DUST Band 3 »Der Scardeen-Krieg« von Martin Kay, Alessandra Mancinelli, Thomas Folgmann & Norbert Seufert
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DUST Band 3 »Der Scardeen-Krieg« von Martin Kay, Alessandra Mancinelli, Thomas Folgmann & Norbert Seufert
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Inhalt Vorwort der Taschenbuchausgabe Teil 1 Familienbande Teil 2 Tag des Verrats Teil 3 Sieg und Niederlage Glossar
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Vorwort der Taschenbuchausgabe
Liebe Leser, alles wird neu! Das gilt auch für den vorliegenden Roman. Während ich für die beiden Vorbände zwar die Geschichten der Heftserie überarbeitete und gerade im ersten Band »Die Legion von Scardeen« noch drei zusätzliche Kapitel in den Text einarbeitete, weist »Der Scardeen-Krieg« gegen Ende erhebliche Unterschiede zum Text in Heftform auf. Dies liegt darin begründet, dass wir mit Heft 10 »Sieg und Niederlage« die Serie in dieser Form einstellten und ein einigermaßen stimmiges Ende benötigten. So wurden einige Handlungsstränge im Heft kurzerhand entfernt und das Ende des Romans komplett umgeschrieben. Die Frage, was weiter mit Harry Thorne und Jeremiah Hurley geschieht, welche Pläne die Marshals Ian und Liz verfolgen, blieb in der Heftserie unbeantwortet. In der Buchform werden wir diese Elemente selbstverständlich fortführen und auflösen – denn gerade der Handlungsstrang um Marshal Ian wird noch im zweiten Zyklus ab Buch 51 eine entscheidende Rolle spielen. Das vorliegende Buch entführt Sie ein Jahr in die Zukunft. Als ich seinerzeit DUST als Lose-Blatt-Sammlung verfasste, betrug der Zeitsprung sogar drei Jahre. Ich wollte an dieser Stelle die Handlung beschleunigen und auf den Punkt bringen und nicht von mühseligen Aufbauarbeiten erzählen. Wie Sie sehen werden, hat sich auf Cloudgarden bereits einiges getan. Shadow Command hat sich zu einer Macht gemausert, die dem Scardeenischen Reich durchaus schaden kann. Aber lesen Sie selbst. Neben meinen Mitautoren Alessandra Mancinelli, Thomas Folgmann und Norbert Seufert gilt mein Dank auch Oliver Naujoks, der die Texte vorab las, bewertete und mit seinen hilfreichen Kommentaren ergänzte. Dank auch an Stefan M. Tölle, der für den Namen »Mel Quire« Pate stand. In diesem dritten Buch lesen Sie die ursprünglichen Heftromane: Band 8 »Familienbande«, Thomas Folgmann / Alessandra Mancinelli Band 9 »Tag des Verrats«, Alessandra Mancinelli / Martin Kay Band 10 »Sieg und Niederlage«, Norbert Seufert / Martin Kay
Gute Unterhaltung wünscht Martin Kay
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Anmerkung der story2go-Redaktion: Die Taschenbuch-Serie ist mit den drei vorliegenden Bänden vorläufig abgeschlossen
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Teil 1 Familienbande
Die beiden Toten auf der Titelseite der Washington Post gingen auf sein Konto. Er legte es als Notwehr aus. Jeder Richter des Landes würde ihm dafür einen Mord anhängen. Nicht nur in diesem, sondern auch in etwa siebenundzwanzig anderen Fällen allein im letzten Jahr. Harry Thorne schlug den Innenteil der Zeitung auf und überflog kurz den Artikel über die beiden getöteten Mitarbeiter des Außenwirtschaftsministeriums. Es gab keinen Hinweis auf einen Täter oder gar Mord. Der Reporter schrieb von einem Unfall. Thorne faltete die Zeitung wieder zusammen und steckte lächelnd eine Zigarette an. Die Toten waren keine Mitarbeiter eines Ministeriums gewesen, sondern Agenten der CIA. Aber das stand natürlich, wie so vieles, nicht in der Zeitung. Thorne lehnte sich auf der Parkbank zurück und schloss die Augen. Er genoss die letzten Sonnenstrahlen des warmen Dezembertages. Leider wurde seine Ruhe gestört. Jeder andere hätte die Schritte vielleicht nicht bemerkt, aber seine Sinne hatten sich im Laufe des letzten Jahres extrem geschärft. »Guten Morgen, Ian«, sagte Thorne, immer noch lächelnd. Die Schritte verstummten auf den letzten paar Metern. Thorne öffnete die Lider und blickte nach rechts. Gelangweilt zog er eine Augenbraue hoch und musterte den hochgewachsenen Mann im karierten Flanellhemd und hochgekrempelten Ärmeln. Wie üblich trug er Jeans und Cowboystiefel. Er wirkte wie jemand der hier zufällig vorbei schlenderte, einzig seine Kleidung mochte nicht so recht nach Virginia passen. Obwohl Ian keine Jacke trug, unter der er ein Schulter- oder Hüftholster hätte verbergen können, war Thorne vorsichtig genug, den anderen nicht zu unterschätzen. Er wusste, dass der Marshal bewaffnet war – wenn auch nicht unbedingt mit konventionellen Waffen, die man bei einem Bundesbeamten, der er vorgab zu sein, erwartete. »Harry Thorne«, sagte Ian mit ausdrucksloser Miene. »Ist schon eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.« Thorne setzte sich aufrecht hin, schürzte die Lippen und nickte. »Etwas über ein Jahr, wenn ich mich nicht irre. Sie haben mich im NSA-Gebäude in Los Angeles hängen lassen.« »Kommen Sie, Harry, ich hatte keine andere Wahl.« »So? Nach all den Jahren, die ich Ihnen vertraut habe, in denen wir zusammengearbeitet haben?« Er stand auf und ging an Ian vorbei ohne ihn zu beachten. Keine zwei Sekunden darauf, war der Marshal bereits an seiner Seite. Thorne blickte sich aufmerksam im Park um. Vereinzelt kreuzten Spaziergänger und Jogger ihren Weg, doch insgesamt waren zu der frühen Stunde nicht viele Leute unterwegs. Der perfekte Ort für einen Hinterhalt – oder für einen weiteren Mord, je nachdem aus welcher Perspektive man die Sache betrachtete. Thorne war auf der Hut. Er wusste, dass er Ian nicht trauen konnte. Er hatte es schon immer gewusst, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen mochte, an dem der Marshal sein eigenes Spiel durchzog und die Belange der NSA nicht mehr berücksichtigte. Doch Harry konnte sich einfach nicht vorstellen, dass seine Zeit bereits so früh abgelaufen sein sollte. Er konnte sich nur einen Reim darauf machen: Das Erscheinen Shadow Commands und der Außerirdischen vor über einem Jahr passte Ian und seinen Leuten alles andere als in den Kram. Sie hatten wahrscheinlich schneller handeln müssen als ursprünglich geplant. »Und haben Sie noch Kontakte zur NSA?«, fragte Thorne. »Machen Sie Witze?«, entgegnete Ian. »Sie waren unser Verbindungsmann. Niemand sonst
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weiß von unserem Aufenthalt auf diesem Planeten – und das ist auch gut so.« »Ich habe mir schon gedacht, dass das Gefasel über den Austausch von Technologien nur ein Trick ist.« Ian zog die Brauen hoch. »Tatsächlich?« »Natürlich, für wie dumm halten Sie mich? Ich habe nur versucht herauszufinden, was Sie wirklich hier wollen. Früher oder später hätte ich Sie und Ihre Komplizen hochgehen lassen. Aber leider kam uns Shadow Command dazwischen und wir hatten plötzlich einen gemeinsamen Feind.« Sie bogen vom Hauptweg auf einen schmalen Trampelpfad ab, um trotz der frühen Stunde vor neugierigen Blicken sicher zu sein. Dennoch kamen ihnen nach einigen Metern zwei knapp bekleidete Joggerinnen schwitzend und keuchend entgegen. Hätte Harry sich nicht in die Büsche gedrückt, dann wäre er glatt mit ihnen zusammengestoßen. Ein Adrenalinstoß schoss durch seinen Körper. Er wusste nicht, wer für Ian arbeitete und wer nicht, denn die Tarnung der Fremden war nahezu perfekt. Und er wollte ganz bestimmt nicht selbst zum Opfer irgendeines Killers werden. Aber die Frauen liefen weiter, und langsam entspannte er sich wieder. »Shadow Command hat uns im letzten Jahr nicht beschäftigt«, sagte Ian und riss Harry wieder aus seinen Gedanken. »Sie waren ja dabei, als wir die leere Basis in der Mojave-Wüste gefunden haben. Anscheinend ist man mit dem erbeuteten Schlachtschiff in den tiefen Raum aufgebrochen.« Thorne lachte rau auf. »Sie glauben, das Problem Shadow Command hätte sich erledigt? Sie haben nicht die geringste Ahnung. Im letzten Jahr habe ich mehr über diese mysteriöse Organisation herausgefunden, als mir selbst lieb ist.« »So?«, machte Ian. »Ganz allein? Bemerkenswert.« »Oh«, meinte Thorne. »Ich hatte schon Hilfe.« Er fingerte einen scheckkartengroßen Gegenstand aus der Jackentasche hervor und balancierte ihn zwischen seinen Fingern. »Eine Ghostcard?«, fragte Ian verwundert. »Sie haben mir mal erzählt, es gäbe nur sehr wenige in hohen Regierungskreisen. Ich wusste nicht, dass Sie eine besitzen.« »Ich hab sie jemandem abgenommen, der dafür keine Verwendung mehr hat«, erklärte Thorne wie beiläufig und erinnerte sich an die bildhübsche Agentin, die ihn das ganze letzte Jahr auf Trab gehalten hatte. Eileen ... Eileen Hannigan, dachte er und sah sie wieder vor seinen Augen. Was für eine Verschwendung. »Und was haben Sie über Shadow Command herausgefunden?«, hakte Marshal Ian nach. Thornes Lachen wurde lauter, und er schüttelte den Kopf. »Halten Sie mich für so dämlich, Ian? Unsere Partnerschaft endete vor etwa einem Jahr oder haben Sie das vergessen?« »Wir könnten doch noch mal von vorn anfangen«, schlug der andere vor. »Sehen Sie, wir mussten Gossett befreien. Er war der einzige lebende Beweis, dass Shadow Command überhaupt existiert.« »Er war?«, fragte Thorne. Ian seufzte. »Wir haben alles aus ihm herausgequetscht, was er wusste. Danach war er wertlos für uns – und ein Sicherheitsrisiko.« Thorne empfand nicht das geringste Mitleid für den ehemaligen CIA- und Shadow-Agenten. Die NSA wäre nach seinem Verhör in Los Angeles nicht anders verfahren und hätte ihn ebenso abserviert. Thorne interessierte es auch nicht, ob Ians Leute noch mehr aus Gossett herausbekommen hatten, als er selbst. Er war sich sicher, dass er mittlerweile mehr wusste, als Gossett auch nur entfernt geahnt hatte. »Und Hurley haben Sie sich auch geschnappt?«, fragte Thorne und beobachtete genau die Reaktion des anderen. Die Überraschung war gelungen. »Woher wissen Sie ...?«
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»Das war nicht schwer, nachdem ich einen Bericht der CIA einsehen konnte, die in Golden, Colorado nach ihm gefahndet haben. Ihr Amnesieeffekt hat bei dem Barbesitzer von Tom's Inn nicht ganz gefruchtet, fürchte ich. Nach einem Schuss Angel Dust war er recht gesprächig und erinnerte sich an zwei U.S. Marshals, die hinter Jeremiah Hurley her waren. Was wollten Sie von dem Jungen? McLaird ist doch längst mit seinen Freunden über alle Berge.« Ian blieb stehen. Thorne ging noch drei, vier Schritte weiter, ehe er sicher war, dass der andere ihm nicht folgte. Er stoppte ebenfalls und schaute sich nach allen Richtungen um. Sie befanden sich in einem kleinen Waldstück. Die Strahlen der Morgensonne reichten nur vereinzelt durch die Baumkronen. Keine andere Menschenseele war zu sehen. Der perfekte Ort für einen Hinterhalt. »Jeremiah Hurley gehört zu uns«, sagte Ian langsam. Thorne entging nicht, dass der Marshal seine Finger hinter den Gürtel verschränkt hatte. »Ein Agent?« Ian schüttelte den Kopf. »Ein Flüchtling ... aber wir haben ihn wieder nach Hause geholt.« »Aha«, machte Thorne, nahm einen letzten tiefen Zug von der Zigarette und schnippte sie dann in Ians Richtung. Dann zog er seine Waffe blitzartig unter dem Jackett hervor und schoss auf Ian. Die erste Kugel durchschlug seine Brust, trat an seinem Rücken wieder aus und verfing sich im Stamm eines nahen Baumes. Zwei weitere Geschosse zerfetzten seine Halsschlagader. Milchig weißer Schaum schoss in hohem Bogen aus der Wunde. Ian taumelte rückwärts und griff sich an die Kehle. Auf sein Gesicht trat ein Ausdruck von Überraschung, doch nur Bruchteile einer Sekunde später brach er in lautstarkes Gelächter aus. Jetzt war es Thorne, der völlig erstaunt den Lauf der Waffe sinken ließ. Seine Kinnlade kippte herunter und er glaubte weder seinen Augen noch Ohren zu trauen. Ian hätte tot sein müssen. Voller Zweifel blickte Thorne auf die Pistole in seinen Händen, dann auf die Wunden, die er dem Marshal zugefügt hatte. Sie bluteten ... aber weiß und nicht rot! »Was zum Henker ...?« »Haben Sie geglaubt, alles über uns zu wissen?« Das war nicht Ians Stimme. Thorne fuhr herum und sah gerade noch aus den Augenwinkeln die grünen Lichtkreise auf sich zurasen. Eine Welle von Schmerz und Übelkeit durchfuhr seinen Körper. Er sank augenblicklich in die Knie, rollte über den Rasen und ließ die Pistole fallen. Thorne wollte schreien, doch kein Ton kam über seine Lippen. Er war nicht einmal in der Lage, auch nur einen Finger krumm zu machen. Sein Körper schien vollständig gelähmt zu sein – selbst das Atmen fiel ihm schwer, und sein Herz schlug quälend langsam. Er lag reglos auf dem Pfad am Waldrand des Parks. Ian kam auf Thorne zu, beugte sich über ihn und fühlte seinen Puls. Dabei tropfte dieses merkwürdige Blut auf sein Gesicht und lief in seine Mundwinkel hinein. Thorne ekelte sich und befürchtete, sich übergeben zu müssen. Plötzlich sah Ian auf und nickte irgendjemandem außerhalb Thornes Sichtbereich zu. Schließlich beugte sich eine weitere Person über ihn. Bei ihrem Anblick dachte er, er wäre gestorben und schon im Himmel angekommen. Denn er sah in die strahlenden Augen einer wunderschönen Frau und ihr Haar leuchtete in einem bräunlichen Goldton, da die Sonne in gerader Linie direkt hinter ihrem Kopf stand. Doch dann tauchte ein Name in seinem Gedächtnis auf: Marshal Liz! War sie schon immer so strahlend schön gewesen? Ian hatte sie ihm ganz am Anfang ihrer Bekanntschaft vorgestellt, lange bevor sie das erste Mal von Shadow Command gehört hatten. Er wusste, dass nur sie für Gossetts Entführung aus dem NSA-Gebäude vor einem Jahr verantwortlich sein konnte, und plötzlich fand er sie nicht mehr anziehend. Zwei weitere Gestalten näherten sich. Wenn er gekonnt hätte, hätte Harry Thorne in diesem Moment laut aufgestöhnt: Es handelte sich um die beiden Joggerinnen, die ihnen entgegen gelaufen waren. Also gehörten sie auch zu Ians Leuten.
