnd. »Bringen Sie sie herein. Ich nehme an, sie erwartet eine gewisse Portion Mitgefühl, wie?« »Alles, was sie erwartet, dürfte Bewunderung sein«, korrigierte Della. »Und sie scheint es gewöhnt, zu befehlen.« »Befehlen?« Della nickte und ging ins Vorzimmer, um Masons Besucherin hereinzubitten. Steffanie Malden trug ein perlgraues Kostüm aus weichem englischem Wollstoff, das ihre Figur wie eine zweite Haut umspannte. Um die Schultern hatte sie lässig eine Platinnerzstola gelegt, und als sie ihre silbergrauen Rehlederhandschuhe auszog, funkelte ein mehrkarätiger Brillant in der Nachmittagssonne. -4 -
»Mr. Mason«, begann sie in einem Ton, als kenne sie den Rechtsanwalt schon seit Jahren, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, daß Sie mich gleich empfangen. Ich weiß nämlich, wie beschäftigt Sie sind.« Sie warf einen Seitenblick auf Della Street. »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Mason. »Das ist Miss Street, meine Sekretärin. Sie weiß alles über meine Klienten, was ich auch weiß. Und manchmal sogar ein bißchen mehr«, fügte er lächelnd hinzu. Ein kaum wahrnehmbares Stirnrunzeln erschien auf Steffanie Maldens Gesicht. »Es handelt sich aber um eine sehr peinliche, äußerst persönliche und höchst vertrauliche Geschichte, Mr. Mason«, sagte sie. »Fein«, antwortete Mason, »dann wird Della eben vertrauliche Notizen machen. Sie können sich auf ihre Diskretion verlassen.« »Sie... ja, ich... ich weiß nicht recht, wie ich beginnen soll«, stotterte Steffanie Malden und schlug die Beine übereinander. Sie strich ihren Rock zurecht, ihre haselnußbraunen Augen fest auf ihre linke Schuhspitze gerichtet. »Fangen Sie in der Mitte an«, schlug Mason vor. Sie blickte erstaunt auf. »Ich dachte, Sie würden mich auffordern, von vorn zu beginnen, wie die meisten Leute, denen ich etwas erzählen will.« »Dann machen wir es eben einmal anders«, antwortete Mason lächelnd. »Manchmal ist es leichter, in der Mitte zu beginnen, weil man dann weder vom Anfang noch vom Ende soweit entfernt ist.« Sie stieß ein kurzes, nervöses Lachen aus. »Mein Mann war Dr. Summerfield Malden. Er war ein bekannter Arzt und kam bei einem Flugzeugunglück ums Leben.« »Ja, ich habe es in der Zeitung gelesen«, sagte Mason mitfühlend. Für ein paar Sekunden entstand eine Pause, dann fing sie sich wieder, als wäre sie mit ihren Gedanken Hunderte von -5 -
Kilometern weg gewesen und käme jetzt zurück. »Sehen Sie, Mr. Mason, mein Mann war in Schwierigkeiten.« »In welcher Beziehung?« »Mit seiner Einkommensteuer.« »Was war damit?« »Die Steuerbehörden haben in letzter Zeit bei sämtlichen Ärzten, ganz besonders aber bei denen mit großen Praxen, Prüfungen durchgeführt.« Mason nickte. »Sie werden sicher wissen«, fuhr sie fort, »daß Ärzte des öfteren auch in bar honoriert werden, insbesondere von Privatpatienten.« »Ihr Mann hatte eine große Praxis, nicht wahr?« fragte Mason. »Ja. Er behandelte viele Patienten durch Diathermie und beschäftigte mehrere Schwestern, die Behandlungen durchführten und...« »Und die Bezahlungen hierfür entgegennahmen, nicht wahr«, ergänzte Mason ihren Satz. Sie nickte. »Gladys Foss war seine rechte Hand. Sie leitete sein Büro und hatte die anderen Schwestern unter sich.« »Haben die Steuerbeamten mit ihr gesprochen?« »Ja.« »Ist sie denn in Los Angeles?« »Im Augenblick nicht. Ich hatte keine Ahnung«, fuhr Mrs. Malden mit bitterem Unterton fort, »daß Gladys meinen Mann in Salt Lake City treffen sollte.« »Aber inzwischen haben Sie erfahren, daß das geplant war?« »Ja. Mein Mann hatte es so arrangiert, daß Gladys zuerst nach Phoenix in Arizona fuhr, um aus einem dortigen Krankenhaus einige Unterlagen zu besorgen. Sie ist aber nicht mehr dort, sondern wie vom Erdboden verschwunden.« -6 -
»Aber Sie glauben, daß Gladys Foss Ihren Gatten in Salt Lake City...?« »Aber Mr. Mason«, unterbrach sie den Anwalt gereizt, »seien Sie doch nicht so schwerfällig.« »Was können Sie mir sonst noch über Miss Foss sagen?« »Sie ist 27. Mein Mann war 52, ein ziemlich gefährliches Alter. Er... na ja, er war ein Mann und den ganzen Tag mit ihr zusammen.« »Und Sie glauben, daß sich daraus etwas mehr ergeben hat?« Sie lachte. »Lieber Himmel! Mr. Mason! Ich bin doch nicht dumm und nicht von gestern.« »Die Zeitungen haben aber in dieser Richtung nichts erwähnt«, meinte Mason. »Aber das wird schon noch kommen. Die Reporter werden in mein Haus kommen und versuchen, mich schonend darauf vorzubereiten. Sie werden wissen wollen, ob ich etwas ahnte.« »Und was werden Sie tun?« erkundigte sich Mason interessiert. »Ich werde die von allem unterrichtete Gattin mimen und ihnen erzählen, daß Miss Foss zuerst nach Phoenix und dann nach Salt Lake City fahren sollte. Und um jeden Verdacht im Keim zu ersticken, werde ich behaupten, daß ich ebenfalls nachfahren wollte. Wenn ich es geschickt anstelle, wird man mir glauben, daß mir im letzten Augenblick etwas dazwischengekommen ist. Was haben Sie denn erwartet, Mr. Mason? Haben Sie geglaubt, daß ich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und tränenerfüllt beichten würde, daß mein Mann ein Doppelleben führte, von dem ich keine Ahnung hatte?« »Sie sind nicht seine erste Frau gewesen?« fragte Mason. »Nein, die dritte. Aber ich habe niemanden verdrängt, wenn Sie das meinen sollten. Maldens zweite Frau starb. Er war sehr, sehr einsam danach. Ich war gar nicht so wild, daß er mich -7 -
heiratet. Schließlich habe ich es ja nicht nötig, mich jemanden an den Hals zu werfen. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, daß ich ihn wegen seines Geldes geheiratet habe. Wenn ich einen Mann mit 70 genommen hätte, der steinreich war, dann wäre es etwas anderes. Nein, nein, ich habe mich für meinen Mann entschieden, der genau 25 Jahre älter war als ich. Ich nehme an, daß unsere Ehe in zehn Jahren vielleicht ein wenig... nun, ein wenig ruhiger geworden wäre. Aber meine Devise ist immer, den Tatsachen ins Auge zu sehen, wenn es soweit ist. Dr. Malden hat mich einfach fasziniert. Er war ein kühler Denker. Jedes Problem konnte er mit sachlichem, überlegenem Intellekt auseinandernehmen und hatte immer eine teuflisch geniale Lösung bei der Hand.« »Und die Einkommensteuer?« erinnerte sie Mason. »Es heißt, daß er 100000 Dollar nicht angemeldet hat. Sie können es nicht beweisen. Das einzige, was die Beamten gegen ihn vorbringen konnten, war, daß seine Bareinnahmen in keinem Verhältnis zu denen von anderen Ärzten mit gleich großen Praxen standen. Die Steuerfahndung hat auch zwei Leute aufgespürt, die behaupteten, ihre Operationen bar bezahlt zu haben, einer mit 200 Dollar und einer mit 350. Angeblich fehlen diese Beträge in den Büchern meines Mannes.« »Und wie ging es weiter?« »Sie haben meinen Mann verhört. Er hat die Beamten einfach nur ausgelacht und behauptet, er wüßte über seine finanziellen Belange in der Praxis nicht Bescheid, da Gladys seine Bücher führt und...« »Und was sagte sie dazu?« »Nichts. Sie versprach, die Bücher zu überprüfen, und fuhr in Urlaub.« »Wie lange arbeitet sie schon für Ihren Mann?« »Vier Jahre.« »Und wie lange waren Sie verheiratet?« -8 -
»Fünf Jahre.« »Hatten Sie Grund zu der Annahme, daß Sie die Zuneigung Ihres Gatten vielleicht teilen mußten?« Sie lachte. »Reden wir nicht um den Brei herum, Mr. Mason. Nein, wissen konnte ich es nicht. Und wenn Sie meinen Mann gekannt hätten, wüßten Sie auch, weshalb nicht.« »Warum denn nicht?« »Er war stets sein eigener Ratgeber. Ich glaube nicht, daß er sich jemals irgendwem anvertraut hätte. Alles, was er sagte, war mit Bedacht überlegt. Er sprach nur soviel, wie er wollte, und kein Wort mehr.« »Gut«, meinte Mason, »Sie haben mir jetzt ein ungefähres Bild vermittelt. Aber Sie haben immer um das Problem herumgeredet, weswegen Sie zu mir gekommen sind. Wie wär’s, wenn Sie mir jetzt klipp und klar sagen würden, was ich für Sie tun soll?« »Sie sollen mich in Vermögensdingen beraten.« »Hat Ihr Mann ein Testament hinterlassen?« »Ja.« »Und?« »Ich bin die Universalerbin.« »Wie steht’s mit Versicherungen?« »Summerfield hat vor einiger Zeit eine Lebensversicherung zu meinen Gunsten abgeschlossen.« »Wie hoch?« »100000 Dollar. Diese Versicherung wird ungültig, falls mein Mann Selbstmord verübt hätte.« »Gut. Sie müssen nach der Beerdigung schriftlich ein Gesuch einreichen, daß Sie als Testamentsvollstreckerin bestimmt werden.« »Wie steht es aber mit der Übernahme seines Besitzes?« wollte sie wissen. »Angenommen, ich meine, nur einmal angenommen, mein Mann hätte irgendwo Bargeld versteckt?« -9 -
»Das ist natürlich eine Sache, die den Staat interessiert«, erwiderte Mason. »Sehen Sie, Uncle Sam verliert ungern Geld, weder in Form von Erbschafts- noch von Einkommensteuer. Aus diesem Grunde können bei einem Todesfall jegliche Safes, Bankschließfächer und dergleichen nur in Anwesenheit eines Beamten von der Erbschaftssteuer geöffnet werden.« »Ich verstehe«, meinte sie und starrte wieder auf ihre Schuhspitze. Dann warf sie einen abschätzenden Blick auf Della Street, sah aber sofort wieder zu Boden. »Fahren Sie fort«, bat Mason. »Ich weiß nicht, wie ich es am besten formulieren soll«, meinte sie. »Reden Sie nur frei von der Leber weg«, ermunterte sie der Anwalt. »Wir haben jetzt lange genug herumgeredet. Sie kennen das Leben, und ich bin schließlich Rechtsanwalt. Also schießen Sie los.« »Ich versuchte, immer aufzupassen«, begann sie. Mason nickte. »Ich bin stolz darauf, daß ich... nun ja, sagen wir einmal, daß ich wachsam bin.« »Wachsam«, wiederholte Mason mit einem Seitenblick auf Della. »Nun ja«, gab Steffanie Malden zu, »aber ich bin deswegen noch lange keine Schnüfflerin.« »Verstehe. Erzählen Sie weiter!« »Sehen Sie, mein Mann wurde natürlich oftmals während der Nacht angerufen. Das muß man bei einem Arzt in Kauf nehmen. Trotzdem wollte ich immer gern wissen, was los ist.« »Das haben Sie schon mal gesagt«, meinte Mason ungeduldig. »Ich hielt die Augen offen.« Mason nickte. »Nun, ich fand heraus, daß... also nein, so klingt es tatsächlich, als hätte ich spioniert.« -1 0 -
»Passen Sie nicht immer so sehr auf sich selbst auf«, sagte Mason. »Kümmern Sie sich lieber um die Resultate, die Sie sehen wollen. Bitte, kommen Sie nun wirklich zur Sache, Mrs. Malden.« »Also gut«, meinte sie. »Mein Mann hatte einen kleinen ledernen Schlüsselbeutel in seiner Tasche. Ich kannte die verschiedenen Schlüssel darin. Einer war für sein Bankschließfach, dann hatte er einen für den Giftschrank in seiner Praxis, einen Hausschlüssel und einen für die Garage.» »Weiter«, drängte Mason. »Aber er hatte zwei Schlüssel, von denen ich nicht wußte, wofür sie paßten.« »Und?« »Nun ja, deshalb habe ich mit Hilfe einer weichgemachten Kerze Abdrücke davon gemacht und mir Duplikate dieser Schlüssel anfertigen lassen.« »Wann war das?« »Vor ungefähr einem Jahr.« »Fahren Sie fort.« »Ich war fest entschlossen, herauszufinden, zu welchen Türen sie paßten. Immer, wenn ich in die Praxis meines Mannes kam, probierte ich unauffällig ein Schloß nach dem anderen aus.« »Und wofür waren sie?« »Eines weiß ich hundertprozentig: sie paßten zu keinem Schloß in der Praxis.« »Sondern«, fragte Mason interessiert. »Ich habe eine Privatdetektei beauftragt, meinen Mann zu beobachten. Man teilte mir kurz darauf mit, daß mein Mann immer wieder in die Dixiewood-Apartments ging. Ich habe guten Grund zu der Annahme, daß die beiden Schlüssel für die Wohnung Nummer 928-B passen. Ich weiß, daß mein Mann die Miete für diese Wohnung bezahlte.
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Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, Mr. Mason, aber ich kann nun einmal nicht ertragen, wenn Leute Dinge tun, die mich betreffen, und ich nicht weiß, was vor sich geht.« Sie öffnete ihre Handtasche, zog zwei Schlüssel hervor, verglich sie einen Moment und legte sie dann vor Mason auf den Schreibtisch. »Nur weiter«, sagte Mason vorsichtig und streifte Della Street wieder mit einem Seitenblick. »Ich habe noch etwas gefunden«, berichtete sie und überreichte Mason einige Fotokopien. »Was ist das«, fragte Mason. »Ich weiß es nicht, das heißt, ich verstehe ihre Bedeutung nicht. Es sind Fotokopien von einigen Seiten aus einem Kalender meines Mannes. Sie liegen in derselben Reihenfolge wie die Originalseiten.« Mason durchblätterte die Reproduktionen flüchtig. »Wie haben Sie die bekommen?« Sie senkte ihren Blick. »Dieser kleine Taschenkalender schien ihm äußerst wichtig zu sein. Er trug ihn immer bei sich. Eines Tages, als er seinen Anzug wechselte, nahm ich ihn heraus und versteckte ihn.« »Und dann?« »Er vermißte ihn natürlich und rief mich aus der Klinik an. Er bat mich, in seinem getragenen Anzug nachzusehen. Ich ließ ein paar Minuten vergehen, so als würde ich suchen, und dann sagte ich ihm, daß ich den Kalender gefunden hätte. Summerfield schien sehr beruhigt zu sein und bat mich dringend, sofort in seine Praxis zu fahren und ihn ihm zu bringen. Ich sollte ihn nur Gladys Foss aushändigen, auf keinem Fall jemand anderem.« »Und was taten Sie statt dessen?« »Ich erfüllte seinen Wunsch, nur ließ ich mir unterwegs rasch ein paar Fotokopien anfertigen. Ich wartete gar nicht erst, bis sie fertig waren, sondern holte sie mir am nächsten Tag ab.« -1 2 -
Mason nahm die Kopien nochmals zur Hand, dann fragte er: »Was sonst noch?« »Ich werde beobachtet.« »Von wem und weshalb?« »Ich glaube, von der Steuerfahndung. Natürlich kann ich es nicht beschwören, aber daß ich beschattet werde, ist eine Tatsache.« »Wie lange schon?« »Seit mein Mann wegfuhr.« »Berichten Sie weiter.« »Gut, Mr. Mason, ich werde Ihnen alles erklären. Angenommen, mein Mann führte tatsächlich ein Doppelleben. Angenommen, daß er unter falschem Namen die Wohnung in den Dixiewood-Apartments gemietet hatte, daß Gladys Foss sich dort mit ihm traf und daß... nun, nur einmal angenommen, daß sich in dieser Wohnung ein Safe befindet, und in diesem Safe lägen 100000 Dollar. Was dann?« »Unter welchem Namen ist die Wohnung gemietet worden«, fragte Mason sachlich. »Charles Amboy«, antwortete sie. »Ich muß Ihnen eine sehr persönliche Frage stellen«, meinte Mason. »War dieser Mr. Amboy angeblich verheiratet?« »Natürlich. Weshalb sollte er wohl sonst eine ganze Wohnung mieten?« »Aber Sie wissen nicht mit Bestimmtheit, daß dort auch eine Frau wohnte?« »Nein, das nicht. Aber ich weiß, daß er in den DixiewoodApartments als Mr. Charles Amboy auftrat, und das genügte mir.« »Sind Sie ganz sicher, daß die Wohnung von Ihrem Gatten gemietet wurde?« »Hundertprozentig.« »Woher?« -1 3 -
»Ich habe einmal eine Quittung für die Jahresmiete gefunden. Sie steckte in seinem Anzug und lautete auf Charles Amboy und war für Apartment Nummer 928-B.« »Wie hoch war die Miete?« »Fünftausend Dollar.« Mason zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Ihr Mann wird eine solche Summe doch wohl kaum in bar bezahlt haben, oder?« »Nein, er hatte ein Bankkonto auf den fiktiven Firmennamen Malden & Amboy. Dieses Konto belastete er, indem er Schecks ausstellte und sie entweder mit seinem Namen oder als Charles Amboy unterzeichnete.« »Vielleicht hat er diese Scheinfirma auch dazu benutzt, einige seiner Einkünfte abzuzweigen?« »Das wüßte ich nicht.« »5000 pro Jahr, sagten Sie?« »Stimmt.« »Dann hat Ihr Mann, wie mir scheint, ein ziemlich luxuriöses Liebesnest unterhalten«, meinte Mason. »Nun ja, weshalb auch nicht? Er hat sehr gut verdient, und ich glaube, daß nichts negativer auf eine Liebesromanze wirken kann, als ein billiges, kleines Apartment mit ausgefransten Teppichen, schäbigen Möbeln und einem wackligen Bett.« Mason betrachtete sie einen Augenblick. »Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Malden«, meinte er, »aber das hörte sich gerade so an, als redeten Sie aus eigener Erfahrung.« Sie starrte ihn schweigend mit zusammengekniffenen Lippen an. »Sind Sie schon einmal in dieser Wohnung gewesen?« nahm Mason das Gespräch wieder auf. »Nein.« »Warum nicht?« »Mein Gott, Mr. Mason, weshalb sollte ich denn da hingehen?« -1 4 -
»Um herauszukriegen, was vor sich geht, um Beweise zu sammeln, vielleicht.« »Beweise? Wofür denn?« »Haben Sie nie an Scheidung gedacht?« »Nein. Ich war mit meinem Leben sehr zufrieden. Daß mein Mann eine Freundin hatte, machte mir nicht halb so viel aus wie die Tatsache, daß er mich für dumm verkaufte. Als ich von dieser Wohnung Kenntnis erhielt, war es natürlich ein Schock für mich, aber... nun ja, ehrlich gesagt, Mr. Mason, ich glaube, Sie haben sich ein falsches Bild gemacht.« »In welcher Beziehung?« »Die Seitensprünge meines Mannes hatten vielleicht einen ganz anderen Grund.« »Den haben sie gewöhnlich«, kommentierte Mason trocken. »So habe ich es nicht gemeint«, entgegnete sie lachend. »Wie dann?« »Betrachten Sie es einmal von der anderen Seite. Ein Arzt unterscheidet sich von den meisten anderen Menschen. Er muß Tag und Nacht für seine Patienten erreichbar sein. Jeder Geschäftsmann kann seiner Frau erzählen, er müsse verreisen, kann seinen Koffer packen und mit seiner Süßen vier oder fünf Tage irgendwo hinfahren. Ein Arzt aber hat hundert Fälle, die er im Auge behalten muß. Er liegt an der Kette. Verstehen Sie, was ich meine? Er muß also anders vorgehen.« Mason nickte. »Sehen Sie«, fuhr Mrs. Malden fort, »mein Mann erhielt immer wieder Anrufe von einer Mrs. Amboy. Nach jedem dieser Telefonate fuhr er los und nannte mir eine Nummer, unter der ich ihn erreichen könnte.« »Wie ist die Nummer«, wollte Mason wissen. »Crestline 69342. Ich habe mich selbstverständlich sofort darangemacht, in Erfahrung zu bringen, wo dieser Anschluß steht«, setzte sie stolz hinzu. »Die Nummer gehört in die Dixiewood-Apartments, Wohnung Nummer 928-B.
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Vielleicht traf sich mein Mann mit Gladys Foss in dieser Wohnung, vielleicht lebte sie auch dort. Ich weiß es nicht.« »Als Mrs. Amboy?« »Höchstwahrscheinlich.« »Haben Sie denn nicht versucht, es herauszubekommen?« »Nein.« »Erzählen Sie bitte weiter«, sagte Mason. »Was wollten Sie damit sagen, daß die Seitensprünge Ihres Mannes vielleicht andere Gründe hatten?« »Natürlich bin ich davon überzeugt, daß Gladys Foss und mein Mann ein Verhältnis hatten«, antwortete sie. »Sieht sie gut aus?« erkundigte sich Mason. »Na ja, eine Frau beschreibt eine Nebenbuhlerin gewöhnlich nicht gerade enthusiastisch. Aber das muß der Neid ihr lassen, Gladys Foss ist eine außergewöhnliche Erscheinung.« »Könnten Sie sie mir beschreiben?« »Sie hat alles, was sich eine Frau wünschen kann, und alles, was ein Mann braucht. Genau gesagt, ist sie 27, brünett, hat große dunkle Augen, ist ungefähr 1,65 groß, 112 Pfund schwer, und ihre Beine sind einmalig. Sie sorgt natürlich auch dafür, daß man Gelegenheit hat, sie zu bewundern. Alles in allem, Mr. Mason, selbst, wenn sie sich nicht mit meinem Mann eingelassen hätte, würde ich sie schon ihres Aussehens wegen hassen.« »Und trotzdem glauben Sie, daß Ihr Gatte nicht nur von ihrem Äußeren beeindruckt war?« »Genau das, Mr. Mason. Es müssen auch rein geschäftliche Belange eine Rolle gespielt haben. Nach meinem Dafürhalten trafen sie sich nämlich in erster Linie, um der Steuer ein Schnippchen zu schlagen, um die Bücher zu frisieren oder neue anzulegen, nur, damit er... nein«, unterbrach sie sich plötzlich selbst, »soweit sollte ich doch nicht gehen. Ich sage es nur als Möglichkeit.« »Erzählen Sie mir noch etwas über diese mysteriöse Mrs. Amboy«, bat Mason. -1 6 -
»Nun, die Dame hat, wie ich bereits sagte, öfter bei mir angerufen und verlangte, meinen Mann zu sprechen. Er ließ sich nie verleugnen, sondern unterhielt sich stets ausführlich mit ihr, wobei er immer über eine Reihe von Symptomen sprach. Ich konnte natürlich nicht hören, was sie sagte, aber mein Mann tat sehr interessiert und fragte beispielsweise, wie sich denn die Atemnot bemerkbar mache. Und jedesmal meinte er zum Schluß seufzend, es wäre wohl das beste, wenn er vorbeikäme.« »Und dann?« »Dann sagte er mir, er müsse eine Patientin besuchen, daß ich ihn aber unter Crestline 6-9342 erreichen könnte. Für den Fall, daß er nicht mehr dort war, gab er mir eine Reihe anderer Nummern von Patienten, bei denen er ebenfalls vorbeischauen mußte. Aber es war immer das gleiche. Selbst wenn schon eine ganze Weile verstrichen war und er normalerweise längst bei einem der anderen Patienten sein mußte, erreichte ich ihn stets unter Crestline 6-9342. Jedesmal erzählte er mir, daß der Fall Amboy komplizierter war, als er angenommen hätte, und daß er gerade im Begriff war, wegzugehen.« »Hat Sie das nicht mißtrauisch gemacht?« »Zu Anfang nicht.« »Wo ist Gladys Foss jetzt?« »Ich wünschte, ich wüßte es«, antwortete Mrs. Malden. »Wahrscheinlich ist sie noch in Salt Lake City.« Mason überlegte einen Moment. »Wenn jemand innerhalb von zehn Jahren 100000 Dollar auf die Seite bringen kann«, meinte er, »dann muß er aber außergewöhnlich viel verdienen.« »Das hat er auch.« »Also gut«, sagte Mason. »Betrachten wir die ganze Sache einmal von einem kalten, logischen Standpunkt aus. Angenommen, Ihr Mann konnte jährlich 10000 Dollar Bargeld auf die Seite bringen, ohne daß die Steuer mißtrauisch wurde, -1 7 -
dann muß sein Einkommen jährlich mindestens 150000 bis 200000 Dollar betragen haben.« »Brutto«, kommentierte sie trocken. »Halten Sie das für möglich?« fragte Mason. »Ja. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß auch seine Ausgaben außergewöhnlich hoch waren. Alles in allem brauchte er monatlich allein 6000 Dollar, damit der Laden lief.« »Weiter«, meinte Mason. »Weshalb sollte ein Mann seine Praxis, seinen Lebensstandard, ja, vielleicht sogar seine Freiheit aufs Spiel setzen, nur um die Steuern für 100000 Dollar zu sparen? Wegen Steuerhinterziehung sind Leute schon ins Gefängnis gewandert. Wissen Sie das, Mrs. Malden?« Sie nickte. »Aber selbst, wenn es Ihrem Mann gelungen wäre«, fuhr Mason fort, »sich aus der Affäre zu ziehen, hätte es doch einen Riesenskandal gegeben, der ihm und seinem Ruf mehr geschadet hätte, als der Gewinn durch den Einkommensteuerschwindel wert gewesen wäre.« »Nun ja, Mr. Mason, egal, aus welchen Gründen mein Mann etwas tat, glauben Sie nicht, daß wir die Tatsachen herausfinden sollten, bevor es jemand anderer tut?« »Was heißt das?« »Ich möchte Gewißheit, ob die Wohnung, die mein Mann als Charles Amboy gemietet hat, lediglich als Liebesnest gedacht oder ein zweites Büro war.« »Oder vielleicht beides«, ergänzte Mason. »Angenommen, das wäre der Fall gewesen, dann ist bestimmt ein Safe mit einer großen Summe Bargeld in dieser Wohnung. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Gladys Foss, oder wer immer die Wohnung mit ihm teilte, die Kombination zu diesem Safe kennt. Angenommen, Gladys Foss erfährt, daß mein Mann durch ein Flugzeugunglück getötet wurde, und das muß sie inzwischen wissen, dann wäre es doch sicher eine große Verlockung für sie, in die Wohnung zu fahren, den Safe zu -1 8 -
öffnen, das Geld herauszunehmen und zu verschwinden, nicht wahr?« »Das wäre denkbar«, sagte Mason. »Wo wohnt Gladys Foss?« »Sie hat einen kleinen Bungalow im Cuneo Drive Nummer 6931.« »Wie weit liegt das von den Dixiewood-Apartments?« »Vielleicht zwei Kilometer oder zweieinhalb.« »Lebt Gladys Foss allein in diesem Bungalow?« »Ja.« Mason runzelte die Stirn. »Das ist ziemlich ungewöhnlich«, meinte er. Steffanie Malden zuckte die Achseln. »Haben Sie versucht, herauszubekommen, wo sich Miss Foss jetzt aufhält?« forschte Mason. »Selbstverständlich. Ich war draußen in ihrem Haus und habe einen Zettel an die Tür geheftet. Auch im Büro habe ich eine Nachricht für sie hinterlassen. Und dann rief ich noch das Krankenhaus in Phoenix an.« »Ist sie dort gewesen?« »Ja, sie war da und ist wieder weggefahren.« »Haben Sie es in Salt Lake City versucht?« »Nein, Mr. Mason, dazu fehlen mir die Möglichkeiten. Das sollen Sie für mich machen.« »Sie meinen, ich soll Detektive für Sie engagieren und...« »Genau das«, unterbrach ihn Mrs. Malden. »Natürlich werden uns die Leute von der Einkommensteuer in dieser Beziehung schon voraus sein«, gab Mason zu bedenken. »Ich nehme an, daß sie schon versucht haben, Verbindung mit...« »Das glaube ich nicht«, fuhr sie dazwischen. »Meiner Meinung nach haben die Steuerbehörden von der zweiten
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Wohnung meines Mannes keine Ahnung, und ich bezweifle auch, daß sie je dahinterkommen werden.« »Sie sagten, Mrs. Malden«, meinte Mason, »daß die Beamten sich auch an Miss Foss gewandt haben, bevor sie abreiste?« »Ja, das stimmt. Sie erklärte, daß sie in erster Linie in der Praxis zu tun hätte, Behandlungen selbständig durchführen müsse und darüber hinaus Anordnungen für die anderen Schwestern zu geben und zu überprüfen habe. Die Buchführung nähme in ihrer ganzen Arbeit nur den geringsten Platz ein. Sie erklärte, daß sie diesbezüglich nur das Allernotwendigste tue, und machte den Beamten weiterhin klar, daß Dr. Malden nichts davon hielt, seine Patienten wegen der Rechnungen zu mahnen. Er sei schließlich Arzt und kein Bankier. Sämtliche Bargeldeinnahmen würden von ihr in einem Safe im Büro eingeschlossen werden. Und jetzt kommt der Punkt, der die ganze Sache so kompliziert hat. Sie behauptete, daß die Bargelder nur alle vierzehn Tage auf die Bank getragen würden. Sie habe sich in erster Linie um die Patienten im Warteraum zu kümmern und daher keine Zeit, um alle halbe Stunde zur Bank zu laufen.« »Dann nehme ich also an, daß die Einzahlungen sehr hoch waren?« »Eben nicht«, antwortete sie. »Deshalb ist ja die ganze Steuerprüfung eingeleitet worden. In der Zeit, in der der besagte Patient seine 350 Dollar bar bezahlte, wiesen die Bücher meines Mannes für einen Zeitraum von 14 Tagen nur etwas über 1000 Dollar Bargeld auf. Die Steuerbeamten sind jedoch der Meinung, daß innerhalb von zwei Wochen mindestens 2000 Dollar als Bareinnahmen in den Büchern auftauchen müßten.« Mason nickte. »Die Beamten bemängelten natürlich die Art und Weise der Buchführung, worauf Gladys Foss ihnen nahelegte, Dr. Malden zu beeinflussen, eine richtige Buchhalterin zu engagieren.« »Und was sagten sie darauf?« -2 0 -
»Sie forderten Gladys auf, noch einmal alles nachzuprüfen, was Gladys auch versprach. Aber sie sagte, sie sei ziemlich sicher, daß Dr. Malden von den Bargeldern aus der Praxis nichts für private Zwecke entnommen habe.« »Und was geschah dann?« fragte Mason. »Bis jetzt gar nichts. Aber das wird nicht so bleiben. Ich nehme an, daß die Steuerfahndung alles unternimmt, um herauszufinden, was mein Mann mit dem ihrer Meinung nach nicht versteuerten Geld anfing und vor allem wie hoch diese Summe war.« »Aber davon, daß Ihr Gatte vielleicht unter einem anderen Namen eine zweite Wohnung hatte, weiß die Steuer Ihrer Ansicht nach nichts?« »Ich glaube nicht, aber ich bin natürlich nicht sicher.« »Und Sie halten es für wichtig, daß ich Gladys Foss finde, bevor es die Steuer tut?« »Unbedingt.« »Und dann soll ich mit ihr sprechen?« »Ja. Sie müssen sie zum Reden bringen. Schließlich sind Sie Rechtsanwalt. Bearbeiten Sie sie.« »Aber wenn ich sie tatsächlich dazu bringe, zuzugeben, daß Steuerhinterziehungen begangen wurden«, warnte Mason, »sind Sie die Leidtragende. Als Erbin des Vermögens müssen Sie in diesem Fall damit rechnen, eine hohe Strafe zahlen zu müssen.« Sie biß sich auf die Lippe. »Haben Sie denn daran nicht gedacht?« fragte Mason. »Nein.« »Dann überlegen Sie es sich jetzt.« »Ich... nun, ich glaube, ich lege die ganze Sache in Ihre Hände, Mr. Mason. Vertreten Sie mich, und sorgen Sie dafür, daß steuerlich die günstigste Regelung getroffen wird. Kurz und gut, wahren Sie meine Interessen.«
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»Sie würden mir also völlig freie Hand lassen, alles zu tun, was ich für das Beste halte?« erkundigte sich Mason. »Jawohl. Ich vertraue Ihnen hundertprozentig.« »Danke sehr.« Sie lächelte. »Mr. Mason«, sagte sie, »ich weiß, daß ein Anwalt, genau wie ein Arzt, durch seine Berufsethik an gewisse Spielregeln gebunden ist. Aber die erste Pflicht eines jeden Rechtsanwaltes bleibt doch immer, seinen Klienten zu beschützen, nicht wahr?« Mason nickte. »Also, wer immer mich auch beschattet, wird nunmehr wissen, daß ich bei Ihnen war. Das macht auch nichts. Einer Frau in meiner Situation wird niemand verübeln, wenn sie sich einen anwaltschaftlichen Rat holt. Aber von jetzt an nehmen Sie die Geschichte in die Hand.« »Drücken Sie sich bitte noch ein wenig deutlicher aus.« »Muß ich denn ins Detail gehen«, fragte sie ungeduldig. »Sie sollen mich beschützen. Wenn die Leute von der Steuer herauskriegen, daß mein Mann sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht hat, sitze ich doch in der Tinte und muß eine empfindliche Strafe bezahlen. Angenommen, die Beamten würden, wie ich, auf die Spur der zweiten Wohnung stoßen, hingehen, aber nichts finden, fiele doch der Verdacht auf mich. Ich darf mich also dort keinesfalls blicken lassen.« »Nur weiter«, ermunterte sie Mason. »Reden Sie nur weiter!« »Sie dagegen würde niemand verdächtigen. Sowie ich Ihre Kanzlei verlasse, wird man mich wieder verfolgen, aber Sie können unbeachtet hingehen, wo Sie wollen.« »Einen Augenblick noch«, rief Mason, als sie aufstand und sich zum Gehen wandte. »Ich glaube, Sie haben sich die Sache doch zu einfach vorgestellt. So einfach mir nichts, dir nichts Ihre Sorgen auf meinen Schreibtisch zu laden...« Sie zögerte. »Sehen Sie, Mr. Mason«, meinte sie irritiert, »die Leute, die mich beobachten, können auch zwei und zwei zusammenzählen. Es soll doch aber so aussehen, als ob mein -2 2 -
Besuch bei Ihnen eine reine Routinesache bezüglich der Testamentsvollstreckung war. Je länger ich hierbleibe, desto mißtrauischer werden sie. Ich habe Ihnen meine Geschichte erzählt. Ich will doch nichts weiter, als daß Sie meine Interessen wahren. Natürlich werde ich Sie entsprechend honorieren.« »Warten Sie noch einen Moment«, bat Mason und betrachtete dabei die Fotokopien auf seinem Schreibtisch. »Diese Eintragungen hier scheinen geheim zu sein, irgendein Code.« »Ja.« »Haben Sie eine Ahnung, worum es sich handelt?« Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie denn nicht versucht, ihn zu entschlüsseln?« »O doch, aber erfolglos.« »Und Ihrem Mann, haben Sie ihm denn nicht auf den Zahn gefühlt?« »Wo denken Sie hin. Summerfield war sehr klug. Wenn ich auch nur die geringste Andeutung gemacht hätte, wäre es aus gewesen. Dann hätte er Bescheid gewußt. Nein, Mr. Mason, er hat sich nicht in die Karten blicken lassen. Und ich auch nicht.« Mason spitzte die Lippen und schwieg nachdenklich. Abrupt stand sie auf, ging zu seinem Schreibtisch hinüber, gab ihm die Hand. Dann lächelte sie Della Street zu, drehte sich um und ging zur Tür. »Ich wage es nicht, auch nur noch eine Minute länger zu bleiben«, sagte sie. »Und ich muß mir die Sache erst einmal überlegen«, antwortete Mason. »Gern. Lassen Sie sich ruhig Zeit«, meinte sie und ging hinaus.
