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Achim Mehnert
Die Macht der Ewigen
Ewigen Professor Zamorra Hardcover
Band 7
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Achim Mehnert
Die Macht der Ewigen
Ewigen Professor Zamorra Hardcover
Band 7
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Inhalt
Prolog
4
Kapitel 1
Weltenbrand
5
Kapitel 2
Im Bann der Dhyarra
12
Kapitel 3
Der letzte Tag
22
Kapitel 4
Flucht
32
Kapitel 5
Macht und Ewigkeit
44
Kapitel 6
Black Hole
54
Kapitel 7
Kristalle der Macht
64
Kapitel 8
Giftiger Stern
77
Kapitel 9
Requiem für einen Cyborg
91
Epilog
100
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Prolog
Mit Überlichtgeschwindigkeit raste das silbern schimmernde, um sein Zentrum rotierende
Ringschiff durch die Schwärze des Alls. Es hatte Kurs gesetzt auf ein kleines Planetensystem in
einem unbedeutenden Nebenarm der Galaxis.
Die Gedanken des einzigen biologischen Lebewesens, das sich außer den Cyborgs an Bord aufhielt,
kreisten immer wieder um das gleiche Thema. Was war alles geschehen in den letzten dreiviertel
Millionen Jahren? Wieso war, besonders über die Anfange, so wenig bekannt?
Je weiter es in die Vergangenheit ging, desto spärlicher wurden die Informationen, die erhalten
geblieben waren. Die Geschichte versickerte in einem undurchdringlichen Dunkel, in das Licht
gebracht werden musste. Das war eine der Aufgaben, die der Mann sich selbst gestellt hatte.
Sie erschien vergleichsweise einfach angesichts seines zweiten Ziels. Er dachte an Nazarena
Nerukkar und den Goldenen Planeten. Sie war inzwischen lange genug ERHABENE der
DYNASTIE DER EWIGEN. Es wurde Zeit, dass endlich jemand etwas dagegen unternahm. Der
Mann hatte sich vorgenommen, das selbst zu tun, weil er sich dazu befähigt fühlte. Die Tage und
die viel zu langen Jahre Nazarena Nerukkars waren gezählt.
In Gedanken versunken, tastete er nach dem Dhyarra-Kristall, den er bei sich trug. Pulsierend
schmiegte sich der mächtige blaue Sternenstein in seine Hand und verlieh ihm die Sicherheit, die er
für seinen bevorstehenden Kampf brauchte. Zwar vertraute er auf seine eigenen Fähigkeiten und
zweifelte nicht daran, seine Pläne, besonders den zweiten, in die Tat umsetzen zu können, aber der
Weg, der noch vor ihm lag, war lang und beschwerlich.
Er bremste das Raumschiff ab, als es sich dem Zielstern näherte, dem gelben Zentralgestirn eines
kleinen Sonnensystems mit neun Planeten, von denen der dritte bewohnt war. Er hieß Gaia und war
der einzig interessante Lichtblick in dem öden und langweiligen Helios-System.
Der Mann wusste, dass die Bewohner Gaias keine Raumschiffe besaßen, dennoch aktivierte er das
Deflektorfeld seines Ringschiffs, um nicht geortet werden zu können. Mit mäßiger Geschwindigkeit
passierte der Raumer die Bahnebenen der sechs äußeren Planeten, bis er schließlich in eine
Umlaufbahn um die dritte Welt einschwenkte.
Der Mann nahm eine Reihe von Standardmessungen vor, stellte aber nichts Ungewöhnliches fest.
Er hatte nichts anderes erwartet, weil Gaia und seine rückständigen Bewohner schon seit unzähligen
Generationen beobachtet wurden.
Ihre Entwicklungsstufe war wirklich nicht dazu angetan, ausgerechnet von ihnen Hilfe erwarten zu
können. Dennoch brauchte der Mann Unterstützung von einem aus ihren Reihen, der Professor
Zamorra genannt wurde.
Er steuerte sein Ringschiff - den Typ „Jagdboot" - durch die Atmosphäre des Planeten und auf die
Oberfläche hinab. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn er wusste genau, wo er sein Ziel fand.
Die Agenten, die unerkannt auf Gaia tätig waren, hatten nicht nur in dieser Hinsicht gute Arbeit
geleistet.
Der Name des Mannes war Al Cairo.
Er war ein Ewiger.
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Kapitel 1
Weltenbrand
Die riesigen Kriegsschiffe kamen wie aus dem Nichts. Waffenstarrende Festungen von tausend
Metern Durchmesser, die keinen Zweifel daran ließen, was ihr überraschender Besuch bedeutete.
Nämlich Tod und Verderben für das Volk und die elf Planeten seines Heimatsystems.
Mit nüchterner Sachlichkeit betrachtete Schedol die Ergebnisse der Messungen, die mit kalter
Präzision von den Schirmen abzulesen waren. Es waren über dreihundert gegnerische Einheiten, die
sich in Form einer Kugelschale von allen Seiten näherten. Dabei kamen sie keineswegs aus dem
Nichts, sondern waren synchron aus dem Hyperspace gefallen.
Zum Glück außerhalb des Planetensystems, sonst hätten die gewaltigen Kräfte dessen fragiles
Gravitationsgefüge zerrissen und zu alles vernichtenden Naturkatastrophen geführt. Doch auch so
ließen sich die Strukturerschütterungen beim Aufriss des Raums anmessen.
»Feindliche Schiffe teilen sich auf«, kam eine Meldung von Schedols Ortungschef Togrom. Die
Nervosität in der Stimme des jungen Offiziers war nicht zu überhören. »Starke Verbände dringen
ins System ein und konzentrieren sich dabei auf vier Planeten.«
»Ziel der Hauptstreitmacht?«
Schedol kannte die Antwort, bevor er sie erhielt. Natürlich die Heimatwelt. Die Gkirr machten
ernst, ohne Vorwarnung und ohne Ultimatum. Obwohl die Anzeichen nicht zu übersehen gewesen
waren, hatte niemand mit diesem Schritt gerechnet.
Die TAUFARA jagte nach dem Alarmstart durch die äußeren Atmosphäreschichten und ließ den
dritten Planeten hinter sich, der unter ihr rasch zurückfiel. Im Verbund folgten die Schwesterschiffe,
in Formation gehalten von den Dhyarra-Kristallen, die als verlässliche Bordrechner fungierten.
Die Situation war geradezu grotesk, denn genau um sie ging es.
Die Dhyarras waren die wichtigste Voraussetzung für die aufblühende Raumfahrt des Volkes, doch
sie waren es auch, die die Begehrlichkeit der Gkirr weckten. Ohne Dhyarras wäre es niemals zur
Konfrontation gekommen.
Seine Finger huschten über die Bedienungsleisten des Kommandantenpults. Der Blickwinkel der
optischen Raumbeobachtung änderte sich und offenbarte Schedol die Flugbahnen der Invasoren.
Allein durch ihre zahlenmäßige Übermacht wirkten sie erdrückend, ihre erschreckende Größe
hingegen ließ sich aufgrund fehlender räumlicher Vergleichsmöglichkeiten bisher nur anhand der
aus den Messungen resultierenden Daten ablesen.
Er war drauf und dran, den Feuerbefehl zu geben, aber er hielt sich zurück. Ganz davon abgesehen,
dass sein Volk generell nicht zuerst schoss, wollte nicht speziell er es sein, der den ersten Schuss
auslöste und das Desaster damit einleitete.
Selbst wenn das bedeutete, dass die erste Attacke der TAUFARA den Garaus machte. Vielleicht
blieben ihr nur noch Sekunden.
Von innerer Anspannung getrieben, warf Schedol einen beiläufigen Blick zum Bordchronographen.
Seinem Gefühl nach war seit dem Alarmstart eine kleine Ewigkeit vergangen, doch die
unbestechliche Zeitanzeige verwirrte ihn mit der Tatsache, dass es sich um keine drei Minuten
gehandelt hatte.
Noch nicht einmal genug Zeit, um die Bevölkerung zu alarmieren. Doch selbst wenn es eine
größere Vorlaufzeit gegeben hätte, was hätten die Zivilisten tun sollen? Es gab keine
Sicherheitseinrichtungen für einen Fall wie diesen, sie konnten sich also höchstens in ihren Kellern
verstecken.
Ein höchst zweifelhafter Schutz gegen die Waffen der Gkirr.
Schedol verfolgte auf dem Schirm, wie die dunklen Riesenschiffe ihren Kurs um wenige Grad
änderten, der sie über die nördliche Planetenhemisphäre brachte.
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»Auf Abfangkurs gehen!«
Der Kommandant war sicher, dass er mit diesem Befehl nicht nur sein eigenes Todesurteil
aussprach, sondern auch das seiner Mannschaft. Doch ob sie im Raum starben oder auf der
Planetenoberfläche, war unerheblich. Wenn auch jede Gegenwehr sinnlos war, mussten die Schiffe
der unterlegenen Heimatflotte die Invasoren so lange wie möglich aufhalten.
An den Bildern, die der Sichtschirm ihm lieferte, erkannte er, dass sein Befehl augenblicklich
umgesetzt wurde. Die Schwesterschiffe machten den Korrekturschwenk mit und blieben im
Kielwasser der TAUFARA.
Hektik brach in der Lenkzentrale aus. Trotz der Disziplin seiner Mannschaft konnte Schedol die
Unruhe beinahe körperlich spüren. Kaum jemand war so oft im Raum gewesen wie er selbst, und
selbst er vermochte sich nicht ganz davon loszusprechen. Wie musste es da erst im Innern seiner
teilweise jungen Untergebenen aussehen? Auch wenn sie sich nicht ganz nach den Vorschriften
richteten, machte er niemandem einen Vorwurf.
Emotionen ließen sich nun einmal auch dann nicht unterdrücken, wenn Befehle es verlangten.
»Was ist mit den anderen Planeten?«, fragte jemand zögernd. »Wir können sie nicht alle
beschützen.«
Beschützen können wr keinen einzigen.
Schedol behielt den Gedanken für sich, denn die Frage war berechtigt. Nicht nur die Bewohner der
Heimatwelt waren der tödlichen Bedrohung ausgesetzt.
Es gab bemannte Stationen auf den meisten anderen Planeten im Sonnensystem, denen ebenfalls die
Vernichtung drohte.
»Unser Platz ist hier. Darum kümmern sich andere.« Winzige Verbände, die noch viel weniger
Chancen gegen die feindliche Überlegenheit hatten.
»Werden wir weitere Unterstützung erhalten?«
»Unsere Schiffe sind um den ganzen Planeten verteilt«, antwortete der Kommandant geduldig, statt
sich mit Autorität Ruhe zu verschaffen. »Es wäre sinnlos, sie an einer Stelle des Raumes zu
massieren.«
»Aber was ist, wenn die Gkirr hier durchbrechen?«
Darauf hatte auch Schedol keine Antwort. Denn wenn es nicht hier geschah, dann an anderer Stelle.
Niemals war ihm so klar geworden wie in diesem Moment, wie verletzlich ein Planet gegen einen
Angriff aus dem Weltall war. Wenn man sich an seiner Oberfläche aufhielt, erschien er einem
irgendwie unantastbar, doch das war ein tragischer Trugschluss.
»Da sind sie. Sie kommen direkt auf uns zu.«
Die Meldung riss Schedol aus seinen Gedanken. Wir hätten planetare Abwehrforts auf den äußeren
Umläufern errichten sollen ging es ihm ganz gegen die Politik des Volkes durch den Kopf.
Doch auch damit wäre nicht viel gewonnen gewesen. Die Gkirr drangen senkrecht zur Bahnebene
der Planeten ins System ein, so unaufhaltsam wie todbringend.
Vor dem schwarzen Hintergrund des Weltalls waren ihre Schiffe optisch kaum zu sehen. Schedol
erahnte die huschenden Schattenrisse mehr, als sie zu erkennen, und das verstärkte die Ausstrahlung
von Gefahr, die ihnen anhaftete. Neben ihrer immensen Schlagkraft, der die Heimatflotte des Volkes
nur wenig entgegenzusetzen hatte, wurden sie damit zu unheimlichen Feinden.
»Funkverbindung aufbauen!«, ordnete der Kommandant über zwanzig Einheiten an. »Vielleicht
lassen sie mit sich verhandeln.«
»Die Gkirr? Niemals! Sie kommen, um sich eines unliebsamen Konkurrenten zu entledigen.«
Schedol war der gleichen Meinung. Denn auch die Regierung hatte bereits versucht, die Gkirr zu
erreichen, die aber nicht auf die Anrufe reagierten. Das sah wirklich nicht nach
Verhandlungsbereitschaft aus. Sie kamen, um zu zerstören.
»Keine Antwort.«
»Weiter versuchen. Status der Waffen?«
»Vollständig einsatzbereit.«
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Immerhin etwas, aber auch diese Tatsache war Augenwischerei. Die Raumschiffe des friedlichen
Volkes waren für Forschungszwecke ausgelegt und verfügten nur über eine schwache Bewaffnung.
Niemand hatte jemals daran gedacht, eine Kriegsflotte zu bauen.
»Wir müssen ausweichen, sonst rammen sie uns.«
»Kurs beibehalten! Was ist mit dem Funk? Immer noch keine Reaktion?«
»Negativ. Wir müssen schießen, sonst ist unser Ende gekommen.«
»Noch nicht!« Schedols Gesicht wurde zu einer steinernen Maske, in der kein Muskel zuckte. Nicht
bevor sie feuern.
Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht, als im Raum eine kleine Sonne entstand, die sich
sekundenlang aufblähte und ihre Materie davon schleuderte, um ebenso schnell wieder zu
erlöschen.
Schedol hatte soeben eins der Schwesterschiffe verloren.
»Feuer frei für sämtliche Waffen!«, krächzte er hoffnungslos.
Dann brach zwischen den Planeten die Hölle los.
Irisierende Energiebahnen jagten zwischen den Planeten des Sonnensystems dahin und verliehen
dem Raum das Aussehen eines komplizierten Koordinatengitters mit zahlreichen leuchtend
hervorgehobenen Darstellungen. Doch für den, der ihm zu nahe kam, bedeutete das das Ende.
Bereits nach wenigen Minuten tobte eine ausgewachsene Raumschlacht, die eine reiche Bluternte
forderte. Besonders auf Seiten der Verteidiger, denn die großen Schlachtschiffe der Gkirr rückten
auf breiter Front vor. Noch befand sich der Großteil der Heimatflotte zwischen ihnen und der
Hauptwelt von Schedols Volk.
Im Verbundflug warfen sich seine neunzehn Schiffe den Angreifern entgegen, um erst wenige
Kilometer vor ihnen in Break-Formation abzudrehen. Gleichzeitig eröffneten sie das Feuer.
»Trefferquote bei 72 Prozent«, meldete der Waffenleitoffizier der TAUFARA. »Minimale
Effizienz.«
Schedol beobachtete das dunkle Schiff, das sekundenlang im Feuerfokus der TAUFARA und drei
anderer Schiffe war. Es rückte kein Jota von seinem eingeschlagenen Kurs ab, sondern schluckte die
Treffer ungerührt.
»Schadenswirkung?«, erkundigte er sich.
»Geringe Beschädigungen der Außenhülle. Damit können wir sie nicht aufhalten.«
Die Waffen der Gkirr waren dafür umso verheerender. Was sie trafen, das wurde vernichtet Schedol
registrierte zwei heftige Lichteruptionen in seiner unmittelbaren Nähe. Die taktischen Anzeigen
bestätigten, dass er wieder zwei Schiffe verloren hatte.
Für die es keinen Ersatz gab. Die Flotte war bis auf den letzten Raumer gestartet. Wenn sich Lücken
im Abwehrriegel auftaten, konnten sie nicht mehr geschlossen werden. Über die Reserven der Gkirr
konnte Schedol nur spekulieren, doch bisher waren sie nicht einmal darauf angewiesen. Zu
überlegen waren sie, als dass es den Anschein hatte, sie könnten überhaupt in Gefahr geraten.
Schedol verschluckte einen Fluch und befahl einen weiteren Angriff.
Lautlos wie ein Schatten huschte die TAUFARA durchs All, wilde Haken schlagend, um den
Angreifern kein leichtes Ziel zu bieten. Die Troniken errechneten in rasender Abfolge stetig neue
Wahrscheinlichkeiten für die aussichtsreichsten Ausweichkurse. Kein biologischer Verstand konnte
mit ihrer Leistungsfähigkeit mithalten.
Trotzdem behielt sich Schedol jederzeit die Option für manuelles Eingreifen offen. Manchmal war
Intuition erfolgversprechender als jeder noch so fehlerfreie Computer.
»Feuer!«, befahl er, als die TAUFARA sich einem der dunklen Raumer in die Flanke warf.
Und sein Schiff schoss mit allem, was es aufbieten konnte.
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Eine weitere Sonne flammte im Raum auf, künstlich erzeugt durch die überlegenen Waffensysteme
der Gkirr.
Mit jedem in den atomaren Gluten vergehenden Schiff der Heimatflotte wurde Schedol die
Ausweglosigkeit der eigenen Lage klarer. Beinahe spielerisch wurden sie abgeschossen. Nicht nur
sein eigener Verbund war beinahe aufgerieben, anderswo sah es nicht besser aus. Die tausend Meter
durchmessenden Schiffe der Gkirr dezimierten die Verteidiger nach Belieben.
Doch Schedol dachte nicht ans Aufgeben. So lange er lebte, bestand noch Hoffnung. Auch wenn sie
mit jedem weiteren Lichtblitz dort draußen geringer wurde.
Die TAUFARA war wendig und besaß einen hervorragenden Piloten, der all sein Können in die
Waagschale warf. In äußerster Konzentration versunken, gelang es ihm, sie stets im richtigen
Moment herumzureißen. Immer wieder bewahrte er sie vor einem direkten Treffer und damit vor
der Vernichtung.
Kilometerlange Strahlenbahnen rasten durchs All und suchten sich ein neues Opfer, doch wieder
wich die TAUFARA ihnen aus. In einer halsbrecherischen Kehre brach sie aus, beschleunigte mit
Maximalwerten und tanzte zwischen dem Gitternetz aus Strahlen hindurch.
Aber die Einschläge kamen jetzt immer näher. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es Schedols
Schiff erwischte. Zudem war es auf sich allein gestellt. Längst war
die ursprüngliche Formation gesprengt und die Überlebenden in alle Richtungen verstreut.
Bitterkeit stieg in dem Kommandanten auf. Was sie taten war keine Verteidigung der Heimat,
sondern ein purer Kampf ums eigene Überleben.
»Wir setzen uns ab und starten einen neuen Anflug, wenn wir in ihrem Rücken sind!«
Schedol gab einen Kurs an, der die Gkirr zu der Ansicht kommen lassen musste, dass er es auf eine
Kollision anlegte.
Sofort schlug heftiges Feuer der TAUFARA entgegen. Sie schluckte einen Treffer an ihrer
Peripherie, und noch einen. Wie Gebirge türmten sich die dunklen Riesen vor ihr auf, wie eine
Wand, an der kein Vorbeikommen möglich war.
Die Nervosität in der Leitzentrale erreichte fast den Siedepunkt. Nur noch ein paar Sekunden, dann
war es zu spät zum Ausweichen. Der Feuerleitoffizier jagte Salven im Sekundentakt hinaus, aber
die bedeuteten nicht viel mehr als Stiche gegen die Raumriesen. Die dafür umso wütender
zurückschössen.
Tief aus dem Leib der TAUFARA drang das dumpfe Grollen der Meiler, die beinahe die kritische
Grenze erreicht hatten. Sie erhielten keine Verschnaufpause, in der die Leistungsaufnahme der
Geschützbatterien unter die vertretbaren Werte sank. Ihr protestierendes Klopfen vermischte sich
mit tausend anderen Gefechtsgeräuschen zu einem enervierenden Crescendo, das die Nerven der
Zentralebesatzung bis zum Zerreißen anspannte.
»Jetzt!«, gellte Schedols Stimme durch das allgegenwärtige Chaos. »Abtauchen und drunter weg!«
Die TAUFARA warf sich in die Tiefe. Wie viele Meter noch bis zu der schwarzen Wand?
Unwillkürlich erwartete der Kommandant, dass sie sich hineinbohrte. Der Tod würde so schnell
kommen, dass niemand an Bord ihn überhaupt mitbekam. Seine Blicke saugten sich am Bildschirm
fest, während sich sein Brustkorb hektisch hob und senkte.
Hatte er zuviel gewagt?
Klagend heulten die Maschinen auf, als sie die Trägheit der gewaltigen Masse zu überwinden
versuchten.
Und es schafften.
Die TAUFARA raste parallel so dicht an der Außenhülle des Gkirr-Raumers entlang, dass Schedol
erwartete, sie würde sich statisch aufladen. Dann tauchte sie unter dessen Kante hinweg und jagte
zwischen zwei Raumgiganten dahin. Sie raste weiter, einige hunderttausend Kilometer in den
interplanetaren Raum hinaus, bevor die negative Beschleunigung einsetzte.
Die Ortung zeigte zahlreiche Kämpfe. Erbittert wehrten sich die Schiffe der Heimatflotte, auch
wenn sich die Verluste kaum noch beziffern ließen. Doch sie gaben sich nicht geschlagen. Die
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Raumriesen der Gkirr waren inzwischen im gesamten Elf-Planeten-System ausgeschwärmt. Ihre
Bewegungen ließen vermuten, dass sie die Welten und ihre Oberflächenbeschaffenheit genau
katalogisierten.
Ein mieses Gefühl bemächtigte sich des Kommandanten. Ihr Vorgehen konnte ein Indiz dafür sein,
dass sie das Heimatsystem des Volkes besetzen wollten. Vielleicht suchten sie aber auch nur nach
potentiellen Eingreifreserven, um sie noch am Boden zu vernichten, bevor sie in die Kämpfe
eingreifen konnten.
Ein greller Lichtblitz ließ Schedol zusammenzucken.
Für Sekunden war der Bildschirm eine blendende Wand, deren licht die Lenkzentrale bis in den
letzten Winkel ausfüllte.
»Sprunghafter Anstieg der Emissionen«, meldete eine Stimme. Ungläubiges Erstaunen schwang
darin mit. »Es hat einen der Gkirr-Riesen erwischt.«
Schedol ließ hörbar die Luft entweichen. Es ging also doch. Trotz ihrer Größe und ihrer
waffentechnischen Überlegenheit waren die Gegner nicht unverwundbar. Endlich mal eine gute
Nachricht.
»Haben wir ekle Aufzeichnung? Was ist genau geschehen?«
»Anscheinend haben mehrere unserer Kameraden einen konzertierten Angriff geflogen und den
Kasten geknackt«, antwortete Togrom.
»Dann versuchen wir doch mal, ihnen das nachzumachen.«
Dass das leichter gesagt als getan war, war Schedol auch klar. Doch seine Hoffnung auf Erfolg
wuchs, als der Bildschirm wieder funktionierte und ihm eine weiträumige Übersicht lieferte.
Anscheinend wurden die Gkirr in einem bestimmten Bereich zurückgedrängt. Mit raschen
Kontrollen mittels der Ortungseinrichtungen überzeugte er sich, keinem Irrtum aufzusitzen.
Es stimmte! Doch wie war das möglich? Bis eben hatten die Angreifer sich nicht die geringste
Blöße gegeben, und auf einmal sollte das anders sein? Die Veränderung trat so rasch ein, dass
Schedol einen Trick vermutete. Doch wozu? Tricks hatten die Gkirr nicht nötig, soviel war bisher
zweifelsfrei klargeworden.
Der Kommandant verdrängte seine Zweifel. Weniger Reflexion, mehr Aktion. Wenn er zuviel
nachdachte, sah er noch Gespenster. Das konnte er sich nicht leisten, nicht jetzt, wo es buchstäblich
um jede Sekunde ging.
Er verschaffte sich einen knappen Überblick über die Lage. So gut würde sie vielleicht nie wieder
aussehen, also bekam er auch keine zweite Gelegenheit wie diese. Im Moment setzte kein Angreifer
der TAUFARA zu, und der Kommandant beschloss, diese Galgenfrist auszunutzen. »Wir verfolgen
diese Gruppe.«
Andere waren zu dem gleichen Schluss gekommen. Aus unterschiedlichen Richtungen sammelten
sich zwei Dutzend Schiffe der Heimatflotte und schlossen sich der TAUFARA an.
»Verbindung für einen Rundruf herstellen!« Wie selbstverständlich übernahm Schedol das
Kommando über den neu zusammengewürfelten Verbund.
»Ist geschaltet«, kam die prompte Bestätigung.
»Hier spricht Schedol, Kommandant der 7ten Halbflottille. Wir werden die jetzt mal ein bisschen
ärgern. Ich übernehme die Leitung.«
Nacheinander kamen die Bestätigungen, niemand hatte einen Einwand. Wahrscheinlich waren
sämtliche Kommandanten froh, nicht mehr allein zu kämpfen, sondern sich jemandem anschließen
zu können, der die Entscheidungen für sie traf.
Doch sie wurde ihnen ebenso aus der Hand genommen wie Schedol.
»Die Schiffe der Gkirr beschleunigen!«
Sie ließen die Heimatwelt hinter sich und kreuzten die Bahn des vierten Planeten mit
unverminderter Geschwindigkeit. Mit dieser erneuten Änderung der Lage hatte Schedol nicht
gerechnet. Was ging da vor sich? Welchen Plan verfolgten die Invasoren? Denn dass die Gkirr sich
zurückzogen, glaubte er nicht. Er war sicher, dass sie irgendeine Teufelei im Schilde führten, die
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alles, was sie bisher unternommen hatten, in den Schatten stellte.
»Bei den Sternengöttern! Da kommen noch mehr!«
Hatten die Gkirr ihnen eine Falle gestellt? Das ergab keinen Sinn.
»Abdrehen«, donnerte Schedols Stimme. Auf jeden Fall hatten sie gegen diese Übermacht nicht den
Hauch einer Chance. »Sofort weg von hier!«
Ehe er sich versah, waren dreißig der Raumgiganten vor ihm. Schedols Stimme versagte, als er
erkannte, dass sie das Feuer eröffneten.
Jedoch nicht auf die TAUFARA und ihre Begleitschiffe.
Sondern mit allem, was sie aufzubieten hatten, auf den fünften Planeten.
Entsetzte Schreie gellten durch die Lenkzentrale der TAUFARA, als das Verhängnis seinen Lauf
nahm. Meterdicke Energiestrahlen rasten auf den Planeten hinab und tobten sich an seiner
Oberfläche aus, ohne dass es eine Möglichkeit zur Gegenwehr gab.
Über Hunderte von Kilometern Länge wurde der Boden aufgerissen und das Erdreich umgepflügt.
Schedol konnte erkennen, wie ein wabernder Strahl sich durch einen Wald fraß und eine
kilometerbreite Schneise brennenden, vernarbten Untergrunds zurückließ, auf dem nichts mehr
wuchs. Rauch und dampfende Schwaden stiegen in die Höhe und beeinträchtigten die optische
Beobachtung.
Auch sämtliche Ortungs- und Messeinrichtungen wurden bis an die Grenzen ihrer Kapazität aktiv,
als die Bomben folgten. Wo die Natur eben noch ihren normalen Bahnen gefolgt war, entstanden
verheerende Stürme, die über die Kontinente fegten. Seit Jahrtausenden inaktive Vulkane wurden
aus ihrem Tiefschlaf gerissen und spien die glutflüssige Eingeweide des Planeten aus, als die
Bomben kilometertiefe Trichter rissen.
»Wir müssen etwas tun«, krächzte jemand mit versagender Stimme. »Wir können doch nicht
einfach zusehen.«
Schedol starrte in hilfloser Ohnmacht auf die Schirme. Er konnte die verzweifelte Forderung
verstehen, aber als Kommandant war er verantwortungsbewusst genug, sich ihr nicht anzuschließen,
so schwer es ihm auch fiel. Die dunklen Raumer ließen ihm keine Chance, machte er sich klar.
Wenn er auch nur zuckte, würden sie ihn aus dem Universum pusten. Ohnehin konnte er nicht
verstehen, dass die Gkirr die hoffnungslos unterlegenen Einheiten des Volkes nicht kurzerhand
auslöschten. Sie waren voll und ganz damit beschäftigt, den fünften Planeten in einen unwirtlichen
Schlackehaufen zu verwandeln. Dabei gingen sie systematisch und mit grausamer
Teilnahmslosigkeit vor.
Setzten sie nur ein Zeichen ihrer Macht? Wahrscheinlich sollte die Demonstration ihrer überlegenen
Fähigkeiten die Verteidiger so sehr demoralisieren, dass sie die Reste ihrer sowieso nicht besonders
erfolgreichen Gegenwehr aufgaben.
Schedol fühlte die Blicke seiner Besatzung auf sich ruhen. Sahen sie einen Feigling in ihm? Dann
irrten sie sich gewaltig. Am liebsten wäre er vorneweg in Richtung Feind geprescht und hätte sein
Leben für die Heimat gegeben, aber dazu hätte er zumindest einen kleinen Prozentsatz an
Erfolgsaussichten sehen müssen. Doch das tat er nicht, und nur aus falsch verstandenem
Patriotismus durfte er seine Mannschaft nicht in den Tod führen.
Außerdem war der Zeitpunkt abzusehen, an dem die Verteidiger jedes einzelne Schiff, das noch
nicht zerstört war, brauchen würden. Die TAUFARA durfte deshalb auf keinen Fall geopfert
werden. Denn noch stand die entscheidende Schlacht um die Heimatwelt aus. Oder hatte sie längst
eingesetzt? Sowohl die Regierung als auch die Admiralität schwiegen.
Bedeutete das, dass womöglich beide schon nicht mehr existierten?
Sämtliche Kontrollanzeigen erwachten zu hektischer Aktivität, als die Gkirr ihre Strahlenkanonen
erneut auslösten. Die wuchtigen Feuerbahnen, unter denen er sich aufbäumte, als wollte er sie
abschütteln, gaben dem fünften Planeten den Rest. Unter den unvorstellbaren Energiemengen
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verwandelte seine äußere Kruste sich in eine glutflüssige Hölle, in der alles versank, was den
Bombenhagel überstanden hatte. Alles, was sich den Betrachtern noch bot, war ein brennender Ball.
Als hätten Kinder eine Holzkugel angezündet.
Der Planet starb und schüttelte sich wie in Agonie.
»Es ist zu spät. Dort unten sind alle tot.« Der Vorwurf, der in den Worten mitschwang, war nicht zu
überhören. Weil wir zu lange gewartet haben. Weil wir untätig geblieben sind.
Der einzige Trost war, dass die Gkirr sich für ihre Demonstration eine Welt des Systems ausgewählt
hatten, auf der es nur eine Reihe wissenschaftlicher Einrichtunzgen gab. Dennoch wuchs
grenzenloser Hass in Schedol, als das endgültige Ende des Planeten kam.
Atemlose Stille breitete sich in der Lenkzentrale aus, als er sich aufblähte und als feurige Lohe
zerrissen wurde.
Mit elementarer Gewalt wurden glühende Gesteinsbrocken und kosmischer Staub davon
geschleudert. Rasch erkaltende Magma bildete Millionen kleiner und kleinster Himmelskörper.
Schedol war hin- und hergerissen zwischen Vernunft und dem archaischen Trieb, sich in
Selbstaufopferung auf die Planetenmörder zu stürzen. Er umklammerte die Lehnen des
Kommandantensessels, bis die Knöchel seiner Hände weiß hervortraten. Er durfte seinen Instinkten
nicht nachgeben und gegen seine eigene Überzeugung handeln. So schwer es ihm auch fiel, er
musste einen kühlen Kopf bewahren.
Der Tod kommt früher, als du denkst.
»Funkspruch mit oberster Priorität.«
»Absender?«
»Er kommt von der Regierung.«
Darauf hatte Schedol gewartet. Nun sollten endlich die TAUFARA und ihre Besatzung zu ihrem
Recht kommen. »Durch stellen!«
»Sofortiger Rücksturz aller verbliebenen Einheiten zur Heimat«, plärrte es aus den Lautsprechern.
Die Worte ließen Schedols Erwartungen wie eine Seifenblase zerplatzen. »Wir müssen evakuieren.
Wir werden das System räumen. Ich wiederhole ...«
Die Worte verwirbelten in seinem Verstand, bis er sie nicht mehr wahrnahm.
Der Kommandant hatte das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Er hatte mit vielem
gerechnet, mit unzähligen Opfern, aber nicht damit, die Heimat aufgeben zu müssen.
Die Zeit schien still zustehen, während seine Gedanken sich in die Vergangenheit verirrten. Wie
hatte es nur so
weit kommen können? Dabei hatte doch alles so viel versprechend angefangen. Damals. Vor vier
Jahren ...
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Kapitel 2
Im Banne der Dhyarras
Vier Jahre zuvor
Die funkelnde Pracht der Galaxis wirkte so einladend auf ihn, als hätte sie nur auf ihn gewartet. Das
schimmernde Band lag wie ein Collier aus Edelsteinen vor der samtenen Schwärze des Alls.
Schedol war an Bord der TAUFARA unterwegs, einem neuen Schiff, auf das er besonders stolz war.
Er empfand es als ausgesprochene Ehre, dass ihm die Befehlsgewalt darüber verliehen worden war,
denn es hatte zahlreiche Anwärter gegeben. Sie alle würden eines Tages ihre Chance bekommen, ins
Weltall vorzustoßen.
Doch zunächst einmal war er selbst an der Reihe. In den zurückliegenden Jahren hatte er hart
gearbeitet, um sein Ziel zu erreichen. Sein Erfolg kam also nicht von ungefähr. Schedol war der
Meinung, dass man alles aus eigenem Antrieb erreichen konnte — so lange einem niemand
Knüppel zwischen die Beine warf.
Das Volk, wie Schedols Leute sich schlicht nannten, hatte sich im Lauf der vergangenen 50000
Jahre aus der Steinzeit zu einem raumfahrenden Volk entwickelt. Auch wenn es bereits einige
Planetensysteme kolonisiert hatte und auf andere Spezies getroffen war, stand ihm noch der größte
Teil des unendlichen Universums offen. Es gab so viel zu entdecken, dass Schedol manchmal in
Ehrfurcht erschauderte angesichts dessen, was noch vor ihnen lag.
Schedol war überzeugt davon, dass der einmal eingeschlagene Weg der richtige war. Es gab kein
Zurück mehr, sondern nur noch den Blick voran. Stillstand bedeutete Rückschritt, und Rückschritt
ging einher mit Zerfall und Degeneration. So lange Schedol Teil der Raumflotte war, würde es dazu
nicht kommen, und Schedol war noch jung. Unüberschaubar viele Jahre lagen vor ihm, und sein
Ehrgeiz wuchs von Tag zu Tag. Er träumte davon, sein Volk zu ganz neuen Ufern zu führen und als
Visionär in die Geschichte einzugehen, der sein Leben Fortschritt und Frieden gewidmet hatte.
Die Kontakte zu anderen Völkern verliefen stets friedlich und in gegenseitiger Anerkennung.
Schedols Volk war friedliebend und wissbegierig und sah sich als Forscher und Entdecker. Die
Neugier war ein treibender Faktor bei seinem Aufbruch ins Weltall. Es erwartete unvorstellbare
Wunder und ein vor Leben berstendes Universum, in dem jedes Wesen seinen Platz hatte.
Die anderen Spezies, auf die man traf, dachten und handelten ähnlich, und so kam es zu
Handelsbeziehungen und Freundschaftsverträgen. Die anfänglichen guten Erfahrungen in den ersten
Jahrhunderten der Raumfahrt gaben dem Volk niemals Anlass zur Besorgnis. Keiner in seinen
Reihen kam auf die Idee, dass nicht alle Spezies, auf die man noch treffen sollte, ähnlich friedfertig
waren. Wie die anderen Schiffe der Flotte befand sich auch die TAUFARA auf einer
Forschungsmission, die darin bestand, neue Sternensysteme zu entdecken und sie zu katalogisieren.
Neben der Suche nach weiteren intelligenten Völkern war man auch an Welten interessiert, die über
Aufkommen an Bodenschätzen verfügten.
Schedol sah diese Aufgabe als sehr wichtig an, wenn dem Volk nicht eines Tages die Ressourcen
ausgehen sollten. Die Heimatwelt allein konnte die benötigten Rohstoffe auf Dauer nicht
bereitstellen. Zudem brauchte man Handelsware, um mit anderen Völkern konkurrieren zu können.
Weitere Welten wurden erschlossen, Stützpunkte eingerichtet und dort, wo es sich lohnte, nach
Bodenschätzen geschürft. Die gewonnenen Rohstoffe und Edelmetalle machten das Volk zu einem
beliebten Handelspartner. Es selbst profitierte davon natürlich auch entsprechend, und der Bau
weiterer Forschungsschiffe konnte vorangetrieben werden.
Schedol war wochen- und manchmal monatelang im Weltall, ohne den Fuß auf einen Planeten zu
setzen. Er fühlte sich wohl in den unendlichen Weiten, deren Bereisung er wie die Erfüllung all
seiner Träume betrachtete. Schon als Kind hatte er davon geträumt und als Jugendlicher darauf
hingearbeitet, und jetzt, als noch relativ junger Erwachsener, ließ er keinen Tag ungenutzt
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verstreichen, seinen Traum auszuleben.
Nur gelegentlich besuchte er den Heimatplaneten, auf dem das Leben seinen gewohnten Gang ging.
Doch kaum dass er ein paar Tage dort war, zog es ihn wieder ins All hinaus, in dem er seine
Bestimmung sah.
Allmählich wurde die Raumfahrt für Schedol zu Routine.
Bis die Besatzung der TAUFARA einen schwarzen Ausschnitt vor der funkelnden Sternenpracht
entdeckte. Zum ersten Mal stieß jemand aus dem Volk auf eine Dunkelwolke.
Ein Geheimnis, auf das niemand vorbereitet war, verbarg sich in ihrem Inneren.
»Eine orangefarbene Sonne«, meldete die Ortung. »Sie wird von einem einzigen Planeten
begleitet.«
Die TAUFARA näherte sich dem Umläufer mit geringer Geschwindigkeit. Um sie herum herrschte
eine undurchdringliche Schwärze, die von keinem weit entfernten Lichtpünktchen unterbrochen
wurde. Die das Schiff umgebenden Staubmassen und Gasballungen gestatteten keine
normaloptische Sicht aus der Dunkelwolke heraus. Schedol hatte den Eindruck, in einem
abgeschlossenen, kleinen Kosmos zu stecken, hinter dem nichts mehr existierte. Die Sterne der
Galaxis mit einem Mal nicht mehr sehen zu können war eine verwirrende Erfahrung.
Doch Schedol nahm sie mit wissenschaftlicher Neugier zur Kenntnis. Er machte sich keine Sorgen,
denn auch hier drin arbeiteten sämtliche Bordsysteme der TAUFARA reibungslos. Außerdem
konnten sie sich sofort zurückziehen, wenn die geringsten Komplikationen auftraten.
Der Blick des Kommandanten war auf den Planeten gerichtet, dessen Abbild sich auf den Schirmen
abzeichnete. Irrlichternde Leuchterscheinungen rasten unablässig durch seine Atmosphäre und
lenkten in der Dunkelheit die Aufmerksamkeit mehr auf ihn als auf das riesige orangefarbene Auge,
das er auf einer stabilen Bahn umlief.
»Daten des Planeten?«, fragte Schedol.
»Äquatorradius 4209 Kilometer. Oberflächentemperaturen schwanken zwischen Minus achtzig und
Plus fünfzig Grad. Druck liegt bei 0,96 Gravos. Keine schädlichen Mikroorganismen.« Das waren
Werte, die nicht einmal einen Schutzanzug erforderten, wenn auch noch der wichtigste Faktor
stimmte. Es folgten weitere Spezifizierungen. Dann kam die Meldung, auf die Schedol gewartet
hatte. »Der Planet verfügt über eine atembare Sauerstoffatmosphäre.«
Das hieß, dass sich ein Außenteam ohne besondere Schutzvorkehrungen auf der Planetenoberfläche
bewegen konnte. Schedol glaubte bereits, den festen Boden unter seinen Füßen zu spüren. Dennoch
war Vorsicht geboten.
»Was ist mit den Leuchterscheinungen in der Atmosphäre?«
»Es handelt sich um elektrostatische Impulse, die durch starke Feldlinien sichtbar gemacht werden.
Sie stellen keine Gefahr für uns dar.«
Schedol verfolgte das Spiel der Leuchterscheinungen. Sie waren nicht auf bestimmte Regionen des
Planeten begrenzt, sondern umfassten die gesamte Kugelschale der äußeren Atmosphäre Er hatte
bereits eine Reihe von Planeten angeflogen, aber ein solches Phänomen war ihm bislang nirgendwo
begegnet, jedenfalls nicht in dieser Intensität. Wegen solcher Dinge war er bereits als Kind vom
Weltall fasziniert gewesen, seit alte Prospektoren ihm von den Wundern dort draußen berichtet
hatten.
»Irgendwelche Anzeichen, die gegen eine Landung sprechen?«
»Negativ, Kommandant. Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf — Sie haben Ihre
Entscheidung doch längst getroffen.«
»Dann kann ja nichts mehr schief gehen.« Schedol bedachte Togrom mit einem kurzen Grinsen und
gab dem Piloten einen auffordernden Wink. »Dann also mal runter.«
Als die TAUFARA in die Atmosphäre des Planeten eindrang, wurden die Leuchterscheinungen
gebündelt und griffen nach der Außenhülle. Ein goldener Schein legte sich um das Schiff, der
wieder verschwand, als es die unteren Atmosphäreschichten hinter sich ließ.
Eine bizarr gestaltete Oberfläche erwartete die Besatzung. Es gab kaum zusammenhängende
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Ebenen, wenig freie Flächen und vereinzelte, kleine Meere, die völlig voneinander isoliert waren.
Gespeist wurden sie aus reißenden Strömen, die sich wie Narben anmutende Betten durchs Gestein
gefressen hatten. Doch das waren nur marginale Eindrücke, die von dem wenig gastlichen
Gesamteindruck kaschiert wurden. Denn beinahe der gesamte Planet war von schroffen Gebirgen
bedeckt, die bis zu fünftausend Meter in die Höhe reichten.
»Nicht besonders einladend.«
Das war noch untertrieben, denn diese Welt war dunkel Schwarz und düster erhoben sich die Berge,
grotesken, von unermesslichen Kräften in Stücke geschlagenen Schemen gleich, die etwas zu
verbergen hatten. Es gab keine sanft ansteigenden Hügel und keine weichen Bergrücken, sondern
nur ausgeprägt scharfe Kammlinien mit zerklüfteten Schrunden und wie Speeren aufragenden
Zinnen und Felsnadeln, die nur darauf zu warten schienen, ein anfliegendes Raumschiff aufspießen
zu können.
»Willkommen auf Schedols Welt«, flachste Togrom, was einen allgemeinen Heiterkeitsausbruch in
der Lenkzentrale auslöste. »Ehre wem Ehre gebührt, Kommandant. Nicht jeder in der Flotte kann
auf die Entdeckung eines solch paradiesischen Urlaubsplaneten verweisen.«
»Na, immerhin die erste Welt, die überhaupt nach mir benannt wird«, antwortete der Kommandant
amüsiert. »Besser als nichts.«
»Darüber lässt sich trefflich streiten. Auch darüber, ob wir wirklich landen sollen. Die Bedingungen
dazu sind nämlich nicht die besten. Ich habe eine kleine Ebene entdeckt, in der wir niedergehen
können. Ist aber nicht besonders gemütlich.« Togrom deutete auf eine bestimmte Stelle auf dem
Sichtschirm. »Genau dort, zwischen diesen zerklüfteten Überhängen. Mehr kann ich leider im
Umkreis von ein paar hundert Kilometern nicht anbieten.«
Denn die bizarre, unwirkliche Landschaft reichte, so weit das Auge sehen konnte. Die Vorgänge in
der Atmosphäre sahen von hier unten besonders eindrucksvoll aus. Das gesamte Firmament badete
in den blitzenden Entladungen.
»Für unsere Zwecke reicht das.« Schließlich wollte Sche-dol nicht lange auf der dunklen Welt
bleiben, sondern nur eine Reihe von Erstuntersuchungen vornehmen. Um alles Weitere konnten sich
später die Geologen kümmern.
Wenige Minuten später setzte die TAUFARA auf Schedols Welt auf. Die liebevolle Bezeichnung
wurde in der Folgezeit in sämtliche Kartenwerke aufgenommen und führte Schedol rascher zu
einem zweifelhaften Bekanntheitsgrad, als ihm das lieb war.
Der Kommandant war der erste, der das Schiff verließ.
Von den steil aufsteigenden schwarzen Wänden, die geradewegs mit dem wolkenlosen Himmel zu
verschmelzen schienen, ging eine bedrückende Stimmung aus. Sie übte einen dräuenden Druck aus,
der sich mit archaischer Kraft auf die Männer legte.
Schedols Blick wanderte über die sich nach oben hin verjüngenden Steinpfeiler, deren Verlauf sich
in ein paar hundert Metern Höhe in undurchdringlicher Dunkelheit verlor. Sein Entdeckerdrang
wollte ihn dazu verleiten, die höheren Regionen mit einem Beiboot zu erkunden, aber etwas hielt
ihn zurück. Die vage Ahnung, sich nicht allein auf Schedols Welt aufzuhalten, ergriff Besitz von
ihm. Etwas Unsichtbares manifestierte sich in seinem Geist, eine Präsenz, die er nicht erklären
konnte. Als er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, entglitt sie ihm und verschwand.
Ruckartig blieb Schedol stehen und sah sich um. Misstrauisch spähte er nach verdächtigen
Bewegungen, aber nur ein paar seiner Leute waren gleich ihm am Fuß des sich übergangslos aus
der kleinen Ebene erhebenden Bergs ausgeschwärmt.
Was war los mit ihm? Litt er plötzlich unter irrationalen Einbildungen?
»Stimmt etwas nicht, Kommandant?«
Schedol sah auf. Er erkannte, dass er sich so merkwürdig benahm, dass es seinen Männern schon
auffiel. Er riss sich zusammen und machte eine abwehrende Geste. »Alles in Ordnung.«
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Unter seinen Füßen wuchs ein dichter, moosähnlicher Teppich, der jeden Schritt dämpfte. Wie die
knochigen Bäume, die zwischen dem Gestein wuchsen, war auch der Bodenbewuchs von
bedrückendem Dunkel. Er schien das Schwarz der Felsen über die Wurzeln aufgenommen zu
haben. Auf eine unbestimmte Art war alles auf dieser Welt Eins, alles gehörte zusammen und ließ
sich nicht voneinander trennen.
Unwillkürlich kam Schedol der Gedanke, was wohl geschehen würde, wenn jemand etwas von
diesem Planeten mitnahm. Er war sicher, dass es sich dagegen wehren würde. Es würde sich
verwandeln und Kräfte offenbaren, die hier im Verborgenen schlummerten.
Man sollte es da lassen, wo es war dachte er. Sonst würden sie etwas gebären, mit dem niemand
rechnete.
Schedol entfernte sich ein paar Schritte, bis seine Leute in der Düsternis zu unwirklichen Gestalten
wurden, die kaum noch etwas mit den ihm wohlvertrauten Personen gemein hatten. Als er sicher
war, dass ihn niemand beachtete, verharrte er und versuchte, die unheimliche Präsenz erneut
wahrzunehmen, aber sie blieb verschwunden.
Schedol konnte nicht glauben, dass er sich dermaßen geirrt hatte. Andererseits wäre den
Bioscannern an Bord der TAUFARA eine Lebensform neben der Flora, und sei sie noch so primitiv,
nicht entgangen. Ergo gab es nichts, und er litt tatsächlich unter Einbildungen.
Was war nur mit ihm los? Nie zuvor hatte er unter Phantasmen gelitten, die nicht wissenschaftlich
haltbar waren. Er war ein Mann des Verstandes, der nur an das glaubte, was er mit seinen eigenen
Augen sah. Und alles, was er sah, war totes wertloses Gestein, das keine weiterführende Exkursion
lohnte. Ihm blieb nur, die Entdeckung von Schedols Welt den zuständigen Stellen der Heimatwelt
zu melden und wieder mit der TAUFARA zu starten, bevor sein eigenartiges Benehmen wirklich
noch jemandem auffiel.
Er hatte zu hart gearbeitet, um von seinem Kommando beurlaubt zu werden, nur weil er
unversehens von unerklärlichen psychischen Problemen geplagt wurde. Für die Ärzte zu Hause
wäre der Fall rasch klar. Schließlich war er nicht der erste, der den ständigen Belastungen der
Raumfahrt fernab der Heimat nicht standhielt.
Niemand würde seinen Beteuerungen Glauben schenken, dass er keine Probleme damit hatte, so
lange er keinen anderen einleuchtenden Grund vorweisen konnte. Und das konnte er nun einmal
nicht.
Schedol ging zu einem der an die achtzig Meter hohen Bäume und legte eine Hand auf den Stamm,
der mehr als zwei Meter durchmaß. Die glatte Rinde war kalt und hart wie Stein. Obwohl ein
schwacher Wind ging, bewegte sich keines der Blätter. Sie waren zu weit über ihm, als dass Schedol
auch sie mit einer Berührung hätte prüfen können, aber bestimmt waren auch sie wie aus Stein
gemeißelt.
Tot indes konnten sie nicht sein, denn dann hätte es keinen Sauerstoff gegeben. Das Leben war nur
in ihrem Inneren verborgen. Die Biologen und Exobotaniker der Heimat würden sich mit Eifer in
die Untersuchungen vertiefen, aber ihn interessierten sie nicht wirklich. Sein Augenmerk galt jedem
Planeten als Ganzes.
»Kommandant!«
»Was gibt es denn?« Schedol fuhr herum und orientierte sich in die Richtung, aus der der Ruf
gekommen war.
»Sie sollten sich das hier einmal anschauen!«
Zwei von Schedols Männern waren auf einen steinernen Sims geklettert und schauten zu ihm herab.
Als er die Felswand erreichte, zogen sie ihn mit gemeinsamen Kräften zu sich herauf.
»Sehen Sie sich diesen Kristall an, Kommandant.«
Auf dem Boden lag ein Stein von der halben Größe einer Faust, der Schedol den Atem raubte. Er
war schwarz wie die Nacht und wirkte wie der Zugang zu einem unendlichen Abgrund, mit dem
sich Zeit und Raum überbrücken ließen. Auf den ersten Blick fühlte Schedol sich von dem Kristall
angezogen.
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»Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«
»Ich kann mich nicht erinnern.« Dabei wusste Schedol genau, dass ihm etwas Vergleichbares noch
nie unter die Augen gekommen war. »Na, ja, sieht ganz interessant aus«, gab er sich gelangweilt.
»Aber damit halten wir uns nicht auf.«
»Kommandant?« Schedol entging das Unverständnis in der Stimme des Mannes nicht, und das
konnte er ihm nicht einmal verdenken.
»Das ist etwas für die Geologen, aber nicht für uns.« Schedol blickte die beiden Männer scharf an.
»Oder irre ich mich da?«
»Nein, Kommandant, natürlich nicht«, beeilten sie sich zu sagen.
»Dann also zurück an Bord. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir auf diesem Planeten noch etwas
entdecken, das einen längeren Aufenthalt lohnt.«
Wenn seinen Männern der übereilte Aufbruch seltsam vorkam, ließen sie sich nichts davon
anmerken. Als sie sich auf den Rückweg zum Schiff machten, legte Schedol eine Hand auf den
faszinierenden Kristall. Er war wunderschön, schöner als alles, was Schedol je in seinem Leben
gesehen hatte.
Dhyarra, dachte er. Das alte Wort für Schönheit. Eine treffendere Bezeichnung fiel ihm nicht ein.
Es war erstaunlich, auf welch wunderbare Weise die Natur manche Dinge kompensierte. Ein solch
wundervoller Kristall auf einer dermaßen abstoßenden Welt konnte keine Laune der Natur sein,
sondern fester Bestandteil einer universellen Gleichung.
Als Schedol nach dem schwarzen Sternenstein griff, tastete für einen winzigen Moment eine
unfassbare Macht nach seinem Geist. Er begriff sofort, dass es die gleiche war, die er kurz zuvor
schon einmal wahrgenommen hatte. Also ging sie von dem Dhyarra aus.
Schedol schloss die Hand um den Stein und ließ ihn in einer Tasche seines Anzugs verschwinden.
Sicher machte er die nach ihm kommenden Forscher damit nicht arbeitslos. Von irgendwoher
strömte das Wissen in ihn, dass es an der Planetenoberfläche unzählige dieser Steine gab.
Auf einen einzelnen Dhyarra kam es also wirklich nicht an.
Letztlich war er nicht mehr als ein unbedeutender Stein ohne Wert.
Auch wenn sich die Bezeichnung Dhyarra in der Bevölkerung der Heimatwelt rasch durchsetzte,
nannten die Wissenschaftler die funkelnden Sternensteine nüchtern Schwarzkristalle.