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»Sie hätten nicht zurückkommen sollen, Harry«, sagte der Marshal. »Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie zu Gossett zu bringen. Oh, ich weiß, dass Sie mir nicht antworten können, aber glauben Sie mir, ich an Ihrer Stelle wäre jetzt lieber tot.« Φ Wolkenstädte! Einhundertvier gigantische, kreiselförmige Raumschiffe, die in den Wolkenschichten des Planeten Cloudgarden schwebten. Unfassbar! Selbst nach einem Jahr Aufenthalt weit außerhalb der Milchstraße erstaunte Luis Tennard allein der Gedanke an die technologischen Wunderwerke dieser Welt. Genau wie diese Pipeway! Pfeilschnell jagte das kleine kapselförmige Gefährt durch die Magnetröhre. Die Tunnelwände zogen mit bahnbrechender Geschwindigkeit an Tennard vorbei. Immer wieder war er versucht, auf die Bremse zu treten. Doch es gab keine. Auch das monotone Summen des Antriebs wollte ihn nicht beruhigen. Dieser verrückte Doc Quire hat mindestens ein paar Science Fiction Filme zu viel gesehen. »Das Imperium schlägt zurück«. Ja klar, das Imperium ... Eine Linkskurve ohne abzubremsen. Die Röhre machte einen weiteren Knick und mündete dann in einer Gabelung. Tennard wählte die rechte Strecke. Als hätte die Steuerung der Kapsel einen eigenen Willen, erhöhte sie prompt die Geschwindigkeit. Tennard spürte keinen Andruck, doch das Dahinsausen der Wände vermittelte ihm nicht gerade den Eindruck, sicher aufgehoben zu sein. Trotz der Annehmlichkeiten, die die Agenten Shadow Commands in den Stadtschiffen und in der Metropole Cloud City vorfanden, vermisste Tennard die Erde. Cloudgarden war für ihn nur ein Klumpen aus Eis und Schnee. Wälder, Bäche und Seen, etwas, das auch nur entfernt an Natur erinnerte, gab es hier nur in den Dachkuppeln der Stadtschiffe. Für ihn stellte Cloudgarden noch immer einen unwirtlichen Planeten dar, auf dem sie eigentlich nichts verloren hatten. Das Gefühl, unter Millionen von Frauen mit demselben Aussehen zu leben, trug sein Übriges dazu bei, dass in Tennard alles danach schrie, endlich von hier fort zu kommen. Wenn er diesen Wunsch auch noch nicht öffentlich geäußert hatte – nicht einmal seinem Freund Sean Harris gegenüber. Die Kapsel ging in Schräglage. Sie wechselte die Spur zu einer anderen Pipeway, schoss mit einem leichten Drall durch den Korridor, stets von den abstoßenden Magnetfeldern im Zentrum der Röhre gehalten. Tennard schluckte bei der Irrsinnsjagd. Auf was hatte er sich eingelassen? Diese Frauen, dachte er, um sich von der Schussfahrt abzulenken, diese Klone von Quires toter Ehefrau bringen mich noch um den Verstand. Das ist doch krank. Quire ist krank und wir leben hier mitten unter ihnen. Der Sergeant wurde aus seinen Gedanken gerissen als er erkannte, was das Display vor ihm anzeigte. »Sean?« Er sprach in das Mikrofon am Armaturenbrett. »Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt? Siehst Du nicht ...« Er stockte. Die Geschwindigkeitsanzeige stieg permanent. Jetzt machte die Kapsel gar einen Satz nach vorn, als sie über das zulässige Höchsttempo beschleunigte. Tennard brach der kalte Schweiß aus. »Harris!« »Hey, hey, hey! Nur keine Panik, Lou. Wir haben vielleicht ein bisschen an den Prallfeldeinstellungen gebastelt, aber diese Wahnsinnig Konstante Gravität verhindert doch, dass irgendwas passieren kann. Ich möchte nur mal sehen, wie weit wir gehen können, aber es wird schon nichts passieren. Keine Sorge.«
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Sorge? Tennard starb im Augenblick hundert Tode und sah sich jeden Moment aus der Flugbahn ausbrechen und gegen eine der Wände knallen. Dennoch konnte er sich das Grinsen von Lieutenant Sean Harris bildlich vorstellen. Sie rasten in zwei verschiedenen Flugkapseln durch das Magnetröhrensystem, das sich kreuz und quer unter ganz Cloud City erstreckte, einer Stadt von den dreifachen Ausmaßen des irdischen New Yorks. Ein wenig an den Prallfeldeinstellungen gebastelt – na toll! Wieder eine Kurve. Diesmal spürte er den Andruck. Eine beinahe mörderische Kraft, die ihm ein flaues Gefühl im Magen bescherte. Plötzlich hatte Tennard Mühe, den dicken Kloß in seiner Kehle herunterzuschlucken. Harris war mit Sicherheit einer der besten Piloten, die hier auf Cloudgarden stationiert waren, und auch was die Technik anging machte ihm keiner so schnell etwas vor. Aber war ihm wirklich bewusst, mit was sie hier spielten? Sergeant Tennard schloss die Augen. Doch durch die geschlossenen Lider nahm er immer noch den durch die Geschwindigkeit hervorgerufenen Lichtwechsel wahr. Und der Temporausch leuchtete bildlich auf seinen Netzhäuten nach. Tennard wurde schlecht. Diese ganze Technik, dieser ganze Planet, alles kam ihm unheimlich und nicht real vor. Natürlich war ihm bewusst, dass Mel Quire mit Hilfe der Nullsphäre eine Art Zivilisation geschaffen hatte, in der fast nichts unmöglich war. Aber die Magnetröhren beherrschte oder verstand niemand vollständig. Sie waren ein Mysterium wie die Relativitätstheorie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Gott, Harris, hör endlich auf! Er dachte, er hätte die Worte ins Mikro gesprochen, stellte jedoch fest, dass er seine Lippen nicht mehr bewegen konnte. Vergeblich versuchte er die Augen zu öffnen. Er wusste, dass das Tempo längst jenseits der vom Tachometer angezeigten Werte lag. Das Wummern der Antriebsaggregate in seinem Rücken wurde unerträglich. »Wahnsinnig Konstante Gravität« hatte Harris es genannt. Bereits während ihrer Schulungen, in denen man ihnen in Grundzügen die Technik und das Leben auf Cloudgarden nahe bringen wollte, hatte der Lieutenant seine Lehrer damit an den Rand des Wahnsinns getrieben. Luis Tennard musste lächeln als auch ihm die Ausformulierung der Abkürzung nicht mehr einfiel, die die Technologie der Magnetröhren beschrieb. W.K.G. Irgendeine Wernersche Konstante, aber wofür das G stand ... er konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern. Letztlich war es auch nicht so wichtig, solange die Magnetfelder in den Röhren und an den Fahrzeugen korrekt funktionierten, die Abstände zwischen den Gleitern so gesteuert wurden, dass ein Zusammenstoß unmöglich war und sie nicht Gefahr liefen, jemals in den Röhren aussteigen zu müssen. Das dort herrschende Vakuum würde der Gesundheit nicht unbedingt zuträglich sein, dessen war sich Luis Tennard ganz sicher. Es sei denn man bestand darauf sich wie ein Ei in der Mikrowelle bei 800 Watt zu fühlen. Tennard hob endlich die Lider und starrte gebannt auf das Display vor seinem Sitz während er mit dem Gleiter aus der Einbahnröhre in die größere Pipeway steuerte. Gleichzeitig schoss Harris' Flitzer aus einer anderen Röhre, direkt auf das Fahrzeug seines Partners zu. Offenbar hatte der Lieutenant beide Kapseln unter seine Kontrolle gebracht, um seinen Versuch zu vollenden. Die Gleiter sahen aus wie plattgequetschte Dinosauriereier und existierten in unterschiedlichen Größen. Ihre kleinsten Einheiten erlaubten zwei Personen komfortable Sitzmöglichkeiten. Die größeren Ausführungen konnten bis zu sechs Passagiere aufnehmen. Tennard glaubte schon das Kreischen von sich ineinander verkeilendem Metall zu hören, hatte die Funken sprühende Kollision bereits vor Augen als die beiden Flitzer nur noch wenige Meter von einander entfernt waren. Durch das Seitenfenster sah er, wie Sean Harris mit einer schnellen Handbewegung seinen Gleiter leicht zur Seite riss. Gleichzeitig tippte er eine kurze Zahlenkombination in die Sensorfelder des Terminals. Die beiden Transportgleiter, die um diese frühe Uhrzeit die einzigen in der Pipeway waren, wurden abrupt abgebremst,
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nahmen aber, während sie sich langsam gegenseitig umkreisten, sofort wieder Fahrt auf. »Harris! Was soll das? Es reicht jetzt!« Panik schwang in Tennards Stimme mit. Dennoch atmete er erleichtert auf, dass es nicht zu einem Unfall gekommen war. Er wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Erst jetzt merkte er, wie sein Puls raste. »Gib meinen Gleiter wieder frei! Wir gurken jetzt schon über eine Stunde durch diese Röhren. Das hier ist doch kein verdammtes Pod-Race! Gönn mir an meinem freien Tag eine Pause.« »Ist ja schon gut«, lachte Harris. »Wir sind nicht weit von einem guten Bekannten entfernt. Klasse Pub! Hervorragender Whisky. Und wenn Du erst die Kellnerinnen siehst ... Lass uns frühstücken, okay?« Tennard zuckte die Achseln. »Was bleibt mir anderes übrig. Du hast mich ja im Schlepptau. Ohne Tau, sozusagen.« Harris lachte nochmals laut auf, und seine Finger glitten wieder über die Sensortasten. »Kurs akzeptiert. Genießen Sie die Fahrt«, ertönte eine emotionslose Maschinenstimme während die Automatik übernahm und die beiden kapselförmigen Gleiter ihrem Ziel entgegensteuerte. Φ Sie flogen mit wesentlich angenehmerer Geschwindigkeit durch einen sich ständig windenden Tunnel bis sie kurz vor einer Schleuse abgebremst wurden und das charakteristische Zischen zu hören war, mit welchem sich die Rückkehr in eine Welt voller Sauerstoff ankündigte. Zu der frühen Stunde herrschte auf dem kleinen Bahnhof nur wenig Betrieb. Sie ließen die Gleiter in zwei freien Parkbuchten zurück und sicherten sie mit einem persönlichen Code. Auch wenn die Fahrzeuge grundsätzlich jedem zur freien Verfügung standen, waren diese beiden leicht modifizierten Transportmittel nicht unbedingt für den Normalbetrieb geeignet. Die beiden Männer marschierten in einen, in grünes Licht getauchten Gang, der sie zu einem Aufzugschacht führte. Der Lift brachte sie direkt an die Oberfläche von Cloud City und hinaus auf eine Straße, auf der sich die ersten Spuren erwachenden Stadtlebens zeigten. Tennard betrachtete die wenigen Schwebegleiter die ihre Lieferungen ausfuhren, die Passanten, nichts anderes als Militärangehörige oder deren Familienmitglieder, die ihren Pflichten nachgingen. Während des vergangenen Jahres waren in regelmäßigen Abständen regelrechte Konvois zur Erde aufgebrochen, um nach und nach die Angehörigen der ShadowSoldaten nach Cloudgarden zu holen. Bei manchen Familien lief es eher schlecht als recht. Meist wussten die Ehefrauen gar nicht, welchen Beruf ihre Männer hier ausübten. Und ganz bestimmt hatten sie keine Sehnsucht danach, die Erde zu verlassen und den Rest ihres Lebens auf einem kargen Eisplaneten zu verbringen, so modern und luxuriös die Hauptstadt Cloud City auch war. Alles in allem waren erst ein paar hundert Familienmitglieder der insgesamt 3.000 Shadow-Agenten nach Cloudgarden ausgewandert. Die Aspekte, so individuell sie auch sein mochten, hatten zwar Ansätze einer eigenen Freizeitkultur entwickelt, definierten sich aber, in Tennards Augen, nach wie vor hauptsächlich über ihre militärischen und wissenschaftlichen Aufgaben. Mel Quire hatte seine Frau verloren und war danach in tiefe Trauer verfallen. Aber er hatte seinen eigenen Weg gefunden damit fertig zu werden. Er hatte eine gigantische Kaserne gebaut und bevölkert. Bevölkert mit Klonen. Klonkriegerinnen um genau zu sein. Alle mit dem gleichen wunderschönen Gesicht seiner Frau. Auf ewig konserviert. Eine zeitlose Manifestation seiner Liebe. Und wir hätten beinahe zwei von ihnen umgebracht, dachte er, während er seinem Partner in eine schmale Gasse, die von der Hauptstraße abzweigte, folgte. Die beiden betraten eine auf den ersten Blick heruntergekommene Hafenspelunke. Aber eben nur auf den ersten Blick. Die
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Holztheke sollte verkratzt und verbraucht aussehen, aber das an allen Ecken und Enden durchschimmernde Metall ließ nur den Eindruck einer billigen Kulisse entstehen. Wie bei den unsäglichen Seifenopern im Fernsehen des zwanzigsten Jahrhunderts. Dazu die schummrige Beleuchtung, die leise Musik. Alles ohne Atmosphäre und ohne den typischen Geruch einer Hafenkneipe auf der Erde. Tennard war in der Tür stehen geblieben und sog die Luft durch seine Nase ein. Er erwartete den Geruch von abgestandenem Bier und kaltem Zigarettenrauch. Aber da war nichts. Wahrscheinlich muss man sich nur darauf einlassen. Sein kindliches Gemüt wecken. Etwas, das Sean offensichtlich spielend gelingt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Sergeant schlängelte sich geschickt durch die eng zusammenstehenden Stühle und Tische und nahm an dem Ecktisch Platz, an dem sich sein Begleiter bereits niedergelassen hatte. Sie waren die einzigen Gäste zu dieser frühen Stunde. Hinter der Theke war ein älterer Mann aufgetaucht, einen zerfledderten Wischlappen in der Hand, den er über den Tresen schob als ob der Dreck von hunderten von Gästen entfernt werden müsste. Er nickte grüßend zu den Männern herüber. »Tolle Kaschemme«, murrte Tennard. »Nun hab dich nicht so, Lou«, grinste Harris und winkte dem Wirt zu. »Hey, Harvey! Lang nicht mehr gesehen. Wo ist Katja? Ich habe meinem Freund hier schon von ihr vorgeschwärmt.« Die Antwort, die der Mann hinter der Theke murmelte war kaum zu verstehen. »Ich weiß nicht«, sagte Tennard. »Im Hick up fühle ich mich besser aufgehoben.« »Scheiße, nein«, wehrte Harris ab. »Da verkehren mir McLaird und unser Major zu oft. Ich kann mir was Besseres vorstellen, als den beiden beim gegenseitigen Abschlecken zuzusehen, während ich mein Guinness schlürfe. Außerdem ist Harvey ein guter Kumpel. Er ist eigentlich als Wartungstechniker mit nach Cloudgarden gekommen.« Der Wirt brachte ihnen zwei mit dampfenden Omelettes belegte Teller und setzte sich zu ihnen. »Ich hatte gehofft Katja würde uns ein wenig Gesellschaft leisten«, sagte Harris mit einem schelmischen Grinsen und stupste seinen Freund an. »Unter diesen immergleichen Frauengesichtern ist sie eine unschätzbare Perle«. »Oh, es ist gestern sehr spät geworden«, antwortete der Wirt lachend. »Und ganz offensichtlich hat Katja tatsächlich mal ein paar Kerle getroffen, die noch trinkfester sind als sie. Du weißt ja wie sie ist. Kein Kind von Traurigkeit. Aber jetzt haut rein und lasst es euch schmecken!« Dazu benötigten die Männer keine weitere Aufforderung, und für eine Weile war nur das Klappern des Bestecks zu hören. »Hey, Sean, wie ich sehe, bist du befördert worden. First Lieutenant, he. Respekt, mein Junge, Respekt!« »Ach, ich weiß gar nicht, wie ich zu der Ehre gekommen bin, Harvey. Angeblich habe ich irgendwelche besonderen Verdienste vollbracht. Ich kann mich aber nicht erinnern, etwas in der Art getan zu haben. Wahrscheinlich konnte unser guter Major Stone anders nicht rechtfertigen, dass ihr Liebling ebenso befördert wurde und hat die Gelegenheit genutzt, mich gleich mit auf die Liste zu setzen. Wer weiß, wofür es gut ist.« »Major Stone? Sherilyn Stone hat einen Liebling?« Der Wirt hatte die Augenbrauen hochgezogen und sah Harris fragend an. Der ließ sich nicht lange bitten und fuhr fort: »Ja, natürlich hat unser Major ihre Lieblinge. Und an erster Stelle steht da natürlich der herausragende und alle in den Schatten stellende Simon Thomas McLaird. Texaner seines Zeichens und allein schon dadurch prädestiniert, um ...« »Sean!«, unterbrach Tennard seinen Partner. Er wusste, dass Harris nicht wirklich etwas