2 Mason nahm einen der beiden Schlüssel und warf ihn wie einen Tennisball ein paarmal prüfend in die Luft. Dann legte er -2 3 -
ihn mit Nachdruck auf seinen Schreibtisch und meinte: »Ach was, ich glaube, ich werde das Risiko eingehen.« »Nehmen Sie mich mit, Chef«, bat Della Street. »Ich möchte endlich auch einmal sehen, wie ein Liebesnest aussieht. Außerdem brauchen Sie einen Zeugen und jemand, der für Sie Notizen macht.« »In Ordnung«, antwortete Mason kurz. »Setzen Sie Ihren Hut auf. Los, gehen wir.« Gertie, die Telefonistin, sowie die beiden Stenotypistinnen waren pünktlich um fünf Uhr nach Hause gegangen. Della knipste überall das Licht aus und schloß die Tür hinter sich und Mason ab. Ungefähr einen halben Häuserblock vor den DixiewoodApartments fanden sie einen Parkplatz. »Hoffentlich geht alles gut«, meinte Della. »Mrs. Malden konnte uns ja nicht mit Gewißheit sagen, ob einer der beiden Schlüssel wirklich zur Wohnung 928-B paßt.« »Das würde die ganze Sache natürlich sehr vereinfachen«, erwiderte Mason. »Mir fällt aber eine sehr viel kompliziertere Möglichkeit ein. Angenommen, der Schlüssel paßt. Und angenommen, es wohnt dort wirklich eine Mrs. Amboy, die nur gerade nicht zu Hause ist. Wir schließen auf, gehen hinein und...« »Ach du meine Güte«, unterbrach ihn Della. »Das wäre aber äußerst peinlich.« Ohne ein Wort der Erwiderung steuerte Mason auf den gesuchten Apartmentblock zu. Man hätte glauben können, er sei ein Mieter des Hauses, so nonchalant zog er die Schlüssel aus der Tasche und machte sich an der Haustür zu schaffen. Bereits beim zweiten Versuch klappte es. Ein Fahrstuhl brachte sie in die achte Etage. Mason blieb vor Nummer 928-B stehen und klopfte zweimal. Als er keine Antwort erhielt, stieß er den Schlüssel, mit dem er schon die Haustür aufgesperrt hatte, ins Schloß. Ohne Schwierigkeiten ließ sich der Schlüssel herumdrehen und die Tür öffnen. -2 4 -
Mason ging vor und drehte das Licht an. »Donnerwetter!« rief Della begeistert aus. »Was ist los?« »Na, dieser Luxus. Es ist elegant und wirkt doch gemütlich. Mein Gott, das mag ein paar Dollar gekostet haben!« »Das glaube ich auch», antwortete Mason. Die Wohnung bestand aus vier Räumen. In dem großen Schlafzimmer fiel ein breites Bett direkt ins Auge. Auf dem ansonsten peinlich zurechtgerückten Plumeau, das mit einer hübschen Tagesdecke überzogen war, konnte man deutlich die Abdrücke von einem Koffer und einer Hutschachtel sehen. »Sie hat sehr eilig gepackt«, meinte Della und deutete auf die offenstehenden Schranktüren und die leeren Kleiderbügel. Abrupt ergriff Mason Dellas Arm, drehte sie leicht zu einer Ecke des Schlafzimmers herum und fragte: »Sehen Sie etwas?« Della folgte Masons Blick. »Lieber Himmel! Also doch!« »Ich fürchte«, murmelte Mason, »daß wir uns in eine Situation begeben haben, die Komplikationen nach sich ziehen wird.« Ein Bild war von der Wand genommen und auf den Teppich gestellt worden. Die kleine stählerne Safetür, die geschickt mit Tapete überzogen war, stand halb offen. Mason zog sich einen Stuhl heran, stieg hinauf und versuchte in den Safe hineinzusehen. »Machen Sie die Tür ganz auf«, schlug Della vor. »Vielleicht können wir...« Mason schüttelte den Kopf. »Della«, sagte er über die Schulter hinweg, »sehen Sie mal nach, ob Sie einen Taschenspiegel bei sich haben.« »Auf der Frisiertoilette liegt ein Handspiegel.« »Geben Sie ihn her.« Della reichte ihm den Spiegel. Ohne die Tür auch nur einen Millimeter zu bewegen, versuchte Mason, den Spiegel in das Safe-Innere zu halten und -2 5 -
ihn so zu drehen, daß er den ganzen Saferaum überblicken konnte. »Nun«, fragte Della gespannt. »Was ist drinnen?« »Nichts. Aber das spielt auch keine Rolle mehr.« »Weshalb denn nicht?« »Na ja«, antwortete der Anwalt, »man könnte nach wie vor behaupten, daß 100000 Dollar in dem Safe waren. Und wenn jetzt auch nur 10000 drinlägen, würde man daraus schließen, daß 90000 gestohlen wurden.« Dellas Augen blitzten vor Eifer. »Ich glaube, es gibt keinen Zweifel darüber, was passiert ist, Chef. Wer immer hier wohnte, hatte es verdammt eilig, wegzukommen. Der- oder diejenige öffnete den Safe, nahm den Inhalt an sich und verschwand.« »Vielleicht«, stimmte Mason zu. »Diese Erklärung ist genauso logisch wie jede andere.« »Zugegeben, aber es gibt noch eine Möglichkeit.« »Und die wäre?« »Betrachten Sie es mal von der Seite: angenommen, wir wußten die Safe-Kombination, und es lagen 100000 Dollar darin, die Dr. Malden von seinen Bareinkünften abgezweigt hatte. Und nun stellen Sie sich mal vor, daß die Witwe Dr. Maldens mich als ihren Anwalt beauftragte, das Geld aus dem Safe zu holen, nichts darüber verlauten zu lassen, sondern es für sie sicherzustellen, bis die Erbschaftsgeschichte geklärt ist. Danach würde ich es ihr geben, natürlich nicht, ohne meine Gebühren, sagen wir einmal, die Hälfte des Betrages, abgezogen zu haben.« »Du meine Güte«, stöhnte Della. »Genau das hat sie ja wohl von Ihnen erwartet?« »Ja, so ungefähr hatte sie es sich vorgestellt«, antwortete Mason trocken. »Was können wir nur machen?« fragte Della beunruhigt. »Wie können Sie sich dagegen schützen? Was werden Sie Mrs. Malden sagen?« -2 6 -
»Steffanie Malden hatte einen Schlüssel für diese Wohnung«, antwortete Mason. »Frage: hatte sie auch die Kombination für den Safe? Frage Nummer zwei: war sie hier, als sie erfuhr, daß ihr Mann tot war, und leerte den Safe? Frage drei: wie werden die Steuerbehörden reagieren, wenn sie erfahren, daß diese Wohnung Dr. Malden gehörte und daß seine Frau einen Schlüssel dazu hatte? Daß Malden sich den Safe nicht für seine Zigarren anfertigen ließ, liegt ja wohl auf der Hand. Angenommen, die Steuerfahndung stellt sich auf den Standpunkt, Dr. Malden hätte 100000 Dollar nicht verbucht, sondern sie hier drinnen untergebracht. Weiter angenommen, sie glauben, daß Mrs. Malden sich das Geld herausgenommen hat, nachdem sie von dem Tod ihres Mannes erfuhr. Dann wäre Mrs. Malden genau wie ihr Mann der Steuerhinterziehung schuldig geworden, weil die beiden zusammen veranlagt wurden.« »Aber sie wird doch beschattet«, gab Della zu bedenken. »Sie konnte doch nicht hergehen, ohne daß es die Leute von der Steuerfahndung nicht erfuhren?« »Daß sie verfolgt wird, hat sie nur behauptet. Ob es stimmt... das ist eine andere Sache. Wenn sie uns angelogen hat, sitzen wir ganz hübsch in der Patsche.« »Das kann man wohl sagen.« »Wir werden machen, daß wir hier wegkommen«, sagte Mason. »Seien Sie vorsichtig, nirgendwo Fingerabdrücke zu hinterlassen. Wissen Sie noch, was Sie alles angefaßt haben, Della?« Mason zog ein Taschentuch heraus und begann, den Stuhl, den er berührt hatte, abzuwischen, dann schob er ihn vorsichtig an den alten Platz zurück. Zum Schluß staubte er noch den Sitz, auf dem er gestanden hatte, ab. Della Street öffnete ihre Handtasche und nahm ebenfalls ein Taschentuch heraus. Sie begann den Spiegel zu polieren und verwischte dabei alle Abdrücke, die sie hinterlassen hatte. -2 7 -
Schweigend verrichteten sie ihre Arbeit. Erst, als Mason auch die Türgriffe und den Lichtschalter abgerieben hatte, wandte er sich an Della: »Sonst noch was?« »Ich glaube, wir haben alles.« »Los, verschwinden wir.« Sie waren halb durch die Halle gegangen, als ihnen eine gutangezogene Frau entgegenkam, abrupt stehenblieb und Perry Mason fragend anblickte. Sie wollte ihn gerade durch ein Kopfnicken begrüßen, besann sich aber doch eines anderen und eilte zum Fahrstuhl. »Wer war das?« fragte Della flüsternd. »Keine Ahnung«, antwortete Mason, »aber offenbar kennt sie mich oder meint zumindest, mich zu kennen. Der Teufel... ach was, kommen Sie, ich muß Paul Drake anrufen.« Beim nächsten Drugstore hielt Mason an und rief von dort die Drake-Detektiv-Agentur an. Als Paul Drake an der Leitung war, sagte Mason: »Paul, ich habe einen Job für dich und will, daß du ihn sofort in Angriff nimmst.« »Das willst du immer«, antwortete der Detektiv gelassen. Mason ignorierte diese Bemerkung, sondern fuhr fort: »Du hast bestimmt von dem tragischen Tod Dr. Summerfield Maldens gelesen.« »Ja.« »Meinen Informationen nach wird seine Witwe seit ein paar Tagen beschattet.« »Vom wem und weshalb?« »Wenn ich das wüßte, brauchte ich dich ja nicht«, erklärte ihm Mason. »Das sollst du für mich herausbringen. Sie wird in Kürze in mein Büro kommen.« »Gut. Ist das alles?« »Nein. Dr. Malden war auf dem Weg zu einem Ärztekongreß in Salt Lake City, als er ums Leben kam.« »Ja, ich weiß. Das stand ausführlich in den Zeitungen.« -2 8 -
»Paul, was ich dir jetzt sage, ist vertraulich. Dr. Malden beschäftigte eine Krankenschwester. Sie heißt Gladys Foss, ist ungefähr 27, brünett, große, dunkle Augen, etwa 1,65 und hat Grund, auf ihre Beine stolz zu sein.« Drake stieß einen bewundernden Pfiff aus. »Ihre Wohnung ist ein kleiner Bungalow im Cuneo Drive Nummer 6931«, fuhr Mason fort, »aber sie ist wahrscheinlich im Augenblick nicht dort.« »Habe notiert. Was ist mit ihr?« »Sie hat ihr Büro verlassen, um aus einem Krankenhaus in Phoenix einige Unterlagen zu besorgen. Danach sollte sie nach Salt Lake City fahren und sich mit Dr. Malden treffen.« »So, so«, meinte Drake belustigt, »also daher weht der Wind.« »Du mußt sie finden, Paul«, bat Mason, »es ist wichtig. Stelle meinetwegen ganz Salt Lake City auf den Kopf, wenn es nötig ist.« »Weißt du zufällig, ob sie dort als Gladys Foss auftritt?« »Nein«, antwortete Mason. »Aber ich kann dir einen Tip geben. Der Ärztekongreß ist sehr besucht. Jedes Hotelzimmer wird ausverkauft sein. Dr. Malden hat zweifellos vorher ein oder mehrere Zimmer reservieren lassen. Wenn du das Hotel findest, bist du schon einen Schritt weiter. Wenn nicht, setz dich mit der Ärztekammer in Verbindung und versuche dort, herauszubekommen, wer für die Unterbringung der Teilnehmer von außerhalb zuständig war. Dr. Malden war ein Pedant. Er hätte Gladys Foss niemals hinbestellt, ohne vorher für ihre Unterbringung gesorgt zu haben.« »In Ordnung«, sagte Drake. »Ich werde mich an die Arbeit machen.« »Und noch eines, Paul. Schärfe deinen Leuten ein, vorsichtig zu Werke zu gehen. Diskretion ist in diesem Fall genauso wichtig wie das Ergebnis. Sag den Männern auch, daß die Möglichkeit besteht, daß sie bei diesem Job über Beamte der
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Steuerfahndung stolpern. Ich möchte auf keinen Fall, daß diese aufmerksam werden.« »Okay, Perry. Ich habe verstanden«, versicherte der Detektiv. »Aber als erstes und wichtigstes müssen wir herausbekommen, wer Mrs. Malden beschattet. Setze sofort Männer an.« »Ja«, versprach Drake, »geht in Ordnung.« »Glaubst du wirklich, daß du herauskriegen kannst, wer diese Leute sind?« fragte Mason. »Na klar. Sie brauchen doch ein Auto, nicht wahr? Und Autos pflegen Zulassungsnummern zu haben. Und dann müssen die Burschen schließlich irgendwohin Bericht erstatten. Wenn sie Mrs. Malden noch auf den Fersen sind, finde ich sie, Perry. Verlaß dich darauf.« »Wann bekomme ich Nachricht von dir?« »Ich habe einen guten Mann hier im Büro. Er wird gleich losfahren. Zwei weitere zu seiner Unterstützung bringe ich auf den Weg.« »Fein. Und rufe mich gleich an, wenn du etwas herausgekriegt hast«, bat Mason. Er legte den Hörer auf und suchte sich die Nummer von Mrs. Malden heraus. Als er gewählt hatte, meldete sich eine Stimme vorsichtig mit »Ja?« »Mrs. Malden?« »Ja.« »Vielleicht wird Ihre Leitung angezapft«, sagte Mason. »Wissen Sie, wer mit Ihnen spricht? Erkennen Sie meine Stimme?« »Ich... ich glaube, ja.« »Sie haben heute nachmittag jemand um Rat gebeten«, half Mason nach. »Ja.« »Warten Sie 45 Minuten, und kommen Sie dann noch einmal in dasselbe Büro.« -3 0 -
»Aber das wird spät. Werde ich noch hineinkommen?« »Das macht nichts. Klopfen Sie nur an die Tür des Privatbüros.« »Und nun?« fragte Della, als Mason das Gespräch beendet hatte. »Jetzt kommt etwas, das Ihnen sicher gefallen wird«, antwortete Mason lächelnd. »Wir gehen essen.« »Wohin?« Mason blickte auf die Uhr. »Wir müssen irgendwo hingehen, wo wir in einer halben Stunde gegessen und bezahlt haben. Möglichst in der Nähe unseres Büros, damit wir unsere Verabredung mit Mrs. Malden einhalten können.« »Weshalb haben Sie sie nicht vorher bestellt? Sie sitzen immer auf dem Sprung und sollten wenigstens bei einer Mahlzeit am Tag Zeit haben«, meinte Della besorgt. Mason grinste. »Glauben Sie mir, es hätte mir auch mehr Spaß gemacht, in Ruhe mit Ihnen zu essen, aber ich muß sichergehen, daß Paul Drake Zeit genug hat, seine Leute anzusetzen. Dadurch, daß ich sie ins Büro bestelle, kann Drake herausfinden, wer sie beschattet. Kommen Sie, Della, gehen wir.« Mason fuhr zu einem Restaurant, das ungefähr einen Häuserblock von seinem Büro entfernt lag und in dem er gut bekannt war. Er betrat mit Della eine Nische und sagte zu dem Ober: »Wir haben genau 29 Minuten Zeit. Wir möchten zwei Martini, zweimal Consomé und zwei Koteletts mit Bratkartoffeln.« Der Kellner verbeugte sich und eilte fort. Mason und Della schwiegen. Während des Essens blickte der Rechtsanwalt immer wieder auf die Uhr. Als sie den Wagen auf den Parkplatz gestellt und ins Büro gegangen waren, fehlten noch drei Minuten bis zu der Verabredung mit Mrs. Malden. »Na, das hat ja prima geklappt«, meinte Della, als sie ihren Hut abgesetzt hatte. -3 1 -
»Ja«, antwortete Mason. »Früher kommt sie ganz bestimmt nicht, eher zu spät.« Mason hatte sich kaum hingesetzt, als draußen an die Tür geklopft wurde. Della öffnete, und Mrs. Malden kam herein. »Guten Abend, Mr. Mason«, sagte sie. »Das ist wirklich eine Überraschung. Ich hatte nicht gedacht, daß Sie so schnell arbeiten.« »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Mason und sah auf seine Uhr. »Sie sind sehr pünktlich.« »Also, Mr. Mason, was haben Sie herausgefunden?« »Wider besseren Wissens bin ich in die DixiewoodApartments gefahren«, begann Mason. »Persönlich?« »Ja.« »Und was haben Sie entdeckt?« »Eine luxuriös eingerichtete Vierzimmerwohnung.« »Vier Zimmer!« Mason nickte. »Also ein Wohnzimmer, eine Küche, ein...« Sie hielt inne und hob fragend die Augenbrauen. »Zwei Schlafzimmer«, ergänzte Mason. »Zwei?« Wieder nickte Mason. Mrs. Malden blickte zuerst auf Della Street, dann auf Perry Mason und murmelte: »Zwei Schlafzimmer.« Mason schwieg. »Ziemlich überflüssig für ein Liebesnest, wie?« meinte sie trocken. »Irgendjemand hatte es offenbar sehr eilig«, berichtete Mason. »Um es kurz zu machen, dieser Jemand hat einen höchst komplizierten, feuer- und einbruchsicheren Safe in der Wand geöffnet und...« »Mr. Mason!« rief sie aus. -3 2 -
»Und«, fuhr der Anwalt ungerührt fort, »sofern sich vorher etwas darin befunden haben sollte, hat jemand den Inhalt an sich genommen. Jedenfalls war der Safe leer.« »Leer«, wiederholte sie bestürzt. »Nur mein Mann kannte die Schloßkombination, und es waren doch Tausende von...« »Ja? Bitte reden Sie weiter.« »Nun, der Steuerfahndung zufolge müßten doch... ja, es sollten doch eigentlich... nun 100000...« Plötzlich blickte sie Mason an und lachte nervös und unmotiviert. »Ach, Mr. Mason«, rief sie begeistert. »Sie sind einfach wundervoll!« Mason sah sie fragend an. »Sie wollen mich doch nur auf die Folter spannen«, meinte sie lachend. »Ich weiß nicht, wie Sie die richtige Zahlenkombination herausgebracht haben, aber Hauptsache, Sie haben das Geld. Jetzt kann uns die Steuer nichts mehr beweisen. Wenn alles vorbei ist und Gras über die Sache gewachsen ist, können Sie mir das Geld geben. Abzüglich Ihrer Unkosten selbstverständlich. Ich bin mit einem sehr, sehr großzügigen Honorar für Sie einverstanden. Sagen wir 50 Prozent?« »Hören Sie auf mit dem Quatsch!« herrschte Mason sie an. »Ihre Phantasie in Ehren, aber ich habe keinen Cent gefunden.« Sie lachte erneut. »Verstehe. Verstehe vollkommen, Mr. Mason. Auf diesen Standpunkt müssen Sie sich ja stellen. Man hat mir schon verraten, daß Sie ein schlauer Fuchs sind. Ich kann es nur bestätigen. Sie sind ein Meister Ihres Fachs.« »Halt! Einen Moment mal«, fuhr Mason dazwischen. »Selbst, wenn ich das Geld gefunden hätte, dürfte ich niemals das tun, was Sie hier vorschlagen. Es wäre nicht nur unethisch, nein, es wäre ein Verstoß gegen das Gesetz. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich mich einer Gesetzesübertretung schuldig...» »Ja, ja, ich weiß«, unterbrach sie ihn. »Sie brauchen mir das doch alles gar nicht zu erzählen. Jedenfalls sind Sie ein -3 3 -
ausgezeichneter Rechtsanwalt. Mir fehlen die Worte, Ihnen zu sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.« Abrupt stand sie auf, ging um den Schreibtisch herum und streckte Mason beide Hände entgegen. »Sie sind großartig. Einfach einmalig! Das war doch das Ei des Kolumbus. Jetzt kann ich die Steuerfahndung auslachen.« »Lachen Sie soviel Sie wollen«, sagte Mason ungehalten, »aber glauben Sie nicht, daß ich eines Tages bei Ihnen mit Geld aufkreuze. Ich sage Ihnen noch einmal, daß der Safe leer war.« Impulsiv beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Wie kann ich Ihnen nur jemals danken?« »Seien Sie doch vernünftig«, sagte Mason ärgerlich. »Ich versichere Ihnen, daß ich keinen roten Heller in dem Safe fand. Und unter den gegebenen Umständen ist es verdammt wichtig, daß niemand, absolut kein Mensch erfährt, daß ich überhaupt in der Wohnung war.« »Selbstverständlich, Mr. Mason. Aber natürlich. Das verstehe ich doch«, versicherte sie ihm. »Aber glauben Sie nicht, daß es richtiger gewesen wäre, den Safe wieder zu schließen und das Bild davorzuhängen?« »Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen«, sagte Mason. »Aber ich hatte nicht vor, Beweismaterial irgendeiner Art zu zerstören.« »Beweismaterial? Wofür denn?« »Woher soll ich das wissen«, antwortete Mason. »Ich habe mich auf kein Risiko eingelassen, das ist alles. Was weiß ich denn, am Schluß hängt die Geschichte noc h mit einem Mord zusammen?« »Ihr Rechtsanwälte!« rief sie lachend. »Na ja, Hauptsache ist, Sie haben das Problem gelöst. Wie, ist mir ganz egal.« »Hören Sie, Mrs. Malden«, sagte Mason verzweifelt, »ich versuche, Ihnen die ganze Zeit über klarzumachen, daß ich nichts, aber auch gar nichts aus dieser Wohnung mitgenommen habe.« -3 4 -
»Ja, ja, ich weiß«, versicherte sie ihm, lächelte Della Street zu und ging zur Tür. »Seien Sie vernünftig«, rief Mason. »Kommen Sie zurück. Wir müssen verschiedenes klarstellen.« »Ein andermal, Mr. Mason. Ich hatte eine wichtige... nun, ich kam nur eben schnell vorbei. Ich muß ganz einfach wieder zurück. Nochmals vielen Dank. Sie wissen gar nicht, wie verbunden ich Ihnen bin. Gute Nacht.« Damit verließ sie das Büro. Della war bereits dabei, Drakes Nummer zu wählen. »Hier ist er«, sagte sie wenige Sekunden später. Mason nahm den Hörer. »Paul, ist dein Mann Mrs. Malden auf den Fersen?« »Ja.« »Wieviel Leute hast du zusätzlich angesetzt?« »Drei. Einer wartet an ihrem Haus, einer verfolgt sie, und einer ist...« »Sie verläßt gerade mein Büro«, unterbrach ihn Mason. »Verlier sie nicht aus den Augen.« »Mach dir keine Sorgen, Perry. Sie wird beschattet, sonst hätte ich schon von meinen Leuten gehört.« »Hör zu, Paul, und merk dir, was ich jetzt sage: ich habe Grund zu der Annahme, daß sie versuchen wird, ihre Verfolger abzuschütteln. Wenn ihr das gelingt, soll dein Mitarbeiter sofort zu den Dixiewood-Apartments fahren. Vielleicht geht sie dorthin.« »Dixiewood?« wiederholte Drake. »Stimmt.« »In Ordnung, ich werde es ihm sagen, aber ich glaube, du machst dir unnötige Sorgen, Perry. Meine Männer verlieren niemand, es sind alte Hasen.« »Okay«, sagte Mason kurz und legte auf. »Glauben Sie, daß sie in die Wohnung geht?« fragte Della. -3 5 -
»Vielleicht.« »Weshalb?« »Um den Safe zu schließen und das Bild wieder davorzuhängen.« »Sie glauben also, daß die Steuerfahndung die Wohnung finden wird?« »Vielleicht.« »Und den Safe?« »Höchstwahrscheinlich.« »Und was geschieht dann?« Mason zuckte die Achseln. »Chef, glauben Sie, daß Mrs. Malden tatsächlich davon überzeugt ist, Sie hätten das Geld herausgenommen und versteckt?« »Das wäre natürlich ein kluger Schachzug«, gab Mason zu, »aber nur von einem Anwalt, der es erstens nicht so genau nimmt, und der zweitens zu seinen Mandanten loyaler ist, als es die Berufsethik erlaubt.« »Und Mrs. Malden glaubt, daß Sie das tun?« »Glauben? Sie hat es so gut wie behauptet, nicht wahr?« Della schüttelte den Kopf. »Das dicke Ende kommt erst noch«, sagte sie besorgt, »wenn nämlich Gras über die Sache gewachsen ist, Sie aber nicht mit dem Geld bei ihr aufkreuzen. Ich glaube, das würde Ihnen unsere schöne Klientin sehr übel nehmen.« »Sehr richtig, Della, und deshalb müssen wir ganz einfach herausfinden, was wirklich geschehen ist.« »Was vermuten Sie?« »Ich bin der Meinung, daß wir in eine geschickt gestellte Falle getappt sind.« »Sie meinen also, daß Mrs. Malden es mit Absicht darauf angelegt hat, Sie in diese Lage zu bringen?«
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»Ich weiß nicht, über wessen Bein ich gestolpert bin. Vielleicht steckt Gladys Foss dahinter. Angenommen, sie hat den Safe ausgeräumt?« »Ich habe eine Idee«, meinte Della, »wie wär’s, wenn wir einfach behaupten, wir hätten den Safe gar nicht entdeckt?« »Das können wir schwerlich behaupten. Dazu war es zu offensichtlich.« »Aber wie konnte man ahnen, daß Sie die Kombination finden würden?« »Ich habe einen leisen Verdacht, daß... sehen wir uns doch die Fotokopien noch einmal an, Della. Ich glaube, darin werden wir die Antwort finden.« Della ging zum Safe und kam mit den Fotokopien wieder. »Es scheint mir ein Durcheinander von Notizen über Verabredungen und... Ach herrjeh, was ist denn das?« Mason deutete auf eine Zahl, die auf der zweiten Seite des Kalenderblattes stand. Sie hieß 54-4-R. Einen Augenblick nur zögerte der Anwalt, dann blätterte er weiter. Drei Seiten weiter fand er, zwischen einigen Notizen aus medizinischen Fachzeitschriften, die Dr. Malden offenbar verwerten wollte, die Zahl 31-3-L. Wieder zwei Seiten weiter stand R-2-26, und weitere zwei Seiten später stand oben links 19-L. »Da haben wir’s«, sagte Mason. »Das ist die Kombination für den Safe. J4, viermal rechts, 31, dreimal links, 26, zweimal rechts, 19, einmal links.« »Sie glauben, das ist sie«, fragte Della. »Ich wette hundert zu eins«, antwortete Mason. »Und was tun wir jetzt?« »Nur nicht nervös werden. Zunächst einmal müssen wir uns klarwerden, wie tief wir in der Tinte sitzen. Und dann müssen wir herausfinden, wem wir das alles verdanken.« »Wie wär’s, wenn Sie Mrs. Malden einfach benachrichtigen, daß Sie sie nicht vertreten werden?«
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»Dann wird sie prompt behaupten, ich hätte 100000 Dollar unterschlagen.« »Aber das kann sie nicht beweisen.« »Nein, das nicht. Aber trotzdem würde alles gegen mich sprechen. Ich hatte den Schlüssel zur Wohnung und die Fotokopie mit der Safekombination.« »Sie würde Sie also den Wölfen zum Fraß vorwerfen, nur um ihre Haut zu retten«, schimpfte Della. »Mit dem größten Vergnügen sogar«, antwortete Mason. »Viele Leute glauben, daß Gelegenheit Diebe macht. Es würde doch so aussehen, als hätte ich mir 100000 Dollar unter den Nagel gerissen, die weder Dr. Malden, selbst wenn er noch lebte, noch seine Frau von mir fordern könnten, ohne sich nicht selbst in eine äußerst peinliche Lage zu bringen.« »Wenn sie versucht, Ihnen das anzuhängen, sollten wir sie...« »Vielleicht tun wir es sogar«, versprach Mason grinsend. »Unter diesen Umständen schlage ich vor, daß Sie sich den Lippenstift abwischen, bevor Paul Drake hereinkommt, um Bericht zu erstatten«, sagte Della trocken.
3 Paul Drake war ein großer, schlaksiger Mann, dessen Augen überhaupt nichts wahrzunehmen schienen, obgleich ihm in Wirklichkeit nichts entging. Er nahm in dem großen Sessel in Masons Büro seine Lieblingsstellung ein, indem er sich seitlich in den Sitz lümmelte und seine langen Beine über die Armlehne hinunterbaumeln ließ. »Nun?« fragte Mason. Drake schüttelte den Kopf. »Nichts.« »Was soll das heißen«, fragte Mason irritiert. »Konnten deine Männer die Leute nicht verfolgen, die Mrs. Malden beschatteten?«
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»Sie wurde überhaupt nicht verfolgt«, antwortete Drake gelassen und zündete sich eine Zigarette an. »Bist du sicher?« »Ziemlich. Ich sagte schon, meine Detektive verstehen ihr Handwerk. Sie kann man nicht täuschen. Und der Mann, der vor ihrem Haus stand, ist einer meiner besten Mitarbeiter.« »Er folgte Mrs. Malden?« »Na klar. Aber er war auch der einzige, der das tat.« »Wo hat er ihre Spur aufgenommen, Paul?« »Bei ihrem Haus.« »Und wohin ging sie?« »Sie fuhr direkt hierher, stellte ihren Wagen unten auf den Parkplatz und betrat unser Gebäude. Als sie wieder herunterkam, schien sie es sehr eilig zu haben. Weißt du, Perry«, berichtete Drake weiter, »es ist eine etwas schwierige Geschichte, jemandem zu folgen und gleichzeitig festzustellen, ob derjenige nicht bereits beschattet wird. Aber mein Mitarbeiter hatte den Vorteil, bereits zu wissen, wohin sie fahren würde, und nachdem er sich erst einmal vergewissert hatte, daß sie diese Richtung auch wirklich einschlug, blieb er ziemlich weit hinter ihr und beobachtete sie. Aber er konnte niemand feststellen, der ihr gefolgt wäre. Du erinnerst dich, daß du mich anriefst, als sie hier wegging. In der Zwischenzeit hatte ich schon den zweiten Mann angesetzt. Glaube mir, es war niemand hinter ihr her außer meinen Leuten. Sieh mal, mein Mitarbeiter Nummer zwei heftete sich meinem Mitarbeiter Nummer eins auf die Fersen. Und dieser wiederum behielt Mrs. Malden im Auge. Er hat nichts von dritter Seite feststellen können. Und wie du schon angenommen hattest, fuhr Mrs. Malden, als sie von hier fortging, zu den DixiewoodApartments.« »Wie lange war sie dort?« fragte Mason. »Höchstens zehn Minuten.« -3 9 -
»War sie in der Wohnung Nummer 928-B?« »Menschenskind, Perry, das kann ich dir nicht sagen. Sie hatte jedenfalls einen Schlüssel, der zur Haustür paßte. Entweder sie selbst hat dort eine Wohnung, oder sie hat einen Bekannten, der ihr den Schlüssel zu seiner Wohnung gab. Es wäre schlecht gewesen, wenn mein Mitarbeiter ihr so weit hinterhergegangen wäre, daß er im selben Fahrstuhl mit ihr gelandet wäre. Wir wissen jedoch, daß sie in die achte Etage fuhr, denn dort blieb der Fahrstuhl stehen, als sie ausstieg.« »Gut«, sagte Mason, »was geschah danach?« »Sie verließ das Haus und fuhr in Richtung ihrer Wohnung. Genaueres werde ich erfahren, sowie sie dort angekommen ist. Inzwischen arbeiten drei Männer an der Sache. Das ist mehr als genug. Der einzige Grund, weshalb ich drei nahm, war der, weil du herausbekommen wolltest, ob sie verfolgt wird und von wem. Dazu braucht man mehrere Leute.« »Laß die drei ruhig noch eine Weile auf ihrer Fährte«, bat Mason. »Nun ja, wir haben dadurch natürlich auch Vorteile«, meinte Drake. »So ist nämlich immer einer frei, der telefonieren kann. Wenn du willst, rufe ich mein Büro, an und erkundige mich, ob Neuigkeiten vorliegen.« »Was hast du aus Salt Lake City gehört?« fragte Mason. »Hab ein Herz, Perry. Wir fangen gerade erst an damit.« »Aber deinen Kollegen in Utah hast du schon benachrichtigt, oder?« »Gewiß. Die Maschinerie arbeitet auf vollen Touren. Sie wollten wissen, wie teuer die Sache werden darf. Dein Einverständnis vorausgesetzt, habe ich gesagt, daß du in erster Linie Resultate sehen willst.« Mason nickte. »Paul, was ist mit den Männern, die Mrs. Malden zu den Dixiewood-Apartments gefolgt sind?« »Was meinst du?« »Ich meine, ob sie gut sind.« »Erste Klasse.« -4 0 -
»Wie steht's mit ihrer Ehrlichkeit?« »Hundertprozentig.« »Wären sie honorige Zeugen vor Gericht?« »Sicher.« »Gut«, meinte Mason, »dann werde ich mir die beiden als Trumpfkarten im Ärmel aufbewahren.« »Ich verstehe dich nicht.« »Ich nehme an«, erklärte Mason, »daß Mrs. Malden behaupten wird, niemals in die Dixiewood-Apartments gegangen zu sein. Ich bezweifle nämlich, daß sie sich das traut.« »Ist sie deine Klientin«, fragte Drake, »oder steht sie auf der anderen Seite?« Mason lächelte. »Sie ist meine Klientin, Paul. Aber ich habe das Gefühl, als ob sie behaupten wird, daß ich Geld gefunden und mitgenommen habe, das eigentlich ihr gehört.« »Interessant. Wieviel denn?« »100000 Dollar.« »Meinen Glückwunsch, Perry. Mit Kleinigkeiten hast du dich ja noch nie abgegeben, oder?« »Das ist eben das Verflixte, wenn man Anwalt ist«, sagte Mason, ohne auf Drakes Scherz einzugehen. »Man ist seinen Klienten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Da kommt eine Frau, die dich engagieren will, erzählt dir eine verzwickte Geschichte, die einige Tatsachen und viele Märchen enthält, und während du dabei bist, die Story zu untersuchen, verbrennst du dir die Finger.« »Hat es weh getan?« ulkte Drake. »Wenn du es genau wissen willst, ja«, antwortete Mason lächelnd. »Aber ich bin sicher, daß die Brandwunden verheilen. Wir sind noch eine halbe Stunde hier. Falls sich etwas Neues ergibt, kannst du uns Bescheid sagen. Du gehst am besten wieder in dein Büro und hältst die Ohren auf. Ruf mich an,
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wenn was los ist. Und dann gibt es noch etwas, was du für mich tun mußt, Paul.« »Nämlich?« »Wohnung Nummer 928-B in den Dixiewood-Apartments«, begann Mason. »Falls irgend jemand, egal um welche Zeit heute nacht, diese Wohnung betritt, möchte ich diese Person beschattet haben.« »In Ordnung. Und wie geht's dann weiter? Bleibt die Wohnung weiterhin bewacht?« »Ja.« »Das bedeutet, daß ich mindestens zwei Männer einsetzen und drei, vier in Reserve haben muß«, rechnete Drake. »Na wenn schon«, sagte Mason. Paul Drake feixte. »Kein Wunder, daß du 100000 Dollar klemmen muß, um diese Spesen zu decken. Aber Spaß beiseite, Perry. Es wird eine Stunde oder so dauern, bis ich die Leute zusammen habe und sie auf ihre Posten gehen können.« Mason nickte nur. »Und wenn du nichts mehr von mir hörst«, fuhr Drake fort, »bedeutet das, daß Mrs. Malden schnurstracks nach Hause gefahren ist. Falls sie das nicht tat, rufe ich dich an. Ich werde allerhand zu tun haben, die Männer rechtzeitig zu kriegen, also kann ich mich mit Routinesachen nicht aufhalten. Komm noch mal bei mir vorbei, bevor du nach Hause gehst.« Damit stemmte sich Drake aus dem Sessel. »Für meine Nachtruhe sehe ich schwarz«, meinte er seufzend und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, Masons Büro.
4 Es mochte eine dreiviertel Stunde vergangen sein, als Mason auf die Uhr sah und meinte: »Ich nehme an, es hat sich inzwischen nichts Wissenswertes ereignet, Della. Wir werden noch einmal bei Paul vorbei...« Er brach ab, als das Telefon läutete. -4 2 -
»Wenn man vom Teufel spricht...«, sagte Della lächelnd. »Ich nehme schon ab. Hallo, Paul? Was gibt’s Neues«, fragte Mason. »Perry, es ist etwas Komisches eingetreten«, berichtete der Detektiv. »Dein Verdacht, sie würde verfolgt werden, war doch richtig.« »Nein!« rief Mason aus. »Heißt das, daß sich dein Mitarbeiter geirrt hat?« »Nein, das hat er nicht. Als sie aus deinem Büro kam und in die Dixiewood-Apartments fuhr, wurde sie auf gar keinen Fall verfolgt. Aber jetzt ist es so.« »Sprich weiter!« »Also im Augenblick sieht’s wie folgt aus: sie verließ die Dixiewood-Apartments und fuhr nach Hause, wo sie fünf oder zehn Minuten blieb. Anschließend fuhr sie wieder weg. Meine Leute sind sicher, daß sie diesmal verfolgt wurde.« »Wohin ist sie gefahren?« »Das Haus nennt sich Erin Apartments. Es ist ein verkommenes, kleines Gebäude, ein Art Pension.« »Weiter!« »Wir hatten Glück. Der Mann, zu dem sie fuhr, wohnt im ersten Stock auf der Ostseite in einem Eckzimmer.« »Woher weißt du das?« »Zufall. Einer meiner Männer, der das besagte Haus im Auge behielt, entdeckte, daß in dem Eckzimmer das Licht brannte, ohne daß die Jalousie heruntergelassen war.« »Glaubst du, daß das ein Signal war?« fragte Mason. »Wahrscheinlich ja, Perry. Aber sicher kann man es natürlich nicht sagen. Jedenfalls sah mein Mitarbeiter, kurze Zeit, nachdem sie das Haus betreten hatte, wie ein Mann ans Fenster sprang und die Jalousie so schnell er konnte herabließ, so als hätte er was zu verbergen.« »Aber eine Frau sah er nicht?« -4 3 -
»Nein, nur wie gesagt, daß die Jalousie hinuntergelassen wurde.« »Na ja«, meinte Mason enttäuscht, »dann ist es also nur eine Annahme von dir.« »Nein, nein, hör doch erst einmal weiter zu«, widersprach Drake. »Einer meiner Männer sprach mit der Hausmeisterin. Er tat so, als ob er ein Zimmer suchen würde, aber es müsse etwas ganz Besonderes sein. Er erkundigte sich schließlich nach den Eckzimmern im ersten, zweiten und dritten Stock. Die Frau war eine Klatschbase und begann, ein wenig aus der Schule zu plaudern. Im zweiten Stock, meinte sei, könnte das Eckzimmer vielleicht in zwei Wochen frei werden. Von dem Mädchen, das darin wohnte, hielte sie nicht viel, da wäre die im vierten Stock doch etwas ganz anderes. Im ersten Stock wohne ein gewisser Mr. Castella. Vielleicht würde auch sein Zimmer sehr bald frei werden, denn sie glaube, er müsse sich eine andere Arbeit suchen. Und dieser Castella ist kein anderer als Dr. Maldens Chauffeur.« »Das hört sich ja vielversprechend an«, sagte Mason. »Was kann sie bei ihm gewollt haben? Kündigen hätte sie ihm doch auch telefonisch können.« »Ich weiß es auch nicht«, sagte Drake. »Und wie ging es weiter?« forschte Mason. »Sie ist immer noch oben. Das war das letzte, was ich hörte.« »Es sind doch zwei Männer dort, oder?« »Ja.« »Und irgend jemand verfolgt sie, sagst du?« »Ja, ein Wagen mit einem Fahrer und einem Beifahrer.« »Weißt du schon etwas über sie«, fragte Mason. »Bis jetzt noch nicht. Wir haben die Zulassungsnummer des Wagens und... Moment mal, Perry, mein anderes Telefon läutet. Bleib bitte dran.« -4 4 -
Mason mußte eine Minute warten, dann meldete sich Drake wieder. »Verdammt, Perry, es muß sich um ein Polizeiauto oder so etwas handeln.« »Was?« »Ja, der Wagen, der Mrs. Malden verfolgt, gehört dem Staat.« »Bist du sicher?« »Ja, es besteht kein Zweifel. Man kann es an der Nummer erkennen.« »Also aus dem Stall des Sheriffs oder des District Attorney?« »Ich vermute, vom District Attorney, Perry. Die Nummern sind so geheim wie die neuesten Forschungsergebnisse.« »Sonst noch was?« »Es paßt auch alles ins Bild. Zwei Männer im Wagen, so arbeitet der Staat. Sie schicken ihre Leute immer nur paarweise los.« »Fein«, meinte Mason, »sieh zu, was du über diesen Castella herausbekommen kannst und... Paul, glaubst du, daß ich mal hinausfahren und mich dort umsehen kann, ohne entdeckt zu werden?« »Das bezweifle ich, Perry. Es ist eine sehr verzwickte Situation. Ich habe schon zwei Männer dort, und die beiden im Staatswagen sind ja schließlich auch nicht von gestern. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach herausfinden, daß Mrs. Malden...« »Das darf auf gar keinen Fall passieren«, unterbrach ihn Mason. »Erkläre deinen Leuten, sie sollen, wenn es nötig wird, verschwinden. Die Behörden dürfen auf gar keinen Fall spitzkriegen, daß wir sie auch beobachtet haben.« »Ich tu’ mein Bestes«, versprach Drake. »Hoffentlich ist noch nichts passiert.« »Schärfe ihnen ein, sich keinesfalls blicken zu lassen!« »In Ordnung. Ich bekomme in fünf Minuten wieder einen Anruf und gebe die Anordnungen dann weiter. Aber deinen -4 5 -
Plan, selbst hinauszufahren, Perry, vergißt du am besten wieder. Oder möc htest du die Prozession unbedingt um deinen Wagen bereichern?« »Vielleicht hast du recht«, gab Mason zu. »Ich werde Della jetzt nach Hause fahren und dann in meine Wohnung gehen. Halte mich auf dem laufenden, egal, wie spät es ist.« Mason setzte Della bei ihrer Wohnung ab und fuhr sofort nach Hause. Er war gerade im Begriff, aufzuschließen, als das Telefon klingelte. Eine Sekunde später hatte er Paul Drake an der Leitung. »Die Frau ist in den Dixiewood-Apartments, Perry.« »Was? Welche Frau?« »Gladys Foss, der Beschreibung nach«, antwortete Drake. »Wie lange ist sie schon dort?« »Sie kam vor fünf Minuten. Sie hat einen Schlüssel und scheint sich sehr gut zurechtzufinden.« »Weiß denn dein Mitarbeiter nicht positiv, ob es Gladys Foss ist«, wollte Mason wissen. »Der Wagen, den sie fährt, ist auf Gladys Foss zugelassen. Sie oder jemand anderer ist mit diesem Fahrzeug heute schon verdammt lange unterwegs gewesen.« »Woher willst du das wissen?« »Die Windschutzscheibe ist voll von Fliegen und Insekten, auch Moskitos sind darunter. Hier gibt es keine. Ihr Wagen muß demzufolge durch irgendein Flußtal gefahren worden sein.« »Und es ist ihr Wagen?« »Jawohl, Gladys Foss, Cunoe Drive 6931.« »Was hast du aus Salt Lake City gehört?« »Meine Leute arbeiten immer noch, aber ich nehme an, ich kann sie wohl jetzt abberufen. Dr. Malden bestellte ein Zimmer für sich im Hotel Capitol, das er auch bekam. Und dann hat er noch ein Motelzimmer für ein Ehepaar Amboy gemietet. Mrs. Amboy, deren Beschreibung auf Gladys Foss paßt, kam auch -4 6 -
tatsächlich in Salt Lake City an und bezahlte das Motelzimmer, übrigens ein ganz vornehmer Laden, gleich für drei Tage voraus.« »Sehr gut«, lobte Mason. »Das genügt. Blase also die Aktion dort ab.« »Wird gemacht.« »Und ich fahre jetzt zu den Dixiewood-Apartments. Ich will mit ihr sprechen.« »Aber beeile dich, Perry«, warnte Drake. »Wir wissen natürlich nicht, wie lange sie dort bleibt.« »Stehst du mit deinem Mitarbeiter in telefonischer Verbindung?« »Ja, er ruft mich gleich wieder an. Ich habe angeordnet, daß er sich in Abständen von fünf Minuten meldet, falls wir die Instruktionen ändern. Wenn er nicht anruft, bedeutet es, daß sie die Wohnung verlassen hat und er hinter ihr her fährt.« »Gut«, sagte Mason, »ich fahre jetzt los. Wo steht dein Mann?« »In der Halle«, antwortete Drake. »Dort hat er die beste Möglichkeit, alles zu überblicken und selbst ungesehen zu bleiben.« »Sage ihm, er soll auf mich warten«, bat Mason. »Ich möchte sie am liebsten in der Wohnung überraschen.« Mason eilte zu seinem Wagen hinunter. Als er die Haustür von der Dixiewood-Apartments aufgeschlossen und die Halle betreten hatte, trat ein Mann aus einer dunklen Nische hervor und ging zum Fahrstuhl. Mason versuchte, an ihm vorbeizugehen. »Mr. Mason?« fragte der Mann. »Ja.« »Ich fahre mit Ihnen hinauf, dann können wir reden.« Mason drückte den Knopf zur achten Etage. »Tut mir leid«, meinte der Mann, »aber meine Anweisungen lauten, besonders vorsichtig zu sein.«
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»Ach so«, erwiderte Mason lächelnd, »verstehe.« Ohne ein weiteres Wort zog er seinen Führerschein heraus und reichte ihn dem Mann, der nur einen flüchtigen Blick darauf warf, mit dem Achseln zuckte und meinte: »In Ordnung. Ich mußte mich nur vergewissern, nicht wahr?« »Schon gut.« »Sie ist weg«, berichtete der Detektiv. »Wie lange?« »Zwei Minuten, bevor Sie hier ankamen.« »Hat sie etwas mitgenommen?« »Zwei Koffer.« »Schwer?« »Sah so aus, ja.« »Na, dann werde ich mich mal umsehen«, meinte Mason. »Brauchen Sie mich dabei?« »Nein. Fahren Sie wieder in die Halle hinunter, und merken Sie sich die Nummer Crestline 6-9342. Drehen Sie das Licht im Fahrstuhl aus und bringen das Schild - Außer Betrieb - an. Es steht in der Ecke des Aufzugs. Es ist wichtig, daß Sie mit jedem, der kommt, ein Gespräch anfangen. Weisen Sie auf das Schild, und erklären Sie, daß es sich nur um das Auswechseln einer Sicherung handele. Es muß sich plausibel anhören, was Sie sagen. Sie müssen herauskriegen, wohin jemand fahren will. Und sowie jemand in den achten Stock will, rufen Sie mich sofort an. In der Halle ist ein Telefon, verstanden?« »Haben Sie einen Schlüssel für die Wohnung?« fragte der Detektiv, während er sich die Telefonnummer notierte. »Ich werde schon hineinkommen«, antwortete Mason ausweichend. »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Mason.« »Wofür?«
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»Daß ich Fragen stelle«, sagte der Mann. »Ich bin schließlich hier, um Instruktionen auszuführen und nicht, um neugierig zu sein.« »Ach, das macht doch nichts«, antwortete der Anwalt lächelnd. »Also Sie wissen Bescheid. Bis später.« Mason trat auf den Korridor hinaus, während der Detektiv wieder hinunterfuhr. Die Wohnung sah fast genauso aus, wie er sie verlassen hatte. Als er aber vorsichtig mit dem Taschentuch über der Hand die Schubfächer aufzog, sah er, daß sie leer waren. Gladys Foss hatte ganze Arbeit geleistet und alles, was auf die Anwesenheit einer Frau hinweisen könnte, mitgenommen. Das Safe war zugeschlossen und das Bild wieder an seinen alten Platz gehängt worden. Diesmal ließ sich Mason Zeit und inspizierte alles genau. Auf einem Rauchtisch neben einer Stehlampe lagen verschiedene Illustrierte, ein paar billige Detektivgeschichten und einige medizinische Fachzeitschriften. Die Fachblätter waren das einzige, was man mit Dr. Malden in Verbindung bringen konnte, aber von ihnen waren jeweils die oberen linken Ecken weggerissen worden, auf denen wahrscheinlich die hektografierte Anschrift gestanden hatte. Mason steckte sie ein, dann verließ er die Wohnung wieder. »Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten?« erkundigte er sich bei dem Detektiv, der in der Halle auf ihn wartete. »Es ging. Ein Ehepaar wollte in den fünften Stock. Ich fuhr sie hinauf. Herunter nahm ich einen Mann mit, der sich darüber aufregte, daß kein Licht im Fahrstuhl brannte. Ich habe ihm die Geschichte von der fehlenden Sicherung erzählt und...« »Außer diesen Leuten kam niemand?« unterbrach ihn Mason. »Nein.« »Warten Sie hier, und bleiben Sie mit Paul Drake in Verbindung«, befahl Mason. -4 9 -
Dann verließ er das Apartmenthaus und fuhr eiligst zum Cuneo Drive hinaus. Es war bereits halb elf, als er seinen Wagen vor einem modernen kleinen Bungalow parkte, die Stufen hinaufeilte und läutete. Mason lauschte, aber es blieb alles still. Nur der Wind strich leise durch die Bäume. Durch die Vorhänge drang gedämpftes Licht nach außen. Es mußte jemand zu Hause sein. Mason drückte noch einmal auf die Klingel und wartete geduldig. Ungefähr zehn Sekunden später versuchte er es ein drittes Mal. Diesmal länger und anhaltender. Drinnen war jetzt ein schleifendes Geräusch zu hören. Jemand näherte sich offenbar auf Zehenspitzen der Tür. »Wer ist dort bitte?« kam es leise von innen. »Miss Foss?« fragte Mason. »Ja.« »Ein Telegramm für Sie.« »Schieben Sie es unter der Tür durch.« »Es ist dringend, und Sie müssen den Empfang bestätigen«, log Mason. »Na gut, dann schieben Sie eben das, was ich unterschreiben muß, auch durch.« »Tut mir leid«, erklärte Mason geistesgegenwärtig, »aber der Schlitz ist nicht groß genug.« »Aber ich komme gerade aus der Badewanne.« Mason schwieg. Einen Augenblick später wurde drinnen ein Riegel zurückgeschoben und die Tür einen Spalt geöffnet. Ein nackter Arm erschien und zwängte sich nach draußen. »Bitte, geben Sie mir das Telegramm.« »Jetzt, wo die Tür offen ist«, meinte Mason seelenruhig, »und ich meine Neuigkeiten nicht in die Gegend zu brüllen brauche, -5 0 -
kann ich Ihnen ja die Wahrheit sagen. Ich bin Rechtsanwalt Perry Mason und hätte wegen Dr. Maldens tödlichem Unfall und bezüglich seiner Einkommensteuer ein paar Fragen.« Abrupt wurde die Tür zugeschlagen. Mason begann, lauter zu sprechen. »Ich kann mich natürlich auch bei geschlossener Tür mit Ihnen unterhalten, nur bezweifle ich, daß es in Ihrem Interesse ist, wenn die ganze Straße mithört.« Es entstand eine kleine Pause. Gladys Foss schien zu überlegen. Dann wurde die Tür vorsichtig wieder einen Spalt geöffnet. »Wen vertreten Sie?« fragte sie leise. »Mrs. Malden. Ich glaube, Sie haben ein falsches Bild von der Situation. Meine Klientin ist besser informiert, als Sie annehmen. Seien Sie vernünftig, Miss Foss. Ich habe wirklich nur ein paar Fragen. Ich weiß, daß es schon spät ist. Andererseits hätte ich die Tür beim erstenmal aufstoßen können.« »Na und? Weshalb haben Sie es nicht getan?« Mason lachte. »Weil Sie Ihren nackten Arm herausstreckten und mir versicherten, Sie kämen gerade aus der Badewanne.« »Glauben Sie vielleicht, daß ich nackt hier stehe?« »Ich kenne Sie leider zu wenig, um das beurteilen zu können«, antwortete der Anwalt gutgelaunt. »Nun, jetzt lernen wir uns ja kennen, nicht wahr?« versetzte sie schnippisch. »Eine komische Art, so zwischen Tür und Angel. Es ist, als ob wir telefonieren«, meinte Mason. Darauf schob sich die Tür ein paar Zentimeter weiter zurück. »Dr. Maldens Frau haßt mich wie die Pest«, sagte Gladys Foss, »und da Sie sie vertreten, werden Sie genauso über mich denken.« »Das würde ich nicht sagen«, korrigierte Mason. »Sehen Sie, gleichgültig, welche persönlichen Gefühle mitspielen, haben Sie und Mrs. Malden doch vielerlei Gemeinsames. Die Beamten von der Einkommensteuer werden eine Menge Fragen stellen. -5 1 -
Wenn sie beweisen können, daß Bargeld beiseite gebracht wurde, werden sie entsprechende Schritte unternehmen, vielleicht sogar Strafantrag stellen. Ich dachte daher, daß es günstiger wäre, wenn wir uns vorher miteinander unterhalten. Im gemeinsamen Interesse sozusagen.« Gladys Foss schwieg. »Und falls sich herausstellt, daß ein solches Gespräch notwendig wird«, fuhr Mason fort, »wäre es vielleicht angenehmer, wenn ich als Mittelsmann zwischen Ihnen beiden auftrete. Oder wäre es Ihnen lieber, wenn Sie mit Mrs. Malden direkt...« »Sie haben mich überzeugt«, unterbrach Gladys Foss den Rechtsanwalt und öffnete die Tür so weit, daß sie selbst von ihr verdeckt war. »Kommen Sie herein. Die erste Tür rechts ist das Wohnzimmer. Machen Sie es sich bequem, ich ziehe mir nur etwas über.« Mason betrat einen kleinen Vorraum und ging in die befohlene Richtung. Als die Tür hinter ihm geschlossen wurde, warf er schnell einen Blick zurück. Gladys Foss trug ein durchsichtiges Negligé, das ihre phantastische Figur eher hervorhob und unterstrich, als sie zu verdecken. Sie war wirklich ein Schönheit. Mason gab sich einen Ruck und betrat das Wohnzimmer. Er setzte sich in einen bequemen Polstersessel, der vor einem Tisch stand. Eine Stehlampe hinter dem Sessel verströmte ein warmes, gemütliches Licht. Auf dem Tisch lagen ein halbes Dutzend Illustrierte, die Mason flüchtig durchblätterte und dann wieder zurücklegte. Gladys Foss mußte vorher hier gesessen haben, denn der Polsterstoff fühlte sich noch warm an. Jetzt bemerkte Mason eine auf dem Fußboden liegende, zusammengefaltete Zeitung. Er hob sie auf und sah, daß es die Abendausgabe eines Massenblattes war, von der der Sportteil aufgeschlagen war.