Vielleicht lag es daran, dass bei keinem von ihnen die Affinität auftrat, die Schedol ein halbes Jahr
zuvor verspürt hatte. Ihnen fehlte seine latente Paragabe, von der der Kommandant der TAUFARA
aber selbst nichts ahnte. Während er in der Ruhe und Abgeschiedenheit seiner Kabine zuweilen eine
kurze geistige Verbindung zu seinem Dhyarra herstellen konnte, wenn er ihn mit beiden Händen
umschloss und sich ganz auf ihn konzentrierte, vertieften sie sich mit naturwissenschaftlichem Eifer
in die Geheimnisse des schwarzen Kristalls.
Kergom war der Leiter der Forschungsstation, die nahe beim Fundort des ersten Sternensteins
errichtet worden war. Eine Gruppe Forscher der unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen
arbeitete mit ihm zusammen.
Kergom selbst war Physiker und vertrat die Ansicht, dass jedem Kristall ein gewisses
Energiepotential innewohnte, das man freisetzen und in gebündelter Form nutzen konnte. Schon seit
Jahrzehnten wurden Kristalle aufgrund ihrer elektrischen Leitfähigkeit in sämtlichen Bereichen der
Halbleitertechnik eingesetzt.
Da Schedol aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen bereits eine Ahnung von der verborgenen
Kraft in den Dhyarras hatte, verfolgte er Kergoms Untersuchungen eine Zeitlang mit
Aufmerksamkeit. Er kam gut mit dem Wissenschaftler aus, erkannte aber schon bald, dass Kergom
beim Umgang mit den Kristallen nicht das gleiche empfand wie er selbst. Ihn ließen sie völlig kalt.
Seltsamerweise war das bei Kergoms Mitarbeitern ähnlich, und Schedol kam zu dem Schluss, dass
er der einzige war, bei dem diese vage Affinität bestand.
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So erlahmte Schedols Interesse am weiteren Verlauf der Forschungen bald wieder, und er wandte
sich mit der TAUFARA wieder Aufgaben zu, die in seinen Kompetenzbereich fielen.
Kergom führte zahlreiche Versuche mit den Schwarzkristallen durch, bei denen es ihm aber nicht
gelang, auch nur ein Quäntchen Energie aus ihnen herauszuquetschen. Seine hochsensiblen
Messgeräte stellten zudem keine Energiekapazitäten fest, aber davon ließ der Forscher sich nicht
beeindrucken. Er war überzeugt davon, dass die Geräte nichts fanden, weil sie auf die unbekannte
Energie, auf die er spekulierte, nicht eingerichtet waren. Wenn es ihm erst einmal gelang, die noch
fremde Energie zu lokalisieren, konnte er die Geräte darauf justieren.
Doch wie sollte er sie finden?
Monatelang ersann er immer neue Strategien, sich dem
Problem von allen Seiten zu nähern, doch sämtliche Versuchsanordnungen verliefen ergebnislos.
Unterdessen wurden auf dem ganzen Planeten die Dhyarras gefunden. Schedol hatte sich nicht
getäuscht. Millionen von ihnen lagen in den Bergen verborgen und warteten nur darauf, geborgen
zu werden. Da sie aber keinen praktischen Wert erkennen ließen, blieben sie auf Schedols Welt und
dienten nur zu Versuchszwecken.
Je mehr Zeit verstrich, desto häufiger bemerkte Kergom, dass sich seine Kollegen hinter seinem
Rücken über ihn lustig machten. Keiner von ihnen teilte seine Ansichten, weil er aber trotz aller
Misserfolge weiter auf der Richtigkeit seiner Theorie beharrte, sahen sie in ihm einen Spinner, der
nicht recht bei Trost war. Lediglich seine leitende Stellung hinderte sie daran, ihm die Mitarbeit
aufzukündigen.
Eines Tages, als er sich bereits mit dem Gedanken vertraut machte, dass seine Forschungen
womöglich Jahre dauern konnten, kam ihm der Zufall zu Hilfe.
Kergom hatte in einem Labor eine komplizierte Versuchsreihe aufgebaut. Herzstück war ein
Generator, der mit einem Schwarzkristall gekoppelt war. Wenn der Kristall schon keine Energie
freisetzte, wollte Kergom ihn zumindest zu einer Reaktion anregen, indem er ihm seinerseits
Energie von außen zuführte.
Er begann mit einer minimalen Aufladung und steigerte die Dosis kontinuierlich. Zunächst geschah
gar nichts, seltsamerweise erwärmte sich der Schwarzkristall nicht einmal. Die zugeführte Energie
verschwand einfach.
Verständnislos erhöhte Kergom die Leistung des Generators und übersättigte den Kristall, was
unweigerlich zu einer Zerstörung der kristallinen Struktur fuhren musste.
Jedenfalls erwartete Kergom das, doch wider jedes gültige Axiom wurde die Energie erneut
abgeleitet und verschwand ...
... im Nichts.
Unmöglich! Wohin war sie geflossen? Nach dem Energieerhaltungssatz konnte sie nicht verloren
gehen. Was also war aus ihr geworden? Kergom beschloss, den Versuch abzubrechen, so lange er
nicht sicher war, keine unabsehbaren Gefahren heraufzubeschwören.
Er kam nicht mehr dazu.
Als der Schwarzkristall plötzlich von blendender Helligkeit ausgefüllt war, stieß Kergom einen
schmerzerfüllten Schrei aus, der seine Kollegen alarmierte. Er riss die Arme vor die Augen, aber es
war zu spät. Minutenlang bestand die Welt um ihn nur noch aus grellem Licht, in dem keine Farben
und keine Formen mehr existierten, und Kergom fürchtete, durch den Blitz seine Sehfahigkeit
verloren zu haben.
Seine Kollegen bestürmten ihn mit Fragen, aber er antwortete ihnen nicht, sondern wünschte sie ins
Innere eines Schwarzen Lochs, um endlich wieder seine Ruhe zu haben. Helfen konnten sie ihm
ohnehin nicht, und allmählich schälten sich erste Konturen aus der allgegenwärtigen Helligkeit.
Bald gelang es ihm, die Dinge wieder als das zu erkennen, was sie wirklich waren.
Kergom konnte sein unglaubliches Glück kaum fassen, nicht erblindet zu sein.
»Was ist geschehen? Wir haben uns Sorgen gemacht.«
Achdos stieß Kergom seinen Kollegen, der die Frage gestellt hatte, beiseite und kontrollierte die
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Versuchsanordnung. Der Kristall war so schwarz wie zuvor. Er zeigte keine Anzeichen von
Aktivität. Der Generator hingegen war bis zur Unbrauchbarkeit zerstört. Er war ausgebrannt und
würde nie wieder zum Leben erwachen.
Ungläubig stieß der Forscher die Luft aus. Dafür konnte es nur einen Grund geben. Der Kristall
hatte ihm mit einer explosionsartigen Reaktion schlagartig sämtliche Energie entzogen und an einen
unbekannten Ort transferiert.
Das eröffnete ganz neue Möglichkeiten. Kergom gelangte zu der Einsicht, sich womöglich doch
geirrt zu haben. Die Schwarzkristalle waren vielleicht nicht in der Lage, selbst Energie zu erzeugen,
aber sie konnten sie von einem Ort an einen anderen transferieren.
Möglicherweise aus dem Inneren einer Sonne direkt in einen Raumschiffsantrieb.
Nachdem er den richtigen Ansatzpunkt gefunden hatte, trieb Kergom seine Forschungen rasch
voran. Seine Spekulation mit der Sonne war dabei noch um einige Klassen zu tief gegriffen. Denn
tatsächlich waren die sich bietenden Möglichkeiten viel gewaltiger. Kergom fand nämlich heraus,
dass die Schwarzkristalle in Verbindung zur Raumkrümmung des Universums standen und von dort
Energie bezogen. Damit bedienten sie sich aus einem nahezu unerschöpflichen Reservok.
Seinen Berechnungen zufolge war mit seiner Entdeckung der Energiebedarf des Volkes für alle
Zeiten gedeckt. Denn je stärker das Raum-Zeit-Gefüge durch Masse und ihre Gravitation in
manchen Bereichen des Weltalls gekrümmt war, desto höhere Energiemengen band es. Allerdings
war es ständig bestrebt, einen Teil dieser Energie abzugeben und den physikalischen Abläufen im
Kosmos zuzuführen. Die Sternensteine wirkten wie ein Blitzableiter, der die unkontrollierte
Energieabgabe in bestimmte Bahnen lenkte.
Beispielsweise in einen Raumschiffsantrieb, wie Kergom durch einen Feldversuch belegte.
Er konnte nur vermuten, welchen Zusammenhang es da gab. Wahrscheinlich ging er bis zum
Urknall zurück, als sich die unendlich hohe Energie auf ein unendlich kleines Raumvolumen
konzentrierte. Kergom hielt es für möglich, dass die Kristalle aufgrund der kosmischen
Hintergrundstrahlung mit ihrer enormen Materie- und Energiedichte entstanden waren und sich bis
heute eine verbliebene Affinität zur Raum-Zeit-Krümmung bewahrt hatten, in der sich trotz der
Milliarden Jahre währenden Expansion des Universums noch immer nicht zu beziffernde
Energiereserven hielten.
Kergom versuchte herauszufinden, ob die Sternensteine wirklich schon so alt waren. Und wenn es
tatsächlich Abfallprodukte des Urknalls waren, wieso waren sie ausgerechnet auf Schedols Welt zu
finden? Handelte es sich um einen simplen Zufall, oder gab es sie auch auf anderen Welten des
Universums?
Er erkannte auch die Gefahr, die die Existenz der Sternensteine für den Frieden darstellte. Jede
Macht der Galaxis würde ihnen nachjagen, wenn sie davon erfuhr. Deshalb war es ratsam, das
Geheimnis zu bewahren und in den eigenen Reihen zu halten, dann konnte nichts passieren. Wie
Schedol glaubte auch Kergom einer möglichen Gefahr allein durch Verschwiegenheit begegnen zu
können.
Die Naivität dieser Sichtweise kam keinem aus dem Volk zu Bewusstsein. Es fehlten die
kriegerischen Erfahrungen, die man niemals gemacht hatte, um sich wirklich ernsthafte Sorgen zu
machen.
Zudem Tescha, ein hochrangiger Kollege Kergoms, eine weitere Fähigkeit der Schwarzkristalle
entdeckte. Sie ließen sich auch als Bordrechner verwenden. Schon bei ersten Versuchen zeigte sich,
dass sie herkömmlichen Computern an Leistungsfähigkeit bei weitem überlegen waren. Sie besaßen
nicht nur eine höhere Speicherkapazität, sondern waren in der Lage, doppelt so viele
Rechenoperationen im gleichen Zeitraum durchzuführen.
Das war zu einer Zeit, als es zu ersten Auseinandersetzungen unter dem Stationspersonal kam.
Aggressive Übergriffe, wie es sie früher nie gegeben hatte, häuften sich. Beim geringsten Anlass
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kam es zu heftigen Disputen, die das eine oder andere Mal sogar in Handgreiflichkeiten ausarteten.
Auch Kergom fühlte sich davon betroffen. Er hatte das Gefühl, dass ein ständig wachsender Druck
auf ihm lag, der sich immer weiter aufbaute und seine klaren Gedanken vernebelte. An manchen
Tagen wurden seine unterschwelligen Ängste so schlimm, dass er sich einbildete, in seinem Kopf
steckte ein zweiter Geist neben seinem. Von finsterem Gemüt und deprimierender Kälte beseelt,
machte er sich breit.
Bald begann Kergom die abstoßenden Berge und den ganzen Planeten zu hassen. Manchmal fragte
er sich, wieso er überhaupt hierher gekommen war und dafür die Schönheit der Heimat hinter sich
gelassen hatte. Dann vergrub er sich tagelang in seinen privaten Räumen und wechselte mit
niemandem ein Wort. So bekam er nicht einmal mit, als einige seiner Kollegen unter dem gleichen
unerklärlichen Druck den Planeten tatsächlich verließen.
Doch diese Gedanken vergingen, sobald Kergom sich in seine Arbeit vertiefte. Allerdings wurden
die aktiven Phasen immer kürzer, während sich die Zeiten der Depressionen verlängerten. Kergom
ertappte sich immer häufiger bei dem Gedanken, von unsichtbaren Feinden umgeben zu sein. Von
finsteren Mächten, die er nicht begriff, weil sie so ganz anders waren als alle Lebewesen, von denen
er jemals gehört hatte. Sie lauerten in den Klüften der Berge, ja in den Felsen selbst, und quälten ihn
mittels der Macht ihres Geistes.
Selbstverständlich erwähnte Kergom seinen inneren Zwiespalt niemandem gegenüber, schließlich
wollte er sich nicht lächerlich machen. Dabei war er fest überzeugt, dass er nicht der einzige war,
dem es so ging. Einer seiner engsten Mitarbeiter verschwand einmal für eine ganze Woche, und
dann tauchte er ebenso plötzlich wieder auf, als sei nichts geschehen.
Anfangs hatte er zahlreiche Ausflüge auf dem fremden Planeten unternommen, doch mittlerweile
setzte er kaum noch einen Fuß vor die Tür der Station.
Für eine Weile vergaß Kergom seine Ängste, als eine neue Order von der Heimatwelt kam.
Transportschiffe besuchten Schedols Welt, um die bisher zusammengetragenen Sternensteine
abzuholen.
Daheim wurden sie zunächst parallel zu den bestehenden Bordrechnern nachgerüstet, doch nach
und nach wurden die alten Rechner mangels Effizienz abgeschaltet und ausgeschlachtet. Der
Siegeszug der Schwarzkristalle hatte endgültig eingesetzt, auch wenn immer noch nicht schlüssig
erwiesen war, woher sie stammten.
Als zum ersten Mal neue Raumschiffe von vornherein nur noch mit den Kristallen als Rechner
bestückt wurden, waren seit Schedols Entdeckung zwei Jahre vergangen. Schedol selbst stieg in
kurzer Zeit um mehrere Plätze in der Hierarchie der Flotte auf, doch er weigerte sich, die
TAUFARA, die ebenfalls auf die Sternensteine umgestellt worden war, abzugeben und das
Kommando über einen modernen Kreuzer zu übernehmen.
Auf Schedols Welt wurden unterdessen, über den ganzen Planeten verteilt, weitere Stationen
errichtet. Wem der Segen zu verdanken war, hatte man dort, obwohl der Planet nach ihm benannt
war, längst vergessen. Schedol legte keinen Wert auf Publicity. Er dachte längst an ganz andere
Dinge im Auftrag der Flotte.
Nur gelegentlich nahm er in seiner Kabine auf der TAUFARA Verbindung zu seinem Dhyarra auf,
aber mehr als beim ersten Mal war nie passiert. Zwar hatte er den Eindruck, dass neben den bislang
bekannten weitere verborgene Kräfte in dem Stein steckten, aber es gelang ihm nicht, sie zu
aktivieren. Er vermied es auch, jemanden darauf anzusprechen, weil er dann hätte zugeben müssen,
sich heimlich einen der Dhyarras angeeignet zu haben. Die aber waren allein der Regierung und den
offiziellen Stellen wie der Raumfahrtbehörde vorbehalten, und auch bei ihm, der sie einst entdeckt
hatte, würde man keine Ausnahme machen. So behielt Schedol sein kleines Geheimnis weiterhin für
sich.
Auf Schedols Welt wurde der Abbau der Schwarzkristalle forciert und immer neue Ladungen zur
Heimatwelt verschifft. Dort wurden sie sehnsüchtig erwartet, denn inzwischen hatten sie sämtliche
anderen Computer vom Markt verdrängt. Nur noch die Schwarzkristalle wurden aufgrund ihrer
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Vorteile als Rechner benutzt. Was zunächst auf den Raumschiffen begonnen hatte, setzte sich
schließlich in allen Bereichen des täglichen Lebens fort. An herkömmliche Computer
verschwendete niemand mehr einen Gedanken.
Alles lief reibungslos.
Bis die Gkirr kamen.
Drei riesige schwarze Raumer tauchten über Schedols Welt auf. Sie waren größer als alle
Schiffstypen, über die das Volk verfügte. Zwei von ihnen blieben im Orbit, während eins ungeniert
in der Nähe der Forschungsstation landete, die von Kergom geleitet wurde. Es war so groß, dass es
die freie Fläche vollständig ausfüllte.
Die Aufregung unter den Wissenschaftlern hielt sich in Grenzen. Auch wenn bisher keiner von
ihnen bei einem direkten Kontakt mit einer anderen Spezies dabei gewesen war, kannten sie doch
sämtliche Berichte. So zögerten die meisten seiner Mitarbeiter, die nicht gerade eine depressive
Phase durchliefen, keinen Moment, sich ins Freie zu begeben.
»Wir werden sie begrüßen und ihnen zeigen, was für gute Gastgeber wir sind.«
Kergom folgte ihnen mit gemischten Gefühlen. Natürlich vermochte auch er sich nicht vorzustellen,
dass ihnen eine Gefahr drohte, dennoch hatte er ein mulmiges Gefühl. Beim Anflug hatten die
Unbekannten nicht auf die Funkrufe reagiert. Auch wenn sie den Inhalt nicht verstanden, weil sie
eine andere Sprache besaßen, hatten sie sie doch zweifelsfrei empfangen. Melden können hätten sie
sich also durchaus.
Kergom betrachtete das schwarze Raumschiff mit Respekt. Es wirkte auf ihn wie ein weiterer Berg,
der mit dunklen Absichten eben aus dem Erdboden erwachsen war. Längst hielt er auf diesem
Planeten nichts mehr für unmöglich.
Mit Widerwillen schielte er zu der Felswand, die sich hinter dem gelandeten Raumschiff in die
Höhe erhob. Der Raumer war davor kaum als eigenständiges Gebilde zu erkennen, sondern schien
mit ihr zu verwachsen. Kergom senkte den Blick und betrachtete seine Füße. Es hätte ihn nicht
gewundert, wenn auch sie verschwunden und eins mit dem Untergrund geworden wäre.
Alles in ihm drängte danach, sich umzudrehen und in die Sicherheit der Station zu fliehen. Er
musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Seine Beine
waren schwer wie Blei, dennoch setzte er einen Fuß vor den anderen.
Bis in der schwarzen Schiffshülle ein schmaler Lichtstreifen entstand. Erst als er breiter wurde,
begriff Kergom, dass sich eine Art Luke öffnete. Das Licht wkkte unnatürlich in dieser Umgebung,
wie ein Fenster aus einer anderen Welt.
Einige seiner Kollegen gaben überraschte Rufe von sich, als drei Gestalten in der Luke sichtbar
wurden. Sie setzten sich in Bewegung und gingen direkt ins Leere, doch sie stürzten nicht. Ein
unsichtbares Kraftfeld hielt sie fest und setzte sie sanft auf dem Boden ab.
»Wir heißen euch willkommen«, vernahm Kergom eine Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen
schien. Die Szene war unwirklich, und er fühlte sich wie tausend Lichtjahre entfernt. Wie ein
unsichtbarer Voyeur hinter einer Barriere aus gefrorener Zeit, der mit dem, was vor sich ging, gar
nichts zu tun hatte.
»Wer seid ihr? Wir würden euch gern kennen lernen.«
Narren., dachte Kergom. Begreift ihr denn nicht, dass sie nicht mit euch reden wollen?
Doch die Fremden antworteten. In einer Form allerdings, mit der der Wissenschaftler nicht
gerechnet hatte.
Gkirr, tauchte ein Begriff in seinem Geist auf. Wir sind die Gkirr, und wir befehlen euch, unseren
Planeten zu verlassen.
Irgend jemand lachte, obwohl es nichts zu lachen gab. Mit glasklarer Erkenntnis begriff Kergom,
dass die Fremden, sie sich selbst Gkirr nannten, nicht scherzten. Ihre Forderung war vollkommen
ernst gemeint, und sie würden auch nicht darüber diskutieren. Mit ihrer telepathischen Botschaft
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war ihre Auskunftsfreudigkeit auch schon wieder beendet. Sie reagierten auf keine weitere Frage
von Kergoms Kollegen.
Als die Gkirr aus dem blendenden licht traten, hatte er endlich Gelegenheit, sie zu betrachten. Es
waren kleinwüchsige, dünne Wesen in silbernen Anzügen, zwei Köpfe kleiner als er selbst und mit
eingliedrigen Extremitäten. Am auffälligsten waren ihre zwei großen Augen, die die obere
Kopfhälfte dominierten.
Einer der Gkirr hob einen silbrig schimmernden Kasten vor seine Brust. Im ersten Moment hielt
Kergom ihn für eine Waffe, aber dann kam er zu dem Schluss, dass es sich um ein Messgerät
handelte, denn der Gkirr hielt es in verschiedene Richtungen. Schließlich schien er gefunden zu
haben, was er suchte, denn er entfernte sich, während seine beiden Begleiter wie versteinert stehen
blieben.
Kergom wollte etwas sagen, aber er brachte keinen Ton heraus. Auch seine Kollegen hatten die
sinnlosen Versuche aufgegeben, sich mit den Fremden verständigen zu wollen.
Kurze Zeit später kam der einzelne Gkirr zurück. Neben seinem Gerät trug er jetzt noch etwas
anderes in der Hand. Kergom musste das Artefakt nicht sehen, um zu wissen, worum es sich dabei
handelte.
Um einen Schwarzkristall.
Dahinter waren die Gkirr her, und nichts konnte sie aufhalten.
Kergom starrte dem Schiff noch lange, nachdem es gestartet war, hinterher. Eins war ihm völlig
klar. Sie hatten die Fremden nicht zum letzten Mal gesehen.
Die Gkirr würden wiederkommen.
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Kapitel 3
Der letzte Tag
Es war ein milder Frühlingstag, Wolkenloser blauer Himmel lag über Chateau Montagne, und die
schon recht hoch stehende Mittagssonne badete die alten Gemäuer in einem goldenen Schein.
Versonnen blickte Professor Zamorra seiner Lebensgefährtin nach, die emsig durch die Räume des
Chäteaus eilte und überall die Fenster aufriss. Wie meistens war Nicole Duval ziemlich leicht
bekleidet, was Zamorra nur recht war. Sie trug ein äußerst knappes Minikleid in bunten
Frühlingsfarben, das mehr offenbarte als verhüllte. Am liebsten hatte sie es ja ganz textilfrei, aber
da der junge Rhett Saris ebenfalls irgendwo im Haus unterwegs war, hielt sie sich ein wenig zurück.
Dennoch konnte der Dämonenjäger seine Augen nicht von ihr lassen.
»Suchst du etwas Bestimmtes?«, fragte die schlanke Französin schelmisch, wobei sie demonstrativ
mit dem Hintern wackelte. »Gefallt dir die Farbe meines neuen Kleides nicht?«
Zamorra grinste. »Ach, das ist ein Kleid. Ich hielt es für einen etwas längeren Pulli. Die heutige
Mode ist für ältere Männer wie mich schon sehr gefährlich.«
»Der erste Herzinfarkt lauert überall.« Mit einer lasziven Bewegung bückte Nicole sich, um etwas
vom Boden aufzuheben, was gar nicht da war, was natürlich dazu führte, dass ihr Kleid noch ein
wenig höher rutschte.
»Jetzt sieht es aus wie ein Hüfthalter.«
»Schuft!« Wie von der Tarantel gestochen, fuhr Zamor-ras Partnerin in die Höhe. Es blitzte drohend
in ihren Augen, als sie ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.
»Entschuldige, mein Schatz. Komm einfach mal her, dann mache ich es wieder gut.«
»Mich erst hochnehmen, und dann wieder den Unschuldigen spielen«, sagte Nicole schnippisch.
»Das habe ich gern. Kommen jetzt deine Frühlingsgefühle?«
»Gut möglich. Das sollten wir doch schnellstens herausfinden.«
»Du weißt mich gar nicht richtig zu würdigen. Außerdem will ich einen alten Mann doch körperlich
nicht über Gebühr belasten.«
Im Grunde war Zamorra schon über Sechzig, aber diese Zählweise galt für ihn nicht mehr, seit er
vom Wasser der Quelle des Lebens getrunken hatte. Seit diesem Tag alterte er nicht mehr, so dass er
tatsächlich aussah wie ein Dreißigjähriger und auch über ein entsprechendes körperliches Befinden
verfügte. Ebenso wie Nicole war er mithin relativ unsterblich, wenn auch nicht gegen einen
gewaltsamen Tod gefeit.
»Zur Not musst du mich eben pflegen«, scherzte der Meister des Übersinnlichen.
»Wenn sich sonst niemand dazu herablässt. Aber bevor ich das tue, suche ich mir einen jüngeren
Liebhaber.«
Zamorra schlug theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen und sagte in weinerlichem
Tonfall: »Das würdest du einem alten Mann antun?«
»Ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Wahrscheinlich hast du sogar schon jemanden im Auge.«
»Da kannst du sicher sein. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er mich zum Abschied sogar
geküsst.« Nicole rückte den Saum ihres Kleids zurecht. »Aber erwarte bloß nicht, dass ich dir
seinen Namen nenne.«
»Wer ist der Kerl?« Mit einem Satz war Zamorra auf den Beinen und warf sich Nicole über die
Schulter. Er stieß ein amüsiertes Lachen aus und gab ihr einen leichten Klaps auf den Hintern. Trotz
ihrer Freizügigkeit war er ihr Partner, und niemand sonst. Zwar machte sie sich mit ihrem Outfit
und ihrer lockeren Art manchmal einen Spaß daraus, andere Männer zu reizen, aber das hatte nichts
zu bedeuten. »Gesteh, damit ich ihn mir vorknöpfen kann.«
»Außer dir gibt es nur einen, der mir den Kopf verdrehen kann«, sprudelte es aus der Französin
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heraus. »Du kennst ihn sogar.«
»Seinen Namen, bevor ich dich Asmodis übergebe!«
»Assi? Das habe ich nicht verdient. Also schön, du hast gewonnen, du Schuft. Es ist Professor
Saranow.«
Gemeinsam lachten sie los, und Zamorra setzte Nicole wieder auf dem Boden ab. »Damit kann ich
leben«, versicherte er. »Ich frage mich, was der alte Haudegen macht.«
Viel zu selten sahen die beiden Dämonenjäger sich — Zamorra und sein russischer Kollege Boris
Iljitsch Saranow. Das lag daran, dass Saranow im Auftrag der russischen Regierung an geheimer
PSI-Forschung arbeitete.
Ein Geräusch von der Tür her ließ Zamorra aufhorchen. Im Chateau gingen eine Menge Leute ein
und aus. Nicht nur Lady Patricia und ihr Sohn Rhett, der Erbfolger des Saris-Clans, sondern auch
Butier William und die Köchin Madame Ciaire. Von dem tollpatschigen Jungdrachen Fooly ganz zu
schweigen.
»Lord Zwerg«, sagte Nicole. »Was hast du denn mal wieder unangemeldet für Sorgen?«
Als sie sich zu Tür wandte, erkannte sie, dass sie sich geirrt hatte. Auch Zamorras Gesicht verzog
sich fragend.
Im Eingang stand ein Mann, den keiner von beiden jemals gesehen hatte. Er war von
kleinwüchsiger, hagerer Statur, verfugte aber für seine knapp Einmetersiebzig über eine enorme
Präsenz, die einen Raum ausfüllen konnte.
Schon beim ersten Blick registrierte Zamorra eine bemerkenswerte Aura, die von dem Fremden
ausging. Sein Gesicht drückte Entschlossenheit und eine grenzenlose Selbstsicherheit aus.
Mehr noch. Unverhohlene Arroganz.
»Wer sind Sie?«, fragte Zamorra. »Und wie kommen Sie hier herein?«
»Mein Name ist Cairo - Al Cairo.« Der Fremde zeigte hinter sich. »Wie ich hier reinkomme? Durch
die Tür, wie andere Menschen auch.«
»Er lügt, Chef!«
Plötzlich tauchte Fooly im Eingang auf. Mit schaukelnder Schwanzspitze watschelte der Jungdrache
an dem ganz in Schwarz gekleideten Fremden vorbei und stellte sich neben Zamorra.
»Sehr interessant«, sagte der hagere Mann, dessen eisgraue Augen Fooly mit Abscheu taxierten.
»Solch ein fettes Monster hat mich noch nie der Lüge bezeichnet.«
»Was du nicht sagst.« Der 1 meter 20 große Drache, der jeden Gesprächspartner zu duzen pflegte,
fauchte und fuhr seine Krallen aus. »Ansonsten scheinst du aber daran gewöhnt sein, als Lügner
bezeichnet zu werden.«
Der Mann, der sich als Al Cairo vorgestellt hatte, ignorierte den Drachen und wandte sich an
Zamorra. »Ich komme, um mit Ihnen zu sprechen.«
»Sie sind wirklich durch den Vordereingang gekommen?«
»Woher denn sonst?«
Zamorra sah Fooly foraged an.
»Stimmt nicht, Chef«, beeilte sich Fooly zu sagen. »Ich habe gesehen, wie er gekommen ist. Er ist
geflogen.«
»Geflogen?«, echote Nicole verblüfft. »Wie meinst du das?«
»Genau, geflogen, Mademoiselle Nicole«, bekräftigte der Drache. »Ich habe es mit meinen eigenen
Augen gesehen.«
Al Cairo lachte kalt auf. »Dieses Monster ist nicht nur fett und abstoßend, es ist auch noch
verblödet. Worauf man bei diesem Gesichtsausdruck eigentlich sofort kommen müsste.«
»Wer immer Sie sind, lassen Sie diese Beleidigungen in meinem Haus. Ansonsten dürfen Sie sich
umdrehen und wieder gehen.«
Al Cairo winkte ab. »Schon gut. Aber bei allem Respekt, Professor, sehe ich aus, als ob ich fliegen
könnte?«
Fooly nickte heftig. »Kann er. Aber wenn mir keiner glaubt, kann ich auch wieder gehen. Rhett
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glaubt mir bestimmt«, sagte er beleidigt und stapfte aus dem Zimmer.
»Womit der Intelligenzquotient in diesem Raum sprunghaft ansteigt«, kommentierte der hagere
Mann. »Ich bin sicher, Sie wollen erfahren, warum ich Sie besuche, Professor.«
»Wir können es kaum noch erwarten«, antwortete Nicole an Zamorras Stelle.
»Bei Ihnen glaube ich das aufs Wort. Schließlich sind Sie eine Frau. Wieso sollten ausgerechnet Sie
die eine unter Millionen sein, deren Hauptantrieb nicht die Neugier ist?« Al Cako hob abwehrend
die Hände. »Schon gut, lassen wir das. Es gibt wichtige Dinge zu besprechen.«
Da war Zamorra sicher. Er spürte, dass an seinem ebenso merkwürdigen wie arroganten Besucher
mehr dran war als auf den ersten Blick ersichtlich. Dessen nächste Worte bestätigten seine
Vermutung.
»Es geht um die DYNASTIE DER EWIGEN.«
»Viel Glück uns allen! Mögen die Götter des Universums uns gnädig sein!«
Es waren die letzten Worte, doch die unnatürlich ruhige Stimme rauschte noch in Yorns Ohren, als
sie längst verklungen war. Wie gelähmt stand er da und starrte den Bildschirm an, auf dem sich
sekundenlang das Abbild des Sprechers abzeichnete. Es war wie eingefroren, und in den Zügen des
Mannes ließ sich nicht die geringste Regung erkennen. Wie eine Marionette, die nicht begriff,
welche Nachricht sie eben vorgetragen hatte, stierte er ins Leere.
Das Ende der Hoffnung war gekommen. Der Untergang der Heimat stand bevor. Schlimmer hätte es
nicht kommen können, doch bei dem zumindest äußerlich gefühllosen Sprecher klang alles wie
Routine. Als hätte er die Wettervorhersage verlesen.
Als sein Abbild endlich kollabierte und hoffnungsloser Schwärze Platz machte, kam Yorn wieder zu
sich. Sein Körper schien von innen heraus zu brennen, und seine Brust hob und senkte sich unter
seinen schweren Atemzügen. Ein Tonnengewicht lastete auf ihm, wie er es nie zuvor verspürt hatte.
Taria.
Der plötzlich in seinem Geist auftauchende Name seiner Gefährtin brachte ihn beinahe um den
Verstand. Er musste zu ihr, so schnell wie möglich.
Erst jetzt registrierte er die Schreie, die an seine Ohren drangen. Sie kamen von draußen. Er riss
sich vom Anblick des ermatteten Bildschirms los und fuhr herum. Da war niemand außer ihm. Er
hatte gar nicht bemerkt, wie seine Mitarbeiter aus dem Büro geflohen waren und ihn allein gelassen
hatten. Diese Feiglinge hatten es nicht einmal für nötig befunden, ihn mit sich zu nehmen.
Yorns Herz schlug heftig, als er durch die offen stehende Tür stürmte und den Gang entlang
stolperte. Ringsum herrschte Panik. Unter den Flüchtenden, die sich gegenseitig über den Haufen
rannten, entdeckte er einige bekannte Gesichter, aber niemand achtete auf ihn. Jeder war nur darauf
aus, sein eigenes Leben zu retten.
Yorn konnte das niemandem verdenken, schließlich ging es ihm nicht anders. Er lief zu einem
zentralen Knotenpunkt, wo sich die Aufzüge befanden. Mehrmals wurde er angerempelt, aber
davon ließ er sich nicht beirren. Dank seiner kräftigen Statur blieb er jedes Mal auf den Beinen.
Seine Hoffnung, mit einem der Aufzüge nach unten zu gelangen, wurde jäh zerstört. Eine dichte
Traube aus Leibern hatte sich vor den Türen gebildet. Nun wurde ihm das ganze Ausmaß des Chaos
bewusst, denn niemand nahm mehr Rücksicht. Alle versuchten einen der rettenden Plätze zu
erreichen und behinderten sich gegenseitig.
Er vernahm Stöhnen und Schmerzensrufe von irgendwem, der gestolpert und zu Boden gegangen
war. Rücksichtslos trampelte die Menge über ihn hinweg und brandete wie eine Welle gegen die
verschlossenen Aufzugtüren. Dutzende von Fäusten hämmerten dagegen, als handelte es sich um
ein verabredetes Signal, mit dem sich etwas bewirken ließ.
Aber das tat es nicht.
Yorn konnte seine Artgenossen mit einem Mal nicht mehr verstehen. Was war nur aus ihrem
gesunden Denkvermögen geworden? Sie begriffen nicht, dass ihr Handeln sinnlos war. Zweifellos
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sah es in den anderen Ebenen ähnlich aus, also waren die Lifts längst blockiert.
Die Welt drehte sich um Yorn, und er stapfte an der tobenden Menge vorbei.
»Das Treppenhaus«, stieß er im Vorbeilaufen aus, aber niemand achtete auf ihn. In ihrer Todesangst
waren die Frauen und Männer blind für vernünftige Argumente. Ihm blieb nichts anderes übrig, als
sich um sich selbst zu kümmern.
Denn jeden Moment konnte über ihm die Decke einstürzen, oder der Boden unter seinen Füßen und
ihn mit sich in die Tiefe reißen. Der Lärm blieb hinter ihm zurück, und er lauschte auf verräterische
Geräusche, die von außerhalb des Gebäudes kamen.
Wie mochten sie sich anhören? Wie klangen die durch die Atmosphäre dringenden Raumschiffe der
Gkirr? Ähnlich wie die eigenen Schiffe, oder würde er sie allein am Klang erkennen?
Wenn er erst das Feuer ihrer Geschütze vernahm, war ohnehin alles zu spät. Dann würde er unter
Tonnen von Schutt und Gestein begraben werden, ohne noch einmal die liebreizende Taria oder
seine Familie zu sehen.
Während Yorn das Treppenhaus erreichte, zwang er sich, nicht allzu schwarz zu sehen. Zwar hatte
der Angriff der Gkirr begonnen, aber niemand konnte sagen, welche Städte sie zuerst attackieren
würden. Außerdem waren längst die eigenen Raumschiffe aufgestiegen, um die Heimat zu
verteidigen.
Aber sie verfügen nur über schwache Waffen dachte Yorn verzweifelt. Die Gkirr sind ein
aggressives, hochgerüstetes Volk, nicht wir.
Was sich jetzt als Fehler erwies. Statt sich auf eine friedliche Expansion zu verlassen, hätte man
vielleicht mehr Wert auf die Entwicklung von Waffen legen sollen. Dann hätte man heute bessere
Gegenwehr leisten können. So konnte man das drohende Verhängnis nur hinauszögern.
Im Treppenhaus erkannte er, dass er sich getäuscht hatte. Er war nicht der Einzige, der den
Aufzügen aus dem Weg ging. Ein Strom hektischer Leiber spülte in die Tiefe, von denen er gegen
seinen Willen mitgerissen wurde. Aber es war lange nicht so schlimm wie oben.
Die Furcht begleitete Yorn die Stufen abwärts. Siebzehn Stockwerke bis zum Erdboden, die ihm
wie der Abstieg von einem der höchsten Gipfel der Welt vorkamen. In jeder Sekunden starb Taria
tausendmal in seinen Gedanken, ohne dass es ihm gelang, das schreckliche Bild zu verdrängen. Es
quälte ihn viel schlimmer als die Ahnung um seinen eigenen bevorstehenden Tod.
Seine Erleichterung war grenzenlos, als er endlich ins Freie trat.
Doch nur kurz, denn gellendes Sirenengeheul erwartete ihn.
»Korasan ist vernichtet worden.«
Ein Nachrichtensender hatte bis zuletzt berichtet. Er war mit der Hauptstadt gefallen, und es drang
nur noch statisches Knistern aus den Empfängern, das vereinzelte, unverständliche Wortfetzen
überlagerte. Möglicherweise kamen sie von einem leistungsschwachen Schwarzsender oder einem
Privatfunker, der sich im heimischen Keller verschanzt hatte und der Vernichtung Korasans
entgangen war.
Nach einigen Minuten gab Taria die sinnlosen Versuche auf, ihn besser reinzubekommen. Ihr war
klar, was auf sie zukam.
»Wir müssen das Haus verlassen und uns irgendwo in den Wäldern verstecken. Wenn die Gkirr
systematisch vorgehen, sind wir als eine der nächsten Städte auf der Landkarte dran.«
Yorns Mutter Larka sah sie mit einem verstörten Blick an. »Warum tun die uns das an? Wir haben
ihnen doch nichts getan.«
»Wir hätten ihnen die Dhyarra-Kristalle überlassen sollen«, warf ihr Mann Telkan ein. »Dann hätten
sie uns vielleicht in Ruhe gelassen.«
Daran glaubte Taria nicht. Natürlich waren die Kristalle ausschlaggebend für das feindselige
Verhalten der Gkirr. Doch auch ohne sie war dieses expandierende Volk aggressiv und
eroberungslustig.
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»Packt ein paar Dinge zusammen, aber beeilt euch.«
»Wir können uns doch nicht einfach verstecken«, wehrte Larka entrüstet ab. »Wir müssen auf Yorns
Rückkehr warten. Er wird nach uns suchen. Wenn wir nicht hier bleiben, kann er uns nicht finden.«
»Ich habe bereits versucht, ihn zu erreichen, erfolglos.
Anscheinend sind sämtliche Leitungen zerstört, die Verkehrsverbindungen wahrscheinlich
ebenfalls. Es ist unwahrscheinlich, dass Yorn es bis hierher schafft.«
»Er kann doch nirgendwo anders hingehen. Er wird kommen.«
»Trotzdem dürfen wir nicht bleiben.« Tarias Stimme klang beschwörend. »Sonst werden wir mit der
ersten Angriffswelle auf unsere Stadt vernichtet. Yorn ist vielleicht ebenfalls gezwungen, sich
irgendwo zu verstecken.«
Taria weigerte sich daran zu denken, dass ihrem Gefährten womöglich noch Schlimmeres
widerfahren war. Alles wäre einfacher gewesen, wenn es einen Kontakt gegeben hätte, aber so
konnten sie sich nicht einmal absprechen.
Sie lief in ihr Zimmer und verstaute ein paar Sachen, die sie für wichtig hielt, in einem Beutel.
Danach packte sie Lebensmittel ein, die für ein paar Tage reichen würden. Zu ihrer Erleichterung
kamen Yorns Eltern ihrer Aufforderung trotz der Bedenken ebenfalls nach.
Taria widerstrebte es selbst am meisten, nicht auf Yorn warten zu können. Im Grunde wusste sie
nicht mal genau, wohin sie sich wenden sollten, aber es gab keine Alternative zu den einigermaßen
schützenden Wäldern. Doch die lagen mehr als zehn Kilometer entfernt, und Yorn hatte den
einzigen Gleiter der Familie mitgenommen.
Für den Fall, dass ihr Haus wider Erwarten doch nicht zerstört würde, hinterließ sie ihm eine
Nachricht auf dem Küchentisch, damit er wusste, wo er nach seiner Familie zu suchen hatte.
Ein tiefes Grollen ließ Taria zusammenzucken/Es klang wie eine Abfolge von mehrfachem Donner,
der sich aus der Ferne näherte. Irritiert schaute sie aus dem Fenster,
aber der Himmel war klar. Ein Gewitter war nicht im Anzug.
»Kommt endlich!«, drängte sie, von einer düsteren Ahnung befallen. Wenn sie sich nicht täuschte,
blieb ihnen noch weniger Zeit, als sie zunächst gedacht hatte.
Sie stürmte aus dem Haus und sah gerade noch, wie sich die Sonne verdunkelte. Ein monströses
Etwas hatte sich davor geschoben und warf einen langgezogenen Schatten, der die Straße entlang
wanderte wie eine gierige Bestie.
Ein riesiges Raumschiff der Gkirr. Bisher kannte Taria diese Giganten nur aus
Nachrichtensendungen. Nun bekam sie zum ersten Mal einen davon mit eigenen Augen zu sehen. In
der Realität sah er noch viel bedrohlicher aus.
Zahlreiche Schreie ertönten. Als Taria sich umschaute, sah sie, dass die meisten ihrer Nachbarn in
Panik flohen. Ein Stück weiter bauten Männer mit hektischen Bewegungen einen mobilen
Granatwerfer auf. Taria war sicher, dass sie damit gegen die Gkirr ebenso wenig ausrichten konnten
wie diejenigen, die versuchten, dem Raumer vom Boden aus mit Handstrahlern beizukommen.
Wo blieben nur die eigenen Raumschiffe? Existierte die Flotte überhaupt noch? Sie musste doch
kommen, um die Bevölkerung zu verteidigen.
Taria bebte. Jeden Moment konnten die Gkirr schießen. Worauf warteten sie noch?
»Larka, wir haben keine Zeit mehr!«
Im Türdurchgang sah sie Yorns Familie. Sie wollte ihnen zuwinken, ihr endlich zu folgen, als sie
den Gleiter heranrasen sah. Instinktiv schrie Taria auf, als das zweite Fahrzeug von einem Stellplatz
aufstieg und sich in die Luft erhob. Frontal bohrten sich die beiden Gleiter ineinander.
Die Welt schien in einem Geräuschorkan zu vergehen. Wie ein irrwitziges Kaleidoskop aus Formen
und Farben drehte sie sich um Taria, die von der heftigen Druckwelle der Explosion gepackt und
wie welkes Laub durch die Luft gewirbelt wurde.
Trümmerstücke flogen umher, und eine blendende Feuerlohe breitete sich in Gedankenschnelle aus
und leckte himmelwärts. Schmerzen rasten durch Tarias Körper, als sie irgendwo gegengeschleudert
wurde. Sie glaubte Larkas entsetzten Aufschrei zu vernehmen, während ihr schwarz vor Augen
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wurde.
Nur nicht die Besinnung verlieren! Mit aller Kraft bäumte sie sich gegen die drohende Ohnmacht
auf, und ihr Blick begann sich wieder zu klären.
Nur um auf das gigantische Raumschiff der Gkirr zu starren. Es war viel näher und viel größer als
zuvor.
Der gleißende Blitz, den es verschleuderte, überstrahlte alles.
Am Himmel war kein feindliches Raumschiff zu sehen, wie Yorn mit einem suchenden Blick
feststellte. Zahlreiche Boden- und Luftfahrzeuge waren viel zu schnell unterwegs, und es grenzte an
ein Wunder, dass es zu keinen Zusammenstößen kam.
Mit weiten Schritten lief Yorn um das Hochhaus herum und erreichte den firmeneigenen Parkplatz,
auf dem er seinen Personengleiter abgestellt hatte. Die tumultartigen Szenen, die sich bei den
Parkbuchten abspielten, ließen ihn seine Schritte verzögern. Die Leute kämpften um die
Gefährte. Offenbar war ihnen gleichgültig, ob sie ihnen gehörten oder nicht, sie wollten nur
möglichst schnell weg. Dabei schreckten sie auch vor Gewalt nicht zurück.
Der Schreck fuhr Yorn in die Glieder. Auch an seinem Gleiter machten sich zwei Männer zu
schaffen, aber da er gesichert war, gelang es ihnen nicht, ihn in Betrieb zu nehmen. Doch wenn sie
erkannten, dass Yorn der Besitzer war, würden sie gnadenlos über ihn herfallen und ihn zum Starten
zwingen.
In diesem Moment erklang ein kurzer Knall, der sogar das infernalische Heulen der Sirenen
übertönte. Obwohl das Volk überwiegend Energiestrahler benutzte, gab es auch noch
Projektilwaffen.
Ein älterer Mann packte sich an die Brust und sackte auf die Knie. Yorn kannte ihn. Er arbeitete im
gleichen Stockwerk wie er selbst. Niemand machte Anstalten, ihm zu helfen, als er mit quälend
langsamen Bewegungen über den Boden rutschte, genau auf Yorn zu. Ein um Hilfe flehender
Ausdruck stand in seinem Gesicht, während Blut aus einer Wunde in seiner Brust sickerte. Er
öffnete die Lippen zu einem stummen Satz und kippte zur Seite, um regungslos liegen zu bleiben.
Wie mechanisch ging Yorn an ihm vorbei. Alles in ihm drängte danach anzuhalten und den alten
Mann zu versorgen, doch es war zu spät, ufn ihm noch zu helfen. Yorns Beine entschieden für ihn
und trugen ihn einfach weiter.
Von irgendwoher drangen kleine Explosionen, aber er ignorierte sie. Von angreifenden Schiffen der
Gkirr waren sie jedenfalls nicht ausgelöst worden. Stattdessen beobachtete er unauffällig die beiden
Burschen bei seinem Gleiter. Noch hatten sie ihn nicht wahrgenommen, sondern starrten wie alle
anderen zu dem Toten, der verkrümmt am Boden lag.
Damit war der Überraschungseffekt auf seiner Seite.
Yorn zählte die Schritte. Seine Ungeduld zu erfahren, wie es um Taria und seine Familie stand, ließ
ihn jede Vorsicht vergessen. Er agierte wie ein Roboter, der ebenfalls von einem gnadenlosen
Programm getrieben wurde, das ihm keinen Raum für Zweifel ließ.
Seitlich näherte er sich seinem Gleiter.
Noch fünf Meter!
Dann war es soweit. Yorn sprang vorwärts, schneller und behänder als er sich das selbst zugetraut
hatte. Sein Schwung trieb ihn geradewegs auf einen der beiden Männer zu, der mit einem
überraschten Aufschrei zu Boden ging. Schon lief Yorn um die Maschine herum und streckte dessen
Begleiter mit einem wuchtigen Hieb nieder, bevor er begriff, wie ihm geschah.
Doch nun wurden auch die anderen Leute auf ihn aufmerksam. Da war einer, dessen Gleiter man
kapern konnte! Drei von ihnen prügelten sich den Weg frei und kamen herübergelaufen. Aber Yorn
war auf keinen Fall bereit, ihnen das wendige Gefährt zu überlassen. Eher würde er sie töten.
Erschrocken über seinen eigenen Gedanken öffnete Yorn mit einem Signalgeber das elektronisch
gesicherte Verdeck und kletterte ins Innere. Seine Finger huschten über die Bedienungselemente,
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und die Maschine erwachte zum Leben. Ein sanftes Vibrieren lief durch den tank-förmigen Rumpf,
aber die drei Männer hatten den Gleiter bereits erreicht. Obwohl er sich zentimeterweise vom
Boden löste, kletterten sie an ihm hoch und versuchten, ins Innere zu gelangen.
»Loslassen!«, schrie Yorn und riss das Verdeck wieder zu. Mit einem klackenden Geräusch schlug
es herum und arretierte in der Aufnahmevorrichtung. Der Gleiter war jetzt einen Meter über dem
Boden, aber die Männer gaben nicht auf.
»Springt doch endlich!«, rief Yorn ihnen zu. »Oder wollt ihr euch alle Knochen brechen?«
Das schien ihnen völlig egal, denn sie ignorierten seine Worte und versuchten mit Gewalt
einzudringen. Yorn drückte das Fahrzeug in eine Kurve und schlenkerte es hin und her. Das wirkte,
denn an der glatten Außenfläche gab es keine Möglichkeit, sich festzuhalten. Ohne sich zu
verletzen, stürzten die Männer zu Boden, rappelten sich aber gleich wieder auf und schüttelten
drohend die Fäuste.
Fassungslos schüttelte Yorn den Kopf. So etwas hatte er noch nie erlebt. Trotzdem hatte er andere
Probleme. Aus dem Radio drang nur statisches Prasseln, und über Armbandfunk bekam er keine
Verbindung zu Taria. Die Befürchtung, sein Haus könnte bereits in Schutt und Asche liegen, wurde
übermächtig und drohte ihn zu übermannen.
Er beschleunigte mit Höchstwerten und zog den Gleiter in die Höhe. In Bodennähe herrschte ein
unübersichtliches Verkehrschaos, das zwangsläufig zu Unfällen führen musste. Anscheinend waren
sämtliche Einwohner der Stadt unterwegs, um sich selbst und das transportable Hab und Gut in
Sicherheit zu bringen.
Yorn stieß ein meckerndes Lachen aus. Sicherheit war zu einer Illusion verkommen, die der Realität
hilflos unterlag. Unter Yorn blieben die zu unüberschaubaren Konglomeraten gewucherten
Gebäudetrakte zurück. Flüchtlingsströme versperrten die Straßen, weil viele Angehörige des Volkes
lediglich über Bodenfahrzeuge verfügten, mit denen ein Ausweichen nicht so einfach möglich war
wie in der Luft. Immer wieder kam es in der überhitzten Atmosphäre zu Zusammenstößen, und
vielerorts standen Rauchfahnen in der Luft, wo es zu Bränden gekommen war.
Immer wieder versuchte Yorn, Taria zu erreichen, aber er bekam einfach keine Verbindung. Die
Ungewissheit, was zu Hause los war, war die peinigendste Folter, die er sich vorstellen konnte. Er
fühlte sich wie auf kleiner Flamme geröstet und strapazierte die Aggregate des Gleiters bis an die
Grenzen ihrer Belastbarkeit Als es zu einem kurzen Aussetzer kam und er in seinem Sitzkissen
durchgeschüttelt wurde, kam Yorn wieder zur Besinnung. Es brachte nichts, wenn er die Maschine
verheizte. Dann musste er seinen Weg zu Fuß fortsetzen, denn einen Reparaturdienst gab es
inzwischen sicher längst nicht mehr, und er selbst war alles andere als ein Mechaniker, der in der
Lage war, einen Schaden zu beheben.
Unterwegs kalibrierte er die schlichten Messgeräte des Gleiters auf die verschiedenen
Atmosphäreschichten und lokalisierte Energieemissionen mit Werten, die über den
Erfassungsbereich hinausgingen. Zudem empfing er Streustrahlung in einer Zusammensetzung, von
der er noch nie gehört hatte. Zweifellos ging sie von den Raumschiffen der Gkirr aus. Im ersten
Moment befürchtete Yorn, die Gkirr würden die Planetenoberfläche mit harter Strahlung
bombardieren, aber er begriff rasch, dass es kein gezielter Angriff war. Es handelte sich um ein
reines Abfallprodukt, das vielleicht von den fremden Antrieben stammte, aber nicht um eine
zweckmäßig eingesetzte Waffe.
Doch das war auch nicht nötig.
Denn die Gkirr besaßen andere Waffen.
Und die setzten sie gnadenlos ein.
Ein ganzer Gebäudekomplex verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
Wabernd fraß sich der Lichtblitz durch die Luft, brachte sie zum Vibrieren und suchte gierig nach
einem Ziel. Dort, wo er entstand, gab es keinen Himmel mehr. Nur noch Schwärze war zu sehen, als
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wäre übergangslos die Nacht angebrochen und hätte ein düsteres Ellipsoid aus dem Firmament
gestanzt und den blauen Himmel und das Sonnenlicht verschluckt.
Taria schrie angsterfüllt auf, als eine Hitzefront durch die Straße raste, der eine Bäume
umknickende Sturmböe folgte. Sie wurde taub, als die Welt in einem Geräuschorkan versank und
sie, kaum dass sie sich aufgerappelt hatte, erneut von den Beinen riss. Verzweifelt versuchte sie sich
irgendwo festzuhalten, aber sie wurde von unsichtbaren Kräften über ein Stück Rasen getrieben, das
in Sekundenschnelle verdörrt war.
»Taria!« Nur das eine Wort.
Qual lag in der Stimme, die ihren Namen rief.
Sie gehörte Larka.