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gegen McLaird hatte und dessen Leistungen sehr wohl schätzte. Aber ab und zu ließ er sich einfach zu sehr mitreißen und lud alles Leid der Welt – seiner, Sean Harris' Welt – auf den Schultern anderer ab. »First Lieutenant McLaird hat genauso das Seine zum Erfolg beigetragen wie du, Sean. Harvey ist selbst Soldat gewesen. Er weiß auch, wie es bei uns zugeht. Eine Vetternwirtschaft, wie du es anklingen lässt, haben wir aber zum Glück noch nicht.« »Nein, natürlich nicht.« Harris lachte auf. »Ich glaube auch nicht, dass McLaird und ich verwandt sind. Aber welchen Erfolg? Und müsstest dann nicht auch Du befördert werden? Ich meine, was nützt mir überhaupt eine Beförderung? Es ist ja nicht so, dass ich mir auf Cloudgarden ein nettes Häuschen kaufen und meinen Lebensabend mit Frau und Kindern verbringen könnte, oder?« Mit Angel würde ich es vielleicht wagen. Angel ist anders. Gott, wieso muss ich so oft an sie denken? Sie ist auch nur ein Klon, eine Natasha, eine Kopie. Und ich habe sie vor einem Jahr angeschossen. Ach, vergiss sie. Harris blickte verstohlen zur Seite, als habe er Angst, Tennard könne seine Gedanken gelesen haben. »Du hast die Rechnung noch nicht gesehen, die ich dir nachher präsentieren werde, Lieutenant! Du wirst deinen Sold schon noch los, keine Sorge.« Einige Zeit ging das freundschaftliche Geplänkel zwischen dem Wirt und Harris weiter, und nach der zweiten Kanne dunkelsten Kaffees kam der Shadow-Soldat auf einen weiteren Grund seines Besuches hier zu sprechen. »Harvey, mein guter Freund ...« »O Mann, Sean, wenn Du schon so anfängst. Ich ahne worauf Du hinaus willst und meine Antwort lautet Nein.« »Hey, ich weiß, dass Du hier irgendwo ein paar Flaschen wirklich exklusiven Whisky gelagert hast. Und zur Feier des Tages ...« »Welche Feier?«, fiel Harvey ihm erneut ins Wort. »Na, immerhin haben wir heute dienstfrei, ich bin befördert worden, Lou hätte es beinahe geschafft, einen Transportgleiter zu Schrott zu fliegen ...« »Hey!«, schaltete Luis Tennard sich erneut ein, »du hast an den Prallfeldern rumgemurkst, und außerdem hatte ich den Gleiter absolut unter Kontrolle. Diese dämlichen Röhren sind einfach nur zu eng.« »Tut mir leid«, sagte Harvey, »aber du kennst die Vorschriften. Ich darf um diese Zeit keinen Alkohol ausschenken. Dieser Versuch hier eine neue Gesellschaft aufzubauen ist ja wohl wirklich nicht mehr als ein Versuch. Soldaten und geklonte Frauen und das Ganze dann auch noch in fliegenden Städten, das kann doch gar nicht ...« »Was kann das nicht, Wirt?« Die weibliche Stimme, die ihr Gespräch unterbrach war kalt und fast bar jeglicher Emotionen. Nur das letzte Wort kam einen Hauch abfälliger über die Lippen einer der beiden wunderschönen Frauen, die die Kneipe betreten hatten. Zwei Frauen, deren Figur jedem Mann buchstäblich das Blut in den Adern kochen ließ. Zwei Frauen bei deren Anblick man sich unwillkürlich fragte, wie sie es geschafft hatten, in die hautengen Anzüge zu schlüpfen, oder ob sie bereits mit diesen geboren worden waren. Nicht geboren, korrigierte Sean sich in Gedanken. Geklont! Die beiden Polizistinnen ließen die Musterung der drei Männer ruhig über sich ergehen. Mit wenigen, geschmeidigen Schritten erreichten die Zwei den Tisch an dem die Männer saßen. »Sieh an, Lieutenant Harris.« Sean zuckte merklich zusammen als sein Name fiel. Aber er sah zu der Frau hoch und musterte die offensichtliche Anführerin aufmerksam. Schließlich blieb sein Blick an dem Anhänger ihres Halskettchens hängen: NAT-6 Omega!
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Sie ist es, dachte Sean Harris wie elektrisiert. Angel ist hier. Was ist das für ein scheiß Spiel? Zufall? »Verdammt!«, flüsterte er, um seinen Freund zu warnen. »Das sind die beiden ...« »Ich weiß ... «, sagte Tennard. »Ich weiß.« Einen kurzen Moment herrschte gespanntes Schweigen. »Sergeant Tennard! Wie nett, da haben wir ja gleich zwei auf einen Streich.« Die Stimme des zweiten Aspekts war ähnlich unterkühlt wie die ihrer Chefin. Sie bedachte Tennard mit einem geringschätzigen Blick. Dieser blieb stumm und fixierte einen Fingerabdruck auf der Tischplatte. Harris tat es ihm gleich. Was sollte man auch zu einer Frau sagen, die man vor einiger Zeit fast getötet hatte? Zwar hatte NAT-6 Omega ihm vor einem Jahr am Krankenbett vergeben ... aber das war vor einem Jahr, und Harris war noch immer davon überzeugt, dass sie im Delirium zu ihm gesprochen hatte. So sanft, war sie damals gewesen. So nachsichtig. So verständnisvoll. Die Erinnerungen an ihre erste Begegnung stiegen vollends in ihm hoch. »Angel ...«, rutschte es aus ihm heraus. NAT-6 Omega machte einen Schritt auf Sean Harris zu und zog eine Augenbraue hoch. »Angel?« »Nun ja, es ist Ihr Name, ich meine, nein, nur für mich, weil doch ...« »Schluss jetzt mit dem Unsinn«, herrschte sie ihn an. »Von zwei einfachen Soldaten kann man ja wohl auch keine ordentliche Begrüßung erwarten, aber«, und nun wandte sie sich an den Wirt, »von Ihnen, Mister Lodge, hätte ich doch zumindest ein einfaches Guten Tag erwartet. Vor allem da wir Ihnen doch Ihre offizielle Lizenz zum Alkoholausschank bringen. Allerdings wird diese Lizenz nur vorläufig erteilt, und wenn Sie sich nicht an die Auflagen halten ...« »Dann?«, konnte der Wirt sich nicht verkneifen zu fragen. »Dann werden Sie sich wieder auf Kaffee und Wasser beschränken müssen. Das wird bestimmt der Renner bei Ihren ehemaligen Kollegen.« Wieder entstand eine kurze Pause in der niemand etwas sagte. Schließlich legte die andere Natasha mit dem Anhänger 143, zwei dicht beschriebene Blätter vor dem Wirt auf den Tisch und hielt ihm einen kleinen Scanner hin. »Bestätigen Sie mit dem Daumen Ihrer rechten Hand. Hier.« Fast automatisch drückte Harvey seinen Daumen auf das Gerät und nahm dann die Papiere auf. »Dank ...« Der Wirt verstummte. Die beiden Aspekte hatten die Bar schon wieder verlassen, und nur die leise zuklappende Tür verriet, dass jemand hinausgegangen war. »Gespenster sind ein Dreck dagegen«, murmelte Harvey. »Aber sagt mal, was war denn mit euch los? Ihr seid ja förmlich zu Salzsäulen erstarrt als ihr die beiden gesehen habt. Klar, sie sehen schon verdammt gut aus diese Aspekte, aber gleich so zu reagieren. Oder besser nicht zu reagieren.« Der Wirt sah die Freunde fragend an. »Wir haben schon einmal zu schnell reagiert«, war Harris' raue Stimme zu hören. »Wenn du uns jetzt ein Gläschen einschenkst, erzählt Lou dir ja vielleicht die Geschichte.« Diesmal kamen keine Einwände von Harvey. Innerhalb kürzester Zeit standen drei kleine Gläser auf dem Tisch, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Tennard nippte an seinem Glas, überlegte kurz und erzählte dann von ihrem, Harris' und seinem, ersten Zusammentreffen mit den Aspekten. Als er endete, schwiegen sie betreten. Harris blickte zur Seite und fing den Blick seines Freundes auf. Die Frage, die Tennard auf der Zunge lag, die er sich aber nicht traute zu stellen, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Sean Harris nippte am Whisky. Er wusste, dass er seinem Kumpel bald erklären musste, warum er die Anführerin Angel genannt hatte.
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Φ Zehn Monate zuvor Tiefes Dröhnen erfüllte den wabenförmigen Raum. Allerdings fehlte die Symmetrie, die eine Wabe ausmachte. Die Wände waren unterschiedlich lang, und diese unregelmäßige Geometrie verursachte unvorbereiteten Besuchern dieses Raumes ein Unwohlsein, das kaum in Worte zu fassen war. Das an- und abschwellende Brummen trug das Seinige dazu bei, dass von Wohlfühlen hier nicht zu sprechen war. Davon nicht betroffen waren die sieben Männer, die an einem halbkreisförmigen Tisch saßen, der vor der längsten Wand platziert war. Einem von der Erde stammendem Menschen wäre die Ähnlichkeit mit Gemälden aus dem alten Griechenland sofort aufgefallen: Die Männer waren in weiße Tuniken gekleidet und schienen uralt zu sein. Nur zwei von ihnen machten einen etwas jüngeren Eindruck. Auf dem Tisch markierten acht glasähnliche Rechtecke die jeweiligen Plätze. In dunkelroten, digitalen Buchstaben wurden die Namen der dort Sitzenden angezeigt. Ein Platz war jedoch frei. Als ein Schott auf der dem Tisch gegenüberliegenden Wand zischend nach oben fuhr, wurde auch auf dem bisher leeren, kaum sichtbaren Schild ein Name angezeigt: SEALDRIC. Der goldblaue Umhang wehte hinter dem Bewahrer her als dieser mit schnellen Schritten bis zur Mitte des Raumes eilte. Dort stoppte ihn ein Lichtkreis, dessen gelbe Farbe sich grell von dem dunkel marmorierten Boden abhob. Sealdric betrat diesen Kreis, und sofort begann das Lichtband sich nach oben zu bewegen. In der Luft schwebend verharrte dieser Kreis in Taillenhöhe des Bewahrers. Kaum hörbar veränderte sich die Frequenz des Raum ausfüllenden Brummens. Ein zweiter, diesmal roter Lichtkreis bildete sich an der Decke und senkte sich herab, bis er den Hals des Bewahrers nahezu umschloss. Sealdric fühlte, neben dem Ärger, seinen angestammten Platz nicht einnehmen zu dürfen, einen leichten Anflug von Angst in sich aufsteigen. Seine Gedanken begannen sich bereits mit möglichen Konsequenzen, die sein Versagen nach sich ziehen mussten, zu beschäftigen. Er schrak leicht zusammen als eine ruhige, emotionslose Stimme ihn ansprach. »Sealdric. Ratsmitglied des Großen Wissenschaftsrates des Sternenreichs Scardeen, Rasarah erster Ordnung.« Der Bewahrer hatte die Grußformel häufig genug vernommen, um ohne zu zögern die geforderte Antwort sprechen zu können. »Großmeister des Wissenschaftsrates Scardeen, es ist mir eine Ehre.« Sealdric konnte es jedoch nicht ohne weiteres bei dem Gruß belassen und fuhr fort: »Warum muss ich, Sealdric, Rasarah der ersten Ordnung, im Verhörzyklus stehen? Warum wird mir, einem Ratsmitglied des Großen Wissenschaftsrates, mein mir zustehender Platz im Rat verwehrt?« »Du bist angeklagt versagt zu haben! Du hattest die Koordinaten dieses Planeten der vermeintlichen Emporkömmlinge in deinem Besitz. Du hast diesen Planeten namens Erde nicht zerstört. Du hast dich von seinen Bewohnern hinters Licht führen lassen. Du trägst die Verantwortung dafür, was aus der Gruppierung Shadow Command werden könnte, nachdem sie eines unserer Schlachtschiffe erobert haben.« Sealdric schluckte heftig. Er hatte geahnt was auf ihn zukommen würde, doch hatte er nicht mit einer solch harten Schuldzuweisung gerechnet. »Mein Logbuch zeigt aber ...« »Schweig!«, unterbrach ihn der Großmeister. Sealdric senkte ehrfürchtig den Kopf. Er bildete sich ein zu spüren, wie sich das rote Band aus Licht enger um seinen Hals zusammen zog. »Shadow Command existiert«, fuhr der Großmeister fort. »Es lebt und arbeitet. Du bist es,