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Der Anwalt konzentrierte sich gerade auf die Sportnachrichten, als Gladys Foss den Raum betrat. Sie trug jetzt Rock und Bluse und Hausschuhe. Das Haar, das aus ihrer hohen Stirn zurückgekämmt war, glänzte. Ihre Augen waren groß und dunkel, und ihre Lippen hatten einen verführerischen Schwung. Sie blieb in der Mitte des Zimmers stehen, während ihr Blick von Mason zu der Zeitung, die er in der Hand hielt, wanderte. Über ihr Gesicht huschte ein undefinierbarer Ausdruck. Mason warf die Zeitung auf den Tisch und wollte aufstehen. »Bleiben Sie nur sitzen«, sagte Gladys Foss und lächelte gekünstelt. Sie hatte eine bemerkenswert gute Figur, lange, schlanke Beine und bewegte sich mit so viel Grazie, daß es eine Freude war, sie zu beobachten. »Ich sehe, daß Sie meine geheime Schwäche entdeckt haben«, meinte sie lächelnd. Mason zog fragend die Augenbrauen hoch. Sie deutet auf die Zeitung. »Baseball?« »Nein, Pferde.« »Ach.« »Ich finde es maßlos aufregend«, erklärte sie. »Es ist ein richtiger Nervenkitzel, bei dem die Spannung und die Vorfreude am schönsten sind. Natürlich freue ich mich auch, wenn ich gewinne,« »Das hört sich nach einem netten Hobby an«, meinte Mason. »Sie haben wohl überhaupt keine Schwächen, wie?« Mason betrachtete sie nachdenklich. »Das kann ich mir leider nicht leisten«, antwortete er. Sie wollte gerade etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders und schwieg. »Und darüber hinaus«, fuhr Mason fort, »habe ich schon genug Abwechslung und Aufregung.« -5 3 -
»Jetzt sind Sie sicher schockiert, weil ich so offen mit Ihnen war«, sagte sie mit ihrer tiefen Stimme. »Aber schließlich sind Sie Rechtsanwalt, und als ich hereinkam und Sie mit der Zeitung sah, dachte ich, Sie wüßten sowieso Bescheid.« Mason lächelte. »Hören Sie«, fuhr Gladys Foss fort, »ich saß stundenlang hinterm Steuer. Mein Tag war lang, und ich bin todmüde. Trotzdem wollte ich noch rasch feststellen, wie die Rennen ausgegangen sind. Aber Sie sind sicherlich nicht gekommen, um sich mit mir über Pferdewetten zu unterhalten. Also, womit kann ich Ihnen dienen?« »Sie wissen, daß Dr. Malden tot ist, nicht wahr?« begann Mason. »Natürlich. Deshalb bin ich ja wieder nach Hause gefahren. Ich sollte... nun, ich wollte ein paar Tage Urlaub machen.« »Er war auf dem Weg zu einem Ärztekongreß in Salt Lake City, nicht wahr?« »Richtig.« »Von wo aus sind Sie gefahren?« Sie lächelte. »Aber Mr. Mason«, tadelte sie, »es ist schon spät, und ich bin schrecklich müde. Sie wollten doch mit mir über Einkommensteuer und Buchführung sprechen, oder nicht?« Mason nickte. »Na also. Wie wär’s, wenn wir uns auf diese Dinge konzentrieren und die anderen Gesprächsthemen ein andermal in Angriff nehmen?« »Gut, einverstanden«, antwortete Mason. »Also besprechen wir nur die Dinge, bei denen sich Ihre und Mrs. Maldens Interessen treffen.« »Sie meinen wohl, wo ihre Habgier mit meinen Verpflichtungen kollidiert?« antwortete sie bitter.
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Mason lächelte. »Nichts liegt mir ferner«, meinte er, »als die Standpunkte zweier Frauen, die sich nicht leiden können, einander anzugleichen. Ich interessiere mich nur für gewisse Fakten. Sie sind also von der Steuerbehörde verhört worden?« »Ja.« »Man behauptete, daß Dr. Maldens Bücher bezüglich der Bareinnahmen nicht in Ordnung seien, nicht wahr?« »Ach, diese ekelhaften Schnüffler!« schimpfte sie, »Hat man Beschuldigungen ausgesprochen?« »In gewisser Weise schon. Die Beamten haben gesagt, Dr. Malden hätte größere Bargeldeinnahmen melden müssen.« »Und wie äußerten Sie sich dazu?« »Was wollen Sie hören?« fragte sie und blitzte ihn mit ihren dunklen Augen an. »Das, was ich den Steuerschnüfflern sagte, oder die Wahrheit? - Also, die Steuerfahnder suchten und suchten, mußten aber unverrichteter Sache wieder abziehen. Aus der Praxiskasse fehlte also Bargeld. Sind Sie jetzt zufrieden?« »Hört sich schon besser an«, sagte Mason. »Wie konnte das geschehen?« »Ganz einfach«, erklärte sie, »immer, wenn Dr. Malden Bargeld brauchte, holte er sich etwas aus der Kasse.« »Hat er einen Zettel hineingelegt, wieviel er entnahm?» Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es ja eben.« »Das könnte zu Komplikationen führen«, meinte Mason. »Ist bereits passiert. Das Schlimme ist nämlich, Dr. Malden erhielt manchmal von den Patienten auch Bargeld, und in der Hetze des Tages vergaß er dann, es in die Kasse zu geben. Ich konnte es demzufolge nicht verbuchen.« »Aber das ist doch sicher nur sehr selten und aus Versehen vorgekommen?« Sie zögerte. »Nein?« beharrte Mason. -5 5 -
»Dr. Malden muß es mit Absicht gemacht haben. Er hatte ein Gehirn wie eine Rechenmaschine. Ihm unterliefen keine Fehler. Er hat versucht, den Anschein zu erwecken, als wäre es ein Versehen, aber in Wirklichkeit gehörte es alles zu einem ausgeklügelten Plan. Ich kann es mir nicht anders erklären, denn es passierte zu oft.« »Wieviel davon haben Sie den Steuerbeamten erzählt«, fragte Mason gespannt. »Keinen Ton. Sie sind der einzige, dem ich es sage.« »Aber verschiedene Dinge werden ganz einfach erklärt werden müssen.« »Nein, müssen sie nicht«, antwortete sie und schüttelte den Kopf. »Dr. Malden ist tot. Damit wird sich die Steuer abfinden.« »Aber man wird Sie verhören«, warnte Mason. »Und ich werde den Leuten beweisen, daß die Bücher, soweit ich sie führen konnte, in Ordnung sind. Wenn Dr. Malden Bargeldbeträge einbehielt, dann ist es nicht meine Schuld.« »Ich tue es nicht gern, Miss Foss«, sagte Mason, »aber ich muß Sie mit einer etwas persönlichen Frage belästigen. Was ist mit den Dixiewood-Apartments? « Sie verzog keine Miene. »Was soll damit sein?« »Ich dachte, das könnten Sie mir sagen.« »Dixiewood?« wiederholte sie, als habe sie den Namen zum erstenmal gehört. »Ich spreche von der Wohnung Nummer 928-B in diesem Haus«, half Mason ein wenig irritiert nach. »Mr. Charles Amboy hatte sie gemietet.« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Nein, davon weiß ich nichts«, antworte sie. »Eigentlich müßten Sie das aber, denn Sie waren ja noch vor zwanzig Minuten dort«, sagte Mason. »Ich?»
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»Ja. Sie haben doch ein so gutes Gedächtnis. Sollte es Ihnen entfallen sein, daß Sie alles, was Ihnen gehörte, in zwei Koffer packten, in Ihren Wagen trugen und wegfuhren?« Eine plötzliche Stille lastete im Zimmer. »Woher wissen Sie das?« stieß Gladys Foss schließlich hervor. »Ich bin Rechtsanwalt«, erklärte Mason, »und es gehört zu meinen Aufgaben, mich über Dinge zu informieren, die die Interessen meiner Klienten betreffen.« »Das leuchtet mir nicht ein.« Mason schwieg. »Ich muß also daraus schließen«, stellte sie einen Augenblick später sachlich fest, »daß ich beschattet worden bin.« »Schließen Sie daraus, was Sie wollen, aber sagen Sie mir die Wahrheit«, meinte Mason. »Welche Veranlassung hätte ich dazu?« »Es geht um das Vermögen Dr. Maldens.« »Und? Erbe ich es etwa? Was geht mich seine Frau an?« zischte sie, »Erwarten Sie vielleicht von mir, daß ich mir ihretwegen die halbe Nacht um die Ohren schlage und mir Sorgen mache? Nur, damit sie noch mehr bekommt, diese Schlange, die ihren Mann nie geliebt hat.« Mason tat so, als habe er ihren Ausbruch nicht bemerkt. »Miss Foss«, sagte er ruhig, »ich bin Rechtsanwalt. Ich kenne die menschlichen Schwächen zur Genüge und versuche, sie so zu sehen, wie sie sind.« »Das freut mich«, meinte sie bitter, »ich hoffe nur, daß Sie nicht engstirnig sind.« »Das glaube ich kaum.« Sie holte tief Luft und begann: »Dr. Malden arbeitete unter einer ständig größer werdenden Belastung, müssen Sie wissen. Seine Verpflichtungen wuchsen ins Uferlose. Dazu kam, daß er zu Haus keinerlei Verständnis, keine Liebe, keine Zuneigung -5 7 -
fand. Steffanie Malden hatte ihn nur aus purer Berechnung geheiratet. Sie ist eine eiskalte Person, die ihre Ehe nur als Lebensversicherung ansah.« »Woher wollen Sie das alles wissen?« fragte Mason. »Das kann Ihnen doch nur Dr. Malden erzählt haben.« »Stimmt. Aber ich hatte keine Veranlassung, ihm nicht zu glauben.« »Eine alte Binsenweisheit besagt, daß ein Holz allein nicht brennt«, meinte Mason. »In den meisten Fällen von schlechten Ehen sind beide Partner schuld.« Gladys Foss war aufgesprungen und stand vor Perry Mason. Ihre Augen funkelten vor Wut. »Dr. Malden hätte genauso gut mit einer Rechenmaschine schlafen gehen können«, rief sie aufgebracht. Mason betrachtete sie ruhig. »Mich interessiert die erotische Seite der Geschichte nicht so sehr wie die finanzielle«, meinte er trocken. »Welche finanzielle?« »In der Wohnung war ein Wandsafe und...« »Sie sind ja total verrückt«, unterbrach sie ihn. »Doch. Hinter einem Bild war es angebracht«, widersprach ihr Mason. »Offenbar hatte Dr. Malden Bargeld darin versteckt und Sie...« »Mr. Mason! Was erlauben Sie sich! Wie können Sie es wagen, so etwas zu behaupten?« »Sie wollen mir also weismachen, nichts von dem Geld, das in dieser Wohnung versteckt war, gewußt zu haben?» »Es gab kein Geld, und es gab keinen Safe. So glauben Sie mir doch. Die Wohnung war eine Art Refugium, eine Zuflucht für Dr. Malden, wenn er überarbeitet war und nicht nach Hause wollte. Weshalb, in aller Welt, sollten wir Geld dort verstecken wollen? Er hatte im Büro ein Safe, in das wir die Bargeldeinnahmen legten. Wenn ungefähr 1000 Dollar zusammen waren, brachte ich es zur Bank. -5 8 -
Darüber haben sich übrigens die Steuerbeamten mächtig aufgeregt. Sie sind der Meinung, ich hätte das Geld täglich einzahlen müssen. Lieber Himmel, was denken die sich nur? Glauben die etwa, daß ein Mann, der täglich etwa 100 Patienten behandelt...« »Wir sind immer noch bei dem Safe in der Wohnung«, unterbrach Mason ihren Redeschwall. »Es gibt keinen.« »Was tat Dr. Malden denn mit dem Geld, das er aus der Praxis entnahm?« »Das hat er nicht... ich... ich weiß es nicht.« »Sie wissen aber, daß er Bargeld aus der Kasse nahm?« »Ich weiß gar nichts.« »Es kann sein, daß die Einkommensteuer einen Schätzbetrag festsetzt«, sagte Mason, »und zwar in der Höhe, die sie für unterschlagen hält.« »Von mir aus sollen diese Leute machen, was sie wollen«, antwortete sie. »Daß Dr. Malden tatsächlich Bargeld aus der Kasse nahm, weiß ja niemand. Ich jedenfalls nicht.« »Das stimmt aber nicht mit dem überein, was Sie mir eben noch gesagt haben«, hielt Mason ihr vor. »Was ich Ihnen erzählte, würde ich der Steuer gegenüber glatt ableugnen. Und außerdem ist es alles nur eine Annahme von mir gewesen.« Gladys Foss setzte sich wieder auf die Couch und schlug die Beine übereinander. Trotz der Eile beim Anziehen hatte sie nicht versäumt, ein Paar hauchdünne Nylonstrümpfe überzuziehen. »Angenommen, ich hätte auch Geld aus der Kasse genommen?« nahm sie das Gespräch wieder auf. »Sie auch!« rief Mason aus. »Jawohl. Ich wette gern auf Pferde. Gerade eben erst haben Sie ja meine geheime Schwäche entdeckt, oder?« »Soll das heißen, daß Sie Geld veruntreuten? Daß...« -5 9 -
»So sollten Sie es nicht nennen.« »Na wie denn sonst?« »Dr. Malden war mit Steffanie verheiratet«, antwortete sie. »Sie ist eine ausgekochte, hinterhältige Frau, die wollte, daß er stirbt. Falls es irgendeinen Hinweis geben sollte, daß sie bei diesem Flugzeugunglück ihre Hand im Spiele hatte, würde ich behaupten, sie hat ihn ermordet.« »Sie sind aufgeregt«, meinte Mason, »Sie wissen nicht, was Sie reden. Sie liebten Dr. Malden und sind verbittert. Sie...« »Das hat aber nichts daran geändert, daß ich noch klar denken kann«, unterbrach sie ihn. »Ich werde selbst ein bißchen nachforschen, denn ich kann den Gedanken nicht loswerden, daß Steffanie mit seinem Tode etwas zu tun hat.« »Aber wie denn?« fragte Mason. »Na gut«, antwortete sie, »wenn Sie so überzeugt davon sind, daß Steffanie ein so liebenswertes Geschöpf ist, dann erklären Sie mir doch ihre Verbindung zu Ramon Castella, Dr. Maldens Chauffeur und Flugzeugmechaniker.« »Sie glauben, daß die beiden...« »Stellen Sie sich doch nicht so dumm.« »Wie kommen Sie denn auf diese Vermutung?« fragte Mason. »Ich weiß nicht, was sie mit ihm gehabt hat, aber ich habe Dr. Malden schon vor langem gewarnt, er soll diesen Kerl entlassen. Aber er hörte ja nicht auf mich. Castella hatte ihn richtiggehend eingewickelt. Mich kann dieser Bursche nicht ausstehen, und er weiß auch, daß er mir zuwider ist.« »Wie kommen Sie darauf, daß Mrs. Malden etwas mit ihm zu tun hatte?« fragte Mason nochmals. »Ich bin ziemlich sicher, daß sie ihn einmal besucht hat. Stellen Sie sich das einmal vor, die Frau eines prominenten Chirurgen geht in das Zimmer dieses billigen Unterweltlers.« »Woher wissen Sie das?«
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»Sie hat sich einmal versprochen. Ich weiß, daß sie bei ihm war.« »Wie alt ist Castella?« fragte Mason. »Ramon? Ach, vielleicht 32.« »Sieht er gut aus?« Ihr Lachen klang bösartig. »Er scheint jedenfalls davon überzeugt zu sein. Vielleicht wirkt er auch auf Frauen, aber nur auf eine bestimmte Sorte. Er hat schwarzes Haar, dunkle Augen und spielt den Romantischen. Mir war dieser Kerl von der ersten Sekunde an zuwider.« »Er war als Chauffeur angestellt?« »Nicht direkt. Dr. Malden fuhr selber gern. Castella war hauptsächlich für sein Motorboot und sein Flugzeug zuständig.« »Motorboot?« »Ja. Selten genug kam es vor, daß sich Dr. Malden einmal für einen Nachmittag fortwagte. Er liebte seine kleine Motorjacht, wo ihn kein Telefon störte.« »Waren Sie je bei einer solchen Fahrt dabei?« erkundigte sich Mason. »Nie. Ich glaube, daß er außer Ramon niemand mitgenommen hat. Dr. Malden fuhr irgendwo hinaus, ankerte und angelte. Ich wurde währenddessen ja in der Praxis gebraucht, um die Patienten zu vertrösten, bis er wiederkam. Länger als einen halben Tag blieb er nie fort.« »Interessant«, meinte Mason. »Aber lassen Sie uns noch einmal von dem Geld sprechen, das Sie aus der Kasse nahmen.« »Angenommen, es war gar keine Unterschlagung«, sagte sie. »Angenommen, ich war Dr. Maldens Kompagnon. Er war mit einer Frau verheiratet, die er nicht liebte. Seine Verbindung zu mir war... nun, es war mehr eine Partnerschaft.« »Wie lange schon?« »Drei Jahre.« »Weshalb hat er sich denn nicht scheiden lassen?« -6 1 -
»Wie denn? Steffanie hätte ihn doch finanziell zugrunde gerichtet.« »Dann hätten Sie beide eben noch mal von vorn anfangen müssen und...« »In seinem Alter geht das nicht mehr, Mr. Mason. Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas, was außer mir niemand wußte. Hätte Steffanie es nämlich geahnt, wäre Dr. Malden vielleicht noch am Leben.« Fragend sah Mason sie an. »Seine Zeit war bemessen. Malden hatte einen schweren Herzfehler, der nicht mehr reparabel war. Mehr als ein paar Jahre wären ihm sowieso nicht geblieben.« »Es hat nicht den Anschein, als sei Dr. Maldens Leben sehr glücklich gewesen«, meinte Mason nachdenklich. »Wie viele Ärzte sind das schon?« fragte sie. »Sie verzichten auf so vieles, nur um zu helfen. Gewiß, manche verdienen sehr viel Geld, aber es geht alles zu Lasten ihrer Gesundheit.« »Womit wir wieder bei der Kasse angelangt wären«, meinte Mason lächelnd. »Dr. Malden wollte, daß ich glücklich bin. Offiziell bekam ich das Gehalt einer Oberschwester, aber er sagte mir, ich könne mir jederzeit aus der Kasse nehmen, was ich brauche.« »Aber doch nicht, ohne irgendwie Buch darüber zu führen?« »Warum denn nicht? Wir taten es beide.« »Und Sie haben sich öfter was genommen?« »Sagen wir mal so, angenommen, ich hätte es getan.« »Wieviel?« »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Mr. Mason«, antwortete sie lächelnd. »Und ich habe das Gefühl, als wissen Sie gar nicht recht, in was Sie sich eingelassen haben.« »Wieso denn?«
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»Wenn Dr. Malden Ihnen Summen gab, die nicht in den Büchern auftauchten, war er verpflichtet, für die Beträge Einkommensteuer zu zahlen.« »Aber angenommen, ich nahm es einfach, ohne daß er es wußte?« »Dann hätten Sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht.« »Und dann?« »Dann wird man Sie verhaften und anklagen.« »Wer denn?« »Der District Attorney, der Staat, die Polizei.« »Aber auf wessen Anzeige hin?« »Nun, im Hinblick auf das, was Sie mir von Steffanie Malden erzählten, könnte ich mir vorstellen, daß sie kein langes Federlesen machen würde, um gegen Sie vorzugehen.« »Passen Sie mal auf, Mr. Mason«, sagte sie heiter. »Sie sind doch Anwalt. Zuerst muß man mir doch etwas beweisen können, nicht wahr?« Mason rieb sich nachdenklich das Kinn und betrachtete sie gespannt. »Das ist ein Problem, das den District Attorney betrifft«, antwortete er schließlich. »Sehen Sie.« »Natürlich«, fuhr Mason fort, »bedeutet Ihr Geständnis mir gegenüber auch, daß...« »Wo habe ich Ihnen gegenüber denn ein Geständnis gemacht?« unterbrach sie ihn und lächelte immer noch dabei. »Sie haben gesagt, Sie hätten Geld aus der Kasse entwendet.« »Irrtum. Ich habe gesagt, angenommen, ich hätte Geld aus der Kasse genommen.« »Ja, ich weiß, daß Sie diese Formulierung wählten.« »Na bitte. Ich habe nichts weiter behauptet, als daß ich auf Pferde wette. Und ich habe nur gesagt, angenommen, ich hätte mir Geld genommen.« -6 3 -
Mason nickte. »Dadurch würde doch Dr. Maldens guter Ruf und auch das Vermögen gerettet werden, oder nicht?« »Aber Sie würden sich gleichzeitig damit strafbar machen.« »Dazu müßte ich zuerst einmal angezeigt werden.« »Nun ja, wie ich schon sagte«, meinte Mason, »das ist eine Sache für den District Attorney.« »Sie sind Steffanie Maldens Rechtsanwalt, sagten Sie, nicht wahr?« Mason nickte. »Und deshalb glauben Sie nur das Beste von ihr, oder?« »Nicht unbedingt. Ich habe ihre Interessen zu wahren. Das ist aber auch alles.« »Also gut«, meinte Gladys Foss. »Lassen Sie das Testament eröffnen. Sollte die Steuerfahndung Druck auf Steffanie ausüben, dann lassen Sie einfach die Katze aus dem Sack und sagen, daß ich Jahr für Jahr Tausende verwettet habe, und zwar von Dr. Maldens Geld.« »Die Steuer würde Beweise dafür wollen.« »Wenn’s weiter nichts ist. Damit kann ich Ihnen dienen. Ecke siebte Straße und Clifton Avenue ist ein Zigarettenladen, der einem Ray Spangler gehört. Er hat meine Wetten angenommen.« Mason mußte lachen. »Sie haben Sinn für Humor, das muß man Ihnen lassen«, meinte er belustigt. »Wie stellen Sie sich das denn vor? Die Steuerfahnder gehen einfach in diesen Zigarettenladen und fragen Spangler, sind Sie vielleicht ein Buchmacher? Dann antwortet er, aber selbstverständlich. Davon lebe ich ja. Gladys Foss hat Tausende bei mir gelassen. Sie ist Krankenschwester bei Dr. Malden. Ich bedaure zutiefst, meine Herren, daß ich das Gesetz übertreten habe, denn ich darf gar keine Wetten annehmen. Aber da Sie mich so nett fragen, kann ich doch nicht lügen.« Mason lachte nochmals laut auf. -6 4 -
»Aber nein, Mr. Mason«, widersprach sie ihm. »Daß die Wahrheit so schwer an den Mann zu bringen ist! Ray Spangler saß im Gefängnis und hat 1000 Dollar Geldstrafe gezahlt, weil er illegale Wetten angenommen hat. Sie brauchen ihn nur zu fragen, was vor seiner Strafe war. Die hat er doch abgebüßt, darüber wird er bestimmt reden.« »Und was ist mit Ihnen?« fragte Mason wieder sachlich. Sie lächelte verbittert. »Für Steffanie Malden würde ich keinen Finger rühren. Im Gegenteil. Aber wenn ich Dr. Maldens guten Ruf retten kann, bin ich bereit, jedes, aber auch jedes Opfer zu bringen.« Mason betrachtete sie versonnen. »Das ist auch ein Weg. Sie beschuldigen sich einer Veruntreuung, die Sie in Wirklichkeit gar nicht begangen haben, nur weil Sie Dr. Malden liebten und um seinen guten Ruf besorgt sind. Wie ich unsere Landsleute kenne, werden Sie daraufhin von jeder Jury freigesprochen.« »Und dazu hätte ich noch das Plus«, ergänzte sie, »daß mir niemand auch nur einen annähernd genauen Betrag beweisen kann.« »Aber die Aussage des Buchmachers. Er könnte doch beweisen, daß Sie viel mehr Geld verwettet haben, als Sie verdienten. »Ja, mehrere 1000 Dollar.« »Sehen Sie.« »Aber er müßte dann auch aussagen, daß ich in den vergangenen Monaten so ziemlich die gleiche Summe gewann.« Mason überlegte. »Das dürfte für die Steuer eine harte Nuß sein«, sagte sie lächelnd. »Am Schluß wissen die nicht mehr, was oben und was unten ist.« »Könnte sein«, antwortete Mason vorsichtig und sah sie dabei durchdringend an.
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»Na, dann ist ja jetzt alles in Ordnung«, sagte sie und stand auf. »Ich sagte schon, daß ich einen schweren Tag hinter mir habe. Ich brauche jetzt wirklich meinen Schlaf, Mr. Mason«, meinte sie, ging auf den Korridor hinaus und öffnete die Tür. »Vielen Dank für Ihren Besuch und auf Wiedersehen.« »Aber ich hätte gern noch ein paar Dinge mit Ihnen besprochen«, wandte Mason ein. »Ein andermal. Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte. Gehen Sie zu Steffanie Malden, und versichern Sie ihr, daß sie sich keine Sorgen mehr zu machen braucht. Erzählen Sie ihr ruhig die Wahrheit, daß ich ihren Mann liebte und... ach, erzählen Sie ihr doch, was Sie wollen.« Mason blieb in der Tür stehen. »Ich wüßte gern noch etwas über Ramon Castella«, sagte er. »Na, dann gehen Sie doch zu ihm hin. Sie sind ein geschickter Fragesteller. Er wird Ihnen alles sagen. Fragen Sie ihn nach Steffanie. Vielleicht plaudert er aus der Schule. Wenn er Ihnen alles gebeichtet hat, werden Sie einen wirklich ausgezeichneten Job bekommen.« »Was für einen Job?« fragte Mason erstaunt. Sie schob ihn zur Tür hinaus, als wolle sie die Frage ignorieren. Mason trat auf die Veranda hinaus. »Nun, Steffanie Malden wegen einer Mordanklage zu verteidigen«, rief sie ihm nach und schlug die Tür zu.
5 Mason kletterte in seinen Wagen, startete und fuhr langsam durch die dunklen Straßen. Er suchte eine Telefonzelle. Nach ungefähr einem Kilometer fand er schließlich eine Tankstelle, von der aus er Drakes Büro anrufen konnte. »Paul, schicke bitte sofort einen Mann zu Gladys Foss’ Bungalow«, sagte er, als der Detektiv sich gemeldet hatte. »Jetzt gleich?«
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»Ja, sofort. Am besten zwei. Ich traue dieser Frau nicht. Am liebsten würde ich sie keine Sekunde aus den Augen lassen.« »Du machst mir Spaß«, meuterte Drake, »weißt du überhaupt, wie spät es ist? Wo soll ich mitten in der Nacht die Männer auftreiben? Die ich hatte, sind bereits auf den Beinen.« »Dann ruf einen von denen ab, die vor Mrs. Maldens Haus stehen.« »In Ordnung, wie war die Anschrift?« »Cuneo Drive 6931.« »In Ordnung«, sagte Drake wieder. »In einer halben Stunde ist er dort.« »Bitte, sieh zu, daß er es in 20 Minuten schafft, Paul. Ich fahre zurück und warte auf ihn.« »Gut, Perry. Du, warte mal eine Sekunde, die andere Leitung klingelt.« Mason hörte Bruchteile der Unterhaltung, die Drake am anderen Telefon führte. Seine Stimme klang aufgeregt. Dann kam er an den Apparat zurück. »So, Perry, jetzt ist die Bombe geplatzt«, sagte er. »Was ist passiert?« »Mrs. Malden ist verhaftet worden.« »Das gibt’s ja gar nicht!« »Doch, doch.« »Weshalb?« »Weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall hat das Rauschgiftdezernat seine Hände im Spiel«, berichtete Drake. »Kannst du dir das erklären?« »Wie sollte ich das?« »Man hat sie ins Präsidium gebracht, und zwar... Moment, Perry, der Mann aus den Dixiewood-Apartments ruft gerade an. Ich habe nämlich jetzt zwei dort.« »Zwei im Dixiewood?« »Ja.« -6 7 -
»Schick einen von ihnen in den Cuneo Drive.« »Okay. Aber bleib noch am Telefon, ja?« Mason hörte, wir Drake an der anderen Leitung seine Befehle gab, dann meldete sich der Detektiv wieder. »Geht alles in Ordnung, Perry. Der Mann ist in einer Viertelstunde dort. Du wartest also auf ihn?« »Nein«, antwortete Mason. »Jetzt muß ich mich zuerst um meine Klientin kümmern. Ich habe dich also richtig verstanden, Paul, der Chauffeur, den Mrs. Malden besuchte, wohnt in den Erin-Apartments, ja?« »Stimmt.« »Gut. Ich lasse wieder von mir hören. Bleib bitte noch eine Weile im Büro«, sagte Mason. »Vielleicht brauche ich dich noch.« Bei den Erin-Apartments angekommen, mußte sich Mason seinen Weg durch eine Menge Neugieriger bahnen. »Was ist denn hier los?« erkundigte er sich bei einem der Herumstehenden. »Ganz genau weiß ich es auch nicht«, antwortete der Mann, offensichtlich erfreut, einen neuen Zuhörer gefunden zu haben. »Mir hat man erzählt, daß die Polizei Ramon Castella mitgenommen hat. Er wohnt hier in diesem Haus. Er war Chauffeur und Mechaniker bei Dr. Malden. Kennen Sie ihn? Sicher haben Sie auch gelesen, daß er bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Man munkelt, es hätte mit Rauschgift zu tun. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich habe diesen Castella fast täglich getroffen. So ein netter Mensch, hat immer mit meinen Kindern gespielt, ihnen Eis gekauft...« Der Mann schüttelt den Kopf. »Mir will das einfach nicht in den Sinn. Bestimmt hat die Frau von Dr. Malden ihm das Rauschgift besorgt. Ist das nicht das Letzte?« »Das kann man wohl sagen«, antwortete Mason und ging wieder zu seinem Wagen zurück.
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6 Die Büros des District Attorney nahmen eine ganze Etage des großen Justizgebäudes ein. Während dort um die Zeit gewöhnlich alles dunkel war, brannte jetzt in allen Räumen das Licht. Im Korridor standen mehrere Zeitungsreporter herum. Sie warteten begierig auf eine Sensation, die sie noch für die Morgenausgabe an ihre Redaktionen weitermelden wollten. Vor dem Büro des District Attorney Hamilton Burger hatten sich einige Fotografen mit schußbereiten Kameras aufgebaut. Als Perry Mason aus dem Fahrstuhl stürzte, war es für sie ein gefundenes Fressen. Blitzlichter flammten auf und tauchten den Korridor in ein weißblaues Licht. Die Reporter stürzten sich auf ihn. »Weshalb sind Sie hier, Mr. Mason? Vertreten Sie Mrs. Malden? Werden Sie...« »Ja, und ich will mit meiner Klientin sprechen. Das ist alles«, antwortete Mason ausweichend. »Sie werden Sie nicht zu ihr lassen«, meinte einer der Zeitungsleute. »O doch«, widersprach Mason, »das werden sie. Zumindest werden sie wünschen, sie hätten es getan.« Während Mason den Gang zu Burgers Büro hinunterging, drängten die Reporter von allen Seiten mit Fragen auf ihn ein. Einer der Männer bahnte sich einen Weg durch die Menge. »Mr. Mason«, rief er, »ich möchte gern eine gestellte Aufnahme von Ihnen, bitte.« Mason schüttelte den Kopf. Unbeirrt drückte der Mann Perry Mason eine Karte in die Hand, auf deren Rückseite mit Tinte etwas geschrieben stand. Mason hielt die Karte so, daß außer ihm niemand die Nachricht lesen konnte: Es hieß: Ich bin Drakes Mann. Stellen Sie sich für mich in Pose, und ich werde Ihnen die letzten Neuigkeiten zuflüstern.