Endlich bekam Taria etwas zu fassen. Ihre Handflächen schrammten über raues Holz, und sie
packte instinktiv zu. Aus schreckgeweiteten Augen starrte sie direkt in die Finsternis, die Kilometer
über ihr in der Luft hing und sie mit ihrer unvorstellbaren Masse schier zu erdrücken schien.
Immer noch feuerte das Raumschiff der Gkirr und spuckte seine Feuerlanzen der
Planetenoberfläche entgegen. Stahl und Plastik zerschmolzen unter dem Beschuss zu unkenntlichen
Klumpen, Gestein und Verbundstoffe stürzten polternd in die Tiefe. Wenn die Strahlen für
Sekunden an einer Stelle verharrten, lösten sie ganze Wohneinheiten in glühendes Plasma und
verwehende Molekülwolken auf.
Taria warf sich herum. Sie fühlte sich schwach und ausgelaugt, schaffte es aber trotzdem, wieder
auf die Beine zu kommen und stolperte unsicher in die Richtung, wo das Haus von Yorns Familie
war.
Gewesen war.
Jetzt türmte sich dort ein Wall aus Schutt in die Höhe, über dem Staubwolken standen, die sich mit
gespenstischer Trägheit zu Boden senkten. Nichts mehr war dahinter zu sehen von den ehemaligen
Fassaden. Das ganze Stadtviertel war dem Erdboden gleichgemacht. Von zahlreichen Bränden stieg
dunkler Rauch auf, und durch die Baumbestände eines angrenzenden Parks fraß sich auf breiter
Front ein Feuer.
Verstörte Leute liefen orientierungslos umher. Sie konnten nicht begreifen, was geschehen war. Nur
dass von ihrem Heim nichts mehr übrig geblieben war.
Die Druckwelle hatte Taria bestimmt zwanzig Meter weit geschleudert. Es grenzte an ein Wunder,
dass sie dabei nicht mehr als ein paar ungefährliche Blessuren abbekommen hatte. Ein Schutzengel
musste seine Hand über sie gehalten haben, sonst hätte sie alle Knochen im Leib gebrochen.
Ein Schutzengel! Das Volk hatte alles, aber nicht das. Taria schluchzte hemmungslos los, halb von
einem Weinkrampf geschüttelt, halb von hysterischem Lachen gepackt. Sie hatte den Eindruck, an
ihrem eigenen Lachen zu ersticken, als sie den Schock verdaute und ihr Yorns Eltern wieder in den
Sinn kamen.
Verzweifelt versuchte sie Larka auszumachen. Larka, die in Todesangst nach ihr gerufen hatte.
Doch Yorns Eltern standen nicht mehr an der Stelle, wo sie zuvor gewesen waren.
Eine dunkle Hand schien nach Tarias Herz zu greifen und es schmerzhaft zusammenzudrücken.
Tränen schössen in ihre Augen, als sie loslief, ohne sich darum zu kümmern, dass sie ein
hervorragendes Ziel abgab. Doch die Gkirr schössen nicht auf einzelne Überlebende, sondern
setzten ihre großflächige Zerstörung fort und verwandelten das Land, in dem gestern noch Kinder
gespielt hatten, in eine lebensfeindliche Trümmerlandschaft.
Wie nach einem Krieg, ging es Taria durch den Kopf.
Kein Wunder, denn das hier war ein Krieg.
Wenn auch ganz anders, als sie sich das jemals in ihren schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte.
Dazu so schnell über das Volk gekommen, dass niemand eine Gelegenheit gehabt hatte, rechtzeitig
vom Heimatplaneten zu fliehen und sich irgendwo anders eine sichere Welt zu suchen.
Wenn es die überhaupt noch gab.
Taria wich einem ausgebrannten Bodenschweber aus, der zur Hälfte in einem Krater im
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Straßenbelag versunken war. Hinter der geschmolzenen Kuppel waren zwei verkohlte Leichen zu
erkennen. Beißender Gestank lag in der Luft und wühlte in Tarias Eingeweiden.
»Larka!«, rief sie aus Leibeskräften, während die nervenzermürbende Kakophonie der Explosionen
die Zerstörung begleitete. »Telkan! Wo seid ihr?«
Die einzige Antwort waren die singenden Energiestrahlen und das brodelnde Flüstern der
Luftmassen, die von dem weiterziehenden Schiff der Gkirr vor sich hergeschoben wurden. Plötzlich
erreichten die Sonnenstrahlen den Boden wieder und beleuchteten jede Einzelheit des Untergangs,
der in wenigen Minuten über eine ganze Stadt gekommen war.
Es musste Tausende Tote geben.
Zehntausende.
Allein hier, in dieser Stadt.
Millionen sogar auf dem ganzen Planeten.
Tarias Beine versagten ihr den Dienst. Sie knickte in den Kniekehlen ein, den Schmerz nicht einmal
spürend, der sich bis in ihre Fußspitzen tastete. Die Tränen der Erschütterung bildeten zwei
Rinnsale in ihrem dreckverschmierten Gesicht, in dem nur noch die Augen einen Funken von Leben
in sich trugen.
Vor ihr lag Larka, den Kopf in einer Lache von Blut, die sich kreisförmig ausgebreitet hatte. Ihre
gebrochenen Augen schauten noch im Tod anklagend in den Himmel. Ein Trümmerteil aus dem
zerstörten Haus hatte sie am Hinterkopf getroffen. Sie musste auf der Stelle tot gewesen sein.
Nur wenige Meter entfernt lag Telkan. Seine Augenlider flatterten, und seine vor Anstrengung
bebenden Lippen versuchten Worte zu formen, die Taria nicht verstand. Nur Telkans kaum noch
wahrnehmbarer Atem berührte ihr Ohr, als sie es dicht an seinen Mund legte. Mit einem Mal
bäumte er sich auf. Ein letztes Zittern pflanzte sich durch seinen Körper fort wie eine Welle, dann
lag auch er still.
Tarias Schluchzen klang gespenstisch in der eingekehrten Stille. Bis sich das sonore Summen eines
Antriebsaggregats in ihre Wahrnehmung drängte.
Aus den Augenwinkeln sah sie einen Schatten.
Der wie ein Raubvogel auf sie herabstieß.
Zum ersten Mal stieg brennender Hass in Yorn auf, als er sah, was von seiner Stadt übrig geblieben
war. Kaum ein Haus stand noch aufrecht, und es bereitete ihm Schwierigkeiten, sich zu orientieren.
Aus der Luft sah alles ganz anders aus als zuvor. Er entdeckte keine baulichen Anhaltspunkte, nach
denen er sich richten konnte.
Dichter Rauch versperrte ihm die Sicht. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er von dem
kleinen Park aufstieg, der in der Nähe seines Hauses lag. Seines Hauses, das das Inferno so wenig
überstanden hatte wie alle anderen.
Taria! Was war aus ihr geworden?
Was aus Larka und Telkan?
Wie ein lebendes Wesen fiel die Angst über ihn her und drohte ihn aufzufressen.
Er orientierte sich an dem brennenden Park und wechselte die Flugrichtung. Unter ihm nahm die
Straßenführung vertraute Züge an. Jetzt kannte er sich wieder aus, und seine Ernüchterung stieg ins
Unermessliche, ihm auch den letzten Rest stiller Hoffnung raubend. Nichts hatte den mörderischen
Angriff der Gkirr überstanden.
Eine Bewegung zwischen den Trümmern erregte Yorns Aufmerksamkeit. Er zog den Gleiter tiefer
und hielt darauf zu, wobei er kaum noch zu atmen wagte. Aus dem sich bewegenden Schemen
wurde eine Frau ...
... in der er Taria erkannte.
Für einen winzigen Moment hätte er die ganze Welt umarmen können. Der sofort wieder verging,
als er die regungslose Gestalt sah, über die Taria gebeugt stand. Er konnte sie aus der Luft nicht
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erkennen, aber die Vorahnung übermannte ihn.
Nein!, schrie etwas in ihm. Es durfte einfach nicht sein. Plötzlich kam Bewegung in Taria. Offenbar
hatte sie seinen Anflug bemerkt. Sie glitt aus und stierte ihm entgegen, offenbar mit einem weiteren
Angriff rechnend. Doch dann erkannte sie ihn und erhob sich.
Es kam Yorn wie eine halbe Ewigkeit vor, bis der Gleiter endlich auf dem zernarbten Boden
aufsetzte. Selbst der widerstandsfähige Straßenbelag war an manchen Stellen aufgerissen und bot
den pockennarbigen Anblick einer Mondlandschaft.
Er öffnete die Luke und sprang mit einem Satz ins Freie. Beißender Qualmgeruch lag in der Luft
und raubte ihm den Atem, bis er sich daran gewöhnt hatte.
»Taria!«, entfuhr es ihm, begleitet von einem Hustenfall. »Ist alles in Ordnung?«
Was für eine törichte Frage! Doch Yorn war froh, überhaupt ein Wort herauszubekommen. Er hatte
den Eindruck, nicht mehr denken zu können. In ihm tobte ein Widerstreit der Gefühle, der dazu
angetan war, seinen Verstand zu zerstören.
Mit einem Aufschrei, der ihn an den eines gequälten Tiers erinnerte, warf sich Taria in seine Arme.
Ihr Gesicht war zu einer Maske des Schreckens verzerrt, und als er an ihr vorbeischaute, erkannte er
den Grund.
Seine dunkle Vorahnung hatte Yorn nicht getrogen. Es war Larka, die am Boden lag.
»Sie lebt doch noch«, heulte er auf, ohne es richtig zubemerken. Die Worte schienen nicht aus ihm
zu kommen, sondern aus einer Hülle, die mechanisch agierte, um ihn nicht in den Wahnsinn
verfallen zu lassen.
Tarias Hände verkrallten sich in seine Brust, und sie machte eine verneinende Kopfbewegung. Yorn
wollte sie von sich stoßen, um nach seiner Mutter zu sehen. Und nach seinem Vater Telkan, der ein
Stück weiter mit verkrümmten Gliedern am Boden lag.
Doch mit nie gekannter Klarheit begriff er, dass ihm dazu keine Zeit mehr blieb.
Denn die Gkirr kamen zurück.
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Kapitel 4
Flucht
Die DYNASTIE DER EWIGEN.
Die Gedanken jagten sich in Zamorras Kopf. Seit unendlich langer Zeit strebten die Ewigen bereits
nach der uneingeschränkten Macht in der Galaxis, doch ihre Geschichte lag im Dunkeln. Niemand
kannte ihre wahren Beweggründe.
Zweimal hatten sie sogar mit ihren mächtigen Sternen-schiffen versucht, die Erde zu erobern. Beim
ersten Mal war es ihnen misslungen, weil Zamorra und Asmodis Computerviren in ihr Schiff
eingeschleust und es dadurch vernichtet hatten. Beim zweiten Versuch wurde ihr neues
Sternenschiff durch Ted Ewigk zerstört.
Doch das waren nicht die ersten Versuche, die Erde zu infiltrieren. Schon seit Jahren tauchten
immer wieder Agenten der Ewigen auf dem blauen Planeten auf. Einmal war sogar der damals
amtierende ERHABENE Erik Skribent unerkannt als Geschäftsführer des Möbius-Konzerns tätig
gewesen, bis er entlarvt und getötet wurde. Auch bei Tendyke Industries hatte es Spitzel der Ewigen
gegeben.
Und nun stand ein Fremder vor Zamorra, der ihn mit der DYNASTIE DER EWIGEN konfrontierte.
Seine eisgrauen Augen wirkten wie Spiegel, durch die man geradewegs in die Unendlichkeit sah.
Wieder spürte Zamorra die unerklärliche Aura, die von Al Cairo ausging.
Der Dämonenjäger konzentrierte sich und suchte nach
Anzeichen einer magischen Kraft. Er konnte keine feststellen. Auch wenn ihm der hagere Mann
nicht ganz geheuer war, hieß das nicht, dass er als Gegner kam. Jedenfalls konnte er über keine
Schwarze Magie verfügen, sonst wäre es ihm nicht gelungen, die weißmagische Abschirmung zu
überwinden, die durch Bannzeichen und magische Symbole entlang der Außenmauern erzeugt
wurde.
»Wer sind Sie?«, fragte Zamorra. »Und damit meine ich nicht Ihren Namen. Wer ist der Mann
hinter dem Namen?«
»Ist das nicht unwichtig?« In Cairos Augen blitzte es auf. »Sehen Sie in mir einfach einen Freund.«
»Über meine Freunde weiß ich Bescheid.«
»Natürlich. Dem großen Professor Zamorra kann niemand etwas vormachen. Doch wenn es Ihnen
lieber ist, sehen Sie in mir einfach einen Geschäftspartner.«
»Was für Geschäfte sollten wir beide wohl zu machen haben?« Normalerweise hätte Zamorra den
ungebetenen Gast längst hinauskomplimentiert, aber er war sicher, sich nicht zu irren. Al Cairo war
alles andere als ein normaler Gast, auch wenn er sich mit seiner zynischen Art jegliche Mühe gab,
sich alle Würmer einzeln aus der Nase ziehen zu lassen.
»Ich biete Ihnen Informationen, an denen Sie sicher interessiert sind.«
»Das sagten Sie schon einmal«, mischte sich Nicole ein. »Werden Sie doch mal etwas konkreter.«
»Wie ich bereits sagte. Die Frau, die nicht von Natur aus neugierig ist, muss erst noch geboren
werden. Wir Männer sind da doch wesentlich gelassener, was, Professor? Uns bringt so leicht nichts
aus der Ruhe.«
»Manchmal kann sich das aber auch von einem Moment auf den anderen ändern«, konterte der
Dämonenjäger. »Zum Beispiel wenn man unsere Geduld über Gebühr strapaziert.«
Al Cairo neigte leicht den Kopf. »Touche, mein lieber Professor. Wir wollen nicht weiter unsere
Zeit verschwenden. Die meine ist besonders kostbar. Deshalb will ich zur Sache kommen.«
Nicole stöhnte genervt auf, während sie den hageren Mann aufmerksam betrachtete. Ihr war etwas
an ihm aufgefallen.
»Ich besitze geheimes Wissen über die DYNASTIE DER EWIGEN«, fuhr Cairo ungerührt fort.
»Wissen, das sonst niemand besitzt. Außer den Ewigen selbst natürlich. Zweifellos aber kein
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Mensch auf dieser Erde. Ich bin bereit, es mit Ihnen zu teilen.«
Das war ein großzügiges Angebot — wenn es der Wahrheit entsprach. Jede Information über die
DYNASTIE konnte eines Tages von unschätzbarem Wert sein. Zamorra war sicher, dass er nicht
das letzte Mal von den Ewigen gehört hatte. Irgendwann würden sie wieder gegen die Erde mobil
machen, um ihren unbekannten Zielen nachzugehen. Dann war es wichtig, soviel wie möglich über
sie zu wissen.
Dass sowohl ihre offenen wie auch ihre versteckten Attacken bisher immer glimpflich verlaufen
waren, hatte auch mit Glück zu tun. Einmal konnte es auch anders ausgehen.
»Was verlangen Sie im Gegenzug?«, fragte Nicole.
Zamorra lächelte. Seine Gefährtin hatte ihm die Frage aus dem Mund genommen.
»Meine Forderung wird Ihnen ebenfalls gefallen. Helfen Sie mir, Nazarena Nerukkar vom Thron
des ERHABENEN zu stürzen. Das ist kein Preis, der Ihren eigenen Interessen zuwider spricht.«
Zamorra horchte auf. Nazarena Nerukkar war die derzeitige ERHABENE.
»Was haben Sie davon?«, fragte Zamorra alarmiert. »Wollen Sie sie beerben? Welche Verbindung
haben Sie zu den Ewigen?« Plötzlich sah er in der Anwesenheit des hageren Mannes doch eine
Bedrohung. Wenn er sich Hoffnungen auf den Thron des ERHABENEN machte, musste er eine
ziemlich enge Beziehung zur DYNASTIE DER EWIGEN haben.
»Meine Ambitionen sollten Sie nicht kümmern. Entscheidend ist nur, dass mein Angebot in unser
beider Interesse ist.«
Zamorra war sofort klar, dass er sich darauf nicht einlassen durfte. Der Mann vor ihm war so kalt
wie seine Augen. Er war von Ehrgeiz geprägt, ja zerfressen. Bei dem Machtdenken der Ewigen war
er somit durchaus ein geeigneter Kandidat, ihr ERHABENER zu werden. Dennoch konnte Zamorra
nicht leugnen, dass es ihn in den Fingern kribbelte, mehr über die DYNASTIE DER EWIGEN zu
erfahren.
»Manche Preise sind einfach zu hoch«, sagte er entschlossen. »Dieser ist es auf jeden Fall. Ich
werde mich nicht in die internen Händel der Ewigen einmischen und mein eigenes Vorgehen eines
Tages bereuen.«
»Sie lassen sich eine einmalige Gelegenheit entgehen. Niemand kann sich das leisten, auch Sie
nicht. Denken Sie, ich spüre Ihre Zweifel nicht? Sie würden liebend gern zustimmen. Kein
Problem, Sie brauchen bloß über Ihren Schatten zu springen.«
»Ich leugne mein Interesse nicht, trotzdem werde ich niemandem helfen, ERHABENER zu
werden.«
»Mit mir wären Sie aber bestimmt besser dran als mit Nazarena Nerukkar«, wehrte Cairo ab.
»Machen Sie nicht den Fehler, einen Feind in mir zu sehen.«
Einen direkten Feind nicht, dachte Zamorra, denn dazu hatte der Fremde ihm noch keinen Anlass
geboten. Einen potentiellen aber auf jeden Fall.
»Wenn Sie kein Feind sind, warum verstecken Sie dann Ihren Dhyarra?«, fragte Nicole plötzlich.
Sie deutete auf die Brust des hageren Mannes. »Offenbar haben Sie einiges zu verbergen.«
»Sie irren sich, ich verberge gar nichts. Allerdings gehe ich auch nicht mit jedem kleinen Geheimnis
hausieren.« Mit einem Ruck zog Al Cairo den an einer schweren Kette baumelnden Kristall aus
seinem Hemd hervor. Das in den Raum fallende Sonnenlicht spiegelte sich in ihm und schuf einen
verwirrenden Reflex.
Zamorra presste die Lippen zusammen. Wie hatte er den Kristall nur übersehen können? Er machte
sich Vorwürfe, weil er bisher überhaupt nicht darauf geachtet hatte. Wenn Nicole ihn nicht darauf
aufmerksam gemacht hätte, wäre ihm das gute Stück glatt entgangen. Nachdenklich betrachtete er
den blau funkelnden Sternenstein.
Es war kein einfacher Dhyarra, erkannte der Dämonenjäger. Sondern ein Kristall hochrangiger
Ordnung.
Dessen Stärke sich nicht ausloten ließ.
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Unnatürliche Stille lag wie ein bleischweres Tuch da, wo sonst hektische Betriebsamkeit und das
Lärmen der spielenden Kinder geherrscht hatten. Jegliches Leben war entweder erloschen oder
hatte sich in Todesfurcht verkrochen, um erst wieder hervorzukommen, wenn alles vorbei war.
Nur der einsetzende Sturm trieb Staub und Rauch vor sich her. Heulend jagte er durch die
ehemaligen Straßen, deren Verlauf zwischen den Trümmern noch deutlich zu erkennen war, und
übertönte Yorns klagende Ausrufe.
»Komm schon, Yorn, Liebster, wir müssen fliehen«, drängten sich Tarias flehende Worte in seinen
Verstand.
Doch für einen Moment wollte er die ganze verbliebene Welt ignorieren. Kein anständiges
Begräbnis. Nicht mal eins, das unwürdig war. Stattdessen musste er seine toten Eltern auf dem
versengten Untergrund liegen lassen, wenn der Tod Taria und ihn nicht ebenfalls erwischen sollte.
Auch wenn er ihnen nicht mehr helfen konnte, bereitete es ihm unendliche Qualen, sich von Larka
und Telkan abzuwenden.
Jetzt gab es nur noch Taria und ihn.
Und ihre Liebe zueinander, ohne die er in der umgebenden Kälte noch ein Stück mehr sterben
würde.
»In den Gleiter«, schluchzte er. »Wir müssen aus der Stadt raus.«
Das Wort klang wie Hohn in seinen eigenen Ohren. Es gab die Stadt nicht mehr, und Yorn war
sicher, dass es überall so aussah wie hier.
Während er hinter Taria in den Gleiter kletterte, beobachtete er mit bebendem Herzen das schwarze
Schiff, das den Sturm auslöste. Wie ein unwirklicher Schemen schob es sich vor das Firmament und
verdunkelte den Horizont, die ewige Kälte der Entropie und des Untergangs mit sich bringend. Es
war so unwirklich, dass er nicht einmal abschätzen konnte, wie weit entfernt es noch war.
Yorn warf sich in den Pilotensitz und hantierte hektisch an den Kontrollen.
»Nun starte doch endlich!«, trieb ihn Taria an. »Ich habe sie schon zuvor gesehen. Ihre Schüsse
reichen über viele Kilometer. Ich glaube, sie können von hier aus auch die nächste Stadt erreichen.«
Daran zweifelte Yorn nicht. Selbst die Waffen der Heimatflotte konnten die Oberfläche eines
Planeten erreichen, wenn die Schiffe selbst sich noch im Orbit befanden. Um wie viel
leistungsfähiger waren da erst die Waffensysteme der verdammten Gkirr.
Noch! Aber eines Tages würde sich das ändern.
Ich werde dafür sorgen, ging es Yorn durch den Kopf, während der Schmerz über den Verlust seiner
Eltern ihn vollständig ausfüllte. Die hasserfüllten Gedanken machten sich selbstständig. Er hoffte,
dass sie sich über den ganzen Planeten verteilten und in die Galaxis hinausgetragen wurden. Wenn
auch nur ein paar von uns die Flucht gelingt, werden wir Waffen erschaffen, die euch das Fürchten
lehren. Ihr werdet bedauern, uns jemals angegriffen zu haben!
Die Aggregate bauten Schub auf und hievten den Gleiter in die Luft. Mit stetig wachsender
Geschwindigkeit trieb Yorn ihn voran.
»Wohin fliegen wir?«
Yorn blinzelte Taria zu. Darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Nur weg von den
Gkirr und den Weltuntergangsbildern, die sie geschaffen hatten.
Er erinnerte sich an die brennenden Wälder, die er beim Heimflug gesehen hatte. Dort gab es also
auch keinen Schutz.
Wenn die Feuer sich ausweiteten, konnten sie schnell zu einer tödlichen Falle werden, aus der es
kein Entrinnen gab. Dann hatten die Gkirr auf Umwegen ihr Ziel doch noch erreicht.
»Zu den Bergen«, sagte Yorn. »Wenn wir irgendwo sicher sind, dann dort.«
Dabei war er von seinen Worten keineswegs überzeugt. Er traute den Gkirr zu, dass sie mit ihren
Waffen sogar ganze Gebirgszüge pulverisierten. Er flog so dicht wie möglich über den Trümmern
dahin, um nicht gleich entdeckt zu werden. Dass die Gkirr sich auf ihre Ortungseinrichtungen
verließen, erschien ihm fraglich. Sicher schössen sie aufs Geratewohl, ohne speziell nach kleinen
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Zielen Ausschau zu halten.
Er verließ die ehemalige Stadt in nördlicher Richtung.
Unentwegt hielt Taria Ausschau. »Ich kann niemanden sehen. Ob sie alle tot sind?«
»Wer klug war, hat sich versteckt.«
»Aber warum kommen sie dann nicht wieder heraus?«
Yorn überzeugte sich davon, dass das schwarze Schiff hinter ihnen zurückblieb. Es änderte nicht
den Kurs, um sie zu verfolgen.
Doch er machte sich nichts vor. Wenn die Gkirr den Gleiter orteten, konnten ihre Waffen ihn
mühelos erreichen. Zu Yorns Erstaunen schössen die Gkirr aber überhaupt nicht mehr. Vielleicht
waren sie der Meinung, genug Schaden angerichtet zu haben.
Genug Millionen umgebracht zu haben, um vom heutigen Tag an für alle Zeiten in Sicherheit zu
sein. Doch da sollten sie sich noch gewaltig täuschen. So lange er lebte, würde Yorn ihnen den
angerichteten Frevel nicht verzeihen. Sie durften nicht ungestraft davonkommen, sondern mussten
bitter büßen.
»Ich weiß es nicht«, sagte er in Gedanken versunken.
»Vielleicht hören sie nur die Geräusche des Gleiters und halten uns für Feinde.«
Im Grunde war er ganz froh darüber. Er konnte sich vorstellen, dass seine Landsleute auf die Idee
kamen, ein intaktes Fahrzeug in ihren Besitz zu bekommen, selbst wenn sie dafür Gewalt gegen
Taria und ihn einsetzen mussten. Natürlich existierten keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, und
wer nicht über einen Gleiter oder einen Bodenschweber verfügte, saß fest und konnte nur noch auf
seine eigenen Füße als Fortbewegungsmittel zurückgreifen.
»Sie können sich aber nicht ewig verstecken.«
»Sicher nicht. Aber zumindest bis die Gkirr wieder abziehen.«
»Meinst du, das werden sie?« Tarias Worte klangen skeptisch. »Vielleicht landen sie aber auch.«
»Ich weiß es nicht, aber ich hoffe nicht.«
Während er den Gleiter mit einer Hand steuerte, legte er Taria tröstend einen Arm um die Schulter.
Wenn sich ihre Befürchtungen nur nicht bestätigten! Die Vorstellung, dass die Gkirr aus ihren
gelandeten Schiffen quollen und sich über den Planeten ergossen wie eine Plage, gegen die nichts
auszurichten war, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
In der Ferne türmten sich dichte Wolkenbänke, zwischen denen Yorn die Silhouetten der Bergzüge
erkannte. Er korrigierte seinen Kurs geringfügig und steuerte auf einen Taleinschnitt zu, der
zwischen die schneebedeckten Gipfel führte.
Die Landschaft flog unter dem Gleiter dahin, und gelegentlich warf Yorn forschende Blicke zum
Himmel.
Ob überhaupt Schiffe der Heimatflotte den Angriff überstanden hatten? Wenn ja, warum kamen sie
dann nicht zurück und versuchten die Gkirr zu vertreiben? Weil es aussichtslos war, sagte er sich.
Weil sie nichts anderes tun konnten, als in ihren Untergang zu fliegen. Vielleicht waren die
übriggebliebenen Schiffe geflohen. Er hätte es den Besatzungen nicht einmal verdenken können.
Hätte er an deren Stelle nicht genauso gehandelt? Die Frage ließ sich schwer beantworten, aber er
konnte es sich nicht vorstellen.
Allmählich wuchsen die Berge vor dem Gleiter auf, während er mit sanftem Vibrieren die
Kilometer fraß. Draußen wurde es allmählich kälter.
Zwischen den ersten Gebirgsausläufern gab es keine Zerstörungen, die Natur war in ihrem
ursprünglichen Zustand. In der Wildnis hatten die Gkirr nichts gefunden, was zu beschießen sich
lohnte.
Wieso nur hatte es von der Regierung keine Warnung gegeben? Sie hatte doch wissen müssen, was
der Heimat des Volkes bevorstand. Dann hätten die Leute aus den Städten fliehen können, bevor der
Angriff erfolgte. Doch die Durchsagen waren viel zu spät gekommen, um die Katastrophe
abmildern zu können. Oder waren die Verantwortlichen von den Ereignissen ebenfalls überrascht
worden? Waren die Gkirr so plötzlich aufgetaucht, dass überhaupt keine Zeit mehr zum Handeln
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blieb?
Auch das würde Yotn eines Tages herausfinden, um die Geschichte an seine Kinder weiterzugeben.
Doch dazu mussten Taria und er überleben. Der unversehrte Anblick unter dem Gleiter bekräftigte
Yorn in seiner Überzeugung, hier ein sicheres Versteck zu finden, das sie beide diesem Ziel ein
gutes Stück näherbrachte.
Als er den Gleiter vor einer Felswand in die Höhe zog und das weiträumige Plateau eines
Tafelbergs erreichte, wurde ihm schlagartig klar, wie sehr er sich gekrt hatte. Tarias gellender Schrei
ließ ihn zusammenzucken, als sich der drohende Schatten aus dem Himmel schälte.
Vor dem Gleiter wurden die Wolkenbänke auseinandergerissen. Weiße Fetzen wirbelten in
heillosem Aufruhr davon und gaben die Sicht auf die unheilverkündende Realität frei. Von der
anderen Seite näherte sich eins der dunklen Riesenschiffe.
Ohne zu zögern, eröffnete es das Feuer.
Schedok Welt... Die Welt der Sternensteine...
Die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen vier Jahre war Schedol im Bruchteil einer
Sekunde durch den Kopf geschossen. Eigentlich sollte das doch passieren, wenn man starb. Im
Augenblick des Todes. Jedenfalls behaupteten das manche Wissenschaftler, aber der Kommandant
der TAUFARA hatte niemals daran geglaubt. Schon gar nicht würde das in seiner Position so sein.
Denn wenn der Tod kam, kam er so schnell, dass für nichts mehr Zeit blieb. Für einen imaginären
Film des eigenen Lebens schon gar nicht.
Vier Jahre lag die Entdeckung zurück, und nun war er hier, und alles hatte sich geändert. Die Gkirr
waren immer wieder aufgetaucht, nicht nur auf Schedols Welt, sondern auf zahlreichen
Kolonialwelten des Volkes. Je deutlicher ihnen wurde, dass sie dem friedfertigen Volk in
militärischer Hinsicht haushoch überlegen waren, desto dreister benahmen sie sich.
Wir hätten rechtzeitig aufrüsten und ihnen die Stirn bieten sollen, dachte Schedol verbittert. Dann
wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Doch nun ist es zu spät, und wir selbst tragen durch
unsere Naivität die Schuld daran.
Er schüttelte die irritierenden Gedanken ab, denn er lebte noch. Und Schedol reagierte mit der ihm
eigenen Schnelligkeit, die ihn in diese Position gebracht hatte.
»Sofortiger Rücksturz!«, donnerte seine Stimme, die Furcht niederringend, wie es auf der
Heimatwelt aussehen mochte. Auch wenn es zu spät für den Planeten war, mussten seine Bewohner
gerettet werden. Jedenfalls die, die noch am Leben waren.
Die TAUFARA jagte mit Schubumkehr tiefer ins Sonnensystem hinein, wieder die Bahn des vierten
Planeten kreuzend. Im interplanetaren Raum trieben Trümmer und zahlreiche Wracks ausglühender
Raumschiffe. Er fragte sich, wie viele seiner Freunde und Bekannten in der ewigen Kälte des
Weltraums gestorben sein mochten.
»Ich brauche eine Verbindung zum Oberkommando«, forderte er. Wenn es niemand für nötig hielt,
ihn mit weiteren Informationen zu versorgen, ergriff er halt von sich aus die Initiative.
Im Weltall wurde noch immer gekämpft, aber die Gefechte hatten nachgelassen. Zumeist zogen die
dunklen Ellipsoidraumer der Gkirr unbehelligt ihre Bahn, nur vereinzelt warfen sich ihnen die
todesmutigen Verteidiger noch entgegen. Vor der TAUFARA tauchten zwei der Raumgiganten auf.
»Ausweichmanöver!«, ordnete Schedol an. »Wir lassen uns auf keine Kampfhandlungen ein. Die
Evakuierung der Überlebenden hat absolute Priorität. Was ist mit der Funkverbindung?«
»Negativ, Kommandant. Ich erreiche niemanden.«
»Trotzdem weiterversuchen!« Wenn es keinen geordneten Rückzug von der Heimatwelt gab, blieb
der TAUFARA nur, so viele Überlebende wie möglich aufzusammeln und in den Tiefen des Raums
zu verschwinden, um vielleicht später auf weitere Flüchtlinge zu stoßen und sich mit ihnen zu
vereinen.
Zu seiner Überraschung verfolgten die Gkirr sie nicht. Sie behielten ihren Kurs bei, obwohl die
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rückstürzenden Einheiten des Volkes nicht zu übersehen waren.
»Schedol an Begleitschiffe! Alle bleiben an unserer Seite! Es ist damit zu rechnen, dass wir
angegriffen werden, sobald wir versuchen, Überlebende an Bord zu nehmen. Sobald es soweit ist,
übernimmt die TAUFARA die Bergungen. Alle anderen geben uns Feuerschutz.«
Der Kommandant war sich der Sinnlosigkeit seiner Anordnungen bewusst. Wenn die Gkirr
mögliche Evakuierungsmaßnahmen verhindern wollten, würden sie als erstes auf das
Bergungsschiff schießen. Bei ihrer Kampfkraft konnte man sie nicht davon abhalten. Er zählte die
Sekunden, bis die TAUFARA endlich in die äußeren Atmosphäreschichten eindrang.
»Ich orte vereinzelte Gkirr in der Atmosphäre«, kam die befürchtete Meldung von Togrom. »Sie
beschießen unsere Heimat.«
Etwas krampfte sich in Schedol zusammen. Die Bilder des zerstörten fünften Planeten flimmerten
vor seinem inneren Auge. »Außenbeobachtung! Ausschnittsvergrößerungen von der
Planetenoberfläche einspielen!«
Kälte griff nach seinem Herzen, als die ersten Bilder über die Schirme liefen. Ganze Städte waren
zerstört. Wo sie einst gestanden hatten, erstreckten sich rauchüberzogene Trümmerlandschaften.
Zahlreiche Brände wüteten in den Schutthalden. Das zuvor blühende Land war zu einer verkohlten,
pockennarbigen Fratze bar jeglichen Lebens geworden.
»Kommandant, wir erhalten eine Antwort auf unsere Funkrufe.«
»Na, endlich. Dann her damit!«
Zunächst drang nur Knacken aus den Lautsprechern, das in den Ohren schmerzte. Schedols
Funkoffizier nahm mit hastigen Bewegungen verschiedene Einstellungen vor, bis sich das Knacken
in statische Geräusche verwandelte. Im Hintergrund ließ sich eine vage Stimme erahnen, aber kein
Wort war zu verstehen.
»Ich versuche den Sprecher herauszufiltern.«
Die TAUFARA tauchte unterdessen in die Atmosphäre ein. In der nördlichen Hemisphäre operierten
noch einige Schiffe der Gkirr. Hoffentlich wurden sie nicht allzu schnell auf die Rückkehrer
aufmerksam.
»Jetzt kann man etwas verstehen.«
»... Gujan, Kommandant der BONARA ... die TAUFARA. Schedol, bist du das?«
Der Anflug eines Lächelns trat in Schedols Züge. Die Stimme des alten Freundes war Balsam auf
seine Seele. »Wer denn sonst? Wie ist die Lage? Wir haben keine Informationen erhalten.«
Sekundenlang war nur Rauschen zu hören, dann drang Gujans Stimme wieder durch. »Einige
unserer Schiffe ... Überlebende aufgenommen und ... wieder gestartet.«
»Deswegen sind wir auch hier. Gibt es einen Sammelpunkt?«
»Positiv. Die Regierung ... mitgeteilt. Sie ist an Bord ... startet ebenfalls bald.«
Immerhin etwas. Nach dem Desaster um den fünften Planeten hatte Schedol Angst gehabt, dass von
der Heimat auch nichts mehr übrig war, aber zumindest gab es noch Anlass zu Hoffnung. Wenn
einigen Schiffen die Flucht gelang, war damit zumindest der vollständige Untergang abgewehrt und
das Überleben des Volkes gesichert
»Überspiel mir die Koordinaten.«
»Ich ... sie dir rüber. Wir müssen aufbrechen, bevor .... erwischen. Viel Glück!«
Die Verbindung wurde unterbrochen, bevor Schedol die Wünsche erwidern konnte. Nun lag es an
der TAUFARA, es der BoNARA gleichzutun.
»Sind die Koordinaten für den Sammelpunkt angekommen?«, fragte er.
»Sie sind im Rechner gespeichert, Kommandant. Wir können unverzüglich aufbrechen.«
»Erst wenn auch das letzte bisschen Platz an Bord mit Überlebenden gefüllt ist«, antwortete
Schedol. »Wir dürfen niemanden zurücklassen. Wenn nötig, reißen wir außerdem noch ein paar
Aggregate heraus, die wir nicht unbedingt brauchen.«
Sofern die Gkirr ihnen nicht einen Strich durch die Rechnung machten.
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»Ich kann den Gleiter nicht mehr halten!«, schrie Yorn auf. »Die haben uns erwischt!«
Die Gkirr hatten den Gleiter nicht direkt getroffen, aber anscheinend hatte die Hitze eines zu nahe
gekommenen Energiestrahls ein anfälliges Teil des Fahrzeugs zerstört. Die Maschine stotterte vor
sich hin und erstarb. Panikerfüllt hantierte Yorn an der Steuerung. Wenigstens sie funktionierte
noch, aber ein reiner Schwebflug war mit dem massigen Gleiter nicht möglich.
»Heißt das, wir stürzen ab?« Taria schaute ins Freie, dem rasch näherkommenden Boden entgegen.
»Ich versuche ihn abzufangen.« Nie zuvor war ihm der Gleiter so schwerfällig vorgekommen.
Verzweifelt versuchte Yorn den Antrieb wieder in Gang zu bekommen, aber der gab keinen Mucks
von sich. Rasend schnell kamen die bizarren Felsformationen näher, die das unweigerliche Ende
bedeuteten.
»Was ist da los?« Taria deutete nach oben. »Die Gkirr schießen wieder, aber nicht auf uns. Da wird
gekämpft.«
Yorns Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm. Für eine Sekunde sah er die hin- und hereilenden
Energiestrahlen, dann musste er sich wieder seinem Kampf mit der Technik widmen, aber er bekam
sie nicht in den Griff. Ihm blieb nichts anderes übrig, als möglichst weich zu landen.
Unwillkürlich zuckte er zusammen, als über ihren Köpfen etwas explodierte. Yorn konnte sich nicht
darum kümmern, sondern nur hoffen, dass die elenden Gkirr genug abgelenkt waren, sich nicht
weiter um den Gleiter zu kümmern. Er bremste ihn ab und zog ihn in eine weite Kurve. Egal wohin
Yorn sah, überall waren nur Felswände, die näher kamen wie Raubtiere auf dem Sprung.
»Wir werden zerschellen!« Entsetzen gellte in Tarias Stimme. »Was ist mit dieser Ebene? Versuch
dort zu landen.«
»Wenn nicht da, dann nirgendwo.« Das ausgedehnte Eisfeld war einigermaßen eben. Weder gab es
aufragende Felsen noch sichtbare Spalten im Eis. »Hoffentlich ist der Untergrund massiv, und wir
brechen nicht ein.«
Doch eine zweite Chance gab es nicht. Der Gleiter war beinahe unten, und er weigerte sich, auch
nur die Schnauze wieder aufzurichten. Yorn versuchte ihn möglichst waagerecht zu halten, um ihn
nicht ins Eis zu bohren.
Ein dumpfer Schlag ging durch die Zelle, als sie den Boden berührte, kurz aufsetzte und abprallte
wie von einer Gummimatte. Ohne dass Yorn noch Gewalt über ihn hatte, schoss der Gleiter ein paar
Meter in die Höhe, aufspritzenden Schnee hinter sich herziehend, knallte abermals hart auf und
pflügte dann über den spiegelglatten Untergrund.
Die Welt drehte sich um Yorn und Taria. Sie wurden wie von Titanenfausten durchgeschüttelt, als er
sich, auf kein Kommando mehr reagierend, seinen eigenen Weg bahnte. Schnee und Eis wirbelten
durch die Luft, und der Bug schob einen stetig wachsenden Wall vor sich her. Es knirschte in der
Schiffszelle, als würde sie jeden Moment auseinandergerissen.
»Er wird langsamer!«, schrie Yorn gegen das Chaos an, dann brach das breite Heck des Gleiters aus
und verwandelte ihn in einen rasenden Kreisel. Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, während
der Widerstand viel zu langsam seine ungebändigte Bewegungsenergie kompensierte und ihn
abbremste.
Auch das Steuer gehorchte Yorn nicht mehr. Die Welt drehte sich so schnell, dass er nicht mehr
erkennen konnte, was außerhalb des Gleiters geschah, der bei seiner unfreiwilligen Rutschpartie
einen heulenden Ton erzeugte. Da waren nur noch wirbelnde Geländefetzen und eine Bergwand, die
sich in Ausschnitten in seinen Verstand drängte.
Ein plötzlicher Schlag trieb ihm die Luft aus dem Körper, und für einen Moment wurde es schwarz
vor seinen Augen. Er kämpfte die einsetzende Ohnmacht nieder und registrierte, dass der
infernalische Lärm abrupt erstarb. Irgendwas musste er tun, war aber zu keinem klaren
Gedanken fähig. Halb benommen versuchte er sich zu erheben, aber sein kraftloser Körper rutschte
augenblicklich in die Sitzschale zurück.
»Wir haben es geschafft«, drang eine Stimme aus weiter Ferne. »Wir stehen.«
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Es dauerte eine Weile, bis Yorn begriff, dass sie Taria gehörte. Allmählich begannen sich die Nebel
vor seinen Augen zu lichten. Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht, als sich ihre Züge aus dem
Dunkel schälten.
»Wir müssen hier 'raus«, gelang es ihm zu sagen. Vielleicht hatte der harte Aufprall die
Energiezellen des Gleiters beschädigt. Wenn sie sich überluden, würde von dem kleinen Fahrzeug
nicht viel übrigbleiben.
Mit mechanischen Bewegungen schaltete er den Notsender ein. »Hoffentlich können die Gkirr das
Signal nicht anmessen«, murmelte er und zog einen handlichen Strahler aus einem versteckten
Fach. Im Zweifelsfall würde er ihnen hiermit zeigen, was er von ihnen hielt.
»Da oben wird noch immer geschossen«, empfing ihn Taria, die bereits ins Freie geklettert war.
Yorn warf den Kopf in den Nacken, genau in dem Moment als das Gebirgsmassiv erschüttert
wurde. Der Boden vibrierte unter seinen Füßen, und an der Felswand entstand ein gigantischer
Feuerball, der das Sonnenlicht mühelos überstrahlte.
»Das Schiff ... der Gkirr«, stammelte er ungläubig. Gleichzeitig sah er durch eine Rauchwolke
jagende Einheiten der Heimatflotte. »Sie haben es vernichtet.«
»Meinst du, sie kommen, um uns zu holen?«
»Es ist reiner Zufall. Aber wenn sie schon einmal hier sind, können sie uns auch mitnehmen. Mit
dem Gleiter kommen wir jedenfalls nicht mehr von hier weg.«
Die gesamte Felswand schien aus Feuer zu bestehen, als die Trümmer des Wracks sich über sie
ergossen. Die Qualmwolken verdunkelten den Himmel.
»Sie können uns nicht sehen.« Yorn fuhr herum und sprang zurück zu seinem Gleiter. Die
Nachwirkungen des Unfalls waren wie weggewischt. »Ich versuche sie über Funk zu erreichen.«
Ohne einen Gedanken an die Energiezellen zu verschwenden, kletterte er ins Innere. Mit
grenzenloser Erleichterung stellte er fest, dass die kleine Funkanlage keinen Schaden davongetragen
hatte.
»Ich rufe die Schiffe der Heimatflotte. Wir sind unter euch«, plärrte er in das Mikrofon. »Unser
Gleiter musste in der Ebene notlanden, in der die Gkirr abgestürzt sind. Bitte holt uns ab, sonst sind
wir verloren.«
Er wiederholte die Durchsage, erhielt aber keine Antwort. Vielleicht hatte es die Empfanger
erwischt. Mit fahrigen Fingern schaltete er eine Endlosschleife, die den Funkspruch ständig
wiederholte. Dann lief er zu Taria zurück. In einem halben Kilometer Entfernung hatte sich das
größte Trümmerstück des schwarzen Ellipsoidrau-mers ins Eis gebohrt. Blendend schlugen die
Flammen daraus hervor. Die Bilder glichen einem Weltuntergang.
Nur dass einem Weltuntergang keine kleinen silbernen Gestalten entstiegen.
»Togrom, wieso haben wir diese Gkirr nicht geortet?«
Schedols Stimme gellte durch die Lenkzentrale der TAUFARA, die mit seinem
zusammengewürfelten Verbund durch die dichte Wolkendecke fiel. »Dieser Kasten ist doch nicht zu
übersehen!«
»Sie waren plötzlich da«, verteidigte sich sein Ortungschef. »Bis vor ein paar Sekunden gab es kein
Anzeichen. Ich tippe auf irgendwelche Störfelder.«
Das Kriegsschiff der Gkirr streifte fast die höchsten Gipfel des sich bis zum Horizont erstreckenden
Gebirgs-zugs, so tief lag es in der Luft. Es feuerte auf ein Ziel, das Schedol nicht erkennen konnte.
»Fluchtkurs, Kommandant?«
Dazu war es zu spät. Wenn sie jetzt das Weite suchten, würden die Gkirr sie unerbittlich jagen,
vielleicht sogar mit Verstärkung. Außerdem benötigte irgendwer dort vorn ihre Hilfe, wenn Schedol
sich nicht täuschte.
»Wir greifen an«, befahl er. »An alle. Angriffsschema nach eigenem Ermessen. Aber verteilt euch,
um kein einheitliches Ziel zu bieten.«
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Im gleichen Moment rasten die Schiffe der Heimatflotte in verschiedene Richtungen auseinander
und verteilten sich um den schwarzen Giganten. Schedol konnte nicht länger auf sie achten, denn
die TAUFARA hatte genug mit sich selbst zu tun.
Ein Energiestrahl huschte an ihr vorbei, der sie nur um ein paar Meter verfehlte. Er fraß sich in
einen schneebedeckten Höhenzug und löste eine Lawine aus, die unaufhaltsam in die Tiefe
donnerte. Unzählige Tonnen aus der Wand gesprengten und teilweise geschmolzenen Gesteins
stürzten hinterher.
Der Pilot reagierte sofort. Die TAUFARA schlug einen Haken und kurvte in einem
halsbrecherischen Manöver um eine Felsnadel herum. Brutal zog er sie in die Höhe, auf
Tuchfühlung mit gewaltigen zerklüfteten Felszinnen, hinter denen sie für ein paar Sekunden
verschwand.
Auf dem Schirm zeichneten sich huschende Bewegungen ab, die auf den ihnen vorauseilenden
Feuerlanzen zu reiten schienen.
»Das sind unsere. Ab nach oben und Feuerunterstützung.«
Längst war der Pilot auf dem Weg. Die Felswand glitt zu schnell vorbei, um Einzelheiten erkennen
zu können. Dann brach sie übergangslos ab. Ein endloses Feld aus Schnee und Eis erstreckte sich
vor der TAUFARA. Brennende Trümmer waren in weitem Umkreis verstreut.
Während Schedol noch einen Gedanken für die Toten übrig hatte, sprachen die Waffen der
TAUFARA. Ihre Salven bohrten sich in die Unterseite des schwarzen Ellip-soidraumers, der sie mit
seiner Masse zu zerquetschen drohte. Ihre Maschinen heulten auf, als sie unter dem gewaltigen
stählernen Leib wegtauchte. Die Druckwelle einer Explosion schüttelte sie durch, ohne sie aus der
Bahn zu werfen.
Wo sie Sekunden zuvor noch gewesen war, gähnte ein trichterförmiger Krater, der Wolken aus
Wasserdampf in die Umgebung entließ.
Der Waffenleitoffizier spielte auf der Klaviatur seiner Waffensysteme, und endlich zeigte sich ein
erster Erfolg.
»Der Gkirr-Raumer trudelt aus der Bahn. Er ist angeschlagen.«
Denn jetzt wurde er aus allen Richtungen mit Geschützfeuer eingedeckt. Doch geschlagen gab er
sich noch lange nicht. Wenn seine Waffen ausgelöst wurden, versank jedes Mal für Sekunden die
Welt in blendender Helligkeit.
»Unsere Leute haben sich auf seine überlegene Feuerkraft eingestellt. Sie spielen ihre Wendigkeit
aus.«
In der Tat flogen sie kurze überraschende Angriffe und tauchten wieder zwischen den
Felsformationen unter,
bevor die Gkirr einen gezielten Gegenschlag anbringen konnten. Wenn sie jedoch trafen, dann
bedeutete das unweigerlich das Ende. Als ein kurzer Blitz aufflammte und unzählige glühende
Trümmerstücke in alle Richtungen rasten, wusste Schedol, dass er wieder ein Schiff verloren hatte.
»Wir geben ihm den Rest«, gab er über Rundruf durch. »In zehn Sekunden gemeinsamer Angriff
und drauf mit allem, was wir haben.«
Noch immer hatte er nicht entdeckt, worauf die Gkirr anfänglich geschossen hatten. Entweder
hatten sie ihre vermeintliche Beute vom Himmel geholt, oder die war klug genug gewesen, sich
schleunigst in Sicherheit zu bringen.
Mit geringer Geschwindigkeit passierte die TAUFARA einen Gebirgskamm, und Schedol zählte die
Sekunden. Als er bei fünf ankam, zischte er: »Jetzt!«
Die TAUFARA machte unter der schlagartig freigesetzten Schubenergie einen Satz nach vorn und
jagte aus ihrer Deckung. Wenn jetzt nicht alle gleichzeitig agierten, bedeutete das ihr Ende.
Plötzlich waren zehn andere Schiffe da, und ein energetisches Inferno brach aus. Aus allen
Richtungen rasten Strahlenbündel auf den Elipsoidraumer zu, der dichte Rauchwolken ausspuckte.
Und noch immer wehrte er sich. Vor Schedols Augen verging ein weiteres seiner Schiffe, während
die restlichen Dauerfeuer gaben.
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Ein triumphierender Schrei zerriss die Stille in der Lenkzentrale, als der Gkirr-Raumer sich nach
vorn neigte. Kein weiterer Schuss löste sich aus seinen Geschütztürmen, dafür brach mittschiffs
eine flammende Feuerlohe aus seinem Leib.
»Abdrehen!«, schrie Schedol. Vielleicht würde der große Kasten explodieren und alles in seiner
Nähe mit in den Untergang reißen. Während die TAUFARA sich zurückzog und einen ausreichend
großen Abstand zum Ort des Geschehens einnahm, flog der waidwund geschossene Feind auf eine
massive Felswand zu, ohne abzubremsen.
»Sie haben die Kontrolle verloren!«, jubelte jemand. »Sie bohren sich in den Berg!«
Wie gebannt verfolgte Schedol das Ende des Ellipsoid-raumers. Er konnte nichts dagegen tun, dass
das Schauspiel tiefste Zufriedenheit in ihm auslöste, auch wenn dadurch nichts ungeschehen wurde,
was die Gkirr getan hatten.
Die kinetische Energie seiner ungeheuren Masse trieb ihn weiter, als das vordere Drittel beim
Aufprall schon in sich zusammengestaucht wurde und in einer gewaltigen Detonation verging. Die
Kettenreaktion setzte sich durch das ganze Schiff fort. In einem gewaltigen Feuerwerk versanken
die brennenden Trümmer in einem Umkreis von mehreren Kilometer zwischen den Felsen. Selbst
Eis und der schmelzende Schnee brauchten Stunden, um die ausglühenden Wrackteile vollständig
zu löschen.
Das größte Teil, ein unregelmäßig geformter Brocken von dreihundert Metern, rutschte an der Wand
herunter und stürzte in eine Senke, wo es in mehrere Stücke zerbrach.
»Bestimmt werden deren Freunde kommen, um nachzusehen, was passiert ist«, brachte Togroms
Stimme Schedol in die Wirklichkeit zurück.
»Ortungsanzeigen?«
»Bisher negativ, aber ich erinnere daran, dass das hier zunächst nicht anders war.«
Schedol hätte zu gern nachgeschaut, auf wen die Gkirr am Anfang geschossen hatten, aber Togrom
hatte Recht. Dafür blieb keine Zeit, wenn er die TAUFARA und die anderen Schiffe nicht gefährden
wollte. Sie konnten von Glück reden, dass sie gegen diesen Gegner so glimpflich davongekommen
waren.
»Wir ziehen uns zurück«, ordnete er an.
Er konnte nur hoffen, durch diese Entscheidung niemanden zurückzulassen, der seine Hilfe
benötigte.
Gkirr!
Vier. Fünf. Ein halbes Dutzend.
Kleine, dünne Gestalten in silbernen Anzügen, nicht mehr als Einmeterdreißig messend, mit
übergroßen Augen, die ihnen ein unheimliches Aussehen verliehen.
Sie hatten das Inferno überstanden und entstiegen dem Feuer wie Dämonen, denen die Elemente
nichts anhaben konnten. In aller Ruhe, als gäbe es gar keine verzehrende Feuersbrunst in ihrem
Rücken, die ihnen gefährlich werden konnte, traten sie in den Schnee hinaus und sahen sich um.
Taria gab einen unartikulierten Laut von sich, als sie die fremden Besatzungsmitglieder sah. Wie
angewurzelt stand sie da und versuchte zu begreifen, was sich vor ihren Augen abspielte.