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der die Verantwortung für einen möglichen Schlag gegen uns trägt. Natürlich werden diese Menschen nie die Fähigkeiten erringen, die unseren gleich kommen. Doch sie können uns schmerzhafte Wunden zufügen. Dank dir, Bewahrer Sealdric!« Es entstand eine kurze Pause in der nur das tiefe Brummen zu hören war. Dann erhob der Großmeister erneut seine Stimme. »Aus deinen Berichten kristallisieren sich drei Personen heraus, die diese Organisation anführen. Sie sind es, die ausgeschaltet werden müssen: Terraner Simon Thomas McLaird, Terranerin Sherilyn Stone und der Drahusem und Schwertträger Ken Dra! Diese drei bereiten sich und ihre Leute auf etwas Großes vor. Etwas, das uns gefährlich werden könnte. Sie befinden sich nicht mehr auf der Erde. Terra ist also nicht das Ziel. Vorerst nicht. Du wirst die geheime Basis von Shadow Command finden und vernichten. Du wirst diese Bedrohung für den Rat, für ganz Scardeen zerstören. Du bist nicht länger Ratsmitglied!« Sealdric zuckte zusammen. Er hob leicht den Kopf, senkte ihn jedoch sofort wieder, als der Großmeister weiter sprach. »Du hast ein Jahr, die Gefahr für Scardeen zu beseitigen. Falls du erneut versagst ...« Es waren die unausgesprochenen Worte, die in Sealdric einen Aufruhr auslösten. Nur die beiden um ihn schwebenden Lichtkreise hielten ihn davon ab, sich auf den Großmeister zu stürzen – und damit sofort sein Leben zu verwirken. Seine Gedanken wirbelten. Der Großmeister fuhr fort, jedoch bekam Sealdric nur die Hälfte von dem mit, was gesprochen wurde. Als aber der Name Helen Dryer fiel, wurde er hellhörig. Ein Schauer lief ihm den Rücken herunter – der Großmeister hatte sie soeben in den Stand einer Bewahrerin erhoben. Sealdric blickte sich um. Dort stand sie im Eingang, verneigte sich vor dem Rat Scardeens. Er hatte die Verräterin nie wieder sehen wollen. Sie war bereits zu einer scardeenischen Kolonie ausquartiert worden, um dort ein neues Leben zu beginnen. Was suchte sie also hier? »Rasarah Helen«, hörte Sealdric den Großmeister sagen. »Du wirst mit der Suche nach dem Drahusem-Planeten Dai Urshar Senekar Tarmalis betraut.« »Dai Urshar?« Sealdric wurde sich erst bewusst, dass er laut gesprochen hatte, als er aufsah und die ebenfalls irritierten Blicke der anderen Ratsmitglieder bemerkte. Der Großmeister ließ dadurch nicht beirren. »Von Dai Urshar geht eine unbeschreibliche Gefahr aus.« Er schien keine weiteren Erklärungen abgeben zu wollen. Der alte Mann mit den grauen Haaren schüttelte leicht den Kopf und schloss kurz die Augen. Für einen Sekundenbruchteil glaubte Sealdric so etwas wie Verwirrung in der Miene des Großmeisters zu erkennen. Doch schon die nächsten Worte ließen diese Eindrücke Sealdric wie einen Traum vorkommen. »So geh nun, Sterblicher! Die Frist, die dir gegeben ist, läuft ab sofort. Dir steht die Hälfte der Flotte von Scardeen zur Verfügung.« Die Lichtkreise um Sealdric lösten sich auf und das ehemalige Ratsmitglied verließ den Sitzungssaal. Er spürte immer noch Verwirrung ob der Aussage des Großmeisters bezüglich der sagenumwobenen Drahusem-Welt. Und das gespannte Schweigen, das er in dem großen Raum zurück ließ, deutete darauf hin, dass auch die anderen Ratsmitglieder nicht vollends davon überzeugt waren, dass Dai Urshar Senekar Tarmalis wirklich ein Ziel sein musste. Sealdric hatte genügend Sitzungen beigewohnt, und am Ende jeder Zusammenkunft war es immer zu Gesprächen und Diskussionen aller Art gekommen. Nie hatte er es erlebt, dass solch nahezu greifbares Schweigen herrschte. Hinter dem Bewahrer schloss sich das Schott, und das zischende Geräusch rief Sealdric die ihm gesetzte Frist wieder in Erinnerung. Ein Jahr! Er hatte wahrlich besseres zu tun, als sich den Kopf über den Rat zu zerbrechen. Φ
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Gegenwart Die Raumfähre durchstieß einige dahin ziehende Wolkenbänke als sie in die tieferen Atmosphärenschichten eindrang. Unter dem Boot sollte die Planetenoberfläche sichtbar werden, jedoch war momentan außer gleißender Helligkeit kaum etwas auszumachen. Erst nachdem sich die Augen an das grelle, reflektierte Licht gewöhnt hatten, wurden die gänzlich von Schnee und Eis bedeckten Ebenen und Gebirge erkennbar. Mit hoher Geschwindigkeit schoss die Fähre auf den Boden zu und raste dann über die unwirtliche Gegend. Ken Dra blickte zur Seite zu Simon McLaird. Diesen schien das eisige Schauspiel außerhalb des kleinen Schiffes völlig kalt zu lassen. Ken Dra musste ob des gedanklichen Wortspiels lächeln, fragte sich aber auch, was McLaird zurzeit beschäftigte. Auch wenn der Mann von der Erde sich gelassen und ruhig gab, ahnte Ken Dra, dass da noch etwas in McLaird brodelte und irgendwann ausbrechen würde. Der Schwertträger zog die Maschine vor einem Bergmassiv nach oben und blickte aus dem seitlichen Fenster. Die Bergkette bildete einen Ring, und als Ken über die Gipfel flog, wurde in der Mitte des gewaltigen Kreises die Ewige Stadt sichtbar: Cloud City. Flugverkehr in und über der Stadt war verboten und so hatte man rund um die Metropole Landeflächen errichtet, die sich mit unter Kuppeln befindlichen Parks und Grünanlagen abwechselten. Ein paar Kilometer weiter erhoben sich die Türme und Wolkenkratzer des großen Raumhafens in den Himmel empor. Auch wenn Quire den Großteil seiner Arbeit mit den Aspekten seiner Frau geleistet hatte, im Hinterkopf stand immer die Idee einer von Menschen besiedelten Welt. Wobei Cloudgarden natürlich nicht so zu besiedeln war, wie man sich das üblicherweise vorstellen mochte. Einzig die Wolkenstädte boten, neben Cloud City selbst, eine lebenswerte Umgebung was die Temperatur anging. Noch war dies alles im Werden. Die Menschen, die auf Cloudgarden eingetroffen waren nahmen zwar die Parks, die kleinen Seen und Miniwälder in den Städten an. Neben der Sauerstoffgewinnung und aufbereitung boten sie auch einen hohen Freizeit- und einen gewissen Erinnerungswert an das, was die Menschen zurückgelassen hatten. Aber die Städte selbst waren zu Beginn rein funktional errichtet worden, es fehlte ihnen das, was eine Stadt ausmachte. Geschäfte, Kneipen, von Familien tatsächlich bewohnte Wohnviertel, all das entwickelte sich erst nach und nach. Und es würde sicher noch Jahre dauern bis man von Cloudgarden wirklich als belebtem, bewohntem Planeten sprechen konnte. Wobei, grübelte Ken Dra weiter, es vielleicht besser wäre, wenn von dem Planeten überhaupt nicht gesprochen wurde. Trotz seiner Besatzung – letztlich musste man die momentane Bevölkerung wohl so bezeichnen – den Maschinen sowie flug- und kampffähigen Raumern, würde es dem Reich von Scardeen mit seiner geballten Macht möglicherweise nicht leicht fallen, Cloudgarden zu übernehmen. Oder gar zu vernichten. Aber ebenso wenig würde ihnen, die sie auf Cloudgarden lebten, die Verteidigung ohne Verluste gelingen. Und die Balance, von der Anordnung der Wolkenstädte gehalten, war mehr als wacklig! Auf dem Radarschirm des Shuttles wurde jetzt ein kleiner Punkt sichtbar. Ken bemerkte, dass auch Simon McLaird das Signal registriert hatte. Nach kurzer Zeit erblickten sie eines der Skybikes, die neben Gleitern der mittlerweile notwendigen Polizei zu Aufklärungszwecken dienten. Notwendig deshalb, weil ein geordnetes Zusammenleben so vieler Menschen unter diesen Bedingungen ohne eine solche Exekutive unweigerlich zum Chaos geführt hätte. Und die Polizei, die sich ausschließlich aus Quires Natashas zusammensetzte, war definitiv eine wirkungsvolle Macht! »Achtung, Raumfähre! Identifizieren Sie sich.« »Schwertträger Ken Dra und Lieutenant Simon McLaird«, antwortete Simon sofort und tippte gleichzeitig etwas auf der vor ihm befindlichen Tastatur. »Hoheitscode wird übermittelt.«
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Das Skybike drehte ab, während noch einmal die Stimme der Polizistin ertönte. »Code bestätigt, Lieutenant. Folgen Sie dem Signal zu Ihrem Landeplatz.« Der Bordcomputer übersetzte den eingehenden Code augenblicklich in die Koordinaten für die Landung und Ken schaltete auf den Autopiloten um. Die letzte kurze Strecke würde der Rechner auch alleine bewältigen können. Die beiden Männer ließen ihre Blicke über das Innere der Berg- und Eiskette schweifen. Irgendwo dort in der Mitte der Kuppelstadt befand sich der Zugang zur Nullsphäre, jene zeitlose Dimension in der die geheimnisvolle Entität innerhalb kürzester Zeit die Stadtschiffe und Millionen Nachbildungen von Mel Quires Frau erschaffen hatte. Bis heute hatten die Leute von Shadow Command diese Nullsphäre nicht betreten. Quire vertröstete sie ständig mit den Worten, dass die Zeit dafür noch nicht reif wäre. Die Fähre setzte auf dem Betonboden der Landeplattform auf. Ken und Simon verließen das Boot über die Hauptschleuse und fanden sich in einer runden Landebucht wieder, deren Deckentore sich gerade schlossen, um die Kälte Cloudgardens auszusparen. Zwei NatashaAspekte näherten sich ihnen durch einen Verbindungsgang und besprachen kurz die Wartungsformalitäten für den Shuttle, ehe sich Simon und Ken über einen Aufzug zwei Ebenen unter die Erde begaben. Hier gab es einen kleinen Bahnhof für das magnetische Röhrensystem, das direkt zur Ewigen Stadt führte. Der Befugniscode zur Nutzung dieses außerstädtischen Systems war nicht allgemein bekannt; es bestand auch keine Notwendigkeit dafür. Da ausschließlich Piloten und Wartungspersonal diese Tunnel befuhren, herrschte auf diesen Strecken wesentlich weniger Verkehr als in den städtischen Röhren. Die Kapsel entließ die beiden Männer an einer Station direkt unter dem Rathaus von Cloud City. In einem weiteren Aufzug überwanden sie innerhalb kürzester Zeit einige hundert Höhenmeter, bis sie im obersten Stockwerk des Turmes, in dem der Bürgermeister der Ewigen Stadt sein Büro eingerichtet hatte, angekommen waren. Die Türen des Lifts öffneten sich und gaben den Blick auf eine Empfangshalle frei. Die zwei Tischchen mit Stühlen, der beigefarbene Teppichboden und die, von Quire selbst gefertigten, Weißlichthologramme ließen den Raum nicht gerade wohnlich erscheinen. Simon und Ken marschierten durch die kleine Halle und blieben vor einem überdimensionierten Schreibtisch stehen. Die Frau dahinter trug eine Halskette mit einem Anhänger auf dem NAT 12 eingraviert war. »Guten Morgen, die Herren«, begrüßte der Aspekt sie. »So früh schon auf den Beinen?« Simon erwiderte den Gruß mit einem Lächeln. »Guten Morgen, Natasha. Als Sekretärin von Quire wirst du wahrscheinlich vierundzwanzig Stunden auf den Beinen sein müssen. Wir dagegen«, er deutete auf Ken und sich, »sitzen den ganzen Morgen in irgendwelchen Transportmitteln rum, nur um zu dir zu kommen.« NAT 12 lächelte, auch wenn sie die regelmäßigen Geplänkel mit Simon McLaird mittlerweile gewohnt war, genoss sie es, dass er sie als normale Frau ansah und ansprach. Für viele der Shadow-Soldaten war dies nicht selbstverständlich. Sie stellten sich die Aspekte immer noch als künstliches Leben, ähnlich Robotern vor, obwohl sie genauso menschlich waren, wie die neuen Bewohner Cloudgardens selbst. »Wie sieht es denn aus?«, fuhr Simon fort. »Glaubst du, Mel kann ein paar Minuten für uns erübrigen?« NAT 12 blickte auf einen elektronischen Terminkalender und schüttelte immer wieder den Kopf. »Oh oh, das sieht heute aber sehr schlecht für euch aus. Ich glaube nicht ... nein, wartet ... ah, doch nicht ... hmm, das ist sehr schade ... Glaubt ihr, dass ihr es morgen früh noch mal versuchen könntet? Zwischen vier Uhr dreißig und vier Uhr fünfundvierzig könnte ich euch noch einschieben, da hätte Mel vielleicht ein wenig Zeit für euch. Aber heute. Nein, das tut
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mir wirklich sehr, sehr leid, es geht beim besten Willen nicht.« Das breite Grinsen sprach ihren Worten Hohn, und sowohl Simon als auch Ken war klar, dass dieser Bürokratismus von NAT 12 nur gespielt war. Allein Mel Quire, der das Ganze über die Gegensprachanlage natürlich mitgehört hatte, schien dem nicht zu trauen. Die individuellen Charakterzüge seiner Aspekte bildeten sich ... nun ja, eben individuell. Selbst der Wissenschaftler konnte nicht sicher sein, wie sich die Natashas entwickelten. Obwohl er natürlich im Fall von NAT 12 – immerhin seine persönliche Assistentin – hätte wissen müssen, dass sie es nicht wirklich Ernst meinen konnte. Er klang jedoch tatsächlich etwas erschrocken, als seine Stimme aus der Anlage ertönte. »Nun lass die beiden schon rein. Ich bin doch schon so gespannt, was sie diesmal wieder für mich haben.« NAT 12 zwinkerte Ken Dra und Simon zu, betätigte dann einen kleinen Schalter, und die Tür zu Mel Quires Büro glitt zur Seite. »Vielen Dank, Natasha«, sagten Simon und Ken fast im Chor, nickten ihr lächelnd zu und betraten das riesige Arbeitszimmer des Bürgermeisters. Der Raum wurde beherrscht von großen Fenstern, durch die das morgendliche Sonnenlicht strahlte. Die dicken Teppiche, der wuchtige Schreibtisch und die in dem Raum, der fast doppelt so groß wie die Empfangshalle war, verteilten Sitzgelegenheiten verbreiteten – neben dem Chaos, das allerdings auch durch die verstreut herumliegenden Bücher und Laptops verstärkt wurde – eine angenehme, wohnliche Atmosphäre. Kein Wunder, stellte das Büro doch letztlich auch den Ort dar, an dem Mel Quire die meiste Zeit verbrachte und von dem aus er versuchte, das zu steuern, was sein Lebenswerk geworden war: Cloudgarden. Mel Quire kam auf die beiden Männer zu und schüttelte ihnen die Hände. »Es freut mich, Sie beide mal wieder hier zu sehen. Was führt Sie zu mir? Was kann ich für Sie tun?« »Ich habe schon mit Simon darüber gesprochen«, ergriff Ken das Wort und kam gleich zum Thema ihres Besuchs. »Wir sind der Meinung, dass es wieder Schwertträger geben sollte. Cloudgarden braucht sie. Der Kampf gegen die scardeenischen Bewahrer wird nicht nur mit der Technik, mit den Raumschiffen geführt werden können. Wir müssen auch den Bewahrern selbst etwas entgegen stellen! Ihre Macht beruht, ebenso wie die der Schwertträger, nicht nur auf der dahinter stehenden Technik. Wobei das Problem, das wir jetzt haben, ein technisches ist. Wie sind die Schwerter der Drahusem aufgebaut, wie funktionieren sie? Auch ich als Schwertträger kann dazu nichts sagen. Aus dem einfachen Grund weil ich nichts weiß! Und die Funktion der Weihestätte auf Gernah hat sich mir nicht erschlossen.« Ein leicht wehmütiger Eindruck hatte sich bei Kens letzten Sätzen in seine Augen geschlichen. Er war, so weit es bekannt war, der letzte lebende Schwertträger. Und sowohl Simon als auch Mel war klar, dass das allein schon eine Last war, unter der manch anderer zusammengebrochen wäre. Was sonst noch mit diesem Schwertträgertum verbunden war, blieb offen. Einzig Ken konnte wissen, was ihm auf Gernah widerfahren war, und so wie er selbst es ausdrückte, hatte es den Anschein, dass noch Wissen, Fähigkeiten in ihm schlummerten, die erst zum richtigen Zeitpunkt geweckt werden würden. Wann auch immer dieser sein würde. Mel Quire hatte schnell erfasst, was von ihm verlangt wurde. »Ich soll also herausfinden wie Ihr Schwert funktioniert, wieso es auf Ihr Wort hin sichtbar wird und auch nur Ihnen zu gehorchen scheint? Die Konstruktion neuer Schwerter und mindestens einer Weihestätte versteht sich dann von selbst.« Der Wissenschaftler zögerte nur kurz bevor er weiter sprach. »Es ist so was wie eine Religion, nicht wahr? Vielleicht haben Sie Recht, Ken. Auch wenn Sie es so sicher nicht gemeint haben, aber womöglich benötigen wir so etwas wie einen geistigen Hintergrund, etwas woran wir glauben können. Glaube. Träume.« Quires Stimme wurde leiser, fast schien es als spräche er zu sich selbst. »Schlafen. Träumen.