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Mason stopfte die Karte in die Tasche und wandte sich verärgert an den angeblichen Fotografen. »Bekommt ihr Burschen nie genug?« »Ach, Sie wissen doch, wie das ist«, antwortete er höflich. »Na, dann schnell«, sagte Mason. »Wo wollen Sie das Bild schießen.« »Wenn es Ihnen recht ist, da drüben beim Fahrstuhl, ja?« »Ich bin gleich wieder da«, versprach Mason den anderen Reportern, »und dann sollen Sie erfahren, was ich weiß. Viel ist es allerdings nicht, das kann ich Ihnen gleich sagen.« Am Fahrstuhl machte sich Drakes Mitarbeiter an seiner Kamera zu schaffen. »Sie wird angeklagt, ihren Mann ermordet zu haben«, flüsterte er. »Ein Mann namens Castella, der Chauffeur von Malden, hat allerhand Beweise gegen sie vorgebracht. Sie sitzen jetzt alle bei Burger im Büro, das heißt Mrs. Malden nicht. Die haben sie in Zimmer sieben untergebracht.« »Danke«, antwortete Mason, als das Blitzlicht aufflammte, und drängte sich an dem Detektiv vorbei. Bei den Reportern blieb er kurz stehen, nickte ihnen zu und ging an dem Beamten, der am Auskunftstisch saß, vorbei, als sei dieser Luft für ihn. »He, Sie! Moment mal«, schrie der Beamte hinter ihm her und sprang auf. »Wo, zum Teufel, wollen Sie hin?« Mason tat, als hörte er ihn nicht. »Kommen Sie sofort zurück!« brüllte ihm der Mann hinterher. Ohne darauf zu achten, ging Mason weiter und blieb vor einer Tür mit der Nummer sieben stehen. »Mrs. Malden«, rief er. »Hier ist Perry Mason. Können Sie mich hören?« »Ja«, kam es leise aus dem Zimmer. »Beantworten Sie keine Frage. Reden Sie kein einziges Wort. Sagen Sie, daß...« In diesem Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Der Zivilbeamte packte Mason beim Arm und zerrte ihn von der -7 0 -
Tür. Die Pressefotografen überstürzten sich. Jeder wollte das Bild des Tages. Hamilton Burger riß die Tür seines Büros auf und blickte wütend auf das Durcheinander. »Was, zum Teufel, suchen Sie denn hier?« schrie er ärgerlich. »Ich berate meine Klientin«, antwortete Mason. »Ich verlange, mit Mrs. Malden zu sprechen, sie ist schließlich meine Mandantin.« Der Mann hielt Mason noch immer am Arm gepackt und wollte ihn wegzerren. Plötzlich schrie er auf, sprang zurück und ballte die rechte Faust. Mason war ihm unsanft auf die Zehen getreten. »Nein! Um Himmels willen nicht!« kreischte Burger, als die Blitzlichter wieder aufflammten und die Reporter Mason und den vor Zorn bebenden Beamten aufs Bild zu bekommen versuchten. »Das haben Sie mit Absicht getan!« wetterte der Polizeibeamte. »Sie haben mich aus dem Gleichgewicht gebracht«, konterte Mason. »Sie hatten keine Berechtigung, mich anzufassen.« »So? Glauben Sie? Weshalb sitze ich wohl hier? Sie haben keine Befugnis, hier herumzulaufen.« Burger schloß seine Bürotür von außen. »Ich mache das schon«, wies er den Beamten an. Dann sagte er zu Mason: »Sie sind ja geradezu mit Gewalt eingedrungen!« Mason grinste. »Die Büros hier werden schließlich zum Teil auch von meinem Geld unterhalten.« »Was soll das heißen?« »Ich bin Steuerzahler«, erklärte Mason seelenruhig. »Was Sie getan haben, war Hausfriedensbruch!« donnerte Burger. »Na bitte, verhaften Sie mich doch deswegen«, bot Mason ihm an. »Ich habe meine Mandantin beraten. Versuchen Sie einmal, in Ihrem Gesetzbuch zu finden, ob das -7 1 -
Hausfriedensbruch ist. Wenn man mich verhaftet, werde ich Sie wegen Freiheitsberaubung belangen.« »Sie können hier nicht einfach hereinschneien und zu brüllen anfangen!« »Ich will mit Mrs. Malden sprechen!« »Das geht jetzt nicht.« »Sie wissen schon, Burger, daß Sie damit das Gesetz umgehen, nicht wahr?« fragte Mason. »Sie sollten sich das Gesetzbuch ein bißchen genauer durchlesen«, keifte Burger aufgebracht. »Im Falle Strobel war es das gleiche, und der Oberste Gerichtshof hat entschieden, daß es keine Verletzung des Konstitutionsrechts war.« »Irrtum!« erwiderte Mason. »Der Fall Strobel lag ganz anders, und die Anklage konnte damals nur damit durchkommen, weil das Gericht den ganzen Komplex fallenließ. Aber bitte, wenn Sie glauben, ein neues Exempel statuieren zu müssen. Ich halte Sie nicht zurück.« Burgers Stirn war eine einzige Falte. »Man sollte ihn kurzerhand einsperren«, drohte der Zivilbeamte. Mason grinste Hamilton Burger an. »Hören Sie nicht? Er fragt, ob er mich deswegen einsperren kann, weil ich meine Klientin sprechen will.« »Halten Sie gefälligst den Mund!« herrschte Burger den Polizisten an. »Scheren Sie sich an Ihren Platz zurück. Meine Herren, ich wende mich jetzt an Sie alle«, fuhr Burger, mühsam beherrscht, fort, »es handelt sich möglicherweise um einen Mord. Ich bin dabei, in dieser Sache einen wichtigen Zeugen zu vernehmen. Es geht keinesfalls, daß ich in dieser Art und Weise dabei gestört werde.« Die Fotografen schienen von seinem Wortschwall wenig beeindruckt zu sein. Für sie war es nur Grund, weitere Bilder zu machen. »Ich verlange, meine Klientin zu sprechen«, rief Mason mit erhobener Stimme in die Redepause des District Attorney -7 2 -
hinein. »Wenn sie nicht verhaftet ist, werde ich ihr raten, nach Hause zu gehen. Steht sie unter Arrest, rate ich Ihnen, sie anzuklagen und mir zu gestatten, mir ihr zu sprechen. In jedem Fall aber rate ich ihr, nichts zu sagen.« Burger, völlig außer sich, trat auf Mason zu und schrie: »Sie brauchen nicht so zu brüllen. Ich bin schließlich nicht taub!« »Ich passe mich nur Ihrem Ton an«, schrie Mason zurück. Die beiden standen sich wie Kampfhähne gegenüber. Wieder flammten die Blitzlichter auf, und die Reporter machten sich aufgeregt Notizen. In diesem Augenblick wurde es Hamilton Burger klar, daß diese Art Publicity einen negativen Effekt für ihn haben könnte. »So kommen wir nicht weiter«, lenkte er ein. »Wenn Ihre Klientin unschuldig ist, dann verliert sie ja nichts dabei, wenn sie offen mit uns spricht. Wir sind die letzten, die sie in einem solchen Fall hier behalten würden. Wenn sie sich natürlich wie eine hartgesottene Kriminelle aufführt und verbohrt schweigt, dann werden wir das selbstverständlich als Schuldbekenntnis werten.« »Das ist keinerlei Schuldbekenntnis!« rief Mason. »Was denken Sie sich eigentlich dabei, eine unbescholtene Frau um Mitternacht aus dem Bett zu holen und in Ihr Büro zu schleifen?« »Sie war nicht in ihrem Bett«, antwortete Burger. »Na, dann sollte sie wenigstens jetzt schlafen gehen können. Diese Frau hat schließlich vor ganz kurzer Zeit einen großen Schock erlitten. Sie trauert um ihren Mann und...« »Ich weiß schon, was ich tue«, fuhr Burger dazwischen. »Ohne ausreichende Verdachtsmomente hätte ich sie nie verhaften lassen.« »Was soll denn das Märchen, von wegen sie könnte nach Hause gehen, wenn Sie offen mit Ihnen spricht?« fragte Mason. Darauf fand Burger keine Antwort. Plötzlich wurde die Tür von Zimmer Nummer sieben aufgerissen, und Mrs. Malden stürzte auf Perry Mason zu. -7 3 -
»Mr. Mason!« rief sie. Im gleichen Augenblick tauchte hinter ihr ein Polizist auf, ergriff sie bei den Schultern und riß sie wieder ins Zimmer zurück. Blindlings stieß sie ihm einen ihrer hohen Absätze gegen das Schienbein. Der Polizist stöhnte vor Schmerz auf und lockerte für eine Sekunde seinen Griff. Diesen Moment benutzte Mrs. Malden, um sich von ihm frei zu machen. »Bringen Sie sie zurück!« schrie Burger. »Los! Bringen Sie die Frau zurück!« Der Beamte vom Auskunftstisch kam angerannt, stieß zwei Reporter beiseite und ergriff Mrs. Malden bei den Hüften. Er schob sie in das Büro zurück. Wieder flammten die Blitzlichter auf. »Das ist ja furchtbar!« stöhnte Burger. »Müssen Sie das denn unbedingt fotografieren?« Mason nutzte die kurze Gefechtspause. »Beantworten Sie keine einzige Frage, verstanden?« rief er Mrs. Malden zu. »Man kann Sie nicht zwingen. Verlangen Sie, daß man Sie entweder verhaftet und anklagt oder freiläßt. Haben Sie mich verstanden?« Ein undeutliches »Ja« ließ darauf schließen, daß ein Polizist ihr wahrscheinlich den Mund zuhielt. Inzwischen hatte man sie wieder ins Zimmer zurückgedrängt. »Und jetzt, Mr. Burger«, wandte sich Mason an den District Attorney, »verlange ich, daß meine Klientin entweder verhaftet oder auf freien Fuß gesetzt wird. Und als ihr Anwalt verlange ich, mit ihr sprechen zu können.« »Das haben Sie ja gerade getan«, erwiderte Burger. »Durch eine geschlossene Tür und während sie von den Polizisten brutal behandelt wurde.« »Sie ist nur aufgehalten worden, als sie zu fliehen versuchte.« »Fliehen? Daß ich nicht lache. Sie hat ja nichts weiter versucht, als ihren Rechtsanwalt zu erreichen. Sie wollte sich -7 4 -
von ihrem Anwalt beraten lassen. Daran wurde sie auf Ihren Befehl und durch Gewaltmaßnahmen gehindert.« Burger überlegte einen Augenblick. »Hören Sie zu, Mason«, meinte er schließlich. »Sie haben hier genug Schaden angerichtet. Entweder Sie machen sofort, daß Sie hier hinauskommen, oder ich lasse Sie hinauswerfen. Sie können sie nicht sprechen.« »Hinauswerfen?« wiederholte Mason. »Und mit welchem Recht?« ›Das hier ist ein Privatbüro und...« Mason deutete mit dem Daumen nach hinten. »Dort ist Ihr Privatbüro, mein Lieber. Hier nicht. Entweder Sie lassen mich jetzt mit Mrs. Malden sprechen, oder Sie werden die Verantwortung zu tragen haben.« »Das ist mir ganz egal«, knirschte Burger, »und wenn Sie jetzt nicht verschwinden, dann...« »Danke schön«, unterbrach Mason ihn lächelnd und wandte sich an die Reporter. »Ich nehme an, meine Herren«, sagte er heiter, »daß Sie das alles aufgeschrieben haben?« Damit drehte er sich um und ging. Burger starrte ihm hinterher. Sein Gesicht war wutverzerrt. Es hatte den Anschein, als bereue er sein Vorgehen, doch dann zuckte er mit den Achseln, drehte sich um und ging in sein Büro zurück.
7 Mit einem entschlossenen, beinahe angriffslustigen Gesichtsausdruck steuerte Mason seinen Wagen durch den nächtlichen Verkehr. Wo immer er eine Chance hatte, drückte er das Gaspedal ganz durch und erreichte schließlich zum zweitenmal in dieser Nacht den Bungalow im Cuneo Drive 6931. Die Straße lag wie ausgestorben. Auf der anderen Straßenseite parkte ein Wagen. Mason stieg aus und wartete einen Augenblick. -7 5 -
Als er in dem anderen Wagen eine Zigarette aufglühen sah, ging er hinüber. »Ich bin Perry Mason«, sagte er, als der Mann hinterm Steuer die Scheibe heruntergelassen hatte und sich hinausbeugte. »Arbeiten Sie für Drake?« »Ja«, antwortete eine Stimme aus dem Dunkel. »Wir haben uns heute schon einmal gesehen, Mr. Mason.« »Ach ja.« Jetzt erkannte Mason ihn wieder. »Was gibt es hier Neues?« erkundigte er sich. »Nichts. Anscheinend ist sie schlafen gegangen.« Mason blickte auf seine Uhr. »Sie war hundemüde. Bestimmt wird sie mir einen Stuhl an den Kopf werfen, aber ich muß sie noch einmal herausklingeln.« »Brauchen Sie mich dabei?« »Nein. Aber bleiben Sie noch hier. Ich muß sie sprechen, bevor die Polizei sie aufstöbert. Viel Zeit bleibt mir dazu nicht. Jede Minute wird es hier von Polizeibeamten nur so wimmeln. Man wird Sie auch fragen, was Sie hier tun. Verweisen Sie alle an Paul Drake, und erwähnen Sie keinesfalls meinen Namen, verstanden?« »In Ordnung.« »Gut«, meinte Mason und ging zu dem Bungalow hinüber. Auf der Terrasse blieb er einen Augenblick stehen. Dann drückte er auf die Klingel und wartete. Es blieb alles ruhig. Auch nach dem vierten Versuch war es noch totenstill. Mason überlegte einen Moment, dann ging er zu dem wartenden Detektiv zurück. »Sind Sie sicher, daß sie nicht weggefahren ist?« »Jedenfalls nicht, seitdem ich hier bin«, antwortete der Mann. »Um welche Zeit sind Sie angekommen?« Der Detektiv schaltete die Deckenbeleuchtung des Wagens ein, brachte ein Notizbuch zum Vorschein und überreichte es Mason. -7 6 -
»Sie hatte ungefähr 20 bis 25 Minuten Zeit, von der Minute, wo ich hier wegfuhr, bis zu dem Moment, als Sie aufkreuzten«, sagte Mason, nachdem er die Eintragungen gelesen hatte. »In 20 Minuten kann sie sich doch nicht umgezogen haben und... verflixt noch mal! Sie ist aber weg.« »Was sollen wir jetzt tun?« fragte der Detektiv. »Bleiben Sie hier sitzen. Sowie ein Auto, irgendeines, verstehen Sie, die Straße herunterkommt, drücken Sie zweimal auf die Hupe.« »Wollen Sie versuchen, hineinzukommen?« Mason grinste, »Ich werde doch nicht aus der Schule plaudern. Nein, ich will mich bloß ein bißchen umsehen.« »In Ordnung. Also ich gebe Ihnen das Signal. Ich habe Sie doch richtig verstanden, Mr. Mason. Sowie ein Auto in Sicht kommt, egal, was für eines, hupe ich zweimal?« »Richtig. Bei jedem Auto.« »Habe verstanden.« Mason ging wieder zum Bungalow zurück. Er nahm die beiden Schlüssel aus der Tasche, die ihm Steffanie Malden gegeben hatte. Einer von beiden hatte zu der Wohnung in den DixiewoodApartments gepaßt. Mason probierte den anderen. Die Tür ließ sich ohne weiteres öffnen, und Mason betrat das Haus. Einen Augenblick zögerte er, ob er Licht einschalten sollte oder nicht. Dann riskierte er es. »Hallo!« rief er. »Ist jemand hier?« Es blieb alles still. Der Bungalow hatte zwei Schlafzimmer, aber in beiden waren die Betten unbenutzt. In einem der Schränke hingen nur leere Kleiderbügel, während in dem anderen Damenkleider waren. Auch die Schubladen in einem der beiden Schlafzimmer waren gänzlich ausgeräumt; in dem zweiten fand Mason auf
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verschiedene Schubfächer verteilt Damenunterwäsche, Strümpfe und durchsichtige Nachthemden. Im Badezimmer waren Spuren, die darauf deuteten, daß jemand noch vor ganz kurzer Zeit ein Bad genommen hatte. Ein feuchtes Handtuch lag achtlos auf dem Stuhl, und der Waschlappen war noch naß. Mason ging denselben Weg zurück, den er gekommen war, und drehte das Licht aus. Er schloß die Tür hinter sich und ging hinüber, wo der Detektiv noch immer auf ihn wartete. »Es hat keinen Zweck, sich die Nacht noch länger um die Ohren zu schlagen«, sagte Mason zu ihm, »sie wird doch nicht zurückkommen.« »Soll das heißen, daß der Vogel ausgeflogen ist?« Mason nickte. »Dann muß sie weggefahren sein, als ich auf dem Weg hierher war.« »Genau«, antwortete Mason. »Sie muß den Plan schon in dem Moment, wo ich meinen Namen nannte, gefaßt haben. Dadurch, daß sie mich eine Weile draußen und später auch noch im Zimmer warten ließ, gewann sie Zeit genug, um sich anzuziehen. Als ich nämlich klingelte, kam sie gerade aus dem Bad. Sie hatte ja alles, was sie brauchte, noch im Auto. Sie war sozusagen startbereit.« »Weshalb aber?« fragte der Detektiv. »Das müssen wir eben herausfinden«, antwortete Mason. »Zunächst muß ich wissen, wo sie ist.« »Das wird nicht leicht sein.« »Aber wir haben ihre Wagennummer«, sagte Mason. »Paul Drake wartet noch in seinem Büro. Kommen Sie, wir werden die Sache mit ihm besprechen. Überdies wird jede Minute hier die Polizei auftauchen. Ich möchte den Burschen keine Gelegenheit geben, Ihnen eine Menge Fragen zu stellen.« Mason ging zu seinem Wagen und fuhr los. Der Detektiv folgte ihm. Von einer Tankstelle, die die ganze Nacht geöffnet war, rief Mason Drakes Geheimnummer an. -7 8 -
Drake hatte sich noch nicht richtig gemeldet, als Mason schon hervorsprudelte: »Gladys Foss ist uns durch die Lappen gegangen. Wir müssen herauskriegen, wo sie steckt.« »Wieviel Zeit haben wir?« »Das kommt darauf an«, antwortete Mason. »Wir müssen nämlich bei unserer Suche im Hintergrund bleiben. Die Polizei darf nicht erfahren, daß wir hinter ihr her sind. Es wird keine leichte Aufgabe sein, aber ich habe ein paar Details, wo du ansetzen kannst. Du erinnerst dich, daß ihre Windschutzscheibe über und über mit Moskitos beklebt war?« »Ja.« »Das bedeutet, daß sie durch ein Tal, wahrscheinlich in einer wasserreichen oder morastigen Gegend, gefahren ist, und zwar kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Weiter: ihr Benzintank muß fast leer gewesen sein, als sie zu Hause ankam.« »Wie kommst du darauf«, fragte Drake. »Ganz einfach. Wenn sie irgendwo getankt hätte, wäre die Windschutzscheibe gereinigt worden.« »Verstehe«, meinte Paul Drake. »Aber wie kann uns das weiterhelfen? Glaubst du im Ernst, wir könnten sie erwischen, wenn...« »Nein, daran ist nicht zu denken«, fuhr Mason dazwischen. »Es gibt Dutzende von Tankstellen, die die ganze Nacht geöffnet sind. Nein, so geht’s nicht. Aber angenommen, sie tankt hier in der Stadt voll, kommt sie damit ungefähr 250 Kilometer. Wenn sie dann wieder Benzin braucht, ist es bereits hell, und wir können ihre Zulassungsnummer erkennen. Sowie die Büros aufmachen, rufst du die wichtigsten Benzinfirmen an. Du mußt eruieren, ob und bei welcher Firma sie ein Konto hat. Du kannst ja so tun, als hättest du noch eine offene Benzinrechnung für sie. Wenn du weißt, welche Marke sie tankt, kannst du ja die Tankstellen dieser Firma nacheinander anrufen. Auf diese -7 9 -
Weise sehen wir, wie weit sie gefahren ist und wo sie tanken wird.« »Vorausgesetzt, daß sie nicht bar bezahlt«, ergänzte Drake. »Das müssen wir eben riskieren. Und noch eins, Paul.« »Ja.« »Warte genau eine Stunde«, sagte Mason. »Dann rufst du die Polizei an. Benutze einen öffentlichen Fernsprecher. Gib ihnen keine Chance, herauszufinden, von wo aus du sprichst. Und dann sagst du, du wärst Ray Spangler und möchtest ihnen gern behilflich sein. Du könntest ihnen in der Mordsache Malden einen Tip geben. Laß durchblicken, daß Gladys Foss früher große Summen in Pferdewetten bei dir angelegt hat. Du hättest sie in Verdacht, daß sie das Geld dafür geklaut hat. Sag den Beamten, sie hätte verzweifelt eine Gewinnchance gesucht, sicher, um das Geld wieder zurückgeben zu können. Betone ausdrücklich, daß sie aber nicht gewonnen hätte. Du mußt der Polizei klarmachen, daß es sich bei diesem Tip um eine Gefälligkeit handelt und daß sie dafür bei dir auch ruhig mal ein Auge zudrücken könnten. Und dann legst du auf.« »Ich habe alles mitnotiert«, sagte Drake. »Also in genau einer Stunde?« »Jawohl.« »Geht in Ordnung. Sonst noch was?« »Das ist im Augenblick alles. Ich habe einen deiner Leute bei mir. Er hatte den Bungalow von Gladys Foss beobachtet. Soll ich ihn dir ins Büro schicken?« »Ja, tu das. Dann habe ich einen guten Mann mehr zur Verfügung.« Mason legte auf und sagte dem Detektiv Bescheid. Dann fuhr er eiligst in den Bungalow von Gladys Foss zurück. Diesmal ließ er sich Zeit und ging systematisch vor. Er riß die Laken aus den Betten, zog die Schubladen heraus und verstreute ihren Inhalt auf dem Fußboden. Als nächstes nahm er die Kleider von den Bügeln und warf auch diese hinunter. Er war dabei vorsichtig, keinen Fingerabdruck zu hinterlassen. -8 0 -
Nicht einmal zehn Minuten hatte er gebraucht, dann sahen die Zimmer aus, als hätte ein Tornado darin gewütet. Zufrieden sah sich Perry Mason noch einmal um, löschte die Lichter aus, schloß die Tür ab und fuhr in seine Wohnung.
8 Um neun Uhr am folgenden Morgen tippte Mason einem Mann auf die Schulter, der gerade seinen Tabakwarenladen an der Ecke der 7th Street und Clifton Avenue öffnete. »Mr. Spangler?« fragte er. Der Mann wirbelte herum. Man hatte das Gefühl, als sei ihm das blitzschnelle Reagieren in Fleisch und Blut übergegangen. »Wer sind Sie?« »Perry Mason, Rechtsanwalt. Ich hätte Sie gern gesprochen.« »Weswegen?« »Über Gladys Foss.« »Ach die!« »Ja.« »Kommen Sie rein!« Spangler schloß die Tür auf, trat hinein, zog die Jalousie hoch und bat: »Einen Augenblick noch, ich muß nur die Schaufenster frei machen.« Rasch zog er ein paar Ständer nach vorn, auf denen billige Bücher, Hefte und Zeitschriften standen, schloß seine Registrierkasse auf und stellte einen Ventilator an. Dann ging er hinter seinen Ladentisch, stützte sich mit den Ellenbogen auf die Glasplatte, betrachtete Mason nachdenklich und meinte: »Also gut, was ist mit Gladys Foss?« Spangler war ein vierschrötiger Mann mit groben Gesichtszügen. Seine kalten blauen Augen blickten unter einer niederen Stirn hervor. Seine Lippen waren dick und wulstig. Er hatte versucht, diesen Schönheitsfehler durch einen ganz schmalen Schnurrbart auf der Oberlippe zu vertuschen. Er -8 1 -
hätte es sich sparen können. Es gibt Menschen, denen man sofort ansieht, wie bewußt sie sich anziehen; Spangler gehörte zu ihnen. »Ich hätte gern einiges über Miss Foss erfahren«, erklärte Mason. Spangler fuhr sich nervös mit der Zunge über seine dicken Lippen und murmelte finster: »Wenn ich den Kerl erwische, der heute nacht die Polizei angerufen hat, breche ich ihm den Hals.« Dabei starrte er Mason bedeutungsvoll an. Der Anwalt zündete sich eine Zigarette an und fragte beiläufig: »Haben Sie Ärger gehabt?« »Aber nein, nicht doch«, erwiderte Spangler sarkastisch. »Ärger. I wo, überhaupt nicht. Man hat mich lediglich um drei Uhr heute nacht ins Polizeipräsidium geschleppt und mich wie eine Zitrone ausgequetscht, das ist aber auch alles.« »Na so was!« staunte Mason. »Wirklich, manchmal ist die Polizei geradezu unhöflich.« »Wem sagen Sie das?« »Ja, wie gesagt, ich interessiere mich für Gladys Foss!« »Wieso?« »Ich vertrete Dr. Maldens Witwe.« »Na, da haben Sie sich ja was eingebrockt.« »Es geht mir um die Bestätigung einiger Dinge«, fuhr Mason fort. »Ich fürchte, ich kann Ihnen überhaupt nicht helfen.« »Weshalb?« »Es gibt nichts, was ich Ihnen bestätigen könnte.« »Aber eben behaupteten Sie doch, ich hätte mir mit der Verteidigung Mrs. Maldens etwas eingebrockt. Ein bißchen müssen Sie also wissen.« »Ach, das ist alles Gerede, was ich heute nacht im Hauptquartier aufgeschnappt habe.« »Haben Sie der Polizei etwas über Gladys Foss erzählt?« wollte Mason wissen. -8 2 -
»Alles, was ich wußte.« »Und das wäre?« »Sie wettete auf Pferde, verstehen Sie?« »Wie oft?« »Ziemlich häufig.« »Wie hoch?« »Sie spielte nach einem System.« »Hatte sie Glück oder nicht?« fragte Mason. »Mehr Glück, als mir lieb war.« »Ich habe gehört, sie hätte ziemlich hoch verloren.« »Dann haben Sie eben falsch gehört.« »Sie soll Geld veruntreut haben, hat man mir erzählt«, bohrte Mason weiter. »Und nur um wieder zu gewinnen, soll sie verzweifelt weitergewettet haben.« »Dasselbe hat dieser Hund heute nacht den Cops erzählt.« »Und es stimmt gar nicht?« »Natürlich nicht.« »Wie hat sie gespielt?« »Ein ganz gemeines System. Sie spielte nur Kombination.« »Und das paßte Ihnen nicht?« erkundigte sich Mason. »Seien Sie nicht albern, Mister.« »Weshalb denn«, tat Mason unschuldig, »ich dachte, das wäre am lukrativsten?« »Dachten Sie, soso. Passen Sie mal auf, ich werde es Ihnen erklären. Sie setzte immer auf mehrere Pferde. Dabei riskierte sie relativ kleine Einsätze. Wenn ich gewann, konnte ich bestenfalls 20 Dollar aus ihr herausquetschen. Aber wenn ich verlor, mußte ich kräftig ausspucken, das können Sie mir glauben.« »Gewann sie jemals?« »Ja, zum Teufel. Zweimal sogar. Das erste Mal ging’s ja noch. Aber beim zweitenmal habe ich sehr viel Geld verloren.« -8 3 -
»Haben Sie alle ihre Wetten angenommen?« »Ich glaube nicht. Ich nehme an, sie spielte noch bei anderen Buchmachern.« »Vielleicht hat sie bei denen verloren?« »Kann sein.« »Aber Sie haben bei ihr draufgezahlt, nicht wahr?« »Sage ich doch. Ungefähr 10000 Dollar. Sie hatte entweder eine gute Nase, oder sie hat ihre Tips von den Pferden selbst bekommen.« »Hat die Polizei Sie dasselbe gefragt wie ich?« »Die wollten alles von mir wissen. Und wenn sie mir nicht Stück für Stück aus der Nase gezogen hätten, würde ich jetzt gar nicht mit Ihnen sprechen.« »Wußten Sie, daß Gladys Foss arbeitete?« »Nein. Ich dachte, sie wäre so eine Puppe, die einen reichen Kerl ausnimmt. Ich war der Meinung, daß sie nur zum Vergnügen wettet. Hat mich ganz schön für dumm verkauft.« »Aber sie war doch ziemlich durchschnittlich angezogen?« »Na ja, extravagant wirkte sie nicht. Aber bei ihr machte es das ganze Auftreten. Die kann sogar mit einem alten Kittel noch toll aussehen. Sie ist der Typ einer Puppe, die eine Riesenwohnung hat und ein paar alte Onkels ausnimmt. Genausogut hätte sie natürlich auch eine geschiedene Frau sein können, die ihrem Ehemaligen das Fell über die Ohren zieht.« »Sie sagen, sie war eine Stammkundin?« »Ja.« »Und Sie hat man vor zwei Monaten erwischt?« »So ungefähr.« »Und bestraft?« »Und bestraft«, wiederholte Spangler lakonisch. »Was wurde danach aus Gladys Foss?«
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»Woher soll ich das wissen? Sie ging sicher zu einem anderen.« Mason nickte. »Als ich wieder herauskam«, fuhr Spangler fort, »rief sie mich an und wollte eine Wette placieren. Aber ich habe die Nase voll, das dürfen Sie mir glauben. Und das habe ich ihr auch gesagt.« Mason betrachtete ihn nachdenklich. »Bei dem Geschäft, das Sie gemacht haben, wird Sie die Geldstrafe nicht so sehr getroffen haben«, meinte er spekulierend, »als die Tatsache, daß Sie nicht mehr weitermachen dürfen.« »Ungesetzliches ist bei mir nicht mehr drinnen«, antwortete Spangler. »Und habe versucht, höflich zu Ihnen zu sein und Ihnen ein paar Informationen zu geben, obgleich Sie nicht mal ein Kunde von mir sind. Bis jetzt haben Sie von mir noch nicht eine lausige Zigarre gekauft, sondern mich nur aufgehalten.« Mason öffnete lächelnd seine Brieftasche. »Bitte, geben Sie mir zwei Stangen Zigaretten«, sagte er, »die kann ich sowieso gebrauchen.« »Nein, nein, so habe ich es nicht gemeint«, beschwichtigte ihn Spangler. »Ich war nur, na ja, ich bin sauer. Ich habe für diesen Mistladen einen Haufen Geld bezahlt, aber unter der Voraussetzung, daß ich hier Wetten annehmen kann. Aber damit ist es jetzt Essig. Ich weiß gar nicht, wie mir die Brüder auf die Schliche gekommen sind. Irgend jemand muß gequatscht haben. Anders kann ich es mir nicht denken.« »Es wird schon wieder werden«, tröstete Mason ihn. »Und vielen Dank für Ihre Auskünfte, Mr. Spangler.« Mason nahm seine Zigaretten, das Wechselgeld, ging hinaus und bestieg seinen Wagen. Auf halbem Weg zu seinem Büro kaufte er sich eine Morgenzeitung, schlug die Geschäftsannoncen auf, und nach einem kurzen Durchblättern hatte er schon gefunden, was er suchte: »Tabakwarengeschäft, erstklassige Geschäftslage, sehr gute Verdienstmöglichkeiten. Besitzer muß aus Gesundheitsgründen
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verkaufen. Garantiertes Jahresnettoeinkommen über 7000 Dollar. Ray Spangler, 7 Street, Ecke Clifton Avenue.«
9 Perry Mason saß auf der einen Seite des langen Tisches, der von einer Wand zur anderen im Besuchsraum des Gefängnisses reichte. Gegenüber, hinter einem schweren Drahtgitter, saß Steffanie Malden. Sie sah übermüdet und verzweifelt aus und blickte den Rechtsanwalt mit bittenden Augen an. »Mr. Mason, Sie müssen mir ganz einfach glauben. Sie müssen Vertrauen zu mir haben. Ich bin Ihre Klientin; Sie müssen mich doch beschützen.« »Ich werde Sie verteidigen«, antwortete Mason, »egal, ob ich Vertrauen zu Ihnen habe oder nicht. Sie haben das Recht auf einen Verteidiger. Und Sie haben das Recht auf einen Prozeß vor einer Jury. Was immer Sie getan haben, Ihnen stehen ein Gerichtsprozeß und ein kompetenter Verteidiger zu, der dafür sorgt, daß Ihre Rechte gewahrt bleiben. Und wenn ich mich erst für einen Klienten entschieden habe, dann kämpfe ich auch für ihn.« »Aber ich möchte, daß Sie Vertrauen zu mir haben. Wenn Sie in mir nur die Klientin sehen und mich nur aus diesem Grunde vertreten, untergraben Sie meine Zuversicht. Das ist genauso als ob ein Chirurg eine Operation durchführt, obwohl er nur eine Chance 1:1000 hat, seinen Patienten durchzubringen.« »Sie können sich ja einen anderen Anwalt nehmen, wenn Sie wünschen«, bot Mason an. Sie preßte die Lippen aufeinander. Dann flüsterte sie: »Sie haben schließlich 100000 Dollar von mir.« Mason zwang sich, trotz seines Ärgers leise zu sprechen. »Ich habe keinen Pfennig von Ihnen. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Merken Sie es sich endlich!« -8 6 -
»Ich weiß aber, daß Sie das Geld haben, Mr. Mason. Sie müssen es ganz einfach haben. Zuerst dachte ich, Sie haben es nur genommen, um mich dadurch zu schützen. Ich dachte, Sie würden den Steuerfahndern nichts davon sagen und es mir nach einiger Zeit geben, oder wenigstens einen Teil davon. Aber jetzt... jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll.« »Aber ich weiß, was ich glaube«, sagte Mason. »Ich glaube nämlich, daß Sie in der Wohnung waren, das Geld aus dem Safe nahmen und mir eine Falle stellten, damit...« »Aber weshalb hätte ich das tun sollen, Mr. Mason?« »Warum? Um mich der Unterschlagung zu beschuldigen und mich dadurch zu zwingen, Sie zu verteidigen.« »Mr. Mason, ich war niemals in dieser Wohnung.« »Können Sie mir dabei in die Augen sehen?« »Ja, natürlich.« »Nicht ein einziges Mal?« »Nie.« Sie sah ihn mit kühlen Augen an und zuckte mit keiner Wimper. »Das ist es eben, was mich an Ihnen stört«, sagte der Anwalt, »daß Sie mich anlügen.« »Ich lüge nicht.« »Ich habe in Ihrem Interesse gehandelt«, berichtete Mason. »Sie kamen zu mir ins Büro und behaupteten, Sie würden verfolgt werden. Ich wollte herausfinden, von wem, und beauftragte aus diesem Grunde Detektive.« »Das haben Sie getan?« rief sie aus. Mason nickte. »Als Sie zum zweitenmal in meine Kanzlei kamen, wurden Sie tatsächlich beschattet, und zwar durch meine Leute.« »Und was haben die herausgefunden?« »Daß Sie gar nicht verfolgt wurden.« -8 7 -
»Oh!« »Sie hatten mich also angelogen«, fuhr Mason ruhig fort, »als Sie behaupteten, verfolgt zu werden. Sie haben mir das nur erzählt, um mich dazu zu kriegen, daß ich in die DixiewoodApartments gehe. Als Sie beim zweitenmal mein Büro verließen, hatten Sie keine Ahnung, daß ich Sie beobachten ließ. Sie fuhren schnurstracks in die Dixiewood-Apartments.« »Das ist eine Lüge, Mr. Mason. Ihr Detektiv muß sich getäuscht haben. Ich sage Ihnen doch, daß ich nie in dieser Wohnung war. Der Mann, den Sie engagiert haben, hat Sie beschwindelt. Schließlich gab es schon Detektive, die falsche Berichte gaben, nur um ihr Gehalt zu verdienen und sich beliebt zu machen, nicht wahr?« »Zufällig hatte ich aber zwei Leute auf Sie angesetzt. Ich wollte ganz sicher gehen und Ihre angeblichen Verfolger nicht verlieren. Beide Männer sahen Sie in das Haus gehen und den Fahrstuhl zum achten Stock benutzen.« Mason betrachtete sie nachdenklich durch das Gitter. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sah sie zu Boden. »Nun?« meinte Mason nach einer Weile. »Also gut«, antwortete sie müde. »Es ist wahr. Ich war dort, aber wirklich nur, um den Safe zu schließen. Ich habe Ihnen vertraut, aber ich hielt es für ausgesprochen verrückt, die Wohnung so zu verlassen, wie Sie es mir geschildert hatten. Sie sagten, der Safe stände noch offen und das Bild läge auf der Erde. Jeder Steuerfahnder hätte doch behaupten können, daß ich das Geld herausgenommen hatte. Das konnte ich einfach nicht riskieren.« »Wie sind Sie hineingekommen?« fragte Mason. »Mit einem Schlüssel.« »Welchem Schlüssel?« »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich einen Wachsabdruck von den beiden Schlüsseln machte und mir Duplikate anfertigen ließ.« -8 8 -
»Die haben Sie mir doch gegeben«, erinnerte sie Mason. »Wissen Sie das nicht mehr?« »Oh!« Sie biß sich auf die Lippen. »Also heraus damit! Woher hatten Sie den Schlüssel?« »Als ich die Duplikate anfertigen ließ«, antwortete sie widerwillig, »ließ ich mir je zwei Stück machen.« »Warum?« »Ich weiß es nicht mehr, ich hielt es jedenfalls für besser.« »Sie wollten mir ein Paar geben und eines für sich behalten, so ist es doch, oder?« »Soweit voraus habe ich damals noch nicht gedacht.« »Wie soll ich Ihnen das glauben?« »Sie müssen einfach mein Wort dafür nehmen.« »Sie verlangen viel von mir, wo Sie mich eben noch angelogen haben«, hielt ihr Mason vor. »Nur in dieser einen Sache, Mr. Mason«, beteuerte sie, »ich schwöre es Ihnen.« »Na schön. Was taten Sie in der Wohnung?« »Ich fand alles so vor, wie Sie es mir beschrieben hatten. Ich schloß den Safe zu, immer auf der Hut, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und hängte das Bild darüber. Das ist alles. Dann ging ich wieder.« »Und das ist wirklich das einzige Mal, daß Sie mich angelogen haben?« »Ganz bestimmt.« Mason seufzte. »Nun erzählen Sie mir auch noch den Rest.« »Den Rest? Wovon?« fragte sie. »Beispielsweise, weshalb man Sie festhält, über den Tod ihres Mannes und...« »Man glaubt, daß er ermordet wurde«, unterbrach sie Mason. »Wie?« »Ich soll es getan haben. Man sagt, ich hätte mit Ramon Castella zusammengearbeitet.« -8 9 -
»Na und? Stimmt das?« Sie schüttelte sich. »Ich hasse ihn.« »Warum?« »Weil ich glaube, daß er falsch ist. Er hat immer gegen die Interessen meines Mannes gearbeitet und weil... nun, weil ich ihn einfach nicht ausstehen kann.« »Hat er je versucht, sich an Sie heranzumachen?« Einen Augenblick zögerte sie, dann antwortete sie: »Ja.« »Haben Sie es Ihrem Mann erzählt?« »Nein.« »Weshalb denn nicht?« »Weil... nun, damals, ich... nun, die Umstände... ich wollte meinen Mann nicht mit solchen Sachen belästigen«, stotterte sie. »Dennoch besuchten Sie diesen Mann in seiner Wohnung?« »Ja, weil ich herausbekommen wollte, wer meinen Mann zum Flugplatz gefahren hatte.« »Warum denn?« »Weil ich wußte, daß Ramon glaubte, ich hätte es getan, während ich überzeugt war, er wäre es gewesen.« »Und Sie waren es nicht.« »Nein.« »Er auch nicht?« »Er sagt es jedenfalls.« »Wer hat dann Ihren Mann zum Flugplatz gefahren?« Sie schwieg. »Los!« forderte Mason. »Denken Sie nach. Wer begleitete Ihren Gatten zum Flugplatz?« »Es gibt nur noch einen Menschen, der es getan haben könnte.« »Und wer ist das?« »Darwin Kirby.« -9 0 -
»Wer ist das?« »Ich weiß nicht sehr viel über ihn, Mr. Mason, obwohl mein Mann ziemlich oft über ihn sprach. Darwin Kirby war ein Kriegskamerad meines Mannes. Er war ein höherer Offizier, kein Arzt. Jedenfalls waren die beiden unzertrennlich.« »Korrespondierte er mit Kirby?« »Nein, das nicht. Niemand wußte, wo Kirby steckte. Offenbar hatte Kirby ein bißchen Geld und wurde nach dem Kriege so eine Art Weltenbummler. Er war mal hier, mal dort, aber er machte sich nie die Mühe, mit irgend jemand ständig in Verbindung zu bleiben.« »Woher wissen Sie das alles?« »Nun, als er meinen Mann besuchte, unterhielten wir uns natürlich. Kirby erzählte uns seine Lebensphilosophie. Er hat das Gefühl, als sei er nur ein Zahnrad in der großen Maschinerie, und beschloß aus diesem Grund, frei von allen Bindungen sein eigenes Leben zu leben. Als er aus dem Krieg entlassen wurde, hatte er keinerlei Verwandte, zu denen es ihn hinzog. Er liebte auch seine Frau nicht, das heißt, seine Ehe bezeichnete er als unglücklich. Sie nörgelte ständig an ihm herum, und seine Schwiegermutter führte das Regiment. Kurz und gut, er wollte nicht nach Hause. Er wollte einfach mit seiner Familie nichts mehr zu tun haben.« »Und dann tauchte Darwin Kirby eines Tages auf?« »Ja.« »Wann?« »Am Abend, bevor mein Mann starb.« »Blieb er über Nacht bei Ihnen?« »Ja.« »Wer hat ihn in Ihrem Hause gesehen?« »Der Koch, das Dienstmädchen und... er war ja beim Abendessen dabei.« »Und er übernachtete in Ihrem Haus?« »Ja.« -9 1 -
»Am nächsten Morgen fuhr er wieder los?« »Ja, die beiden gingen zusammen. Darwin sagte, er wollte nach Chikago und von dort aus nach Kanada. Ich glaube, in Denver oder Omaha hatte er Zwischenlandung. Genau habe ich auf diese Unterhaltung nicht achtgegeben.« »Wann ging er los?« »Ich habe es so verstanden, daß ihn mein Mann auf dem Weg in seine Praxis beim Flugplatz absetzte. Ich bin nicht sicher, wann, aber ich weiß, daß Darwin mit einer Morgenmaschine fliegen wollte.« »Dann konnte er also Dr. Malden gar nicht zum Flugplatz bringen?« fragte Mason. »O doch«, antwortete sie, »er hätte ja seinen Flug umbuchen lassen und mit einer späteren Maschine fliegen können.« »Das ist aber nur eine Annahme, nicht wahr? Beweisen können Sie es nicht?« »Nein, aber irgend jemand muß schließlich meinen Mann zum Flugplatz gebracht haben. Ich glaube nicht, daß Ramon es war. Und ich scheide auch aus. Nun ja, und auch, daß Gladys ihn fuhr, kann ich mir nicht denken.« »In diesem Fall müßte ja der Wagen Ihres Mannes noch am Flugplatz stehen«, stellte Mason fest. »Sagen Sie mir noch eines, Mrs. Malden. Castella fuhr Ihren Mann sonst immer zum Flugplatz?« »Ja. Aber gestern abend sagte er mir das Gegenteil. Ich weiß es natürlich nicht hundertprozentig, aber ich glaube ihm, daß er ihn diesmal tatsächlich nicht hinfuhr.« »Gut. Ich werde die Sache überprüfen«, meinte Mason. »Und nun erzählen Sie mir, aus welchem Grunde man annimmt, daß Ihr Mann ermordet wurde. Was hat man Ihnen vorgeworfen?« »Nichts Konkretes, Mr. Mason. Alles, was ich weiß, ist, daß Ramon Castella der Polizei gegenüber irgendeine Aussage gemacht hat.« »Vielleicht behauptet er, Sie hätten sich an der Maschine zu schaffen gemacht oder so etwas?« -9 2 -
»Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete sie. »Ich habe keine Ahnung.« »Na schön. Bei der Voruntersuchung werde ich Sie in jedem Fall vertreten«, antwortete Mason. »Es wäre sehr ungünstig für Sie, wenn ich vorher schon Ihre Verteidigung niederlegen würde. Nach der Szene, die ich gestern dem District Attorney gemacht habe, und nach all der Publicity, die wir in den Zeitungen hatten, muß ich ganz einfach dabeibleiben. Aber eines kann ich Ihnen gleich sagen. Man hat zweifellos erdrückendes Beweismaterial gegen Sie, sonst hätte man nicht gewagt, Sie sofort in Haft zu nehmen.« »Die haben nur geblufft, Mr. Mason«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich habe mit dem Tod meines Mannes nichts zu tun. Das ist die Wahrheit. Das Ganze ist sowieso lächerlich. Wie kann jemand einen Mann umbringen, der im Flugzeug sitzt?« »Hatte die Maschine Platz für zwei Leute?« erkundigte sich Mason. »Ja. Aber als die Maschine startete, war nur eine Person an Bord, und schließlich wurde auch nur eine Leiche gefunden.« »Also gut«, meinte Mason, »ich werde mich umsehen. Ich will versuchen, was ich machen kann, aber die Geschichte gefällt mir immer noch nicht.« »Mr. Mason, Sie haben das Geld aus der Wohnung genommen, oder nicht? Bitte, seien Sie doch ehrlich zu mir. Bitte...« »Ich habe es Ihnen schon ein paarmal gesagt, und ich wiederhole es jetzt noch einmal«, unterbrach Mason sie ungehalten. »Ich habe keinen Pfennig genommen.« »Und Sie sagen das nicht nur, weil Sie... nun, weil Sie sich nicht strafbar machen wollen und...« »Ich lüge nicht, Mrs. Malden. Sie werden das vielleicht nicht verstehen, weil Sie selbst es mit der Wahrheit auch nicht zu genau genommen haben. - Und jetzt werde ich versuchen, herauszukriegen, was überhaupt gespielt wird.«
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Mason stieß den Stuhl zurück und gab der Polizistin ein Zeichen, daß seine Unterredung beendet sei. Als er die langen Gänge heruntereilte, blickte er ungeduldig auf seine Armbanduhr. Mit gesenktem Kopf stürmte er dem Ausgang zu. Plötzlich sah er einen Schatten auf sich zukommen und blieb abrupt stehen. Die Frau, mit der er beinahe zusammengestoßen wäre, hatte etwas in ihrer Handtasche gesucht. Sie blickte Mason mit großen blauen Augen an. »Ich fürchte, ich habe nicht aufgepaßt«, murmelte sie »Meine Schuld«, antwortete Mason, »ich hatte es eilig und...« »Das macht doch nichts. Sie sind Mr. Perry Mason, nicht wahr?« Mason nickte. »Sie erkennen mich nicht wieder«, sagte sie, »aber ich habe Sie gestern in unserem Haus gesehen.« »In Ihrem Haus?« »Ja, wir wohnen in den Dixiewood-Apartments. Ich kam gerade durch die Halle, als Sie gehen wollten. Mein Name ist Edna Colebrook. Mein Mann ist Harry Colebrook und arbeitet beim Erkennungsdienst im Büro des Sheriffs. Ich will gerade zu ihm.« »Ach so«, meinte Mason und wollte sich an ihr vorbeidrücken. »Wir wohnen schon lange in den Dixiewood-Apartments, wissen Sie.« »Soso.« »Ich habe Sie schon oft im Gericht gesehen und... Sie müssen mich für aufdringlich halten, aber...« Sie lächelte ihn aus ihren tiefblauen Augen an, »sagen Sie, Mr. Mason, hatten Sie in unserem Hause einen Klienten? Ich platze fast vor Neugierde. Nicht, daß ich klatsche oder neugierig sein möchte, aber die Dixiewoods waren immer so eine Art Familienklub. Jeder kannte jeden. Und Sie hatten eine sehr hübsche Dame bei sich. Wohnt sie dort?« -9 4 -
Mason versuchte ein paarmal, ihren Redeschwall zu unterbrechen, aber sie plauderte weiter darauflos. »Ich hoffe nur, daß Sie mich nicht für aufdringlich halten, Mr. Mason. Mein Mann sagt auch immer, ich kümmere mich zuviel um andere, aber schließlich...« Mason lachte. »Ich fürchte, Sie haben mir zu viele Fragen gestellt, Mrs. Colebrook. Ich habe nur einen Privatbesuch gemacht. Aber jetzt müssen Sie mich wirklich entschuldigen. Ich habe es sehr eilig und bin ohnehin schon ziemlich spät dran.« Mason zog seinen Hut, ging an ihr vorbei und eilte mit langen Schritten zur Ausgangstür. In der Tür riskierte er es, einen Augenblick stehenzubleiben und kurz über die Schulter zurückzuschauen. Sie stand immer noch da. Ihre Stirn war nachdenklich in Falten gezogen. Mason hatte sofort das Gefühl, als habe er mit seinem Zögern einen Fehler gemacht.