Auch Yorn war wie gelähmt. Über welche Macht verfügten diese Monster, die es ihnen ermöglichte,
ihn dermaßen zu bannen? Als er die Waffen in ihren feingliedrigen Händen erblickte, die in seine
Richtung zeigten, begriff er, dass es nur seine eigene Scheu vor den Unbekannten war, die ihm
einen Streich spielte.
Der tödlich enden würde, wenn er und Taria nicht endlich aus ihrer Starre erwachten.
Während er seinen Strahler in die Höhe riss und einen ungezielten Schuss abgab, griff er nach
Tarias Hand und zog seine Gefährtin mit sich. Endlich kehrte das Leben auch in sie zurück.
Ein sengender Strahl raste über ihre Köpfe hinweg und bohrte sich ins Gestein, ohne Schaden
anzurichten. Gemeinsam hasteten sie hinter den Gleiter, so schnell das bei dem gefrorenen
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Untergrund möglich war, wobei Yorn mehrmals blind hinter sich schoss.
Ein animalischer Schrei folgte ihm. Er warf den Kopf herum und sah, dass er getroffen hatte. Der
silberne Raumanzug eines Gkirr wurde von gierigen Flammen umzüngelt, die ihn binnen einer
Sekunde verzehrten. Wütend konzentrierten die anderen ihr Feuer auf den Gleiter.
»Wir sitzen in der Falle.«
»Dann lass uns von hier verschwinden«, drängte Taria. Sie deutete zu einem langgezogenen
steinernen Wall, hinter dem es wesentlich bessere Deckungsmöglichkeiten gab.
»Das schaffen wir niemals«, wehrte Yorn ab. Um den Wall zu erreichen, mussten sie fünfzig Meter
offenes Gelände überwinden, und das bei dem eisigen Untergrund. Unter den gegebenen
Umständen war das eine schier endlose Entfernung. »Auf halber Strecke erwischen sie uns.«
Die fünf Gkirr verteilten sich und näherten sich dem Gleiter aus verschiedenen Richtungen. Yorn
versuchte sie mit gezielten Schüssen auf Distanz zu halten, aber er wagte nicht, den Kopf zu weit
vorzustrecken. Denn wenn er sich auf einen von ihnen konzentrierte, musste er die anderen
zwangsläufig aus den Augen lassen.
»Sie kommen immer näher«, stellte Taria fest. »Hast du keinen zweiten Strahler im Gleiter?«
Yorn starrte sie ungläubig an. Ausgerechnet sie, seine friedliebende Gefährtin, wollte eine Waffe in
die Hand nehmen. Früher hätte sie nicht nur keinen Gedanken daran verschwendet, sondern ein
solches Ansinnen glattweg abgelehnt. Es war die Schuld der verdammten Gkirr, dass es nun anders
gekommen war. Das war noch eine Sache, für die sie eines Tages büßen würden. Die Liste wurde
immer länger, und es würde seine Zeit dauern, sie abzuarbeiten.
Und wenn es tausend Jahre dauert^ dachte Yorn. Ich werde nicht eher ruhen, bis alles erledigt ist.
A.uch wenn das bedeutet, dass ich unsterblich werden muß. Wenn das die Voraussetzung ist, dann
wird es so geschehen.
Er würde sie jagen bis ans Ende des Universums und aller Zeiten. Zukünftig gab es keine Sicherheit
mehr für die Gkirr, gleichgültig wohin auch immer sie gingen. Yorn würde sie finden.
»Nein«, erwiderte er, während er den Abzug seiner Waffe durchzog. »Kein zweiter Strahler. Ich bin
froh, dass wir wenigstens diesen einen haben.«
Die Gkirr waren flink. Es gelang ihm nicht, einen Treffer anzubringen, und sie kamen immer näher.
Yorn kroch zum Heck des Gleiters und spähte über die Kante. Einer der Gkirr wähnte ihn an einer
anderen Stelle, weiter vorn, und machte den Fehler, nach links zu huschen.
Yorn schnellte in die Höhe und schoss. Der Gkirr streckte die Arme von sich und fiel rückwärts in
den Schnee. Für einen Moment zuckte er, als versuchte er sich noch einmal zu erheben, dann
erschlaffte seine Gestalt.
Ein spitzer Schrei seiner Gefährtin ließ Yorn zusammenfahren. Sein Herz verkrampfte sich, als er
herumfuhr. Ein Gkirr stand fünf Meter hinter ihr und zielte mit der Waffe auf ihren Kopf. Yorns
Hand glitt wie von selbst in die Höhe, um auf den Gkirr anzulegen, aber dann ließ er sie wieder
sinken. Taria stand genau in der Schussbahn. Wenn er feuerte, würde er womöglich sie treffen.
»Schon gut«, sagte er resignierend, überzeugt, dass die Gkirr ihn ohnehin nicht verstanden. »Ich
ergebe mich.« So schnell endeten also seine Zukunftspläne, denn seine Kapitulation konnte nur den
Tod nach sich ziehen. So gesehen war es vielleicht sogar besser, wenn Taria durch seine Hand starb
und nicht durch einen der verhassten Invasoren.
Ein singender Ton riss ihn aus seinen Gedanken.
Der Energiestrahl war plötzlich da. Er kam direkt aus dem Himmel und sprang schneller hin und
her, als irgendwer reagieren konnte. Als er wieder erlosch, waren sämtliche Gkirr verschwunden.
Der Strahl hatte sie aufgelöst, bevor sie begriffen, wie ihnen geschah.
Ungläubig starrte Yorn nach oben. Gemächlich senkte sich ein Schiff der Heimatflotte herab und
landete auf dem Eis. Yorn konnte es kaum glauben. Taria und er waren gerettet.
Damit stand seinem Racheschwur nichts mehr im Weg.
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»Ein Funkspruch. Jemand ruft uns um Hilfe.«
Die TAUFARA stand beinahe regungslos über der Absturzstelle des Gkirr-Raumschiffs.
Brennend lagen dessen Überreste im ewigen Eis. Ein aberwitziger Gedanke kam Schedol. Kam der
Funkspruch vielleicht von überlebenden Gkirr?
»Ich will ihn hören.«
»Ich rufe die Schiffe der Heimatflotte. Wir sind unter euch«, drang eine verzweifelt klingende
Stimme aus den Lautsprechern. »Unser Gleiter musste in der Ebene notlanden, in der die Gkirr
abgestürzt sind. Bitte holt uns ab, sonst sind wir verloren.«
Schedol revidierte seine Ahnung. Das waren bestimmt keine Gkirr.
»Antworten!«
»Keine Reaktion«, kam die Meldung von der Funkstation. »Vermutlich handelt es sich um einen
automatischen Notruf. Er kommt über eine private Frequenz herein.«
Dann konnte er bereits länger ausgesendet werden. Andererseits hatte sich der Sprecher explizit an
die Heimatflotte gewendet, also hatte er sie gesehen. Demzufolge musste er auch noch da unten
sein. Doch wer trieb sich in dieser Einöde herum? Flüchtlinge vor der Invasionsflotte der Gkirr, die
widrige Umstände ausgerechnet an diesen Ort geführt hatten? Das war eine einleuchtende
Erklärung. Womöglich waren die Flüchtlinge zwischen den unzugänglichen Bergen abgestürzt.
»Tiefergehen!«, befahl der Kommandant. »Aufnahmevergrößerung und das Gelände absuchen. Das
sind Leute von uns.«
Die TAUFARA senkte sich durch die dichten Wolken aufsteigenden Rauchs und tauchte zwischen
den höchsten Erhebungen von zwei Gebirgszügen unter.
Plötzlich zeichneten sich Bewegungen auf den Schirmen ab.
»Näher ranzoomen.«
Schedol erkannte einen kleinen Gleiter, eine Privatmaschine wie sie bei vielen Familien beliebt war.
Jemand hatte sich dahinter verschanzt und schoss ...
... auf Gkirr!
Die Invasoren näherten sich dem Verteidiger von verschiedenen Seiten und hatten den Gleiter
beinahe erreicht. Schedol erkannte, dass ihm nur noch Sekunden blieben, das drohende Unheil
abzuwenden. Auf jeden Fall war es zu spät für eine Landung. Auch für die Ausschleusung von
Truppen und einen Bodenkampf blieb keine Zeit mehr.
Es gab nur noch eine Möglichkeit, nämlich einen Punktbeschuss von Bord der TAUFARA aus.
Schedol rief seinen Waffenoffizier. »Feuer eröffnen. Es muss gelingen, die Gkirr von hier aus
auszuschalten.«
»Das wird schwierig, Kommandant. Die Gkirr befinden sich sehr nahe bei unseren Leuten.«
Schedol verzog keine Miene. Ihm wäre eine Alternative ebenfalls lieber gewesen, aber es gab keine.
»Feuer!«, ordnete er mit tonloser Stimme an. »Ich vertraue Ihnen. Sie schaffen das.«
Regungslos verfolgte er die Bahnen der sich von der TAUFARA lösenden Energiestrahlen. Sie
blitzten jeweils für den Bruchteil einer Sekunde auf und sprangen hin und her. Ein Gkirr nach dem
anderen verdampfte. Es ging so schnell, dass Schedol ihr Ende nicht einmal richtig mitbekam. Mit
grenzenloser Erleichterung ließ er sich gegen die Rückenlehne des Kommandantensessels fallen.
»Landen und die Überlebenden aufnehmen«, befahl er.
Dazu war die TAUFARA schließlich aus dem Weltraum zurückgekommen.
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Kapitel 5
Macht und Ewigkeit
Nachdenklich betrachtete Zamorra den Dhyarra, der jetzt gut sichtbar vor Al Cairos Brust baumelte.
So sehr er sich auch auf ihn konzentrierte, schaffte er es nicht, die Stärke der ihm innewohnenden
magischen Kraft zu ermitteln.
»Denkst du dasselbe wie ich?«, fragte Nicole.
»Wenn du das nicht ermittelbare Potential des Dhyarras meinst, dann ja«, antwortete der
Dämonenjäger. »Offenbar haben wir es mit einem ganz besonderen Stein zu tun.«
»Ich kann ihn ebenfalls nicht ausloten«, bestätigte seine Gefährtin. »Das macht mir Herrn Cairo
nicht unverdächtiger.«
Sympathischer schon gar nicht, schob sie gedanklich hinterher, sprach die Worte aber nicht aus.
Gerade sie und Zamorra hatten eine Vielzahl an Geheimnissen, die die meisten Normalsterblichen
nicht verstehen würden, deshalb durfte sie Cairo deswegen keine Vorwürfe machen.
Der hagere Mann verzog das Gesicht zu einer gleichgültigen Maske. »Ich sehe, dass Sie an meinem
Angebot nicht interessiert sind. Machen Sie mir aber später keine Vorwürfe, ich sei nicht zuerst zu
Ihnen gekommen.«
»Nennen Sie uns Ihre Beweggründe«, wiederholte Nicole Zamorras Forderung. »Vielleicht ändern
wir dann unsere Meinung. Daran scheint Ihnen ja viel zu liegen.«
»Weniger als Sie denken.« Al Cairo machte eine abschätzige Handbewegung. »Ich bin nicht hier,
um zu feilschen.
Akzeptieren Sie, oder lassen Sie es, aber denken Sie gut darüber nach, bevor Sie mir eine übereilte
Absage erteilen.«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Da gibt es nichts zu überlegen. Auch ohne Sie und Ihre angeblichen
Informationen sind wir bisher ganz gut mit den Ewigen zurecht gekommen. Wir werden uns auch in
Zukunft zu verteidigen wissen.«
»Hochmut kommt vor dem Fall. Haben Sie sich eigentlich nie die Frage gestellt, was die Erde für
die Ewigen so interessant macht?«
Das konnte Nicole nicht leugnen. »Ich habe mich schon oft gefragt, was sie auf der Erde wollen«,
überlegte sie. »Aus einem unbekannten Grund übt sie eine magische Anziehungskraft auf diese
Wesen aus.«
»Es kann nichts Gutes sein.« Zamorra sah Al Cairo scharf an. »Korrigieren Sie mich, wenn ich
mich irre.«
Der hagere Mann verzog keine Miene. »Wer nicht will, der hat. Wenn Sie nicht wollen, unterbreite
ich mein Angebot halt dem Friedensfürsten.«
Der Friedensfürst! Zamorra und Nicole warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Diesen Ausdruck
verwendete die radikale Fraktion der Ewigen als Spottnamen für Ted Ewigk. Der erfolgreiche
Reporter war nach Erik Skribents Tod selbst für eine Weile ERHABENER gewesen, hatte sich mit
diesem Amt aber nie anfreunden können und es schließlich aus eigenem Antrieb niedergelegt.
Zuvor hatte er erfolglos versucht, das Expansionsstreben der DYNASTIE DER EWIGEN
einzudämmen, dabei aber gegen Windmühlen gekämpft. Denn natürlich hatten seine friedfertigen
Ambitionen den Alphas unter den Ewigen überhaupt nicht gefallen, und sie hatten, wo
immer sich die Gelegenheit dazu bot, gegen ihn intrigiert. Sogar Merlins Tochter Sara Moon war für
eine Weile unter schwarzmagischen Einfluss geraten und hatte ihn bekämpft und versucht, ihn mit
einem Bombenattentat umzubringen.
Ted Ewigk hatte den Anschlag überlebt, war aber durch den Schock des Attentats für eine Weile an
den Rollstuhl gefesselt gewesen. Nachdem es ihm schließlich gelungen war, die Auswirkungen des
Schocks zu überwinden, hatte er seine Wohnung in Frankfurt am Main verlassen und war unter dem
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Namen Teodore Eternale in Rom untergetaucht. Sara Moon, die einen Machtkristall geschaffen und
sich damit selbst zur ERHABENEN gemacht hatte, hatte es damals versäumt, Teds Machtkristall zu
zerstören, wie es bei den Ewigen Sitte war, sobald ein neuer ERHABENER das Amt ausfüllte.
Immer durfte es in ihrer Hierarchie nur einen Kristall der Macht geben. Ted Ewigk jedoch behielt
seinen Machtkristall, einen besonders starken zudem, nämlich einen Stein dreizehnter Ordnung.
Inoffiziell gab es jetzt also zwei Machtkristalle, auch wenn kein amtierender ERHABENER das
zugab.
»Woher kennen Sie Ted Ewigk?«, fragte Zamorra. »Hatten Sie während seiner Zeit als
ERHABENER mit ihm zu tun? Haben Sie ihm sogar unterstanden, als er das Amt innehatte?«
»Vielleicht ist er aber auch einer der aggressiven Alphas, die gegen Ted intrigiert haben«, vermutete
Nicole.
»Glauben Sie, was Sie wollen.« Al Cairo gähnte vernehmlich. »Ich habe mich lange genug mit
Ihnen aufgehalten. Es wird Zeit, dass ich den Friedensfürsten kontaktiere.«
Zamorra dachte nach. Bluffte der hagere Mann nur, um ihn doch noch umzustimmen? Vielleicht
stellte Cairo aber auch eine Gefahr für Ted Ewigk dar. Wenn er wirklich ein hochrangiger Alpha
war, war nicht auszuschließen, dass er mit dem Auftrag kam, das nachzuholen, was Sara Moon
seinerzeit nicht geschafft hatte. Nämlich den blonden Reporter umzubringen und seinen
Machtkristall zu zerstören, auch wenn es mit Nazarena Nerukkar längst eine weitere ERHABENE
gab.
Zu viele Motivationen der DYNASTIE DER EWIGEN lagen im Dunkeln, um eine solche
Möglichkeit definitiv ausschließen zu können.
Doch es gab eine einfache Möglichkeit, das herauszufinden. »Ich werde Ted Ewigk anrufen«, bot
Zamorra an.
Al Cairo neigte dankbar den Kopf. Selbst diese Geste erschien bei ihm als ein Zeichen des Spotts.
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Professor. Dann spare ich mir einen Weg.«
Zamorra aktivierte das Visofon und stellte eine Verbindung zum Palazzo Eternale her, der Villa, die
Ted am nördlichen Stadtrand von Rom bewohnte. Sie kam nach wenigen Sekunden zustande.
»Zamorra«, begrüßte Ted den Dämonenjäger, nachdem sein Abbild auf dem kleinen Schirm
erschien. Er wirkte ein wenig schläfrig. »Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs? Sag nur nicht,
du versuchst schon wieder, die Tafekunde zu vervollständigen.«
Mit einer wehmütigen Erinnerung schüttelte Zamorra den Kopf. Nach dem schmerzenden Tod
einiger Mitglieder der Tafekunde beim Unternehmen Höllensturm war fraglicher denn je, ob es
jemals gelingen würde, die Tafelrunde zu komplettieren.
»Es gibt einen anderen Grund«, erklärte er. »Er betrifft dich ganz speziell.«
Ted nickte. »Was habe ich verbrochen? Sag es mir, damit ich gestehen kann.«
»Ich habe einen Besucher, der uns Informationen über die DYNASTIE DER EWIGEN anbietet. Ich
habe abgelehnt, denn der Preis erscheint mir zu hoch. Nun will er sie dir anbieten.«
»Was verlangt er denn dafür?«
Zamorra schilderte Ted den Verlauf des vorangegangenen Gesprächs.
Der ehemalige ERHABENE gähnte vernehmlich, wobei sich Desinteresse in seinem Gesicht
abzeichnete. Ihm war anzusehen, dass er über eine Störung aus einem solchen Grund gar nicht
angetan war.
»Und wer ist der Spinner?«, fragte er.
»Er nennt sich Al Cairo.«
Ted Ewigk sprang aus dem Sessel auf, in den er sich bisher gelümmelt hatte. Schlagartig
verschwand sämtliche Müdigkeit aus seinen Zügen und machte Überraschung Platz. »Ach, der.
Kaum zu glauben!«
»Also kennst du ihn tatsächlich. Ist er der, als der er sich ausgibt, oder stellt er eine Gefahr dar?«
»Nein, nein, alles in Ordnung. Haltet ihn fest! Ich bin gleich bei euch.«
Der plötzliche Sinneswandel erstaunte Zamorra. »Willst du nur nicht etwas mehr über ihn
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verraten?«
»Gleich«, wehrte Ted ab. »Sieh nur zu, dass er nicht wieder verschwindet, bevor ich mit ihm
gesprochen habe.«
Die Verbindung wurde unterbrochen, und Zamorra glotzte verständnislos in die trübe Mattscheibe.
Was die Nennung eines Namens doch bewirken konnte. Als er sich umdrehte, stand Al Cairo mit
verschränkten Armen vor ihm. Er grinste überlegen.
Die Gkirr verschwanden in den Tiefen des Weltalls, aber sie ließen eine zerstörte Welt zurück, deren
Oberfläche verwüstet war.
Überall zeigten sich die Narben, die ihr mörderischer Überfall hinterlassen hatte. Es waren Spuren
für eine lange Zeit, die sich nicht von heute auf morgen verlieren würden. Es würde Jahrzehnte
dauern, bis sie durch Wiederaufbau und großflächige infrastrukturelle Maßnahmen alle verheilt
waren, doch so lange wollte die Regierung des Heimatplaneten nicht warten.
Dazu kam die ständige Angst, mit der keiner aus dem Volk leben wollte. Was nützte es, eine neue
Welt zu errichten, wenn man sich ständig vor der Rückkehr der Gkirr fürchten musste?
Die eigenen Raumschiffe umzurüsten und in Kriegsschiffe zu verwandeln würde ebenfalls viel zu
lange dauern, da die logistischen Möglichkeiten fehlten. Auch schon vor dem Untergang der Heimat
hatte es keine funktionierende Rüstungsindustrie gegeben, und nun, da beinahe die gesamte
planetare Infrastruktur zerstört war, ließ sie sich erst recht nicht aus dem Boden stampfen. Um das
dauerhafte Überleben des Volkes zu garantieren, blieb somit nur eine Option.
Die Aufgabe der Heimat.
Was den meisten Bewohnern vor kurzem noch unvorstellbar erschienen wäre, wurde in kürzester
Zeit von allen akzeptiert. Sie waren einmal überrascht worden, doch wer
das Inferno überstanden hatte, wollte es nicht ein zweites Mal erleben.
Das Wenige, was den verheerenden Angriff überstanden hatte, wurde von den Angehörigen des
Volkes selbst zerstört. Sie wollten nichts zurücklassen, was den verfluchten Gkirr irgendwie von
Nutzen sein konnte. Außerdem sollten auf diese Weise alle Spuren vernichtet werden, die darauf
hinwiesen, dass das Volk jemals existiert hatte. Wenn sich niemand daran erinnerte, würde es
hoffentlich auch bei den Gkirr eines Tages in Vergessenheit geraten.
Nachdem auch die Stationen und Einrichtungen auf den anderen Planeten dem Erdboden
gleichgemacht worden waren, gab das Volk sein Heimatsystem auf und machte sich mit allem, was
fliegen konnte, auf die Reise ins Ungewisse. Das Sternensystem, das hinter ihm zurückblieb, sollte
niemals wieder besiedelt werden.
Die TAUFARA nahm nicht nur Yorn und Taria auf, sondern zahlreiche weitere Überlebende. Wie
Schedol es sich gewünscht hatte, wurde sein Schiff damit zu einer Rettungsarche, zu einer unter
vielen, die dem Volk die Flucht und einen Neuanfang auf einem anderen Planeten ermöglichen
sollten.
Der aber musste erst noch gefunden werden.
Das Volk räumte auch alle anderen besiedelten Planeten, die den Gkirr möglicherweise bekannt
waren. Es blieben keine Spuren zurück, aus denen sich Rückschlüsse ziehen ließen.
Auch Schedols Welt wurde geräumt, denn es war abzusehen, dass dort eine Invasion durch die
Gkirr kurz bevorstand. Schließlich waren, und daran zweifelte niemand, die Schwarzkristalle der
Auslöser für den Angriff gewesen, auch wenn die Gkirr von Natur aus ein kriegerisches Volk waren.
Die stationierten Forscher und Schürfer brachten noch so viele Sternensteine an Bord eines
Frachtschiffs in Sicherheit, wie vor Ablauf des selbstgestellten Ultimatums möglich war, dann
sprengten sie sämtliche Forschungseinrichtungen, Bagger und Lagerhallen.
Alles war getan, um sich heimlich aus dem galaktischen Geschehen zu verabschieden. Doch dies
war nur der Anfang der neuen Politik. Unbeobachtet von fremden Augen sollte nicht nur eine neue
Zivilisation errichtet werden, sie sollte auch wehrhafter sein, um in einer fernen Zukunft gegen
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jeden Aggressor bestehen zu können. Das ließ sich nur bewerkstelligen, wenn Kriegsschiffe an die
Stelle von Forschungsraumern traten.
Viele verantwortliche Politiker lehnten diese Abkehr von den alten Idealen zwar ab und wollten
auch künftig alles so fortführen wie bisher, aber kraftvolle Stimmen propagierten einen anderen
Weg.
Einen Weg der Stärke und der Vergeltung.
Eine dieser Stimmen gehörte Yorn.
»Egal wie lange es dauert, eines Tages zahle ich den Gkirr heim, was sie uns angetan haben«, sagte
er immer wieder. Es konnte kein Zufall sein, dass ausgerechnet die TAUFARA Taria und ihn
gerettet hatte, das Schiff des legendären Schedol, der den Planeten mit den Schwarzkristallen
entdeckt hatte. Yorn verstand die Tatsache als einen expliziten Hinweis des Schicksals, denn die
Zusammenhänge waren zu eindeutig. Von den Kristallen, denen sie die zurückliegenden Schrecken
zu verdanken hatten, wurde gemunkelt, dass sie aus der Frühzeit des Universums stammten und die
Jahrmilliarden überdauert hatten.
Er benötigte keine Milliarden von Jahren für die Vergeltung. Millionen würden ausreichen,
möglicherweise sogar ein paar Tausend. Die Vorstellung, die in den Augen der meisten seines
Volkes überkandidelter Größenwahn gewesen wäre, erschien Yorn plausibel, auch wenn es sich nur
um eine Gedankenspielerei handelte. Um eine allerdings, die sich irgendwie in die Tat umsetzen
lassen musste.
»Ein paar lächerliche tausend Jahre nur«, murmelte er vor sich hin, ohne sich dessen bewusst zu
werden. Seine Gedanken machten sich selbstständig, so intensiv beherrschten sie seinen Verstand.
»Dann komme ich zurück, und die Gkirr werden bedauern, mich nicht ebenso wie Larka und Telkan
umgebracht zu haben.«
»Wir werden niemals zurückkommen«, versuchte Taria ihn zu beruhigen. »Stattdessen suchen wir
einen Ort, der möglichst weit von den Gkirr entfernt ist. Ich glaube nicht, dass wir jemals einen von
ihnen Wiedersehen, und darüber bin ich gar nicht unglücklich. Ich will die Gkirr vergessen, so
schnell ich kann.«
»Ich will sie nicht vergessen«, antwortete Yorn mit hasserfüllter Stimme. »Und ich werde sie nicht
vergessen.«
Taria legte einen Arm um seine Schultern. »Doch, das wirst du. Die Zeit wird auch diese Wunde
heilen. Das muss sie einfach, damit du wieder mir gehörst. Wir sind noch jung, aber der Tag ist
nicht mehr fern, an dem wir eine Familie gründen werden. Schließlich haben wir nicht alle Zeit des
Universums.«
Yorn weigerte sich, diese Tatsache zu akzeptieren. Wieso standen ihm für seine Rachepläne nicht
die Jahrtausende offen? Wieso verpasste die Natur einem einen solchen Schicksalsschlag und gab
einem anschließend noch nicht einmal ausreichende Zeit, ihn zu vergelten? Je öfter Yorn darüber
nachdachte, desto stärker versteifte er sich in die Gewissheit, dass es eine Möglichkeit gab. Er
musste sie nur finden. Irgendwie ließ sich die Zeit austricksen. Doch wo war der Ansatz für eine
Lösung?
Wieder kamen ihm die mysteriösen Schwarzkristalle in den Sinn. Sie stellten für ihn ein Synonym
für die Ewigkeit dar. Zu gern hätte er einen davon einmal in eigenen Händen gehalten, jedoch
keinen, der bereits in die Tronik eines Geräts eingebaut war, sondern einen naturbelassenen. Doch
woher sollte Yorn den nehmen? An Bord der TAUFARA gab es bestimmt keinen davon. Wie hätte
er auch hierher gelangen sollen?
»Ich werde Schedol fragen, wenn ich ihn sehe«, sagte er. »Vielleicht kann er mir helfen.«
»Den Kommandanten?« Taria sah ihren Gefährten verständnislos an. »Wobei soll er dir helfen?«
Yorn schüttelte ausweichend den Kopf. »Entschuldige bitte, ich habe nur laut gedacht. Es ist nichts
Wichtiges.«
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Yorn konnte ihr ansehen, dass sie ihm nicht glaubte. Doch der Gedanke ließ ihn nicht mehr los,
denn zwei Dinge gehörten für ihn zusammen.
Ewigkeit und die absolute Macht.
Regungslos hockte Schedol in der Lenkzentrale der TAUFARA und beobachtete die Myriaden
funkelnder Lichtpünktchen in der Schwärze des Alls. Es waren so viele, dass ein Leben nicht
ausreichte, sie zu zählen. Zahllose dieser Sonnen besaßen eigene Planeten, von denen viele
in der sogenannten Lebenszone lagen. Leider reichte diese Tatsache allein nicht aus, sie
zwangsläufig auch für eine Besiedelung vorzusehen.
Seit Wochen war die Flotte unterwegs, und bisher hatte sie bei ihrer Suche keinen Erfolg gehabt.
Die Raumer hatten Dutzende von aus der Ferne geeignet erscheinenden Planeten angeflogen, doch
jedes Mal waren die Besatzungen enttäuscht worden. Entweder machten die klimatischen
Bedingungen ein Überleben unmöglich, oder die Luft war nicht atembar, oder, oder, oder ...
Schedol machte sich Sorgen. Die Stimmung an Bord war nicht die beste. Natürlich traf er im Schiff
hin und wieder auf Flüchtlinge, die ihn mit Fragen löcherten. Die meisten von ihnen waren keine
Raumfahrer wie er, sondern ein planetengebundenes Leben gewöhnt. Für sie gab es nichts, nach
dem sie sich mehr sehnten, als endlich eine neue Heimat zu finden. Zu seinem Leidwesen konnte
Schedol ihnen immer nur abschlägige Antworten erteilen.
Bei der Suche entfernte die Flotte sich immer weiter vom Ursprungssystem, aber ihm machte das
nichts aus. Seit er Vorjahren seinen ersten Raumflug absolviert hatte, fühlte er sich in der
Unendlichkeit Zuhause, aber vielen ging es nun einmal anders als ihm. Und an Bord der anderen
Schiffe sah es bestimmt nicht anders aus. Deren Kommandanten hatten mit den gleichen Problemen
zu kämpfen wie er selbst.
Müdigkeit befiel Schedol, und er stellte die Automatik ein, die die TAUFARA im Verbundflug
halten würde. In der Gewissheit, von seinen Offizieren sofort alarmiert zu werden, wenn eine
Änderung der Lage eintrat, wuchtete er sich aus seinem Sitz in die Höhe und verließ grußlos die
Lenkzentrale.
Unterwegs glaubte er einen moderigen Geruch wahrzunehmen. Lag das an der Tatsache, dass die
TAUFARA so lange keine frische Luft mehr auf einem Planeten getankt hatte, oder an den
Ausdünstungen so vieler Personen an Bord? In beiden Fällen hätte die Lufterneuerungsanlage
regulierend eingreifen müssen, aber vielleicht saß er nur einer Täuschung auf.
Schedol hatte seine Kabine beinahe erreicht, als ihm jemand begegnete.
»Guten Abend, Kommandant«, sagte der Mann.
Schedol konnte sich nicht erinnern, wo er ihn schon einmal gesehen hatte, obwohl ihm das Gesicht
bekannt vorkam.
Die Ansprache war typisch für die Flüchtlinge. Sie richteten ihre Zeiteinteilung viel stärker nach
den Abläufen auf der Heimatwelt als ein Raumfahrer das tat. Zwar folgten die Chronographen auf
allen Schiffen ebenfalls dieser Einteilung, aber für jeden, der länger im All unterwegs war, verschob
sich diese Skalierung, weil sich auch die innere Uhr umstellte.
»Guten Abend«, sagte er kurzangebunden und wollte seine Kabine betreten, doch der junge Mann
blieb wie angewurzelt stehen.
»Mein Name ist Yorn«, sagte er. »Sie haben Taria und mich in den Bergen vor den Gkirr gerettet.
Wir verdanken Ihnen unser Leben und hatten bisher noch nicht einmal die Gelegenheit, Ihnen dafür
zu danken.«
Jetzt erinnerte Schedol sich, woher er das Gesicht kannte. »Das habe ich gern getan. Es gibt keinen
Grund zu Dankbarkeit.«
»Wenn schon nicht für unser Leben, dann aber dafür, dass Sie die verdammten Gkirr umgebracht
haben.«
Schedols Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. Er betrachtete den forschen jungen
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Burschen, der unruhig von einem Bein aufs andere trat. Es war nicht zu übersehen, dass er eine
dringende Frage hatte.
Auf die ich doch nur wieder die gleiche Antwort geben kann, dachte der Kommandant. Nein, wir
haben noch keinen geeigneten "Planeten gefunden. Nein, ich weiß nicht, wie lange es noch dauern
wird.
»Können Sie mir sagen, wo ich mir einen Schwarzkristall ansehen kann?«
Überrascht horchte Schedol auf. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. »Einen
Dhyarra?«
»Ja, so nennt man die Kristalle wohl auch.«
»Ich nenne sie so. Schwarzkristall ist die Bezeichnung der Wissenschaftler.«
»Oh, das wusste ich nicht«, entschuldigte sich Yorn. »Dann werde ich sie auch Dhyarra nennen. Es
ist mein sehnlichster Wunsch, endlich einen zu sehen ... und ihn zu berühren.«
»Haben Sie keinen Computer, junger Mann?«
»Das ist etwas anderes«, war die ausweichende Antwort.
Ja, dachte Schedol. Das stimmte. Jedenfalls für ihn. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie lange er
seinen Dhyarra schon nicht mehr aus dem Schrank in seiner Kabine genommen und seinen Geist
darin versenkt hatte.
»Was erwarten Sie sich davon?«, fragte er.
Das fiebrige Glänzen in Yorns Augen schien ihn zu durchbohren.
»Die Ewigkeit.«
Verheißungsvolles Funkeln.
Eingebettet in absolute Schwärze.
Der Dhyarra kam Yorn wie ein erstarrtes Wesen aus einer anderen Galaxis vor. Die Botschaft, die
allein sein Aussehen übermittelte, war unmissverständlich. Er gehörte nicht hierher.
»Er ist wunderschön«, flüsterte Yorn ergriffen und streckte zaghaft eine Hand aus. Bevor sie den
Kristall erreichte, zog er sie rasch wieder zurück.
»Das ist er«, antwortete Schedol. »Das sind sie alle. Ich bedaure, nur diesen einen mitgenommen zu
haben. Wir hätten keinen einzigen für die Gkirr zurücklassen dürfen. Diese Mörder sind es nicht
wert.«
Das empfand Yorn genauso, aber er wunderte sich, dass der Kommandant der TAUFARA sich ihm
gegenüber so offenherzig äußerte. Noch mehr erstaunte ihn, dass Schedol ihm seinen Dhyarra
zugänglich machte, den er, wie er zugab, einst inoffiziell mitgenommen hatte.
»Wenn wir eine größere Flotte bauen, brauchen wir noch viel mehr Kristalle.«
»Eines unserer Schiffe transportiert keine Flüchtlinge, sondern ist mit Dhyarra-Kristallen
vollgeladen. Es hat so viele, wie unsere Leute in der Eile mitnehmen konnten. Sie werden für eine
Weile ausreichen, doch eines Tages werden wir auch wieder andere Rechner in unsere Schiffe
einbauen müssen. Doch über dieses Problem brauchen wir uns derzeit noch keine Gedanken zu
machen.«
Yorn kniff die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen und versuchte das Funkeln in dem
Stein zu ergründen.
Es gab kein Anzeichen, woher es stammte, aber anscheinend nicht von dem einfallenden Licht.
Vielleicht war es ein Ausdruck der Ewigkeit. Ein sichtbarer Hinweis auf die Macht, die dem Kristall
innewohnte.
»Wieso zeigen Sie ihn mir?«
Schedol zögerte. Er legte eine Hand auf den schwarzen Sternenstein und schloss die Augen. Für
eine halbe Minute war er der Welt entrückt. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper, und er
richtete sich kerzengerade auf. »Weil ich etwas herausfinden will.«
»Und dazu brauchen Sie mich?«
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»Oder jemand anderen.«
Yorn fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut. Er begriff, dass Schedol einen solchen
Moment geradezu herbeigesehnt hatte. Er sah in dem Kristall viel mehr als nur ein herrliches
Schmuckstück. Auf eine unheimliche Art war er dem Dhyarra erlegen. Über welche Macht verfügte
dieses Fundstück?
Werde ich sie ebenfalls spüren?, fragte sich Yorn.
Vielleicht war sie gefahrlich.
Andererseits wurden damit doch all seine unausgesprochenen Hoffnungen einen Hauch
realistischer. Er kam sich wie ein Narr vor, sich von diesem Stein die Erfüllung seiner Träume zu
erwarten. Es gab nicht den geringsten Anlass für Euphorie.
Aber auch nicht für Angst.
»Sie sagten, Sie wollen ihn berühren«, erinnerte Schedol. »Tun Sie es, und sagen Sie mir, was Sie
spüren.«
Yorn hätte zu gern gewusst, was Schedol fühlte, wenn er körperlichen Kontakt zu dem Dhyarra
herstellte. Er hatte die Möglichkeit, es selbst herauszufinden. Erneut streckte er eine Hand aus.
Sekundenlang schwebte sie in der Luft, dann ließ er sie auf den schwarzen Stein sinken. Während er
die Augen schloss, sammelte er all seine geistige Kraft und konzentrierte sich auf die Macht, die er
dem Schwarzkristall zuschrieb.
Er verdrängte sämtliche Gedanken, bis nur noch er und der Dhyarra existierten. Jetzt war der
Moment gekommen, da sich ihm die Wahrheit offenbaren musste.
Ein Zittern lief durch Yorns Körper, als er sie erkannte. Da war ... gar nichts.
Tiefe Enttäuschung befiel Yorn, als er die Augen wieder aufschlug. Ein totes Stück Gestein lag vor
ihm, sonst nichts. Wie hatte er sich nur einbilden können, dass es unsichtbare Kräfte besaß, mit
denen sich die Welt verändern ließ? Am liebsten hätte er zugepackt und den Schwarzkristall gegen
die Wand geschleudert.
»Ich kann die Enttäuschung aus Ihrem Gesicht ablesen«, sagte Schedol. »Sie haben nichts gespürt.«
»Nicht das Geringste.« Yorn fühlte sich wie eine leere Hülle. Er wollte aufstehen, aber seine Beine
versagten ihm den Dienst.
»Es tut mir Leid. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
»Also haben Sie andere Erfahrungen damit gemacht.«
»Ich kann eine vage Präsenz wahrnehmen, aber es ist mir nicht möglich, sie zu erreichen. Ich weiß
nicht, wie oft ich es in den vergangenen Jahren erfolglos versucht habe. Ich schaffe es einfach nicht,
mich ihr zu nähern. Dabei bin ich sicher, dass man sie aktivieren kann, wenn man über die
entsprechenden Voraussetzungen verfügt, aber bei mir sind sie wohl nicht stark genug ausgeprägt.«
Yorn nickte mechanisch. »Und bei mir sind sie gar nicht vorhanden.« Er stieß ein krächzendes
Lachen aus. Die Gedanken, die ihm zu den Dhyarras gekommen waren, stimmten demnach
möglicherweise. Nur konnte er keinen Profit daraus schlagen. Yorn hätte verzweifeln können.
Träge erhob er sich, um zu Taria zurückzukehren.
»Wir können den Versuch später wiederholen!«, rief Schedol hinter ihm her.
»Ja, vielleicht ... irgendwann.« Wenn das nicht völlig sinnlos war.
Denn Yorn hatte zwar einen uferlosen Traum, aber er glaubte nicht an Wunder.
Die FOLSIM war ein altes Schiff, aber das störte Kergom nicht. Der Forscher hatte sich an Bord
des Frachtschiffs, das die Schwarzkristalle geladen hatte, ein Labor eingerichtet, in dem er seine
Forschungen während des Flugs fortführte. Wie Yorn war auch er der Überzeugung, dass die
Sternensteine über weitere Kräfte verfügten, die sich als nützlich erweisen würden, wenn es gelang,
sie zu aktivieren.
Allerdings betrieb Kergom seine Untersuchungen auf rein wissenschaftlicher Grundlage, wie er es
von Anfang an getan hatte. Er hatte sich fast vollständig von seinen Kollegen zurückgezogen und
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arbeitete ohne deren Unterstützung in der Einsamkeit seines Labors, in dem es ihm an nichts
mangelte.
Bereits am Ende seines Aufenthalts auf Schedols Welt war er, ebenso wie die meisten anderen, die
über längere Zeit dort stationiert gewesen waren, immer mehr zum Eigenbrötler geworden. Nach
dem Verlassen des düsteren Planeten schritt diese Entwicklung zwar nicht weiter fort, aber Kergoms
Verfassung war in ein Stadium getreten, in dem eine Normalisierung seines Zustands nicht mehr
möglich war.
Er selbst erkannte das natürlich nicht. Aber auch den wenigen Personen, mit denen er sporadischen
Kontakt hatte, fiel es nicht auf. Schließlich hatte er schon immer als ein wenig seltsam gegolten.
Wer wollte einem erfolgreichen Wissenschaftler schon seine Verschrobenheit vorhalten, so lange er
erstklassige Resultate erzielte?
Tag und Nacht arbeitete Kergom mit den Schwarzkristallen und gönnte sich dabei nur wenig Schlaf.
Je intensiver er sich in seine Arbeit vertiefte, desto unzufriedener wurde er angesichts der fehlenden
Erfolge. So schnell er sie auf Schedols Welt errungen hatte, so sehr ließen sie ihn jetzt im Stich,
Im Verlauf von Wochen, in denen er mit niemandem ein Wort wechselte, nahm er unzählige
Versuche vor, die ausnahmslos ohne Resultat blieben. Immer mehr kam er zu dem Schluss, dass die
Kristalle doch keine Überraschung mehr für ihn bereithielten. Er hatte ihnen ihr Geheimnis
entrissen, mehr konnte er nicht tun.
Er wühlte sich durch die Lagerbestände, weil er die Hoffnung hegte, in tieferen Schichten der
gelagerten Container auf abweichende Exemplare der Kristalle zu stoßen. Doch auch diese
Hoffnung wurde enttäuscht.
Schubweise befielen ihn quälende Anfälle von Depressionen, in denen Kergom vergaß, wer er war
und wo er war. Anstelle der Schiffswandungen sah er sich von hoch aufragenden schwarzen Bergen
umgeben, zwischen deren gewaltigen Zinnen er rettungslos verloren war. Mit ihrer verderblichen
Ausstrahlung fielen sie über ihn her und drohten ihn mit ihrem Gewicht zu erdrücken.
Wenn Kergom wieder zu sich kam, brauchte er einen oder zwei Tage, um sich zu erholen. Wie
besessen, als hinge sein Leben davon ab, stürzte er sich dann wieder in seine Arbeit, um erneut
kläglich zu scheitern. In einem schleichenden Prozess verwandelten sich seine Zweifel in
Selbstvorwürfe. Kergom begann zu vergessen, was ihm auf Schedols Welt gelungen war, und fühlte
sich als Versager.
Doch statt aufzugeben, kapselte er sich immer weiter von der Welt ab. Bis etwas völlig
Unerwartetes geschah. Inmitten der Berge schwarzer Sternensteine entdeckte er vereinzelte, die
ganz anders waren.
Ungläubig betrachtete er die kleinen, blau funkelnden Steine. Zunächst hielt er sie für etwas
Besonderes, weil es offensichtlich nur so wenige von ihnen gab. Doch sie sprachen auf seine
Untersuchungen noch weniger an als die Schwarzkristalle. Während die als Rechner und
Energielieferanten zu nutzen waren, taugten die blauen Steine zu gar nichts.
Achtlos warf er sie beiseite und verschwendete keinen weiteren Gedanken an sie, denn mit Abfall
wollte er sich nicht belasten. Schlimmer denn je kehrten Kergoms Depressionen zurück und stießen
seinen Geist in eine andere Welt. Schreiend kletterte er durch ein Labyrinth kalter, schwarzer
Felsen. Höhnische Stimmen drangen aus ihrem Inneren, die Kergom bewiesen, dass die ganze Welt
über ihn lachte.
Er fühlte sich alt und kraftlos. Es wurde Zeit, neue Kraft zu schöpfen und allen zu zeigen, was noch
in ihm steckte. Vor allem sich selbst. So legte Kergom sich zwischen den Schwarzkristallen in
einem der Container zum Schlafen nieder.
Er wurde erst nach der Landung der FOLSIM gefunden.
Aber da war bereits seit Wochen kein Leben mehr in ihm.
Die Flotte war beinahe seit einem Dreivierteljahr unterwegs, als eine bläulich schimmernde Sonne
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geortet wurde, die in einem halben Lichtjahr Entfernung zu einem Schwarzen Loch lag, sich also in
dessen unmittelbarer kosmischer Nachbarschaft befand. Bei der Annäherung erwies sich der blaue
Stern als Zentralgestirn eines unbewohnten Fünf-Planeten-Systems, von dem der zweitinnerste
Umläufer ideale Lebensbedingungen aufwies. Umfangreiche Messungen wurden vorgenommen
und zahlreiche Außenteams abgesetzt, die sich vor Ort umsahen. Sie fanden keine Faktoren, die
gegen eine Inbesitznahme sprachen.
Einen zusätzlichen Schutz vor Entdeckung versprach die unmittelbare Nähe des Schwarzen Lochs.
Niemand näherte sich einem solchen Kollapsar gerne, also konnte man davon ausgehen, dass sich
auch die Gkirr fernhalten würden.
So wurde mit der Besiedelung des zweiten Planeten begonnen, und nach einem halben Jahr war die
erste Stadt entstanden. Fabriken wurden aus dem Boden gestampft, die diesmal nicht ausschließlich
zivilen Produktionen vorbehalten blieben. Das Volk hatte aus der Katastrophe gelernt, die beinahe
seinen Untergang bedeutet hätte. Schon bald wurde mit der Waffenproduktion begonnen, und ein
Teil der Schiffe wurde mit Waffensystemen ausgerüstet, für die schon immer Pläne in der Schublade
gelegen hatten, die aber aufgrund der friedlichen Einstellung des Volkes niemals gebaut worden
waren.
Jetzt war alles anders, auch wenn es mahnende Stimmen gab, es den Gkirr nicht gleichzutun. Doch
der Großteil der überlebenden Bevölkerung, die immer noch über eine Million Individuen betrug,
entschied sich für Sicherheit und Wahrhaftigkeit. Sollte es jemals zu einem feindlichen Angriff auf
die neue Heimat des Volkes kommen, wollte man vorbereitet sein und zurückschlagen können.
Nie wieder Flucht, galt als Maxime, der sich alle anderen Bereiche der Gesellschaft unterzuordnen
hatten.
Parallel zur Erschließung der neuen Heimat wurden Stützpunkte auf den drei weiter außen
liegenden Welten eingerichtet, die über leistungsstarke Geschütze und Abwehrforts verfügten.
Bereits nach einem Jahr besaß das Volk ein größeres Waffenarsenal als in seiner ganzen bisherigen
Geschichte zusammen.
Die Schwarzkristalle waren ein wesentlicher Bestandteil des raschen Wachstums. Ohne sie ging gar
nichts, und rasch schrumpften die Vorräte in den Lagern. Doch noch würden sie auf Jahre hinaus
reichen. Allerdings ging man schon bald sparsamer mit ihnen um, da klar war, dass es keinen
Nachschub geben würde.
Ein paar ganz Pfiffige forderten die Regierung auf, Schedol, der inzwischen den Status einer
Legende innehatte, mit einer Expeditionsflotte auszuschicken. Er würde bestimmt noch einen
weiteren Planeten mit Sternensteinen entdecken.
Schedol selbst zog sich weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück. Zwar behielt er weiterhin
sein Kommando über die TAUFARA, aber er verbrachte notgedrungen mehr Zeit mit festen Boden
unter den Füßen als im Weltraum. Bevor wieder an eine Fqrschungsflotte gedacht werden konnte,
musste das Blaue System, wie es im offiziellen Sprachgebrauch bald genannt wurde, mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln nach außen hin abgesichert werden.
So verbrachte Schedol einen Großteil seiner Zeit mit Nachforschungen über das Ableben Kergoms.
Doch es gelang ihm nicht, Licht in das Dunkel der seltsamen Umstände zu bringen, die dazu geführt
hatten. Er hatte den Verdacht, dass die Dhyarras etwas damit zu tun hatten, schließlich wurde
Kergom auf einer Halde von ihnen gefunden, als hätte er sich dort zum Schlafen niedergelegt.
Zudem traten bei einer ganzen Reihe seiner ehemaligen Mitarbeiter ebenfalls schwerwiegende
psychische Probleme auf, gegen die auch die besten Spezialisten nichts tun konnten. Außerdem gab
es zwei weitere rätselhafte Todesfälle unter Kergoms ehemaligen Kollegen.
Leider fand Schedol keine schlüssigen Anhaltspunkte, mit denen sich seine Vermutung erhärten
ließ. Er erwähnte sie auch niemandem gegenüber, weil er selbst nicht sicher war.
Immerhin gab es noch eine zweite mögliche Erklärung. Kergom und alle anderen Betroffenen
hatten nicht nur über längere Zeit intensiv mit den Dhyarras zu tun gehabt, sie waren auch
außergewöhnlich lange auf Schedols Welt stationiert gewesen. War auf dem unheimlichen düsteren
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Planeten etwas geschehen, was diese tragischen Folgen nach sich zog?
Auch um diese Frage zu klären, hätte man dorthin zurückkehren müssen, und das war nun einmal
unmöglich. Einmal kam Schedol zwar auf die Idee, mit einem einzelnen Schiff aufzubrechen, um
sich genauere Informationen aus erster Hand zu besorgen, aber er verwarf den Gedanken wieder.
Ein solcher Alleingang war viel zu gefährlich. Wenn die Gkirr auf die TAUFARA aufmerksam
wurden und sie heimlich verfolgten, war auch das neue Versteck des Volkes nicht mehr sicher.
Hin und wieder traf er sich mit Yorn, der lautstark die Verfehlungen der Gkirr und das Recht auf
Rache proklamierte. Er hatte seine frühere Tätigkeit nicht wieder aufgenommen, sondern war in
einem eigens gegründeten Gremium tätig, das eben diese Forderungen in der Öffentlichkeit vertrat.
Trotz des anfänglichen Misserfolgs beim ersten Versuch mit Schedols Dhyarra an Bord der
TAUFARA gaben die beiden Männer nicht auf. Als Yorn erfuhr, was Schedol beim Kontakt mit dem
Schwarzkristall wahrnahm, steigerte dies seine Motivation, ebenfalls einen gewissen geistigen
Kontakt herzustellen. Immer wieder versuchte er es, doch es gelang ihm nicht. Die geheimen
Mächte des Kristalls, wenn es sie denn wirklich gab, verweigerten sich ihm.
Doch Yorn ließ sich davon nicht unterkriegen, sondern ging unbeirrt seinen Weg. Seine irrationale
Überzeugung, selbst die Unsterblichkeit erlangen zu können, wenn er nur auf diesem Weg sein Ziel
erreichen konnte, wurde zu einer fixen Idee. Doch da Taria als seine Gefährtin an seiner Seite war,
nahm sie immer nur einen gewissen Stellenwert in seinem Leben ein und drängte nicht völlig in den
Vordergrund.
Taria war der Ausgleich in seinem Leben, der Yorn Rückhalt gab und dafür sorgte, dass er sich
irgendwann auch wieder auf andere Dinge konzentrierte als lediglich auf den Gedanken an Rache.
Besonders als sie ihm sagte, dass sie beide Nachwuchs erwarteten.
Einen Gedanken wurde Yorn aber auch da nicht los. Er galt den Gkirr.
Ich werde euch jagen bis ans Ende des Universums und aller Zeiten!
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Kapitel 6
Black Hole
Er war ein direkter Nachfahre von Zeus, der einst von Griechenland aus Sprache und Kultur in die
Welt gebracht hatte. Wie Ted Ewigk war auch Zeus einst ERHABENER der DYNASTIE DER
EWIGEN gewesen.
Keine zwei Minuten nach dem Visifongespräch mit Zamorra stand Ted Ewigk im Chateau
Montagne. Zwar war im Zuge des Unternehmens Höllensturm ein Teil der technischen Ausrüstung
im Keller unter dem Palazzo Eternale zerstört worden, die Kolonie der Regenbogenblumen in den
Katakomben existierte aber noch. So hatte er sich des zeitlosen Transports bedient und war
zwischen den Blumen im Gewölbe unter dem Chateau wieder herausgekommen.
Ein Lächeln huschte über Ted Ewigks Gesicht, als er Al Cairo erblickte. Die beiden Männer
umarmten sich und begrüßten sich herzlich. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich schon länger
kannten.
Nicole Duval verzog das Gesicht und zwinkerte Zamorra zu. Damit war immerhin geklärt, dass sich
der hagere Mann nicht unter fadenscheinigen Behauptungen bei ihnen einschleichen wollte. Es gab
tatsächlich eine Verbindung zwischen ihm und Ewigk.
»Ich habe nicht erwartet, dich noch einmal zu sehen«, sagte Ted erleichtert. »Ich dachte, du seiest
längst hinübergegangen.«
»Unkraut vergeht nicht, wie ihr so schön sagt«, wehrte Al Cairo ab. »Du kennst mich doch. So
leicht lasse ich mich nicht abservieren.«
Zamorra horchte auf. Ted hatte von Hinübergehen gesprochen. So nannten die Ewigen es, wenn sie
starben. Der eigentliche Vorgang war ihm bekannt. Wenn ein Ewiger starb, oder eben hinüberging,
zerfiel sein Körper zu Staub, und nur die leere Kleidung blieb zurück. Wodurch dieser Vorgang
ausgelöst wurde, war unbekannt, auch woher der Begriff Hinübergehen stammte. Denn über eine
Jenseits-Religion in der DYNASTIE DER EWIGEN war nichts bekannt. Die einzige Religion, die
die Dynastie kannte, war die ihrer eigenen Überlegenheit. So gaben sich die Angehörigen der
Dynastie weniger weit entwickelten Völkern gegenüber gern schon einmal als Götter aus und ließen
sich entsprechend verehren.
»Also ist er ein Ewiger«, raunte Nicole dem Dämonenjäger zu. »Daran hatte ich allerdings auch
kaum noch einen Zweifel.«
»Geht mir auch so«, antwortete Zamorra. Die Vorstellung, einen der Ewigen unter den Dächern des
Chäteaus zu beherbergen, behagte ihm nicht sonderlich. Aufgrund von Ewigks Verhalten schien der
Mann aber ungefährlich zu sein — so weit man das von einem Ewigen überhaupt behaupten konnte.