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Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, das zwingt uns ...« »Mel?«, unterbrach Simon die nachdenklichen Worte des Wissenschaftlers. »Ja? Ja! Natürlich. Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich habe da schon die eine oder andere Idee, ich muss nur ...« »Sie sind ein Genie, Mel Quire!«, stellte Simon grinsend fest. »Nun untertreiben Sie mal nicht, Simon!«, erwiderte Quire, ebenso grinsend. Ken und Simon sahen sich an. »Jetzt fängt er auch noch an Witze zu reißen!« Das Gelächter der drei Männer erfüllte den Raum und verebbte erst nach einigen Minuten. »Simon, wir sollten Meister Quire dann seinem Handwerk nachgehen lassen und uns zurückziehen.« »Ja, natürlich, Ken. Aber«, Simon blickte zu Quire, »mir scheint der Herr Wissenschaftsgenie hat selbst etwas auf dem Herzen?« Fragend blickten die Freunde Mel Quire an. »Dem ist tatsächlich so. Ich weiß nicht, warum ich es so lange verdrängt habe, aber in den letzten Tagen musste ich immer wieder daran denken. Ich hätte schon längst diesbezüglich etwas unternehmen müssen aber ... ich weiß auch nicht.« Simon und Ken sahen den Wissenschaftler fragend an, als dieser eine Pause machte und versonnen die Landschaft vor den Panoramafenstern betrachtete. Bevor jedoch einer von ihnen zu einer Frage ansetzen konnte, fuhr Quire fort: »Bevor Natasha und ich damals Scardeen verließen ... nun ja, wir hatten zwei gemeinsame Kinder, die wir auf Scardeen zurückließen.« »Kinder? Das sagen Sie uns erst jetzt?«, unterbrach Simon. Der alte Wissenschaftler hob die Schultern. »Es erschien mir nicht wichtig. Jedenfalls vor einem Jahr noch nicht. Unsere Tochter starb ... sofort nach der Geburt, aber Hal, mein Sohn ... nun, er wurde von uns groß gezogen. Es ist alles schon so verdammt lange her. Damals auf Maisuht waren wir noch eine glückliche Familie. Sofern man auf einem fremden Planeten von einem glücklichen Familienleben sprechen kann. Es war so vieles anders und neu, aber wir drei ... Seit ich hier auf Cloudgarden gestrandet bin, war ich einfach zu beschäftigt mit dem Aufbau von all dem hier«, er breitete die Arme aus und wandte sich dann wieder den beiden Männern zu als er weiter sprach. »Als sich mir die Möglichkeit bot, wollte ich einfach nur sie wieder haben. Meine geliebte Frau. Meine Natasha.« Quire brach seufzend ab und sein Lid zuckte, als hätte es ein Eigenleben. »Vielleicht habe ich mich auf Maisuht nicht genug um meinen Sohn gekümmert. Vielleicht war auch nur der Schmerz über den Verlust Natashas so groß, dass ich an niemand anderen denken konnte. Vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Vielleicht ... vielleicht lebt Hal auch glücklich und zufrieden auf Maisuht und vermisst seine Eltern gar nicht. So viele Möglichkeiten ... so viele Vielleichts ...« »Maisuht? Das ist ein scardeenischer Handelsposten, wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen«, warf Ken Dra ein. »Ich dachte, Sie wären von Scardeen gestartet.« Quire nickte. »Ja, wir wohnten eine Zeitlang auf Maisuht, ehe man uns in die Hauptforschungseinrichtungen von Scardeen rief. Hal blieb im Internat auf unserer Wahlheimat zurück. Wie gesagt, ich kann nicht sagen, warum ich mich hier so zurückgezogen hatte. Warum ich mich nicht um meinen Sohn gekümmert habe. Es gibt dafür eigentlich keine vernünftige Erklärung. Und eine unvernünftige fällt mir auch nicht ein. ... Wäre es zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte, meinen Sohn zu suchen?« Die beiden Männer überlegten kurz, nickten sich in stillschweigendem Einvernehmen zu und wandten sich an den sichtlich nervösen Wissenschaftler und Bürgermeister von Cloud City. »Wir sehen, was wir tun können«, wiederholte Simon die Aussage, die Mel Quire vor kurzer Zeit in einem anderem Zusammenhang gemacht hatte. Man konnte förmlich spüren wie
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erleichtert Mel Quire war. Es schien als wäre eine zentnerschwere Last von seinen Schultern genommen worden. Sofort begann er in seinen Unterlagen zu wühlen und präsentierte dann seinen Besuchern einige Bildaufzeichnungen. Fotos einer Familie, die sich auf einer fremden Welt zurechtfinden mochte. Dazu erzählte er Anekdoten aus dieser scheinbar fernen und gleichzeitig so nahen Zeit. Mit Hilfe dieser Informationen, meinte Simon zum Abschluss, sollte es ihnen möglich sein, Hal Quire, den Sohn des Wissenschaftlers ausfindig zu machen. Zumindest hatte die Stecknadel, die sie in dem Heuhaufen Maisuht zu finden versuchten, jetzt eine Farbe die sie aus den anderen hervorhob. Als Simon und Ken Dra sich zum Gehen wandten, hielt Quire sie noch einmal zurück. »Da wäre noch eine Kleinigkeit«, sagte Mel. »So?«, machte Simon. »Bei Ihnen kommt ja immer noch was.« »Sie erinnern sich, dass ich Ihnen den Zutritt zur Nullsphäre verwehrte?« Simon und Ken sahen sich verwundert an, nickten dann. »Sie sagten, die Zeit wäre noch nicht reif dafür«, erinnerte sich Ken Dra. »Soll das etwa heißen, dass ...« »Ich denke schon«, fiel ihm Quire ins Wort. »Ich gestehe ein, dass ich ein wenig Angst hatte, Ihnen die Nullsphäre zu zeigen.« Simon runzelte die Stirn. »Sie glauben doch nicht etwa, dass wir diesem Wesen Schaden zugefügt hätten, oder?« »Ganz ausschließen konnte ich es ja nicht«, verteidigte sich Mel Quire. »Aber im vergangenen Jahr habe ich genügend Vertrauen zu Ihnen und Ihren Leuten gewonnen. Sagen wir, heute Abend um neunzehn Uhr. Informieren Sie bitte Major Stone, Prinzessin Tanya und Kardina.« Simon und Ken Dra tauschten vielsagende Blicke aus, versprachen dann pünktlich zur angegebenen Zeit vor Ort zu sein und verließen das Büro des Wissenschaftlers. Draußen auf dem Gang schwiegen sie so lange, bis sie den nächsten Lift erreicht hatten. »Der Alte ist immer für Überraschungen gut, was?« Simon nickte nur und blickte auf seine Uhr. Sie hatten noch den ganzen Nachmittag, um Ausrüstung zusammenzustellen und sich einen Plan zurechtzulegen, wie sie Hal Quire finden konnten. Simon verabredete sich mit Sherilyn im Hick Up, um ihr von den Neuigkeiten zu berichten. Φ Blauer Dunst und laute Musik schlugen ihm entgegen, als Simon McLaird das Hick up betrat. Er hatte wie üblich den Hintereingang genommen, obwohl zweiter Eingang sicher treffender gewesen wäre. Ganz gleich, aus welcher Richtung man in den Irish Pub gelangte, man fand sich in einem großen Schankraum mit Bar und langem Tresen wieder. Der Besitzer hatte in dem verwinkelten Bau zwei Theken einbauen lassen, von der man jede bequem von den Eingängen aus erreichen konnte. Am frühen Nachmittag herrschte hier nur wenig Betrieb. Simon brauchte nicht lange zu suchen, als er Sherilyn am üblichen Einzeltisch sitzend entdeckte. Sie winkte ihm lächelnd zu. Er schritt zwischen den kreuz und quer im Raum verteilten Tischchen zu ihr hinüber und nahm ihr gegenüber Platz. Sie trug ein schwarzes Minikleid mit Spaghettiträgern, und das weit ausgeschnittene Dekolleté raubte ihm fast dem Atem. »Du siehst verdammt gei ... ähm ... gut aus.« »Würdest du bitte soviel Anstand besitzen und mir in die Augen schauen, wenn du mit mir redest?«, grinste sie breit. »Das tue ich doch«, sagte er und beugte sich zu ihr hinüber um ihr einen Kuss auf die
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Lippen zu hauchen. Gerne hätte er sie länger geküsst, doch die Bedienung erstickte jegliche aufkommende Leidenschaft im Keim, als sie sich laut räusperte. »Was darf ich Ihnen bringen?« Simon sah zu Sherilyns Glas, das halb mit einer leicht gelblichen Flüssigkeit und dünnem Schaumrand gefüllt war. »Was trinkst du denn da Leckeres?«, fragte er. Sie zuckte die Achseln. »Weiß nicht genau, ich glaub sie nennen es hier Half-Half oder so ähnlich.« »Ach«, machte Simon Stirn runzelnd und drehte sich zur Bedienung um. »Na, dann bringen Sie mir auch mal so ein Half-Half. Aber ein großes.« Die Bedienung nickte und wandte sich zum Gehen. Sofort genoss Simon wieder Sherilyns Anblick. »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er. »Hm ... genau da, wo du jetzt hinguckst, mein Lieber.« Sherilyns Zeigefinger versuchte sein Kinn anzuheben, so dass er gezwungen war, ihr in die Augen zu schauen. Dabei rutschte ihr, wie unabsichtlich, ein Träger von der Schulter. »Was ist das?«, versuchte Simon sich abzulenken und meinte das Half-Half-Getränk. »Das ist nur was für große Jungs«, kicherte Sherilyn. »Soso, seit wann stehst du denn auf harte Sachen?« »Seitdem ich dich kenne, Simon.« »Ach, ich bin mal wieder an allem Schuld«, tat Simon entrüstet, »du solltest dieses Zeug besser nicht trinken.« »Oh, du meintest das hier«, sagte Sherilyn und hob ihr Glas hoch, »das ist Pils mit viiiiel Wasser.« »Wasser?« Seine Stimme klang entgeistert, »Und so was trinkst du?« Demonstrativ setzte Sherilyn das Glas an, nahm einen großen Schluck und fuhr sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen. »Das schmeckt nicht wirklich, oder?«, fragte Simon. »Jedenfalls haut es nicht so rein, wie der Drabitsch«, grinste sie und stellte das Glas wieder ab. McLaird verzog den Mundwinkel und verdrehte gleichzeitig die Augen. Nur ungern erinnerte er sich an seine Unpässlichkeit letztes Jahr als er völlig ahnungslos eine scardeenische Alkoholsorte probierte und bereits nach einem Schluck dermaßen betrunken war, dass dies unabsehbare Folgen für Lieutenant Harris hatte. Er verstand den Seitenhieb, auch wenn er wusste, dass Sherilyn ihn nicht wirklich ernst meinte. Sie hatte ihm den Ausrutscher längst verziehen. Als die Bedienung zurückkehrte und ihm das Glas brachte, nippte er kurz daran, setzte eine angewiderte Miene auf und rümpfte die Nase. »Bäh! Vielleicht sollte ich mir doch einen Whisky bestellen.« »Untersteh dich!«, brauste Sherilyn künstlich auf. »Einen Baileys?« »Wie wäre es mit einer Cola?« »Du gönnst mir auch nichts.« Sie rückte näher über die Tischplatte zu ihm heran, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Er blickte tief in ihre grün-braunen Augen und spürte ein warmes, elektrisierendes Gefühl im Herzen. »Soso, ich gönne dir nichts«, sagte Sherilyn leise und lächelte. »Nun ja ...« Simons Stimme wurde heiser, als das Verlangen in ihm aufkeimte. Gott, ich könnte sie küssen. »Tu es doch einfach«, forderte sie ihn auf, als habe sie seine Gedanken gelesen. Der Wunsch
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musste deutlich in seinen Augen zu lesen sein. Weich berührten seine Lippen die ihren. Sie schienen für eine Ewigkeit miteinander zu verschmelzen. Simon fühlte seinen Puls rasen. Sein Blut kochte förmlich. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, atmeten beide schwer. »Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?«, flüsterte Simon nahe an ihrem Ohr. »Nicht, dass ich mich daran erinnern könnte.« »Also gut: ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich! Reicht das für dein Gedächtnis?« Sherilyns Lächeln wurde breit. »Nein. Beweis es mir!« »Hm ... alles was du willst.« »Nun ... was hältst du von einem kleinen Ausflug auf die Damentoilette?« Sherilyns Augen funkelten ihn an. »Miss Stone«, tat Simon empört, »was denken Sie sich denn dabei?« »Komm her, ich flüstere es dir ins Ohr.« Sanft zog Sherilyn Simons Gesicht zu sich heran und knabberte verspielt an seinem Ohrläppchen. Ihr heißer Atem steigerte Simons Verlangen und als er ihre Zunge spürte, unterdrückte Simon ein Stöhnen. Doch als ihr Zungenspiel immer wilder wurde, gingen seine Hände auf Wanderschaft. Er streichelte ihre nackten Schultern und ihren Rücken. Sherilyns glühender Körper bäumte sich ihm entgegen. »Lass uns nach hinten gehen ...« Simon nickte automatisch und stand auf. Seine Blicke maßen die Entfernung zur Tür ab, dabei geriet ein Gast in sein Blickfeld, der eine entfernte Ähnlichkeit mit Mel Quire besaß. »Quire, Quire ...«, murmelte er. »Hallo? Simon? Ich bin hier ... « Sherilyn war eingeschnappt, doch Simon achtete nicht auf sie. Stattdessen kühlte er sich mit einem großen Schluck von dem Mixgetränk ab und sammelte seine Gedanken. Ihm war wieder eingefallen, dass er Sherilyn von Mel Quires Vorschlag erzählen wollte und teilte ihr in knappen Worten mit, dass sie heute endlich nach einem Jahr Aufenthalt auf Cloudgarden die Nullsphäre betreten würden. »Jaja, wirklich sehr interessant«, sagte Sherilyn lustlos und brachte ihr Kleid in Ordnung. Dieser unmögliche Idiot hatte ihr doch tatsächlich einen Korb gegeben und statt sich mit ihr zu vergnügen, redete er über Quires Nullsphäre. Doch dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. »Sagtest du Nullsphäre?« Sherilyn sprang auf, warf ein paar scardeenische Plastikkreditscheiben auf den Tisch und ließ Simon mit den Worten »Ja warum sagst du das denn nicht gleich« sitzen. Perplex starrte Simon ihr hinterher und ertappte sich dabei, dass er noch immer in Richtung Ausgang blickte, als Sherilyn bereits lange fort war. »Ein blödes Gefühl, versetzt zu werden, hm?«, fragte die Bedienung neben ihm. Simon sah zu ihr auf und legte den Kopf schief. Erst wollte er sie anfahren, dass sie das nicht das Geringste anging, doch dann nahm er das Glas mit dem Bier-Wasser-Mix, stellte es auf ihr Tablett und sagte: »Bringen Sie mir einen Glen Dronach.« »Der Herr hat einen erlesenen Geschmack«, lächelte die Frau und zählte wohl schon in Gedanken, das Geld, das sie damit einnahm. »Das will ich meinen«, gab Simon zurück und wartete auf seinen Whisky. Φ Der Bereich genau in der Mitte Cloud Citys war hermetisch abgeriegelt. Es handelte sich dabei um einen kreisrunden Gebäudekomplex von knapp fünfzig Metern Durchmesser und zwanzig Metern Höhe. Es gab nur einen einzigen Zugang, dennoch patrouillierte eine gute