10 Richter Telford nahm seinen Platz ein und erklärte die Verhandlung für eröffnet. Er betrachtete ungehalten die Besuchermenge, die den Gerichtssaal füllte. Dann streifte er mit einem raschen Blick Perry Mason, der mit der Beschuldigten an einem Tisch saß, und die beiden Anklagevertreter aus dem Büro des District Attorney, die an einem anderen Tisch Platz genommen hatten. Richter Telfords Laune war ganz offensichtlich nicht die beste. »Meine Herren«, begann er, »ich bin der Meinung, wir sollten uns bezüglich der Streitfrage, über die das Gericht entscheiden soll, nicht mit überflüssigen Formalitäten aufhalten. Es geht dem Gericht einzig und allein darum, zu klären, ob ein Mord verübt wurde und ob genügend Grund zur der Annahme besteht, daß die Beschuldigte, Steffanie Malden, die Täterin war.« -9 5 -
Der Richter sah zu Mason hinüber. »Euer Gnaden«, sagte Mason und stand auf, »das mag für den Fall, der vor diesem Gericht anhängig ist, zutreffen, aber erlauben Sie mir bitte, hervorzuheben, daß die Beschuldigte auf freien Fuß zu setzen ist, falls sich ihre Unschuld nach der heutigen Voruntersuchung beweisen läßt.« »Nun ja«, antwortete Richter Telford tolerant. »Ich glaube, ich muß den Parteien nochmals vor Augen führen, daß wir es hier nicht mit einem Prozeß zu tun haben, in dem die Schuld der Angeklagten über jeden Zweifel erhaben bewiesen sein muß.« »Jawohl, so haben auch wir das Gesetz verstanden«, erwiderte Mason aufgeräumt. »Also gut«, sagte Richter Telford, »die Anklage möge beginnen.« Carl Hurley, einer der Anklagevertreter, der sich in dieser Eigenschaft bereits einen Namen gemacht hatte, lächelte, als er seinen ersten Zeugen aufrief. Es handelte sich um einen Angestellten des Flughafens. Er nannte die Registriernummer von Dr. Maldens Flugzeug, beschrieb den Typ der Maschine und bezeugte, daß Dr. Malden am Tage seines Todes einen Flugplan eingereicht hatte, wonach er seinen Flug nach Salt Lake City mit einer Zwischenlandung zum Tanken in Las Vegas vorgesehen hatte. Dr. Malden hatte vom Flugkontrollturm um 10.17 Uhr Starterlaubnis erhalten und war um 10.19 Uhr gestartet. Der Zeuge sagte weiterhin aus, daß er am gleichen Tage, ein paar Stunden später, zu der Absturzstelle der Maschine geflogen sei. Der Punkt in der Wüste, an dem die Maschine aufschlug, wurde von ihm mit dem Bleistift auf einer vorbereiteten Karte gekennzeichnet. Alles deutete darauf hin, daß die Maschine nach einer Bruchlandung Feuer gefangen hatte. Im Flugzeug selbst wurde eine Leiche gefunden, die bis zur Unkenntlichkeit verkohlt war. Es war möglich gewesen, die Nummern auf den Tragflächen
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des Flugzeugs zu entziffern, und ohne Zweifel hatte es sich um die Maschine Dr. Maldens gehandelt. Die genaue Zeit des Unglücks verdankte man dem Umstand, daß der Mechanismus der Uhr im Armaturenbrett durch die Hitze zum Stehen kam. Der Zeuge konnte beschwören, daß sich Dr. Maldens Maschine im Nonstopflug auf der Route nach Las Vegas befunden hatte, bis sie aus ungeklärtem Grunde abstürzte und ausbrannte. »Kreuzverhör«, bot Hurley Mason an. Mason schien völlig überrascht. »Kreuzverhör?« fragte er. »Natürlich.« »Weshalb? Ich habe doch keine Fragen an den Zeugen«, antwortete Mason. »Keine einzige.« Hurley schien sehr selbstzufrieden. Er stellte dem Gericht den nächsten Zeugen, Dudley Lomax, als einen führenden Experten auf dem Gebiet der Kriminalistik vor. Dann wandte er sich an Mason: »Wünschen Sie hinsichtlich seiner Qualifikation ein Kreuzverhör?« »Im Augenblick nicht. Ich werde sie mit der Maßgabe anerkennen, daß ich mir das Recht auf ein Kreuzverhör vorbehalte.« »Gut«, meinte Hurley heiter. »Ich darf dem Gericht gegenüber bestätigen, daß Kriminalistik eine Bezeichnung für eine relativ neue Wissenschaft ist, die den Gebrauch wissenschaftlicher Erfahrungen und technologischer Erkenntnisse auf den verschiedensten Gebieten bezüglich der Untersuchung eines Verbrechens umschließt.« »Mr. Masons Anerkennung der Qualifikation dieses Zeugen genügt«, sagte Richter Telford. »Beginnen Sie also mit Ihren Fragen.« »Hatten Sie Gelegenheit, im Fall Malden Gewebeuntersuchungen und spektroskopische Analysen durchzuführen?« fragte Hurley. »Jawohl, Sir, das hatte ich«, bestätigte Lomax. -9 7 -
»Was stellten Sie fest?« »Ich fand einwandfrei Beweise für das Vorhandensein einer Substanz, die wir mit der ›Code Nummer 68 249‹ bezeichnen.« »In der Leiche?« »Jawohl, Sir.« »Ich zeige Ihnen jetzt eine Whiskyflasche, die ich als Anklagebeweisstück Nummer eins kennzeichnen lassen möchte.« »Stattgegeben«, sagte Richter Telford. »Ich werde Ihnen jetzt bezüglich dieser Flasche einige Fragen stellen«, fuhr Hurley fort. »Jawohl, Sir. Ich erkenne sie als die Reiseflasche aus Metall, in die ungefähr ein knapper halber Liter hineingeht.« »Wo wurde diese Flasche gefunden. Wissen Sie das zufällig?« »Jawohl, Sir.« »Wer fand sie?« »Ich war zugegen, als sie gefunden wurde.« »Und zwar wo?« »Als wir Dr. Maldens Flugzeugwrack inspizierten, versuchten wir, herauszufinden, was wirklich passiert war. Aus diesem Grunde suchten wir den Boden nach eventuellen Hinweisen ab. Die Maschine war mit großer Wucht auf dem Boden aufgeschlagen. Verschiedene Dinge wurden dadurch aus dem Flugzeug hinausgeschleudert und lagen noch in einer Entfernung von rund 45 Metern verstreut.« »Können Sie uns diese Dinge bitte beschreiben?« fragte Hurley. »Nun, zum Beispiel eine schwarze Tasche mit verschiedenen chirurgischen Instrumenten und Arzneien und ein Kissen, und darin war die Flasche.« »Fanden Sie selbst das Kissen?« »Nein, Sir, aber ich war dabei, als es gefunden wurde.« -9 8 -
»Wo lag es? Ich meine, wie weit entfernt vom Flugzeugwrack?« »Fünfzehn Meter.« »Und was war mit ihm passiert?« »Auf der einen Seite war es durch die Hitze ziemlich versengt, das heißt, man könnte es beinahe verkohlt nennen. Aber dieser Zustand kam nicht durch die Berührung mit einer Flamme, sondern entstand durch die enorme Hitze, der das Kissen ausgesetzt war.« »Wissen Sie, wem die Flasche gehörte?« »Nur durch Aussagen anderer.« »Haben Sie von der Flasche Fingerabdrücke genommen?« »Ja.« »Fanden Sie welche darauf?« »Ja, Sir.« »Haben Sie sie fotografiert?« »Jawohl, Sir, ich persönlich habe sie mit einer SpezialFingerabdruckkamera fotografiert.« »Und was fanden Sie bezüglich dieser Abdrücke heraus?« Lomax griff in die Aktentasche und brachte eine Serie Fotos zum Vorschein. »Ich fand vier exzellent deutliche Fingerabdrücke, von denen ich Fotos bei mir habe.« »Augenblick mal bitte«, sagte Hurley. »Wir beantragen, die Fotos dieser Fingerabdrücke als Beweisstücke zwei, drei, vier und fünf zu kennzeichnen.« »In Ordnung«, antwortete der Richter. »Was sind nun die Beweisstücke zwei bis fünf, Mr. Lomax?« wandte sich Hurley wieder seinem Zeugen zu. »Das sind Fotos der Abdrücke von den Fingern von Dr. Summerfield Maldens rechter Hand.« »Also, Mr. Lomax, haben Sie die Fingerabdrücke von Dr. Summerfield Malden untersucht?« »Jawohl, Sir.« -9 9 -
»Wo?« »Auf Fotokopien der Abdrücke, die vom FBI geschickt wurden.« »Auf wessen Veranlassung hin?« »Auf meine.« »Gut«, meinte Hurley befriedigt. »Und was war in der Flasche, die wir als Beweisstück Nummer eins gekennzeichnet hatten?« »Sie war halbvoll mit einer Flüssigkeit.« »Wissen Sie, mit was für einer?« »Zuerst noch nicht, aber jetzt weiß ich es.« »Woher?« »Ich war zugegen, als eine Analyse gemacht wurde, und assistierte dabei.« »Nun? Und was war es?« »Whisky.« »Gibt es an diesem Whisky etwas Besonderes?« wollte Hurley wissen. »Jawohl, Sir.« »Und zwar?« »Eine spektroskopische Analyse bewies das Vorhandensein von Code Nummer 68 249.« »Können Sie uns sagen, wie diese Substanz, die Sie als Code Nummer 68 249 bezeichnen, in den Whisky kommen konnte?« »Ja, Sir. Indirekt durch mich.« »Würden Sie es dem Gericht bitte erklären?« »Ich wurde gebeten, Narkotika zu identifizieren, die im Besitz von...« »Halt!« rief Richter Telford. »Einen Moment bitte. Das bezieht sich natürlich auf eine Unterhaltung, die nicht in Anwesenheit der Beschuldigten stattfand, nicht wahr?« »Ja, Euer Gnaden.« -1 0 0 -
»Deshalb wäre es Beweismaterial, das auf Hörensagen beruht«, fuhr Richter Telford fort. »Kein Einspruch«, sagte Mason. »Ich will wegen Kleinigkeiten nicht herumstreiten.« »Na schön«, meinte Richter Telford und bedachte Mason mit einem Blick, als wolle er sagen, jetzt können Sie aber lange warten, bis ich mich wieder einmische, um Ihnen zu helfen. »Sie vertreten schließlich die Beschuldigte. Wenn Sie keinen Einspruch haben, soll der Zeuge eben die Frage beantworten. Ich bin jedoch keinesfalls gewillt, Hörensagenbeweise bei meinem Richtspruch zu berücksichtigen.« »Nein, nein, Euer Gnaden!« rief Hurley eifrig. »Ich frage den Zeugen nur allgemein, wie diese Substanz in den Whisky kam.« »Ich wurde gebeten«, antwortete Lomax hastig, als wolle er seine Seite der Geschichte schnellstens anbringen, bevor der Richter entscheiden könnte, daß es nicht ordnungsgemäß war, »ich wurde also gebeten, etwas von dieser Substanz in Dr. Maldens Narkotika zu tun, um dadurch in der Lage zu sein, diese speziellen Medikamente später wieder identifizieren zu können. Ich beschloß, Substanz Nummer 68 249 zu benutzen, weil sie wegen ihrer besonderen chemischen Struktur in Normalfällen in Rauschgiften niemals vorkommt und weil sie in mikroskopischen Quantitäten keinerlei Effekt auf die menschliche Gesundheit hat.« »Weiter!« drängte Hurley. »Mit Unterstützung des medizinischen Depots wurden spezielle Narkotika, die Dr. Malden bestellt hatte, präpariert. Jedes dieser Präparate enthielt außer dem Morphium, Heroin oder anderen narkotischen Substanzen auch eine gewisse winzige Menge von Code Nummer 68 249.« »Sie sind also demgemäß in der Lage, auszusagen, daß... nein, ich werde diese Frage fallenlassen und eine andere stellen. - Als Sie bei der Analysierung des Whiskys assistierten, fanden Sie da außer Code Nummer 68 249 noch etwas anderes?« -1 0 1 -
»Jawohl, Sir, der Whisky enthielt eine beachtliche Menge Morphiumsulphat.« »Und in dem wiederum befand sich die Substanz, die Sie in Dr. Maldens Narkotika mischten und die mit 68 249 bezeichnet wird, nicht wahr?« fragte Hurley. »Soweit möchte ich eigentlich nicht gehen, Mr. Hurley«, antwortete Lomax. »Ich kann nur mit Sicherheit sagen, daß wir die Substanz mit der Code Nummer 68 249 unter gewöhnlichen Umständen niemals in Whisky vorfinden können. Sie würde im Normalfall auch nicht in Narkotika vorkommen. Ich veranlaßte, daß diese Substanz den Narkotika, die Dr. Malden kaufte, beigemengt wurde. Und ich fand sie in dem Whisky wieder, der aus der Flasche stammt, die hier als Beweisstück vorliegt. Darüber hinaus fand ich den chemischen Beweis für die Tatsache, daß der Whisky Morphiumsulphat enthielt.« »Sie können mit dem Kreuzverhör beginnen«, sagte Hurley. Mason stand auf und trat vor den Zeugen. »Weshalb haben Sie die Substanz mit der Code Nummer 68 249 in Dr. Maldens Bestellungen gemischt?« »Es ging darum, das Verschwinden von Rauschgift aus Dr. Maldens Praxis aufzuklären«, antwortete Lomax. »Wieviel Substanzen haben Sie, die Sie gewöhnlich für Ihre spektroskopischen Analysen benutzen?« »Ein halbes Dutzend.« »Und diese werden bei Rauschgiften angewendet?« »Nein, das nicht«, antwortete Lomax. »Vielleicht könnte man sie alle diesbezüglich verwenden, aber wir verlassen uns bei unserer Arbeit mit Rauschgiften am liebsten auf 68 249.« »Arbeiten Sie mit einer behördlichen Stelle zusammen?« »Jawohl.« »Können Sie uns sagen, mit welcher?« »Ich würde vorziehen, meine offiziellen Verbindungen nicht preiszugeben. Ich bin jedoch gern bereit, jede Frage hinsichtlich meiner Qualifikation zu beantworten und auch bezüglich der -1 0 2 -
Schritte, die ich unternahm, um Dr. Maldens Medikamente zu identifizieren.« »Gut«, sagte Mason. »Aber Sie gehören einer Organisation an?« Einen Moment überlegte Lomax, dann antwortete er: »Jawohl, Sir.« »Vielen Dank, Mr. Lomax, das ist alles«, sagte Mason. »Keine weiteren Fragen«, verkündete Hurley. Der Zeuge verließ den Zeugenstand. Hurley und seine Kollege Madison Irwin flüsterten miteinander. Abrupt stand Hurley auf. »Wir möchten Mr. Lomax doch noch einmal zurückrufen«, sagte er. »Wir haben noch einige Fragen.« Mason grinste den verwirrten Ankläger an und meinte: »Wahrscheinlich deshalb, weil die Verteidigung nicht in die Falle hinein getappt ist, die die Anklage für sie gestellt hat. Wahrscheinlich, weil ich beim Kreuzverhör die falschen Fragen stellte?« Hurley wirbelte verärgert herum, merkte aber plötzlich, wie komisch die Situation im Grunde war und daß auch auf dem Gesicht des Richters ein Lächeln stand. »Na ja, versuchen kann man’s doch schließlich«, meinte er. Lomax nahm seinen Platz wieder ein. »Haben Sie auf der Metallflasche, die wir als Beweisstück Nummer eins gekennzeichnet haben, noch andere Fingerabdrücke gefunden?« »Jawohl, Sir.« »Konnten Sie diese identifizieren?« »Drei von ihnen ja.« »Haben Sie sie fotografiert?« »Jawohl, Sir.« Hurley nahm die Fotos und wandte sich an den Richter: »Ich möchte diese Bilder als Anklagebeweisstücke Nummer sechs, sieben und acht kennzeichnen lassen.« -1 0 3 -
»Stattgegeben«, entschied Richter Telford. »Wissen Sie, von wem diese Fingerabdrücke stammen?« »Jawohl«, antwortete Lomax, »sie stammen von Steffanie Malden, der Beschuldigten.« »Wodurch haben Sie das festgestellt?« »Ich habe sie mit einem frisch von ihr abgenommenen Abdruck verglichen.« »Und jetzt«, meinte Hurley lächelnd zu Mason, »glaube ich, daß Sie mit Ihrem Kreuzverhör doch fortfahren möchten. Unser direktes Verhör ist damit beendet.« »Haben Sie die Aussage vorher mit Mr. Hurley besprochen«, wandte sich Mason erneut an den Zeugen, ohne auf Hurleys Bemerkung einzugehen. »Aber ja!« rief Hurley und sprang auf. »Natürlich haben wir uns darüber unterhalten. Schließlich verhandeln wir ja ohne Geschworene. Was soll also Ihre Frage?« »Ich habe sie gestellt, weil ich eine Antwort darauf möchte«, erwiderte Mason sachlich. »Beantworten Sie die Frage«, herrschte der Richter den Zeugen an. »Jawohl, Sir, das habe ich.« »Also gut. Und jetzt sagen Sie mir, welche anderen Fingerabdrücke sonst noch auf der Flasche waren.« »Eine ganze Menge. Aber einige von ihnen waren sehr verwischt und konnten nicht identifiziert werden.« »Aber es gab auch deutliche?« »Ja, verschiedene. Wir konnten jedoch nicht feststellen, von wem sie stammen und....« »Ich möchte wissen, welche Fingerabdrücke auf der Flasche waren, die Sie identifizieren konnten«, fuhr Mason dazwischen, »Abdrücke, die Sie mit den anderen verglichen und identisch fanden!« Der Zeuge zögerte und blickte hilflos auf Hurley. Schließlich sagte er: »Die Fingerabdrücke von Ramon Castella.« -1 0 4 -
»Wie viele?« »Zwei.« »Weiter. Ich möchte von Ihnen wissen, ob die Abdrücke von Ramon Castella irgendwo auf der Flasche über denen von der Beschuldigten lagen.« »Ich... das weiß ich nicht sicher. Das ist schwer zu sagen.« »Was Ihr eigenes Wissen als Sachverständiger anbetrifft, fanden Sie also Fingerabdrücke von Dr. Malden, von Steffanie Malden und von Ramon Castella?« »Ja.« »Irgendwelche anderen identifizierbaren Fingerabdrücke?« »Ja.« »Wessen?« »Das weiß ich nicht.« »Haben Sie sie fotografiert?« »Ja.« »Darf ich annehmen, daß Sie eine Menge, ich möchte sagen, eine ungewöhnlich große Anzahl von Fingerabdrücken auf dieser Flasche fanden?« »Das stimmt.« »Wie kommt das?« »Ich weiß es nicht, ich nehme aber an, daß es mit den atmosphärischen Konditionen zusammenhängt und darüber hinaus mit der Tatsache, daß die Metallflasche erst kürzlich poliert wurde. Die Oberfläche war spiegelblank und daher natürlich äußerst geeignet, Fingerabdrücke aufzunehmen und erkennen zu lassen.« »Deutet Ihrer Meinung als Experte nach etwas darauf hin, daß Ramon Castella die Flasche nach Steffanie Malden angefaßt hat?« »Nun... natürlich... ich, das kann ich nicht mit Sicherheit behaupten«, stammelte Lomax. »Aber was glauben Sie?« -1 0 5 -
»Also schön«, meinte Lomax, »wenn Sie es so ausdrücken wollen, glaube ich, daß Ramon Castella meiner Meinung nach die Flasche später als Mrs. Malden berührt hat.« »Sie geben das widerwillig zu?« »Ich gebe es schließlich zu, oder?« »Aber widerwillig?« »Jawohl.« »Weiter! Waren über den Fingerabdrücken von Mrs. Malden noch andere?« Wieder zögerte Lomax. »Ja«, sagte er dann. »Sie stammen von unbekannten Personen.« »Die Abdrücke konnten also nicht identifiziert werden?« »Nein, Sir.« »Würden Sie sagen, daß diese Person die letzte war, die die Flasche in der Hand hatte?« »Nein, ich würde jedoch sagen, daß die- oder derjenige die Flasche nahm, nachdem Dr. Malden selbst, nachdem Mrs. Malden und nachdem Ramon Castella sie berührten. Es ist jedoch leicht möglich, daß, nachdem diese Fingerabdrücke entstanden, die Flasche trotzdem noch einmal von Dr. Malden, dessen Frau oder von Castella angefaßt worden ist. Mit anderen Worten, die Abdrücke der anderen Person lagen nicht über jedem der anderen Abdrücke.« »Das ist alles«, sagte Mason. Wiederum hielten Hurley und Irwin eine Flüsterkonferenz ab. Diesmal schienen sie irgendeine Meinungsverschiedenheit zu haben. Richter Telford sah auf die Uhr. »Rufen Sie Ihren nächsten Zeugen!« befahl er ungehalten. »Nur noch einen Augenblick, Euer Gnaden«, bat Hurley. »Wir beraten gerade, wen wir als nächsten aufrufen sollen. Ob wir...« Er beugte sich wieder zu Irwin und redete auf ihn ein. Abrupt richtete er sich auf. »Euer Gnaden«, verkündete er, »es ist wahrscheinlich nicht erforderlich, und es kann sein, daß -1 0 6 -
wir die Zeit des Gerichts durch ein Übermaß an Beweisen beanspruchen, aber ich halte es dennoch für die Pflicht der Anklage, Ramon Castella bereits jetzt aufzurufen. Mein Kollege ist nach eingehender Beratung derselben Meinung.« »Ramon Castella bitte!« Mason betrachtete den Zeugen, als er nach vorn ging. Castella war ein Mann Anfang 30, gut gebaut, kompakt, durchtrainiert. Er hatte eine Hakennase, hervorstehende Backenknochen, einen schönen Mund und dichtes, welliges Haar, mit dem er sich offensichtlich die größte Mühe gegeben hatte. Castella war, was man schlechthin einen gut aussehenden Mann nannte. Irgend etwas an ihm jedoch dämpfte den ersten guten Eindruck seines Äußeren. Er ging selbstbewußt und von sich überzeugt, beinahe zu forsch. Seinen Kopf zur Seite geneigt, hatte man unwillkürlich den Eindruck, als habe er die bestmögliche Pose stundenlang vor dem Spiegel ausprobiert. Er gab dem Gerichtsstenographen seinen Namen, sein Alter und die Anschrift bekannt. Dann wandte er sich erwartungsvoll Hurley zu. »Sie kannten Dr. Summerfield Malden zu Lebzeiten, nicht wahr?« »Jawohl, Sir.« »Waren Sie bei ihm angestellt?« »Ja.« »Als was?« »Nun, ich war für viele Dinge zuständig. Mir oblag die Überwachung seines Flugzeuges. Ich war Chauffeur, Mechaniker, alles in einem.« »Dr. Malden besaß also ein Privatflugzeug?« »Ja.« »An dem Sie mit der Wartung betraut waren?« »Ja.« »Welche Pflichten hatten Sie, wenn Dr. Malden seine Maschine benutzte?« Castella blickte Hurley fragend an. -1 0 7 -
»Ich möchte wissen, was in solchen Fällen gewöhnlich vor sich ging«, ergänzte Hurley. »Wenn Dr. Malden die Maschine nahm, war es meine Aufgabe, ihn im Wagen zum Flugplatz zu bringen, zu warten, bis er aufgestiegen war, und dann den Wagen in die Garage zurückzubringen. Danach mußte ich im Hause bleiben und auf telefonische Instruktionen von ihm warten. Wenn Dr. Malden überblicken konnte, wann er zurückkommen würde, rief er mich an, und ich holte ihn wieder vom Flughafen ab. Gewöhnlich fuhr Dr. Malden dann selbst in die Stadt, während ich mich um das Flugzeug kümmerte. Ich mußte den Motor auf seine Funktionen hin überprüfen, dafür sorgen, daß die Maschine vollgetankt wurde und startklar war. Meistens fuhr ich dann mit einem Bus in die Stadt, oder ich benutzte den Pendelverkehr zwischen Flughafen und Stadt.« »Ich beziehe mich jetzt auf den Neunten diesen Monats, den Tag, an dem Dr. Malden verunglückte. Könnten Sie uns bitte berichten, was an diesem Tage geschah?« »Was mich betrifft, eigentlich gar nichts.« »Was soll das heißen?« »Aus irgendeinem Grund sollte ich Dr. Malden diesmal nicht zum Flugplatz fahren.« »Ich frage Sie jetzt, ob Sie etwas über Dr. Maldens Gewohnheit als Pilot wissen, Methoden, die er beispielsweise benutzte, um wach zu bleiben?« »Jawohl, Sir.« »Was war das?« »Dr. Malden besaß eine silberne Whiskyflasche, in die ungefähr ein halber Liter hineinging. Diese hatte er auf seinen Flügen stets bei sich.« »Einen Augenblick bitte. Ich zeige Ihnen hier eine Flasche, die wir als Beweisstück Nummer eins gekennzeichnet haben. Haben Sie diese Flasche schon einmal gesehen?«
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»Jawohl, es ist dieselbe, die Dr. Malden immer bei sich hatte«, antwortete der Zeuge, nachdem er die Flasche aufmerksam in der Hand herumgedreht und betrachtet hatte.« »Euer Gnaden«, sagte Hurley, »die Anklage beantragt, daß diese Flasche nunmehr als Beweisstück Nummer eins aufgenommen wird. Und nachdem die Flasche nun einwandfrei und ordnungsgemäß identifiziert wurde, beantragen wir darüber hinaus, auch die Fotos, die bisher nur nummernmäßig protokolliert sind, als Beweisstücke der Anklage aufzunehmen.« »Einen Augenblick bitte«, sagte Mason. »Ich möchte den Zeugen gern bezüglich dieser Frage ins Kreuzverhör nehmen, bevor das Gericht über den Antrag der Anklage entscheidet.« »Bitte sehr«, sagte Richter Telford. Mason erhob sich von seinem Platz und wandte sich an Castella. Sowohl Hurley als auch Irwin, die beide wußten, daß Masons augenblicklicher Wunsch nach einem Kreuzverhör nicht das geringste mit der Identifizierung der Whiskyflasche zu tun hatte, sondern nur ein Versuch war, um festzustellen, wie Castella im Kreuzverhör reagierte, beobachteten gespannt, was nun kommen würde. Der Zeuge drehte sich in seinem Stuhl um und blickte Mason herausfordernd an. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde hielt er Masons stahlhartem Blick stand. Sofort sah er zu Boden. »Ich habe bemerkt«, begann Mason ungezwungen, »daß Sie die Flasche eine Zeitlang in der Hand hielten, sie umdrehten und dann erst als die von Dr. Malden identifizierten.« »Natürlich«, antwortete Castella aufsässig. »Es ist mein Recht, sie genau zu untersuchen, bevor ich aussage.« »Richtig«, meinte Mason. »Ich nehme also an, daß Sie eine Markierung suchten?« »Ich wollte sicher sein.« »Haben Sie nach einem bestimmten Kennzeichen gesucht?« -1 0 9 -
»Ich wollte ganz sicher sein«, wiederholte der Zeuge. »Das habe ich nicht gefragt«, tadelte Mason. »Nun.., nicht unbedingt.« »Was dann?« »Etwas, was mich in die Lage versetzt, die Flasche zu identifizieren.« »Und das haben Sie gefunden?« fragte Mason interessiert. »Gewiß.« »Vielen Dank, Euer Gnaden«, sagte Mason. »Die Flasche kann meinetwegen als Beweisstück aufgenommen werden.« Damit ging er zu seinem Platz zurück, und Hurley stand seinem reichlich verlegenen Zeugen gegenüber. »Also Mr. Castella, ich möchte, daß Sie jetzt mit einigen Worten schildern, was am Tage vor Dr. Maldens Tod, also am Achten, passierte.« »Ich hatte eine Besprechung mit Mrs. Malden.« »Damit meinen Sie Steffanie Malden, die Witwe Ihres früheren Chefs und Beschuldigte in dieser Verhandlung, nicht wahr?« »Jawohl, Sir.« »Wo fand diese Besprechung statt?« »In meinem Zimmer in den Erin Apartments«, antwortete Castella. »Sie wollen damit sagen, daß Mrs. Malden Sie besuchte?« »Jawohl, Sir.« »Um welche Zeit?« »Ungefähr gegen 18 Uhr.« »Besprachen Sie etwas mit ihr, was mit dieser Flasche oder deren Inhalt zu tun hat?« »Jawohl, Sir.« »Würden Sie bitte dem Gericht genau schildern, was die Beschuldigte zu Ihnen sagte?« -1 1 0 -
»Einen Moment!« bat Mason. »Euer Gnaden, ich möchte gegen die ganze Art und Weise dieser Aussage Einspruch erheben. Aber wenn es dem Gericht recht ist, und selbstverständlich auch der Gegenpartei, möchte ich mit diesem Einspruch so lange warten, bis alle Antworten vorliegen.« »Ist die Anklage einverstanden?« erkundigte sich Richter Telford. »Aber selbstverständlich«, antwortete Hurley betont höflich, »wenn die Verteidigung die vollständige Aussage gehört hat, dürfte ihr sowieso die Lust an einem Einspruch vergehen.« »Die Anklage wird angewiesen, persönliche Angriffe zu vermeiden«, schnauzte Richter Telford. Dann wandte er sich an Perry Mason: »In Ordnung, Mr. Mason. Ihr Einspruch wird also zurückgestellt, bis das Gericht und die Verteidigung die vollständige Aussage des Zeugen bezüglich dieser Besprechung gehört haben.« »Los!« forderte Hurley Castella auf. »Berichten Sie, was gesprochen wurde!« »Mrs. Malden erzählte mir, daß ihr Mann einen alten Freund, den er jahrelang nicht gesehen hatte, mit nach Hause bringen wolle. Sie sagte, daß dieser Freund eine gelähmte Tante habe, die in einem Sanatorium lebt. Dr. Malden sollte sie untersuchen.« »Nannte sie Ihnen den Namen dieses Freundes?« »Ja, Sir. Darwin Kirby. Er hatte Dr. Malden während seiner Militärzeit kennengelernt, und seitdem waren die beiden Männer befreundet.« »Weiter! Was sprach Mrs. Malden noch?« »Sie sagte, daß sie natürlich die Gastgeberin spielen müsse und an dem Abend nicht bei mir bleiben könnte.« »Hatten Sie denn eine Verabredung für den Abend mit ihr?« »Jawohl, Sir.«
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»Und gegen sechs kam sie dann in Ihre Wohnung, um Ihnen mitzuteilen, daß sie unter den gegebenen Umständen ihre Verabredung nicht einhalten könnte?« »Jawohl, Sir.« »Gut. Und was geschah weiter?« »Sie gab mir diese Whiskyflasche.« »Was sagte sie dabei?« »Daß es Dr. Maldens Flasche wäre, und ich sollte sie ins Flugzeug legen. Er würde am nächsten Tag nach Salt Lake City fliegen, und sie habe die Flasche aufgefüllt.« »Sie betonte also, daß sie es getan hätte?« »Ja, Sir.« »Ich glaube, Sie sagten vorhin, daß Dr. Malden es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, immer eine Flasche mit Whisky im Flugzeug zu haben?« »Ja, Sir.« »Sind Sie schon mal mit Dr. Malden zusammen geflogen?« »Ja.« »Als Passagier?« »Ja, manchmal. Manchmal aber auch als Pilot, wenn Dr. Malden müde war.« »Haben Sie einen Pilotenschein?« »Jawohl, Sir«, antwortete Castella stolz. »Wissen Sie, aus welchem Grunde Dr. Malden Whisky bei sich hatte?« »Er sagte mir, daß...« »Nein, ich will nicht hören, was er sagte. Berichten Sie, was Sie aus eigenem Wissen über seine Angewohnheit sagen können.« »Nun, er nahm den Whisky gelegentlich, um sich aufzumöbeln, damit er wach blieb.« »Wach blieb?« -1 1 2 -
»Ja. Er nahm Koffein-Tabletten und spülte sie mit Whisky hinunter. Er schwor auf diese Kombination.« »Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen«, meinte Hurley, »möchte ich noch einmal zusammenfassen: ich entnehme Ihrer Aussage also, daß Steffanie Malden, die Beschuldigte in dieser Verhandlung, am Achten dieses Monats gegen sechs Uhr abends zu Ihnen kam, Ihnen die Flasche gab und behauptete, sie habe sie mit Whisky aufgefüllt?« »Ja, so war es.« »Und es war dieselbe Flasche, die nunmehr als Anklagebeweisstück Nummer eins vorliegt?« »Jawohl, Sir.« »Was taten Sie mit der Flasche?« »Ich trug sie hinunter in die Garage zu Dr. Maldens Auto und verstaute sie in dem Kissen, in dem Dr. Malden immer seinen Whisky aufbewahrte.« »Und das Kissen, von dem Sie sprechen, ist dasselbe mit dem Reißverschluß, in dem die Silberflasche gefunden wurde?« »Ja, Sir.« »Gut. Und was geschah danach?« »Nun, ich wartete, daß mich Dr. Malden anrufen würde. Ich war der Meinung, ich müßte ihn zum Flugplatz bringen. Aber er tat es weder am gleichen Abend noch am nächsten Morgen. Ich glaubte, er sei vielleicht durch einen dringenden Fall aufgehalten worden und...« »Ihre Gedanken interessieren hier nicht«, herrschte ihn Hurley an. »Sie sollen nur das aussagen, was tatsächlich geschah.« »Ich wartete in meinem Zimmer.« »Aber Sie hörten nichts von Ihrem Chef?« »Nein.« »Sie fuhren also Dr. Malden am Tage des Absturzes nicht zum Flugplatz?« -1 1 3 -
»Nein, Sir.« »Sahen Sie die Whiskyflasche, nachdem Sie sie ins Auto gelegt hatten und bevor sie bei dem Flugzeugwrack gefunden wurde, noch einmal?« »Nein, Sir.« »Sprachen Sie an diesem Abend mit Mrs. Malden noch über andere Dinge?« »Jawohl.« »Was sagte sie?« »Sie sagte, sie habe das Gefühl, als ob ihr Mann nicht mehr lange lebe, und fragte mich, ob ich Sie heiraten würde, wenn Dr. Malden etwas zustoße.« Mason hörte hinter sich einen erstickten Aufschrei. »Dieser infame Lügner!« zischte Mrs. Malden. Sie wollte aufspringen, aber Mason legte ihr die Hand auf den Arm. »Bleiben Sie ja sitzen«, befahl er. Die Zeitungsreporter hatten die kleine Szene beobachtet. Hurley wandte sich wieder an seinen Kronzeugen: »Ich frage Sie im Augenblick nicht nach irgendwelchen anderen Gesprächen mit Mrs. Malden und auch nicht über Ihre Beziehungen zueinander. Ich will nur das bestimmte Gespräch, das am Abend des Achten stattfand, hören. Haben Sie mich verstanden?« »Ja, Sir.« »Und in diesem sagte sie, daß ihr Mann nicht mehr lange leben und ob Sie sie heiraten würden, sowie sie Witwe ist, oder Worte in diesem Sinn?« »Ja, Sir.« »Kreuzverhör!« rief Hurley zu Mason hinüber. Mason stand auf. »Euer Gnaden, ich möchte jetzt den Einspruch erheben, den ich bereits vorher in Aussicht gestellt habe, bevor diese Aussage begann.« »Bitte sehr«, antwortete Richter Telford. -1 1 4 -
»Der Zweck dieser Aussage«, begann Mason mit seiner Einspruchsbegründung, »ist offensichtlich der, aufzuzeigen, daß die Beschuldigte dieses Verfahrens zu gewissen Rauschgiften Zugang hatte, die Dr. Malden in seiner Eigenschaft als Arzt benötigte. Darüber hinaus soll gezeigt werden, daß sie von der Tatsache Kenntnis hatte, daß ihr Mann eine Flasche mit Whisky auf sämtlichen Flügen bei sich hatte und dann und wann einen Schluck aus dieser Flasche nahm. Offensichtlich will man meiner Mandantin zur Last legen, daß sie von den Rauschgiften ihres Mannes eine Dosis in diese Flasche tat, und daß Dr. Malden als Resultat dieser Handlungsweise auf seinem Flug einschlief und abstürzte.« Richter Telford warf einen fragenden Blick auf Hurley. »Ich nehme an, daß die Ausführungen des Verteidigers bis hierher stimmen?« »Jawohl, Euer Gnaden«, antwortete Hurley. »Ich möchte dazu ergänzend sagen, daß wir bisher lediglich das Vorhandensein von Morphiumsulphat in dem Whisky bewiesen haben. Bis jetzt wurde uns jedoch noch keine Mengenanalyse vorgelegt, aus der hervorgeht, wieviel von diesem Rauschgift beigemischt wurde. Ich werde jedoch unter Beweis stellen, daß der Alkohol mit einer solchen Menge Morphium versetzt war, daß schon ein kleiner Schluck genügt hätte, Schläfrigkeit und darauffolgende Bewußtlosigkeit hervorzurufen. Ich denke doch, daß das Gericht alle diese Dinge in Betracht ziehen sollte, wenn über den Einspruch der Gegenseite entschieden wird. Ich habe nämlich Zeugen zur Hand, die über die Rauschgiftmenge auszusagen bereit sind und die ich, dem ordnungsgemäßen Ablauf dieser Verhandlung zufolge, als nächstes aufzurufen gedenke.« »Ich stimme mit dem Ankläger vollkommen überein«, sagte Mason und deutete eine leichte Verbeugung vor dem Richter an. »Mein Einspruch auf jeden Beweis, der dazu dient, die Beschuldigte mit irgendeinem Verbrechen in Verbindung zu bringen, besteht so lange, bis nicht einwandfrei bewiesen ist, -1 1 5 -
daß überhaupt ein Verbrechen verübt wurde. Ich stützte mich dabei auf ein uns allen bekanntes Gesetz, wonach die Anklage zunächst einmal ein Corpus delicti unter Beweis zu stellen hat, bevor irgend jemand eines Verbrechens bezichtigt werden kann.« Mason lächelte freundlich und setzte sich wieder. Richter Telford wandte sich an den Ankläger. »Wollen Sie etwas dazu sagen, meine Herren«, fragte er, und sein Gesicht war eine Maske richterlicher Unparteiigkeit, seine Stimme verriet nichts von dem, was er dachte. »Es bleibt mir nichts übrig, als dieses Gesetz anzuerkennen«, brachte Hurley ärgerlich hervor. »Trotzdem kann ich nicht verstehen, worauf Mr. Mason eigentlich hinauswill. Es gibt eine Leiche, einen Mann, der ganz offensichtlich durch vergifteten Whisky getötet wurde, dazu eine Reihe von Indizien, welche die Beschuldigte aufs schwerste belasten. Ich gebe zu, daß ich im Augenblick noch nicht alle meine Karten aufdecken kann, sondern mir gewisse Trümpfe für den Schwurgerichtsprozeß aufhebe. Meine momentane Beweisführung beschränkt sich auf das Motiv und eine Schilderung der Vergangenheit. Wir haben gezögert, bevor wir Ramon Castella als Zeugen aufriefen, weil wir wußten, daß die Verteidigung daraus nur Nutzen ziehen würde. Trotzdem werden wir bekanntgeben, daß der Zeuge im Kreuzverhör aussagen kann und zweifellos auch aussagen wird, daß zwischen ihm und der Beschuldigten in dieser Verhandlung intime Beziehungen bestanden. Er wußte, daß die Beschuldigte für den Rauschgiftschrank einen Nachschlüssel besorgt hatte, und daß seit einiger Zeit Rauschgiftmengen aus diesem Schrank verschwanden. Der Zeuge ist in der Lage, weiterhin auszusagen, daß diese Narkotika von der Beschuldigten entnommen wurden, weil sie in Castella verliebt war. Wir können es genauso gut gleich jetzt zugeben, daß Castella diese Rauschgifte an einen Händlerring weitergab. -1 1 6 -
Ich hätte diese Dinge nie in einer Voruntersuchung zur Sprache gebracht, aber ich bin überzeugt, daß sie beim Kreuzverhör ohnehin ans Tageslicht kommen.« Richter Telford sah über seine Brillengläser hinweg auf Mason. »Wenn ich den Zeugen bezüglich seiner Aussage ins Kreuzverhör nähme«, meinte Mason und lächelte freundlich nach allen Seiten, »hätte ich keine Möglichkeit mehr für einen Einspruch. Daher erhebe ich ihn jetzt. Ich glaube jedoch, daß die Anklage den Zweck meines Einspruchs völlig mißverstanden hat. Ich behaupte, daß es kein Corpus delicti gibt, weil kein Beweis darüber erbracht wurde, daß die Leiche aus dem Flugzeug auch tatsächlich die von Dr. Summerfield Malden ist. Ich persönlich neige zu der Annahme, daß Dr. Malden in der letzten Minute seinem Freund Darwin Kirby vorschlug, die Maschine nach Salt Lake City zu fliegen, während er beabsichtigte, das Wochenende mit seiner Freundin zu verbringen.« »Du meine Güte!« rief Hurley. »Dafür haben Sie doch nicht den geringsten Beweis. Und die polizeilich durchgeführten Untersuchungen?« »Sind eben nicht ausreichend gewesen«, ergänzte Mason fröhlich. »Ich habe Grund zu der Annahme, daß Dr. Summerfield Malden zur Stunde noch am Leben ist, und daß die Leiche, die in dem Flugzeugwrack gefunden wurde, die von Darwin Kirby ist. Ich habe darüber hinaus Grund, anzunehmen, daß Dr. Malden aus einem Motiv heraus, das nur er selber kennt, beschloß zu verschwinden, und daß er absichtlich untertauchte, als er von dem Absturz seines Freundes hörte.« »Aber es gibt nicht den geringsten Beweis dafür. Sie haben nichts, aber auch gar nichts, womit Sie diese Theorie untermauern könnten«, protestierte Hurley. »Das brauche ich auch gar nicht«, erklärte Mason ihm lächelnd. »Das besorgt nämlich das Gesetz für mich. Das Gesetz macht Ihnen zur Auflage, ein Corpus delicti zu -1 1 7 -
beweisen, bevor Sie Indizien vorlegen dürfen, die einen Angeklagten mit einem Verbrechen in Verbindung bringen.« »Das ist doch reine Spiegelfechterei!« schimpfte Hurley. »Nein, das ist es nicht«, widersprach Mason. »Im Gegenteil, es ist eine sehr weise und gut durchdachte Grundform des Gesetzes. Es ist sozusagen ein Schutz für unschuldige Menschen. Die Ankläger stützen sich immer auf die Annahme, daß ein Beklagter schuldig ist und daß alle Schutzmaßnahmen, die ihm das Gesetz gewährt, juristische Spitzfindigkeiten wären.« Richter Telford blickte von den beiden Anklagevertretern zurück auf Perry Mason. »Haben Sie für Ihre Mutmaßungen irgendeinen Beweis, Mr. Mason? Irgend etwas, was darauf hindeutet, daß es nicht nur reine Annahmen Ihrerseits sind?« »Ich habe schwerwiegende Indizien«, antwortete Mason. »Zum augenblicklichen Zeitpunkt bin ich zwar nicht in der Lage, sie aufzuzeigen, aber ich habe guten Grund zu der Annahme, daß Dr. Malden sich im Augenblick in Gesellschaft einer jungen Dame befindet, der er sehr zugetan ist.« Wieder richtete sich Richter Telfords Blick auf die beiden Vertreter der Anklage. »Welche Beweise haben Sie für die Behauptung, daß die gefundene Leiche die Dr. Maldens ist«, fragte er. Hurley war aufgesprungen. »Euer Gnaden, dieser Einwand kommt völlig überraschend auf uns zu.« »Kann ich verstehen«, erwiderte der Richter. »Aber ich habe Sie etwas gefragt. Welche Beweise haben Sie, daß die in dem Flugzeugwrack gefundene Leiche tatsächlich Dr. Summerfield Malden ist?« »Ich kann nur folgendes sagen, Euer Gnaden: Dr. Malden ging in den Hangar. Er reichte einen Flugplan für seine Maschine ein. In dem zerstörten Flugzeug wurde eine Leiche gefunden. Auf Grund dieser Tatsache folgerten wir, daß es sich bei dem Toten um Dr. Malden handelt.«
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»Das hört sich sehr logisch an«, gab Mason zu, »bis auf einen Punkt. Es gibt nämlich keinen Beweis dafür, daß es wirklich Malden war, der mit der Maschine startete.« »Aber er hat doch selbst den Flugplan eingereicht«, ereiferte sich Hurley. »Das sagt gar nichts. Sie müssen beweisen, daß er die Maschine wirklich flog. Wer sah den Abflug? Wer brachte Malden zum Flugplatz?« »Ich nehme an, daß es sein Freund Kirby war.« »Dann laden Sie Kirby doch als Zeugen vor«, schlug Mason vor. »Glauben Sie, daran hätte ich nicht auch schon gedacht!« fuhr Hurley auf. »Er ist spurlos verschwunden.« »Er ist tot«, sagte Mason seelenruhig und setzte sich wieder auf seinen Platz. »Ich möchte feststellen, Euer Gnaden«, rief Hurley, »daß es an der Verteidigung ist, das zu beweisen.« »Damit hätten Sie recht«, erwiderte Mason, »wenn wir diesen Punkt zur Verhandlung stellen wollten. Aber das müssen wir ja gar nicht. Nein, Ihre Sache ist und bleibt es, Beweise vorzulegen, daß Dr. Malden tot ist.« »Welche Schritte haben Sie unternommen«, wollte der Richter Telford von den beiden Vertretern der Anklage wissen, »um die Identität der Leiche aus dem Flugzeug festzustellen?« »Die Leiche war bis zur Unkenntlichkeit verkohlt«, antwortete Hurley leise. »Haben Sie etwas unternommen, die Identität der Leiche aus dem Flugzeugwrack festzustellen?« wiederholte der Richter. »Wir haben das Flugzeug einwandfrei identifizieren lassen, den Flugplan sichergestellt und uns im übrigen auf Indizien gestützt.« »Haben Sie Schritte unternommen, um sich zu vergewissern, wer an diesem Morgen Dr. Maldens Wagen aus der Garage holte?« wollte Richter Telford wissen. -1 1 9 -
»Jawohl, das haben wir.« »Und wer hat Malden zum Flugplatz gefahren«, bohrte der Richter weiter. Hurley zögerte. »Nun?« forschte der Richter, und ein plötzliches Mißtrauen verlieh seiner Stimme einen schärferen Klang. »Dr. Malden wurde von seinem Gast, Darwin Kirby, begleitet. Unseren Recherchen nach fuhren die beiden Herren direkt zum Flugplatz.« »Dann muß doch der Wagen dort stehen«, folgerte Richter Telford. Hurley schien es höchst unbehaglich zumute zu sein. »Ist es nicht so?« fragte der Richter. »Es könnte sein, Euer Gnaden.« »Ich nehme doch wohl mit Recht an, daß Sie den Wagen sichergestellt haben«, sagte Richter Telford. »Ich schlage vor, daß Sie Beweise dafür vorlegen, bevor das Gericht über den Antrag der Verteidigung entscheidet.« »Es tut mir leid, das kann ich nicht«, sagte Hurley. Richter Telford zeigte Überraschung und neu erwachtes Interesse. »Wer hat Dr. Maldens Wagen vom Flugplatz abgeholt?« »Das wissen wir nicht, Euer Gnaden.« »Wo ist der Wagen jetzt?« »Bitte, Euer Gnaden«, meinte Hurley, »ich habe das Gefühl, als ob wir uns hier im Moment über einen Einspruch unterhalten, der doch...« »Wissen Sie, wo sich Dr. Maldens Wagen zum augenblicklichen Zeitpunkt befindet?« unterbrach ihn Richter Telford. »Wir konnten ihn bis zur Stunde noch nicht sicherstellen«, gab Hurley kleinlaut zu. »Aber wir erachten diese Tatsache auch nicht für besonders bedeutsam.« -1 2 0 -
»Haben Sie Anstrengungen unternommen, um Darwin Kirby zu finden?« »Wir möchten ihn sehr gern verhören.« »Haben Sie versucht, ihn zu erreichen?« »Ja, Euer Gnaden, aber wir bitten das Gericht zu bedenken, daß es sich bei Darwin Kirby um einen sehr exzentrischen Mann handelt. Nicht einmal sein engster Freund, Dr. Malden, wußte, wo er sich jeweils aufhielt.« »Euer Gnaden«, wandte Mason ein, »Darwin Kirby wollte doch, wie wir hörten, nach Chikago. Man sollte doch annehmen, daß es möglich ist, an Hand der Passagierlisten bei der Fluggesellschaft festzustellen, ob er tatsächlich abflog.« Hurley schwieg verärgert. »Nun?« forschte Richter Telford und blickte Hurley an. »Er hat zwar einen Flug gebucht, ist aber zum Abflug nicht rechtzeitig erschienen«, antwortete Hurley. »Ich glaube, Euer Gnaden«, meinte Mason, »jetzt haben wir ein vollkommenes Bild. Zwei Männer fuhren in Maldens Wagen zum Flugplatz. Darwin Kirby wollte eine Verkehrsmaschine nach Osten benutzen, Dr. Malden in seinem Privatflugzeug nach Salt Lake City fliegen. Wenn er das getan hätte, müßte sein Wagen logischerweise noch am Flugplatz stehen.« »Alles, was Mr. Masons Einwand beweisen könnte«, beschwerte sich Hurley, »wäre höchstens die Tatsache, daß Darwin Kirby Dr. Maldens Auto gestohlen hat.« Richter Telford schüttelte den Kopf. »Das Gericht ist der Meinung, daß nach Lage der Dinge eine Identifizierung der Leiche vorgenommen werden muß. Was ist mit dem Gebiß? Hat man sich die Mühe gemacht, die Zähne untersuchen zu lassen?« »Die Mühe haben wir uns gemacht, Euer Gnaden«, antwortete Hurley. »Aber sie war vergeblich.« Richter Telfords Stimme klang gereizt. »Was soll das heißen?« -1 2 1 -
»Es scheint, daß... nun ja, der Zahnarzt ist nicht hundertprozentig sicher.« »Weshalb nicht?« »Nun ja, Dr. Malden war ein vielbeschäftigter Mann und ging nicht regelmäßig zum Zahnarzt. Es besteht die Möglichkeit, daß er sich zwischendurch auch woanders behandeln ließ. Wir untersuchen diese Möglichkeit zur Zeit noch.« »Wollen Sie damit sagen, daß der hiesige Zahnarzt das ihm überlassene Gebiß der Leiche nicht identifizieren konnte?« »Nun ja, das ist ziemlich scharf ausgedrückt.« »Wie soll man es sonst auffassen«, fragte Richter Telford. »Ist es so oder nicht?« »Nun... also Euer Gnaden, ich bin überzeugt, daß es sich bei der gefundenen Leiche um Dr. Malden handelt. Ich denke, daß es doch nichts weiter als logisch ist, wenn man...« »Würden Sie bitte meine Frage beantworten!« donnerte der Richter. »Jawohl, Euer Gnaden«, antwortete Hurley zerknirscht. »Nein, der Zahnarzt kann es nicht.« »Unter diesen Umständen wird dem Einspruch der Verteidigung stattgegeben«, entschied der Richter. »Dann lassen wir die Anklage gegen die Beschuldigte Steffanie Malden im Moment fallen«, meinte Hurley. »Wir werden jedoch beim Schwurgericht einen Anklagebeschluß gegen sie erwirken oder erneut Klage gegen sie einreichen. Eine Niederlegung der Anklage in diesem Stadium der Voruntersuchung stellt uns für eine spätere Anklage nichts in den Weg.« »In jedem Fall würde ich Ihnen vorschlagen, sich besser vorzubereiten«, schimpfte der Richter. »Offenbar hat Mr. Mason Beweise dafür, daß Dr. Malden zum Zeitpunkt des Absturzes nicht in seinem Flugzeug saß.« »Die Beweise möchte ich sehen!« rief Hurley. »Zufällig ist aber die Verteidigung nicht verpflichtet, der Anklage ihre Beweise vorzulegen«, meinte der Richter. »Und -1 2 2 -
darüber hinaus kann das Gericht nicht umhin, festzustellen, daß die ganze Voruntersuchung verfrüht beantragt wurde, um es einmal gelinde auszudrücken.« »Wir waren ja gezwungen, etwas zu unternehmen«, jammerte Hurley. »Mr. Mason hat uns mit einem Habeas corpus gedroht.« »Und damit drohe ich Ihnen gleich noch einmal«, fügte Mason hinzu. »Wenn Sie die Anklage fallenlassen, legen Sie einen Freilassungsbefehl vor.« »Das müssen wir nicht!« »Entweder Sie lassen die Beschuldigte frei, oder Sie klagen Sie an.« »Dann klagen wir sie an«, versetzte Hurley schnippisch. Richter Telford blickte Hurley durchdringend an. »Was wollen Sie nun eigentlich?« »Wir lassen die Anklage fallen«, erklärte Hurley. »In Ordnung. Auf Wunsch der Staatsanwaltschaft wird die Anklage gegen Steffanie Malden wegen Mordes fallengelassen. Die Beschuldigte ist sofort aus der Haft zu entlassen«, entschied er. Ein Raunen ging durch den Gerichtssaal.