»Was führt dich zu uns?«, fragte Ted.
»Die gute alte Gaia«, scherzte Al Cairo. »Du kennst doch unsere Vorliebe für sie. Nein, im Ernst,
der Professor hat dir doch schon gesagt, wieso ich hier bin.«
»Einen Moment mal«, warf Nicole in Teds Richtung ein. »Es ist ja schön, dass ihr zwei euch so gut
versteht, aber willst du uns nicht verraten, woher du diesen Herrn kennst? Doch sicher aus deiner
Zeit als ERHABENER, wenn ich noch Eins und Eins zusammenzählen kann.«
»Du kannst, wie mir scheint«, versicherte der blonde Reporter mit der Statur und dem Habitus eines
Wikingers. »Damals war Cairo einer meiner wichtigsten Mitstreiter. Auch er trat gegen den
unbezähmbaren Expansionsdrang der Ewigen ein, aber ihr wisst ja, dass meine Anstrengungen
keine Früchte trugen.«
»Die aggressive Fraktion der Alphas war einfach stärker als wir«, fügte Al Cairo hinzu. »Aber
nichts ist für die Ewigkeit.« Er stieß ein heiseres Lachen aus, als ihm die Bedeutung seiner eigenen
Worte aufging. »Nun, in manchen Fälle vielleicht doch. Ich habe jedenfalls den Kampf nicht
aufgegeben.«
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Ewigk nickte. »Du willst also die ERHABENE stürzen.«
»Und dann will er sich auf ihren Thron setzen«, mischte sich Nicole ein. »Es gibt ein altes
Sprichwort. Man kann den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben.«
»Der Vergleich hinkt aber. So etwas kann man Cako wirklich nicht nachsagen. Er steht auf der
richtigen Seite.«
Zamorra fragte sich, wie die richtige Seite bei den Ewigen aussah. Aber vielleicht hatte Ted ja
Recht.
»Dein Freund hat anscheinend kein Interesse daran, die ERHABENE zu stürzen«, wandte sich Al
Cairo an den Reporter. »Dabei ist ihre Position derzeit geschwächt. Ein vielversprechenderer
Zeitpunkt zum Zuschlagen wird nicht kommen. Deshalb frage ich dich, ob du mich unterstützt.
Mein Angebot im Gegenzug gilt.«
»Geheime Informationen über die DYNASTIE DER EWIGEN?«
»So ist es.«
»Hat Nicole Recht? Willst du nach Nazarena Nerukkar ERHABENER werden?«
Der hagere Mann winkte so großspurig ab, als hätte er über diese Option bisher noch nicht einmal
nachgedacht. »Man sollte sich nicht über den zweiten Schritt Gedanken machen, bevor man den
ersten in Angriff genommen hat. Sicher, ich habe meine Pläne, aber immer eins nach dem anderen.«
»Das wäre zumindest mal wieder eine Abwechslung vom täglichen Einerlei«, überlegte Ted Ewigk.
»Unser Ausflug in die Hölle der Spiegelwelt war alles andere als berauschend, und die Zeit danach
war auch nicht viel besser.«
»Ich kann mir vorstellen, dass du dich zur Zeit nicht besonders gut fühlst«, erwiderte Zamorra mit
gemischten Gefühlen. Er wollte Ted diese Sache ausreden, wollte ihn aber im Zweifelsfall auch
nicht allein mit Al Cako aufbrechen lassen. »Aber schlag dir Cairos Offerte, aus dem Kopf, sonst
kommst du vom Regen in die Traufe.«
»Ich kann mk doch zumindest mal anhören, was er zu sagen hat. Außerdem schulde ich ihm etwas.
Wie gesagt, er hat mich damals auch nach Kräften unterstützt.«
»Es gibt halt noch Menschen, die einen nicht vergessen«, versetzte Cako dem Dämonenjäger einen
zynischen Seitenhieb. »Und die noch wissen, was die Worte Freundschaft und Loyalität bedeuten.«
Nicole verdrehte theatralisch die Augen. »So lange es sich nicht um falsch verstandene
Freundschaft handelt, ist ja auch alles in Ordnung.«
Ted Ewigk stellte die Ohren auf Durchzug. »Was sind das für Informationen, von denen du sprichst,
Al?«, fragte er.
Zamorra stöhnte unterdrückt auf. Er sah kaum noch eine Möglichkeit, das drohende Unheil
abzuwenden.
Yorn war nicht unsterblich geworden.
Das Universum war keine Lotterie, die einem solche Wünsche erfüllte, wie er widerwillig einsehen
mußte. Im Laufe der Jahre hatte er sich von der Vorstellung verabschiedet, sich an den Gkirr für die
Verwüstung der Ursprungswelt rächen zu können. Seine Bestrebungen für die Sicherheit des Volkes
und seiner neuen Heimat hatte er jedoch nie aufgegeben.
Besonders sein zweiter Sohn Pirgol interessierte sich für die Geschichte seiner Herkunft und trat mit
seinen Ansichten in die Fußstapfen des Vaters. Er studierte Hyperphysik und Raumfahrttechnik und
träumte davon, eines Tages mit gewaltigen Schiffen ins Weltall aufzubrechen, in dem irgendwo die
Gkirr ihr Unwesen trieben. Vielleicht würde ihm gelingen, das in die Tat umzusetzen, was Yorn nur
in Gedanken getan hatte.
»Träumen Sie, Pirgol?«
Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Vorwurfsvoll blickte ihn Jobalta an, ein älterer
Wissenschaftler, der das Forschungsprojekt leitete, an dem auch Pirgol teilnahm.
»Ich habe nur darüber nachgedacht, über die Dhyarras Energie direkt in die Waffensysteme unserer
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Schiffe zu leiten«, beeilte er sich zu sagen. »Wir könnten damit eine enorme Schlagkraft erreichen,
der die Gkirr nichts entgegenzusetzen haben.«
»Dhyarras.« Jobalta betrachtete ihn verdrießlich. »Ich konnte mich mit diesem Begriff nie
anfreunden«, tadelte er. »Die wissenschaftliche Bezeichnung ist Schwarzkristalle. Außerdem
arbeiten wir nicht daran, die Effizienz unserer Waffen zu verbessern, sondern an allgemeinen
energiespezifischen Problemen. Ich dachte, ich hätte das ein für allemal klargestellt.«
Gegen seine Überzeugung machte Pirgol eine zustimmende Geste. Bisher waren die
Waffensysteme, die das Volk in den vergangenen Jahren entwickelt hatte, lediglich bei Tests
probegelaufen, aber nie in einem wirklichen Kampf eingesetzt worden. Es hieß, die Zeit sei noch
nicht reif, aber Yorns Sohn war anderer Ansicht.
»Wir sollten unsere Forschungen in jede Richtung vorantreiben.«
»Da mögen Sie Recht haben, doch noch bin ich es, der das entscheidet. Eines Tages sind Sie
vielleicht an meiner Stelle, dann können Sie Ihren Willen durchsetzen, aber noch ist es nicht
soweit.«
»Aber mein Vater sagt...«
»Ich kenne seine Ansichten«, unterbrach ihn Jobalta barsch. »Auch seine völlig aus der Luft
gegriffenen Thesen über die Schwarzkristalle. Wenn sie auch nur im Ansatz zuträfen, hätten wir das
längst festgestellt. Aber Ihr Vater hat sich da in etwas verrannt. Die Kristalle sind eine Art von
Energietransmitter. Das ist großartig, aber mehr steckt nicht in ihnen.«
»Und wenn wir nur nicht wissen, wonach wir suchen sollen? Vielleicht haben wir bisher den
richtigen Einstieg nicht gefunden. Ich finde, wir sollten alternative Verfahrensweisen in unsere
Überlegungen einbeziehen.«
Der Forschungsleiter warf ihm einen strengen Blick zu, und Pirgol verstummte. Er taxierte den
schwarzen Sternenstein, der in einem Kraftfeld steckte und mit zahlreichen technischen Apparaten
verbunden war. Immer wieder führten sie die gleichen Versuchsreihen durch. Sie begannen ihn zu
ermüden. Auf diese Weise kamen sie nicht weiter, sie mussten einfach umdenken. Doch Jobal-tas
Denkschemata bewegten sich in zu starren Bahnen, um über seinen eigenen Schatten springen zu
können.
»Seien Sie doch realistisch, Pirgol«, sagte der Forschungsleiter. »Ich schätze Ihren Enthusiasmus
und Ihr Engagement, aber Sie sollten etwas bodenständiger bleiben. Wenn Sie ehrlich sind, müssen
Sie sich eingestehen, dass es nicht den geringsten Hinweis gibt, dass die Schwarzkristalle mehr
vermögen, als wir bereits wissen. Oder haben Sie jemals einen greifbaren Ansatz für eine solche
Möglichkeit gefunden?«
»Nein«, gestand Pirgol kleinlaut ein. Das hatte er zu seinem Leidwesen nicht.
»Na, sehen Sie. Konzentrieren wir uns doch lieber auf unsere eigentlichen Aufgaben, als nicht
nachweisbaren Phantomen nachzujagen.«
»Hm«, machte Yorns Sohn mürrisch und vertiefte sich wieder in seine Arbeit. Doch gedanklich war
er nicht bei der Sache. Er sehnte das Ende des Tages herbei und hatte den Eindruck, dass die Zeit
stillstand. Was er tat, kam ihm sinnlos und unproduktiv vor. Wenn er auf andere Gedanken kommen
wollte, durfte er sich Jobalta nicht länger unterordnen, sondern musste auf seine eigenen
Vorstellungen hören.
Regungslos hing der Dhyarra in seinem Kraftfeld.
Kannst du mich hören?, dachte Pirgol.
Er erhielt keine Antwort.
Yorn und Taria waren nicht die einzigen, die Nachkommen zeugten. Über zwanzig Jahre
vermehrten sich viele aus dem Volk, und die Einwohnerschaft in der zweiten Heimat wuchs
beständig an. Die Städte breiteten sich über den ganzen Planeten aus, der in manchen Regionen
gnadenlos ausgebeutet wurde. Da das Volk im Gegensatz zu früher keine Handelspartner mehr
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hatte, steckte es in einem Zustand unfreiwilliger Autarkie. Es konnte nur mit den Ressourcen
arbeiten, die der Planet bereithielt.
Der Aufbau einer Raumflotte wurde ständig vorangetrieben und erlebte einen weiteren
Aufschwung, als die Regierung Schedol als technischen Berater gewann. Im Laufe der Jahre hatte
er Kergom, dessen mysteriöser Tod niemals aufgeklärt wurde, vergessen, und das neue
Betätigungsfeld kam ihm gerade recht.
Je mehr er mit den Raumschiffen des neuen Typs zu tun hatte, desto größer wurde in ihm der
Wunsch, selbst noch einmal ins All aufzubrechen.
Doch noch wurden die Schiffe lediglich für Hangars und Startfelder gebaut. Wann sie endlich zu
ihrem Jungfernflug starten sollten, stand im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen.
Umso überraschender traf Schedol die Mitteilung, als sich eines Tages ein Angehöriger der
Regierung bei ihm meldete.
»Wir müssen diese Welt wieder verlassen und uns ein anderes Exil suchen«, eröffnete ihm der
Mann. »Auf Dauer sind wir hier nicht sicher.«
Schedol verstand ihn nicht. »Dieser Planet liegt so abgeschieden, dass er nur schwer zu finden ist.«
Zudem waren die Verteidigungsanlagen immer weiter ausgebaut worden, so dass das gesamte
System einer waffenstarrenden Festung glich, an der sich ein Angreifer die Zähne ausbeißen würde.
»Das ist auch nicht der Grund. Aber wir haben alarmierende Untersuchungsergebnisse unserer
Mediziner und Biologen vorliegen.«
Mit einem flauen Gefühl im Magen starrte Schedol seinen Besucher an. »Was ist geschehen?«
»Es geschieht noch. Es ist ein schleichender Prozess, den niemand vorhersehen konnte. Irgendetwas
verändert unsere Gene, aber wir können nicht absehen, in welche Richtung diese Veränderung geht.
Aber sie ist nicht aufzuhalten. Im schlimmsten Fall wird uns der Vorgang alle umbringen.«
Schedol war erschüttert. »Dafür muss es doch einen Grund geben.«
»Den unsere fähigsten Leute aber nicht entdecken können. Sie vermuten, dass die
Genveränderungen mit unbekannten Strahlenschauern der blauen Sonne zu tun haben. Vielleicht ist
aber auch das Schwarze Loch dafür verantwortlich.«
Das war eine Überlegung, die sich nicht von der Hand weisen ließ. Schedol hatte die direkte Nähe
zu einem Black Hole nie gefallen. Trotz sämtlichen astronomischen Wissens, das man besaß, behielt
ein Schwarzes Loch seine Geheimnisse für sich. Was innerhalb des Schwarzschild-Radius passierte,
blieb für einen Außenstehenden für immer verborgen. Kein Raumfahrer, den Schedol kannte, hielt
einen nicht zwangsläufig tödlich verlaufenden Vorstoß hinter den Ereignishorizont für möglich.
»Ich sehe, Sie begreifen unsere Sorgen.«
»Was werden Sie tun?«
»Vor allem vermeiden, dass eine Panik ausbricht. Auch
wenn keine unmittelbare Bedrohung besteht, lässt sich nicht abschätzen, wie das Volk nach den
Schrecken der Vergangenheit reagieren wird.«
»Das bedeutet, Sie wollen die Information zurückhalten?« Schedol wrar nicht wohl bei dem
Gedanken, das Volk auf diese Weise zu hintergehen. Es hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu
erfahren. Schließlich ging es — wieder einmal — um seine Zukunft.
»Alle Verantwortlichen, die es angeht, werden so wie Sie noch zur Stunde unterrichtet. Die
Öffentlichkeit wird die Wahrheit in Kürze erfahren. Wir haben nicht vor, etwas zu verschleiern.«
Die Aussage beruhigte Schedol. Warum er als einer der ersten über die erneute Emigration
eingeweiht wurde, war klar. »Ich werde dafür sorgen, dass wir so viele Neubauten fertig stellen
können wie möglich.«
»Für die Bevölkerung reichen die vorhandenen Transportkapazitäten zwar völlig aus«, sagte der
Regierungssprecher. »Aber wenn wir starten, wollen wir soviel an technischem Gerät mitnehmen
wie möglich, um nicht noch einmal ganz von vorn anfangen zu müssen.«
»Eine kluge Entscheidung. Gibt es bereits einen voraussichtlichen Termin?«
»Das hängt davon ab, ob sich die Veränderungen mit der gleichen Geschwindigkeit fortsetzen wie
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bisher oder ob sie sich verschlimmern. In letzterem Fall sind wir gezwungen, die geplante Frist
abzukürzen. Ansonsten brechen wir in einem halben Jahr auf.«
Grübelnd schloss Schedol die Augen. Ein halbes Jahr verging in einem solchen Fall wie im Flug.
Dabei gab es noch unendlich viel zu tun.
Jobalta erfuhr gleichzeitig von den Plänen der Regierung, und er gab die Information an seine
Mitarbeiter weiter. Ungläubiges Entsetzen machte die Runde, von dem auch Pirgol nicht verschont
blieb. Er war sogar besonders betroffen, wenn auch aus einem anderen Grund als die meisten.
In letzter Zeit hatte er sich außerhalb der regulären Zeiten häufig in den Labors aufgehalten. Wenn
er allein und ungestört war, konnte er die Versuche forcieren, die er offiziell nicht durchführen
durfte, ohne von seinem Vorgesetzten gemaßregelt zu werden. Weder Jobalta noch irgendjemand
aus seinem Stab durfte wissen, was Yorns Sohn tat, wenn er unbeobachtet war.
Gegen die Anordnungen beschäftigte er sich auf seine Weise mit den Dhyarra-Kristallen. Er war
überzeugt, dass sich Jobalta eines Tages für seine Kurzsichtigkeit bei ihm entschuldigen würde. Der
Einzige, der von Pilgors Bestrebungen wusste, war sein Vater. Er versuchte weder ihn davon
abzuhalten, noch ermutigte er ihn, aber Pirgol war sicher, dass Yorn ihm im Stillen zustimmte.
Bis zum heutigen Tag war Pirgol der Meinung gewesen, ihm stünde unbegrenzte Zeit zur
Verfügung, um Resultate zu erzielen, doch Jobaltas Ausführungen änderten alles. Plötzlich blieb
keine Zeit mehr. Die Labors konnten von heute auf morgen aufgelöst werden, denn die Auswande rungsflotte erhielt Vorrang vor sämtlichen sonstigen Projekten. Pirgol wurde von einem
Schwindelgefühl ergriffen, als ihm die Aussichtslosigkeit seiner Lage klar wurde.
Warum antwortest du nicht endlich?,, dachte er voller Verzweiflung. Ich weiß genau, dass du meine
Gedanken empfangen kannst.
Immer häufiger besuchte er die Labors nun auch nachts,
wenn alle anderen schliefen, und in den folgenden Wochen verging nicht ein Tag, an dem er sich
nicht mit den Dhyarras beschäftigte. Bei jeder seiner Sitzungen fühlte er sich dem Geheimnis ein
Stück näher als beim vorangegangen Mal. Allmählich entwickelte sich die Prozedur, wie er mit den
Kristallen verfuhr, zu einem festen Ritual.
Seine geschlossenen Hände hüllten einen schwarzen Dhyarra-Kristall ein, in den er seinen Geist zu
versenken versuchte. In dieser Nacht konzentrierte er sich verzweifelter als je zuvor auf den
Sternenstein. Denn Yorn hatte ihm am Morgen von Schedols Anfangserfolgen berichtet, und Pirgol
war überzeugt, ebenfalls erreichen zu können was dem legendären Entdecker der Schwarzkristalle
gelungen war.
Dabei ahnte er natürlich ebenso wenig wie Schedol, dass er einer der wenigen des Volkes war, der
über latente Parafähigkeiten verfügte, die dazu befähigten, den Kristall zu erreichen.
Die Unruhe, die von Pirgol Besitz ergriffen hatte, verstärkte seine Kräfte, und zum ersten Mal
schaffte er es, einen Blick in den Stein zu werfen. Er war nicht nur äußerlich schwarz, sondern auch
in seinem Innern. Schicht um Schicht durchdrang Pirgol ihn und entdeckte doch nur Schwärze in
dem Kristallgitter. Der Dhyarra war von absoluter Reinheit, und Pirgols Geist schwebte durch die
kristalline Struktur wie durch einen unendlichen Raum. Er hatte das Gefühl, ins Unermessliche zu
wachsen und nach einer grenzenlosen Macht zu greifen. Er war durch nichts mehr aufzuhalten und
wurde größer und größer.
Als der Eindruck unvermittelt endete, bereitete es Pirgol Mühe, sich in seinem beschränkten kleinen
Körper zurechtzufinden. Er war von dem Erlebnis so überwältigt, dass er minutenlang am ganzen
Körper zitterte. Nur langsam beruhigte sich sein rasender Herzschlag und sank wieder auf normale
Werte.
Von einem plötzlichen schlechten Gewissen ergriffen, schaute er sich hektisch um, aber da war
niemand außer ihm. Er war noch immer allein. Unschlüssig fragte er sich, was eben geschehen war,
und mit jeder verstreichenden Sekunde wurde die Erinnerung unwirklicher. Hatte er tatsächlich
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einen Erfolg errungen, oder hatte er sich die nie geahnten Eindrücke nur eingebildet?
Zweifelnd untersuchte er den Dhyarra, aber nichts daran hatte sich verändert. Es war immer noch
ein äußerlich toter Stein, der kalt in seiner Hand lag. Pirgol war viel zu aufgewühlt, um die Sache
auf sich beruhen zu lassen und sie erst am nächsten oder übernächsten Tag durch einen weiteren
Versuch zu kontrollieren.
Es musste gleich sein! Schließlich hatte er keine Zeit zu verlieren. Mit jedem Tag rückte die
Schließung der Laboreinrichtungen näher. Also tat er das gleiche wie zuvor, doch diesmal geschah
gar nichts. Die Ernüchterung traf Pirgol mit solcher Wucht, dass sie ihm körperliche Schmerzen
bereitete. Sie führte dazu, dass er noch stärker an seiner Erfahrung zweifelte. Vielleicht hatte ihm
sein unbändiger Wunsch einen Streich gespielt, der sich nicht wiederholen ließ.
Hin und hergerissen zwischen Glauben und Frustration, legte er den Dhyarra auf den Arbeitstisch
zurück. Wenn er sich nun doch nicht täuschte, musste er mit jemandem über seinen Durchbruch
reden. Mit Jobalta? Eigentlich musste dem Projektleiter an jeder neuen
Erkenntnis gelegen sein, aber Pirgol konnte sich seine Reaktion lebhaft vorstellen. Jobalta würde
ihn für unzurechnungsfähig erklären, weil er selbst den Erfolg nicht nachvollziehen konnte. Er
würde behaupten, Pirgol litte unter den gleichen wirren Wahnzuständen wie sein Vater Yorn, nur
dass sie sich im Falle des Sohnes nicht nur in der Theorie abspielten, sondern sich für ihn real
manifestierten.
Er wird mich ausschließen, dachte Pirgol. Und mich aus dem Labor werfen, wenn ich nicht
freiwillig gehe.
Daher war es besser, sich Yorn oder Schedol anzuvertrauen. Er wollte das Labor eben verlassen, als
ein Ereignis eintrat, das seine Entscheidung zunichte machte.
Der schwarze Dhyarra zerplatzte.
Schedol verfolgte die Entwicklung der Flotte seit Wochen persönlich. Er stand an der Peripherie
einer riesigen Halle, in der vollautomatische Fertigungsstraßen Bauteile produzierten, die in einem
komplizierten Prozess aneinanderge-fügt wurden. Die Montagearbeiten liefen rasch und ohne
Störungen ab. Schedol war zufrieden. Bei diesem Tempo würden am Tag des Exodus mehr
Raumschiffe zur Verfügung stehen, als er ursprünglich kalkuliert hatte.
»Das ist allein Ihr Verdienst«, lobte ihn der Besucher, der an seiner Seite die fertigen Schiffe
inspizierte. Es war der gleiche Abgesandte der Regierung, der Schedol vor Wochen über die
Auswirkungen der Sonne oder des Schwarzen Lochs auf das Erbgut der Exilanten unterrichtet hatte.
Schedol bedankte sich, warf aber in einem Atemzug ein: »Deswegen sind Sie aber nicht wieder zu
mir gekommen.«
»Der Anlass meiner Visite hat damit zu tun.«
»Also hat sich die Situation verschlimmert«, folgerte Schedol. »Wir müssen früher aufbrechen als
angenommen.«
»Nein, unsere Zeitplanung steht fest. Ich komme, um Ihnen ein Angebot zu überbringen.« Der
Mann blieb stehen und räusperte sich umständlich. »Es geht darum, das Oberkommando über
unsere neue Flotte zu bestimmen. In der Regierung ist man sich einig, dass es dafür keinen
geeigneteren Mann gibt als Sie.«
Die Offerte verschlug Schedol die Sprache, denn damit hatte er nicht gerechnet. Er war inzwischen
nicht mehr der Jüngste, und die Ausbildungsprogramme für künftige Raumfahrer liefen auf
Hochtouren, seitdem feststand, dass der Weg des Volkes bald wieder ins Weltall fuhren würde.
Andererseits hatte wohl niemand auch nur annähernd so viele Stunden im All verbracht wie
Schedol, also besaß auch niemand seine Erfahrung und Routine. Genau genommen war es also ein
logischer Schritt, sich an ihn zu wenden.
»Nun, was sagen Sie? Glauben Sie mir, in der Regierung wäre man über eine Absage von Ihnen
sehr enttäuscht.«
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Auf die Idee kam Schedol gar nicht. Viel zu lange wartete er mittlerweile darauf, wieder in den
endlosen Weiten unterwegs zu sein, als dass er sich gegen das Angebot hätte entscheiden können.
»Unter einer Bedingung«, sagte er. »Wenn Sie akzeptieren, bin ich Ihr Mann.«
»Soweit ich das verstanden habe, können Sie verlangen, was Sie wollen. Man wird zustimmen.«
»Ich verlange nur eins. Die TAUFARA bleibt weiterhin mein Schiff, und sie ist das Flaggschiff der
Flotte. Bis zum Start verbleibt noch genug Zeit für eine Generalüberholung. Wenn wir die neueste
Technik einbauen, ist sie besser als jedes andere Schiff. Dafür garantiere ich.«
Der Abgesandte der Regierung hob die Hände und setzte sich wieder in Bewegung. »Dann sollten
Sie keine Zeit verlieren.«
Schedol lief los und ließ ihn einfach stehen.
Pirgol war wie gelähmt, als das Unfassbare geschah. Der schwarze Kristall wucherte aus sich selbst
und fiel gleichzeitig wieder in sich zusammen. Die Verwandlung verlief völlig geräuschlos, und mit
einem Mal kam Pkgol die Totenstille zu Bewusstsein, die in dem Labor herrschte. Nur sein eigenes
Herz schlug so heftig wie eine Trommel.
Er löste sich erst wieder aus seiner Erstarrung, als die Verwandlung abgeschlossen war.
Pirgol trat zurück an den Tisch und betrachtete ungläubig das Gebilde, das dort lag. Es war immer
noch ein Dhyarra, aber er war nicht mehr schwarz, sondern blau. Nichts deutete darauf hin, dass er
eben noch ganz anders ausgesehen hatte. Vergeblich suchte Pirgol den Tisch nach dunklen
Rückständen ab, aber es gab keine. Was wie ein Kokon abgeplatzt war, hatte sich verzehrt und keine
Spuren hinterlassen.
Was immer die Verwandlung ausgelöst hatte, logisch wäre es gewesen, anzunehmen, dass der blau
funkelnde Sternenstein unter einer schwarzen kristallinen Hülle verborgen gewesen war.
Doch das war ein Trugschluss. Pirgol wusste das, weil es ihm erst einige Minuten zuvor gelungen
war, einen geistigen Blick in das Innere des Steines zu werfen. Da war kein Blau gewesen. Für
Pirgol gab es keinen Zweifel, dass aus dem Schwarzkristall der blaue Sternenstein geboren worden
war.
Doch wie?
In den von unzähligen Versuchen ausgefüllten zurückliegenden Monaten war das nicht passiert.
Wieso jetzt auf einmal? Zwangsläufig kam ihm der Verdacht, dass sein geistiges Eindringen in den
Kristall dafür verantwortlich war. Anscheinend hatte die Struktur auf seine mentale Kraft reagiert.
Pirgol dachte krampfhaft nach, aber er fand keine wissenschaftliche Erklärung dafür.
Er weigerte sich zu glauben, dass er die Verwandlung ausgelöst hatte, doch wie sollte er Gewissheit
erlangen? Dann kam ihm eine Idee. In den Schränken des Labors lagerten zu Versuchszwecken
zahlreiche Schwarzkristalle. Er brauchte bloß nachzuschauen, ob sie alle unverändert waren. Und
wenn das so war? War das dann ein endgültiger Beweis dafür, dass Pirgol den blauen Dhyarra
geschaffen hatte?
Er riss die Schubladen auf und kontrollierte die gelagerten Kristalle. Sie waren genau so, wie er sie
in Erinnerung hatte, schwarz und tot. Kopfschüttelnd stieß Pirgol die Verbindungstüre zum nächsten
Laborkomplex und verfuhr dort auf die gleiche Weise. Zunächst erhielt er überall das gleiche
Resultat, aber als er schon nicht mehr daran glaubte, fand er einen weiteren blauen Kristall, und
schließlich noch einen.
Diese beiden hatte er nie zuvor in der Hand gehabt, geschweige denn hatte er probiert, eine geistige
Verbindung zu ihnen herzustellen. Mit ihrer Verwandlung hatte er also auf keinen Fall etwas zu tun.
Jemand oder etwas anderes steckte dahinter.
Pirgol wusste nicht, ob er diese Tatsache bedauern oder begrüßen sollte.
Wie viele blaue Dhyarras mochten in den Lagerräumen entstanden sein? Wenn es sich um die
gleichen Relationen handelte wie bei den Vorräten in den Labors, dann war es nur ein geringer
Prozentsatz.
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Er ging zu dem Stein zurück, mit dem er sich in seiner vorherigen Erscheinungsform beschäftigt
hatte. Er war jetzt noch viel schöner als zuvor und schlug Pirgol in seinen Bann. Er wollte danach
greifen und ihn an sich nehmen, aber dann scheute er instinktiv davor zurück. Vielleicht war das
Äußere nicht alles, was sich verändert hatte. Was, wenn der Dhyarra jetzt eine Gefahr darstellte?
Es wäre am klügsten gewesen, heimlich, still und leise nach Hause zu gehen und am nächsten Tag
den Unwissenden zu mimen. Was hier geschah, war ein absolutes Novum und für einen Forscher in
seinen jungen Jahren womöglich eine Nummer zu groß, aber Pirgol wäre nicht Yorns Sohn
gewesen, wenn er sich davon hätte abschrecken lassen. Zweifellos war er der erste und bisher
einzige aus dem ganzen Volk, der die Verwandlung erlebt hatte. Wenn er sich diese einmalige
Gelegenheit entgehen ließ, würde er sich das niemals verzeihen.
Doch wie ließ sich die Situation in einen Vorteil ummünzen?
Indem ich das tue, was ich vorhin schon getan habe. Nämlich erneut versuchen, ins Innere des
Kristalls vorzudringen. Nur auf diese Weise konnte er herausfinden, ob es weitere, möglicherweise
viel gravierendere Veränderungen gab als die rein optischen.
Pirgol überwand seinen inneren Widerstand und griff nach dem blauen Sternenstein. Er ließ seinen
Gedanken freie Bahn und stellte fest, dass diesmal alles viel einfacher war. Der Dhyarra zeigte
keine Gegenwehr, sondern öffnete sich für Pirgols Geist, als hätte er auf ihn gewartet.
Da begriff Pirgol zum ersten Mal, was wirklich in dem blauen Sternenstein verborgen lag.
Auch andere aus dem Volk kamen mit den neuen blauen Sternensteinen in Berührung. Für
diejenigen von ihnen, die ins blaue System zugezogen waren, blieben es allerdings auch weiterhin
tote Steine, die keinen besonderen Zweck erfüllten und daher auch über keinen Nutzen verfügten.
Nur einige Vertreter der neuen Generation, die unter dem Licht der blauen Sonne zur Welt
gekommen waren, machten die gleiche Erfahrung wie Pirgol. Im Laufe der Zeit erkannten sie, dass
es sich bei den veränderten Steinen um Wunderwerke der Natur handelte, die eine bisher für
unmöglich gehaltene Machtfülle beinhalteten.
Schedol stellte die einzige Ausnahme dar. Zwar hatte auch er nicht in der neuen Heimat das Licht
der Welt erblickt, aber er verfügte über außergewöhnlich starke Parafähigkeiten, wie sich schon in
der Vergangenheit gezeigt hatte, auch wenn ihm selbst das nie bewusst geworden war.
Auch ihm wäre es daher möglich gewesen, die Wahrheit zu erkennen, doch das Schicksal
verhinderte, dass es jemals dazu kam. Schedol war dermaßen mit der Fertigstellung der Flotte und
als ihr Oberkommandierender mit den Vorbereitungen für den Start beschäftigt, dass er sich um die
einst von ihm entdeckten Kristalle nicht mehr kümmerte. Auch seinen eigenen Dhyarra, der sicher
verwahrt in seinem Quartier schlummerte, beachtete er aus Zeitgründen nicht mehr.
Andere widmeten sich den blauen Sternensteinen dafür umso intensiver.
Allen voran Pirgol, Yorns Sohn.
Er sah Kräfte, die so gewaltig waren, dass sie sich rein rechnerisch nicht darstellen ließen. Die
gesamte Energie des Kosmos lag in den blauen Sternensteinen verborgen und wartete darauf,
freigesetzt zu werden.
Pirgol schauderte angesichts der Erkenntnisse, die ihn überfielen. Seine Gedanken stießen an die
Grundfesten der Schöpfung, und in seiner Euphorie bildete er sich ein, ihre Macht zu spüren und
danach greifen zu können. Die Wege, die ihm offen standen, waren nicht einmal annähernd
abzuschätzen. Er spürte keine Gewissenbisse, denn wem sich eine solche Möglichkeit auftat, der
durfte sie nicht aus falsch verstandener Bescheidenheit ignorieren.
Pirgol hielt seinen Dhyarra fest umschlossen. Es war keine besondere Konzentration mehr
vonnöten, die ihm alles abverlangte und ihn geistig und körperlich auslaugte. Ein einziger
fordernder Gedanke reichte aus, um eine Verbindung herzustellen und den Kristall in seinem Sinn
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aktiv werden zu lassen.
Er gehorchte Pirgol und griff nach den unsichtbaren Kräften des Kosmos. Pirgol saugte Energie in
sich auf und merkte, wie er immer stärker wurde. Sein Geist sprengte die materiellen Ketten seines
Körpers und diente dem, was er anregte, als Fokus. Als der Prozess erst einmal eingesetzt hatte, ließ
er sich nicht mehr umkehren.
Aufhalten auch nicht.
Hitze pulste durch den Dhyarra, eine Feuerwand von unendlicher Ausdehnung raste durch sein
Kristallgitter und sättigte den Mikrokosmos in seinem Inneren bis an die Grenzen der
Absorptionsfähigkeit. Ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte, begriff sich Pirgol plötzlich
als Zentrum einer Sonne, in deren physikalischen Abläufen unvorstellbare Energiemengen tobten.
Pirgols schweißgebadeter Körper wurde von Krämpfen geschüttelt, als er panikerfüllt versuchte,
sich zurückzuziehen. Es gelang ihm nicht. Gefangen von seiner eigenen Hybris, hatte er einen
Vorgang entzündet, den er nicht mehr steuern konnte. Der manipulierte Kristall entzog sich seiner
Kontrolle. Aus den Tiefen von Raum und Zeit schwappten unsichtbare Kräfte über Pirgol hinweg
und stauten sich um ihn herum.
Da sie keinen anderen Abfluss fanden, versickerten sie im Erdboden und fluteten das blaue System,
bis sie die Sonne erreichten, die sie gierig wie ein Schwamm aufsog.
Das gesamte Universum schien in Pirgols Kopf zu explodieren, seine Hände in Flammen zu stehen
und sein Körper von innen heraus verzehrt zu werden. Pirgol schrie, ohne es zu bemerken. Seine
Augen quollen unter den Qualen beinahe aus den Höhlen, und zwischen seinen Schläfen pochte das
Blut wie Schläge von Dampfhämmern.
Ich muss es beenden, loderte tief in seinem Kopf ein Funke, der noch nicht von der alles
überrollenden Feuerlawine geschluckt worden war. Bevor es mich umbringt und das Universum
vernichtet.
Mit äußerster Willenskraft gelang es ihm, den Dhyarra von sich zu schleudern, bevor er in den
Knien einknickte und zusammenbrach. Protestierend schrien die unbekannten Kräfte auf ihn ein,
doch sie konnten ihm nichts mehr anhaben. Als fast schon alles vorbei war, war es ihm gelungen,
sie wieder unter seine Kontrolle zu bringen.
Erleichterung befiel Pirgol, doch dann schälte sich sein Geist aus der Dunkelheit, und er erkannte
Jobaltas Stimme. Es war der Forschungsleiter, der so schrie.
»Was haben Sie getan, Sie Wahnsinniger?«
Pirgol begriff erst, was er meinte, als er sich umsah. Das Labor sah aus wie ein Schlachtfeld, auf
dem Krieg und Feuer gewütet hatten. Nichts war unversehrt. Die Geister aus purer Energie, die
Pirgol gerufen hatte, hatten alles zerstört. Er fühlte sich elend und hatte den Eindruck, sich
übergeben zu müssen, trotzdem schaffte er es unter unsäglichen Mühen, auf die Beine zu kommen.
»Verschwinden Sie!«, herrschte Jobalta ihn mit zornbebender Stimme an. »Sie werden keinen Fuß
mehr in diese Einrichtung setzen! Ich will Sie nie Wiedersehen!«
Kraftlos schlurfte Pirgol aus dem Labor. So also sah das Ende seiner möglichen Karriere aus.
Gefeuert und mit Schimpf und Schande davongejagt. Ebenso wenig wie Jobalta konnte Pirgol
ahnen, dass es längst zu spät war.
Denn die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten.
»Sie haben richtig verstanden, wir müssen sofort evakuieren.«
Schedol starrte das Gesicht auf dem Monitor verständnislos an.
»Aber wir sind noch nicht soweit. Nach den Berechnungen der Regierung haben wir noch
mindestens einen Monat Zeit. Ich habe diese Zeit fest einkalkuliert.«
»Dann müssen Sie umdisponieren. Die Berechnungen haben sich geändert, denn es sind
unvorhergesehene Zwischenfälle eingetreten. Sicher sind Ihnen die Erdstöße der letzten Wochen
nicht entgangen.«
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»Natürlich nicht.« Schedol hatte sich bereits Sorgen gemacht, denn in den ersten Monaten der
Anwesenheit des Volkes hatte es keine derartigen seismischen Aktivitäten gegeben. Sie hatten von
einem Tag auf den anderen eingesetzt und waren seither nicht mehr zum Erliegen gekommen. Also
waren sie schlimmer als angenommen. Die unplanmäßige Meldung verriet ihm, wie ernst die Lage
war. »Stehen wir schon wieder vor einer Katastrophe?«
»Ich fürchte ja. Unsere Geowissenschaftler haben sich natürlich mit diesem Phänomen befasst. Sie
haben herausgefunden, dass diese Welt kurz vor dem Untergang steht. Energetische
Unregelmäßigkeiten haben im Planeteninneren seismische Vorgänge in Gang gesetzt, die den
Planeten in kurzer Zeit zerreißen werden. Und nicht nur das. Auch die Sonne ist von den Vorgängen
betroffen. Sie wurde künstlich aufgeheizt und wird sich in eine Nova verwandeln.«
Die Neuigkeiten versetzten Schedol einen Schock. Schon wieder. Zum zweiten Mal. Womit hatten
sie das nur verdient? Anscheinend lag ein Fluch über dem Volk, der es immer weitertrieb, als sollte
es nirgendwo auf Dauer sesshaft werden.
»Die Umstände sind tragisch, aber wir werden nicht vor ihnen kapitulieren. Wir stellen uns ihnen.
Sie verstehen also, dass die Flotte unverzüglich in Startbereitschaft versetzt werden muss.«
Die typischen Politikerplattitüden, dachte Schedol. Dennoch sagte er: »Sie können sich darauf
verlassen, ich werde selbst dafür sorgen. Aber wie ist das möglich? Haben die Gkirr uns gefunden?«
»Sie haben nichts damit zu tun. Entweder haben sie unsere Spur verloren, oder sie sind der
Meinung, dass wir nach unserer Niederlage keine Beachtung mehr verdienen. Die Sternensteine
tragen die Schuld an allem. Haben Sie denn nichts mitbekommen?«
»Die Dhyarras? Aber das ist unmöglich.« Schedol konnte die Worte nicht glauben. Das musste ein
Albtraum sein. »Nein, ich war zu beschäftigt. Was ist denn geschehen?«
»Ein Teil der Sternensteine hat sich verwandelt. Nach allem, was wir bisher herausgefunden haben,
besitzen sie jetzt eine enorme Macht, von der man besser die Finger lässt. Leider hat einer unserer
jungen Wissenschaftler einen der verwandelten Kristalle manipuliert und damit die Katastrophe
ausgelöst. Unsere Experten haben anhand von Simulationen sämtliche Möglichkeiten durchgespielt
und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie sich nicht mehr aufhalten lässt. Erneut müssen wir
uns so schnell wie möglich eine neue Heimat suchen.«
Die Geschichte wiederholte sich. Schedol fühlte sich unendlich müde, dabei kam es in den nächsten
Tagen und Wochen mehr denn je auf ihn und seine Fähigkeiten an. Natürlich würde er alles tun, was
in seiner Macht stand, seinem Volk in das dritte Zeitalter seiner Existenz zu helfen. »Ich werde die
Prozeduren abkürzen und alles in die Wege leiten. Sie können sich auf mich verlassen.«
»Das tue ich. Die gesamte Regierung steht hinter Ihnen und wird Sie mit allem unterstützen, was
Sie brauchen.«
»Man sollte diesen leichtfertigen Wissenschaftler zur Rechenschaft ziehen«, forderte Schedol. »Was
er angerichtet hat, kann durch nichts wieder gutgemacht werden.«
»Es ist ein junger Bursche namens Pirgol«, erfuhr Schedol. »Wir haben seine Eltern bereits in
Kenntnis gesetzt.«
Schedol zuckte zusammen. Pirgol? Etwa Yorns Sohn? In aller Eile verabschiedete er sich und
unterbrach die Verbindung, um sich bei seinem alten Bekannten zu melden, von dem er seit einer
Weile nichts mehr gehört hatte.
Er erreichte lediglich dessen Gefährtin Taria, die ihm die tragische Nachricht mitteilte. Yorn hatte
seinem Leben aus Scham über die Tat seines Sohnes - auch wenn sie unbeabsichtigt geschehen war
- ein Ende gesetzt. Seine Vision von Unsterblichkeit und sein Traum von Rache an den Gkirr
starben mit ihm.
Und Pirgol ging in die Geschichte des Volkes ein als der Weltenzerstörer, was ihn auf eine Stufe mit
den verhassten Gkirr stellte.
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Kapitel 7
Kristalle der Macht
»Es sind Informationen oder Daten aus der Geschichte der Ewigen«, sagte Al Cairo. »Den genauen
Inhalt kenne ich auch nicht.«
Nicole Duval lachte laut los. »Das ist dreist. Der Kerl versucht uns zu ködern, dabei weiß er noch
nicht einmal genau, was er überhaupt zu bieten hat. Wir kaufen doch nicht die Katze im Sack.«
»Die würde immerhin nicht soviel Geschrei machen wie Sie.«
In Al Cairos Gesicht zeigte sich keine Regung. Entweder war er völlig von sich eingenommen oder
ein verdammt guter Schauspieler.
»Mit Ihnen rede ich doch gar nicht, sondern mit Ted Ewigk. Du weißt, dass ich dich nicht
verschaukle, Ted.«
»Ich glaube dir ja«, antwortete Ewigk. »Aber ich würde auch gern wissen, woher du von diesen
geheimen Informationen weißt. Wenn es stimmt, was du sagst, wieso hat sie dann bisher noch
niemand entdeckt?«
Al Cairo winkte geringschätzig ab. »Weil sie nur schwer zugänglich sind. Ich bin nur durch einen
Zufall darauf gestoßen. Es ist eine versteckte Datenkapsel auf einer Welt, der man unter normalen
Umständen keinen Besuch abstattet.«
Zamorra gingen die ganzen Andeutungen auf den Nerv, weil sich damit nichts anfangen ließ. »Das
klingt alles nach Hörensagen, aber ich habe bisher keine kontreten Fakten vernommen. Wo zum
Beispiel befindet sich dieser ominöse Planet, von dem Sie reden?«
»Sie erwarten doch nicht, dass ich, um mit den Worten Ihrer ebenso reizenden wie vorlauten
Tischdame zu sprechen, die Katze aus dem Sack lasse, bevor ich einen Vorteil darin sehe.«
Nicole warf dem hageren Mann einen vernichtenden Blitz zu. Sie war nahe daran, ihm die Augen
auszukratzen. »Sie führen sich auf wie ein kleiner Junge, der Angst um seine Murmeln hat. Wären
Sie aufrichtig, würden Sie mit der Sprache herausrücken.«
Sie sah Ai Cairo an, dass er zu einer zynischen Antwort ansetzte, um sie noch weiter auf die Palme
zu bringen. Doch da mischte sich Ted Ewigk ein. »Ich begleite dich, wenn du mir sagst, wo der
Planet mit der Datenkapsel liegt.«
Cairo sah erst Zamorra an, und dann Nicole. Ein spöttischer Zug lag um seine Mundwinkel.
»Erwarte keine galaktischen Koordinaten von mir, Ted. Ich verrate dir nur, dass er Zeta Reticuli
umkreist.« Wieder wendete er sich an Zamorra. »Fragen Sie ruhig Ihre legendäre Datenbank,
Professor.«
»Ich bin sicher, dort keine Eintragung zu finden, sonst hätten Sie den Namen nicht so bereitwillig
preisgegeben.«
»Aber warum denn nicht, Professor? Sollte ich etwa Angst davor haben, dass Sie ein irdisches
Raumschiff besteigen und sich allein auf den Weg nach Zeta Reticuli machen? Oh, Entschuldigung,
ich vergaß, dass Sie das erst noch bauen müssten. Mir scheint, ein wenig Kooperation mit den
Ewigen könnte der Menschheit nicht schaden. Vielleicht fallen dabei ein paar Brocken für sie ab.«
»Wir kommen schon allein klar«, zischte Nicole. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals ein größeres
Ekelpaket erlebt zu haben als diesen Ai Cairo. »Aber wenn wir auf Ihr Angebot eingingen, fielen
vielleicht ein paar Brocken Benimm und Anstand für Sie ab.«
»Tut mir Leid, diese Worte kenne ich nicht. Bemühen Sie sich also nicht.«
Zamorra trat neben Ted Ewigk und zog ihn mit sich. »Bist du sicher, dass du dir das antun willst?«,
fragte er so leise, dass der ungewöhnliche Besucher es nicht mitbekam.
»Du hast meine Antwort ja gehört.«
»Ich habe aber auch nicht überhört, was du zum Desaster unserer Tafelrunde gesagt hast. Und damit
hattest du verdammt Recht. Das liegt noch nicht lange zurück, und ich bin auch noch nicht über den
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Tod unserer Freunde weg.«
»Vielleicht ist das der Grund, warum ich Cairo begleiten muss. Zu Hause werde ich langsam aber
sicher verrückt. Ich muss dringend mal raus aus meinen vier Wänden, sonst fällt mir irgendwann die
Decke auf den Kopf.«
»Da gibt es auch andere Möglichkeiten.«
»Aber keine, die im Moment so verlockend ist.«
Zamorra seufzte. Irgendwie konnte er den blonden Mann sogar verstehen. Er merkte, dass es ein
Fehler wäre, ihn zurückzuhalten. Doch trotz der alten Verbundenheit zwischen Ewigk und Cairo
traute Zamorra dem hageren Mann nicht über den Weg. Ted hatte zwar oft genug bewiesen, dass er
allein auf sich aufpassen konnte, aber allein ins Weltall zu reisen war schon ein besonderes Kaliber.
Und da hatte er schon einmal beinahe das Leben verloren und eine Katastrophe ausgelöst, als es um
die Welt der rätselhaften Unsichtbaren ging.
»Wir sollten Ted begleiten.«
Zamorra sah auf. Er hatte gar nicht gemerkt, daß Nicole zu sich ihnen gesellt und das Gespräch
verfolgt hatte. »Bist du sicher?«
Seine Gefährtin machte eine unauffällige Kopfbewegung zu Ewigk hin.
Zamorra verstand auch ohne Worte, was sie meinte. Endlich interessiert Ted sich mal wieder für
etwas. Da sollten wir ihn nicht gleich wieder demotivieren. Sonst vergräbt er sich noch ganz in
seiner Villa.
»Also gut«, gab Zamorra klein bei.
Ein strahlendes Lächeln huschte über Teds Gesicht. »Klasse«, freute er sich. »Zusammen werden
wir das Kind schon schaukeln.«
Auch Ai Cairo grinste besserwisserisch. »Es war mir von Anfang an klar, dass niemand meinem
Angebot widerstehen kann.«
Dass nur wenige Minuten später ein geschlossenes Schwebefahrzeug vor Chateau Montagne
landete, das nur auf diese Entscheidung gewartet zu haben schien, bestätigte seine Worte.
Schedol führte die Flotte des Volkes einer neuen Zukunft entgegen, und die lag gar nicht weit
entfernt. Diesmal gestaltete sich die Suche nach einem besiedelbaren Sonnensystem einfacher, denn
die Suchmannschaften wurden rasch in einem angrenzenden Raumsektor fündig. Der dritte und der
vierte Umläufer des Vierzehn-Planeten-Systems um einen Roten Riesen boten ideale
Lebensbedingungen. Man taufte sie auf die richtungsweisenden Namen Heim und Zuflucht und
erwies dem Oberkommandierenden der Raumflotte eine weitere Ehre, indem man das
Zentralgestirn nach ihm benannte.
Da man, auch dank Schedols Umsicht und Vorausschau, wesentlich mehr an Ausrüstung und
Materialien mitgenommen hatte als bei der ersten Flucht, ging die Besiedelung der beiden Planeten
und der Ausbau des restlichen Systems zügig vonstatten.
Die Astronomen überwachten die Umgebung des Schwarzen Loches und registrierten bereits nach
wenigen Wochen die Explosion des Planeten, der für das Volk nur ein kurzer Zwischenstopp
gewesen war. Ein halbes Jahr später verwandelte sich die bläulich schimmernde Sonne in die
erwartete Nova. Die künstlich in Gang gesetzten thermonuklearen Vorgänge an der Oberfläche
rissen den einstmals stabilen Stern aus seinem normalen Lebenszyklus und machten ihn zu einem
Veränderlichen Stern, dessen Leuchtkraft binnen weniger Tage um das Zehnfache anstieg.
Schon bald zeichnete sich ab, dass er eines Tages in das Schwarze Loch stürzen würde.
Einer dieser Astronomen war Schonar. Auch er war einer von denjenigen, bei denen die Strahlen der
blauen Sonne Wirkung zeigten. Schonar hatte keine Ahnung, dass er nicht so war wie die
Generationen vor ihm, denn es gab keine äußerlichen Anzeichen einer genetischen Veränderung.
Doch sie schlummerte tief in ihm und wartete mit einer Überraschung auf ihn, von der er nicht
einmal zu träumen wagte.
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Die blauen Sternensteine wurden sicher verwahrt, damit niemand mehr auf die Idee kam, sie so
leichtfertig zu manipulieren, wie Pirgol es getan hatte. Pirgol selbst ging reumütig mit seiner
Geschichte an die Öffentlichkeit und wurde kurze Zeit später mit eingeschlagenem Schädel
aufgefunden. Der Sohn eines Raumschiffmechanikers, der bei der überhasteten Flucht aus dem
blauen System einem tödlichen Unfall zum Opfer gefallen war, hatte ihn umgebracht. Der Täter
wurde nie ermittelt, obwohl Taria bis zu ihrem eigenen Ende vehement dafür kämpfte.
Die Schwarzkristalle dienten weiterhin als Energielieferanten für die Raumschiffantriebe und als
Bordrechner. Das war zu einer Selbstverständlichkeit geworden, über die niemand aus dem Volk
mehr nachdachte, zumal sie sich als absolut zuverlässig erwiesen und es keine Ausfälle zu beklagen
gab.
Die Raumflotte des Volkes wurde ständig größer und neue Schiffstypen ersonnen, die nicht mehr
den reinen Forschungs- und Erkundungsmissionen dienen sollten, sondern in Hinblick auf
Kampfeinsätze konzipiert wurden. Auch die Waffenproduktion wurde erhöht, um nie wieder einem
überlegenen Gegner weichen zu müssen. Denn auch in den folgenden Jahrzehnten wichen die dro henden Schatten der Gkirr nicht von dem Volk. Niemand konnte garantieren, dass sie nicht eines
Tages wieder auftauchen würden.
Wenn es dazu kam, sollten sie es nicht mehr so einfach haben.
Schonar ging mit Feuereifer seinen astronomischen Tätigkeiten nach, zu denen auch die
Protokollierung der Vorgänge um das Schwarze Loch gehörte. Inzwischen war auch mit bloßem
Auge und ohne Computerberechnungen zu erkennen, dass die zu einer Nova gewordene blaue
Sonne sich in Richtung des Black Holes bewegte. Die ehemaligen Umläufer hatten sich zwar aus
ihrem Schwerkraftfeld befreit, wurden aber ebenfalls von dem
Gravitationsfeld der enormen Massekonzentration des Schwarzen Loches angezogen.
»Ich beneide Sie«, sagte Schonars Kollegin Rifala eines Tages seufzend, während sie ihn bei seinen
Tätigkeiten beobachtete. »Sie werden keinen Tag älter. Wie machen Sie das nur? Zuviel Sport,
nehme ich an, aber dafür habe ich leider keine Zeit.«
Schonar, der schon lange den Verdacht hatte, dass Rifala sich mit ihm paaren wollte, hielt ihre
Worte für den plumpen Versuch eines Kompliments und dachte nicht weiter darüber nach. Im Laufe
der Zeit stellte er aber immer häufiger fest, dass auch andere Kollegen ihm neidische Blicke
zuwarfen. Als ihm irgendwann ein Jugendfreund, den er seit Jahren nicht gesehen hatte, über den
Weg lief, glaubte Schonar seinen Augen nicht zu trauen.
Der andere war alt geworden. Wie hatte das nur geschehen können?