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Hundertschaft von Natasha-Aspekten rund um das Gebäude. Zusätzlich konnten verborgene Schildbatterien und Lasergeschütze das Rund vor jedweden Angreifern verteidigen. Selbst der Luftraum wurde überwacht, obwohl innerhalb Cloud Citys Gleiter- und Raumschiffflüge untersagt waren. Simon McLaird traf sich auf dem Vorplatz des Gebäudes mit Ken Dra, Sherilyn Stone und den beiden Amazonen Tanya und Kardina. Sie warteten bei der ersten Kontrolle auf eine Genehmigung zum Passieren, die nur von Mel Quire oder Natasha Eins erteilt werden konnte. Offenbar genoss es Quire einmal mehr, sie warten zu lassen. Oben am Himmel zogen einige Eisvögel im Formationsflug vorbei. Sie entstammten irgendeiner scardeenischen Kolonie, die sich ihnen vor drei Monaten freiwillig angeschlossen hatte und nun passiven Widerstand im Geheimen gegen ihre Unterdrücker leistete. Die Tiere befanden sich außerhalb der gläsernen Kuppel, die Cloud City vor der Kälte des Eisplaneten abschirmte. Mit bloßem Auge war die transparente Konstruktion kaum auszumachen. Man hatte das Gefühl, als befände man sich tatsächlich unter freiem Himmel. Aus den Sonnenstrahlen wurden einige UV-Bereiche herausgefiltert, und unzählige Lüftungsklappen sorgten für einen regelmäßigen Austausch der Atemluft in Cloud City. Simon verfolgte den Flug der Eisvögel und ließ sich dann durch zwei Skybikes ablenken die aus den Wolken stürzten, vor der äußeren Kuppel abdrehten und in Richtung Raumhafen weiterflogen. In den Sätteln der fliegenden Motorräder saßen zwei der Natasha-Aspekte, die ihre polizeilichen Aufgaben wahrnahmen. »Ich hasse es, wenn er so was tut«, raunte Sherilyn neben Simon und zog ihre schwarze Uniformjacke am Kragen höher. Trotz der Abschirmung war es kühl außerhalb der Gebäude der Hauptstadt. Dafür sorgte der regelmäßige Frischluftstrom. »Ich hasse es auch, wenn man mich sitzen lässt«, sagte Simon mit vorwurfsvollem Blick. »Wer hat denn plötzlich mit Quire angefangen? Du oder ich?« »Aber musstest du gleich wie von der Tarantel gestochen aufspringen?« »Simon Mclaird, du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich seelenruhig die Damentoilette aufsuche, wenn ich ein Rendezvous mit der Nullsphäre haben kann?« »Ich werde die Nullsphäre zu einem Duell herausfordern müssen«, scherzte Simon. »Deine Witze waren auch schon mal besser.« »Ach ... dir haben meine Witze schon einmal gefallen?« »Das hab ich damit nicht gesagt.« Die Tür eines nahe gelegenen Pavillons, das als Bahnhofstation für das Röhrensystem diente, öffnete sich und entließ Mel Quire in Begleitung dreier Aspekte. Sie kamen auf die Wartenden zu, und der alte Wissenschaftler ließ es sich nicht nehmen, jeden von ihnen mit Handschlag persönlich zu begrüßen. Oft genug dachte Simon daran, dass das breite Grinsen des Mannes nur aufgesetzt sein könnte – doch es kam überzeugend wie immer herüber. »Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange warten.« »Ach wir hatten eh nichts besseres zu tun«, gab Simon zurück. »Seine Witze waren wirklich schon besser«, knurrte Ken Dra. »Na komm, an deinem ersten Witz hast du fünf Jahre gestrickt und dann die Maschen fallen lassen. Dann kam nur ein schaler Witz heraus. « »Könnt ihr jetzt vielleicht mal aufhören?«, zischte Tanya. »Wir warten seit über einem Jahr auf eine Gelegenheit, die Nullsphäre zu betreten und ihr albert herum.« »Wir haben ja sonst nichts vom Leben«, grinste Simon breit und fing sich dafür von Sherilyn einen Stoß in die Seite ein. Kopfschüttelnd geleitete sie Mel Quire zum Eingang des runden Gebäudes. Sie passierten die erste Sicherheitszone mit Hilfe der ID-Card des Wissenschaftlers und fanden sich im Innern in einem geräumigen Foyer wieder. Gleich zehn Aspekte traten mit erhobenen Armbandlasern auf die Gruppe zu und umstellten sie.
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»Wowowow«, machte Simon und hob instinktiv abwehrend die Hände. »Was ist denn hier los?« »Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen«, erklärte Natasha Eins. »Wir sind hier nicht vorsichtig genug. Ich möchte Sie alle bitten, Ihre Waffen abzugeben.« Simon wusste, dass es eigentlich idiotisch war, an Bord der Stadtschiffe oder in Cloud City bewaffnet herumzulaufen, doch aufgrund der militärischen Organisationsstruktur hatte sich diese Vorschrift durchgesetzt und niemand dachte sich wirklich etwas dabei. Er schnallte sich den Waffengurt ab und händigte ihn einem der Aspekte aus. Sherilyn tat es ihm gleich, die Amazonen übergaben ihre Schwerter, Dolche, Wurfmesser, Garrotten und Shuriken. Simon pfiff beeindruckt durch die Zähne als er einen Blick auf Kardinas und Tanyas kleines Arsenal warf. Nur Ken Dra rührte sich nicht. »Ihre Klinge bitte«, sagte Natasha Eins und streckte fordernd ihre Hand in Richtung des Schwertträgers aus. »Quire, Sie wissen so gut wie ich, dass wir unsere Schwerter niemals hergeben«, sagte Ken ruhig. »Ist schon in Ordnung, Natasha«, fügte Mel Quire hinzu. »Das Schwert stellt mit seinem Vernichtungspotenzial eine größere Bedrohung dar, als jede andere Handfeuerwaffe«, wandte Natasha ein. »Damit das klar ist: Ich stelle überhaupt keine Bedrohung für irgendjemanden hier dar!« Die rothaarige Frau sog scharf die Luft ein. Simon erkannte, dass sie mit dem Gedanken spielte, sich Quires Befehl zu widersetzen. Natasha Eins war der erste Aspekt, der aus dem Nullzeitwesen geboren worden war. Genau wie alle ihre Schwestern sah sie in der zeitlosen Entität ihre Mutter und hatte Instinkte entwickelt, sie um jeden Preis zu beschützen. »Jawohl, das stimmt«, sagte Simon, »Ken bedroht höchstens mal meinen intelligenten Wortwitz.« Sherilyn und Ken Dra verdrehten ihre Augen. Kardina und Tanya sahen gespannt Natasha an. Wider Erwarten zeigte sich ein zaghaftes Lächeln auf Natashas Gesicht und ihr Nicken gewährte ihnen Zugang. Die Wachen zog sie jedoch nicht ab. Gemeinsam mit zehn Begleiterinnen durchquerten Simon und die anderen die Halle. Sie passierten einen weiteren Sicherheitsbereich, der durch Schildgeneratoren und automatische Verteidigungsgeschütze gesichert war. Ein Dutzend weiterer Aspekte hielt sich hier auf und checkte sie zusätzlich mit allerlei Scannern nach Waffen, technischen Geräten oder biologischem Virenbefall ab. Erst als sie grünes Licht erhielten, durften sie in den inneren Bereich des Gebäudes vortreten. Hinter der letzten Sperre lag ein kurzer Gang, der in einen runden Saal mündete. Er war leer – nur in seiner Mitte war ein schwaches Wabern und Flimmern auszumachen, ähnlich einer Fata Morgana. Quire schritt voran und blieb zwei Meter vor der Lufterscheinung stehen. Er drehte sich um und wartete, bis Simon, seine Gefährten und die zehn Begleiterinnen nebst Natasha Eins sich vollständig in der Halle eingefunden hatten. »Der Übergang wird einen leichten Schwindel verursachen«, teilte Mel Quire mit. »Möglicherweise werden Sie sich orientierungslos auf der anderen Seite wieder finden, aber dieses Gefühl vergeht nach ein paar Momenten. Denken Sie bitte daran, dass wir uns im Innern eines lebenden Wesens befinden werden, in seinem Leib sozusagen. Nur besitzt dieser Leib keine festen Formen, sondern besteht aus reinen, surrealen Gedankenformen. Das Nullzeitwesen erschafft für uns die Vorstellung von ebenem Boden und ...« Weiter kam Quire nicht. Simon ging kopfschüttelnd auf ihn zu, an ihm vorbei und trat einfach in den Bereich der flimmernden Luft ein, ehe jemand protestieren konnte. Eine Welle der Übelkeit schwappte seine Kehle hoch. In seinem Kopf drehte sich für einige Augenblicke alles. Er spürte, wie seine Knie nachgaben, taumelte haltlos in eine unwirkliche Realität
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hinein und stürzte. Weicher Boden fing ihn auf, hüllte ihn in neblige Schwaden ein. Simon stützte sich auf einem moosigen Etwas ab, versuchte sich zu orientieren – er fiel abermals, griff ins Leere und rutschte durch den Nebel einen Abhang hinunter, der vorher nicht da gewesen war. Als er unten – wo immer unten auch sein mochte – angekommen war, blickte er auf ein unbeschreibliches Szenario, das ihm schlichtweg den Atem raubte. Er befand sich auf einer Anhöhe und blickte in den scheinbar endlosen Weltraum hinaus. In der Ferne gleißte ein Stern im gesamten sichtbaren Farbspektrum und vor ihm im All trieben gigantische Plattformen und Stahlkonstruktionen. Offenbar handelte es sich um Werften. Simon erkannte kleinere Raumfahrzeuge und Frachter, die zwischen den Konstruktionsplattformen hin und her flogen. Kräne, Lastenträger, Schweißgleiter und Versorgungsschiffe führten ihre Arbeiten durch, um an den Zerstörern zu arbeiten, deren halbfertige Rümpfe wie fossile Skelette ausgestorbener Saurier in den Docks lagen. »Ich hätte sie auf diesen Anblick noch vorbereitet«, sagte Mel Quire neben ihm. Simon musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass die anderen ihm gefolgt waren und sich ebenfalls hier auf der Anhöhe befanden. Hinter ihm keuchten Kardina und Ken Dra, denen es offenbar nicht besser als ihm selbst erging. »Darauf hätten Sie mich nie und nimmer vorbereiten können«, stieß er atemlos hervor. »Was ... was ist das hier?« »Der Leib des Nullzeitwesens besteht aus einem reinen, multidimensionalen Bewusstsein«, erklärte Mel Quire. »Wir befinden uns mit all dem hier sozusagen in der Gedankenwelt der Entität, wo ein Gedanke zur Realität wird.« »Und diese Welt ist zeitlos«, konstatierte Sherilyn Stone. »Richtig.« »Aber woher beziehen Sie das Material? Diese Plattformen, die Schiffe, die Energie.« »Nun«, meinte Mel Quire. »Die Sache ist etwas komplizierter. Aber wenn Sie verstehen, dass das Nullzeitwesen in der Lage ist, biologische Körper aus sich heraus zu kopieren, dann haben wir schon den Schlüssel zu dem Rest. Wenn Sie Materie bis ins kleinste Detail aufschlüsseln, bleiben nur noch Billiarden von Atomen übrig – wenn wir hierbei außer Acht lassen, woraus Atome selbst bestehen. Die Entität ist in der Lage, Atome durch Gedanken zusammenzusetzen, um so Materie zu schaffen. Für uns sieht es aus, als würde Materie aus dem Nichts entstehen, aber dem ist nicht so. Auch das Nullzeitwesen muss sich dem Erhaltungssatz beugen.« »Aber woher kommen dann diese Atome?«, fragte Kardina. »Sie müssen doch von irgendwoher stammen. Aus der Oberfläche Cloudgardens?« Quire lachte. »Nein, bei all den Stadtschiffen und der Zerstörerflotte und den Millionen von Aspekten, die bereits gebildet wurden, wäre die Masse Cloudgardens in den letzten zwanzig Jahren um ein Vielfaches geschrumpft. Das Nullzeitwesen ist ein multidimensionales Bewusstsein und zieht die notwendigen Verbindungen aus übergeordneten Bereichen ab, zu denen wir keinen Zugang haben.« Simon fuhr sich mit der Zunge über die Lippe. »Das ist mir zu hoch.« »Du willst kapitulieren, nur weil du es auf Anhieb nicht verstehst?«, fragte Ken Dra. »Nun komm schon, das hier ist wahrscheinlich die wichtigste Entdeckung der letzten zwanzigtausend Jahre.« »Nun übertreib mal nicht«, wehrte Simon ab. »Er hat Recht!«, sagten Tanya und Mel Quire fast synchron. Dann fuhr Tanya fort: »Es ist nicht einfach so, dass hier eine neue Erfindung gemacht wurde. Dies hier erschüttert unser Bild vom Universum. Allein die Tatsache, dass ein Wesen in einem zeitlosen Kontinuum existiert, passt nicht in die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hohen Rats von Scardeen. Aber dass dieses Wesen Materie formen kann und die dazu erforderlichen Bausteine aus übergeordneten Sphären abzieht, das ist ...«