11 Perry Mason half Mrs. Malden beim Aufstehen und bahnte sich mit ihr einen Weg durch die Menge, direkt zu Richter Telfords Zimmer. »Dürfen wir Sie einen Augenblick sprechen?« fragte Mason den Richter. Der Richter nickte. Mason und Mrs. Malden folgten ihm in sein Zimmer. »Euer Gnaden«, begann Mason, »wenn Sie Fakten der Geschichte wissen wollen, bin ich gern bereit, Ihnen die Beweise, auf denen ich meine Annahme gestützt habe, mitzuteilen.«
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Richter Telford schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht voreingenommen werden, Mr. Mason. Ich habe Ihre Erklärungen im Gerichtssaal für bare Münze genommen; meine Entscheidung habe ich jedoch nicht auf diese Versicherung hin gestützt. Ich war nur, genau wie Sie, der Meinung, daß Ihr Einspruch zu Recht bestand. Ich glaube, es besteht kein Grund, daß Sie mir weitere Erklärungen abgeben.« »Jawohl, Euer Gnaden«, sagte Mason. »Verbindlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.« Mason nahm Mrs. Malden beim Arm und dirigierte sie zu einer Tür hinaus, die vom Richterzimmer direkt in den Korridor ging. »Mr. Mason«, sprudelte sie hervor, »das war alles gelogen. Ich hatte nie etwas mit diesem Castella zu tun. Er ist ein infamer Lügner, ein Meineidiger, der...« »Beruhigen Sie sich«, unterbrach Mason sie. »Hören Sie mir genau zu!« befahl er und schob sie weiter vor sich her. »Sie werden jetzt in die Damentoilette im zweiten Stock gehen. Dort wartet Della Street auf Sie. Sie wird Ihnen einen Koffer geben, in dem Sie alles finden, was Sie brauchen. Dann benutzen Sie die Treppe hinunter zum Parterre. Nehmen Sie sich einen Wagen zum Hauptbahnhof, und steigen Sie dort in einen anderen um. Mit diesem fahren Sie zum Biltmore Hotel. Dort wechseln Sie wieder das Taxi, lassen sich zu den DixiewoodApartments bringen und gehen in die Wohnung. Hier ist der Schlüssel. Verlassen Sie die Wohnung auf gar keinen Fall. Lebensmittel oder was Sie sonst brauchen können Sie telefonisch als Mrs. Amboy bestellen. Und hier sind 150 Dollar für die notwendigsten Ausgaben.« »Aber Mr. Mason, ich verstehe nicht. Ich weiß nicht...« »Wir haben keine Zeit für Erklärungen«, unterbrach Mason sie. »Aber wirklich, Mr. Mason, Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, daß mein Mann noch lebt.« »Ich habe jetzt keine Zeit für Diskussionen«, sagte Mason. »Nehmen Sie dieses Kuvert, und lesen Sie die Instruktionen -1 2 4 -
sorgfältig durch. Dann zerreißen Sie den Zettel und das Kuvert in kleine Stücke und spülen es in der Toilette hinunter. So, da wären wir. Schnell!« Mason blieb wartend an der Treppe stehen. Ein paar Minuten später kam Della Street mit einem Koffer aus der Toilette. Sie trug Kleidung, die im Schnitt, im Material und in der Farbe beinahe identisch mit der von Mrs. Malden war. »In Ordnung?« fragte sie. »Bei mir ja, und bei Ihnen?« »Sie ist etwas verwirrt, aber gehorsam«, berichtete Della. »Fein«, meinte Mason. »Los, gehen wir!« Della und Mason eilten die Treppe zum Parterre hinunter und gingen zur Ausgangstür des Gebäudes, am Informationsschalter vorbei und hinaus auf die Straße. Der von Drake gemietete Wagen stand direkt gegenüber. Zielbewußt steuerte Mason auf ihn zu, öffnete Della die Tür und setzte sich selber hinters Steuer, nachdem Drake hinübergerutscht und ausgestiegen war. Della trug jetzt einen breitrandigen Hut, den sie tief ins Gesicht zog. Bevor Mason starten konnte, kam ein Zeitungsreporter angerannt. »He, Mr. Mason, wir wollen ein...« »Später«, rief Mason und brauste los. Als der Wagen fünf Minuten später in dem dichten Verkehrsgewühl untergetaucht war, nahm Della den großen Hut ab, legte ihn auf den Hintersitz und sagte zu Mason: »Jetzt können Sie anfangen, mir die ganze Geschichte zu erklären.« »Ist alles im Kofferraum?« fragte Mason statt einer Antwort. Sie nickte. »Alles, was Sie für eine längere Reise benötigen?« Wieder nickte sie. »Sie verrichten in meinem Auftrag eine Untersuchungsarbeit, Della«, begann Mason. »Wir suchen Gladys Foss. Zuletzt war -1 2 5 -
sie in Salt Lake City, aber ich glaube nicht, daß sie noch dort ist.« »Warum?« »Ich denke, daß sie entweder in Sacramento oder in Stockton ist.« »Wie kommen Sie darauf?« »Gladys Foss war in den Dixiewoods-Apartments«, erklärte Mason. »Dort holte sie sich ihre Sachen. Sie war müde, denn sie war eine lange Strecke gefahren. Gegen Einbruch der Dunkelheit muß sie durch ein Gebiet gekommen sein, wo es viele Moskitos gibt. Wenn sie durch Las Vegas und die Wüste gefahren wäre, dann könnten an ihrer Windschutzscheibe nicht so viele Moskitos kleben.« Della Street nickte. »Das hört sich plausibel an.« »Aus diesem Grunde folgere ci h, daß sie durch das SanJoaquin-Tal fuhr. Und weshalb wollte sie uns das verheimlichen?« Della dachte nach. »Wahrscheinlich, weil sie dort irgendwo einen Unterschlupf hat.« »Nein, nicht im San-Joaquin-Tal. Wahrscheinlich in Sacramento oder Stockton. Ich tippe auf Sacramento.« »Erklären Sie weiter«, bat Della. »Immer, wenn wir etwas über Dr. Malden in Erfahrung bringen wollten, hörten wir, daß er ein bis ins Detail gehender Denker, eine Art menschliche Rechenmaschine ist. Ein Mann mit überdurchschnittlicher Intelligenz, der alles und jedes vorausplante.« »Sie glauben also tatsächlich nicht, daß er tot ist«, fragte Della. »Woher soll ich das wissen? Ich war nur hundertprozentig sicher, daß in der Beweisführung der Anklage ein Fehler war. Von allem Anfang an hatte ich das Gefühl, daß auch der District Attorney ihn erkannt und später dann nur vertuscht hatte.« -1 2 6 -
»Es mußte also so kommen.« »Ich war überzeugt, daß Hurley in die Falle hineinläuft und die Anklage niederlegt, wenn ich ihm aufzeige, daß seine Beweiskette Lücken hat.« »Aber er wollte Steffanie Malden partout nicht aus der Haft entlassen«, meinte Della. »Natürlich nicht. Im Gegenteil, als sie aus Telfords Zimmer kam, wollte er sie wieder verhaften.« »Und dann?« »Nun, dann hätte er den Fall wahrscheinlich gleich vor ein Schwurgericht gebracht, ohne sich mit einer Voruntersuchung aufzuhalten. Das war ja von Anfang an mein Plan. Ich wußte, daß Richter Telford außerhalb einer Verhandlung mit keiner der Parteien sprechen würde. Aber ich brauchte seine Zimmertür zum Korridor.« »Glauben Sie, daß Hurley lange im Gerichtssaal gewartet hat«, fragte Della. »Eine Weile schon«, gab Mason grinsend zurück. »Aber haben Sie dadurch nicht einer Verhafteten zur Flucht verholfen?« Mason lächelte. »Sie war ja nicht mehr in Haft. Die Anklage gegen sie ist fallengelassen worden; Richter Telford hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie aus der Haft zu entlassen sei.« »Was, glauben Sie, wird Hurley als nächstes tun?« Mason lachte. »Wenn mich nicht alles täuscht, wird Hurley derartig wütend sein, daß er gleich noch einen Fehler macht.« »Welchen denn?« »Er wird versuchen, mir die Tatsache, daß ihm Mrs. Malden durch die Binsen ging, als Fluchtbeihilfe in die Schuhe zu schieben.« »Kann er das?« »Nun, entweder er reicht erneut Klage gegen sie ein, oder er versucht, einen formellen Anklagebeschluß vom Schwurgericht -1 2 7 -
zu bekommen. Dann wird er überall ausposaunen, daß Mrs. Malden flüchtig ist und sich mit meiner Hilfe versteckt hält.« »Das wäre ja furchtbar.« »Aber nur, wenn es wahr wäre. Und das ist es ja nicht.« Mason fuhr jetzt langsamer. »Setzen Sie lieber den Hut wieder auf, Della«, bat er. Della Street nahm den breitrandigen Hut vom Rücksitz und stülpte ihn ohne ein Wort wieder auf. »Ich lasse Sie hier heraus«, sagte Mason. »Nehmen Sie Ihren Koffer, und warten Sie auf mich.« »Wie lange?« »Nur ein paar Minuten. Ich parke diesen Wagen, lasse mir einen Zettel geben und verschwinde. Um die Ecke steht mein Auto, das hole ich ab und komme zu Ihnen zurück.« »Der Mietwagen wird doch auf dem Parkplatz gefunden werden«, meinte Della mißtrauisch. »Aber sicher. Spätestens um Mitternacht, wenn der Parkwächter nach Hause geht.« »Ja, aber... dann wird doch jeder glauben, daß Sie mit Mrs. Malden wegfuhren, um sie zu einem Versteck zu bringen.« »Das hoffe ich auch stark.« Della seufzte. »Sie scheinen es wieder einmal ganz besonders darauf anzulegen, Ärger zu bekommen«, meinte sie. Mason lächelte. »Und wie geht's jetzt weiter?« »Sie fahren nach Sacramento«, erklärte ihr Mason. »Mit Ihnen?« Mason schüttelte den Kopf. »Sie werden mit meinem Wagen fahren. Gehen Sie in Sacramento als erstes zur Kraftfahrzeugzulassungsstelle. Unternehmen Sie, was Sie für richtig halten, um sich bei den Leuten einzuschmeicheln, die die Umschreibungen vornehmen.
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Wenn ich mich nicht sehr täusche, werden Sie schnell feststellen, daß Gladys Foss ihren Wagen bei einem Gebrauchtwagenhändler verkauft hat, und zwar irgendwo um Ventura, Santa Barbara oder Bakersfield herum.« Della überlegte einen Moment. »Natürlich. Ja. Das wird sie bestimmt machen. Sie kann diesen Wagen verkaufen, sich einen anderen nehmen und...« »Ich bezweifle, daß es so einfach ist«, unterbrach sie Mason. »Ich glaube nicht, daß sie sich sofort einen neuen Wagen kauft.« »Was denn?« »Sie wird nach einer anderen Transportmöglichkeit suchen. Schließlich arbeitet sie nach einem Plan, und der muß genau eingehalten werden.« Della Street nickte. »Wir können dort, wo sie ihren Wagen verkauft hat, eine Menge erfahren. Sie wird versucht haben, im Hintergrund zu bleiben und nur Bargeld genommen haben. Aber den Kraftfahrzeugbrief mußte sie trotzdem vorlegen. Sobald Sie etwas erfahren haben, Della, geben Sie mir Bescheid. Ich bleibe mit Paul Drake in Verbindung. Rufen Sie bei ihm an, wo Sie wohnen.« Mason ging langsam die Straße hinauf, bis er eine Telefonzelle fand, von welcher aus er bei Paul Drake anrief. »Hallo, Paul? Was gibt’s Neues?« »Neues?« wiederholte der Detektiv. »Menschenskind, Perry, ich habe nur schlechte Nachrichten für dich.« »Was?« »Die Leiche im Flugzeug war nicht die von Darwin Kirby.« »Woher willst du das wissen?« »Meine Leute haben Mrs. Kirby aufgespürt. Sie wohnt in Denver, Colorado.« »Und?«
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»Wir haben den Namen von Kirbys Zahnarzt. Einer meiner Mitarbeiter ging zu ihm. Kirby war zwar das letzte Mal vor sechs Jahren bei ihm, aber trotzdem konnte einwandfrei festgestellt werden, daß der Tote jemand anderes sein muß.« »Verflucht!« knirschte Mason. »Damit wären wir wieder am Anfang angelangt«, fuhr Drake fort. »Jetzt wird ein neuer Prozeß gegen Mrs. Malden angestrengt werden.« Mason überlegte einen Moment, dann fragte er: »Wie ist die Anschrift von Mrs. Kirby in Denver?« »Sie wohnt im Brownstone-Hotel.« »Unter ihrem eigenen Namen?« »Ja.« »Hat sich die Polizei schon mit ihr in Verbindung gesetzt?« »Ich weiß es nicht.« »Was tut sich im Büro des District Attorney?« fragte Mason. »Da ist der Teufel los. Burger rauft sich die Haare, beschuldigt dich der Beihilfe zur Flucht und...« »Laut Gesetz ist Mrs. Malden nicht flüchtig.« »Ich weiß, Perry. Aber Hamilton Burger behauptet, das sei nur ein Trick von dir gewesen.« »War es auch«, bestätigte Mason lächelnd, »aber ein Trick und ein Verbrechen, das ist ein himmelweiter Unterschied, mein Lieber.« »Hör zu, Perry«, warnte Drake, »jetzt hat Hamilton Burger persönlich die Sache in die Hand genommen. Er ist hinter deinem Skalp her. Er hat bereits erneute Anklage gegen Mrs. Malden erhoben.«. Mason grinste. »Er konnte also nicht abwarten, zum Schwurgericht zu rennen, wie?« »Stimmt. Er möchte sie als flüchtig hinstellen. Und wenn du irgend etwas damit zu tun hast, daß sie sich versteckt hält, sitzt du mit drinnen, Perry.« -1 3 0 -
»Meinetwegen«, meinte Mason. »Paß auf, Paul. Della ist unterwegs nach Sacramento. Sie wird bei dir anrufen.« »Wo ist Mrs. Malden, Perry? Ist sie bei dir?« Mason lachte. »Auf Anraten meines Anwalts«, entgegnete er heiter, »verweigere ich hierüber die Aussage, weil sie mich belasten würde.« »Damit hast du verdammt recht«, antwortete Drake.
12 Es war 22.30 Uhr Ortszeit, als Mason in Denver das Brownstone-Hotel betrat. Er ging in eine Telefonzelle und verlangte Mrs. Kirby. Fast augenblicklich antwortete sie, so als habe sie auf einen Anruf gewartet. »Mrs. Kirby«, sagte Mason, »es tut mir leid, Sie noch so spät stören zu müssen. Mein Name ist Perry Mason, und ich hätte Sie gern in einer sehr wichtigen Angelegenheit gesprochen.« »Wie war der Name, bitte?« »Mason.« »Wo sind Sie jetzt, Mr. Mason?« »In der Halle.« »Wollen Sie heraufkommen?« »Gern, wenn es Ihnen recht ist.« »Sicher«, sagte sie und legte auf. Mrs. Kirby stand in der geöffneten Tür und hatte Gelegenheit, sich Mason genau anzusehen, als er den langen Korridor hinunterging. »Guten Abend, Mr. Mason«, sagte sie. »Ich nehme an, daß Ihre Angelegenheit mit meinem Mann zu tun hat?« Mason nickte. »Bitte, kommen Sie doch herein.« Sie bewohnte eine Suite mit einem teuer eingerichteten Wohnraum. -1 3 1 -
Indirektes Licht ließ das Zimmer gemütlich und behaglich erscheinen. Die bequemen Möbel luden direkt ein, sich hinzusetzen und auszuspannen. »Bitte, Mr. Mason, nehmen Sie doch Platz.« Sie schloß die Tür und betrachtete ihren Besucher nochmals eingehend. Mrs. Kirby war eine Frau Anfang Dreißig mit einer schmalen, spitzen Nase. Ihre Augen waren von einem verwaschenen Blaugrün mit schwarzen, stechenden Pupillen. Ihr Mund wirkte, obgleich sie ihn geschminkt hatte, wie ein dünner Strich. »Praktizieren Sie in Denver, Mr. Mason?« erkundigte sie sich. »Ich frage deshalb, weil ich dann annehmen müßte, daß mein Mann sich nicht mehr von Mr. Redfield vertreten läßt, und das würde mich in der Tat sehr überraschen.« Mason schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme aus Kalifornien.« »Ach«, meinte sie und schwieg. »Ich hätte gern gewußt, wo sich Ihr Mann zur Zeit aufhält«, begann Mason vorsichtig. Sie lächelte. »Wer täte das nicht!« »Ich hoffte, von Ihnen ein paar Hinweise zu bekommen.« Sie sah ihn forschend an. »Was wollen Sie von ihm?« »Haben Sie den Namen Summerfield Malden schon einmal gehört«, wollte Mason wissen. Sie schüttelte den Kopf. »Dr. Malden war ein Kriegskamerad Ihres Gatten und...« »Während der letzten vier Jahre habe ich so gut wie nichts von meinem Mann gehört«, unterbrach sie ihn, und ihre Stimme klang haßerfüllt. Mason hob erstaunt die Augenbrauen und meinte dann mitfühlend: »Und trotzdem sind Sie noch mit ihm verheiratet?« »Unglücklicherweise bin ich dazu gezwungen worden.« »Ich fürchte, da komme ich nicht ganz mit«, murmelte Mason. -1 3 2 -
»Während der letzten vier Jahre«, begann sie, »verkehren mein Mann und ich nur noch durch seinen Anwalt. Mr. Horace L. Redfield heißt er und kennt jeden juristischen Kniff, den es gibt. Ich bin, wenn Sie so wollen, legal erpreßt worden.« »Das gibt es ja gar nicht«, protestierte Mason, um sie anzureizen, mehr darüber zu erzählen. »Mein Mann war Reserveflieger. Er wurde eingezogen, entlassen und wieder einberufen.« »Als Flieger?« »Ja, als Pilot. Allzuviel weiß ich darüber nicht. Von dem Zeitpunkt, als er Denver verließ und ich ihn zum Flugplatz begleitete, habe ich kein einziges Wort mehr persönlich mit ihm gesprochen.« »Also so etwas!« rief Mason mitfühlend. »Mein Mann und ich leiteten eine Reihe von Restaurants«, fuhr sie fort. »Als er eingezogen wurde, mußte ich allein zurechtkommen. Wir haben noch einen stillen Teilhaber, Winnett. Ihm gehören 50 Prozent, aber er arbeitet nicht mit.« »Sie scheinen wirklich sehr tüchtig zu sein und die Geschäfte gut zu leiten«, lobte Mason und sah sich anerkennend in dem Zimmer um. »Es geht«, meinte sie geschmeichelt. »Aber der Vertrag hatte Haken, die ich nicht gleich erkannte.« »Welchen zum Beispiel?« fragte Mason. »Es hat keinen Zweck, darüber ins Detail zu gehen.« Mason schwieg. »Tatsache ist, daß mein Mann mich schlimmer als einen Hund behandelt hat. Und das Gesetz hilft ihm noch dabei«, sagte sie bitter. »Ich habe immer gedacht, es gäbe eine Gerechtigkeit...« »Manchmal gibt es natürlich auch beim Gesetz Hintertürchen«, sagte Mason. »Wem sagen Sie das!«
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»Offensichtlich ist es bei Ihnen der Fall gewesen, aber trotzdem...« Er brach ab, runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und blickte ins Leere. »Ich verstehe allmählich Ihre Lage«, sagte er dann. »Und Ihr Mann verschwand, sagten Sie?« »Jawohl. Er hat mich verlassen. Nach seiner Dienstzeit wartete ich auf ihn. Aber er kam nicht. Wie vom Erdboden verschwunden war er. Eines Tages rief mich der Anwalt meines Mannes an und sagte, Darwin möchte sich scheiden lassen und eine finanzielle Regelung treffen. Was er in Wirklichkeit wollte, grenzt an Diebstahl.« »Können Sie nicht einfach die Scheidung einreichen, ohne...« »Natürlich könnte ich mich scheiden lassen«, unterbrach sie ihn, »mit dem Erfolg, daß ich umsonst gearbeitet habe. Sie müssen bedenken, daß ich viele Jahre meines Lebens meiner Arbeit geopfert habe. Ich allein trug die Verantwortung. Ich darf mir schmeicheln, die Betriebe allein zu dem gemacht zu haben, was sie heute sind. Und jedesmal, wenn ich einen Dollar verdient habe, verdient Darwin automatisch auch einen. Und Winnett zwei. Dabei krümmen weder Winnet noch Darwin einen Finger dafür, während ich mich mit den Angestellten herumärgern, um den Einkauf kümmern, die Speisezettel ausarbeiten und Inserate aufgeben muß. Bis Mitternacht sitze ich manchmal und...« »Aber weshalb tun Sie das«, fragte Mason dazwischen. »Weshalb lassen Sie es nicht und machen sich das Leben schön?« »Das kann ich mir nicht leisten. Abgesehen davon, daß ich sehr gut verdiene, wäre es wie eine Lawine. Wenn sie erst einmal rollt, kann man sie nicht mehr aufhalten. Was mich zur Weißglut bringt, ist die Tatsache, daß mein Mann in der Zwischenzeit auf irgendeiner kleinen tropischen Insel sitzt. Ich sehe ihn direkt im Schatten einer Palme. Bestimmt gibt es hübsche kleine Eingeborenenmädchen dort. -1 3 4 -
Er läßt sich von hinten und vorn bedienen und lacht sich ins Fäustchen. Er hat ja jemand, der für ihn arbeitet. Mein Anwalt hat mir gesagt, daß ich nach dem Gesetz in unserem Staat keine Alimente zugesprochen bekomme, wenn er nicht persönlich zum Gerichtstermin vorgeladen werden kann. Mein Anwalt möchte ihm diese Ladung innerhalb unserer Gerichtsbarkeit zustellen, um eine Güteraufteilung zu erreichen.« »Und dann?« fragte Mason interessiert. »Dann erst kann ich mich scheiden lassen und versuchen, mit Mr. Winnett einen neuen Vertrag abzuschließen.« »Würde er es tun?« »Ich glaube ja. Schließlich habe ich ihm eine Menge Geld gebracht. Es scheint der Fluch auf mir zu lasten, daß ich immer für andere arbeiten muß.« »Aber Sie selbst verdienen doch auch recht gut dabei.« »Na ja, ich bin zufrieden mit dem, was mir bleibt. Aber jetzt habe ich mich doch zu dem Entschluß durchgerungen, nachzugeben. Ich sehe, daß ich mich in einer juristischen Falle befinde, aus der es für mich keinen Ausweg gibt.« »So?« »Ja, ich will nicht mehr.« »Sie haben also einem Vergleich zugestimmt?« »Ja, und zwar zu seinen Bedingungen.« »Danach werden Sie sich scheiden lassen, nehme ich an.« »Worauf Sie sich verlassen können!« »Und wie steht es mit der Terminvorladung innerhalb Ihrer Gerichtsbarkeit?« »Das geht in Ordnung«, antwortete sie. »Mein Anwalt erklärte meinem Mann, daß ich mit seinen Bedingungen einverstanden bin, vorausgesetzt, daß er nach Colorado kommt. Deshalb war ich auch zuerst der Meinung, daß Sie vielleicht meinen Mann vertreten.«
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»Wann soll Ihrem Mann denn die Vorladung übergeben werden?« erkundigte sich Mason. »Heute abend. Es ist schon alles arrangiert. Ich habe den Vergleich unterschrieben und meinem Anwalt übergeben.« »Und was ist mit Winnett?« »Er ist gewillt, mit mir zu verhandeln, aber nur unter der Voraussetzung, daß ich zuvor mit meinem Mann einig geworden bin.« »Wie soll ihm diese Vorladung überreicht werden?« »Mein Rechtsanwalt trifft sich heute abend mit Mr. Redfield. Ein Vertreter des Sheriffs wird auch dabeisein. Redfield hat versichert, daß er die Herren an eine Stelle bringt, wo mein Mann auf sie warten wird.« »Mrs. Kirby«, sagte Mason, »ich habe eine Bitte. Wenn Sie Ihrem Mann gegenüber weder gesetzlich noch moralisch eine Verpflichtung haben, ihm die Dinge zu erleichtern, dann könnten Sie doch Ihren Anwalt bitten, daß er mich mitnimmt, oder? Dann könnte ich ihm ein paar Fragen stellen, sowie Ihre Geschichte erledigt ist.« Sie schüttelte den Kopf. »Damit könnten Sie alles verderben. Das würde Darwin vielleicht nicht passen, und ich wage es nicht, irgend etwas zu unternehmen, was die Abmachung mit ihm in Gefahr bringt«. »Ich würde ja warten, bis die Vereinbarung unterzeichnet ist und bis er die Vorladung in der Hand hat«, versprach Mason. »Was wollen Sie ihn denn eigentlich fragen?«. »Es betrifft einen Mord«, sagte Mason leise. Ihre Augen leuchteten. »Wo ist er passiert?« »In Kalifornien.« »Und sie glauben, daß Darwin etwas damit zu tun hat?« »Ich kann nur soviel sagen«, antwortete Mason. »Ich möchte Mr. Kirby wegen des Todes seines Freundes Malden ein paar Fragen stellen. Die Behörden in Kalifornien sind nämlich der Meinung, daß Dr. Malden ermordet wurde. -1 3 6 -
Sehen Sie«, fuhr der Anwalt fort, »ich will keine Behauptungen aufstellen, die ich nicht beweisen kann. Aber soviel kann ich Ihnen verraten, dem bisherigen Beweismaterial zufolge, ist Ihr Mann der letzte, der Dr. Malden lebendig gesehen hat.« Das schien seine Wirkung getan zu haben, denn impulsiv nahm Mrs. Kirby den Telefonhörer ab und sagte zur Vermittlung: »Verbinden Sie mich mit Ed Duarte, bitte. Er ist in seinem Büro. Sagen Sie ihm, wer spricht.« Einen Augenblick später sagte sie: »Ed, hier spricht Millicent Kirby. Ein Anwalt aus Kalifornien, ein Mr. Perry Mason, ist bei mir. Er möchte heute abend mit Ihnen mitkommen, weil er Darwin ein paar Fragen stellen muß... Nein?... Aber es handelt sich um eine Mordsache, und er behauptet, er würde Sie überhaupt nicht stören... Ach so. Ich verstehe... Na gut, Sie sind der Boß.« Damit legte sie den Hörer auf die Gabel zurück und wandte sich an Mason. »Tut mir leid, aber mein Anwalt hat nein gesagt. Er hat mir verboten, mich mit Ihnen zu unterhalten. Er sagte, er wisse über alles Bescheid, und die Sache wäre brenzlig. Es tut mir wirklich leid, Mr. Mason, aber ich muß Sie bitten zu gehen.« Sie ging voran und hielt ihm die Tür auf. »Aber, aber«, meinte Mason lächelnd, »so gefährlich kann es doch auch wieder nicht sein.« Sie gab ihm keine Antwort, sondern deutete stumm auf die Tür.