Da erst fielen Schonar Rifalas Worte wieder ein, und er begann die Männer und Frauen in seiner
Umgebung mit anderen Augen zu betrachten. Sie alle wurden alt, weil das in der Natur der Dinge
lag, nur vor ihm machte der körperliche Verfall halt.
Unauffällig zog sich Schonar daraufhin zurück, denn irgendetwas konnte mit ihm nicht stimmen.
Vielleicht hatte ihn eine unbekannte Krankheit befallen, aber er fühlte sich gesund und kräftig. Eine
Weile hielt er sich für abnorm und plagte sich sogar mit Schuldgefühlen, aber nach und nach
gewöhnte er sich daran, nicht mehr zu altern. Oder wenn, dann viel langsamer als früher. Er begann
sogar Gefallen daran zu finden, denn wer lebte schon nicht gern länger.
Eines Tages sah er durch Zufall einen Bericht in einer Nachrichtensendung, und da wurde ihm klar,
dass er nicht der einzige aus dem Volk war, der von dem rätselhaften Phänomen betroffen war. Es
gab andere wie ihn, und allmählich dämmerte ihm die Wahrheit. Sie waren vor vielen Jahren nicht
nur vor der drohenden Zerstörung des Planeten geflohen, sondern auch vor den Auswirkungen der
unbekannten Strahlung auf die Gene.
Wie diese Auswirkungen aussahen, erkannte er jetzt an sich. Sie verlangsamten den
Alterungsprozess, aber scheinbar nicht bei allen.
In den nächsten Jahren lernte Schonar weitere Langlebige kennen, und sie trafen sich regelmäßig,
um ihre Gedanken und Erfahrungen auszutauschen. Mehr und mehr blieben sie dabei unter sich,
denn ihnen entging die Missgunst der Normalsterblichen nicht. Es kam sogar zu Beschimpfungen
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und Übergriffen. Viele Leute hatten Angst vor den, wie sie es ausdrückten, Missbildungen, andere
entwickelten eine Abneigung gegen die Gruppe um Schonar, weil sie selbst ihre vergleichsweise
kurze Lebenserwartung beibehielten.
Das allgemeine Bekannt werden der biologischen Veränderung trieb die seltsamsten Blüten. Einmal
musste Schonar sich auf offener Straße seiner Haut erwehren, als er von einem ihm völlig
Unbekannten angegangen wurde, der wissen wollte, wo man die lebensverlängernden Drogen
bekommen konnte. Wildfremde Frauen wollten Kinder mit ihm zeugen, weil sie sicher waren,
ihrem Nachwuchs damit ebenfalls ein außergewöhnlich langes Leben zu vererben.
Doch diese anfängliche Hysterie legte sich nach einer Weile wieder, und Schonar kehrte sogar zu
seinen astronomischen Beobachtungen zurück.
Mehrere Generationen waren vergangen, und längst dachte niemand mehr an Yorn, der einst den
Traum von der Unsterblichkeit geträumt hatte. Auch Schedol, der Entdecker der Sternensteine, war
beinahe vergessen. Nur der Name des Zentralgestirns, das zum Mittelpunkt eines militärisch
schlagkräftigen Planetensystems geworden war, erinnerte noch an ihn.
Die zur Nova gewordene blaue Sonne war inzwischen in das Schwarze Loch gestürzt. Auch ihre
Planeten hatte sich der kosmische Staubsauger einverleibt.
Das Volk besaß eine gewaltige Raumflotte und besiedelte eine Reihe von weiteren Sonnensystemen,
wie es das schon einmal getan hatte. Doch die Naivität der früheren Unschuld wurde nicht
wiederholt. Sie alle wurden so stark gesichert, dass sie notfalls auch ohne Unterstützung von
daheim auskamen. Die Gkirr waren zwar nicht wieder aufgetaucht, und bei den Vorstößen in den
Raum entdeckte man keine Hinweise auf sie, aber gerade sie hatte niemand vergessen.
Schonar lebte immer noch, und er alterte nicht weiter. Nach mehreren hundert Jahren nahm er sich
eine Gefährtin, Loolanda, die ebenfalls zu den Langlebigen gehörte. Immer mehr von ihnen
schlossen sich der Gruppe an, von deren Existenz die Normalen nichts ahnten.
»Wir sind nicht nur langlebig«, sagte er eines Tages. »Wir können uns der Tatsache nicht
verschließen, unsterblich zu sein.«
Er wusste selbst nicht genau, woher er die unerschütterliche Sicherheit nahm, aber für ihn gab es
keinen Zweifel mehr. Die unbekannten Strahlen der blauen Sonne hatten ihm und seinen
Weggefährten das ewige Leben geschenkt. Natürlich löste seine kühne Behauptung lebhafte
Diskussionen und heftige Kontroversen aus. Viele meinten, es sei noch zu früh, das endgültig
entscheiden zu können. Dazu müsse man noch weitere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende warten,
insgeheim hoffte aber jeder, Schonar möge Recht behalten.
»Wir müssen Strategien für die Zukunft aufstellen«, forderte er bei einer Zusammenkunft und
erntete allgemeines Unverständnis.
»Wovon reden Sie? Was denn für Strategien?«
»Wir können nicht so weitermachen wie die Normalen.« Schonar sprach das Wort mit
Geringschätzung aus. »Wir können uns doch nicht mehr damit begnügen zu planen, was wir morgen
oder übermorgen tun. Wir müssen lernen, in neuen Dimensionen und Zeitmaßstäben zu denken und
zu rechnen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Jahrhunderte angehen. Was
unternehmen wir in tausend Jahren, was in einer Million? Und wie kommen wir dahin?«
»Finden Sie das nicht ein wenig übertrieben?«, wurde er gefragt. »Wir sind keine Götter.«
»Wer redet denn von Göttern? Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut und haben den Göttern damit
einiges voraus. Das ganze Universum steht uns offen.«
»Vergessen Sie nicht die Gkirr. Die lauern doch nur darauf, dass wir uns zu weit rauswagen, um
erneut über uns herzufallen.«
»Die Gkirr? Lächerlich!« Schonar hatte für die ehemaligen Sieger nichts als Spott und Verachtung
übrig. »Sollen Sie nur kommen. Wir werden sie ebenso wegfegen wie alle anderen, die es wagen,
sich uns in den Weg zu stellen.«
Lautstarke Proteste setzten ein. Schonars Worte hatten etwas Kriegslüsternes an sich. Auch wenn
sich das Volk in seiner Einstellung gewandelt hatte und nicht mehr Frieden um jeden Preis
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akzeptierte, erschütterten sie seine Zuhörer. Viele wandten sich ab und verließen die Versammlung
vorzeitig.
»Sie verraten die Ideale unseres Volkes!«, rief jemand. »Wer sind Sie, dass Sie sich diese Frechheit
herausnehmen?«
»Unser Volk?«, konterte Schonar. »Von welchem Volk reden Sie? Sehen Sie sich doch einmal um.
Wie viele aus dem alten Volk sind hier vertreten? Kein einziger! Weil sie nicht mehr zu uns
gehören. Oder besser gesagt, weil wir nicht mehr zu ihnen gehören. Wir sind eine neue Schöpfung,
die nächste Stufe.«
»Das ist doch Größenwahn.«
»Nein, es ist die Realität. Niemand kann sich mit uns messen. Nicht auf diesem Planeten und nicht
in unserem Sonnensystem, nicht einmal in der Galaxis. Ich fordere jeden von Ihnen auf, die
Wahrheit endlich anzuerkennen. Denn nur wenn wir das tun, können wir unsere Macht eines Tages,
wenn es darauf ankommt, in die Waagschale werfen.«
Kaum jemand hörte ihm noch zu. Schonar erkannte, dass seine Worte zu früh kamen. Kaum jemand
außer ihm war schon soweit zu erkennen, welches Potential die Natur ihnen geschenkt hatte.
»Du hast sie überfallen«, tadelte Loolanda. »Das war unklug.«
»Du also auch«, begehrte er wider besseres Wissen auf. »Stellst du dich auf ihre Seite?«
»Red keinen Unsinn. Du weißt genau, dass ich so denke wie du und auf deiner Seite stehe, sonst
wäre ich nicht deine Gefährtin. Aber du hast selbst gesagt, dass wir alle Zeit des Universums haben.
Lass ihnen also noch ein wenig davon, damit sie aus freien Stücken erkennen, was du meinst. Die
Zeit wird ihnen dabei helfen. Was sind schon ein paar mickrige Jahrhunderte?«
Schonar konnte nicht umhin, Loolanda zuzustimmen. Er hatte die Gruppe mit seinen Ideen geimpft,
nun blieb ihm nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass die Saat anschlug. Was bedeutete für
einen Unsterblichen schon Zeit? Er konnte sie für andere Dinge nutzen.
Schonar und Loolanda jedenfalls nutzten sie dazu, Nachwuchs zu zeugen. Von klein an lehrte
Schonar seinen Sohn, dem seine Eltern den Namen Tilgerd verliehen, seine Ideen und bereitete ihn
darauf vor, eines Tages Angehöriger eines Volkes zu sein, dem es bestimmt war, die beherrschende
Rolle in der Galaxis zu spielen, Tilgerd wuchs in der gleichen Zeitspanne heran, in der es der
Nachwuchs des Volkes immer getan hatte. Dann, eines Tages jedoch, kam auch bei ihm der
Alterungsprozess zum Erliegen.
Auch andere aus der Gruppe der Unsterblichen bekamen Kinder. Dabei stellte sich heraus, dass nur
die Kinder ebenfalte unsterblich wurden, deren beide Eltern es waren. War jedoch ein Elternteil ein
Normaler, so galt das auch für den Nachwuchs. Die Unsterblichkeit ließ sich also nur untereinander
weitervererben. Zudem waren die Mitglieder der Gruppe, die Schonar um sich scharte, lediglich
relativ unsterblich, wie sich bei einem tödlichen Unfall in ihren Reihen herausstellte. Gegen
physische Gewalt waren sie also nicht gefeit.
Ein Jahrtausend verging, und Schonar setzte seine Politik der kleinen Schritte fort, weil er merkte,
dass sie effektiver war als die Bestrebungen, möglichst rasche Umbrüche zu erzielen. Immer mehr
Unsterbliche schlugen sich auf seine Seite, korrumpiert von der Aussicht auf Macht, die er ihnen
voraussagte. Sie schotteten sich gegen alle Außenstehenden ab und bildeten bald einen Staat im
Staat, der wuchs und gedieh.
Der erste Auftrag, den Schonar für sie hatte, war, möglichst viele Dhyarras zu besorgen, um eine
technische Entwicklung neben der des Volkes voranzutreiben.
In den folgenden paar tausend Jahren einte er sämtliche Unsterblichen. Innerhalb des Volkes wurde
keiner von ihnen übersehen. Eine Handvoll nur weigerte sich, sich der Gruppierung anzuschließen.
Schonar sah eine Gefahr in ihnen, die er nicht akzeptieren konnte. Er hielt jeden, der sich seinen
Zielen nicht anschließen wollte, für einen potentiellen Verräter, und sorgte dafür, dass sie nach und
nach eines unerwarteten Todes starben. Auch dabei verging viel Zeit, denn natürlich vermied er,
dass die Ableben zu dicht aufeinander folgten und anderen auffielen.
Dann endlich verkündete er, was er schon lange beschlossen hatte. Er gab den Unsterblichen einen
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neuen Namen, unter dem sie in die Galaxis hinausziehen und bekannt werden sollten.
»Ab heute sind wir die Ewigen.«
Damit konnten drei langfristige Pläne in Angriff genommen werden, um die Fühler nach der Macht
in der Galaxis auszustrecken.
Die DYNASTIE DER EWIGEN umfasste eine Million Angehörige. Das war nicht viel innerhalb
eines Volkes, das nach Milliarden zählte, außer diese Million wurde von einem kollektiven
Elitedenken angeleitet.
Unter dem anfliegenden Raumschiff erstreckte sich ein metallisches Areal bis zum Horizont. Es als
Start- und Landefeld zu bezeichnen war eine Untertreibung, denn es war viel mehr als das. Es war
ein Sprungbrett auf dem Weg zur absoluten Macht in der Galaxis.
Tilgerd ließ den Blick in die Ferne schweifen, während das Schiff zur Landung auf dem
Stahlplaneten ansetzte. So weit das Auge reichte, standen Raumschiffe aufgereiht, die mit denen,
über die das Volk verfügte, nicht zu vergleichen waren. Es waren Neubauten der Ewigen, die bisher
geheim gehalten wurden. Mit ihnen wollten die Ewigen ihren Siegesfeldzug starten.
Von den 180 Meter durchmessenden ringförmigen Schiffen der Jäger-Klasse über die 750 Meter
großen Ringe der Jagdboote bis zu den Supra-Kreuzern und den noch größeren Schlachtschiffen
war alles vertreten, was mögliche Gegner in Angst und Schrecken versetzen sollte. Die
unüberschaubare Phalanx aus geballter Schlagkraft war ein erhebendes Gefühl. Dabei war mit dem
Bau des mächtigsten Giganten, den die Galaxis jemals gesehen hatte, noch gar nicht begonnen
worden. Die Pläne für die sogenannten Sternenschiffe waren bereits erstellt, aber der Bau jedes
dieser Giganten würde mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen. Sämtliche Schiffe waren mit
hochwertigen Waffensystemen, Deflektorfeldern und Traktorstrahlen ausgestattet.
Sie wurden auch dringend benötigt, denn in den letzten paar Jahren begannen sich die Gkirr wieder
zu rühren. Viele hatten sie bereits von der galaktischen Bühne abgeschrieben, aber Tilgerds Vater
Schonar hatte stets prophezeit, sie würden eines Tages zurückkehren. Ein Aufeinandertreffen war
unvermeidlich.
Tilgerd war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Ewige gegen diese Spezies selbst ins Feld zogen.
Ihr Leben war viel zu wertvoll, um in kriegerischen Auseinandersetzungen ausgelöscht zu werden.
Aber das hatte die DYNASTIE DER EWIGEN auch nicht vor. Klug wie sie war, würde sie andere
für sich kämpfen lassen.
Nach der Landung verließ Tilgerd das Schiff mittels eines Antigravfeldes, das ihn sanft auf dem
Boden absetzte. Als er sich umschaute, kam er sich zwischen der unüberschaubaren Ansammlung
auf ihren Jungfernflug wartender Raumschiffe vor wie zwischen Gebirgen aus Stahl. Nicht allein
aufgrund seiner zu großen Teilen künstlichen Oberfläche trug die Stahlwelt ihren Namen völlig zu
recht.
»Gibt es irgendwelche Probleme?«, fragte Tilgerd anstelle einer Begrüßung. Die drei Männer des
Empfangskomitees, die bei einem Schwebefahrzeug warteten, schauten sich vielsagend an, waren
aber klug genug, auf eine Zurechtweisung zu verzichten.
»Keine Probleme«, antwortete einer der Männer, der sich als Tan Daschul und seine Begleiter als
Hagard Yischin und Gol vorstellte. »Wir sind exakt im Zeitplan.«
»Das wird man zu schätzen wissen«, lobte Tilgerd. Er ließ sich nicht anmerken, dass ihm die
Namen, die sich manche der Ewigen zulegten, nicht zusagten. Er bevorzugte die althergebrachten
üblichen Bezeichnungen, bei denen man sich nicht die Zunge verbiegen musste. »Wie sieht es mit
den Cyborgs aus?«
»Auch bei deren Produktion gibt es keine unerwarteten Schwierigkeiten. Ich nehme an, Sie
möchten sie sehen.«
»Deshalb bin ich hier.«
»Wir führen Sie umgehend zu ihnen.«
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Die drei Männer ließen Tilgerd den Vortritt und kletterten hinter ihm in den Schweber. Tan Daschul
startete ihn und steuerte ihn zwischen den noch nie zum Leben erwachten Raumschiffen hindurch
zu einem kreisrunden, fünfzig Meter durchmessenden Schacht, der senkrecht nach unten führte.
Der Schweber senkte sich viele hundert Meter in die Tiefe, einem beständigen leisen Summen
entgegen, das die Ewigen wie ein Insektenschwarm erwartete. In riesigen unterirdischen Höhlen
waren die eigentlichen Produktionsstätten der Stahlwelt untergebracht, in denen die
unterschiedlichen Schiffstypen montiert wurden, bevor man sie nach ihrer Fertigstellung an die
Planetenoberfläche brachte.
Tilgerd hatte keinen Blick dafür übrig. Er kannte die Mechanismen auswendig, denn er war in den
vergangenen fünftausend Jahren unzählige Male hier gewesen, um sich über den Stand der Dinge
zu informieren. Diesmal war er gekommen, um sich vom Fortschritt des Cyborg-Projekts zu
überzeugen.
Der Schweber passierte zahlreiche Hallen und Verbindungsstollen, bis er den Cy-Dome erreichte.
Tan Daschul drückte ihn zu Boden, und der Antrieb erstarb. Aufregung und Stolz befielen Tilgerd
zu gleichen Teilen. Er hatte das Cyborg-Projekt vor langer Zeit angeregt, deshalb lag es ihm auch
besonders am Herzen.
Eine zweihundert Meter hohe Halle mit dem doppelten Durchmesser lag vor ihm. In vielen tausend
Fruchtblasen wuchsen die organischen Roboter heran, kybernetische Organismen, die von im Kopf
sitzenden modifizierten Dhyarra-Kristallen gesteuert wurden, die gleichzeitig als Programmgehirn
und Energielieferant fungierten.
Kämpfer für die Zukunft, dachte Tilgerd. Kämpf er für die absolute Macht der Ewigen.
Da die Ewigen unerkannt in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft des Volkes tätig waren,
verfugten sie dank Schonars Weitsicht über reichhaltige Vorräte an schwarzen Sternensteinen, um
sämtliche Cyborgs damit bestücken zu können.
Und inzwischen auch an blauen Dhyarras. Um das dritte Projekt neben dem Aufbau der Flotte und
der Armee der Cyborgs kümmerte sich Schonar selbst.
Und auch dieses Projekt machte Fortschritte.
Unabhängig von der langsamen Verbreitung des Volkes, betrieben die Ewigen eine eigene
aggressive Expansionspolitik. Auf dem Weg zur Macht konnte man gar nicht genug Welten
besitzen. Die Ewigen gliederten ihrem entstehenden Sternenreich ein Sonnensystem nach dem
anderen an und breiteten sich über einen Raum von mehreren Lichtjahren Durchmesser aus.
Die Flotte der Stahlwelt durchstreifte das All. Anfangs waren die Schiffe nur mit Angehörigen der
Dynastie bemannt, aber sie wurden nach und nach durch Cyborgs ersetzt, um nicht selbst in Gefahr
zu geraten.
Schonar kämpfte inzwischen an einer anderen Front. Es gab etwas, wovon er sich mehr Stärke
versprach als von jeder Raumschiffflotte.
Vor ihm türmten sich die Objekte seiner Begierde. Zweifellos war die Bezeichnung Dhyarra falsch,
und Sternenstein ebenso. Denn es handelte sich um Kristalle der Macht.
Schonars Augen funkelten so sehr wie die Kristalle, als er sie betrachtete. In der Regierung ahnte
niemand, welcher Schatz da über zahlreiche Generationen unbeachtet in verschlossenen Räumen
gelagert hatte. Die Normalen erinnerten sich zwar an die Katastrophe, die einst ein junger
Wissenschaftler durch Manipulation eines blauen Dhyarras ausgelöst hatte, aber sie maßen ihr heute
kaum noch eine Bedeutung bei. Denn niemand war in der Lage, in gleicher Weise auf die
Sternensteine einzuwirken. Nur so ließen sich die mangelnden Vorkehrungen gegen Unbefugte
erklären, die es Schonars Agenten erlaubt hatten, die blauen Steine nach und nach sicherzustellen,
ohne dass es jemand bemerkte.
Verächtlich lachte Schonar auf. Die Normalen gingen viel zu sehr von sich aus. Sie hatten keine
Ahnung, dass die Ewigen die Kristalle mit ganz anderen Augen sahen. In jedem dieser Steine
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schlummerte ein großes Machtpotential, das man sich zu nutze machen konnte, sobald es gelang, es
zu aktivieren.
Schonar verteilte die Dhyarras unter den Ewigen, und die begannen damit zu experimentieren. Auch
seinem Sohn Tilgerd händigte er einen blauen Stein aus, als der für eine kurze Zeit heimkam, um
Bericht zu erstatten.
Schon bald stellte sich heraus, dass sämtliche Unsterblichen eine Affinität zu den Kristallen
besaßen. Zunächst sah es so aus, als ob jeder sie unterschiedlich wahrnahm, aber Schonar begriff als
erster, dass das nicht an der Auffassungsgabe der einzelnen Ewigen oder der Ausprägung ihres
Parapotentials lag, sondern an den Kristallen selbst. Die Steine waren unterschiedlich stark.
Damit kamen sie seiner Vorstellung von einer neuen Ordnung entgegen. Wer den stärksten Dhyarra
besaß, würde sich zwangsläufig an die Spitze der Ewigen stellen
und über sie herrschen. Natürlich dachte Schonar nicht daran, eine solche Entscheidung dem
Schicksal zu überlassen. Während sein Sohn Tilgerd das Cyborg-Projekt vorantrieb, waren die
meisten Ewigen in ihre Experimente mit den blauen Steinen vertieft. Obwohl Schonar sie unter
seinen Gefolgsleuten aufgeteilt hatte, befand sich der größte Teil der Kristalle noch in seiner Hand.
Tag und Nacht sondierte er sie und lernte die Unterschiede zu erkennen. Immer schneller gelang es
ihm festzustellen, wie stark ein Dhyarra war. Die Unterschiede waren enorm, und um sie greifbar
machen zu können, nahm er eine Unterteilung in Ordnungsklassen vor. Sie reichte vom
schwächsten Kristall, nämlich dem ersten Ordnung, bis zum Kristall zehnter Ordnung. Je höher die
Stufe wurde, desto weniger Exemplare gab es. Von den ganz starken waren das nur wenige.
Doch es gab keinen Stein, der unter allen anderen herausragte. Das brachte ein Problem mit sich,
wenn es darum ging, eine Hierarchie zu etablieren, was auf Dauer unerlässlich war, wenn die
DYNASTIE DER EWIGEN nicht in Unordnung und Chaos versinken wollte. Schonar spielte mit
dem Gedanken, bis auf ein Exemplar sämtliche Kristalle zehnter Ordnung zu zerstören, aber dazu
war es zu spät. Wenn er bis auf einen wirklich die vernichtete, die er selbst besaß, war damit nichts
gewonnen. Denn eine unbekannte Anzahl war noch in den Händen anderer Ewiger.
Für einen schrecklichen Moment befiel ihn die Befürchtung, es gäbe vielleicht einen höherwertigen
Dhyarra. Wenn irgendwer einen hypothetischen Kristall elfter Ordnung besaß, war er damit
mächtiger als Schonar. Die Vorstellung ernüchterte ihn, denn so etwas durfte auf keinen Fall
geschehen, wenn er sich seinen Traum von der Macht erfüllen wollte. Sämtliche Dhyarras unter
einem Vorwand zurückzufordern, hätte nicht funktioniert, sondern lediglich unnötiges Misstrauen
geschürt, Schonar zwang sich zu logischem Denken. Wenn es tatsächlich einen Kristall elfter
Ordnung gab, würde er früher oder später darauf stoßen. Da im Gegensatz zu ihm alle Ewigen nur
einen Stein besaßen, waren ihnen auch keine Vergleiche möglich. Selbst wenn sie sich darüber
austauschten, konnten sie nicht mehr als Ansatzpunkte erkennen. Ihnen gegenüber besaß er also
einen idaren Vorteil, aus dem er Kapital schlagen musste.
Wieder blieb Schonar nichts anderes übrig, als sich mit Geduld zu wappnen und die Zeit für sich
arbeiten zu lassen. Aufmerksam behielt er die Ewigen im Auge, und ihm entging nicht, dass es zu
ersten unterschwelligen Machtkämpfen kam, sobald sich zwei unter ihnen über die Fähigkeiten
ihrer Kristalle im Klaren waren. Anfangs mehr aus Neugier, später aber immer verbissener, taten sie
genau das, was Schonar erwartet hatte. Sie versuchten die Stärke ihres Kristalls über die eines
Konkurrenten zu erheben.
Ohne dass Schonar etwas dazu tun musste, legten die Ewigen den Grundstein für eine Hierarchie,
die auf der Rangordnung der Dhyarras fußte. Alle waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um
zu erkennen, dass Schonar sich aus den Konflikten heraushielt und stattdessen den Überblick über
alles behielt. Er erkannte, wo die starken Dhyarras verteilt waren und wer kein ernsthafter Gegner
in einem möglichen Kampf um die Macht war.
Eins jedoch entdeckte er nie. Nämlich einen Kristall, der die zehnte Ordnung überstieg. Seine
Zuversicht wuchs mit jedem Tag, und bald war er sicher, dass dieser schlimmste aller Fälle nicht
bestand. Es gab keinen Kristall elfter Ordnung.
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Diese Erkenntnis war wie eine Offenbarung, denn sie verriet Schonar, was er tun musste.
Nämlich mit seinem Parapotential einen erschaffen.
Tilgerd gewann weitere Planetensysteme. In seiner Politik, sie dem wachsenden Imperium
anzugliedern, ging er dabei immer rigoroser vor. Hatte er sich früher auf unbesiedelte Welten
beschränkt, änderte sich das im Laufe der Zeit. Die Doktrin, die absolute Macht erlangen zu wollen,
duldete keine Rücksichtnahme auf Schwächere, zumal die einen weiteren Vorteil bescherten. Es
waren billige Arbeitskräfte, die sich auch als Besatzungen der Raumschiffe einsetzen ließen.
Bereitwillig unterwarfen sich viele primitive Völker den selbsternannten Herren und machten sich
zu deren Sklaven. Ohne überhaupt zu begreifen, was sie taten, beuteten sie ihre eigenen Planeten für
die Ewigen aus. Was die Götter aus dem Weltall forderten, wurde bereitwillig erledigt.
Tilgerd gefiel das. Er liebte es, von den Angehörigen weniger weit entwickelter Spezies wie ein
Gott hofiert zu werden. Das war genau die Art der Anerkennung, die den Ewigen zustand. Er war
alles andere als ein Dummkopf und wusste genau, was für Experimente sein Vater daheim
durchführte.
Schonar suchte mit allen Mitteln nach dem mächtigsten unter den Dhyarra-Kristallen, um sich mit
seiner Hufe an die Spitze der Dynastie und eines fernen Tages an die Spitze der gesamten Galaxis
zu setzen. Bei seinem grenzenlosen Ehrgeiz würde er nicht ruhen, bis er sein Ziel erreicht hatte,
selbst wenn er dazu einen Dhyarra brauchte, der noch gar nicht existierte.
Sinnend betrachtete Tilgerd den blauen Kristall, den er seit seinem letzten Heimatbericht bei sich
trug. Die Vorstellung der widernatürlichen Bestrebungen seines Vaters amüsierte ihn. Doch was
Schonar konnte, konnten andere auch.
Jeden Tag vergrößerte Tilgerd das Imperium, und je weiter die Expansion der DYNASTIE DER
EWIGEN unter seiner Ägide fortschritt, desto größer wurde ihr Bedarf an Ressourcen. Der Bau
jedes weiteren Raumschiffs verschlang immense Mengen an Rohstoffen, und auch wenn die
Fertigung größtenteils vollautomatisch vonstatten ging, kam sie ohne gewisse manuelle Tätigkeiten
durch niedere Handlanger nicht aus.
Eines Tages traf ein Teil der Flotte überraschend auf einen starken Schiffsverband der Gkirr. Was
sich abgezeichnet hatte, bestätigte sich. Die Gkirr, die das Volk in grauer Vergangenheit von ihrem
Heimatplaneten vertrieben hatten, drangen inzwischen auch in die Regionen der Galaxis vor, die die
Ewigen als ihr Territorium beanspruchten. Die Gkirr legten das gleiche rücksichtslose Verhalten an
den Tag, wie sie es schon früher getan hatten, doch diesmal standen sie keinem wehrlosen Opfer
gegenüber. Die technische Machtfülle und auch die Kampfbereitschaft der an Bord eingesetzten
Cyborgs hatte nichts mehr mit der des einst friedlichen Volkes zu tun.
Da aber auch die Gkirr in der langen Zeit nicht untätig geblieben waren und ihre Waffensysteme
beständig verbessert hatten, kam es zu einem verheerenden Kampf, in dem sich die Gegner
neutralisierten und gegenseitig aufrieben. Auf beiden Seiten überstanden nur wenige Einheiten die
Schlacht, die nur der Auftakt für weitere Kämpfe war.
Damit war die Absicht konterkariert, die das Volk bei dem Auszug aus seiner Heimat verfolgt hatte.
Nämlich, dass die Gkirr es vergaßen und sich nie wieder daran erinnern würden. Doch nun standen
sich die beiden Völker erneut gegenüber.
Aber unter anderen Bedingungen, dachte Tilgerd. Sollen sie uns ruhig unterschätzen. Diesmal
werden die verdammten Gkirr den kürzeren Dieben. Wir werden sie aus dem Universum fegen. Die
Geschichte wird den Mantel des Vergessens über sie ausbreiten.
Doch Tilgerd sah sich vor das Problem gestellt, dass nach dem erneuten Aufflammen der Kämpfe
kein Ewiger mehr bereit war, an Bord der Flotte Dienst zu tun. Die Situation verschärfte sich, als
die Kämpfe sich ausweiteten. In manchen Sternensystemen zogen sie sich über Monate hin, weil
sich mit den unversöhnlichen Feinden zwei ungefähr gleich starke Gegner gegenüberstanden, die
beide bereit waren, bis zum Ende zu kämpfen. Ihre Einstellung und ihr Expansionsdrang verboten
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ihnen eine Beendigung der Kämpfe und den Rückzug.
Zwar waren es ohnehin nur noch wenige Ewige, die in den Schiffen über die Cyborgs befehligten,
aber auch sie wollten ihr Leben nicht länger einsetzen, was Tilgerd sogar verstehen konnte.
So zog er sie aus den Kampfeinheiten ab und stockte die Sollstärke mit zusätzlichen Cyborgs auf.
Sein Projekt war ein voller Erfolg. Die kybernetischen Wesen kannten weder Angst wie die Ewigen,
noch Gewissenbisse. Sie zweifelten nicht, sondern setzten die erhaltenen Befehle
bedingungslos um. Die Ewigen selbst gingen nur noch in Einsätze, wenn sie sich absolut sicher
waren, dass ihnen dabei nichts zustoßen konnte. Ansonsten schickten sie die Men in Black, wie die
Cyborgs aufgrund ihrer einheitlichen schwarzen Kleidung auch bald genannt wurden, ins Feuer.
Zusätzlich rekrutierte Tilgerd Krieger und Kämpfer von unterworfenen Planeten, um sie an die
Front zu schicken. Für ihn war ihr Leben nicht mehr wert als das eines kybernetischen Organismus,
dessen löschbarer Erinnerungsspeicher sich jederzeit updaten ließ.
Tilgerds zigtausend Raumschiffe eilten im Dienste des Imperiums von Stern zu Stern.
Während er selbst sich mit einem ganz anderen Gedanken beschäftigte.
Tausend Jahre später war Schonar sicher, dass sich die Aufstockung eines blauen Dhyarras unter
bestimmten Voraussetzungen bewerkstelligen ließ. Nur die wenigsten Kristalle zehnten Ordnung
ließen sich dafür verwenden.
Die Hierarchie unter den Ewigen begann sich zu festigen. Der Träger eines niederrangigen Dhyarras
unterstellte sich dabei dem Träger eines Kristalls höherer Ordnung zumeist freiwillig. Wenn dies
nicht geschah, kam es zum Kampf. Dabei bestätigte sich immer wieder, dass stets der Kristall
höherer Ordnung triumphierte. Ausnahmen gab es nicht. Nur anhand der Tatsache, welchen Dhyarra
ein Ewiger beherrschte, stieg er die Rangleiter hinauf oder auch nicht.
Doch kein Ewiger musste sich in alle Ewigkeit mit seiner einmal erreichten Position abfinden. Er
konnte sich in der Hierarchie verbessern, wenn es ihm gelang, sich einen stärkeren Sternenstein
anzueignen.
Es kristallisierten sich Bezeichnungen für die Träger der unterschiedlichen Steine heraus, die bei
Omega begannen und im Alpha für den Besitzer eines Dhyarras zehnter Ordnung gipfelten.
Bald war allgemein bekannt, dass es in ganz seltenen Fällen auch möglich war, einen Dhyarra
aufzustocken, wenn man über eine ausreichend starke Paragabe verfügte und der Kristall zudem
darauf ansprach. Doch dies geschah nur in ganz seltenen Fällen, so dass sich in relativ kurzer Zeit
eine recht starre Rangordnung unter den Ewigen bildete, die nicht so einfach zu durchbrechen war.
Immer noch verfolgte Schonar das Geschehen. Da er lange vor allen anderen Ewigen mit seinen
Versuchen begonnen hatte, einen Kristall zehnter Ordnung aufzustocken, sah er sich noch immer im
Vorteil. Natürlich hatte er unter den starken Kristallen, die ihm zur Verfügung standen, den
herausgefunden, der ihm am besten geeignet erschien. Der Dhyarra verfügte nicht nur über eine
enorme Macht, an gewissen Feinheiten ließ sich zudem erkennen, dass in ihm noch ungenutztes
Potential für eine Weiterentwicklung schlummerte.
Und das war auch dringend nötig, denn viele Alphas machten noch keinen Anführer aus. Zwar
wurde die Hierarchie akzeptiert, aber Ewige der höchsten Rangordnung gingen sich zumeist aus
dem Weg, da sie sich über die anerkannte Prozedur nicht definieren konnten.
Schonar erzielte langsame Fortschritte bei seinen Experimenten, die ihn zusätzlich anspornten. Er
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war sicher, genau den richtigen Kristall ausgewählt zu haben. Je weiter er in den Stein vordrang,
desto bewusster wurde er sich der Barriere, die vor ihm lag. Anfangs war sie nicht zu sehen
gewesen, aber mittlerweile lag sie wie ein aufgeschlagenes Buch vor ihm. Er machte sich daran, sie
anzugreifen und einzureißen, denn dahinter wartete die nächste Stufe auf ihn.
Es gab sogar Momente, in denen er vor dem entscheidenden Schritt zurückschreckte, weil er
fürchtete, die lauernde Macht nicht kontrollieren zu können. War das dem Wissenschaftler
widerfahren, der durch seine Unvorsichtigkeit den Untergang des blauen Systems eingeleitet hatte?
Schonar hätte gern mehr über den Mann gewusst, der kein Ewiger sondern ein Normaler gewesen
war und dennoch bis an diesen Punkt vorgestoßen war. Wenn es einem Normalen gelungen war, die
Widrigkeiten auszuschalten, musste das Schonar erst recht gelingen.
Er spürte, wie der Dhyarra seinem Willen Stück für Stück nachgab. Mit jedem Jahr wurde der
Widerstand etwas geringer. Parallel dazu wuchs Schonars Kraft, bis ihm der entscheidende
Durchbruch gelang.
Als der Dhyarra einen Evolutionssprung machte und zu einem Kristall elfter Ordnung wurde, fühlte
sich auch Schonar für einen Moment auf eine höhere Existenzebene katapultiert. Eine gewaltige
Welle schlug über ihm zusammen und drohte ihn mit ihrer unbändigen Kraft wegzuspülen. Er
machte nicht den Fehler, ihr ausweichen zu wollen, sondern stellte sich ihr, denn sie war die Macht,
nach der er so lange getrachtet hatte.
Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, die eingetretene Veränderung zu akzeptieren. Schonar
hatte es geschafft. Während die meisten Ewigen noch ihre untergeordneten Ränge zu festigen
suchten, war er bereits einen Schritt weiter. Er hatte die Ebene erreicht, die konkurrenzlos war.
Niemand stand über ihm, und niemand stand mehr auf einer Stufe mit ihm.
Von innerer Kraft erfüllt, betrachtete er den blau funkelnden Dhyarra. Er war jetzt ein Kristall elfter
Ordnung, der einzige, den es gab. Er war der Kristall der Macht. Damit war der Moment
gekommen, auf den Schonar so lange gewartet hatte, und er beschloss, dass es Zeit sei, an die
Öffentlichkeit zu gehen und von den Ewigen das Recht einzufordern, das ihm zustand.
Denn er war von nun an der Oberste in der DYNASTIE DER EWIGEN.
Ihr ERHABENER.
Die Ewigen mussten erkennen, dass sie sich geirrt hatten. Sie waren zwar extrem langlebig, aber
nicht unsterblich, wie sie Tausende von Jahren angenommen hatten. Sie begriffen es, als die ersten
Todesfälle eintraten, die nicht aus Gewalt resultierten, sondern biologisch erklärbar waren.
Immer noch loderten die Kämpfe gegen die Gkirr. An den eigentlichen Kriegsgrund konnte sich
nach Jahrhunderttausenden kaum noch jemand erinnern, aber er wurde auch nicht hinterfragt.
Ausschlaggebend war, dass die Gkirr der DYNASTIE DER EWIGEN den Machtanspruch streitig
machen wollten, was sich diese nicht bieten ließ.
Tilgerd führte einen ständigen Kampf und kehrte für Zeiträume nicht nach Hause zurück, in denen
bei den Normalen mehrere hundert Generationen kamen und gingen. Wenn er dann einmal da war,
zog es ihn gleich wieder hinaus, um die Legionen seiner Cyborgs in den Krieg zu führen. Längst
hatte sein Ehrgeiz den seines Vaters überflügelt.
Die Hierarchie unter den Ewigen hatte sich endgültig durchgesetzt, und Schonar herrschte über
Äonen, weil es keinem Ewigen gelang, ebenfalls einen Kristall der Macht zu schaffen.
Irgendwann entdeckte Tilgerd in einem kleinen Sonnensystem weit abseits aller Schifffahrtsrouten
einen unbewohnten Sauerstoffplaneten, der ihm wie die Erfüllung all seiner Träume vorkam. Er war
geradezu prädestiniert als zentraler Sitz der DYNASTIE DER EWIGEN. Dass die Ewigen sich
immer noch unter Milliarden von Normalen ihres Volkes verbargen war ein unhaltbarer Zustand,
der endlich revidiert werden musste. Ihnen stand ein unabhängiges Zentrum ihrer Macht zu.
Tilgerd stationierte mehrere Hundertschaften Cyborgs auf dem Planeten, dessen Erscheinungsbild
von zahlreichen Mittelgebirgen, Meeren und ausgedehnten Seenplatten sowie riesigen Wäldern mit
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reichhaltiger Vegetation geprägt wurde. Unter strengster Geheimhaltung ließ er sie eine Ansiedlung
errichten, die von einem feudalen Regierungssitz gekrönt wurde. Der Rest der Galaxis durfte nie
erfahren, wo das Zentrum der Ewigen-Macht entstand.
Deshalb prägte Tilgerd sich die Koordinaten ein und löschte sie vorsichtshalber aus den
Speicherbänken sämtlicher Schiffe, die ihn begleitet hatten.
Als er ein paar hundert Jahre später zu einer Inspektion zurückkehrte, waren die Arbeiten erledigt.
Der Kristallpalast, wie er den zukünftigen Sitz des ERHABENEN taufte, war noch prachtvoller
geraten, als er sich das ausgemalt hatte. Er war des Herrschers über die Dynastie in jeder Hinsicht
würdig.
Tilgerd verzichtete darauf, die Erinnerungsspeicher der Cyborgs zu löschen, die ihn errichtet hatten,
sondern ging auf Nummer Sicher. Er zerstrahlte sie bis auf den letzten Mann. Nur er allein wusste
nun, wo dieser Planet lag.
Die Kristallwelt.
Anschließend stattete Tilgerd seinem Vater Schonar einen Besuch ab, der die Geschicke der Ewigen
schon viel zu lange lenkte.
Lächelnd begrüßte Schonar ihn. »Du hast dich schon Jahrhunderte nicht mehr sehen lassen.«
»Jahrtausende«, korrigierte Tilgerd. »Es gibt viel zu tun dort draußen.«
»Wie die Zeit vergeht.« Schonar war tatsächlich erstaunt. »Man bekommt es überhaupt nicht mehr
mit. Aber das ist nicht so tragisch, schließlich haben wir noch die Ewigkeit vor uns.«
»Nicht wir alle«, erwiderte Tilgerd mit ruhiger Stimme. Er konzentrierte sich auf seinen Dhyarra
und aktivierte ihn, bevor sein Vater reagieren konnte. Der Angriff seines eigenen Sohns kam zu
überraschend. Schonar war tot, bevor er auch nur einen Gedanken an Gegenwehr fassen konnte.
Niemals hatte er erwartet, dass es außer ihm einem weiteren Ewigen gelungen war, einen Dhyarra
aufzustocken. Noch dazu Tilgerd, der sich doch Zeit seines Lebens im Weltall herumgetrieben hatte,
ohne sich um die Macht- und Ränkespiele daheim zu kümmern.
Der neue ERHABENE nahm den Dhyarra seines Vaters an sich und zerstörte ihn. Von ihm aus
sollte es so viele blaue Steine geben wie Sandkörner am Meer.
Aber immer nur einen Machtkristall.
In ihrem Machtbereich schufen die Ewigen ein weitverzweigtes Netz interstellarer
Transmitterstraßen, über die sich weit entfernte Orte auch ohne Raumschiffe erreichen ließen.
Ein unermesslicher Zeitraum verstrich, in dem Kulturen aufgingen und wieder erloschen, aber die
DYNASTIE DER EWIGEN bestand weiter. Ihr Sternenreich, in dem die Kristallwelt seit langer
Zeit etabliert war, umfasste zahlreiche besiedelte und unterworfene Sonnensysteme.
Seit hunderttausend Jahren war Tilgerd schon kein ERHABENER mehr. Auch er war von einem
Konkurrenten mit einem aufgestockten Machtkristall getötet worden und hinüber gegangen, wie die
Ewigen es nannten. Unzählige ERHABENE waren in seine Fußstapfen getreten, manche für
Perioden, die die Lebenserwartung Sterblicher um ein Vielfaches überstiegen, andere nur für Tage
oder Wochen, bis ihnen von einem Herausforderer der Garaus gemacht wurde.
Immer wieder kam es zu Intrigen, und zahlreiche Alphas schmiedeten dunkle Pläne, um sich selbst
zum ERHABENEN zu machen. Natürlich erreichten nicht alle ihr Ziel. Viele Herausforderer waren
den amtierenden ERHABENEN nicht gewachsen und starben an deren Stelle, denn einer von
beiden musste zwangsläufig den Tod finden. Entweder der ERHABENE oder sein Herausforderer.
Denn nach Tilgerds Vatermord hatte sich schon frühzeitig ein feststehendes Ritual etabliert, das von
einem ERHABENEN zum nächsten weitergegeben wurde.
Ein Ewiger konnte nur in diese Position gelangen, indem er mit seinen Parafahigkeiten ebenfalls
einen Kristall der Macht schuf, mit dem er den amtierenden ERHABENEN herausforderte. Das war
nur Alphas möglich, die einen Kristall zehnter Ordnung besaßen, der über das entsprechende
Potential verfügte. War einer aus ihren Reihen erfolgreich, kam es zum Zweikampf, bei dem der
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Unterlegene getötet und sein Dhyarra zerstört wurde. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass es
immer nur einen Machtkristall geben durfte, durch den der ERHABENE sich legitimierte.
Wenn ein Ewiger starb, hinterließ er keine biologischen Rückstände. Sobald er hinüber ging, löste
er sich auf, und nur seine Kleidung blieb zurück.
Die Herrschaft des Imperiums ging vom Kristallplaneten aus, dessen galaktische Position ein gut
gehütetes Geheimnis blieb. Dort residierte der ERHABENE, der zumeist einen Helm mit
eingearbeitetem Visorband trug, der seinen Kopf vollständig umschloss und ihn unkenntlich
machte. Dazu trug auch ein Vocoder bei, der die Stimme tarnte, indem er die natürlichen
Schwingungen verzerrte.
Grundsätzlich kleideten sich die Ewigen in einen einheitlichen silbernen Overall, der sich nur durch
das jeweilige Rangsymbol seines Trägers unterschied. Jeder Overall war mit einem blauen
Schulterumhang versehen und wurde von einem breiten Gürtel gehalten, in dessen Schließe der
Dhyarra-Kristall eingearbeitet war.
Ihr Hoheitsemblem war das mathematische Zeichen für Unendlichkeit, eine liegende rot-goldene
Acht. Sie war eingebettet in eine stilisierte Galaxis-Spirale, die vor einem nachtblauen Hintergrund
prangte.
Irgendwann entdeckten die Raumschiffe der Ewigen im Helios-System die Erde, die sie als Gaia
bezeichneten. Sie waren fasziniert von dem Planeten der Menschheit, dem sie fortan ihre besondere
Aufmerksamkeit widmeten.
Das zeigte sich besonders, als der ERHABENE Ghot Iyahve 65 Millionen Jahre in der
Vergangenheit das Experiment Weltenschöpfung Götterwind startete, in dessen Verlauf eine zweite
Gaia entstand, deren biologischer Verlauf ganz anders vonstatten ging als auf der richtigen Erde.
Dort wurden nämlich die Saurier zur beherrschenden Spezies, während auf der Erde der zweite
Mond einschlug und die Saurier auslöschte. Danach drängten sich die Säuger in den Vordergrund,
woraus sich die Primaten und später die Menschen entwickelten.
Immer wieder schickten die Ewigen Agenten nach Gaia, die sich unter die Gaianer mischten, die
Menschen wie diese Spezies sich selbst nannte. Sie versuchten so viel Hintergrundwissen wie
möglich über sie zu sammeln, um auch das Helios-System vielleicht eines Tages zu unterwerfen.
Was genau sie an Gaia so faszinierte, konnte keiner von ihnen erklären, auch nicht Zeus, unter
dessen Herrschaft die Dynastie für eine Weile Fuß auf Gaia fasste, bis er freiwillig abdankte. Im
Gegensatz zu all seinen Vorgängern wurde er nicht getötet, sondern zog sich in die Straße der Götter
zurück und ließ seinen Machtkristall Ted Ewigk zukommen.
Besonders unter Ghot Iyahve und Kronos expandierte das Imperium, und das Netz der
Transmitterstraßen wurde immer dichter.
So setzte sich die Historie der Ewigen bis zum heutigen Tag und der aktuellen ERHABENEN
Nazarena Neruckar fort.
Allerdings war sie die erste, die aus der Linie ausbrach und ihren Regierungssitz nicht auf der
Kristallwelt einrichtete. Da sie den Goldenen Planeten bevorzugte, blieb der Kristallpalast verwaist.
Unterdessen wetzten potentielle Herausforderer schon die Messer.
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Kapitel 8
Giftiger Stern
Das Schwebefahrzeug ähnelte einer ovalen Wanne, über die eine semitransparente Käseglocke
gestülpt worden war. In einem wuchtigen Aufsatz am Heck befanden sich die Antriebsaggregate.
Der Innenraum war groß genug, vier Personen Platz zu bieten. Hinter den drei unterschiedlichen
Männern kletterte Nicole Duval als letzte in den Schweber. Sie trug ihren eng anliegenden
schwarzen Lederoverall, den sie selbst gern als ihren Kampfanzug für besondere Einsätze
bezeichnete.
Stumm beobachtete Zamorra den kleinen, hageren Mann, der sich an den Bedienungseinrichtungen
des Fahrzeugs zu schaffen machte. Zamorra konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Al
Cairo erreicht hatte, was er wollte. Nämlich, dass die Gefährten ihn begleiteten. Was er ihnen als
Preisgeld versprach, wollte er selbst ebenfalls haben, nämlich die Informationen über die
Vergangenheit der Ewigen.
Das war merkwürdig. Wenn er so scharf darauf war, konnte das nur bedeuten, dass die Ewigen
zumindest Teile ihrer eigenen Geschichte selbst nicht kannten. Andererseits war das nicht so
verwunderlich, wie es sich zunächst anhörte. Denn da deren Historie schätzungsweise eine halbe bis
eine dreiviertel Milliarde Jahre in die Vergangenheit zurückreichte, waren fraglos die Erinnerungen
an viele Dinge verloren gegangen. Bei solchen Zeiträumen blieb das gar nicht aus.
Doch wer besaß Informationen aus dieser Zeit über die Ewigen, über die sie selbst nicht verfügten?
Und wo wurden sie aufbewahrt? Al Cairos Andeutung, dass sie nicht so ohne weiteres zugänglich
waren, klang nicht nach einem bevorstehenden Spaziergang. Er brauchte Unterstützung, um sie aus
ihrem Versteck zu holen. Dass er sich dabei nicht auf die Unterstützung anderer Ewiger verließ, war
auch nicht so ungewöhnlich, dass Zamorra sich darüber gewundert hätte. Es war kein Geheimnis,
dass deren interne Machtkämpfe wahrscheinlich so alt waren wie die Dynastie selbst.
Dennoch ließ ihn die Frage nicht los. Was würden sie bei Zeta Reticuli vorfinden?
»Mach nicht so ein mürrisches Gesicht, Zamorra«, sagte Ted Ewigk, als der Schweber mit leise
summendem Antrieb vom Boden abhob und Chateau Montagne hinter sich ließ. Er flog mit
geringer Geschwindigkeit in südlicher Richtung. »Es wird schon schief gehen. Ich kenne Al gut
genug, um ihm bedingungslos zu vertrauen.«
Zamorra beobachtete das einsam daliegende Land unter dem niedrig fliegenden Fahrzeug. Wenn
jetzt ein Landwirt von seinem Feld aufschaute und es sah, würde sich die Regenbogenpresse wieder
mit Meldungen über angebliche UFO-Sichtungen überschlagen.
»Wenn Cairo uns nicht so im Ungewissen ließe, könnten wir ihm vielleicht auch vertrauen«, warf
Nicole ein. »Oder hat er Angst, wir könnten es uns im letzten Moment anders überlegen?«
»Angst?« Al Cairo gab einen amüsiert klingenden Laut von sich. »Ich werde aus den Gaianern nicht
schlau. Bei ihrer Wissbegierde und ihrer Unternehmungslust verstehe ich nicht, dass sie nicht längst
in den Weltraum aufgebrochen sind und ein eigenes Sternenreich gegründet haben. Und mit
Aufbruch ins Weltall meine ich nicht die Erkundung des eigenen Mondes und ein paar unbemannte
und nicht besonders erfolgreiche Ausflüge zum nächsten Planeten.«
»Vielleicht liegt uns nichts an der Errichtung eines Imperiums nach dem Vorbild der DYNASTIE
DER EWIGEN«, hielt ihm Zamorra vor. »Wir müssen keine anderen Völker unterwerfen.«
»Was Sie nicht sagen, Professor. Haben Sie das auf Gaia nicht schon immer getan? Dann müsste ich
Ihre Geschichte aber gründlich missverstanden haben.«
Direkter Treffer, dachte Zamorra. Da konnte er Al Cairo angesichts der kriegerischen Entwicklung
auf der Erde nicht widersprechen. Ihm gefiel nicht, dass die Ewigen so viel mehr über die
Geschichte der Menschheit wussten als umgekehrt. Aber vielleicht war das anstehende
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Unternehmen dazu angetan, in dieser Hinsicht ein wenig Boden gutzumachen.
»Immerhin belassen wir das Unheil, das wir anrichten, in den eigenen Reihen und tragen es nicht in
die Galaxis hinaus.«
»Das sollten Sie aber vielleicht tun, wenn Sie überleben wollen.«
»Weil wir sonst ebenfalls der Dynastie zum Opfer fallen?«, fragte Nicole.
»Ich rede nicht von uns Ewigen, sondern von den Gai-anern selbst«, belehrte Al Cairo sie. »Aber
ich bin nicht Ihr Heilsbringer und habe keine Lust, Ihnen das zu erklären. Fragen Sie doch einfach
meinen alten Freund.«
Zamorra schaute Ted Ewigk verständnislos an. »Wovon redet er?«
»Vom unausweichlichen Untergang der Menschheit«, erklärte der ehemalige ERHABENE. »Es gibt
Strömungen bei den Ewigen, die überzeugt davon sind, dass unsere Tage auf der Erde gezählt sind,
wenn wir nicht ins Weltall ausweichen. Sieh dir unseren Planeten doch an.«
Zamorra winkte ab. »Ja, ja, mir ist schon klar, worauf er hinauswill. Wenn wir so weitermachen wie
bisher, werden wir an uns selbst ersticken. Wir sind drauf und dran, in ein paar Dekaden all das zu
zerstören, was wir in den wenigen Jahrtausenden geschaffen haben, seit Zeus sich von der Erde
zurückzog.«
Diese Argumentation war leider nicht von der Hand zu weisen, und Zamorra stimmte ihr sogar
weitgehend zu. Die Erde konnte beim bestehenden Tempo der Ausbeutung ihrer Natur und der
Umweltzerstörung, Massenverelendung und permanentem Kriegstreiben keine weiteren hundert
Jahre überstehen. Es war ein ziemlich schwarzes Bild der nächsten Zukunft, das sich für die
Menschheit abzeichnete, auch wenn die meisten es nicht wahrhaben wollten.