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»Langweilig«, murrte Simon und ignorierte die entgleisenden Gesichtszüge der anderen. »Na schön, ich bin wirklich beeindruckt, dass es hier mächtig Weltraum gibt, in dem ich sogar Atmen kann ...« »Das ist ein weiterer ...«, begann Mel Quire eine Erklärung, stoppte jedoch, als Simon ungeniert weiter sprach. »... und natürlich erspart das Ganze eine Menge an Rohstoffabbau. Aber welche physikalischen Phänomene dahinter stecken, interessiert mich herzlich wenig. Das können Sie mit den anderen in einer geselligen Runde diskutieren.« »Meine Güte, manchmal bist du wirklich unausstehlich«, schnappte Sherilyn. »Du weißt ganz genau, dass du unzufrieden wärst, würdest du einen Computer bedienen, aber nicht reparieren können.« »Das ist was anderes«, behauptete Simon. »Was sollte ich hier schon reparieren können. Wenn ich das richtig verstanden habe, befinden wir uns nicht mehr ... nicht mehr da, wo wir vor ein paar Minuten noch waren. Und Minuten sind hier bedeutungslos.« Mel Quire seufzte. »Einigen wir uns darauf, dass wir die physikalischen Aspekte vorerst außer Acht lassen. Wer sich dafür interessiert, kann sich dies später noch von Natasha erläutern lassen.« »Das ist doch ein Wort.« »McLaird!« Simon grinste Ken Dra an, sagte aber nichts mehr. Stattdessen drehte er sich wieder zum Rand der nebligen Anhöhe um und ließ sich vom jenseitigen Schauspiel beeindrucken. Hätte er sich an Bord eines Raumschiffs mit Blick aus einem Panoramafenster befunden, wäre dem Anblick vielleicht eine gewisse Normalität anheim gefallen. Doch er stand hier draußen, scheinbar im Freien und um ihn herum war leerer Weltraum. Es war nicht kalt. Die Luft, die er atmete schmeckte frisch und würzig. Von seiner Warte aus mochten die Konstruktionsplattformen gerade einmal ein paar Kilometer entfernt sein. So hatte er sich eine orbitale Werft vorgestellt – und die Arbeiten gingen mit einer nachvollziehbaren Langsamkeit voran. Das einzig Unwirkliche daran, war der Gedanke, dass draußen in der Wirklichkeit keine Zeit verging. Wenn die Aspekte hier in der Nullsphäre ein oder zwei Jahre für die Fertigstellung eines Zerstörers benötigten, dann verging in der Wirklichkeit, die er kannte, gerade mal eine oder zwei Minuten. Simon schluckte, als er im Kopf überschlug, wie viele Raumschiffe die zwanzig Plattformen, die er zählte, innerhalb eines einzigen Tages fertig stellen konnten, wenn rund um die Uhr gearbeitet wurde. »Meine Fresse!«, stöhnte er auf, als ihm die Zahl fast bildlich vor seinen Augen stand. »Was ist jetzt schon wieder?«, fragte Kardina. »Quire! Wo sind die ganzen Schiffe?« Der alte Wissenschaftler runzelte die Stirn. »Welche Schiffe?« »Die Nullsphäre«, Simon machte eine umfassende Handbewegung, »all das hier. Da sind zwanzig Plattformen, die pro Minute realer Zeit je einen Zerstörer herstellen könnten, das wären an einem Cloudgardentag 28.800 Schiffe. Sie sind bereits seit mehr als zwanzig Jahren hier, aber selbst wenn Sie erst vor fünf Jahren mit der Produktion angefangen haben, müssten Sie über ...« Simon rechnete nach, aber Sherilyn kam ihm zu vor. »Über zweiundfünfzig Millionen Schiffseinheiten. Mein Gott!« »Theoretisch«, versuchte sich Mel Quire in eine Ausrede zu retten, klang dabei aber wenig überzeugend. Er errötete und blickte Hilfe suchend zu Natasha. »Theoretisch?«, fragte nun Ken Dra mit energischem Unterton in der Stimme. Die Wächteraspekte reagierten sofort auf die unterschwellige Drohung und formierten sich um Mel Quire. Ihre Arme mit den Lasern ließen sie jedoch noch unten. »Ihre Rechnung würde stimmen, wenn wir nur diese zwanzig Plattformen in Betrieb
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hätten«, sagte Natasha sachlich. »Sie ... Sie haben mehr?«, stieß Simon hervor. Natasha blickte fragend zu Quire. Als dieser nickte, fuhr sie fort: »Wir besitzen in verschiedenen Teilen der Nullsphäre Konstruktionszentren wie dieses hier. Was Sie drüben sehen ist Bauareal Alpha, entstanden vor etwa zehn Jahren. Wir haben unsere Standorte bis Areal Epsilon erweitert, mit jeweils zwanzig Plattformen. Die Werften für die Stadtschiffe nicht mitgerechnet, aber die sind momentan still gelegt.« Simon McLaird versuchte erst gar nicht zu rechnen. Seine Kinnlade klappte herunter. Fragend blickte er von Sherilyn zu Ken, dann zu Kardina und Prinzessin Tanya, die ebenso erstaunt wie ungläubig dreinschauten. »Quire«, sagte Simon heiser. »Wie groß ist diese Nullsphäre? Wie viele Schiffe haben sie hier?« Statt ihnen eine Antwort zu geben, drückte er eine Taste an einem kleinen Gerät, das er in an seine Jackentasche geheftet bei sich trug. Nur kurze Zeit darauf schwebte vor der Anhöhe ein busähnliches Gefährt heran – eine Art Schwebetaxi mit zwanzig Sitzen und einem Platz für den Piloten. Der geschlossene Gleiter war rundum verglast, wie geeignet für eine Besichtigungstour, zu der Quire sie offenbar einladen wollte. Der alte Wissenschaftler ging voraus und betrat den Bus, als sich vor ihm zwei Falttüren geöffnet hatten. Die Hälfte der Wächteraspekte folgte ihm sofort, während die anderen darauf warteten, bis die Leute von Shadow Command an Bord waren und erst dann nachkamen. Das Schwebetaxi setzte sich sofort in Bewegung. Simon blickte von seinem Platz zum Fenster hinaus. Der Teil, an dem sie in der Nullsphäre herausgekommen waren, schien eine Art Asteroid darzustellen. Ein unförmiger Klumpen, ziemlich klein im Vergleich zu allem anderen, was er im Zusammenhang mit Cloudgarden schon gesehen hatte. Der Bus flog auf die Konstruktionsplattformen zu, wurde von einigen Skybikes überholt, die anscheinend auch hier Patrouille flogen. Ein Bildschirm an der Decke des Gleiters zeigte eine Vergrößerung von Bauareal Alpha. Tatsächlich ruhten schwebend auf jeder Plattform die Stahlskelette halb fertig gestellter Raumschiffe der Zerstörerklasse. Die pfeilförmigen Gerüste waren deutlich erkennbar. Überall wuselten kleine Arbeitsroboter und Kranarme herum, um schwere Träger zu den Schiffswänden zu transportieren und sie dort anzuschweißen. Einzelne Bereiche der Schiffe waren bereits komplett und in Betrieb genommen. Simon erkannte in der Vergrößerung Licht hinter den Panoramafenstern der Brücke. Das Schwebetaxi passierte die Werft in gebührendem Abstand, drehte dann in die entgegengesetzte Richtung der Sonne ab und beschleunigte. Der Flug führte durch einen kleineren Asteroidengürtel und einen glühenden Nebel. Simon fragte sich, ob diese Phänomene nur um des Effektes Willen Bestand hatten oder einen sinnvollen Hintergrund bildeten. Sie erreichten Bauareal Delta, in dem ebenso geschäftig gearbeitet wurde, wie in dem Alpha-Bereich. Über jeder der zwanzig Plattformen schwebte ein halbfertiges Schiff. Hinter den Plattformen befand sich eine weitere, mehrfach größer, als die anderen Konstruktionsgerüste. Es handelte sich um eine Stahlgitterkonstruktion mit über fünfzig Greifarmen von Werkskränen, einem Pulk von Baucontainern und einem Durchmesser von mindestens acht Kilometern. In der Mitte des Gerüsts war ansatzweise zu deuten, was aus dem Gebilde werden sollte, wenn es einmal fertig gestellt war. Die Kreiselform war unverkennbar. Hier entstand ein Stadtschiff. »Mein lieber Scholli!«, stieß Simon hervor und deutete aus dem Fenster in Richtung Werft. Ken Dra ließ einen erstaunten Ausruf vernehmen und Kardina presste ihre Nase dich an die Innenfenster des Busses und starrte mit weit aufgerissenen Augen die gigantische Konstruktionsstätte an. »Ich dachte, Sie hätten die Produktion eingestellt«, sagte Sherilyn.
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Mel Quire machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach das dort ... das wäre Stadtschiff Nummer 105 geworden. Aber wir hatten alle Gravitronpunkte auf Cloudgarden besetzt und nicht genügend Personal, um ein weiteres Stadtschiff auszustatten. Die Aspekte wurden auf die anderen Raumer und Cloud City verteilt. Das Schiff dort befindet sich seit fünf Jahren in diesem Zustand. Realzeit natürlich.« »Aber es wäre theoretisch möglich, die Bauphase wieder aufzunehmen und weitere herzustellen?«, fragte Sherilyn. »Das schon ... nur müssten diese Schiffe mit eigener Energie versorgt werden und können nicht von den Gravitronpunkten bedient werden. Die Schiffe besitzen zwar eigene Generatoren, aber die Energiequellen erschöpfen sich schnell. Ich habe an einer Weiterentwicklung gearbeitet, die im tiefen Raum unabhängig jedweder externen Energieform für mindestens ein Jahr operieren kann – aber es bestand keine Notwendigkeit weitere Stadtschiffe als die bestehenden 104 zu bauen.« Der Gleitbus flog weiter. Vor ihnen tauchte alsbald ein Ringplanet auf. Simon vermochte nicht zu sagen, wie groß er war, er erschien ihm zumindest riesig und größer als alle anderen Planten, die er bisher selbst zu Gesicht bekommen hatte. »Erschrecken Sie jetzt nicht«, bat Mel Quire, während sie über die Planetenkrümmung trieben, nur wenige tausend Kilometer an den äußeren Schichten des Ringes vorbei. Simon blickte nach unten, doch er konnte unter der milchiggelben Atmosphäre nichts erkennen. Aber das war es auch nicht, was Quire meinte. Alarmiert durch Kardinas erstickten Ausruf, ruckte Simons Kopf hoch und blickte nach vorn durch das Fenster des Cockpits. Er spürte förmlich, wie seine Glieder taub wurden, merkte, wie das Blut in seinen Ohren rauschte, wie er innerlich bebte. Sein Hals wurde trocken, die Zunge hing ihm schwer im Mund und seine Augen starrten unnatürlich weit geöffnet auf das Bild, das sich ihnen dort draußen ein paar tausend Kilometer entfernt bot. Der Weltraum war sprichwörtlich übersät mit pfeilförmigen Objekten, von denen jedes nicht weniger als 580 Meter Länge innehatte. Soweit das Auge reichte sahen die völlig erstaunten Soldaten Shadow Commands die titanenhafte Armada an Raumschiffen. Fein säuberlich aufgereiht in Breite, Höhe und Tiefe nahmen die Zerstörer einen gesamten Raumsektor für sich in Anspruch. Es machte keinen Sinn, sie zu zählen, doch die Menge, die Simon McLaird mit bloßem Auge erfasste, ja in sich aufsog, war schier unvorstellbar. »Da-d-das ... das k-kann nicht ihr Ernst sein«, stotterte Simon so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte. »Der Weltraum ist groß, Mister McLaird«, sagte Mel Quire mit einer Stimme, in der eine Spur von Ehrfurcht lag. Offenbar hatte er selbst gehörigen Respekt vor dieser gewaltigen Schiffsanzahl. »Wie viele sind es?«, fragte Ken Dra. »Etwas über 250 Millionen«, sagte Natasha Eins. »Unserem Datenbestand zufolge.« »Was?«, presste Simon hervor. »Das reicht ja, um gleich fünf Galaxien zu erobern.« Mel Quire runzelte lächelnd die Stirn. »Sie müssen sich die Größen des Weltraums vergegenwärtigen, Mister McLaird. Sicherlich sind 250 Millionen Schiffe eine ungeheure Anzahl, die ich nicht mal zu Lebzeiten durchzählen kann, aber bedenken Sie, dass die Sternenmasse der Milchstraße auf über einhundert Milliarden geschätzt wird. Wir kennen nur einen kleinen Bereich unserer Galaxie, und das Scardeenische Reich macht nur einen Bruchteil der gesamten Welteninsel aus. Ich wollte ... vorbereitet sein. Aber Sie können jetzt ihre Kinnlade wieder hochklappen, McLaird. Die Schiffe sind zwar einsatzbereit, aber wir verfügen nicht mal über das Personal, um sie mit Rumpfbesatzungen zu bemannen.« »Wo liegt das Problem?«, fragte Sherilyn. »Wenn Sie so viele Schiffe herstellen können, warum haben Sie dann die Natasha-Population nur auf fünf Millionen gehalten?« »Es ist für das Nullzeitwesen wesentlich schwieriger, lebende Menschen zu ... erschaffen.
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Zudem diese noch vom Bewusstsein meiner Frau beseelt werden. Jedes Mal, wenn ein Aspekt geboren wird, schwindet ein Teil des Bewusstseins meiner verstorbenen Frau. Und auch die Entität wird schwächer. Ich habe es zuerst nicht wahrhaben wollen, aber zu Beginn meiner Ankunft breitete sich diese Dimension über einen Sektor von zwanzig Lichtjahren aus ... jetzt sind es nur noch vier.« »Das heißt, sie wird irgendwann sterben, wenn sie weiterhin hier Raubbau betreiben?«, fragte Kardina. »Nicht, wenn wir die Geburt von Aspekten einschränken. Was wir ja mittlerweile auch getan haben. Es ist nicht die geschaffene Materie, die das Nullzeitwesen schwächt, sondern das beseelte Leben. Mit jedem Aspekt gibt die Verschmelzung der Entität und meiner Frau einen Teil ihrer Selbst ab.« Der alte Wissenschaftler ließ ihnen noch einen Moment, um den Anblick der Armada zu bestaunen, ehe er Simon an seine Bitte erinnerte, seinen Sohn Hal zu suchen. Simon und Ken Dra sahen sich kurz an. »Wir machen uns schnellstmöglich auf den Weg«, sagte der Schwertträger. »Welches Schiff nehmen wir?«, fragte Sherilyn. »Du willst mit?« Simon zog verwundert die Brauen hoch. »Oh, passt es dir nicht?«, stichelte der Major zurück. »Ich wollte mir doch mal selbst ansehen zu welcher heimlichen Geliebten du dich immer verdrückst.« »Scht!«, machte Tanya. »Wir sollten bei der Suche so unauffällig wie möglich bleiben. Also nehmen wir meine Raumjacht.« Ein großes Gemurmel begann, als sie sich einigten, wer denn überhaupt bei der Suchaktion mit von der Partie sein sollte. Schließlich teilte Simon das Team ein und entschied sich für Sherilyn und die nicht anwesenden Harris und Tennard. Dass es anders kommen sollte, wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht. Φ Wie Ameisen wimmelten Techniker und Wartungsmechaniker um das schlanke, walähnliche Raumschiff, das Mel Quire Simon McLaird zur Verfügung gestellt hatte. Es handelte sich dabei um eine Privatjacht, die nur etwa halb so groß, dafür aber doppelt so gut bewaffnet war, wie die Prinzessin Tanyas. Simon taufte das Schiff spontan auf den Namen SOLARIA. Schläuche wurden angeschlossen, andere wieder abgezogen, Befehle, Fragen und Antworten schallten durch den Hangar und Luis Tennard fragte sich nicht zum ersten Mal, ob hier tatsächlich irgendjemand noch den Durchblick hatte. Innerhalb der nächsten Minuten verklang das Stimmengewirr, verlagerte sich zu einem anderen Gleiter, einige hundert Meter von Tennards Standort entfernt. Die SOLARIA war startbereit. Gemeinsam mit Simon McLaird traf Sherilyn Stone an der Raumjacht ein. »Wo ist Lieutenant Harris?«, erkundigte sich Stone während der Sergeant das Gefühl hatte, genauestens von der Frau gemustert zu werden. »Wir wollen in einer Viertelstunde starten!« Tennard beruhigte sie. »Er wird schon rechtzeitig hier sein, Major. Er ...« Die kleine Gruppe hatte sich auf den Weg in die Jacht gemacht und bewegte sich die Gangway hinauf. Als Tennard sah, was oder besser wer am Eingang auf sie wartete, musste er heftig schlucken. Kardina, die Amazone, stand am Ende der Gangway. Die enge, mit Nieten und Schulterklappen besetzte Ledermontur betonte ihre Figur überdeutlich. Der Anblick dieser Frau kam so überraschend für Sergeant Tennard, dass es ihm die Sprache verschlug. »Wen haben wir denn hier?«, fragte Simon McLaird die Amazone.