13 Es war kurz vor Mitternacht, als die beiden Wagen, die vor der Anwaltskanzlei Edward Duartes geparkt hatten, losfuhren. Auf diesen Moment hatte Perry Mason in einer Seitenstraße in einem Taxi gewartet. »Bleiben Sie hinter diesen beiden Wagen«, befahl er dem Fahrer. »Nicht zu dicht, aber nahe genug, daß sie uns nicht durch die Lappen gehen.«
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Der Fahrer nickte und fuhr langsam an. Er erwies sich als geschickt und reagierte sehr schnell. Als die beiden vor ihnen fahrenden Wagen wieder einmal rechts abbogen, dabei aber merklich langsamer wurden, rief Mason instinktiv: »Stellen Sie Ihr Standlicht an, schnell!« Der Taxichauffeur folgte und stieg auf die Bremse, als ungefähr einen Häuserblock vor ihm die roten Bremslichter der beiden Fahrzeuge aufflammten. »Licht aus«, zischte Mason. Während aus den Autos vorn Männer ausstiegen und in ein rotes Backsteinhaus gingen, meinte der Taxifahrer: »Hören Sie, Boß, ich habe das Gefühl, als ob wir auch verfolgt werden.« »Wieso?« »Ungefähr 50 Meter hinter uns hielt eben auch ein Wagen an, stellte die Lichter ab. Aber ausgestiegen ist kein Mensch.« »Dagegen können wir nichts tun«, meinte Mason, nachdem er sich das Auto durch das Rückfenster angesehen hatte. »Wahrscheinlich ist es ein Liebespaar. Wir müssen es riskieren. Also Sie warten hier auf mich, verstanden?« Mason stieg aus, sah sich kurz um und eilte dann, immer im Schatten der Hauswände bleibend, bis zu dem Backsteinhaus. Mit einem Satz nahm er die Treppe, die zur Tür führte, und betrat das Haus. In einer Art Halle, die nur durch einen schmalen Lichtstreifen, der aus einem Zimmer fiel, beleuchtet wurde, blieb er lauschend stehen. Plötzlich hörte er eine Stimme: »Mr. Darwin Kirby, hiermit überreiche ich Ihnen eine Kopie einer Vorladung zu dem Gerichtstermin Kirby gegen Kirby.« Mason hielt den Atem an. Dann schlich er auf Zehenspitzen bis zu einem großen Schrank, der ihm Deckung bot. Er konnte das Gemurmel einer Unterhaltung hören. Ein paarmal wurde es etwas lauter, so als hätte es eine kleine Meinungsverschiedenheit gegeben. Dann wurde abrupt, ohne ein Wort der Verabschiedung, die Tür aufgerissen. Licht flutete in die Halle. -1 3 8 -
Mason wagte nicht zu atmen und preßte sich noch näher an die Wand. Schritte entfernten sich, die Haustür wurde geschlossen, und einen Moment später hörte Mason, wie ein Wagen angelassen und fortgefahren wurde. In dem Zimmer schienen nur noch zwei Männer zu sein. Ein paar Minuten später wurde es wieder hell. Mason hörte, wie jemand gute Nacht sagte, dann wurde wiederum draußen ein Wagen angelassen und fuhr los. Jetzt trat Mason aus seinem Versteck hervor, blieb eine Sekunde unschlüssig vor der Zimmertür stehen und öffnete sie dann. An einem Eßzimmertisch saß ein schlanker Mann mit feingeschnittenen Gesichtszügen. Vor ihm lag ein mehrere Seiten langes Dokument. Eine Flut schwarzen welligen Haars umrahmte seine hohe, intelligente Stirn. Um seinen markant geschnittenen Mund lag ein Anflug eines feinen ironischen Lächelns. Mason räusperte sich. »Guten Abend, Mr. Kirby«, sagte er. Der Mann wirbelte herum und ließ das Papier zu Boden fallen. »Immer langsam«, meinte Mason gutgelaunt, ging zum Tisch und setzte sich. »Wer sind Sie, und was wollen Sie?« begehrte Kirby auf. »Mein Name ist Perry Mason. Ich bin Rechtsanwalt und vertrete Steffanie Malden, die wegen Mordes an ihrem Mann angeklagt ist.« »Mord!« rief Kirby aus. »Sehr richtig«, bestätigte Mason. »Und ich glaube, Sie können mir erklären, was geschehen ist.« Es entstand eine Pause. Kirby schien seine Gedanken ordnen zu müssen. »Sie hatten einen Platz von Los Angeles nach Salt Lake City gebucht«, half Mason nach. -1 3 9 -
Kirby nickte. »Weshalb haben Sie das Ticket nicht benutzt?« »Ich habe meine Absichten im letzten Augenblick geändert.« »Wie sind Sie dann nach Salt Lake City gekommen«, fragte Mason. Kirby zögerte. Er hatte das Dokument aufgehoben und seine linke Hand darauf gelegt. »Bevor ich Ihnen diese Frage beantworte, Mr. Mason«, meinte er, »möchte ich doch erst einiges über Sie wissen. Wie haben Sie mich gefunden, und wie sind Sie ins Haus hineingekommen?« »Die Haustür war ja nicht verschlossen«, erklärte Mason. Kirby nickte. »Wieso sind Sie eigentlich an mir interessiert?« »Das sagte ich doch schon, ich vertrete Mrs. Malden.« »Wie kommt es, daß man sie wegen Mordes anklagt?« »Mr. Kirby, Sie versuchen doch nur, Zeit zu schinden«, hielt Mason ihm vor. »Na und? Das ist meine Sache. Woher wußten Sie, daß ich hier bin?« »Ich erfuhr, daß Ihnen heute eine Vorladung überreicht werden würde, und bin dem Mann gefolgt.« »Das bedeutet also, daß Sie mit meiner Frau gesprochen haben.« Mason nickte. »Dann sind Sie natürlich jetzt davon überzeugt, daß ich ein Schurke bin, was?« Mason lächelte. »Ich kenne ja Ihre Version nicht«, sagte er. »Eines möchte ich bei Ihnen klarstellen, Mr. Mason«, sagte Kirby, »ich habe das einzige getan, was mir nach Lage der Dinge übrigblieb.« Mason schwieg. »Meine Frau war ein netter Kerl«, fuhr Kirby fort. »Bis die elende Verwandtschaft auf der Bildfläche erschien. Zuerst machten sie alle nur ihre spitzen Bemerkungen über alles, was -1 4 0 -
ich tat. Am Schluß war es eine ständige Kritik. Ich wußte, daß ich dagegen nicht aufkommen konnte. Also suchte ich nach einem Ausweg. Ich war Pilot, und zwar ein guter. Ich hörte, daß die Luftwaffe Männer suchte, und beschloß, mich zu bewerben.« Mason nickte. »Zuerst aber wollte ich sicher sein«, fuhr Kirby fort, »daß meine Frau versorgt war. Ein Freund von mir gab uns eine Chance, ins. Gaststättengewerbe hineinzukommen. Ich blieb so lange, bis der Laden lief, und überließ ihn dann meiner Frau. Es klappte alles wie am Schnürchen. Millicent erwies sich als gute Geschäftsfrau. Sie verdient mehr, als sie ausgeben kann. An eine Scheidung hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Ich glaubte, während meiner Abwesenheit würde meine Frau Vernunft annehmen und ihre Verwandtschaft an die Luft setzen. Und auf einmal, ich wußte gar nicht, wie es kam, wurde mir plötzlich klar, wie angenehm und friedlich das Leben sein konnte. Keine lauten Auseinandersetzungen, keine zermürbenden Streitereien. Während meiner Militärzeit habe ich viel vom Südpazifik kennengelernt. Als ich entlassen wurde, habe ich mich einfach auf einer kleinen Insel niedergelassen. Es ist ein einfaches Leben, aber ich bin zufrieden. Ich fange genügend Fische, um meinen Küchenzettel, der hauptsächlich mit Avokados, Melonen, Brotfrucht und Bananen bestritten wird, zu ergänzen.« Kirby schwieg und blickte einen Augenblick gedankenverloren an die Decke. »Es besteht je gar keine Notwendigkeit«, fuhr er fort, »sich dieser ewigen Nervenmühle, die mit einem Leben hier in den Vereinigten Staaten verbunden ist, auszusetzen. Wenn ich ein Buch lesen will, lese ich es. Wenn ich schlafen will, schlafe ich, und wenn ich schwimmen will, dann tue ich es eben. Ich bin ein freier Mann, verstehen Sie, was ich meine, Mr. Mason?« »Ich nehme an, es ging Ihnen finanziell nicht schlecht«, sagte Mason. -1 4 1 -
»Nein. Ich habe beizeiten dafür gesorgt, daß meine Frau nicht den ganzen Rahm allein abschöpfen und ihre Familie damit füttern kann. Mein Schwager zum Beispiel ist ein Kerl, der nur auf Kosten anderer lebt. Ich...« Draußen wurde anhaltend geklingelt, dann heftig angeklopft, und wieder einen Augenblick später hörte Mason, wie sich die Haustür öffnete und Schritte in der Halle erklangen. Kirby sprang auf und funkelte Mason an, »Was haben Sie sich dabei gedacht?« fluchte er. »Wollen Sie mich hereinlegen und...?« Die Tür wurde mit einer solchen Heftigkeit aufgestoßen, daß sie an der Wand anschlug. Hamilton Burger und noch ein Mann in Zivil sowie zwei uniformierte Polizisten aus Denver betraten das Zimmer. »Sieh da«, meinte Burger, »das ist ja interessant, Mason. Sie haben uns die Arbeit erleichtert.« Dann wandte er sich an Kirby: »Sie sind Darwin Kirby und haben vor kurzem Dr. Summerfield Malden besucht!« »Wer, zum Teufel, sind Sie denn?« rief Kirby aufgebracht. Gutgelaunt zog Burger seine Brieftasche hervor. »Bitte, überzeugen Sie sich selbst. Und dann sagen Sie mir, wieviel Ihnen Mason versprochen hat, falls Sie aus dem Land verschwinden.« »Die Sache gefällt mir ganz und gar nicht«, zischte Kirby Mason an. »Das verlangt ja auch niemand von Ihnen«, tröstete ihn Burger. »Die Hauptsache ist doch, daß wir Sie gefunden haben. Wem gehört dieses Haus?« »Einem Freund von mir. Er hat es mir für ein paar Tage überlassen.« Hamilton Burger drehte sich ironisch zu Mason hin. »Ich glaube nicht, daß wir Sie noch länger aufhalten sollten, Herr Rechtsanwalt«, näselte er. »Aber bevor Sie gehen, wird es Sie sicherlich noch interessieren zu erfahren, daß wir dank des guten Erinnerungsvermögens von Mrs. Colebrook darauf -1 4 2 -
gekommen sind, daß Sie und Steffanie Malden kurz nach Dr. Maldens Tod zusammen in den Dixiewood-Apartments waren. Ein schönes Versteck, das Sie da für Mrs. Malden, alias Mrs. Amboy, ausgesucht haben. Jetzt sind Sie sprachlos, was? Ja, ja, auch den Wandsafe haben wir gefunden. Die Steuer wird an Sie und Ihre Klientin einige Fragen haben.« »Mrs. Colebrook sah also Mrs. Malden mit mir zusammen in den Dixiewood-Apartments?« fragte Mason. »Stimmt. Zu Ihrer Information, Steffanie Malden ist erneut verhaftet worden. Sie werden also nochmals Gelegenheit bekommen, das Gericht mit Ihren Mätzchen einzuwickeln zu versuchen, nur mit dem Unterschied, daß Sie diesmal mich persönlich als Gegner haben werden. Und jetzt lassen Sie sich wirklich nicht länger aufhalten. Ihr Taxi wartet draußen. Sie dürfen keine Zeit verlieren.«
14 Mason drängte sich, zusammen mit den anderen Passagieren, zum Haupteingang des Flughafengebäudes heraus. An der Drehtür erwartete ihn Paul Drake. »Müde?« fragte er. Mason nickte. »Ich auch«, meinte Drake. »Wie konnten die mir folgen, Paul?« »Burger hatte einen Tip. Man hat dich am Flughafen in Denver erwartet und von dort aus nicht mehr aus den Augen gelassen.« »Wie kam Burger dorthin?« »Sondermaschine«, berichtete der Detektiv knapp. »Er hat übrigens eine Reihe von Interviews telefonisch an unsere Presse durchgegeben. Er sieht sich jetzt schon als Held des Tages.« »Was ist mit Mrs. Colebrook?« wollte Mason wissen.
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»Sie behauptet fest und steif, dich mit Mrs. Malden in der Halle der Dixiewood-Apartments gesehen zu haben. Die Polizei hat Mrs. Malden, als sie sie in ihrem Versteck als Mrs. Amboy aufgespürt hatten, etwas vorgelogen. Sie hat behauptet, du hättest sie verraten. Daraufhin wollte sie sich rächen und hat das mit den 100000 Dollar erzählt. Mrs. Colebrook hatte ihren großen Tag. Sie identifizierte Steffanie Malden als die Frau, die bei dir war. Natürlich hat sich daraufhin sofort auch die Steuerfahndung eingeschaltet.« »Hat Burger schon irgend etwas über Darwin Kirby verlauten lassen«, fragte Mason. »Nein. Er hält ihn versteckt. Das ist ein Teil seines Planes, dich diesmal fertigzumachen.« »Kann ich mir vorstellen.« »Wie gedenkst du, da herauszukommen, Perry?« erkundigte sich der Detektiv besorgt. »Höre mal«, meinte Mason, »ich möchte, daß du etwas für mich erledigst. Du mußt eine Zeugenvorladung an den Mann bringen und Burgers Flugzeug in Empfang nehmen. Er wird Darwin Kirby bei sich haben. Bestimmt wird er auf eine Aussage von Kirby verzichten, wenn es irgendwie geht.« »Glaubst du, daß du ihn dazu zwingen kannst?« »Ich werde noch etwas Besseres machen«, erwiderte Mason. »Ich werde Darwin Kirby als Zeuge für die Verteidigung laden, und zwar in der Sekunde, wo er mit Burger das Flugzeug verläßt.« Drake schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht einmal in seine Nähe kommen, Perry. Burger hat eine Reihe von Leibwächtern um sich«. »Einer deiner Männer fotografiert doch, Paul. Er soll sich eine Kamera umhängen und sich heranpirschen. Sowie er bei Kirby steht, schiebt er ihm die Vorladung in die Hand.« »Als deinen Zeugen?« Mason nickte. -1 4 4 -
»Das kannst du doch nicht machen, Perry. Dann bist du doch an seine Aussage gebunden.« »Das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr. Wie die Sache steht, wird Mrs. Malden bei der zweiten Voruntersuchung bestimmt an ein Schwurgericht verwiesen. Wenn ich Kirby als meinen Zeugen aufrufe, kann ich ihn zwingen, soviel von seiner Geschichte zu erzählen, wie mir günstig erscheint... jedenfalls muß ich es versuchen.« »Du wirst es nicht leicht haben, Perry.« »Das weiß ich«, antwortete Mason grimmig. »Aber ich habe auch noch ein Wörtchen mitzureden. Eines steht doch fest, die Beschuldigte hat gewisse Rechte auf eine prompte Untersuchung vor einem Gericht. Und dafür werde ich schon sorgen.« Drake schwieg eine Weile, dann meinte er: »Sage mir nur eins, Perry.« »Was?« »Hast du wirklich die 100 Mille?« Mason drehte sich ungehalten um. »Werde nicht gleich sauer«, bat Drake. »Mrs. Malden hat eine sehr überzeugende Geschichte erzählt, das ist alles.« »Und selbst du bist darauf hereingefallen?« »Ich...« Drake machte eine Geste. »Vergiß es!«
15 Um zehn Uhr vormittags rief Della Street an. »Hallo, Chef«, sagte sie, »ich glaube, ich habe eine Spur.« »Sind sie in Sacramento?« »Ja. Ich konnte bei der Zulassungsstelle etwas erfahren.« »Schießen Sie los!« »Gladys Foss hat ihren Wagen bei einem Gebrauchtwagenhändler in Ventura verkauft.« »Weiter!« -1 4 5 -
»Am gleichen Tage wurde ein neuer Wagen an eine Gladys Amboy verkauft, die hier in Sacramento wohnt.« »Nein!« rief Mason aus. »Doch«, widersprach Della. »Ich habe bei der Führerscheinstelle nachgeforscht und festgestellt, daß Gladys Amboy vor anderthalb Jahren einen Führerschein bekommen hat. Die Anschrift, die sie angab, lautete, Los Angeles, Dixiewood-Apartments, Apartment Nummer 928-B.« »Ach du meine Güte!« rief Mason. »Ich habe die Daumenabdrücke, die auf jedem Führerschein sind, verglichen. Kein Zweifel, daß Gladys Foss auch Gladys Amboy ist.« »Und dann?« »Die Informationen habe ich an Paul Drakes Mitarbeiter von hier weitergegeben. Die haben Nachforschungen angestellt und herausbekommen, daß Gladys Amboy bereits seit einem halben Jahr in der hier angegebenen Wohnung lebt.« »In Sacramento?« »Ja.« »Sie wohnt dort ständig?« »Es scheint so, und das ist die Sache, die ich nicht verstehe.« »Lassen Sie mich überlegen, Della. Nein, das kann nicht stimmen. Sie kann doch nicht dort gewohnt und gleichzeitig in Dr. Maldens Praxis gewesen sein.« »Das verstehe ich eben auch nicht«, wiederholte Della. »Verflixt noch mal!« rief Mason aus, »ein Mensch kann doch nicht gleichzeitig an zwei Stellen sein, oder?« »So ist es aber.« »Okay, Della«, meinte Mason, »Sie haben gute Arbeit geleistet. Ich werde mich jetzt mit Paul in Verbindung setzen. Sie soll beobachtet werden, aber diesmal, ohne daß sie es merkt.« Mason legte den Hörer auf und rief Drake an. -1 4 6 -
Paul Drake startete sofort eine Untersuchung, und bereits am Nachmittag hatte Mason eine Reihe von Auskünften, die sich jedoch widersprachen. Gladys Amboy hatte in Sacramento eine Wohnung. Ihr Mann, Charles Amboy arbeitete selbständig und war oft für längere Zeit nicht zu Hause. Gladys Amboy hatte irgendwo eine Stellung. Sie unterstützte ihren Mann finanziell. Manchmal fuhr Mrs. Amboy mit ihrem Wagen, um ihren Mann zu besuchen. Dann war sie ein paar Tage weg. Aber die meiste Zeit war sie abends um 21 Uhr wieder zu Hause. Mason versuchte, diese Informationen zu verwerten. Er nahm sich eine Nachmittagsmaschine nach Sacramento und kam gerade rechtzeitig an, um sich mit Della Street zum Abendessen zu treffen. »Was halten Sie davon, Chef?« fragte Della. »Bis jetzt noch gar nichts«, antwortete Mason. »Aber es ist einfach unmöglich. Sie kann nicht gleichzeitig hier gewesen sein und in der Praxis von Dr. Malden gearbeitet haben « »Ich habe eine Idee«, meinte Mason. »Und die Daumenabdrücke?« fragte Della. »Ich habe mir extra ein Vergrößerungsglas genommen und sie sorgsam miteinander verglichen. Ich bin zwar kein Experte, aber daß sie von einer Person stammten, das konnte ich trotzdem feststellen.« »Es gibt ein Flugzeug, das abends um halb acht hier ankommt«, sagte Mason. »Ich glaube, wir sollten uns einmal mit der Stewardess unterhalten.« »Glauben Sie wirklich, daß sie jeden Tag hin- und herflog?« »Wie käme sie sonst her?« Della überlegte eine Weile. »Na ja, irgendwie muß es eine Erklärung geben«, meinte sie. »Gladys kann sich ja nicht zweiteilen.« »Sehen Sie«, meinte Mason und grinste. -1 4 7 -
Es war für Mason nicht schwer, die Stewardess zu finden, die jeden Abend in der Maschine Los Angeles - Sacramento ihren Dienst versah. »Ich bin an einem Passagier interessiert«, sagte Mason, »einer Dame, die bis vor kurzem ständig mit Ihnen flog.« »Gladys Amboy«, sagte das Mädchen wie aus der Pistole geschossen. »Was ist mit ihr? Ich habe mich nämlich schon gewundert. Ist sie krank?« »Kann sein«, antwortete Mason. »Sie ist ungefähr 27 Jahre, brünett, hat große dunkle Augen und...« »Ja, das ist sie«, unterbrach ihn die Stewardess. »Sie flog fast regelmäßig mit uns. Sie nahm die Frühmaschine um sieben. Ihr Mann ist bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. Er soll mit seiner Privatmaschine abgestürzt sein.« Das Mädchen machte eine entsetzte Geste. »Dabei hatten sie schon alles für eine zweite Hochzeitsreise nach Europa geplant. Sie hatten schon einen ganzen Haufen Geld gespart. Und dann kam dieses schreckliche Unglück dazwischen. Mrs. Amboy war völlig gebrochen und...« »Ist sie seit dem Tode ihres Mannes mit Ihnen geflogen?« fragte Mason dazwischen. »Nein, aber eine Kollegin von mir traf sie, als sie aus Phoenix nach Sacramento flog. Mrs. Amboy hat ihr alles erzählt. Es muß schrecklich für die kleine Frau gewesen sein. Sie war halb verrückt vor Schmerz.« »Und seitdem haben Sie sie nicht mehr gesehen?« Das Mädchen schüttelte den Kopf. Mason bedankte sich bei der Stewardess und gab Della Street ein Zeichen. »Was bedeutet das nun wieder?« fragte Della Street. »Die ganze Geschichte wird immer verworrener. Ich verstehe bald gar nichts mehr.« Mason lächelte. »Ich glaube«, meinte er, »daß wir jetzt schön langsam der Wahrheit auf die Spur kommen.« »Wie?« -1 4 8 -
»Vielleicht beim Kreuzverhör.« »Aber Chef«, sagte Della, »angenommen, Mrs. Malden wollte ihren Mann töten. Angenommen, sie gab ihm den versetzten Whisky in der Hoffnung, er würde ihn trinken und am Steuerknüppel einschlafen?« »Reden Sie nur weiter, Sie machen es sehr gut«, ermunterte Mason seine Sekretärin. »Na ja«, fuhr Della fort, »und angenommen, irgend jemand anderer stieg ins Flugzeug, trank von dem Alkohol und stürzte daraufhin ab. Wie wäre dann die juristische Situation?« »Bezüglich Mrs. Malden?« Della nickte. »Sie wäre des Mordes schuldig.« »Obgleich sie ihr Opfer nicht einmal kannte?« »Das spielt keine Rolle.« »Das kann ich nicht verstehen. Was haben Sie dann dabei zu gewinnen, Chef? Ich meine, selbst, wenn Dr. Malden noch lebt?« »Vielleicht kann ich beweisen, daß er der Mörder war«, antwortete Mason. »Was soll denn das nun wieder heißen?« »Alles, was wir über Dr. Malden erfahren haben, deutet darauf hin, daß er ein durchtriebener, bis ins kleinste Detail planender Mensch war, nicht wahr?« »Na und?« »Ist Ihnen nie aufgefallen, daß die Behörden in dem Whisky eine Substanz mit der Code-Nummer 68 249 fanden? Sie glauben, Mrs. Malden hätte sich das Morphium besorgt. Eine hübsche Theorie. Aber es gab jemand, der noch viel, viel leichter an die Narkotika herankam.« »Dr. Malden?« »Malden war ein kühler Denker. Wenn er den Behörden und seiner Frau gegenüber für tot erklärt werden wollte, um mit genügend Bargeld und seiner Geliebten, Gladys Foss, ein -1 4 9 -
neues Leben zu beginnen, dann brauchte er natürlich eine Leiche, nicht wahr?« »Ach du lieber Gott!« rief Della aus. »Jetzt begreife ich, was Sie meinen.« »Dr. Malden«, fuhr Mason fort, »sah das Leben mit den Augen eines Arztes. Für ihn war der Tod nichts Außergewöhnliches, sondern ein unabwendbarer Faktor, der blind zuschlägt.« Della mußte lächeln. »Chef«, meinte sie, »ist Ihnen eigentlich klar, daß Sie bei dieser Theorie beweisen müssen, daß eine Leiche einen Mord verübt hat?« Mason schüttelte den Kopf. »Nur Hamilton Burger behauptet, daß es eine Leiche ist.«
16 Die Polizei hatte den Ausgang Nummer 11 des Flughafens hermetisch abgesperrt. Sie ließ nur Journalisten und Fotografen durch, die einen Presseausweis hatten, um auf die große, viermotorige Maschine zu warten, die in zwei Minuten landen sollte. Mason und Paul Drake hielten sich im Hintergrund, während Drakes Mitarbeiter einem Polizeibeamten eine Karte vor die Nase hielt, seine Kamera hochnahm und dann an ihm vorbeieilte. Hamilton Burger hatte ganz offensichtlich sein Büro vorher telefonisch angewiesen, dafür zu sorgen, daß die Presse anwesend ist. Er mußte einen Knüller in Aussicht gestellt haben, denn es wimmelte nur so von Zeitungsleuten. Es dauerte ein paar Minuten, bis die riesige Maschine zum Stehen kam. Die Gangway wurde herangerollt, und die Passagiere begannen, die Stufen hinunterzusteigen. District Attorney Hamilton Burger und seine Begleiter hatten sich offenbar vorgenommen, als letzte die Show zu genießen. So war es auch. -1 5 0 -
Als der letzte Passagier das Flugzeug verlassen hatte, kamen Hamilton Burger und Darwin Kirby die Treppe hinunter und blieben stehen. Burger lächelte zuversichtlich und stellte den Fotografen Darwin Kirby vor. Gerade, als sich die Reporter abwenden wollten, trat Drakes Mitarbeiter vor, hielt seine Kamera vor und sagte: »Einen Augenblick, Mr. Burger.« Burger stellte sich geschmeichelt in Pose. »Wer ist Darwin Kirby?« fragte der Detektiv sicherheitshalber. »Dieser Herr hier«, antwortete Burger. »Treten Sie doch einen Schritt vor, Mr. Kirby«, fügte der District Attorney wichtigtuerisch hinzu. »Würden Sie freundlicherweise einmal die Hand ausstrecken«, bat der angebliche Fotoreporter. Kirby erfüllte ihm den Wunsch. Blitzschnell schob ihm der Detektiv ein Dokument hinein. »Dies ist eine Vorladung, auf Grund welcher Sie als Zeuge der Verteidigung im Fall Malden vor dem Gericht zu erscheinen haben«, sagte er rasch und trat zurück. Seine Kamera flammte auf und erhaschte ein Foto von Burgers wütendem und Kirbys entsetztem Gesicht. »Verhaften Sie diesen Mann!« schrie Burger außer sich und zeigte auf Drakes Mitarbeiter. Ein Polizist, der am Ausgang stand, verließ seinen Platz und eilte auf den Detektiv zu. Mason und Drake bahnten sich ihren Weg durch die Menge. Die Zeitungsreporter, die sich schon uninteressiert abgewandt hatten, kehrten zurück und begannen wie wild zu fotografieren. Dieses Schauspiel war für sie viel interessanter als die gestellten Aufnahmen von vorher. »Verhaftet ihn!« brüllte Burger. Der Polizist griff Drakes Mitarbeiter am Arm.
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Jetzt war Mason zur Stelle. »Einen Moment mal«, rief er dazwischen. »Woraufhin soll der Mann verhaftet werden?« Burger war so wütend, daß er Mason überhaupt nicht zu erkennen schien, sondern nur dessen Stimme wahrnahm. »Weil er illegal auf das Flugfeld kam, weil er falsche Ausweise vorzeigte, weil er...« »Das habe ich nicht«, widersprach der Detektiv. »Ich habe einen Erlaubnisschein zum Betreten des Flughafens. Weiter habe ich auch nichts vorgezeigt.« »Wir wollen doch eines klarstellen«, sagte Mason sachlich zu dem Polizisten. »Sie verhaften also diesen Mann auf Anordnung von District Attorney Hamilton Burger, nicht wahr? Ich werde gegen Burger eine Klage auf 50000 Dollar Schadensersatz wegen Freiheitsberaubung einreichen, wenn Sie es tun.« Jetzt hatte Burger Perry Mason endlich gesehen. »Sie!« schrie er, und sein Gesicht lief puterrot an. »Sie werden sich vor der Anwaltskammer zu verantworten haben. Was Sie sich in diesem Prozeß geleistet haben, wird Ihnen den Hals brechen!« »Das ist ja fein«, meinte Mason heiter und trat vor, damit die Fotografen rundherum sowohl ihn als auch Burger ins Bild bekamen. »Passen Sie nur auf, Hamilton Burger«, ergänzte er lächelnd, »daß Sie sich nicht ihren eigenen Hals brechen!« Burger trat auf Mason mit erhobener Faust zu. Mason fing seinen Schlag geschickt ab. »Machen Sie das ja nicht noch einmal«, warnte Mason ihn verdächtig ruhig, »sonst brauchen Sie einen Zahnarzt.« Jetzt schien der Teufel los zu sein. Die Reporter drängten sich immer näher heran, Blitzlichter flammten auf; so eine Sensation schien ihnen gerade recht zu kommen. »Soll ich den Mann nun verhaften oder nicht?« erkundigte sich der Polizist bei Burger. Mason grinste und antwortete. »Aber gewiß doch, verhaften Sie ihn wegen Körperverletzung und tätlicher Beleidigung. Mr. -1 5 2 -
Burger hat mich geschlagen, und ich glaube, es gibt genügend fotografische Beweise dafür.« Jetzt wurde Burger klar, in welcher Situation er sich befand. »Unsinn! Lüge!« schrie er. »Sie haben mir den Arm umgedreht!« »Aber erst, nachdem Sie mich angegriffen und mir auf den Arm geschlagen hatten«, stellte Mason richtig. »Das ist Körperverletzung. Sehen Sie doch vorsichtshalber mal im Gesetzbuch nach.« »Was ist nun mit diesem Mann hier?« wollte der Polizist, der Drakes Mitarbeiter immer noch beim Ärmel hielt, von Burger wissen. Hamilton Burger wandte sich um und blickte in die Gesichter der Zeitungsreporter. Es kostete ihn größte Mühe, seinen Stolz hinunterzuschlucken. »Lassen Sie ihn gehen«, sagte er leise. »Ich treffe mich mit Mason vor dem Gericht und vor der Anwaltskammer. Das ist der richtige Ort, um mit Leuten seines Schlages fertig zu werden.« In diesem Moment war Burger wie auch den Zeitungsleuten klar, daß Mason dem District Attorney seine so wohlvorbereitete Publicity gestohlen hatte. Kein Redakteur der Stadt würde auch nur ein Foto von Burger und Darwin Kirby veröffentlichen. Die Bilder »District Attorney schlägt Verteidiger Perry Mason« waren die Knüller des Tages und würden als Aufmacher in den Abendblättern erscheinen.
17 Perry Mason ging schon sehr zeitig ins Büro, um Drakes Berichte durchzulesen, bevor er ins Gericht mußte. Della Street legte lächelnd die Zeitungen auf seinen Schreibtisch. »Sie haben allerhand Eindruck gemacht am Flughafen«, meinte sie. Mason grinste. »Burger hatte einen so triumphalen Einzug geplant, daß es mir fast leid tut, ihn ihm verdorben zu haben.« -1 5 3 -
An der Tür ertönte Drakes Klopfzeichen. Della öffnete dem Detektiv. »Was hast du herausgebracht, Paul?« fragte Mason. »Man hat Darwin Kirby in einem erstklassigen Hotel untergebracht«, berichtete Drake. »Er hat eine ganze Suite und wird wie ein Millionär behandelt. Du kannst dir denken, was das bedeutet, Perry.« Mason runzelte die Stirn. »Ja«, meinte er, »das bedeutet, daß seine Aussage Steffanie Malden belastet und Burger dadurch gerade zupaß kommt.« Drake nickte. »Erzähl mir alles«, bat Mason. »Hat er Besucher empfangen? Was weißt du über seine Telefongespräche?« »Darüber kann ich nichts herausbringen«, antwortete Drake. »Wenn ich auch nur versuchen würde, mich in diesem Hotel an die Telefonvermittlung heranzumachen, wäre ich meine Lizenz los. Aber Besucher, das heißt, einen, habe ich aufgespürt.« »Wer war das?« fragte Mason interessiert. »Seine Tante. Die Schwester seiner Mutter. Eine liebe, alte Dame in einem Rollstuhl. Sie ist von der Hüfte ab gelähmt, weißt du. Weißhaarig, liebenswürdig, aber sie läßt sich nicht fotografieren. Sie kam nur, um ihren Lieblingsneffen zu besuchen.« »Wo kam sie her?« »Aus dem Butte-Sanatorium.« »Was für einen Rollstuhl hatte sie?« »Das Tollste, was es auf diesem Gebiet gibt«, antwortete Drake. »Das alte Mädchen hat Geld, Pelze, einen großen Wagen mit Chauffeur, weißgekleidete Diener und so weiter.« »Sag mir eins, Paul«, bat Mason, »ist das dieselbe Verwandte, die Dr. Malden auf Wunsch Kirbys damals untersucht hat?« »Genau die ist es«, bestätigte der Detektiv. »Und sonst hatte Kirby keine Besucher?« -1 5 4 -
Drake schüttelte den Kopf. »Keinen einzigen. Er wird ja mehr oder weniger gefangengehalten. Sie wollen kein Risiko mit ihm eingehen, verstehst du? Man munkelt, daß seine Aussage die schöne Steffanie Malden auf den elektrischen Stuhl bringen wird.« »Ich weiß, ich weiß«, meinte Mason ungehalten. »Paul! Was ist mit dieser Tante? Gibt es irgend etwas, ich meine... ist es möglich, daß...« »Nein, Perry«, unterbrach Drake ihn. »Ich habe es genau gesehen. Das war die Tante, und sie lebt seit über zwei Jahren in diesem Sanatorium.« »Ist das ein großes Haus?« »Im Gegenteil, aber stinkvornehm. Außerhalb der Stadt, im Grünen, sehr erholsam, nur Leute mit Geld.« Masons Telefon läutete. Della nahm ab. »Es ist für Sie, Paul«, sagte sie und reichte Drake den Hörer. Drake lauschte eine Weile, dann meinte er: »Bleiben Sie einen Moment am Apparat. Ich werde Ihnen gleich Anweisungen geben.« Er wandte sich an Mason: »Perry, Hamilton Burger hat eine Pressekonferenz mit Kirby angesetzt. Er erzählte den Leuten jede Einzelheit.« »Sieh zu, ob du herausbringen kannst, was gesagt wurde.« Drake gab diese Bitte weiter, hörte noch eine Weile zu, dann meinte er, wie zu Mason gewandt: »Mein Mann hat eine Zusammenfassung dessen, was bekanntgegeben wurde. Kirby fuhr mit Malden zum Flugplatz hinaus. Malden wollte nach Salt Lake City fliegen. Kirby behauptet, Malden hätte ihm erzählt, daß er von Zeit zu Zeit Koffeinkapseln nähme und diese mit Whisky hinunterspüle, um fit zu bleiben. Er wäre durch seine anstrengende Arbeit in der Praxis so aufgerieben, daß er das monotone Geräusch der Flugzeugmotoren nicht anhören könne, ohne dabei einzuschlafen.
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Malden hatte eine silberne Flasche. Kirby ist ganz sicher, daß es dieselbe ist, die Hurley schon bei der ersten Voruntersuchung als Beweisstück vorgelegt hat. Kurz bevor Malden abflog, nahmen beide einen Schluck aus dieser Flasche. Kirby trank nur wenig, weil er den Whisky Malden für die Reise lassen wollte. Aber Malden hätte einen großen Schluck genommen, behauptet Kirby. Danach sei er in das Flughafengebäude zurückgekehrt. Er hatte eine Viertelstunde zu warten, bis seine Maschine abflog. Er sei müde geworden und habe sich auf eine Bank gesetzt. Das sei das letzte, woran er sich erinnern kann. Drei Stunden später habe ihn ein Angestellter vom Flughafen geweckt. Kirby ging in den Speisesaal und trank drei Tassen schwarzen Kaffee. Erst dann dämmerte ihm, wo er eigentlich war. Seine Maschine war natürlich über alle Berge., und so habe er eben eine andere nach Denver genommen. Selbst, als er schon im Flugzeug saß, schlief er wieder ein. Die Stewardess weckte ihn in Salt Lake City. Dort stieg er aus und ging in das Flughafenrestaurant. Und dann wäre er wieder eingeschlafen, behauptet er, und habe seine Anschlußmaschine nach Denver verpaßt. Er sagte, es bestände gar kein Zweifel, daß in dem Whisky ein Betäubungsmittel gewesen sei.« »Natürlich nicht«, meinte Mason. »Aber wer hat es hineingetan und wann?« Drake zuckte die Achseln. »Na gut«, seufzte Perry Mason, »ich gehe jetzt ins Gericht. Übrigens, wie heißt Kirbys Tante?« »Mrs. Charlotte Boomer.« »Und das Sanatorium?« »Butte-Sanatorium.« »Welche Zimmernummer hat sie?« »Elf, warum?« »Ach, ich weiß nicht«, antwortete Mason ausweichend. »Vielleicht prüfe ich das nach.« -1 5 6 -
»Die Mühe kannst du dir wirklich sparen, Perry«, versicherte Drake. »Du wirst nichts Neues finden.« »Außer der Tante war niemand bei Kirby, sagst du?« »Kein Mensch.« »Hier hast du eine Zeugenvorladung, Paul«, meinte Mason. »Los, fahr hin und händige sie Mrs. Boomer aus.« »Mrs. Boomer?« wiederholte Drake verdutzt. »Richtig.« »Das geht nicht, Perry. Sie ist gelähmt.« »Wenn sie ihren Neffen besuchen kann, kann sie auch ins Gericht kommen«, antwortete Mason ungerührt. »Wenn nötig, besorge ihr einen Krankenwagen.« »Das wird Ärger geben«, warnte Drake. »Sie wird sich ein Attest besorgen. Man wird behaupten, daß du selbst eine alte, kranke Dame nicht verschonst, nur um den Prozeß zu verschleppen und...« »Das weiß ich alles«, unterbrach Mason ihn ungeduldig. »Also bitte, sieh zu, daß die Zeugenvorladung in ihre Hände kommt.« »Aber, Perry, sie weiß doch von der ganzen Sache nichts.« »Nur das, was ihr Kirby erzählt hat.« »Aber Kirby hat doch... Ach so, ich verstehe. Aber ich warne dich, Perry. Du rennst gegen Mauern und kannst dir dabei den Kopf einrennen. Der Richter wird klipp und klar von dir verlangen, was du mit dieser Zeugin beweisen willst und dann...« »Na, dann werde ich es ihm eben sagen«, meinte Mason. »Du brauchst mehr, als nur einen Verdacht, Perry. Vor allem mußt du einen Beweis für deine Annahme erbringen, und das Gericht kann sich dann entscheiden, ob...« »Sag mal, Paul, willst du mir etwa die Strafprozeßordnung erklären?« erkundigte sich Mason freundlich. Drake überlegte einen Moment, dann grinste er verlegen. »Natürlich nicht, aber es hat sich fast so angehört, wie?« -1 5 7 -
18 Der Gerichtssaal war zum Bersten gefüllt, als der Gerichtsdiener die Voruntersuchung gegen Steffanie Malden aufrief. »Die Verteidigung ist bereit«, sagte Perry Mason. Hamilton Burger beantwortete Masons Herausforderung. »Und die Anklage ebenfalls.« »Euer Gnaden«, begann Burger salbungsvoll, »ich darf annehmen, daß es Mr. Mason nicht darauf abgesehen hat, dem Staat eine Menge unnötiger Kosten zu verursachen. Immerhin ist diese Vorverhandlung bereits einmal geführt worden. Ich möchte daher die Gegenpartei auffordern, folgendem zuzustimmen: Das Beweismaterial, das bei der ersten Voruntersuchung vorgelegt wurde, soll als in dieser Untersuchung erbracht gelten. Ich habe eine Abschrift des Protokolls, und wenn Einigkeit über meinen Antrag erzielt wurde, werde ich das Original dem Gericht, eine Kopie an Mr. Mason geben und eine für mich behalten.« »Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten«, sagte Mason und winkte mit der Hand ab. »Die Verteidigung stimmt dem Antrag unter der Voraussetzung zu, daß ich das Recht habe, jeden Zeugen, der bei der ersten Verhandlung ausgesagt hat, nochmals ins Kreuzverhör zu nehmen.« »Gut. Auf Mr. Masons Zustimmung hin wird hierdurch beschlossen, daß Aussagen und Beweisgegenstände, die in der vorigen Verhandlung gegen Mrs. Malden vorgebracht wurden, für diese Voruntersuchung Gültigkeit haben. Mr. Mason hat das Recht auf weiteres Kreuzverhör jedes Zeugen, der in der vorangegangenen Voruntersuchung ausgesagt hat. Rufen Sie also Ihren nächsten Zeugen, Herr Ankläger.« »Sergeant Holcomb«, verkündete Burger. Sergeant Holcomb von der Mordkommission trat vor, legte den Eid ab und gab dem Protokollführer seine Personalien an. -1 5 8 -
»Haben Sie einen Versuch unternommen«, begann Burger, »den Zahnarzt zu finden, der Dr. Summerfield Malden behandelt hat?« »Ja, Sir, das habe ich.« »Fanden Sie ihn?« »Der einzige Zahnarzt, den ich finden konnte, hat Dr. Malden vor ungefähr sieben Jahren behandelt.« »Wie heißt er?« »Dr. Reedley Munger.« »Das ist im Augenblick alles«, sagte Burger. »Keine Fragen«, verkündete Mason. »Dr. Reedley Munger, bitte«, rief Burger. Dr. Munger war ein großer, schlanker, etwas vertrocknet wirkender Mann. Auch das Verhör mit ihm führte Hamilton Burger selbst durch. »Dr. Munger, würden Sie bitte Ihre Qualifikation bestätigen, Doktor der Zahnchirurgie zu sein?« »Einen Moment bitte«, sagte Mason, »die Verteidigung ist bereit, die Qualifikation anzuerkennen unter der Voraussetzung, daß wir später zu diesem Punkt ein Kreuzverhör führen können.« »In Ordnung«, bestimmte Richter Telford. »Fahren Sie fort, Mr. District Attorney.« »Kannten Sie Dr. Summerfield Malden?« »Jawohl, Sir.« »Konsultierte Dr. Malden Sie als Zahnarzt?« »Ja.« »Wann war das?« »Er kam einige Jahre zu mir; das letzte Mal kam er vor sieben Jahren.« »Haben Sie ein Krankenblatt von Dr. Maldens Zähnen?« »Jawohl, Sir.« -1 5 9 -
»Haben Sie eine Leiche, oder besser gesagt, die verkohlten Überreste einer Leiche gesehen, die im Leichenschauhaus unter Nummer 11,231 liegt?« »Jawohl, Sir, das habe ich.« »Haben Sie das Gebiß dieser Leiche untersucht?« »Jawohl.« »Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt das Krankenblatt Dr. Maldens bei sich?« »Jawohl, Sir.« »War die Leiche Ihrer Meinung nach die von Dr. Summerfield Malden?« »Aber Mr. Burger«, antwortete Munger, »so haben Sie mir die Frage aber nicht gestellt, als wir...« »Aber jetzt stelle ich sie so«, donnerte Burger. »Ja oder nein?« Munger spitzte die Lippen und verzog den Mund. »Meine Kartei war nicht komplett. Ich...« »Sie sollen meine Frage beantworten«, unterbrach ihn Burger ärgerlich. Damit hatte er den Zahnarzt völlig verbittert. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. Der District Attorney schien über die Antwort seines Zeugen fassungslos zu sein. »Was wissen Sie denn?« schimpfte er. »Eines jedenfalls«, erwiderte Munger aufgebracht, »ich weiß über Zahnmedizin genauso viel, wie Sie über das Gesetz wissen sollten.« Ein dröhnendes Gelächter ging durch den Gerichtssaal. Selbst Richter Telford schien der Meinung zu sein, daß Burger sich diese Antwort selbst zuzuschreiben hatte. Er wartete einen Moment, bevor er zur Ordnung rief und die Besucher zur Ruhe ermahnte. »Was ich gemeint habe«, sagte Burger, und sein Gesicht war wutverzerrt, »war, was Sie über das Gebiß der Ihnen gezeigten Leiche, verglichen mit Ihrer Karteikarte, wissen.« -1 6 0 -
»Dr. Malden hatte ungewöhnlich gute Zähne«, antwortete Munger. »Auch, als ich ihn das letzte Mal behandelte, war sein Gebiß in tadelloser Verfassung. Die Leiche, deren Zähne ich untersuchte, hatte eine durchschnittliche Menge paradentöse Erscheinungen und die damit verbundenen Zahnreparaturen. Ich entdeckte mehrere kleine Füllungen, wie sie auch mein Krankenblatt von Dr. Malden zeigt. Dabei muß man aber in Betracht ziehen, daß die Leiche, die man mir zeigte, einer ungewöhnlichen Hitze ausgesetzt war. Zusammenfassend möchte ich sagen, daß es möglich wäre, daß die Leiche Dr. Malden war. Es kann sich jedoch genauso gut um eine andere Person handeln.« Burger zögerte einen Moment, flüsterte mit Carl Hurley, dann rief er: »Kreuzverhör!« »In welcher Weise unterschieden sich die Zähne der Leiche mit den Eintragungen auf Ihrem Krankenblatt, Herr Doktor?« fragte Mason freundlich. »Der Mann, dessen Leiche ich sah, war viel öfter zahnärztlich behandelt worden. Zwei der Zähne, die ich vor sieben Jahren bei Dr. Malden plombierte, waren bei der Leiche gezogen worden. Aus diesem Grunde kann ich über diese beiden Zähne nichts mehr sagen. Ein Weisheitszahn, den ich Dr. Malden zog, fehlte auch bei der Leiche. Und auch eine Plombe, die mein Krankenblatt von Dr. Malden aufwies, war bei der Leiche vorhanden. Sie unterschied sich in keiner Weise von der von mir angefertigten.« »War das alles, was Sie feststellten?« »Ja, Sir,« »Wieviel andere Plomben waren gemacht worden?« »Fünf.« »Dann müßte Dr. Malden also, falls es sich um seine Leiche gehandelt hätte, seit Ihrer letzten Behandlung ziemlich umfangreiche anderweitige Zahnbehandlungen gehabt haben?«
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»Ich würde nicht umfangreich sagen, Mr. Mason, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich versuche, meine Aussage so akkurat wie möglich zu machen, und würde es gern so formulieren: falls es sich um Dr. Maldens Leiche gehandelt hat, müßte er sich einer zusätzlichen Zahnbehandlung unterzogen haben.« »Gut. Haben Sie mit Dr. Malden auch privat verkehrt?« »Jawohl, Sir.« »Oft?« »Ach, wir trafen uns dann und wann. Wir waren Mitglieder im selben Klub.« »Haben Sie Dr. Malden bei solchen Gelegenheiten darauf angesprochen, daß es für ihn wieder einmal an der Zeit wäre, seine Zähne untersuchen zu lassen?« »Nein, Sir, das tat ich nicht. Es ist nicht meine Art. Mein Kontakt zu Dr. Malden war rein gesellschaftlich.« »Sagte er Ihnen, daß er einen anderen Zahnarzt konsultiert hat, seit er das letzte Mal bei Ihnen war?« fragte Mason. »Einspruch!« rief Burger. »Abgelehnt!« »Nein, das sagte er nicht«, antwortete Dr. Munger. Mason grinste Hamilton Burger an. »Das ist alles. Vielen Dank, Dr. Munger«, sagte er zu dem Zeugen. »Einen Moment noch«, hielt Burger den Zeugen zurück, der schon seinen Platz verlassen wollte. »Ist es möglich, ich meine vom Standpunkt der zahnärztlichen Vergleichung aus, daß die Leiche die von Dr. Summerfield Malden ist?« »Es ist möglich.« »Ist es wahrscheinlich?« fragte Mason. »Das zu entscheiden überlasse ich dem Gericht«, antwortete Munger. »Sehr richtig«, lobte Richter Telford lächelnd. »Keine weiteren Fragen«, meinte Mason. -1 6 2 -
»Die Anklage verzichtet auf weitere Zeugenvernehmungen«, verkündete Hamilton Burger. Mason stand wieder auf. »Sie haben einen großen Pressewirbel veranstaltet«, sagte er zu Burger, »und betonten, daß Sie Darwin Kirby als Ihren Hauptbelastungszeugen herbringen. Weshalb rufen Sie ihn jetzt nicht auf und...« Der Richter klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch. »Die Verteidigung möge Ihre Bemerkungen an das Gericht adressieren«, sagte er. »Ich dulde keinerlei persönliche Beleidigungen oder Anwürfe zwischen den Parteien.« Mason schwieg. »Also, wünschen Sie einen Antrag zu stellen, Mr. Mason?« erkundigte sich Richter Telford. »Jawohl, Euer Gnaden. Ich beantrage, die Beschuldigte aus der Haft zu entlassen und die Anklage gegen sie fallenzulassen, weil nicht genügend Beweise dafür erbracht wurden, daß die Beklagte eines Mordes schuldig ist.« Burger sprang auf. Richter Telford deutete ihm an, sich hinzusetzen. »Ich glaube nicht«, sagte er, »daß über diesen Punkt gestritten werden kann. Wie die Sache jetzt steht, ist das Gericht auch bei größtem Wohlwollen der Meinung, daß das Beweismaterial der Anklage ausreicht, um Grund für die Annahme zu schaffen, daß Dr. Malden ermordet wurde und daß hinreichend Verdachtsmomente existieren, die die Beschuldigte belasten. Bei einem Schwurgerichtsprozeß würden diese Verdachtsmomente für einen Schuldspruch nicht ausreichen. Dort muß eine lückenlose Beweiskette erbracht werden. Im Zweifelsfall wird sonst zugunsten der Angeklagten entschieden. Da wir hier jedoch eine Voruntersuchung verhandeln, kann dem Antrag der Verteidigung zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgegeben werden. Beginnen Sie also bitte mit Ihrer Gegenbeweisführung, Mr. Mason.«
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»Dann rufe ich Darwin Kirby als meinen Zeugen auf«, sagte Mason. Hamilton Burger war aufgestanden. »Euer Gnaden«, wandte er ein, »es ist eine sehr unangenehme Angelegenheit für mich. Sie zu dis...« »Dann diskutieren Sie sie eben nicht«, unterbrach ihn der Richter. »Hören wir uns Mr. Kirbys Aussage an. Er ist soeben als Zeuge der Verteidigung aufgerufen worden.« »Euer Gnaden, es tut mir leid«, sagte Burger, »aber Darwin Kirby war auch als Zeuge der Anklage geladen. Unglücklicherweise ist er jedoch nicht greifbar.« »Was soll das heißen?« fragte Richter Telford. »Wir wissen nicht, wo er ist. Aus diesem Grunde würde ich folgenden Vorschlag machen: Mr. Mason soll erklären, was er durch diesen Zeugen zu beweisen versucht. Ich kenne die Aussage Darwin Kirbys bis ins Detail und kann mir vorstellen, weshalb er nicht erschienen ist. Mißachtung des Gerichts scheidet aus, das möchte ich von vornherein betonen.« »Euer Gnaden«, entgegnete Mason, »ich beantrage eine Vertagung. Darüber hinaus beantrage ich, daß gegen den Zeugen Darwin Kirby Haftbefehl erlassen wird. Bis der Zeuge gefunden wird, beantrage ich eine Aussetzung der Verhandlung.« »Haben Sie Darwin Kirby eine Zeugenvorladung ausgehändigt?« fragte Richter Telford. »Ja, Euer Gnaden«, antwortete Perry Mason. Einen Augenblick zögerte der Richter, dann wandte er sich an Hamilton Burger. »Wie ich aus der Presse entnahm, war Mr. Kirby als Hauptbelastungszeuge im Gewahrsam der Anklage. Stimmt das?« »Das stimmt, Euer Gnaden«, antwortete Burger. »Das heißt, das Wort Gewahrsam trifft nicht ganz zu. Er wurde in einem Hotel in der Stadtmitte untergebracht.« »Wurde er bewacht?« »Jawohl, Euer Gnaden.« -1 6 4 -
»Und was geschah dann?« fragte Richter Telford mißtrauisch. »Mr. Kirby hat das Hotel verlassen.« »Wann?« »Heute morgen sehr früh. Der Polizist glaubt, Mr. Kirby hat ihn überlistet. Ich habe Grund zu der Annahme, daß... Nein. Ich glaube nicht, daß ich meiner persönlichen Meinung hier Ausdruck geben sollte«, unterbrach sich Burger selbst. »Ich möchte jedoch feststellen, daß Mr. Kirbys Verschwinden nichts damit zu tun hat, daß er hier nicht aussagen will. Ich wiederhole also meinen Vorschlag, daß die Verteidigung bekanntgibt, was sie durch Kirby zu beweisen versucht. Dann können wir zustimmen oder ablehnen, und die Verhandlung kann weitergehen.« »Ja, Mr. Mason«, sagte Richter Telford, »ich glaube auch, daß Sie im Hinblick auf die Tatsache, daß Sie wegen Fehlens eines Zeugen eine Aussetzung der Verhandlung beantragen, dem Gericht erklären sollten, was Sie durch diesen Zeugen zu beweisen versuchen.« »Jawohl, Euer Gnaden«, antwortete Mason. »Die Verteidigung beabsichtigt, durch die Zeugenaussage von Mr. Darwin Kirby folgendes unter Beweis zu stellen: Darwin Kirby und Dr. Summerfield Malden verließen das Haus des Arztes an dem Tag, an dem Dr. Malden angeblich ermordet wurde. Mr. Kirby beabsichtigte, nach Denver zu fliegen, Dr. Malden wollte in seiner Privatmaschine nach Salt Lake City. Aus diesem Grunde fuhren die beiden Herren zusammen in einem Wagen zum Flugplatz. Die Herren beschlossen, zusammen in Dr. Maldens Wagen nach Salt Lake City zu fahren. Sie wollten noch eine Menge besprechen, konnten sich beim Fahren ablösen und in 24 Stunden ihr Ziel erreichen. Von dort sollte dann Kirby eine Verkehrsmaschine nach Denver benutzen. Auf diese Weise waren die beiden Freunde so lange wie möglich zusammen. -1 6 5 -
Daraufhin rief Dr. Malden seinen Chauffeur, Ramon Castella, an und wies ihn an, die Maschine nach Salt Lake City zu fliegen. Auf diese Weise hätte Dr. Malden während des Ärztekongresses auch seinen Wagen in Salt Lake City zur Verfügung gehabt. Nach Beendigung der Tagung wollte Malden in seiner Maschine zurückfliegen, während sein Chauffeur den Wagen zurückfahren sollte.« Mason setzte sich. Hamilton Burgers Gesicht war überrascht und ärgerlich zugleich. Er klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch. Plötzlich sprang er wütend vom Stuhl hoch. »Euer Gnaden!« brüllte er los. »Die Verteidigung hat niemals vor, etwas Derartiges zu beweisen. Das ist einzig und allein wieder eine Verzögerungstaktik, eine Verhöhnung des Gerichtes ist das. Ich verlange, daß Mr. Mason hinsichtlich der hier vorgetragenen, lächerlichen Mutmaßungen die Spur eines Beweises erbringt. Ich fordere den Verteidiger auf, dem Gericht gegenüber zu erklären, daß er mit Mr. Kirby gesprochen hat und daß dieser ihm Grund zu der Annahme gab, er würde etwas Derartiges vor Gericht aussagen. Außerdem verlange ich...« »Ich durfte ja nicht mit Kirby sprechen«, unterbrach ihn Mason. »Die Anklage hat ihn regelrecht isoliert,« »Euer Gnaden«, schrie Burger, »die Sache kommt immer mehr auf böse Absicht hinaus. Das paßt genau zu dem Ruf des Herrn Verteidigers, seine faulen Tricks im letzten Augenblick anzuwen...« Richter Telfords Hammer knallte auf den Tisch. »Lassen Sie gefälligst den Ruf des Verteidigers aus dem Spiel«, donnerte er. »Beschränken Sie sich auf die Tatsachen, Mr. Burger, und auf Argumente, die Sie vom Gericht berücksichtigt zu haben wünschen. Das Gericht beabsichtigt nicht, Sie in dieser Hinsicht noch einmal zu verwarnen. Es hat sehr drastische Hilfsmittel zur Hand, seine Anordnungen durchzusetzen, wenn es nötig ist.