Für die Ewigen hingegen, die in ganz anderen Zeiträumen dachten und beobachteten und derlei
Entwicklungen schon häufig mitverfolgt hatten, war das aber möglicherweise viel offensichtlicher
als für die Menschen selbst, die alles dafür taten, die Folgen ihrer globalen Misswirtschaft zu
ignorieren oder gar zu verleugnen.
»Ich kann mir die Gedankengänge der überwiegenden Kräfte in unseren Reihen durchaus
vorstellen«, sagte Al Cairo. »Selbst wenn sie Wert darauf legen sollten, eines Tages auch Gaia unter
ihre Kontrolle zu bekommen, brauchen sie dies nicht mit Gewalt anzustreben. Sie können einfach
abwarten, bis sich das Problem der Anwesenheit der Gaianer von allein erledigt und sie den
Planeten nicht mehr mit ihrer Präsenz verunreinigen.«
»Verunreinigen? Über wie viel Arroganz verfügen Sie eigentlich noch?«
»Nur keine Aufregung, meine Liebe. Das sind doch nicht meine Überlegungen.« Die heftige
Attacke perlte an Al Cairo ab wie Wassertropfen von einer imprägnierten Wetterjacke. »Sie
stammen von den Fürsprechern für die Ausdehnung des Imperiums.«
»Zu denen Sie natürlich nicht gehören«, provozierte Nicole ihn. »Sie haben kein Interesse an der
Erde?«
»Ich versuchte bereits, Ihnen klarzumachen, dass ich einer derjenigen bin, die gegen wreitere
Eroberungen sind. Es ist meine Schuld, dass ich nicht in der Lage bin, auch Ihnen das begreiflich zu
machen. Vielleicht versuchst du es mal in einer ruhigen Stunde, wenn du viel Zeit hast, Ted.«
»Schon gut, Nicole. Al meint es nicht so«, beeilte sich Ewigk zu sagen. Er wusste genau, wie leicht
es seinem alten Weggefährten fiel, jemanden mit seinen herablassenden Bemerkungen zur Weißglut
zu treiben. Und Cairo meinte es immer genau so, wie er es sagte. »Wichtig ist doch, dass Al nicht zu
den Falken unter den Ewigen gehört. Wenn wir ihn, und damit die gemäßigten Kräfte, gegen die
Scharfmacher in der Dynastie unterstützen, kann das nur zu unserem Vorteil sein.«
Hoffentlich, dachte Zamorra.
Aber eine Garantie gab es dafür nicht. Denn nicht nur politische Falken verfolgten einen
bestimmten Kurs, sondern auch die Tauben.
Unter ihnen blieb ein kleines Waldstück zurück, an dessen Rand Al Cairo den Schweber tiefer
drückte. Zamorra kannte die abgeschiedene Gegend. Kein Mensch hielt sich hier auf.
An den meisten Tagen jedenfalls nicht.
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Heute jedoch war alles anders. Eine sensationslüsterne Menschenmenge hatte sich eingefunden.
Zamorra entdeckte die Übertragungswagen verschiedener Rundfunk-und Fernsehanstalten.
Schreie wurden laut, als der Schweber über den Bäumen auftauchte, und sämtliche Köpfe drehten
sich in seine Richtung. Plötzliche Hektik setzte ein, und Bewegung kam in die lauernden
Kamerateams, die entweder auf den Besuch eines lebensbedrohlichen, unüberwindlichen Ali-ens
spekulierten oder auf die Notlandung eines hilflosen, kleinen Außerirdischen, der auf der Suche
nach einem Telefon war, weil er sein Handy verloren hatte, mit dem er aus der Umlaufbahn
eigentlich nur Fotos hatte machen wollen.
»Was hat denn dieser Aufmarsch zu bedeuten?«, stöhnte Zamorra entsetzt. »Konnten Sie nicht
etwas unauffälliger bleiben?«
»Ich hielt die Gegend für unauffällig genug«, antwortete Al Cairo ungerührt, während er das
Raumschiff ansteuerte, um das sich die Menschenmenge gebildet hatte. »Da habe ich mich wohl
getäuscht. Aber Sie sind doch fremde Raumer gewöhnt, Professor.«
»Ich ja, und Nicole und Ted auch, aber doch nicht der Großteil der Menschheit.«
»Aber sie hat, nicht zuletzt durch Ihre Aktivitäten, zumindest davon gehört. Die Zeiten, in denen die
Gaianer noch verklärt von kleinen grünen Männchen sprachen, sind doch längst passe. Heute
wissen sie, dass es Außerirdische gibt, und die, die noch immer nicht daran glauben, werden auch
meinen Jäger ignorieren und gleichgültig weiterschlafen.«
»Aber man muss auch niemanden mit der Nase darauf stoßen«, sagte Nicole angesichts der zu
erwartenden Schlagzeilen, auf die sie ebenso wenig Wert legte wie Zamorra. »Zumindest ist das
nicht Ihre Aufgabe.«
»Die Gaianer werden es verkraften. Spätestens wenn ein neuer Superstar gesucht wird oder die
wirklich wichtigen Stars der Gaianer aus irgendeinem Dschungel geholt werden müssen, ist das hier
längst vergessen.«
»Er ist nicht ganz bei Trost«, raunte Nicole Ted Ewigk zu. »Ich bleibe dabei, auch wenn ihr euer
Blut ausgetauscht habt.«
Ewigk grinste. »Interessante Vorstellung, aber ich glaube nicht, dass wir kompatibel sind, auch
wenn wir uns rein äußerlich stark ähneln.« Er wandte sich an Al Cairo. »Wieso kommen die
Menschen eigentlich nicht näher?«
»Weil ich ein undurchdringliches Kraftfeld initiiert habe. Du kennst sie doch besser als ich. Die
hätten meinen Jäger ansonsten bis auf die Grundstreben demontiert.«
»Du hättest ebenfalls ein Deflektorfeld aufbauen sollen. Dann gäbe es diesen Auflauf nicht.«
»Das ist nicht mein Problem. Mit Blicken können die Gaianer nichts entwenden, was ihnen nicht
gehört.«
In dem 180 Meter durchmessenden Ringschiff öffnete sich ein Hangartor, in das Al Cairo den
Schweber dirigierte. Sanft setzte er auf einem Antischwerkraftfeld auf, und das Summen des
Antriebs erstarb. Augenblicklich schloss sich die entstandene Öffnung wieder.
»Willkommen an Bord der CAIRO«, sagte der hagere Mann.
Hinter ihm begaben sich Zamorra, Nicole und Ted
Ewigk in die Lenkzentrale des Ringraumers, der sich kurz darauf rotierend in die Luft erhob und
eine johlende Menschenmenge unter sich zurückließ.
Zamorra schaute sich aufmerksam in der Lenkzentrale des dunkel schimmernden Rings um, der
sich mit einer Irrsinnsgeschwindigkeit durchs All bewegte und dabei weiter beschleunigte.
Schwarzgekleidete Cyborgs bedienten die Kontrollinstrumente, während Al Cairo sie von einem
erhöhten Sichtplatz auf einer schwebenden Plattform beobachtete. Er gab ihnen keine einzige
Anweisung, also wussten sie genau, was sie zu tun hatten.
Auf einem riesigen Plasmabildschirm, der in zahlreiche Rasterflächen unterteilt war, waren die
vorbei jagenden Sterne als verwaschene Lichtbänder zu sehen. Die Macht eines solchen Schiffes
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war für einen Menschen unvorstellbar, dabei war es noch ein Winzling gegen die Supra-Kreuzer
und Schlachtschiffe der Ewigen, von den gigantischen Sternenschiffen gar nicht zu reden.
»Finden Sie nicht, dass es langsam an der Zeit ist, uns etwas mehr über das Zeta Reticuli-System zu
verraten?«, fragte Nicole.
Langsam, als sei er in Gedanken ganz woanders gewesen, drehte Cairo den Kopf und sah seine drei
Passagiere der Reihe nach an. Seine eisgrauen Augen waren noch immer in weite Ferne gerichtet,
aber allmählich kam er wieder in die Wirklichkeit zurück. Er räusperte sich, als fühlte er sich bei
etwas Verbotenem ertappt.
»Dazu gibt es nicht viel zu sagen«, brummte er unwillig. »Es ist ein System mit sechzehn Planeten.
Nur der zweite, Ocron, ist für uns von Bedeutung. Dort finden wir nach meinen Informationen die
Daten.«
»Können wir dort atmen?«, fragte Ted Ewigk besorgt. »Ich möchte nicht gern in einem Raumanzug
über die Oberfläche einer öden Welt stolpern.«
»Mach dir keine Sorgen, es ist eine Sauerstoffwelt. Du wirst dich wie zu Hause fühlen, der Planet
ist nämlich ziemlich heruntergekommen, wie man hört.«
»Du scheinst eine Menge zu hören.«
»Natürlich, denn die Konkurrenz schläft nicht. Du kennst mich doch.«
»Eine Sauerstoffwelt?« Zamorra wunderte sich. »Haben die Ewigen nie versucht, Ocron zu
besiedeln?«
»Das ist nicht möglich. Wir könnten in diesem System nicht lange überleben. Zeta Reticuli ist ein
giftiger Stern.«
»Was meinen Sie mit giftig?«
»So giftig, dass nur Gkirr unter seinem Licht gedeihen können.«
»Gkirr?« Ted Ewigk war nicht begeistert. »Davon hast du nichts gesagt. Aber eigentlich hätten wir
auch von allein darauf kommen können.«
»Davon bin ich auch ausgegangen. Deshalb habe ich es nicht erwähnt. Aber es besteht kein Grund
zur Sorge. Die Gkirr ahnen nicht einmal, dass wir kommen. Außerdem werde ich unsere wertvollen
Leben doch nicht aufs Spiel setzen. Wofür gibt es denn Cyborgs?«
Zamorra schielte unauffällig zu den kybernetischen Wesen an den Kontrollpulten hinüber. Sie
zeigten mit keiner Regung, dass sie Al Cairos abwertende Bemerkung vernommen hatten. Zamorra
fragte sich, wie es in ihrem Inneren aussah, denn auch wenn sie künstlich gezüchtet worden waren,
besaßen sie doch so etwas wie Gefühle.
»Es gefällt mir nicht, dass Sie Ihre Cyborgs für unsere Sicherheit opfern wollen.«
»Ersparen Sie mir solche Gefühlsduseleien, Professor«, antwortete Al Cairo gelangweilt. »Oder
trauern Sie auch einer Made nach, die Sie zum Angeln auf Ihren Haken setzen?«
»Ich angle nicht«, erwiderte Zamorra bei dem Vergleich angewidert. Er betrachtete die Cyborgs
nicht wie Roboter, sondern wie Lebewesen. Es war schwer vorstellbar, dass sie etwas anderes
waren. Bis auf ihre einheitliche schwarze Kleidung unterschieden sie sich nicht von den Ewigen,
die sie geschaffen hatten.
Die CAIRO raste auf einen tiefroten Stern zu und bremste erst ab, als die Grenzen des Systems
erreicht waren. Im Schutz des Ortungsfeldes näherte es sich Ocron.
»Zahlreiche Einheiten der Gkirr werden angemessen«, meldete einer der Cyborgs. »Sie fliegen
Patrouille, besonders in der Nähe des zweiten Planeten.«
»Das ist schade. Ich hatte die leise Hoffnung, dass sie keine Schiffe im Raum haben.«
»Ist das ein Problem für uns?«, fragte Ted Ewigk.
»Das wird es werden«, bestätigte Al Cairo. »Wir kommen ihnen zu nahe. Trotz der Felder werden
sie uns anmessen. Außerdem schützt unser Ortungsschutz nicht gegen optische Sicht, und gegen
diese Übermacht können wir allein nichts ausrichten. Aber damit habe ich gerechnet.«
Der Kommandant des Ringraumers schickte einen vorbereiteten Funkimpuls ab. Er würde die
Daten bekommen, und wenn er das ganze System in Schutt und Asche legen musste. Wenige
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Minuten später kam die Verstärkung, auf die er gewartet hatte. Eintausend Raumschiffe der Ewigen
fielen aus dem Hyperspace und erzeugten einen gewaltigen Strukturaufriss, der im gleichen
Moment von den Gkirr angemessen wurde.
Al Cairo starrte auf den Plasmabildschirm, Ted ebenso.
»Also bist du inzwischen tatsächlich zum Alpha aufgestiegen«, folgerte der ehemalige
ERHABENE.
Der Kommandant antwortete nicht, sondern bereitete sich auf den Kampf vor.
»Es geht los.«
Die Armada herbeigerufener Cyborg-Schiffe hing wie Sprenkel im All.
»Ich übernehme die CAIRO«, gellte die Stimme ihres Kommandanten.
Zamorra fühlte sich hilflos, und seinen Begleitern ging es nicht anders. Es gab nichts, was sie tun
konnten. Sie waren dem ehrgeizigen Ewigen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie konnten sich
nicht einmal aus dem Ringschiff absetzen.
Ein Dutzend dunkler Schiffe der Gkirr jagte aus dem Schatten heran und eröffnete augenblicklich
das Feuer. Die sonnenheißen Energiestrahlen rasten lichtschnell auf die CAIRO zu, die ihrerseits
das Feuer auf die Angreifer eröffnete.
Al Cairo warf sie in eine Kurve, die sie wieder von dem Planeten wegbrachte. Wie ein Schatten
huschte sie vor ihren Verfolgern davon, dann brach hinter ihr ein Gewitter im Raum aus, als die
Flotte des Ewigen zuschlug.
Ein Gitter aus blassroten Laserstrahlen eilte durch die Schwärze, als unzählige Feuerbahnen nach
den Gkirr griffen. Eine Wand aus Ringraumern warf sich ihnen in den
Weg und empfing sie mit einem Feuersturm, in dem zwei dunkle Schiffe von jeweils fünfhundert
Metern explodierten, bevor sie auch nur an Gegenwehr denken konnten. Sie wurden zu rasch
expandierenden Wolken aus ionisiertem Gas, die im Nichts verwehten.
Sofort wichen die restlichen aus, denn sie begriffen, dass sie gegen diese Übermacht keine Chance
hatten, länger als ein paar Sekunden zu bestehen. Andererseits dachten sie auch nicht daran zu
fliehen. Sie zogen sich zurück und spielten auf Zeit, die ihre zwischen den Planeten
patrouillierenden Kameraden brauchten, um sich zu orientieren und in die Kämpfe einzugreifen.
Binnen einer Minute war der Raum voll von ihnen. Sie formierten sich ober- und unterhalb der
Bahnebene der Planeten.
Die Cyborg-Schiffe verschwendeten keine Sekunde, sondern griffen mit allem an, was sie
aufzubieten hatten. Das All war erfüllt von hin- und hereilenden Feuerlanzen, die schneller waren,
als ein menschliches Auge folgen konnte. Da waren die unheimlich schnellen Cyborgs den Gkirr
gegenüber im Vorteil, doch das konterkarierten deren computerunterstützte Waffenleitsysteme.
Ringsum gingen kleine Sonnen auf und erloschen wieder, wenn unter konzentriertem Beschuss ein
Schutzschirm zusammenbrach und das verletzliche stählerne Gebilde in seinem Inneren der
Vernichtung preisgab. Jedes Mal fragte sich Zamorra, wie viele Leben in diesem winzigen
Sekundenbruchteil schlagartig geendet hatten oder wie viele Cyborgs vernichtet worden waren.
Die CAIRO hielt sich zurück, wurde von den Gkirr aber nicht übersehen. Ein Schatten von der
Größe eines Berges schob sich auf sie zu. Meterdicke Energiebahnen lösten sich aus seinem Leib
und schufen verwirrende Lichtreflexe auf der schwarzen Hülle.
»Al!«, schrie Ted Ewigk auf, aber da hatte der Kommandant schon reagiert. Der Ringraumer sprang
dem verzehrenden Feuer entgegen und warf sich aus der Bahn. Irrlichternd streiften die Strahlen
seinen Schutzschirm und wurden abgelenkt, ohne Schaden anzurichten.
Al Cairo stieß einen Fluch aus. Anscheinend wurde selbst ihm die Sache jetzt zu heiß, zumal die
Ewigen sich in solchen Situation eher als Feiglinge denn als Helden präsentierten. Schließlich
hatten sie ihre Cyborgs, die für sie die Kastanien aus dem Feuer holten.
»Zwei oder drei Treffer von diesem Kaliber, und die Schirme verabschieden sich.«
»Dann sollten Sie aufpassen, dass wir eben nicht getroffen werden.«
Der Ewige warf Nicole einen beiläufigen Blick zu. »Was glauben Sie, was ich hier tue. Aber es
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nützt nichts, wir müssen näher an Ocron heran.«
»Die Gkirr erhalten weitere Unterstützung«, meldete einer der Cyborg die Anzeigen von seinem
Kontrollpunkt. »Mehrere hundert Schiffe nähern sich aus dem interstellaren Raum.«
»Ich verstehe nicht, von wo die Gkirr die so schnell herbeigeordert haben.«
»Völlig unwichtig. Jedenfalls sind sie da. Du solltest dir etwas einfallen lassen, Al, bevor wir ins
Hintertreffen geraten.«
»Das werde ich«, versicherte Cairo und trieb sein Schiff weiter von dem Kampf und dem schwarzen
Schatten weg, bis es über die Bahn des dritten Planeten hinausjagte, als wollte es scheinbar aus dem
System fliehen.
Auf den Rasterflächen des Bildschirm lösten sich die Ausschnittvergrößerungen in rascher Folge
ab. Cairo wartete, bis er sicher war, dass der riesige Gkirr-Raumer ihm nicht folgte, dann zog er sein
Ringschiff in einem weiten Bogen zurück und näherte sich dem zweiten Planeten von einer anderen
Seite.
Der ganze Weltraum war ein einziges Lichtermeer. Erfolglos versuchte Zamorra sich anhand der
Bilder einen Eindruck zu verschaffen. Bei dem pausenlosen Aufflammen der Geschützbatterien und
den grellen Explosionen ließen sich die Gegner nicht mehr unterscheiden.
»Wenn wir erwischt werden, kriegen wir es nicht mal mehr mit«, befürchtete Nicole.
»Keine Sorge«, beruhigte Al Cairo sie mit ätzendem Sar-kasmus. »Ein bisschen Zeit bleibt immer.
Auch im Weltall stirbt man nicht so schnell.«
Aber auch Zamorra kam immer mehr zu der Erkenntnis, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf
diese Mission einzulassen.
Plötzlich drehte die CAIRO ab. Ein harter Ruck ging durch das Schiff, als sie sich nach vorn warf.
Rasend schnell wurde Ocron größer und sprang sie an wie ein Panther seine Beute. Bevor Zamorra
richtig begriff, was geschah, jagte ein Strom Ringraumer durch eine Ausschnittvergrößerung.
»Drei Schiffe der Gkirr!«
»Egal. Die Cyborgs schirmen uns ab.« Der Ewige achtete nicht mehr darauf, was um die CAIRO
herum geschah. Sein Blick war fest auf den Planeten gerichtet. Seine Hand schwebte über einer
Taste für ein Notmanöver. Sobald sich ein direkter Treffer im Schutzschirm verfing, würde er sie
auslösen.
Doch nichts geschah. Die CAIRO jagte durch Ocrons Atmosphäre, ohne getroffen zu werden.
Hinter ihr stürzten sich zwei Dutzend Cyborg-Schiffe auf die drei Verfolger und vernichteten sie mit
vereinten Kräften. Sofort drehten sie ab und warfen sich den nächstpositionierten Gkirr entgegen,
bevor die merkten, dass einem der Raumer der Durchbruch gelungen war.
»Abbremsmanöver!«, stieß der Ewige aus. »Vektor auf im Rechner verankertes Ziel ausrichten!«
Bis zuletzt rechnete er damit, dass ihm Abwehrfeuer von Ocron entgegenschlug, aber anscheinend
gab es keine planetengestützten Abwehrforts, wie die Ewigen sie auf vielen ihrer Welten errichtet
hatten. Vielleicht war Ocron einfach zu unwichtig. Al Cairo konnte sich sogar vorstellen, dass die
meisten der hier stationierten Gkirr selbst nicht mehr wussten, welch brisante Daten in ihren
Speichern verborgen waren.
Die Cyborgs übernahmen wieder die Kontrolle über die Bordsysteme, während die Raumschlacht
zwischen den Planeten immer heftiger tobte.
Der Ewige war zufrieden. Eine gigantische Raumschlacht mit riesigen Zerstörungen und
zigtausendfachem Tod — eine bessere Ablenkung konnte es gar nicht geben.
Der schlanke Turm ragte einen halben Kilometer in die Höhe, war aber anscheinend ursprünglich
noch viel größer gewesen. Seine Spitze fehlte, als sei sie abgebrochen. Zamorra betrachtete die
Trümmerstücke, die in einem Umkreis von mehreren hundert Metern verstreut waren. »Sie müssen
schon Vorjahren hier unten eingeschlagen sein«, vermutete er. Teilweise blockierten sie sogar eine
ebene Rampe, die sich zwischen den dichtgedrängten Bauwerken hindurchschlängelte. Sie sah aus
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wie eine Straße für Bodenfahrzeuge. »Aber niemand macht sich die Mühe, sie wegzuräumen.«
»Da drüben sieht es nicht anders aus«, pflichtete Nicole bei, als sie im Schutz einer flachen Mauer
herangehuscht kam. »Anscheinend ist den Gkirr der Zerfall dieser Welt gleichgültig.«
Al Cairo las Daten von einem kleinen silbernen Kasten ab, den er bei sich trug und nicht aus der
Hand legte.
»Ist es das, was du mit heruntergekommen meintest, Al?«, fragte Ted Ewigk.
»Meine Informationen sind schon älter, aber so schlimm habe ich mir die Zustände nicht vorgestellt.
Offenbar hat sich die Lage auf Ocron dramatisch verschlimmert.«
»Dann sollten wir zusehen, dass wir so schnell wie möglich ... na, wohin auch immer kommen. Bist
du sicher, dass du den richtigen Weg kennst?«
Anstelle einer Antwort kletterte der Ewige in seinen Schweber, und die Gefährten folgten ihm.
Zwar hätte er seinen Jäger am liebsten nicht verlassen, aber der war zu groß und kam nicht durch
die Häuserschluchten. Allerdings hatte er ihn diesmal so getarnt, dass niemand ihn entdecken
konnte.
Doch wer sollte das tun? Kein einziger Gkirr ließ sich auf der Straße blicken.
Al Cairo steuerte den Schweber dicht an der Häuserwand, die Straße so wie die Eingänge ständig
im Auge behaltend. Notfalls konnte er in Sekundenschnelle auf eine kleine Armee zurückgreifen.
Die Cyborgs waren am Boden unterwegs und machten sämtliche Bewegungen des Schwebers mit.
Nicole gefiel die unheimliche Stille überhaupt nicht. »Keine Gkirr. Diese Stadt ist wie
ausgestorben. Ich frage mich, wo sie alle geblieben sind.«
»Vielleicht tatsächlich ausgestorben.«
»Und was ist mit den Gkirr in den Raumschiffen? Denkst du, kein einziger von denen lebt auf
diesem Planeten?«
Die Widersprüche kamen Zamorra ebenfalls seltsam vor. Wenn die Daten, von denen Al Cairo
angeblich erfahren hatten, wirklich so brisant waren, wieso wurden sie dann auf einer zerfallenden
Welt gelagert? Die einzige Erklärung war, dass die Gkirr Ocron aus einem unbekannten Grund
aufgegeben und die Daten längst vergessen hatten.
Doch wozu sicherten sie das Zeta Reticuli-System dann mit Kriegsschiffen?
»Können Sie sich vorstellen, dass hier eine Seuche ausgebrochen ist?«, wandte er sich an den
Ewigen.
»Möglich, aber ich weiß es nicht. Wenn ich geahnt hätte, was uns hier erwartet, hätte ich eine
Abteilung Cyborgs als Vorauskommando losgeschickt, um die Lage zu sondieren.« Doch nun waren
sie hier, und es war unsinnig, wieder umzukehren. Dass die Cyborgs die Daten allein sicherstellten,
war eine Vorstellung, die ihm nicht gefiel. Zwar kamen sie nicht gegen die Programmierungen ihrer
Erinnerungsspeicher an, aber ihm behagte die Vorstellung nicht, dass sie selbstständig operierten,
wenn es um soviel ging.
Der Ewige verzögerte den Schweber. Vor ihnen ging es nicht weiter. Der Weg war durch ein
eingestürztes Gebäude versperrt. Die Trümmer erhoben sich wie Berge in die Höhe.
»Wir könnten darüber hinweg fliegen«, überlegte Ted. »Aber da oben kann man uns wie Tontauben
abschießen.«
Al Cairo instruierte die Cyborgs über Funk, die Spitze zu übernehmen und sicherzustellen, dass
hinter den Trümmern keine Gkirr lauerten. Sie schwärmten aus und kletterten über das Hindernis.
In diesem Moment riss ein Energiestrahl, der aus der Höhe kam, den Schweber aus seiner Bahn.
Vierzig Cyborgs suchten nach einem Ziel und eröffneten das Feuer.
Krachend bohrte sich der Schweber in die Trümmer und kam mit einem Ruck zum Stehen.
Unkontrolliert und Flüche ausstoßend, purzelten seine Insassen durcheinander. Al Cairo nahm eine
Reihe von Schaltungen vor, ohne dass etwas passierte.
»Ich bekomme den Schweber nicht mehr frei«, verkündete der Ewige. »Wir sitzen fest.«
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Nicole griff nach dem E-Blaster, der an der Magnetplatte an ihrem Gürtel befestigt war, und zückte
ihn. Auch Zamorra und Ted Ewigk zogen ihre Waffen. Mit Dhyar-ra-Kristallen oder Zamorras
Amulett konnten sie gegen Angreifer mit Strahlenpistolen nichts ausrichten. Hier half nur handfeste
Verteidigung.
»Also raus hier und weiter auf Schusters Rappen«, entschied Zamorra. »Oder kehren wir zur
CAIRO zurück?«
Der Ewige dachte kurz nach. »Auf keinen Fall. Das würde einem Aufgeben gleichkommen, und
dazu bin ich nicht bereit.«
Zamorra hatte nichts anderes von dem ehrgeizigen Mann erwartet. Selbst wenn sie umkehrten, um
einen anderen Schweber aus dem Ringschiff zu holen, brachte das einen zu großen Zeitverlust mit
sich. Auch wenn der Ewige seine Flotte im Weltraum über Funk erreichen konnte, wusste keiner
von ihnen, was dort oben gerade geschah. Außerdem stand nicht fest, wie lange die Kämpfe
anhielten, bis die Gkirr auf die Idee kamen, dass sie dazu dienten, einem Schiff die unbemerkte
Landung auf Ocron zu ermöglichen.
Noch hatten sie die CAIRO nicht bemerkt, aber das konnte sich jederzeit ändern. Zamorra legte
keinen Wert darauf, hier unten von riesigen Raumschiffen angegriffen zu werden. So verfallen wie
die Stadt aussah, würden die Gkirr sich auch mit schwerem Beschuss nicht zurückhalten.
»Welche Richtung, Cairo?«, fragte Nicole. »Diese Trümmerhalde könnte beim Drüberklettern ins
Rutschen geraten.«
»Uns bleibt keine Alternative, als sie auf dieser Seite zu umgehen.« Der Ewige streckte einen Arm
aus und zeigte zu einem länglichen Artefakt, das an eine zerflossene Amöbe erinnerte. Zahlreiche
blaue Linien bildeten wirre Muster in der semitransparenten Oberfläche, die wie eine Mischung
zwischen Glas und Kunststoff aussah.
Zamorra spähte in die Richtung, aus der der Schweber abgeschossen worden war. Es gab dort in der
Fassade eine Menge ovaler Aussparungen. Der Schuss hätte aus jeder von ihnen kommen können,
und die Wahrscheinlichkeit, dass sich unsichtbare Heckenschützen dahinter verbargen, war ziemlich
groß.
Eine heftige Entladung, die aus einer der Öffnungen kam, schleuderte Gestein und allerlei
unkenntliche Dinge ins Freie. Dichter Qualm trat heraus und stieg an der Fassade in die Höhe.
»Meldung!«, verlangte Al Cairo über Funk.
»Hier oben waren mehrere Personen«, kam die prompte Antwort. »Zweifellos Gkirr. Sie haben sich
zurückgezogen, als wir eine Wand sprengten.«
»Sucht sie und tötet sie«, befahl der Ewige. »Wenn sie schon vor uns sind, will ich nicht auf einmal
auch noch welche im Rücken haben.«
»Verstanden, Herr.«
An verschiedenen Stellen huschten Gestalten zwischen den Gebäuden umher. Zamorra erkannte sie
als Cyborgs, die systematisch einen Meter nach dem anderen sicherten, aber mit einem solchen
Trugschluss begab man sich schnell auf dünnes Eis.
In Lagen wie dieser bestand stets die Gefahr, dass ein Teil der Angreifer die vorrückende Gruppe
umging und unversehens wieder auftauchte. Doch er vertraute auf die hochempfindlichen Sensoren
und die ungeheuer schnellen Reflexe der Cyborgs.
Es gelang ihm einfach nicht, sich an deren Anblick zu gewöhnen. Sie erschienen ihm wie perfekte
Epigonen der Men in Black aus dem gleichnamigen Hollywood-Film.
»Dann mal los«, sagte Ted Ewigk. »Bevor wir hier Wurzeln schlagen.« Er duckte sich und rannte
los, als plötzlich ein singender Ton in der Luft lag. Ein blendender Energiestrahl zischte heran und
verfehlte ihn um einen Meter.
Zamorra und Nicole rissen ihre E-Blaster in die Höhe und erwiderten das Feuer im Paralyse-Modus,
was Ted die nötigen Sekunden verschaffte, die er brauchte. Die flirrenden, blauen Blitze aus ihren
Waffen verästelten sich, während sie die Wand bestrichen, und es gab die typischen trockenen
Knack-Geräusche.
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»Wozu die unnötigen Umstände?«, kommentierte Al Cairo, der seinen Blaster ebenso wie die
Cyborgs auf tödlichen Laser-Modus geschaltet hatte. »Je mehr Gkirr wir umbringen, desto besser
für die Galaxis.«
Desto besser für die Ewigen, dachte Zamorra sarkastisch. Allerdings hatte der Paralyse-Modus den
Nachteil, nur zwanzig Meter weit zu wirken. Zu wenig in diesem Fall, wie sich zeigte, und ihm
blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls die nadelfeinen Hochenergiestrahlen zu verwenden.
Er vernahm einen gequälten Aufschrei, konnte den Absender aber nicht lokalisieren. Die
Waffengeräusche verstummten, und gemeinsam lief er mit Nicole und dem Ewigen zu Ted hinüber.
Die Cyborgs waren weiter ausgeschwärmt. Von ihnen war nichts zu sehen, was Zamorra erstaunte.
Ihre oberste Pflicht war der Schutz der Ewigen. Dass sie Al Cairo nicht strenger bewachten
widersprach dieser Priorität. Zamorra sprach Cairo darauf an.
»Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen«, erklärte der hagere Mann. »Die Cyborgs
haben ihre Befehle und brauchen sich um mich nicht zu kümmern.«
»Erstaunlich«, stichelte Nicole, die mit dem Alpha nicht warm werden konnte. »Bei der
sprichwörtlichen Zurückhaltung der Ewigen kann ich das gar nicht glauben.«
»Al ist nicht wie die meisten Ewigen«, mischte sich Ted ein. »Er hat nicht diese übertriebene Angst,
von der du sprichst. Für einen Alpha wäre das auch fatal, dann würde nämlich keiner wagen, jemals
einen ERHABENEN zum Zweikampf auf Leben und Tod herauszufordern.«
Das mochte alles stimmen, änderte aber dennoch nichts an der zynischen Einstellung, die auch
Cairo den Cyborgs gegenüber hatte. Zamorra verzog das Gesicht. »Schön, dass wir das auch geklärt
haben. Ihr solltet weniger reden und euch dafür mehr den Gkirr widmen, sonst erwischen sie uns
nämlich wirklich.«
Ein paar Meter weiter explodierte etwas mit donnerndem Getöse und bestätigte seine Worte.
»Köpfe runter!«
Gestein spritzte in alle Richtungen davon und trieb die kleine Gruppe in Deckung. Zamorra spähte
hinter einem moosbewachsenen Quader hervor und entdeckte einen kleinen Krater, der eben noch
nicht da gewesen war. Unter dem eingestürzten Straßenbelag gähnte ein Loch, aus dem uralte
Leitungen traten. Ihre durch die Wucht der Explosion in Stücke gerissenen Enden schwankten sacht
wie die Köpfe einer Hydra.
Weiter vorn wurden die Cyborgs in ein heftiges Feuergefecht verwickelt. Sie handelten wie ein
Mann. Wenn einer ein Ziel ausgemacht hatte und darauf schoss, folgten gleich mehrere weitere
Strahlen, die einem Angreifer keine Chance ließen, dem sonnenheißen Inferno zu entkommen, das
das Mauerwerk zerschmolz.
Al Cairo setzte sich in Bewegung, ohne auf seine Begleiter zu achten. Zamorra gab Nicole und Ted
ein Zeichen, ihm zu folgen. Wenn sie Cairo verloren, würden sie ihn nur durch einen Zufall
wiederfinden, und er war der einzige, der den Weg kannte. Beiläufig warf Zamorra einen Blick in
den entstandenen Krater. In der Tiefe gab es einen Tunnel, durch den Wasser floss.
Sie umgingen das Hindernis weiträumig und hatten danach den Eindruck, überall huschende
Bewegungen tu sehen. Auch wenn die Stadt einen verlassenen Eindruck machte, waren es
anscheinend nicht wenige Gkirr, die noch in ihr lebten. Oder spielten ihm seine Sinne lediglich
einen Streich? Zamorra fragte sich, wie viele Gkirr sich in dem unüberschaubaren Labyrinth aus
Gebäuden versteckten.
Was war aus den anderen geworden? Die Dimensionen der Stadt verrieten Zamorra, dass es sich
einmal um eine Megalopolis mit Millionen voh Einwohnern gehandelt haben musste. Was war nur
mit ihnen geschehen? Wieso und wohin waren sie, bis auf einige Ausnahmen, verschwunden?
Er versuchte einen der Gkirr genauer zu erkennen, aber sie blieben nicht mehr als undeutliche
Schemen. Ihr eigenartiges Verhalten gab ihm Rätsel auf. Wenn er es nicht besser gewusst hätte,
wäre er zu dem Schluss gekommen, sie seien scheu und hätten Angst vor Fremden. Dabei gehörten
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sie einem mächtigen Sternenvolk mit einem viele Sonnensysteme umfassenden Reich an, das sich
seit unerdenklichen Zeiten mit den Ewigen im Krieg befand.
Vielleicht war das die Erklärung für den Zustand Ocrons. Möglicherweise hatten die Cyborg-
Armeen der Ewigen das abgelegene Zeta Reticuli-System und speziell Ocron angegriffen und die
Gkirr daraus vertrieben. Die wenigen, die sich noch hier aufhielten, mochten in den Wirren
vergessen worden sein. Doch wenn Zamorra länger darüber nachdachte, erschien ihm diese
Erklärung nicht besonders einleuchtend. Die Dynastie machte keine halben Sachen, und Rücksicht
kannte sie schon gar nicht.
Bei einem Angriff wäre hier viel mehr verwüstet worden. Stattdessen erkannte Zamorra
überwiegend Spuren natürlichen Verfalls.
»Unheimliche Atmosphäre«, sagte Nicole, die seine Gedankengänge zu erahnen schien. »Man
wünscht sich unwillkürlich, dass plötzlich ein Gkirr vor einem steht, den man nach dem Weg fragen
kann.«
Zamorra lächelte, aber auch ihm kam die Situation bizarr und unwirklich vor. Die weiträumigen
Gebäudekomplexe vermittelten den Anschein, nur Staffage zu sein. Übrig gebliebene Kulissen
eines Films, der längst abgedreht war.
Die Gruppe schloss etwas zu den Cyborgs auf, die auf breiter Front vorrückten, wobei sie jede sich
bietende Deckung geschickt ausnutzten. Immer wieder blitzte Geschützfeuer auf, und
Energiestrahlen verloren sich zwischen den Trümmern. Die Cyborgs schössen jedes Mal massiv
zurück und schlugen die offenbar einzeln operierenden Angreifer mit geballter Schlagkraft zurück.
Die Bauweise der Gkirr war bestimmt von weichen Formen lind fließenden Übergängen. An vielen
Stellen entdeckte Zamorra Artefakte ähnlich dem, das ihn an eine Amöbe erinnert hatte. Manche
davon waren an die hundert Meter hoch und bildeten eine harmonische Einheit mit den sie
umgebenden Gebäuden. Vielleicht waren es ebenfalls welche, wenn auch nicht nach irdischem
Verständnis.
Al Cairo hetzte einfach weiter. Mit den Cyborgs vor sich schien er sich sicher zu fühlen. Nur wenn
sie sich gegen die Gkirr zur Wehr setzen mussten, hielt er inne, um sich zu orientieren. Gelegentlich
änderte er danach unwesentlich die Richtung.
»Dafür dass du noch nie hier warst, ist deine Wegbeschreibung erstaunlich genau«, raunte Ted
Ewigk ihm zu. Das fand Zamorra auch. Der Ewige kannte sich gut aus, fast zu gut. Er bedauerte es
nicht, denn so blieb ihnen die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen erspart.
Nach einer Weile weitete die Straße sich zu einem offenen Platz, der von monolithartigen Säulen
bedeckt war. Wie knöcherne, graue Finger wuchsen sie in die Höhe und trugen eine silbern
schimmernde Kuppel, die von Dutzenden Stacheln bedeckt war.
»Das könnten Antennen sein«, überlegte Ted, während die Gruppe hinter einer Bodenerhebung
verharrte. Selbst von unten war zu erkennen, dass viele der Stacheln abgeknickt waren und wie
verdorrte Äste wirkten.
»Es muss dort einen Abstieg zu den subplanetaren Einrichtungen geben«, sagte Al Cairo. Er
schätzte die Entfernung zu den nächstgelegenen Säulen. »Das sind knapp hundert Meter freies Feld,
die wir überbrücken müssen, aber uns bleibt keine andere Wahl.«
Er instruierte die wartenden Cyborgs, die sich daraufhin sofort nach rechts und links verteilten.
Zamorra beobachtete sie, als sie leichtfüßig ausschwärmten. Sie bewegten sich schnell und
geschmeidig wie Gazellen.
»Den Marsch hätten wir uns sparen können. Es wäre ein Leichtes gewesen, mit der CAIRO
herzukommen.«
»Zu landen aber nicht.« Der Ewige deutete nach vorn. »Oder hätte ich die Stelen
zusammenschmelzen sollen?«
»Sie sind doch sonst nicht so zimperlich«, hielt Nicole ihm vor.
»Es sieht nicht so aus, als ob dort vorne Gkirr lauern.« Zamorra hielt vergeblich nach Bewegungen
Ausschau. Allerdings konnte sich hinter den Säulen eine kleine
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Armee verschanzen. Doch das hätte wiederum bedeutet, dass die Gkirr wussten, wohin die Fremden
wollten. »Gibt es keinen anderen Weg?«
»Dann hätte ich ihn gewählt.«
»Dann also los.« Einmal mehr war es Ted Ewigk, der vorausstürmte. Mit eingezogenem Kopf und
schussbereitem E-Blaster rannte über den von spärlichem Bewuchs bedeckten Untergrund. Den
anderen blieb gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. An Nicoles Seite spurtete Zamorra los.
Wütendes Geschrei setzte ein, als er etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatte.
Die Gkirr warteten nicht auf sie, sondern kamen von hinten.
Neben Zamorra ging ein niedriger Busch in Flammen auf und entlockte Nicole einen entsetzten
Aufschrei. Unversehens war die Luft um sie herum von Laserbahnen erfüllt. Instinktiv wollte
Zamorra sich umdrehen, um das Feuer zu erwidern, aber das hätte ihn nur wertvolle Zeit gekostet.
Er konnte nur hoffen, nicht in den Rücken getroffen zu werden. Er fiel in einen hektischen Zick-
Zack-Lauf und sah aus den Augenwinkeln, dass Nicole den gleichen Gedanken gehabt hatte.
Von vorn und den Seiten jagten die Cyborgs wie Schatten heran. Die tödlichen Strahlen aus ihren
Blastern fegten zwischen den Gefährten hindurch und griffen nach den Gkirr.
Gegen seine Absicht warf Zamorra den Kopf herum, ohne langsamer zu laufen. Eine
unüberschaubare Horde von Gkirr spülte auf den freien Platz und lief genau in die Schussbahnen
der Cyborgs, die sie gnadenlos niedermähten. Als schreiende Fackeln stürzten Gkirr aus vollem
Lauf zu Boden und überschlugen sich.
Der kurze Blick reichte Zamorra, um ihr Bild vollständig in sich aufzunehmen. Er kannte die
kleinen, dünnen Wesen mit ihren proportional zu großen Köpfen. Die silbernen Uniformen, die sie
trugen, waren alt und zerschlissen. Einigen Gkirr hingen sie schlotternd um die dürren Körper.
Sofort war Zamorra klar, woher er diese Wesen kannte. Schon andere Menschen außer ihm hatten
sie gesehen, auch wenn keinem klar war, dass sie sich Gkirr nannten und einen nach
Jahrhunderttausenden zählenden galaktischen Krieg gegen die DYNASTIE DER EWIGEN führten.
Die meisten Menschen kannten sie aus einem anderen Zusammenhang. Nämlich als die kleinen
grauen Männchen, die 1947 mit ihrem UFO bei Roswell in der Wüste von New Mexico abgestürzt
waren und seitdem zu Forschungszwecken in der Area 51 aufbewahrt wurden. Mit denen schienen
die Gkirr von Ocron allerdings nicht mehr viel gemeinsam zu haben.
Warumführen sie sich auf wie wilde Tiere?
Zamorra sah einen Cyborg, dessen obere Körperhälfte von einem Energiestoß aufgelöst wurde. Er
gab keinen Laut von sich, sondern starb in gespenstischer Stille. Auch die anderen Cyborgs
kümmerten sich nicht um ihr eigenes künstliches Leben. Sie schmissen sich zwischen Al Cairos
Gruppe und die Gkirr und bildeten einen lebenden Schutzwall.
Wenige Meter vor Zamorra erhob sich eine der mächtigen Säulen in die Höhe, hinter der gerade Ted
Ewigk verschwand. Im nächsten Moment wurden sein Kopf und Oberkörper wieder sichtbar und
er unterstützte den Abwehrkampf der Cyborgs, die ohne Deckung waren.
Dann war Zamorra ebenfalls bei der Säule. Mit weiten Sätzen schoss er an ihr vorbei und warf sich
dahinter. Ein Laserstrahl verfehlte ihn so knapp, dass er Zamorras Gesichtshaut ansengte. Er achtete
nicht darauf, sondern registrierte erleichtert, dass auch Nicole und Al Cairo in Sicherheit waren.
Doch für wie lange? Nur wenige Cyborgs lebten noch. In ihrer unerklärlichen blinden Wut waren
die Gkirr wie ein Orkan über sie hinweggefegt. Jetzt, da ihrem Herrn keine unmittelbare Gefahr
mehr drohte, zogen sich die wenigen verbliebenen Cyborgs zurück. Der Ansturm der Gkirr wurde
vorübergehend aufgehalten, als ihnen von verschiedenen Stellen das Abwehrfeuer der Gejagten
entgegenschlug.
Die Gkirr schrien wütend auf, als Lücken in ihre Reihen gesprengt wurden.
»Alle umsehen!«, schrie Al Cairo. »Ich kann keinen Eingang entdecken, dabei müsste er genau hier
sein.«
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Auch Zamorra sah sich hektisch um. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Auch wenn zahlreiche von
ihnen im Sperrfeuer der Cyborgs fielen, dachten die Gkirr nicht ans Aufgeben. Sie hatten das
Zentrum des Platzes mit den Säulen beinahe erreicht.
»Ich habe einen Verdacht.« Nicole stieß sich vom Boden ab und kam auf die Beine. Sie machte ein
paar Sätze zu einer anderen Säule und legte prüfend eine Hand darauf. Erst jetzt fiel Zamorra auf,
dass es sich um die mächtigste der Stelen handelte. Sie hatte etwa den doppelten Durchmesser wie
die anderen.
Ein flirrendes Feld bildete sich in der grauen Oberfläche. Nicole winkte den Männern triumphierend
zu. Sofort eilten alle zu ihr hinüber. Der Ewige steckte seinen Kopf in das Feld und blickte in einen
senkrecht abfallenden Schacht unterhalb der Säule. Prüfend streckte er eine Hand aus, und
Enttäuschung zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
»Ein Antischwerkraftfeld, nehme ich an. Leider funktioniert es nicht mehr.« Er musterte die glatte
Wandung der Röhre und zeigte unter sich. »Sprossen. Wahrscheinlich eine Art Nottreppe.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, stieg der Ewige in den Schacht lind machte sich an den Abstieg.
Vom Platz her drang Geschrei, das die Cyborgs noch für einige wertvolle Sekunden auf Distanz
hielten.
Zamorra kletterte direkt hinter dem Ewigen die metallischen Sprossen hinunter. Sie waren glatt und
kalt. Er legte den Kopf in den Nacken und warf einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass
seine Gefährten ihm dichtauf folgten. Über ihren Köpfen blieb das Tageslicht zurück. Es ging etwa
dreißig Meter in die Tiefe bis zu einem Ausstieg, der in einen in Dunkelheit liegenden Korridor
führte.
Al Cairo machte einen Schritt hinein, und übergangslos schälten sich Umrisse aus dem Dunkel, als
schwaches Licht einsetzte. Nirgendwo war ein Beleuchtungskörper zu sehen, der es warf. Offenbar
wurde es direkt von den Wänden des Korridors illuminiert. Der Ewige studierte seine elektronische
Wegbeschreibung. Erfolglos versuchte Zamorra einen Blick darauf zu werfen, doch auch so war
nicht zu übersehen, wohin sie sich wenden mussten. Hier unten gab es zunächst nur den einen Weg,
also konnten sie sich nicht verirren.
»Wir sind richtig!«, rief Cairo nach oben. »Cyborgs, aufteilen! Die eine Hälfte folgt uns, die andere
sichert den Zugang.«
Zamorra war klar, dass das nur einen kurzen Aufschub bedeutete. Die wenigen verbliebenen
Gyborgs konnten die anstürmenden Gkirr nicht lange aufhalten. Nicole und Ted Ewigk kletterten
hinter ihm aus dem Ausstieg und stürmten hinter dem Ewigen her, der den Gang entlang lief.
Oben ertönten die typisch knackenden und pfeifenden Geräusche von aktiven E-Blastern, während
sich vier Cyborgs nacheinander in den Schacht schwangen. Zamorra gönnte ihnen einen letzten
Blick, dann gab er sich einen Ruck.
Die Luft in dem engen Korridor war trotz der direkten Verbindung nach draußen stickig. Er war
eben hoch genug, dass Zamorra sich nicht bücken musste. Für die kleinwüchsigen Gkirr war die
Höhe natürlich mehr als ausreichend, doch offenbar war hier lange niemand mehr gewesen. Eine
dicke Staubschicht hatte sich abgelagert, in der sich die Fußspuren der Eindringlinge deutlich
abzeichneten.
Er fuhr herum, als er Geräusche hintef sich vernahm, und hastete weiter, weil es nur die Cyborgs
waren.
Als er das Ende des Gangs erreichte, erwartete ihn eine weiträumige Halle, in der sich hohe Stapel
von Metallcontainern türmten. Sie waren unversehrt, was in Zamorra den Verdacht aufkommen
ließ, dass es sich bei den Gkirr trotz ihres ungewöhnlichen Verhaltens nicht um Wilde handelte.
Ansonsten hätten sie längst versucht, die Container zu öffnen, um einen möglichen Inhalt zu
plündern. Alles in ihm drängte danach, mehr über diese verwahrlosten Gkirr herauszufinden. Er
ahnte, dass ein Geheimnis hinter ihrem Dasein steckte, das sich eines Tages auch für die Menschheit
als relevant erweisen konnte,
»Bleiben Sie nicht stehen, Professor«, rief ihn Al Cairo in die Wirklichkeit zurück. »Wir sind fast
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da.«
Seine Worte kamen nicht von ungefähr. Denn Donnergrollen fegte durch den hinter ihnen liegenden
Gang. Sein Zustand wurde von der Staubwolke einer Explosion vernebelt. Am Einstieg an der
Planetenoberfläche war zweifellos kein Cyborg mehr am Leben, weil die Gkirr sich den Weg
freigesprengt hatten.
In dem Gang war nichts mehr zu sehen, und die Staubwolke quoll daraus hervor und drang in die
Halle ein.
»Wir müssen in dieser Richtung weiter«, entschied der Ewige zwischen zwei Korridoren, die sich in
einem Winkel von fünfundvierzig Grad teilten.
Zamorra wollte loslaufen, aber da wurde er von oben angesprungen.
Von wegen, hier war lange niemand mehr gewesen! Offenbar gab es mehr als nur den einen
Zugang. Zwischen den Containern tauchten Gkirr auf und bliesen zum Großangriff.
Zamorra schlug hart auf den Rücken. Er wollte aufspringen, aber ein Gkirr lag auf ihm und drückte
seine Arme nach unten. Trotz seiner dünnen Gestalt verfügte er über eine erstaunliche Kraft, war
aber dank seiner geringen Körpergröße im Nachteil. Zamorra nutzte den Spielraum, der ihm blieb.
Mit einem Ruck richtete er seinen Oberkörper auf und rammte den Kopf nach vorn.
Der Gkirr gab einen gurgelnden Laut von sich und torkelte zurück. Ein erstaunter Ausdruck trat in
sein Gesicht, dann verhärteten sich seine Züge, und das Leben wich daraus. Denn bevor er wieder
zu sich kam und einen erneuten Angriff unternehmen konnte, wurde er von einem Energiestrahl
niedergestreckt, der sich in seinen Rücken bohrte.
Er war von einem eigenen Artgenossen erschossen worden. Allerdings nur versehentlich, und noch
so eine Hilfe des Schicksal konnte Zamorra kaum erwarten.
Er rollte sich zur Seite ab, denn der Strahl hatte ihm gegolten. Mit dem bestialischen Gestank von
verbranntem Fleisch in der Nase gelang es ihm, dem zweiten Schuss auszuweichen und für einen
Moment hinter einem korbähnlichen Geflecht Schutz zu finden. Gleichzeitig glitt der Blaster wie
von selbst in seine Hand.
Ringsum wurde geschossen, und alles in Zamorra drängte danach, in dem tobenden Chaos nach
Nicole zu suchen, aber ein winziger Moment Unaufmerksamkeit hätte sein Ende bedeutet. Sein
eigener Schwung trieb ihn auf die Beine. Er sah eine blitzende Entladung, die den Korb in Brand
setzte, und zog den Abzug des Blasters durch. Das Feuer versperrte ihm die Sicht, aber ein
gequälter Aufschrei zeigte ihm, dass er getroffen hatte.
Endlich entdeckte er Nicole und Al Cairo. Sie hockten hinter einem konisch geformten Artefakt und
erwehrten sich der Angreifer, die von zwei Seiten auf sie eindrangen. Zamorra wollte ihnen zu Hilfe
eilen, aber da waren die Cyborgs bereits da. Wie er es schon oben bei den Säulen erlebt hatte,
warfen sie sich todesmutig vor den Ewigen und mähten alles nieder, was auch nur in seine Richtung
schaute.
Ihre sengenden Strahlen heizten die Halle künstlich auf. Das Kratzen in seinem Hals ließ Zamorra
husten. Drückende Hitze breitete sich in der ohnehin stickigen Luft aus und machte das Atmen zu
einer Qual. Auf dem Boden lagen die teilweise verkohlten Leichen von Gkkr.
Zamorra musste sich weiter zurückziehen, weil zwei weitere Gkirr auf ihn eindrangen. Er
schwenkte den Blas-ter hin und her, bekam aber keinen von beiden ins Visier, weil sie über den
Boden robbten und in einem toten Winkel steckten, den er nicht einsehen konnte. Zamorra legte auf
einen Container an, in dessen Schatten sie untergetaucht waren, und zerschmolz seine Außenhaut.
Glutflüssiges Metall lief an seiner Wandung herunter und ergoss sich auf den Boden. Unter
gellenden Schreien kamen die beiden Gkkr auf die Beine. Ohne eine Miene zu verziehen, tötete er
sie.
Die Cyborgs feuerten pausenlos, und sie fällten einen Gkirr nach dem anderen. Fehlschüsse ließen
ihre hochentwickelten Sensoren nicht zu. Sie waren nicht in Deckung gegangen, aber ihre extreme
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Schnelligkeit rettete sie immer wieder davor, getroffen zu werden. Wenn ein Strahl da einschlug, wo
sie eben noch gestanden hatten, waren sie längst woanders.
Für ein paar Sekunden hatte Zamorra Luft. Er stieß sich vom Boden ab und hechtete hinter das
Artefakt, wo Nicole sich verschanzt hatte.
»Das läuft nicht so, wie Sie das erwartet haben«, blaffte er den Ewigen an. »Wir müssen
schnellstens hier raus, sonst schaffen wk es nicht mehr.« Er warf einen knappen Blick zu dem Gang,
durch den sie gekommen waren. Jeden Moment konnten aus dieser Richtung weitere Gkirr
nachrücken.
»Von mir aus können wir gehen«, antwortete Al Cako großmütig. »Aber zunächst müssen wk uns
um Ted kümmern.«
Zamorra sah, was der Ewige meinte. Ewigk lag in einer Ecke und hielt sich einen Ansturm der Gkkr
mit letzter Kraft vom Leib. Zamorra fluchte, als er die unabwendbare Gefahr erkannte. »Von hier
können wir sie nicht ausschalten, und sobald wir auch nur die Nase rausstrecken, erwischen die
anderen uns.«
»Das wollen wk doch nicht.« Plötzlich hielt Al Cairo eine flache Scheibe in der Hand, die nicht
größer war als ein Fingernagel. »Ich habe genau das richtige, um hier für klare Verhältnisse zu
sorgen.«
»Was ist das?«, fragte Nicole besorgt. »Wir brauchen keinen Zaubertrick von Ihnen, der auch vor
Ewigk nicht halt macht.«
Al Cairo winkte gelassen ab. »Keine Kollateralschäden außer den Cyborgs. Ted, volle Deckung und
Augen zu!«, schrie er und schleuderte die Scheibe dahin, wo sich ein Dutzend Gkkr
zusammengerottet hatten.
Zamorra riss die Arme vor die Augen. Die blendende Stichflamme, die entstand, raubte ihm
trotzdem für einen Moment die Sicht. Millionen winziger Pünktchen tanzten vor seinen Augen, als
er sie wieder aufschlug. Undeutlich erkannte er Ted Ewigk, der schwerfällig auf die Beine kam und
zu ihnen herüberstolperte.
Schreiende Gkirr torkelten orientierungslos umher und stolperten über die Leichen ihrer
Kameraden, die nicht soviel Glück gehabt hatten und nicht nur blind geworden waren. Auch ein
Cyborg war tot.
Eine Bewegung am Tunnelausgang alarmierte Zamorra. »Da kommen noch mehr.« Die
kleinwüchsigen Gestalten quollen aus dem Loch hervor, brauchten aber ein paar Sekunden, um sich
zu orientieren.
»Jetzt aber nichts wie weg.« Al Cairo warf sich herum und lief mit weiten Schritten durch die Halle.
Zamorra, Nicole und Ted folgten ihm, bis sie vor einer stählernen Tür standen, die sich mühelos
öffnen ließ. Die Cyborgs blieben hinter ihnen und schickten unplatzierte Feuerstöße in die
Richtung, in der sie die nachrückenden Gkirr vermuteten.
Der Raum hinter der Tür lag in Dunkelheit. »Die ist ja für Zwerge gemacht«, bemerkte Ted Ewigk
trocken und bewies damit, dass er keinen ernsthaften Schaden davongetragen hatte.
Silhouetten von Computerkonsolen waren auf der anderen Seite zu erkennen.
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Kapitel 9
Requiem für einen Cyborg
Vor ihnen flammte Licht auf, und draußen lärmten die nachrückenden Gkirr.
»Eins zu Null für dich«, sagte Ted Ewigk. »Es scheint fast so, als ob hier unten doch nicht alles
beim Teufel ist. Trotzdem sind unsere Freunde noch hinter uns.«
»Dann müssen wir si$ eben auf Abstand halten.« Al Cairo versetzte der schweren Metalltür einen
Tritt. Mit einem dumpfen Geräusch schlug sie in den Rahmen. »Damit haben wir einen kleinen
Aufschub erreicht.«
Die Cyborgs bezogen Stellung und legten mit ihren Waffen auf die Tür an, um sie zu sichern.
Zamorra bezweifelte, dass es eine gute Idee war, hier drin mit E-Blastern um sich zu schießen, aber
er war sicher, dass der Ewige einem diesbezüglichen Argument nicht zugänglich war. Also kam es
darauf an, dass sie möglichst rasch Erfolg hatten. Wenn überhaupt.
Zamorra sah sich um. Der Raum war mit Technik vollgestopft. An den Wänden reihten sich
Terminals aneinander. Die Verkleidungen der Computer schimmerten matt in dem kalten licht,
während die inaktiven Monitore wie tote Augen glotzten.
»Kriegst du das hin?«, fragte Nicole.
»Zur Not würde ich versuchen, die Anlage in Betrieb zu nehmen.« Zamorra wandte sich an den
Ewigen. »Aber ich lasse die Finger davon, wenn Sie nur sagen, dass Sie das besser hinkriegen.«
»Dazu bin ich hier. Das ist nicht das erste Mal, dass ich mit Gkirr-Technologie zu tun habe.« Al
Cairo streifte an den leblosen Maschinen entlang und unterzog sie eingehenden Betrachtungen.
»Dann solltest du anfangen«, rief Ted von der Tür her. »Es wird nicht lange dauern, bis die
durchbrechen.«
Von außen wurde wütend gegen das Metall geschlagen, aber noch kamen die Gkirr zum Glück nicht
auf die Idee, ihre Blaster als Schweißgeräte einzusetzen, um sich einen Weg zu bahnen. Zamorra
beobachtete den Ewigen. Vielleicht war Cako wirklich erfolgreich, bevor die Gkirr eindrangen.
Und was sollte danach passieren?
»Wir sitzen hier drin in der Falle«, sagte er. »Egal wie die Sache ausgeht, die haben uns den
Rückweg abgeschnitten.« Aber ihm war klar, wie Cairo das lösen würde. Mit Waffengewalt. Dabei
hatte sich auf der anderen Seite der Tür inzwischen womöglich schon eine halbe Armee
versammelt, die sich nicht so einfach überrennen ließ.
Zu seiner Überraschung antwortete der Ewige: »Laut meinen Plänen gibt es eine Personenschleuse
im hinteren Bereich, die Notfällen diente.«
»Wenn das kein Notfall ist, dann weiß ich es nicht.« Nicole lief in den Nebenraum. »Gefunden!«,
rief sie herüber. »Ich versuche mal, ob ich die Schleuse öffnen kann. Die ist seit Jahren nicht
benutzt worden. Ted, du könntest mir mal zur Hand gehen.«
Al Cairo blieb vor einem der Terminals stehen. Seine Hand schwebte zögernd über der
Operatorkonsole, dann hieb er sie entschlossen auf eine Taste.
Gebannt verfolgte Zamorra, wie die Anlage aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Zahlreiche
Kontrollleuchten erwachten zu blinkender Aktivität, und ein kaum hörbares Summen lag in der
Luft.
»Statusanzeige sieht gut aus«, murmelte Cairo vor sich hin. »Energieversorgung steht. Wir haben
Glück. Wie es aussieht, wird die gesamte Anlage auf einen Schlag hochgefahren.« Seine Finger
flogen über die Eingabemanuals, und nacheinander flammten die Monitoren auf.
Zamorra konnte kaum glauben, dass die Technik bei den Zerstörungen, die sie unterwegs gesehen
hatten, nicht ebenfalls Schäden davongetragen hatte. Doch das betraf zunächst einmal nur die
Hardware. Welche Dateien noch erhalten waren, stand auf einem anderen Blatt. Außerdem war
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immer noch nicht ausgeschlossen, dass Cako einer Fehlinformation aufgesessen war.
Unwahrscheinlich., dachte Zamorra. Dazu hatte bisher alles zu gut gestimmt. Cairos Quelle musste
sehr gut sein, auch wenn er nicht darüber reden wollte.
Der Ewige arbeitete hektisch, aber konzentriert. Mit sicheren Handgriffen gab er endlose
Algorithmen in die Anlage ein. Der silberne Kasten, mit dessen Hilfe er den Weg hierher gefunden
hatte, erwies sich jetzt zudem als Docking Station, die sich drahtlos mit den Rechnern koppeln ließ.
»Es befinden sich eine Menge Dateien in den Speichern«, sagte er. »Die meisten sind beschädigt.
Ich versuche ein Hyper-Wave zur Informationsrückgewinnung.«
»Dazu bleibt keine Zeit mehr. Sie brennen sich durch.« Zamorra sah die glühende Naht, die sich an
der Metalltür bildete. »Wir müssen hier raus.«
»Ich habe es gleich.« In rasender Abfolge gab der Ewige neue Algorithmen ein. »Ich isoliere die
Dateien, die nach meinem Index nicht in Frage kommen.«
»Können Sie nicht vom gesamten Speicher ein Backup erstellen?«
»Unmöglich. Die Datenmengen sind viel zu groß. Dazu brauchte ich eine direkte Verbindung mit
einem Schiffsrechner. Oder einen schwarzen Dhyarra. Aber es hätte viel zu lange gedauert, ihn
anzupassen.« Al Cairo stieß einen triumphierenden Laut aus. »Ich habe sie. Es kann nur diese eine
Datei sein.«
»Ist sie ebenfalls beschädigt?« Zamorra ließ die Tür nicht mehr aus den Augen. Jeden Moment war
es soweit, dass die Gkirr durchbrachen.
»Ja, aber das macht nichts, wenn ich mich nicht kre. Wir haben es mit einem vernetzten Rechner-
Cluster zu tun, der sich die verlorenen Daten aus sämtlichen Bänken sucht und sie zusammenfügt.
Wer immer hier die Dateien gesichert hat, hat ganze Arbeit geleistet und alles mehrfach hinterlegt.«
»Klingt toll«, mischte sich Ted Ewigk ein. »Aber darüber können wir uns später unterhalten. Die
hintere Schleuse ist offen. Wir müssen hier raus, Al.«
»Du bist genau so nervös wie dein Freund.« Cairo löste die Verbindung zum Rechner und nahm
seinen Wunderkasten an sich. »Schon fertig.«
Dann fas, wollte Zamorra sagen, als ein Ausschnitt der Metalltür in den Raum gesprengt wurde. Sie
raste an ihm vorbei und schlug krachend gegen eine Konsole, wo sie verbogen liegen blieb.
Im Eingang wurden bewaffnete Gkirr sichtbar. Für einen Moment nur, dann trieben die
Laserstrahlen der Cyborgs sie zurück. Zamorra und Cairo sprangen in den hinteren Raum.
»Nicole ist schon draußen«, empfing Ted sie, als sie hinter ihm in einen engen Tunnel sprangen, der
nur spärlich beleuchtet war. Mit gezogenem E-Blaster folgte ihnen ein Cyborg und deckte ihren
Rückzug.
Mit ohrenbetäubendem Lärm ging hinter ihnen die Welt unter, als sie fünfhundert Meter gelaufen
waren. Eine Druckwelle jagte durch den Gang.
»Die Cyborgs haben eine Bombe gezündet«, erklärte Al Cairo. »Von den Gkirr wird unser keiner
mehr folgen.«
Wenig später kletterten sie durch einen Keller auf die Straße hinaus.
Und gerieten vom Regen in die Traufe.
Zamorra sah die Gefahr als erster. Er rief seinen Begleitern eine Warnung zu und warf sich auf Ted
Ewigk, der vor ihm ins Freie geklettert war. Gemeinsam gingen sie zu Boden und überschlugen
sich.
»Was soll das?«, fuhr der Reporter protestierend auf. Ein sengender Energiestrahl raste über ihn
hinweg und zerschmolz das Stahlplastik der hinter ihm aufragenden Wand.
»Das fragst du besser die da drüben. Na los, komm schon in Deckung.«
In einer Einmündung zwischen zwei Häuserblocks, in der sich mehrere Straßen trafen und zu einem
verwilderten Platz erweiterten, schwebte ein Fahrzeug einen Meter über dem Boden. Die Köpfe
mehrerer Gkirr waren hinter der Sichtscheibe der Kanzel zu sehen.
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»Ich bringe diese elenden Gkirr um. Das ist mein Schweber«, zischte Al Cairo drohend.
Anscheinend war es den Gkirr gelungen, ihn aus dem Schutthaufen zu bergen und wieder flott zu
machen. »Besonders schwer war er nicht beschädigt, sonst wäre ihnen das nicht so rasch gelungen.
Entweder hätten wir ihn nicht zurücklassen dürfen oder ihn ganz untauglich machen müssen.«
Zamorra und Ewigk eröffneten das Feuer auf den Schweber gleichzeitig, während es in der
Abstrahlmündung von dessen Bugkanone bedrohlich schimmerte. Wieder schössen die Gkirr. Dass
sie nicht trafen, war keine große Erleichterung, denn durch ihre strategisch günstige Position hatten
sie sich einen enormen Vorteil verschafft.
»Sie haben uns hier festgenagelt«, stellte Nicole fest. »Sobald wir den Kopf rausstrecken, schießen
sie uns ab wie Tontauben.«
»Oder sie warten so lange, bis sie genug Verstärkung zusammen haben, um von allen Seiten zu
kommen. Eine Ausweichmöglichkeit haben wir noch. Wir können wieder in den Tunnel zurück.«
»Können wir nicht«, zerstörte Al Cairo Teds Hoffnung. »Die Cyborgs haben ganze Arbeit geleistet.
Die unterirdischen Räume sind zerstört, und der Gang ist verschüttet. Da kommen wir nicht mehr
durch. Uns bleibt nichts anderes übrig, als vor uns unser Glück zu versuchen.« Er gab dem einzigen
Cyborg, der ihre Gruppe noch verstärkte, einen Wink.
Das künstlich erschaffene Wesen sprang aus der Deckung und raste nach rechts hinüber, schneller
als irgendein Mensch es gekonnt hätte. Doch einem genau gezielten Laserstrahl, der mit
Lichtgeschwindigkeit heranraste, konnte auch ein Cyborg nicht ausweichen.
»Wir müssen ihm Feuerschutz geben!« Zamorra riss seinen Blaster in die Höhe und feuerte. Sofort
taten die anderen es ihm nach und zwangen die Gkirr, die Köpfe einzuziehen. Sekunden später
verschwand der Cyborg zwischen einer Baumgruppe. Vergeblich versuchte Zamorra zu erkennen,
was er tat. Er deutete zu einem Mauerstück. »Wenn er die Gkirr lange genug ablenkt, schaffen wir
es vielleicht da rüber.«
Im Schutz der Mauer war die Lage auf jeden Fall besser, weil die Gruppe sich dort aufteilen konnte.
Zamorra verabscheute die Situation, in die sie geraten waren. Missmutig betrachtete er den Strahler
in seiner Hand. Er mochte diese Ballerei nicht. Da war ihm jeder magische Kampf mit seinem
Amulett lieber, doch damit konnte er hier nichts ausrichten.
Die Gkirr schössen nicht mehr. Auch sie hielten offenbar Ausschau nach dem Cyborg, ohne ihn zu
entdecken. Natürlich wussten sie, um welche Art Gegner es sich bei ihm handelte und welche
Gefahr von ihm ausging.
»Sie sind abgelenkt. Das ist unsere Chance. So etwas habe ich früher noch vor dem Frühstück
erledigt.« »Mach keinen Unsinn, Ted. Das schaffst du nicht.« Mit einem Mal war Ted Ewigk auf
den Beinen. Bevor ihn jemand zurückhalten konnte, spurtete er los.
Zamorra stieß eine Verwünschung aus. »Dieser verdammte Dickschädel. Wenn man auf den nicht
aufpasst.« »Ted hat recht«, wiegelte Al Cairo ab. »Ich kenne ihn gar nicht anders. Als
ERHABENER war er noch viel draufgängerischer.«
»Blödsinn!« Nicole legte ihren Blaster an und jagte dem Schweber einen sauber platzierten Schuss
in den Bug, als sie an den Bewegungen der Gkirr erkannte, dass sie Ted gesehen hatten.
Für einen Moment erwartete sie, er würde abstürzen, dann machte er einen plötzlichen Satz und
raste zwischen die Bäume, um dort Schutz zu suchen.
Gleichzeitig eröffnete er das Feuer auf den ehemaligen ERHABENEN.
Ewigk schlug einen Haken nach dem anderen, aber der Energiestrahl näherte sich ihm
unaufhaltsam. Aus vollem Lauf warf er sich nach vorne, rollte sich ab und tauchte unter dem Strahl
durch.
Bevor er wieder in die Höhe kam, wurde der Schweber zerrissen.
Zamorra sah eine Gestalt, die von der Druckwelle der Explosion weggeschleudert wurde wie ein
Blatt Papier. Es konnte nur der Cyborg sein. Anscheinend war er nahe genug an den Schweber
herangekommen, um einen Haftsprengsatz anzubringen.
Zamorra lief hinüber, um nachzusehen, aber er fand den Cyborg nicht.
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»Was hattest du eigentlich eben vor?«, empfing Nicole den sichtlich mitgenommenen Ted Ewigk.
»Du hast es doch gesehen«, antwortete er mürrisch. »Ich wollte diese Gkirr ein wenig
durcheinander kegeln, aber der Cyborg ist mir zuvor gekommen.«
»Wir sollten zusehen, dass wir endlich hier wegkommen«, drängte der Ewige, und diesmal konnte
Zamorra ihm nur zustimmen. »Wir müssen zur CAIRO und dann sofort starten, bevor alle Gkirr
Ocrons von unserer Anwesenheit erfahren.«
Ein plötzliches Rauschen erfüllte die Luft, und Ted starrte ungläubig in den Himmel.
»Irgendwie ist das nicht unser Tag«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Al hat recht, wir
sollten die Beine in die Hand nehmen.«
Denn vom Himmel herab senkte sich ein kilometergroßes dunkles Gebilde wie ein finsterer
Schlund, der die
Stadt verschlucken wollte. Es war eins der Furcht erregenden Schlachtschiffe der Gkirr. Und es
eröffnete sofort das Feuer.
Der gesamte Block hinter Zamorra stürzte brennend ein und ließ die Erde erbeben, als die Tonnen
von Metall und Gestein auf den Untergrund schlugen. Dichte Staubwolken wurden
hochgeschleudert, wirbelten durch die Luft und verdunkelten die Sonne. Da sich kein Lüftchen
bewegte, schwebten sie wie schwerelos über dem Ort der Zerstörung.
Die Erschütterungen warfen Zamorra zu Boden. Die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst, als er
hart aufprallte und sich überschlug. Hitze breitete sich in seiner Schläfe aus, und er als danach
tastete, stellte er eine blutende Stelle fest. Er warf sich herum und schaute in einen tiefschwarzen
Himmel.
Der die Unterseite des Raumschiffs der Gkirr war.
Zitternd suchte der gleißende Energiestrahl nach einem neuen Ziel. Aus aufgerissenen Augen
verfolgte Zamorra seinen Verlauf. Der sonnenheiße Strahl näherte sich ihm.
Hatten die Gkirr ihn etwa entdeckt?
»Zamorra! Weg da!«
Es war Nicole Stimme. Der Dämonenjäger drehte den Kopf und entdeckte seine Gefährtin mit Ted
Ewigk und Al Cairo. Aufgeregt winkte sie ihm zu.
»Bleibt da stehen!«, schrie er zurück. »Kommt nicht näher!«
Schon glaubte er das Knistern der Elektrostatik zu hören. Seine Haut kribbelte, als würden sich
Millionen von Ameisen darauf austoben. Ihm blieb keine Zeit mehr für lange Überlegungen.
Spontan entschied er sich für eine Richtung, aber der Strahl, der eine schwelende Narbe im Boden
hinterließ, war unberechenbar und konnte ebenfalls jederzeit in eine andere Richtung ausschlagen.
Als er Zamorra beinahe erreicht hatte, erlosch er plötzlich.
Zamorra spurtete zu seinen Gefährten, als er den zweiten Schatten am Himmel sah. Wie eine
Sternschnuppe stürzte er in die Tiefe. Er schleuderte Feuerbahnen, die wie Blitze aus dem Himmel
fegten und sich über das Schiff der Gkirr ergossen.
»Sie müssen den Anflug der Gkirr bemerkt haben und sind ihnen gefolgt.«
»Vielleicht veranlasst Sie das, die Cyborgs künftig etwas weniger als sture Roboter zu sehen.«
»Dazu gibt es keinen Grund. Sehen Sie endlich ein, dass es sich um Züchtungen handelt, Professor,
die nur zu einem Zweck geschaffen wurden. Der DYNASTIE DER EWIGEN zu dienen.«
»Aber sie verfugen über Gefühle und ein Gewissen.«
»Unsinn! Denken Sie, wir wollen uns mit überflüssigen Parametern belasten?«
»Das ist ja nicht zu fassen. Hört endlich auf zu streiten. Wir müssen hier weg, und zwar sofort.« Ted
stieß die anderen vor sich her. »Wenn einer von diesen Pötten abstürzt, passen wir unter jeder Tür
durch.«
»Cairo, nehmen Sie Verbindung auf. Ihre Cyborgs müssen die Gkirr hier weglocken.«
»Ich komme nicht durch.« Der Ewige schüttelte den Kopf und wirkte dadurch beinahe menschlich,
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aber von dieser Äußerlichkeit ließ sich Zamorra nicht blenden. »Irgendetwas dämpft meine Geräte.«
Nur ein paar Kilometer über ihren Köpfen entstand ein Geräuschorkan, der jedes Wort übertönte,
als die zwei gewaltigen Raumschiffe aufeinander losgingen. Sie verdrängten die Luftmassen, die
sich als Sturm über der halb zerfallenen Stadt austobten.
»Steht nicht da wie die Ölgötzen«, trieb Nicole die Männer an.
Sie rannten die verlassen daliegende Straße entlang. Ohne Al Cairos Orientierungssystem hätten sie
sich in dem Labyrinth hoffnungslos verlaufen. Immer wieder warfen sie ängstliche Blicke zum
Himmel, wo sich die beiden Raumer einen erbitterten Kampf lieferten. Langsam entfernten sie sich
in westlicher Richtung, aber genauso schnell konnten sie wieder zurückkommen. Oder ein ver-irrter
Energiestrahl verwandelte die Flüchtlinge in ein paar unsichtbare Molekülwolken.
Sie kletterten über Hindernisse, die bis zur Unkenntlichkeit deformiert waren, bis sie vor dem
stählernen Skelett eines Monuments von Stadiongröße standen, von dem der größte Teil der
Außenverkleidung abgerissen war.
»Hier geht es weiter«, kommandierte der Ewige und kletterte zwischen den Streben hindurch. Mit
weiten Schritten überwand er eine freie Fläche, an deren Rändern sich allerlei Unrat angesammelt
hatte.
»Von Abkürzungen hat keiner was gesagt«, beschwerte sich Ted Ewigk und zwängte seinen
muskulösen, wuchtigen Körper durch die aufragenden Streben, die wie die abgenagten Knochen
von riesigen Sauriern aussahen. Dicht hinter ihm folgte Nicole. Zamorra bildete den Abschluss, was
ihm beinahe zum Verhängnis wurde.
Er wollte sich gerade ins Innere des ehemaligen Monuments schwingen, als er aus dem
Augenwinkel einen Gkirr sah. Das dünne Wesen schoss ohne Vorwarnung. Der Strahl war schneller,
als Zamorra ausweichen konnte.
AUS!, schrie ein Gedanke in seinem Kopf. Vorbei! Das ist dein Ende. Ausgerechnet auf diesem
öden Brocken in der Galaxis. Fernab der Erde.
Ein derber Schlag wischte Zamorra beiseite. Der Energiestrahl traf nicht ihn, sondern bohrte sich
einem Cyborg in die Brust, der die Bedrohung im letzten Moment gesehen und nicht gezögert hatte,
sein Leben zu geben. Auch wenn Zamorra gar kein Ewiger war.
Der Parapsychologe griff nach seiner Waffe, aber der Gkirr war so unauffällig verschwunden, wie
er gekommen war. Wahrscheinlich hatte ihn das bloße Auftauchen des Cyborgs in die Flucht
geschlagen.
Zamorra stand da wie versteinert. In der Brust des toten Cyborgs klaffte eine hässliche,
schwarzgeränderte Wunde. In seine offen stehenden Augen war ein Ausdruck der Verblüffung
getreten. Zamorra fragte sich, was seine letzten Gedanken gewesen sein mochten. War er
überrascht, weil er begriff, dass er tatsächlich starb? Oder hatte er womöglich im Augenblick des
Todes begriffen, dass er mehr war, als man ihm vom Tage seiner Reifung bis heute an weisgemacht
hatte?
Es war anscheinend der Cyborg, der kurz zuvor den Schweber mit den Gkirr zerstört hatte. Nun
hatte er sich zum zweiten Mal selbstlos aufgeopfert. Auch wenn diese Handlungsweise
biomechanisch in seinen Genen verankert worden war, änderte das nichts an der Tatsache. Er hatte
sein künstlich erzeugtes Leben gegeben, um das des Mannes, den er gar nicht kannte, zu retten.
Zamorra spürte einen Kloß im Hals und war unfähig, sich zu rühren.
Er hat es getan, damit du miterlebst. Willst du ihm diesen Triumph nehmen, indem du dich auch
noch über den Haufen schießen lässt?
Zamorra lachte laut auf. Sein eigener Gedanke kam ihm verdammt verwandt zu Al Cairos
Gedankengängen vor, und das gefiel ihm gar nicht. Er musste sich zwingen, den Blick von dem
Toten abzuwenden.
Von Schuldgefühlen geplagt, folgte er seinen Gefährten. Sie erreichten die CAIRO ohne weitere
Zwischenfälle.
Als sich der Ringraumer in die Luft erhob, wurden zwanzig Kilometer weiter mehrere Stadtteile des
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ehemaligen Molochs ausradiert, als sich das zerstörte Gkirr-Schiff wie eine kleine Sonne in den
Boden bohrte. Seine kinetische Energie trieb es wie einen Keil in den Untergrund, stauchte es in
sich zusammen und löste gewaltige Erdstöße aus.
»Ab nach Hause«, sprach Ted Ewigk die Worte aus, die jeder von ihnen im Kopf hatte.
Doch dazu mussten sie erst noch die Schlachtlinien durchbrechen.
Die Gkirr stürzten sich auf das Ringschiff, kaum dass es durch die Atmosphäre Ocrons gestoßen
war und den Weltraum erreichte.
»Das sind zu viele«, stieß Ted Ewigk aus. »Denen können wir nicht entkommen, Al.«
Für Sekunden sah es so aus, als sollten sich Teds Worte bewahrheiten, denn plötzlich kamen die
Gegner aus allen Richtungen. Ihre Strahlenbündel jagten durchs All und griffen nach der CAIRO,
auf die sie sich jetzt konzentrierten. Auch wenn ihnen die Hintergrundinformationen fehlten, hatten
sie begriffen, dass es nur um dieses eine Ringschiff ging. Die anderen schirmten es nur ab, um ihm
die Flucht zu ermöglichen.
Doch noch hatten die Gkirr es nicht.
Al Cairo spielte seine langjährige Erfahrung an Bord von Raumschiffen aus. Mit haarsträubenden
Manövern gelang es ihm, das nach ihm benannte Schiff zwischen seinen Feinden hindurchzulenken,
ohne einen Treffer abzubekommen. Wie ein Derwisch fegte es hin und her und führte einen wilden
Tanz auf, um sich die Gkirr vom Leib zu halten.
Die Waffensysteme der CAIRO jagten unterdessen eine Salve nach der anderen hinaus. Ihre
Schutzschirme verdampften Metallteile oder fegten größere Trümmer einfach aus dem Weg. Denn
überall trieben die brennenden Überreste von Schiffshüllen und ausglühende Wrackteile. Hunderte
vernichteter Einheiten auf beiden Seiten hinterließen einen gewaltigen galaktischen Schrottplatz.
Zamorra schätzte, dass die ursprüngliche Flotte des Ewigen bereits auf ein Drittel
zusammengeschmolzen war. Doch daran verschwendeten die Cyborgs keinen Gedanken. In Wellen
warfen sie sich den Gkkr entgegen, um so viele wie möglich zu zerstören. Auf ihre eigene
Sicherheit achteten sie dabei nicht.
Endlich entdeckte der Ewige eine Lücke zwischen den düsteren Schatten. Ohne zu zögern, stieß er
hinein und ließ Ocron hinter sich.
Mit Werten, die innerhalb eines Sonnensystems kaum zu vertreten waren, trieb er den Ringraumer
in den interplanetaren Raum, zu einem anderen Umläufer, in dessen unmittelbarer Nähe keine
Kämpfe stattfanden. Er raste direkt auf den dunkelgrünen, matt schimmernden Gasriesen zu,
bremste brutal ab und vollzog einen Schwenk, der selbst dieses technische Meisterwerk bis an die
Grenzen seiner Kapazität belastete.
Protestierend dröhnten Aggregate, und eine Warnmeldung ertönte, als die enormen Kräfte
durchschlugen und die Schiffszelle zu zerreißen drohten. Der Ewige ignorierte die Warnung und
beschleunigte weiter. Wieder änderte er den Kurs und verschaffte sich endlich etwas Luft. Die
CAIRO jagte senkrecht zur Bahnebene der Planeten aus dem Zeta Reticuli-System, wie ein Jet-
Strahl, der aus einem Schwarzen Loch entwich.
»Der Kerl bringt uns um«, bemerkte Zamorra mit tonloser Stimme.
»Wenn er es nicht tut, dann die Gkirr«, konterte Nicole. Was sich leider nicht von der Hand weisen
ließ. Zamorra versuchte die Eindrücke sämtlicher Raster des Plasmabildsdiirms gleichzeitig zu
verarbeiten. Es waren zu viele. Die Sterne des Hintergrunds verblassten angesichts der ungeheuren
Energiemengen, die die vernichtenden Geschütze der Flotten in die Leere des Weltraums jagten.
Das All schien zu brennen.
Noch immer tobten die Kämpfe mit unverminderter Heftigkeit, aber die Gkirr gewannen allmählich
einen leichten Vorteil. Sie drängten die großen Schlachtschiffe und Supra-Kreuzer zurück. Nur die
Jäger und Jagdboote unternahmen immer wieder tollkühne Vorstöße.
»Sieht so aus, als ob wir sie abgehängt haben«, sagte Al Cairo. »Eine bessere Gelegenheit, uns
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abzusetzen, werden wir kaum ...«
Seine Worte verstummten, als wie aus dem Nichts zwei kilometergroße schwarze Schemen vor der
CAIRO auftauchten. Klammheimlich hatten sie sich aus der Schlacht-Formation gelöst. Sie waren
zu nahe, um noch ausweichen zu können.
»Feuer frei für alle Waffen!«
Sämtliche Geschütze feuerten synchron. Die Waffentürme der CAIRO spuckten blassrote Strahlen,
die sich in einem Fokus vereinigten und dabei ihre Schlagkraft potenzierten. Wabernd spritzten sie
auseinander, als sie sich unaufhaltsam in den Schutzschirm des Gkirr-Raumers fraßen, der unter der
gebündelten Kraft zusammenbrach. Ungehindert bohrten sich die Energielanzen in die dunkle
Außenhülle des Schiffes und stanzten metergroße Löcher hinein.
Eine Feuerwand wallte der CAIRO entgegen und verschlang sie. Kein Problem, so lange sie von
ihren Schirmen geschützt wurde. Einzig die Außenbeobachtung fiel kurzfristig aus. Blind tauchte
das Ringschiff durch die Nachwehen der Explosion und jagte an der anderen Seite unbeschadet
wieder heraus.
Wo sie von einem schweren Schlag getroffen wurde, der Ted Ewigk, der den Fehler gemacht hatte,
sich nicht hinzusetzen, von den Beinen riss. Für den Bruchteil einer Sekunde schlugen gewaltige G-
Kräfte durch und ließen die Insassen des Schiffs aufstöhnen. Nur die Cyborgs gaben keinen Laut
von sich, sondern benahmen sich, als sei nichts geschehen.
»Schutzschirme bei vierundsechzig Prozent«, gab einer der Cyborgs durch.
Bevor irgendwer reagieren konnte, erhielt die CAIRO einen weiteren Treffer. Tief in ihrem
stählernen Leib wummerten die Meiler. Kreischende Geräusche drangen durch die Ringröhre, als
würde der enorm widerstandsfähige Plastronitstahl von Titanenkräften zerfetzt.
»Schutzschirme nur noch bei achtzehn Prozent.« Zamorra hatte den Eindruck, dass die Stimme des
Cyborgs vollkommen teilnahmslos klang. Im Gegensatz zu ihm machte sich das Kunstwesen keine
Sorge um sein Weiterbestehen.
»Langsam wird es mulmig.« Nicole schaute Zamorra zerknirscht an. Hatten sie sich diesmal zu weit
vorgewagt? Es war nicht das erste Mal, doch wieder befiel sie dieses lähmende Gefühl der
Hilflosigkeit. Sie waren zum Zuschauen verdammt und konnten nicht in die Abläufe eingreifen.
»Ted, du musst Cairo zur Vernunft bringen.« Doch wie sollte das mitten in einem Kampf auf Leben
und Tod geschehen?
Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als plötzlich die Cyborg-Schiffe da waren.
Zwei Supra-Kreu-zer rasten, aus verschiedenen Richtungen kommend, mit Dauerfeuer auf den
Gkirr-Riesen zu. Sie hatten ihn beinahe erreicht, machten aber keine Anstalten, abzubremsen oder
auszuweichen.
Ungläubig starrte Zamorra auf den Bildschirm, auf dem sich das Verhängnis abzeichnete. Sie
würden doch nicht etwa ... ... doch, sie taten es!
Zamorra hatte den Eindruck, dass das Universum unterging, als sich die Supra-Kreuzer in
kalkulierten Einschlagwinkeln in den schwarzen Giganten bohrten. Eine gewaltige bläulich
leuchtende Blase bildete sich, als sich die Schutzschirme der drei Schiffe vereinten. Blitze zuckten
durch die unförmige Energiekugel, die sich immer weiter verästelten, bis sie im Zentrum einer
gewaltigen Explosion untergingen.
Kamikaze, ging es Zamorra unwillkürlich durch den Sinn. Wie die „freiwilligen" japanischen
Kampfflieger, die sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs mit Flugzeugen voller Sprengstoff auf
Flugzeugträger und andere Einheiten der amerikanischen Kriegsflotte gestürmt hatten.
Es war der reinste Wahnsinn, der sich vor seinen Augen abspielte, aber es bestätigte das Wissen um
die Ewigen. Bedenkenlos opferten sich die Cyborgs zu Tausenden, wenn sie damit auch nur einen
einzigen Ewigen retten konnten.
»Ich wusste doch immer, dass die Cyborgs einen größeren Nutzen haben, als nur Raumschiffe zu
chauffieren«, kommentierte Al Cairo den Untergang der Supra-Kreuzer ungerührt. »Es ist allerdings
schade um die Schiffe. Ich werde neue besorgen müssen.«
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Der Parapsychologe stand kurz davor, ebenfalls zu explodieren. Mit Mühe gelang es ihm, sich unter
Kontrolle zu behalten, als Ted Ewigk ihm eine Hand auf die Schulter legte. Zamorra nickte matt
und presste die Lippen zu zwei blutarmen Strichen zusammen.
Durch das Desaster ebbten die Kampfhandlungen kurzzeitig ab. Verwirrung griff um sich, die der
Ewige dazu nutzte, seine Flotte zu sammeln.
»Weg von hier!«, gab er an sämtliche Schiffe durch, um die Gunst des Augenblicks zu nutzen. »Wk
ziehen uns zurück und versuchen, die Gkirr im freien Raum abzuhängen.«
An der Spitze der Cyborg-Flotte raste die CAIRO in den interstellaren Raum hinaus. Rasch kleiner
werdend, blieb das Zeta Reticuli-System hinter ihr zurück. Nicht jedoch die Gkirr. Sie schickten
alles hinterher, was sie noch aufweisen konnten.
»Hoffentlich hat sich das alles gelohnt«, bemerkte Ted Ewigk trocken. »Das müssen schon
verdammt wichtige Informationen sein, um so ein Himmelfahrtskommando zu rechtfertigen.«
»Hör auf, dich zu beschweren«, hielt ihm Nicole entgegen. »Schließlich warst du es, der unbedingt
auf diesen Ausflug wollte. Ohne dich wären wir überhaupt nicht hier.«
Ted lächelte gequält. »Was tut man nicht alles für die absolute Macht. Selbst wenn sie gar nicht für
einen selbst ist, sondern für einen anderen.«
»Einer für alle, und alle für einen«, spöttelte Zamorra, dabei war ihm gar nicht nach Scherzen
zumute.
Die Gkirr in ihrem Kielwasser dachten gar nicht daran, die Überreste der Cyborg-Flotte entkommen
zu lassen. Ihre dunklen Schiffe waren nicht leistungsschwächer als die der Ewigen, deshalb ließen
sie sich nicht abschütteln. Wie nicht anders %u erwarten, dachte Zamorra. Nur weil die Technik von
Ewigen und Gkirr sich in etwa die Waage hielt, dauerte der Krieg schon seit unzähligen tausend
Jahren an. Wäre eine von beiden Seiten überlegen, hätte sie längst den Sieg errungen und die andere
unterworfen oder vernichtet.
»Wie viele Schiffe sind uns verblieben?«, fragte Al Cairo. »Insgesamt zweiundsechzig«,
antwortete einer der Cyborgs. »Davon nur zwei Schlachtschiffe. Keine Kreuzer.«
Zamorra konnte es nicht fassen. Zweiundsechzig Raumschiffe von vormals eintausend. Ihn
schwindelte bei der Vorstellung, wie viele Cyborgs es dabei erwischt hatte, auch wenn der Ewige
das ganz anders sah, »Sämtliche Einheiten der Jäger-Klasse und die Jagdboote lassen sich
zurückfallen«, ordnete Al Cairo an. »Sie müssen die Verfolger aufhalten. Kein einziger darf durch
die Maschen schlüpfen.«
In verschiedenen Ausschnitten des Bildschirmrasters war zu sehen, wie die Cyborgs an Bord der
180 Meter durchmessenden Jäger und der mehr als viermal so großen Jagdboote den Befehl
befolgten, um der CAIRO einen weiteren Vorsprung zu erkämpfen. Todesverachtend warfen sie sich
den mächtigen Kampfgiganten der Gkirr entgegen und entfachten ein tödliches Blitzlichtgewitter.
»Prächtig, nicht wahr?«, kommentierte der hagere Mann. »Die Cyborgs machen das schon.«
»Wenn Sie so sicher sind, warum klingen Sie dann nervös?«, fragte Nicole, während hinter dem
flüchtenden Ringraumer der entscheidende Kampf einsetzte.
»Nervosität ist etwas für Zweifler«, tat Al Cairo ihren Einwurf ab. »Ich weiß aber genau, was ich
will und was ich tue.«
Gleich zu Dutzenden entstanden kleine Sonnen im Raum, als die Reste der beiden Flotten
aufeinander trafen. Die Gkirr schwenkten aus, um durch die feuerstarke Barriere zu brechen. Der
Großteil der Einheiten versuchte die Cyborg-Schiffe zu binden und in Gefechte zu verstricken,
während einzelne vorstießen, um sich allein an die Verfolgung zu machen. Sie wurden nacheinander
vernichtet.
Der Kampf wogte hin und her, aber keinem Schiff gelang es, sich abzusetzen. Ebenfalls gewann
keine Partei die Überhand und konnte einen entscheidenden Vorteil erringen. Was den Beobachtern
in der CAIRO wie eine kleine Ewigkeit vorkam, spielte sich in wenigen Minuten
ab. Der Untergang zweier Flotten mit sämtlichen Besatzungsmitgliedern.
Al Cairo war hoch zufrieden, als die Kämpfe vorbei waren. So brauchte er seine beiden
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verbliebenen Schlachtschiffe nicht ebenfalls ins Feuer zu werfen.
Obwohl ihm auch das nichts ausgemacht hätte, wenn es um seine eigene Rettung gegangen wäre.
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Epilog
Sie saßen nach ihrer Rückkehr zur Erde in Zamorras Arbeitszimmer im Nordturm von Chateau
Montagne und warteten darauf, dass der Parapsychologe endlich mit dem Abspielen der
Informationen begann.
Es war nicht schwierig gewesen, die Datei so umzugestalten, dass das hochleistungsfähige
Computersystem des Chäteaus sie akzeptierte. Ted Ewigk konnte seine Ungeduld kaum noch
zügeln, und auch Al Cairo zeigte im Augenblick mehr Interesse an dem Inhalt der Datei als an der
geforderten Unterstützung beim Sturz von Nazarena Nerukkar.
»Hoffentlich wird das kein Schlag ins Wasser«, unkte Ted. »Wenn hierbei nämlich nichts
rauskommt, schuldest du mir was, Al. Und Nicole und dem Professor ebenfalls, nachdem wir uns
für dich die Hinterteile aufgerissen haben.«
»Niemand kann mir eure Sensationsgier vorwerfen«, wehrte der Ewige ab. »Du bist doch aus reiner
Abenteuerlust mitgekommen, und deine Freunde, weil sie sich eigene Vorteile dadurch versprochen
haben.«
Nicole warf Al Cairo einen funkelnden Blick zu. Ihr lag eine böse Antwort auf der Zunge, aber sie
verbiss sie sich, weil sie sie bei der Selbstgefälligkeit des Ewigen für vollkommen sinnlos hielt.
Zamorra sagte gar nichts, obwohl er Ewigk vorbehaltlos zustimmte. Er dachte an den Cyborg, dem
er sein Leben zu verdanken hatte. Bisher hatte er diese künstlich erschaffenen Wesen primär für
Mörder im Dienste der DYNASTIE DER EWIGEN gehalten, aber der Zwischenfall auf Ocron
hatte seine Meinung, wenn schon nicht revidiert, dann doch zumindest um eine Nuance verfeinert.
Unter diesem Gesichtspunkt erwartete auch er, dass die Mission, die jedem von ihnen mehrfach das
Leben hätte kosten können, gewisse Früchte trug.
Mit dem allerdings, was die drei Menschen und der Ewige dann erfahren sollten, hatte keiner von
ihnen gerechnet.
Ungläubiges Schweigen herrschte nach den letzten Eindrücken. Zu unglaublich waren die
Enthüllungen, die die Datei geliefert hatte. Das Bild des Planeten, von dem das Volk angesichts der
Verwüstungen durch die Gkirr vor ewiger Zeit geflohen war, stand allen noch vor Augen.
Es war das Bild der Erde, wie sie vor weit über einer halben Milliarde Jahren ausgesehen hatte.
Al Cairo fand als erster die Sprache wieder. »Wir stammen von Gaia«, stieß er atemlos aus. Zum
ersten Mal war die Überheblichkeit aus seiner Stimme verschwunden. »Aber das ist doch
unmöglich.«
»Anscheinend nicht«, überlegte Zamorra. »Oder haben Sie Zweifel an der Authentizität der
Aufzeichnungen?«
Cairo zögerte. In seinem Gesicht arbeitete es, während er nach einem plausiblen Grund suchte, die
Frage bejahen zu können. »Eigentlich nicht«, sagte er schließlich widerwillig. »Mein bisheriges
marginales Wissen über die Frühzeit deckt sich mit den Ausführungen der Datei. Ich kann keine
Stelle entdecken, wo es Widersprüche gibt, die auf eine falsche Legende hinweisen.«
»Aber wie kommen ausgerechnet die Gkirr daran, die Erzfeinde des Volkes und der Ewigen?«,
fragte Nicole.
»Vielleicht haben sie die Datensammlung angelegt.«
Daran glaubte Al Cairo nicht. »Sie enthält zu viele Interna, die auch die Gkirr nicht kennen
können.«
»Vielleicht haben sie das Volk unterwandert. Die Ewigen hatten zahlreiche Agenten auf der Erde.
Wer weiß, von wie vielen wir nicht einmal ahnen, weil wir sie nie enttarnt haben«, gab Zamorra zu
bedenken. »Vielleicht ist den Gkirr das ebenfalls gelungen, und sie haben die Geschichte des Volkes
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und die Entwicklung der Ewigen lückenlos verfolgt und sie im Gegensatz zu ihren Feinden sogar
kommentiert und archiviert.«
»Dafür gibt es keinen Beweis«, begehrte Al Cairo auf. Es war nicht zu übersehen, dass ihm die
Vorstellung, dass den Gkirr das gelungen sein könnte, nicht gefiel. »Es muss einen anderen Grund
geben.«
»Ich höre ihn mir gerne an.«
»Vielleicht handelt es sich um unsere Aufzeichnungen, die den Gkirr aus einem unbekannten Grund
in die Hände gefallen sind.«
Zamorra fand, dass das ziemlich unwahrscheinlich klang. Denn wer hätte sie in einem solchen Fall
anlegen sollen? Die ERHABENEN? Die hätten sie zweifellos auf ihrer geheimen Kristallwelt
verwahrt, die offenbar bis heute das Zentrum des Imperiums der Ewigen darstellte. Kein Gkirr hätte
sie von dort erbeuten können. Oder hatten die Todfeinde des Volkes inzwischen einen Weg
gefunden, sogar bis dahin vorzudringen? Ganz auszuschließen war die Möglichkeit nicht. Zamorra
und Asmodis waren schließlich auch schon einmal dort gewesen.
»Aber wie sind die Daten nach Zeta Reticuli gelangt?«
Al Cairo gab keine Antwort. Er hatte an dem Brocken, den man ihm hingeworfen hatte, schwer zu
knabbern. Vielleicht bereute er im Nachhinein sogar, sich auf das Unternehmen eingelassen zu
haben.
»Ich würde gern noch etwas ganz Anderes wissen«, setzte Nicole noch einen drauf. »Woher
wussten Sie von diesen Aufzeichnungen? Wer hat Ihnen gesagt, wo Sie sie finden können? Denn
offenbar handelt es sich um ein Geheimnis, das ebenso streng gehütet wird wie das um die Position
der Kristallwelt.«
»Es gibt keine direkte Quelle. Über Jahrhunderte stieß ich immer wieder auf vage Hinweise, die ich
im Laufe der Zeit zu einem Gesamtbild zusammensetzte. Ich hätte mich auch kren können, dann
wäre unser kleiner Ausflug sinnlos gewesen.«
»Unser kleiner Ausflug«, echote Nicole fassungslos. »Er hat es nicht einmal sicher gewusst. Wir
sind auf gut Glück geflogen und wären beinahe abgeschossen worden. Er hat geraten und unser
aller Leben aufs Spiel gesetzt.«
»Aber gut geraten«, bemerkte Al Cairo lapidar. »Geben Sie es ruhig zu. Sie sind beeindruckt.«
»Nicht mehr als von Ihrer grenzenlosen Bescheidenheit. Aber noch etwas anderes begreife ich
nicht. Was war auf Ocron los? Nach allem, was wir gesehen haben, muss es sich einmal um eine
blühende Welt gehandelt haben, und wir wissen, dass die Gkirr ein technisch hochentwickeltes Volk
sind. Wieso hat auf Ocron diese Rückentwicklung stattgefunden?«
»Und wieso war die Datei noch vorhanden, obwohl ringsum alles mehr oder weniger stark zerfallen
war?«, schlug Zamorra in die gleiche Kerbe. »Was hatte die Wachflotte der Gkirr im Zeta Reticuli-
System zu suchen?
Sie hätte nur einen Sinn ergeben, wenn die Gkkr mit ihr die Daten schützen wollten. Wenn sie aber
doch nichts davon wussten, waren die Schiffe überflüssig.«
»Hör auf, nur schwirrt schon der Kopf«, protestierte Nicole und winkte ab. »Irgendwann werden
wir auf diese Fragen auch noch die Antworten finden.«
»Wie auch immer«, warf Ted ein, der von den neuen Erkenntnissen so begeistert war, dass ihm die
Fragen der anderen sonstwo vorbeigingen. »Eins steht jedenfalls felsenfest. Das Volk stellte die
erste Menschheit der Erde dar. Sie waren unsere Vorgänger.« Er sah Al Cairo mit einem fröhlichen
Lächeln an. »Irgendwie sind wir also miteinander verwandt.«
»Ich mit dir vielleicht, mit den anderen aber nicht.« Der hagere Mann hatte seine Arroganz recht
schnell wiedergefunden.
»Auf jeden Fall haben wir jetzt eine Erklärung dafür, warum die Ewigen ständig versuchten, auf der
Erde Fuß zu fassen. Es zog sie hierher zurück.«
»Aber wir hatten doch auch keine Ahnung, dass wir ursprünglich von Gaia stammen.«
»Vielleicht nicht bewusst, aber unterschwellig war sie da, als eine Art von Zugvogeldrang, ein
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archaischer Instinkt, an den Ort des Entstehens zurückzukehren.« »Mir liegt nichts an Gaia.«
»Dir vielleicht nicht, aber du sagtest selbst, dass viele Ewige das anders sehen.« Ted Ewigk deutete
auf den Dhyarra-Kristall seines ehemaligen Weggefährten. »Über welche Macht verfügt er? Die
wievielte Ordnung hat er erreicht?«
»Das sind Dinge, über die selbst wir beide nicht reden sollten.«
»Aber du bist ein Alpha. Nicole hatte recht, stimmt es? Du willst Nazarena Nerukkar stürzen, um
selbst ERHABENER zu werden.«
»Würde dich das stören? Möglicherweise sogar, weil du das selbst willst?«
»Mich würde es stören«, raunte Nicole Zamorra zu. »Die Galaxis wäre dann zwar möglicherweise
vor einer weiteren Ausbreitung des Imperiums der Ewigen sicher, würde aber bis in die hintersten
Winkel von einer geistigen Welle der Überheblichkeit geflutet. Ich frage mich, was schlimmer ist.«
»Ich hege keine Ambitionen«, wehrte Ted ab. »Ich bin einmal zurückgetreten, und dabei wird es
bleiben.«
»Wie sieht es dann mit der Gegenleistung aus? Ich habe mein Versprechen gehalten, Professor.«
»Aber wir haben Ihnen nichts versprochen«, erinnerte die Französin.
Auch Zamorra schüttelte den Kopf. »Nicole hat Recht. Ich bin nicht Ihr Ansprechpartner. Ich habe
Ihnen bereits vor unserem Aufbruch gesagt, dass ich Sie bei Ihren undurchsichtigen Plänen nicht
unterstütze. Die Ereignisse bei Zeta Reticuli haben mich in meiner Meinung nur noch bestätigt. Ich
fürchte, dass der Krieg zwischen Gkirr und Ewigen demnächst wieder richtig aufflammt.«
»Ein Grund mehr, Stellung zu beziehen und sich auf eine Seite zu schlagen«, beharrte Al Cairo.
»Sonst besteht die Gefahr, dass man zwischen die Fronten gerät und zerrieben wird.«
»Ich habe nur um Teds wegen mitgemacht, und dabei bleibt es erst einmal. Vielleicht entwickeln
sich die Dinge eines Tages so, dass ich meine Meinung ändere, doch bis dahin werde ich abwarten.«
»Auch auf die Gefahr hin, dass es dann vielleicht zu spät ist?«
»Mit dieser Gefahr muss ich leben.«
»So leicht kriegen Sie uns nicht.« Diesmal war es Nicole, die ein spöttisches Grinsen aufsetzte.
»Versuche, uns mit solchen kleinen Spitzen zu manipulieren, sind ziemlich sinnlos.«
Al Cairo sah ein, dass sich Zamorra und seine Kampf-gefahrtin nicht umstimmen ließen, deshalb
wendete er sich wieder an Ted Ewigk. »Was ist mit dir?«
Ted hob rados die Schultern. »Ich kann dir heute noch keine Antwort geben, aber ich werde darüber
nachdenken.«
»Ich verstehe. Darf ich deine Antwort als Versprechen ansehen?«
Ted nickte.
Wenn Al Cairo sich einen größeren Erfolg versprochen hatte, ließ er sich seine Enttäuschung nicht
anmerken. »Bevor ich aufbreche, habe ich noch eine Bitte, Professor. Halten Sie die Daten unter
Verschluss. Ich möchte nicht, dass die Ewigen davon erfahren, jedenfalls jetzt noch nicht. Wenn
sich der Krieg gegen die Gkirr wieder ausweitet, wäre das ein schlechter Zeitpunkt für weitere
Unruhe.«
»Ich werde die Daten geheim halten«, versprach Zamorra, der vorläufig ebenfalls nichts von einer
Publizierung hielt. »In meinem Panzerschrank ist die Kapsel gut aufgehoben.«
Al Cairo verabschiedete sich und kehrte zu seinem Raumschiff zurück, mit dem er kurze Zeit später
startete, um wieder in den Tiefen des Weltraums und des Imperiums der Ewigen zu verschwinden.
Ted Ewigk sah dem Ringraumer seines einstigen Weggefährten nach, während er immer kleiner
wurde und schließlich als winziges Pünktchen am Himmel verschwand.
»Ich glaube nicht, dass Al es schaffen wird«, raunte Ted Zamorra zu. »Ich traue ihm einfach nicht
zu, dass es ihm gelingt, Nazarena Nerukkar zu stürzen.«
Er hatte nicht mal eine Erklärung für seine Ahnung. Sie war einfach da.
ENDE von Hardcoverband 7
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