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Also merken Sie sich das. Ich wünsche keine weiteren persönlichen Beleidigungen im Gerichtssaal. Haben Sie mich verstanden?« »Jawohl, Euer Gnaden.« »Also, dann fahren Sie fort.« »Ich glaube, Euer Gnaden«, schnaufte Hamilton Burger, »daß es nur fair ist, wenn ich behaupte, daß die Abwesenheit Darwin Kirbys für die Verteidigung nicht nachteilig, sondern nur zu ihrem Vorteil ist. Reporter, Polizeibeamte, Mitglieder meines Büros, sie alle haben sich Darwin Kirbys Aussage angehört. Kirby hat glaubwürdig versichert, daß er aus der Flasche, die uns hier als Beweisstück vorliegt, Whisky getrunken hat, daß auch Dr. Malden aus dieser Flasche trank und daß er, Kirby, die Wirkung des Morphiums sehr rasch zu spüren bekam. Der Aussage des Zeugen Darwin Kirby zufolge ist es möglich, ohne jeden Zweifel unter Beweis zu stellen, daß Dr. Malden in seinem Privatflugzeug nach Salt Lake City flog. Er stand ebenfalls unter dem Einfluß des Rauschgiftes, dem er schließlich ja auch zum Opfer fiel. Euer Gnaden, ich kann ein halbes Dutzend Zeugen beibringen, die bis ins Detail die Aussage von Darwin Kirby gehört haben und sie bestätigen würden.« »Das wäre natürlich Hörensagen«, warf Mason ein. »Das spielt für meinen Antrag überhaupt keine Rolle«, entgegnete Burger ärgerlich. Telford nickte. »Mr. Mason, Sie haben Darwin Kirby niemals verhört?« fragte er. »Nicht über diese Phase des Falles, Euer Gnaden. Der District Attorney, unterstützt von zwei Polizisten aus Denver, hat alles getan, um mich daran zu hindern.« »Haben Sie Grund zu der Annahme, Mr. Mason«, fragte Richter Telford geduldig, »daß Kirbys Aussage vor Gericht so lauten würde, wie Sie sie eben schilderten, ich meine,
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schließen Sie das aus irgendeiner Bemerkung Kirbys Ihnen gegenüber?« »Nein, Euer Gnaden.« »Aber, Mr. Mason«, versuchte Richter Telford es noch einmal, »Sie müssen doch irgendeinen Grund für Ihre Behauptung haben.« »Euer Gnaden«, antwortete Mason, »ich habe mir gedacht, daß Darwin Kirby, obwohl er von mir eine Zeugenvorladung erhielt, nie vor Gericht erscheinen würde. Er hätte nie gewagt, seine Märchen, die er der Presse, der Polizei und dem District Attorney aufgetischt hat, unter Eid zu wiederholen. Ich wollte Kirby in den Zeugenstand stellen, aber der District Attorney reagierte höchst eigenartig und drohte mir mit Verhaftung, Ausschluß aus der Anwaltschaft, Bestrafung wegen unethischen Benehmens. Und jetzt, Euer Gnaden, hat der Zeuge genau das getan, was ich erwartet hatte. Er ist verschwunden. Die Anklage ließ durchblicken, daß sie mir dafür die Schuld in die Schuhe schiebt. Genausogut könnte ich die Andeutung machen, daß die Anklage dafür gesorgt hat, daß der Zeuge verschwindet.« »Beschuldigen Sie mich, Kirbys Verschwinden arrangiert zu haben?« rief Hamilton Burger und sprang auf die Beine. »Haben Sie mich nicht beschuldigt, für Kirbys Verschwinden verantwortlich zu sein?« fragte Mason statt einer Antwort. »Die Parteien werden gebeten, sich zu setzen«, fuhr Richter Telford dazwischen. »Wenn Sie noch etwas zu erklären wünschen, Mr. Mason, adressieren Sie es an das Gericht, wie es ordnungsgemäß ist.« »Ich habe diesen Zeugen durch Vorladung zur Aussage vor Gericht geladen«, sagte Perry Mason. »Ich hatte vor, ihn für die Verteidigung zu verhören. Der Zeuge ist nicht auffindbar. Die einzige Alternative, die mir für meine Verteidigung blieb, war, meine Behauptung über das, was er meiner Ansicht nach ausgesagt hätte, aufzustellen.« -1 6 8 -
»Aber sie entbehrt jeder Grundlage«, hielt ihm der Richter vor. »Ich habe mit gutem Gewissen etwas behauptet, von dem ich überzeugt bin«, antwortete Mason. Richter Telford trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch. »Die Situation«, meinte er, »ist ziemlich verworren. Was mich betrifft, so ist sie ohne Präzedens. Das Gericht ist der Meinung, daß Sie Ihre Behauptung in irgendeiner Form begründen sollten, Mr. Mason. Das Gericht hat Anspruch darauf, Ihren guten Willen zu sehen.« »Jawohl, Euer Gnaden«, sagte Mason. »Dann rufe ich Mrs. Charlotte Boomer als Zeugin auf.« Hamilton Burger schnellte von seinem Stuhl hoch. »Euer Gnaden«, sagte er und bemühte sich verzweifelt, seiner Stimme einen sachlichen Klang zu geben, »Mrs. Boomer ist eine alte Dame, die seit Jahren von der Hüfte ab gelähmt und an einen Rollstuhl gefesselt ist. Es ist körperlich für sie völlig ausgeschlossen, vor Gericht zu erscheinen. Im Hinblick auf die vorangegangenen Anwürfe des Verteidigers gegen mich widerstrebt es mir in größtem Maße, erneut darauf hinzuweisen, daß die Vorladung von Mrs. Boomer nichts weiter als eine Verzögerungstaktik ist. Mrs. Boomer weiß zur Sache nichts, aber auch gar nichts auszusagen, und es...« »Sie haben behauptet, Mrs. Boomer sei außerstande, ins Gericht zu kommen?« unterbrach ihn der Richter. »Jawohl, Euer Gnaden«, versicherte Burger. »Haben Sie ein ärztliches Attest dafür?« »Mehr als das. Der behandelnde Arzt befindet sich im Gericht und ist bereit, es zu bestätigen.« »Wer ist das?« »Dr. Charles Ennis.« »Treten Sie vor, Dr. Ennis«, grollte Richter Telford, über den Verlauf der Verhandlung sichtlich ungehalten. -1 6 9 -
Dr. Ennis, ein Mann Ende 50 mit einem betont sachlichen, kühlen Gehabe, trat vor und legte den Eid ab. Richter Telford nahm sich diesen Zeugen selbst zum Verhör vor, nachdem er die beiden Parteien angewiesen hatte, sich zu setzen. »Sie behandeln Mrs. Charlotte Boomer?« fragte der Richter. »Jawohl, Euer Gnaden.« »Wie ist ihre augenblickliche Verfassung?« »Sie ist von der Hüfte ab total gelähmt. Sie muß das Bett hüten. Gelegentliche kurze Ausflüge in ihrem Rollstuhl sind ihr zwar gestattet; eine Fahrt mit dem Wagen hierher in den Gerichtssaal steht jedoch außer Frage.« »Hätte ihr Erscheinen vor Gericht einen nachteiligen Effekt auf ihren Gesundheitszustand?« »Jawohl. Außer ihren körperlichen Leiden hat sie eine Nervenschwäche. Ich kann es nicht verantworten, daß meine Patientin einer solchen Strapaze ausgesetzt wird.« Richter Telford überlegte einen Moment, dann wandte er sich an Perry Mason: »Mr. Mason, bitte, vermeiden Sie Kontroversen, aber geben Sie dem Gericht bekannt, was Sie durch die Aussage von Mrs. Charlotte Boomer beweisen wollten.« Mason stand auf. »Sie verstehen, daß ich es so kurz und präzise wie möglich erläutert haben möchte«, fügte Richter Telford hinzu. Mason deutete eine leichte Verbeugung an. »Das heißt also«, fuhr Richter Telford fort, »ich möchte wissen, was sie hier ausgesagt hätte und was auch wesentlich und zweckdienlich für unsere Verhandlung gewesen wäre.« Wieder verbeugte sich Mason. »Also gut, reden Sie«, forderte der Richter und lehnte sich interessiert vor. »Nichts«, antwortete Mason lakonisch und setzte sich.
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Einen Augenblick lastete eine dramatische, angespannte Stille im Gerichtssaal, dann begann sich Richter Telfords Gesicht langsam dunkelrot zu verfärben. »Mr. Mason, stehen Sie auf!« donnerte er. Mason stand auf. »Sie haben Mrs. Boomer eine Zeugenvorladung geschickt?« »Jawohl, Euer Gnaden.« »Damit sie hier im Gericht als Zeugin der Verteidigung auftritt?« »Jawohl, Euer Gnaden.« »Ihnen war bekannt, daß die Zeugin krank ist?« »Jawohl, Euer Gnaden.« »Und Sie wußten ganz genau, daß Mrs. Boomer nichts zu dieser Voruntersuchung Gehörendes hier aussagen konnte?« »Jawohl, Euer Gnaden.« »Das ist eine offensichtliche Mißachtung des Gerichts, Mr. Mason. Sie werden daher...« »Einen Moment, Euer Gnaden«, rief der Anwalt. »Unterbrechen Sie mich nicht«, herrschte Richter Telford Perry Mason an. »Das Gericht verurteilt Sie zu einer Geldstrafe von 1000 Dollar und zu drei Monaten Haft wegen Nichtachtung des Gerichts.« Hamilton Burger lehnte sich mit einem Seufzer der Zufriedenheit zurück. Dann wandte er sich lächelnd an einige Zeitungsreporter, die eifrig Notizen machten, und blickte sie zuversichtlich an. »Darf ich das Gericht bitten, bekanntgeben zu dürfen, aus welchem juristischen Grund eine Bestrafung nicht ausgesprochen werden kann, Euer Gnaden«, bat Mason. »Ich glaube doch, daß selbst ein zum Tode Verurteilter noch das Recht auf eine Feststellung hat?« Man konnte Richter Telford ansehen, wie schwer es ihm fiel, sich unter Kontrolle zu halten. »Sie dürfen, Mr. Mason«, sagte er leise, »aber fassen Sie sich kurz.« -1 7 1 -
»Jawohl, Euer Gnaden. Meiner Ansicht nach kann Mrs. Boomer nichts Zweckdienliches zu unserer Verhandlung aussagen. Und mit dieser Tatsache steht und fällt meine Verteidigung.« »In welcher Weise?« fragte der Richter, zwar immer noch ärgerlich, aber bereits interessierter. »Dr. Ennis hat ausgesagt, daß sie eine so lange Reise nicht unternehmen könnte, ohne ihre Gesundheit zu gefährden. Wie vereinbart es sich dann, daß Charlotte Boomer angeblich ihren Neffen Kirby besucht hat? Euer Gnaden, ich glaube, es ist mein gutes Recht, den Zeugen Dr. Ennis ins Kreuzverhör nehmen zu dürfen. Ich erlaube mir, mit allem Respekt die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf zu lenken, daß das Gericht mich, bevor ich Gelegenheit zu diesem Kreuzverhör hatte, aufforderte, aufzustehen, mir eine Frage vorlegte und mich wegen der Beantwortung dieser Frage sodann bestrafte. Ich vertrete eine Beschuldigte, der man ein Gewaltverbrechen zur Last legt. Ich werde beweisen, daß Mrs. Boomer über diesen Fall nichts weiß und daß sie in Wirklichkeit Darwin Kirby gar nicht besucht hat. Ich glaube, Euer Gnaden, daß der District Attorney, wenn er sich ordnungsgemäß verhalten will, mit den Polizeiwachen sprechen wird und dem Gericht danach erklären muß, daß Darwin Kirby in Wirklichkeit einen Besucher hatte, der...« Mason brach ab, als Sergeant Holcomb vortrat und Hamilton Burger etwas ins Ohr flüsterte. Burger stand auf. »Die Anklage hat nicht vor«, rief er, »vor dem Gericht etwas zu verbergen. Charlotte Boomer hat gestern Darwin Kirby besucht.« »Wie kommt es dann«, wandte Mason sich an Burger, »daß Sie einen Zeugen ins Gericht zitieren, der aussagt, daß eine Fahrt in den Gerichtssaal, der gewiß nicht weiter ist als das Hotel, in dem Kirby wohnte, für ihre Gesundheit gefährdend sei?« -1 7 2 -
Hamilton Burger drehte sich um und blickte verdutzt auf Sergeant Holcomb. Dieser zuckte mit den Achseln. »Und jetzt«, fuhr Mason fort, »erneuere ich meine Bitte, Euer Gnaden, Dr. Ennis ins Kreuzverhör nehmen zu dürfen.« »Bitte sehr, das Recht haben Sie«, antwortete Richter Telford kurz angebunden. Mason lächelte den Internisten an. »Herr Doktor«, sagte er, »Sie haben ausgesagt, daß es für die Gesundheit Mrs. Boomers sehr schädigend wäre, wenn sie das Sanatorium verlassen und hier als Zeugin ausgesagt hätte?« »Jawohl, Sir.« »Wann haben Sie Mrs. Boomer das letzte Mal gesehen?« »Heute morgen.« »Auf wessen Veranlassung?« Der Arzt zögerte einen Augenblick, sah auf Burger, dann antwortete er: »Auf Veranlassung von Mr. Burger.« »Und in welcher gesundheitlichen Verfassung befand sie sich?« »In keiner guten.« »Verglichen mit ihrem Zustand gestern?« »Unverändert, seit ich sie das letzte Mal sah.« »Und wann war das?« »Vor 48 Stunden.« »Und wie fühlte sie sich da, ich meine, verglichen mit ihrem Zustand vor einer Woche?« »Ungefähr genauso.« »Dann erklären Sie mir doch bitte, weshalb ihr Besuch bei ihrem Neffen ihr offenbar nicht schadete?« Der Arzt preßte ärgerlich die Lippen aufeinander. »Ich glaube nicht, daß sie diese Fahrt unternahm«, sagte er. »Was heißt das? Glauben Sie es, oder wissen Sie es?« »Doch, ich weiß es.« -1 7 3 -
»Woher, Herr Doktor?« »Weil sie ohne meine Zustimmung das Sanatorium überhaupt nicht verlassen darf.« »Und die haben Sie nicht gegeben?« »Nein, Sir.« »Wenn also Sergeant Holcomb behauptet, Mrs. Boomer hätte gestern Darwin Kirby hier in der Stadt besucht, dann muß er sich Ihrer Ansicht nach irren?« »Ich erhebe Einspruch«, rief Burger, »Die Frage ist argumentativ.« »Stattgegeben.« »Keine weiteren Fragen«, verkündete Mason lächelnd und setzte sich. Wieder trommelten Richter Telfords Finger auf dem Tisch. Dann wandte er sich an den Arzt: »Dr. Ennis«, sagte er, »sind Sie sicher, daß diese Frau das Sanatorium nicht verlassen hat?« »Ja, Euer Gnaden, ich bin sicher. Von dieser Reise hätte ich spätestens heute morgen bei der Visite etwas erfahren.« »Wie ist die geistige Verfassung der Patientin?« »Nicht gut. Mrs. Boomer leidet an zeitweiligem Gedächtnisschwund. Ich bin völlig überzeugt, daß sie das Sanatorium allein nicht verlassen konnte, um in dieses Hotel zu fahren.« »Also gut«, meinte der Richter. »Haben Sie noch Fragen, Mr. District Attorney?« Wieder begann Burger mit Sergeant Holcomb zu flüstern. Holcomb schien eifrig zu protestieren, und Burger schüttelte mehrmals den Kopf. Schließlich sah er den Richter an und antwortete: »Danke, keine Fragen, Euer Gnaden.« »In Verbindung mit meinem Antrag bitte ich, Sergeant Holcomb in den Zeugenstand zurückzurufen«, sagte Mason. Der Polizeisergeant schien darauf zu brennen, als Zeuge auszusagen. Rasch trat er vor, gab seine Personalien an und -1 7 4 -
legte den Eid ab. Dann wandte er sich erwartungsvoll Mason zu. »Kennen Sie Mrs. Charlotte Boomer, eine Tante von Darwin Kirby«, fragte Mason. »Selbstverständlich«, antwortete Holcomb. »Wann haben Sie sie gesehen?« »Gestern.« »Wo?« »In dem Zimmer, das Darwin Kirby in einem Hotel hier in der Stadt bewohnte.« »Sie erlaubten ihr also, Kirby zu besuchen?« »Jawohl, das habe ich getan.« »Sprachen Sie auch mit ihr?« »Nicht sehr viel.« »Aber Sie sprachen mit ihr?« »Ja.« »Können Sie sie beschreiben?« »Sie saß in einem Rollstuhl und war ganz in Decken eingehüllt.« »Können Sie ihr Gesicht beschreiben?« »Sie hat ziemlich scharfe Gesichtszüge. Ihre Hautfarbe war frisch. Was mir am meisten an ihr aufgefallen ist, waren ihre Augen. Sie hat kluge, wache, scharfe Augen.« »Welche Farbe?« »Stahlgrau.« Von hinten rief Dr. Ennis laut: »Ihre Augen sind braun.« Richter Telford war so gefangengenommen, daß er diese ungebührliche und vor Gericht unzulässige Einmischung gar nicht bemerkt zu haben schien. »Welche Augenfarbe, sagten Sie, Herr Doktor?« »Braun«, wiederholte der Arzt.
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»Grau«, protestierte Holcomb. »Ich habe es ganz genau gesehen.« Dr. Ennis stand auf. »Ihre Gesichtszüge sind auch keinesfalls scharf, im Gegenteil, Euer Gnaden. Mrs. Boomers Gesicht ist geschwollen. Ein Laie würde sagen, sie hat Wassersucht.« »Stimmt nicht«, rief Holcomb dazwischen. »Sie hat ausgesprochen scharfgeschnittene Gesichtszüge.« »Woher wissen Sie eigentlich, daß es Charlotte Boomer war?« erkundigte sich Mason lächelnd. »Nun, sie hat es gesagt, und Darwin Kirby hat es bestätigt.« Mason grinste, »Sie hätten sich nicht auf Hörensagen verlassen sollen, Sergeant Holcomb«, meinte er. »Für Ihren Beruf ist so etwas immer schlecht. Zu Ihrer Information: Die Person, die Darwin Kirby besuchte, war Dr. Summerfield Malden.« Hamilton Burger sprang auf, hielt die Luft an, starrte völlig perplex auf Mason, dann auf Holcomb und schließlich auf den Richter. Dann setzte er sich langsam wieder hin, als hätten ihm seine Beine auf diese Überraschung hin den Dienst versagt. Richter Telford blickte ebenfalls von einem zum anderen. »Dr. Ennis«, sagte er zu dem Arzt, »können Sie bitte feststellen, ob Mrs. Boomer gestern tatsächlich das Sanatorium verließ oder nicht?« »Gewiß«, antwortete Ennis. »Wie lange wird es dauern, bis Sie diese Auskunft haben?« »Ich brauche nur anzurufen«, antwortete Dr. Ennis. Jetzt schien Hamilton Burger sich von seinem Tiefschlag erholt zu haben. »Euer Gnaden«, sagte er, »ich protestiere gegen diese wilde Behauptung des Verteidigers, daß der Besucher Dr. Malden war. Er kann es nicht beweisen.« »Euer Gnaden«, meinte Mason ruhig, »der District Attorney hat die Behauptung aufgestellt, daß die Besucherin, die Kirby empfing, Mrs. Charlotte Boomer war, ohne es beweisen zu können. -1 7 6 -
Und im Hinblick auf die Behauptung Mr. Burgers, die sich in wenigen Minuten als falsch erweisen wird, glaube ich doch, das Recht zu haben, meinerseits zu behaupten, daß es in Wirklichkeit Dr. Summerfield Malden war, der zu Kirby fuhr.« Damit setzte sich Mason hin. Wie auf ein geheimes Kommando hin stürzten die Reporter zu den Ausgängen. Vergeblich versuchte Richter Telford, die Ruhe wiederherzustellen. Auch sein Hinweis, die Verhandlung sei noch nicht abgeschlossen, blieb unbeachtet. Den Zeitungsleuten brannte eine Sensation auf den Nägeln. Jeder wollte als erster an ein Telefon kommen.
19 Paul Drake klopfte mit seinem Geheimrhythmus an die Tür zu Masons Privatbüro. Della Street öffnete sofort. »Wie, zum Donnerwetter, hast du das gewußt, Perry«, platzte der Detektiv heraus. »Gewußt habe ich es nicht, aber angenommen«, antwortete Mason. »Wodurch?« »Wir haben uns alle nur bluffen lassen und dadurch den Sinn für die Tatsachen verloren. Hast du schon einmal einen Zauberkünstler bei dem alten Uhrentrick beobachtet? Er holt von jemand eine Uhr und läßt sie, während er auf die Bühne zurückgeht, von einer Hand zur anderen gleiten. Er wiegt das Publikum in dem Glauben, es sei dieselbe Uhr. In Wirklichkeit hat er sie längst vertauscht. Im Fall Malden wäre ich beinahe in die Falle getappt. Überleg doch: Summerfield Malden arbeitete sich in seiner hektischen Praxis fast zu Tode. Er wußte, ihm blieben nur noch ein paar Jahre zum Leben. Was er brauchte, waren körperliche und seelische Ausspannung.« Drake und Della Street nickten. -1 7 7 -
»Er liebte eine Krankenschwester«, fuhr Mason mit seiner Erklärung fort, »und wollte natürlich mit ihr zusammen sein. Seine Frau war eiskalt und berechnend. Sie wollte sich nicht von ihm scheiden lassen, sondern hatte vor, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen. Sie schnüffelte herum und ließ sich von seinem Kalender Fotokopien anfertigen, machte Wachsabdrücke von seinen Schlüsseln und ließ ihn keinen Moment aus den Augen.« Drake seufzte und fragte: »Und wie geht’s weiter?« »Nun, und dann verschwindet Dr. Malden«, fuhr Mason fort. »Offenbar ist er in der Lage, 100000 Dollar Bargeld mitgehen zu lassen. Die Krankenschwester ist ungefähr zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls wie vom Erdboden verschwunden. Was ist unter diesen Umständen die logischste Schlußfolgerung?« Drake grinste. »So, wie du es erzählst, Perry, gibt es nur eine einzige. Malden wußte, daß seine Tage gezählt sind, organisiert sich genügend Geld, um die verbleibende Zeit in Ruhe und mit der Frau, die er liebt, zusammenleben zu können.« »Genau so ist es«, antwortete Mason. »Malden ist ein Mann, der alle Dinge bis ins kleinste Detail plant und vorbereitet. Ohne Zweifel hatte er auch für sein Verschwinden einen perfekten Plan gemacht. Vielleicht wollte er unterwegs mit dem Fallschirm abspringen und sich dann von Gladys Foss mit dem Wagen abholen lassen. Dann kam ihm der Zufall zu Hilfe.« »Na, du hast jedenfalls richtig getippt, Perry«, sagte Drake. »Ich komme gerade aus dem Präsidium. Sie haben sich Ramon Castella vorgenommen, nachdem du deine Bombe im Gerichtssaal losgelassen hattest. Sie hatten nicht viel Mühe mit Castella. Er hat bereitwillig gesungen. Dr. Malden und Gladys Foss führten ein Doppelleben. Niemand wäre auf die Idee gekommen, hinter Mrs. und Mr. Charles Amboy, die seelenruhig seit Monaten in Sacramento wohnten, Malden und Gladys Foss zu vermuten. Sie hatten vor, früher oder später auf einer der kleinen Hawaii-Inseln ein modernes Robinsonleben zu führen. Verlockender Gedanke, -1 7 8 -
was? Kein Telefon, subtropisches Klima, Bananen, Kokosnüsse, Palmen, Sonnenschein und Wasser. Es war Darwin Kirby, der der Zivilisation längst den Rücken gekehrt hatte, der Malden diesen Floh ins Ohr setzte. Dem Geständnis zufolge, das Castella bei der Polizei machte, holten Kirby und Malden dessen Wagen aus der Garage und fuhren dann bei ihm vorbei. Er sollte die beiden zum Flugplatz bringen und dann den Wagen zurückfahren. Dr. Malden hatte vor, mit seiner Privatmaschine zu fliegen. Kirby wollte eine Verkehrsmaschine nehmen. Dann überlegten sie es sich anders. Die Freunde hatten sich ja allerhand zu erzählen. Kirby sollte also mit Malden zusammen in seiner Maschine nach Salt Lake City fliegen. Aber auch dieser Plan wurde wieder verworfen. Die beiden entschieden sich dafür, mit dem Auto zu fahren. Malden beauftragte also Castella, seine Maschine nach Salt Lake City zu bringen und dann mit dem Zug zurückzufahren. Castella ist ein cleverer Bursche, und er ahnte, was zwischen Malden und Gladys gespielt wurde. Die Entscheidung seines Chefs, mit dem Wagen zu fahren, war für ihn wie ein Geschenk. Der Boss eines Rauschgiftringes, dem Castella angehörte, machte ihm seit Wochen die Hölle heiß. Er wollte Maldens Flugzeug, um sich mit einem wichtigen Kunden in der Wüste zu treffen. Und nun war endlich eine Möglichkeit gekommen, daß Castella diesem Rauschgifthändler, den er haßte und fürchtete, dienlich sein konnte. Malden hatte den Flugplatz kaum verlassen, als Castella den Rauschgiftboss anrief und ihm das Flugzeug zur Verfügung stellte. Castella roch die Chance, mit einem Schlag aus der Bredouille zu kommen. Nach anfänglich kleineren Mengen Opiaten, die er aus der Praxis seines Chefs stahl und seinen Auftraggebern lieferte, wurde er von diesen erpreßt, immer größere Quantitäten zu beschaffen. Castella wußte, daß der Chef der Bande ein Trinker war. Er mischte also das Morphium in den Whisky, den er Malden vorher gestohlen hatte, und -1 7 9 -
animierte den Gangster vor dem Abflug, davon zu trinken, wozu dieser sich nicht zweimal bitten ließ. Jetzt brauchte Castella seiner Meinung nach nur noch zu warten. Die Maschine würde abstürzen, er, Castella, als der Tote identifiziert werden, und alles wäre in bester Ordnung, wenn er für immer verschwinden würde. Er wartete nur die Entwicklung der Dinge ab. Als die Behörden dann verkündeten, die Leiche im Flugzeug wäre Dr. Malden, schwieg Castella ängstlich, denn er mußte jeden Moment damit rechnen, daß Malden auftauchen und erklären würde, das sei ein Irrtum, denn Castella wäre an seiner Stelle geflogen. Aber Malden dachte nicht daran. Als er mit Kirby unterwegs war und im Radio die Nachricht seines Todes hörte, ergriff er diese Chance beim Schöpf. Der Weg zu seiner Trauminsel war frei. Kein Hahn würde je wieder nach ihm krähen. Als Malden nach 24 Stunden immer noch nicht aufgetaucht und den Irrtum erklärt hatte, ging Ramon Castella ein Licht auf. Er hatte einmal einen Brief von Kirby an Malden gelesen, in dem dieser das Leben auf seiner Insel anpries. Nein, Malden würde nicht wiederkommen. Castella kehrte in seine Wohnung zurück und erklärte seine Abwesenheit mit Reparaturarbeiten an Maldens Motorboot. Er sah sich schon als reicher Mann. Dadurch, daß Malden nicht wiedergekommen war, hatte er Castella indirekt die Tür zu ständigen Erpressungen geöffnet. Als Burger von dem versetzten Whisky hörte, konstruierte er sofort einen Mordfall gegen Mrs. Malden. Castella ließ sich Straffreiheit wegen seiner Rauschgiftschmuggelei, auf die man ihm gekommen war, zusichern und machte seine vernichtende Aussage gegen Steffanie Malden. Was konnte ihm schon passieren? Die einzigen, die ihm gefährlich werden konnten, waren Kirby und Malden. Und die würden sich hüten, es zu tun. Castella konnte also getrost seine Aussage gegen Steffanie Malden beschwören und auf Grund der ihm zugesicherten
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Straffreiheit beginnen, seinen Chef und Gladys Foss zu suchen und sie bis aufs Blut zu erpressen.« Mason hatte still zugehört. »Alles andere kann man sich dann wirklich leicht zusammenreimen«, meinte er lächelnd. »Kirby flog, nachdem er mit Malden in Salt Lake City angekommen war, nach Denver, um die letzten Schwierigkeiten mit seiner Frau auszuräumen. Gladys Foss mußte die Radiodurchsage von Maldens Tod ebenfalls gehört haben, und zwar, bevor sie das Flugzeug von Phoenix nach Salt Lake City nahm. Sie glaubte natürlich auch, daß ihr Geliebter tot war. Man kann sich gut vorstellen, wie ihr zumute war, als sie in Salt Lake City seine Stimme am Telefon hörte. Erinnern Sie sich, Della, daß uns die Stewardess von einer völlig gebrochenen Mrs. Amboy erzählte? Was ist mit dem Geld aus dem Wandsafe von der Wohnung in den Dixiewoods, Paul? Hast du darüber etwas erfahren können?« Drake schüttelte den Kopf. »Castella hatte von dieser Wohnung keine Ahnung. Wenn du mich fragst, hat sich Malden selber das Geld genommen und den Safe offenstehen gelassen. Er und Gladys hatten sich einen Plan zurechtgelegt. Es sollte so aussehen, als hätte sie das Geld genommen. Gladys war es, nach dem Motto, nach mir die Sintflut, egal. Dieser Schachzug hatte noch den Vorteil, daß die Steuerfahndung völlig durcheinandergebracht worden wäre. Sie hätte nicht mehr gewußt, wer nun wen betrogen hat. Stell dir nun mal Gladys’ Überraschung vor, als sie wieder in die Wohnung kam, die Safetür geschlossen und das Bild davorgehängt fand? Sie kannte doch Maldens Plan.« Mason nickte. »Das einzige, was mir an der ganzen Geschichte noch schleierhaft ist«, fuhr Drake fort, »ist, weshalb Malden sein
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ganzes Vermögen und seine Besitzungen seiner Frau vermacht hat, obgleich er sie doch haßte?« »Das mußte er doch tun«, erklärte Mason. »Es gehörte zu seinem Plan. Hätte er sie enterbt, wäre sie noch mißtrauischer geworden. Und er hatte sich ja für die paar Jahre, die ihm noch bleiben, genügend aus der Praxis und durch Pferdewetten beiseite gebracht. Du darfst nicht vergessen, Paul, zu diesem Zeitpunkt hatte er ja noch keine Ahnung von der späteren Entwicklung der Dinge. Für ihn stand nur fest, daß er eines Tages verschwinden würde.« »Ach so«, meinte Drake. Mason lachte. »Als Mrs. Malden zu mir kam, sagte sie tatsächlich die Wahrheit. Nur die Geschichte, daß sie verfolgt würde, war gelogen. Sie wollte, daß ich in die Wohnung gehe, den Safe öffne und das Geld herausnehme. Na ja«, fügte der Anwalt lächelnd hinzu, »es scheint, als hätten Dr. Malden und Gladys Foss ihre Pläne bereits verwirklicht. Ich habe das Gefühl, daß man die beiden nicht mehr finden wird. Er muß in Gladys’ Bungalow gewesen sein, als ich sie besuchte.« »Ich bin gespannt, was aus Kirby wird«, meinte Drake. Mason grinste. »Ich glaube nicht, daß Hamilton Burger sich sehr anstrengen wird, um Kirby zu finden. Kirby war bereit, alles zu tun, damit sein bester Freund verschwinden konnte. Er schreckte nicht davor zurück, die Polizei, die Presse und den District Attorney anzulügen, aber meineidig wollte er doch nicht werden. Ein Mann, der wie er der Zivilisation den Rücken gekehrt hatte, um auf irgendeiner paradiesischen Insel zu leben, wollte nicht riskieren, wegen Meineids eingesperrt zu werden.« »Du bist also sicher, daß Malden die verkleidete Tante war, die Kirby besuchte?« fragte Drake. »Natürlich. Kirby war es irgendwie gelungen, mit Malden in Verbindung zu treten. Wie, weiß ich auch nicht... warte mal, warte mal! Della, bringen Sie mir die Zeitungen von gestern.« Della ging zum Aktenschrank und legte ihrem Chef die Zeitungen auf den Schreibtisch. -1 8 2 -
Eilig durchblätterte Mason den Inseratenteil. »Hast du was gefunden?« fragte Drake gespannt. »Ja«, antwortete Mason, »und ich könnte mich ärgern, daß ich nicht früher darauf gekommen bin. Hör dir das an: SM: würde mir den rechten Arm abschneiden, um dir zu helfen, aber kann mir nicht leisten, ihn hochzuheben. D. K.« »Ja, das war’s«, meinte Drake. »Juristisch gesehen«, sinnierte Mason, »habe ich immer noch eine Gefängnisstrafe wegen Nichtachtung des Gerichts abzusitzen.« Er lächelte. »Vielleicht sollten wir essen gehen, denn es kann ja sein, daß es für lange Zeit das letzte anständige Essen ist, was ich bekomme.« »Wegen Richter Telford brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Perry«, beruhigte ihn Drake. »Er hat dich bei den Reportern herausgestrichen und behauptet, daß du eine der brillantesten Verteidigungsschlachten geführt hast. Er sagte, daß es deine Pflicht als Anwalt war, dich bis zum Letzten für deine Mandantin einzusetzen. Nur deine Courage hätte die Wahrheit an den Tag gebracht.« Mason ging zum Schrank und nahm seinen Hut. »Also gut, Paul«, meinte er. »Du bleibst hier und sammelst für mich die letzten Nachrichten. Ich will alles wissen, was weiter geschieht. Della und ich werden feiern gehen.« »So ist’s richtig«, beschwerte sich Drake. »Ich kriege immer den miesen Teil zugedacht.« Mason grinste. »Das glaubst du, Paul. Stell dir mal vor, ich hätte dir die Schlüssel für die Dixiewood-Apartments gegeben und dich gebeten, dich dort umzusehen?« Das halbe Lächeln aus Drakes Gesicht verschwand. »Du willst sagen, ich hätte den leeren Safe gefunden und...« »Genau«, unterbrach ihn Mason, immer noch grinsend. »Dann hätte Mrs. Malden geglaubt, du hättest sie um 100000 Dollar erleichtert.«
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»Du hast wie üblich wieder mal gewonnen, Perry«, meinte Drake und seufzte. »Haut ab und amüsiert euch. Ich werde hierbleiben und die Stellung halten. Mein Gott«, fügte er hinzu und schüttelte den Kopf, »ich hätte nie geglaubt, daß du das Geld wirklich genommen hättest.« »Na, denke mal weiter nach«, meinte Mason trocken, »dann wird dir langsam ein Licht aufgehen, wie mir zumute war, als ich die Safetür halb offen vorfand. Kommen Sie, Della.«
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