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»Ich habe gehört, dass ihr nach Maisuht fliegt«, erwiderte sie. »Ich wurde dort geboren. Meine Eltern leben dort, und ich möchte sie suchen.« »Aber in diesem Aufzug kannst du nicht mit uns kommen.« Dem konnte Tennard zwar nur zustimmen, andererseits hätte er sich gut vorstellen können, sie, oder auch Major Stone in einem solchen Outfit herumlaufen zu sehen. Und so lange sie sich nur im Raumschiff aufhielten ... Auf den fragenden Blick der Amazone hin erklärte McLaird: »Die Scardeener werden sich wundern, was eine Amazone auf ihrem Planeten tut. Allein und ohne Begleitung ergibt das keinen Sinn. Zudem ist dein Aufzug wesentlich zu sexy. Was«, er deutete hinter sich, »Sergeant Tennard dir sicherlich bestätigen mag.« Alle Blicke wandten sich nun dem Sergeant zu, der immer noch auf der Gangway stand und die Amazone anstarrte. In diesem Moment hielt ein Gleiter zischend vor der Rampe und Lieutenant Harris' Ankunft befreite Tennard von der allgemeinen Aufmerksamkeit. Sean Harris begrüßte seine Freunde während Kardina in dem Gleiter Platz nahm und abflog. »Warten wir?«, fragte Harris. Simon nickte. Statt weiter ins Innere der Jacht zu gehen, blieben sie im Schleusenraum hinter der Rampe stehen. Knapp zwanzig Minuten darauf kehrte Kardina in einer grünen, figurbetonten Kombination zurück. Eine zweite Frau, ähnlich gekleidet wie die Amazone, betrat das Schiff und ließ diesmal Lieutenant Harris wie eine Salzsäule erstarren. Angel? Was will sie denn hier? Mit einem lasziven »Hallo, Lieutenant!« ging NAT-6 Omega auf Harris zu und blieb breitbeinig vor ihm stehen. Verdutzt sah er sie an. »So trifft man sich wieder ... Sean.« »Äh, ja ...« Harris war von ihrer lockeren Art völlig überrumpelt. Natasha setzte noch einen drauf und schmiegte sich an ihn. Ihre Lippen berührten fast sein Ohrläppchen und dann wisperte sie: »Sag es noch einmal.« »Was? Was soll ich sagen?« Statt sofort zu antworten, fasste sie sanft in seine Haare und drehte eine Strähne um ihren Finger. »Na wie du mich genannt hast. Sag noch einmal ... Angel ... zu mir.« Verblüfft sah er sie an. Dann schien Harris zu überlegen, welche Reaktion angemessen war. Am liebsten hätte er sie umarmt und geküsst, aber hier – vor allen Leuten? Schließlich flüsterte er ihr etwas zu. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht, drehte sich Natasha zu den anderen um, begrüßte sie und stellte sich neben die Amazone. Tennard schlug seinem Kameraden fest auf die Schulter. »Sean, du alter Schwerenöter. Was spielt sich da zwischen euch ab?« »Schach.« »Schach?« »Na du weißt schon, dieses Brettspiel mit den weißen und schwarzen Steinchen ...« Luis Tennard sah seinen Freund verwundert an. Er schien den Schock der Wiedersehensfreude recht schnell überwunden zu haben. Und war da nicht auf einmal ein Glitzern in den Augen seines Partners zu sehen? »Du wirst es nicht wagen!« »Was?« »Sean! Ich kenn dich jetzt schon ein paar Tage. Dieser Blick von dir. Du kannst nicht ernsthaft glauben bei einer Natasha zu landen! Vor allem nicht nach dem, was wir der hier angetan haben.« »Jetzt beruhig dich Luis. Ich bin doch nicht lebensmüde! Was glaubst du denn?« Tennard blickte Sean Harris zweifelnd nach, als dieser das Schiff betrat. Bevor er ihm
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folgte, schüttelte er langsam den Kopf, als wolle er einen unmöglich erscheinenden Gedanken loswerden. Wenig später fauchten die Triebwerke der SOLARIA auf. Das Schiff erhob sich langsam in die Luft und wartete, bis sich die Hangartore geöffnet hatten. Kurz darauf zeugte nur noch ein schwacher Kondensstreifen in der eisigen Atmosphäre Cloudgardens, von der ehemaligen Anwesenheit der Raumjacht. Φ Zehn Monate zuvor Helen Dryer lag bewusstlos auf einem Operationstisch in der Medi-Station der TORGUT. Hier, in Sealdrics Schlachtschiff, wurde ihr der letzte Schliff verpasst, etwas, das neben der erlittenen Schmach in der Ratsversammlung noch mehr zu Sealdrics Demütigung beitrug. Trotzdem wohnte der Bewahrer der Operation bei und beobachtete interessiert den humanoiden Roboter, der gerade die Schädeldecke Helen Dryers wieder verschweißte. Es dauerte nur wenige Sekunden bis auch Haut und Haare wieder an ihrem angestammten Platz waren und nichts mehr auf den Eingriff hindeutete. »Bewahrer! Die Operation ist abgeschlossen«, erklang die mechanische Stimme des Roboters. »Die Steuerungskapsel der Rasahra wurde in das menschliche Gehirn verpflanzt und wird dort seine Wirkung entfalten. Durch die Operation wird sie wesentlich schnellere Reflexe haben, die Vernichtungskugeln des Schwertgriffs mit ihren Gedanken steuern kö ...« »Als ob ich das nicht alles wüsste!«, fauchte Sealdric die Maschine an. »Weck sie auf.« »Bewahrer! Ich muss euch darauf hinweisen, dass nach einer Operation ...« »Hast du mich nicht verstanden? Weck sie auf!« Der Roboter versetzte der Frau eine Injektion und verharrte dann neben dem Operationstisch. Es sprachen keine dringenden, gesundheitlichen Gründe gegen ein sofortiges Aufwecken, zudem war Sealdric der Kommandant des Schiffes – der Roboter beobachtete die Reaktion des menschlichen Körpers und unterließ jeden weiteren Kommentar. Hätte er Gefühle besessen und geahnt wie oft Sealdric ihn in Gedanken auseinander genommen und in den unmöglichsten Formen wieder zusammen gesetzt hatte, er hätte den Raum sofort verlassen und versucht dem Bewahrer nie mehr unter die Augen zu kommen. »Ist ... es ... vorbei?« Kaum vernahm Sealdric die leise Stimme der Frau, stürzte er sich zu der Operationsliege. »Ja, die Sonde befindet sich in dem was du ein Gehirn nennst. Hier, nimm dein Schwert!« Der Bewahrer drückte der noch schwachen, kaum zu sich gekommenen Frau den taschenlampenähnlichen Bolzen in die kraftlosen Finger. »Kraft des mir, Sealdric dem Bewahrer, verliehenen Amtes ernenne ich dich, Terranerin Commander Helen Dryer zur Bewahrerin. Erfülle deine Pflichten zu Scardeens Zufriedenheit!« Nachdem er seine Pflicht getan hatte, wandte Sealdric sich ab und ging schnellen Schrittes auf das Schott zu. »Danke«, ertönte die nun schon etwas kräftiger gewordene Stimme der neuen Bewahrerin. Wütend drehte Sealdric sich noch einmal zu ihr um. »Verlasse sofort die TORGUT! Du begibst dich auf die MAGIRUNA und erfüllst den Auftrag des Rates. Finde Dai Urshar!« Die letzten Worte sprach der Bewahrer schon außerhalb der Station und bevor Helen Dryer noch etwas erwidern konnte, hatte sich das Schott bereits geschlossen. Die Bewahrerin spürte wie ihre Kräfte schnell wieder zurückkehrten und stand auf. Prüfend betrachtete sie den Bolzen in ihrer Hand. Sie drückte einen kleinen Schalter. Im gleichen Moment schoss eine Klinge aus dem Zylinder. Die Waffe war perfekt ausbalanciert, und es bereitete Helen Dryer
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keinerlei Schwierigkeiten das Schwert zu führen. Sie ließ die Klinge mit einem weiteren Knopfdruck wieder einfahren und hing den Bolzen an ihren Gürtel. Dann nahm sie ihr Cape von einem kleinen Tischchen auf und warf es sich über die blaugoldene Robe. Auf dem Weg zum Schott blieb sie vor einem kleinen, an der Wand hängenden, Spiegel stehen und betrachtete sich konzentriert darin. Doch sie konnte keine Spur der vergangenen Operation entdecken. Helen verließ die Medi-Station zufrieden lächelnd und machte sich auf den Weg zu ihrem Schiff, der MAGIRUNA. Ihre hochgesteckten Ziele hatten eine neue Dimension angenommen. Sie war jetzt eine Rasahra. Φ Gegenwart Sie hatten sich aufgeteilt. Während Simon gemeinsam mit Sherilyn und Tennard nach Mel Quires Sohn suchten, hatten Kardina, Natasha und Harris sich aufgemacht, die Eltern der Amazone zu finden. Gemeinsam mit seinen beiden Begleiterinnen betrat Harris das Meldeamt von Maisuht. Angeblich sollten dort alle Bewohner des Handelsplaneten registriert sein. Vielleicht konnten sie dort auch den Aufenthaltsort Hal Quires in Erfahrung bringen. Wenn sie Glück hatten, wären damit alle Probleme auf einen Schlag gelöst. Wenn nicht ... Harris grinste breit als er eine junge Frau hinter dem öffentlich zugänglichen Informationsschalter sitzen sah. »Das ist dann wohl meine Sache, Ladies. Schätze, unser Besuch hier wird nicht lange dauern und wir haben die Informationen die wir brauchen.« Kardina und Natasha sahen sich amüsiert an, zuckten mit den Schultern und folgten dann dem First Lieutenant zur Schalterkonsole. Die Angestellte dahinter sah von ihrer Arbeit auf und musterte die Ankömmlinge durch ihre violett gefärbten Brillengläser. Das »Ja, bitte?«, mit dem die drei empfangen wurden, klang nicht gerade so als ob sie erfreut über den Besuch wäre. Harris war zudem darüber irritiert, dass nicht er, sondern offensichtlich Natasha das Interesse der Schalterbeamtin auf sich gezogen hatte. Noch während er seine erfundene und wirre Geschichte zum besten gab – ein Gewinnspiel und die nicht auffindbaren Gewinner, nur ein Vorname sei bekannt und es wäre doch sehr hilfreich und so weiter und so fort – merkte er, dass er eigentlich ins Leere sprach. Zwischen der Angestellten und dem Natasha-Aspekt hatte sich in der gleichen Zeit etwas viel tieferes, anderes abgespielt und das mindestens eine Ebene über der hörbaren Sprache. Als Lieutenant Harris endlich verstummte, wandte die Frau sich wieder ihm zu und fragte in barschem Ton: »Was soll ich nun für Sie tun?« »Wir suchen eine Familie deren Tochter den Namen Kardina trägt.« »Das ist Ihr Problem«, kam die gelangweilte Antwort. »Ich kann und darf Ihnen ohne offizielle Genehmigung keine Auskunft geben. Bitte verlassen Sie umgehend dieses Gebäude. Andernfalls werde ich ...« Kardina legte ihre Hand auf Harris' Schulter. »Komm, lass uns gehen. Hier werden wir nichts erreichen.« Sie zog den Lieutenant mit sich nach draußen und merkte erst vor der Tür, dass Natasha ihnen nicht gefolgt war. Die Amazone betrat erneut die Schalterhalle, um nach dem Rechten zu sehen. Als sie sah dass Natasha sich weit über den Tresen gelehnt hatte und angeregt in ein Gespräch mit der mittlerweile brillenlosen Angestellten vertieft war, schlich sich ein schiefes Grinsen in ihr Gesicht und sie begab sich wieder zu dem Lieutenant vor die Tür. »Wo ist ...« Angel hätte er beinahe gesagt und korrigierte sich rasch in: »... der Aspekt? Hat
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sie sich in der großen weiten Halle da verlaufen? Es tut mir leid für dich, dass wir keinen Erfolg hatten. Wer konnte schon ahnen, dass diese Frau da drinnen so kalt und unnahbar ist.« »Vielleicht ist sie das gar nicht?«, erwiderte Kardina mit einem Schmunzeln. »Was?« Harris betrachtete die Amazone verwundert und sein Erstaunen wurde noch größer, als Minuten später Natasha aus dem Gebäude trat und mit einer Datenfolie vor ihren Nasen herum wedelte. »Ich habe eine Liste mit allen Familien, deren Tochter den Namen Kardina trägt oder trug. Es ist schon gut«, wandte sie sich an die Amazone, »dass du einen so seltenen Namen hast. Insgesamt sind es nur 312.002 Familien.« »Selten?«, stöhnte Harris auf. »Nun ich sagte doch: Töchter, die den Namen tragen oder trugen. Die Liste beinhaltet natürlich alle Familien seit der Kolonialisierung des Planeten. Und das ist gut viertausend Jahre her. Den Namen Kardina über viertausend Jahre verteilt dreihundertausend Mal zu vergeben, das ist wirklich keine hohe Dichte.« »Das ist alles schön und gut«, schaltete sich Kardina nun ein. »Wie viele Familien leben heute noch?« »Einhundertzweiundfünfzig«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Davon ...« »Das ist aber immer noch eine ganze Menge«, konnte Harris sich nicht verkneifen einzuwerfen. Natasha ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und setzte erneut an. »Davon haben aber nur fünf Familien ihre Töchter zu den Amazonen gegeben. Und diese Fünf stehen auf dieser Folie!« Triumphierend hielt sie den Flex-Datenspeicher hoch. »Ich möchte ja gar nicht wissen, wie du das geschafft und warum du nicht auch Informationen über Hal mitgebracht hast«, brummte Harris, obgleich er natürlich wusste, dass dies ein großer Erfolg für sie und speziell für die Amazone war. Im Innern schalt er sich dafür, dass er so unhöflich mit seiner Angel umging. »Nun ja, nicht jede Frau fliegt auf Typen wie du einer bist. Und manche machen sich gar nichts aus Männern. Was ich ihnen kaum verdenken kann, wenn ich mir dich so anschaue. Und was Hal angeht, ich wollte es nicht gleich am Anfang übertreiben. Sehen wir doch erst mal was diese Kneipe, von der Mel meinte, dass sein Sohn sich dort regelmäßig rumtrieb, bringt und was die anderen dort erreichen können. Falls das zu nichts führt, können wir ja immer noch nachfragen.« »Ach ja? Und die Tussi da drinnen wird uns nur wegen deiner nicht mal blauen Augen natürlich alle Infos geben die wir brauchen könnten? Und es wird ja auch gar nicht auffallen, wenn wir dort ein zweites Mal auftauchen und ...« »Wir haben uns verabredet«, unterbrach Natasha schnippisch, aber mit einem breiten Grinsen. Es bereitete ihr einfach diebisches Vergnügen Lieutenant Harris zu ärgern und das war ihr offensichtlich wieder einmal hervorragend gelungen. Kardina unterbrach das Geplänkel indem sie darauf hinwies, dass sie sich ja vielleicht auch auf den Weg zu diesen fünf Familien machen und die beiden währenddessen ihren Streit fortsetzen könnten. »Wir streiten doch nicht!«, tat Natasha ganz erstaunt. »Aber nie nicht ...«, war von Harris zu hören, der sich, als er den beiden Frauen über den großen Platz vor dem Amt folgte, maßlos darüber ärgerte, dass diese Natasha ihn schon wieder über den Tisch gezogen hatte. Warum mussten diese Aspekte, neben ihrem verdammt guten Aussehen, auch noch so ein vermaledeites Glück haben? Natürlich war ihm klar, dass NAT-6 Omega keineswegs ihn, sondern eher die Angestellte über den Tisch gezogen hatte. Aber es wurmte ihn einfach dass dieser Aspekt Erfolg hatte, wo er keinen erringen konnte. Und er musste sich eingestehen, dass er eifersüchtig war.
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Φ »Sie sind sich sicher, dass das die richtige Stadt ist, Lieutenant?«, fragte Luis Tennard, als sie eine breite Einkaufsstrasse überquerten. »Hal hat angeblich häufig von hier gesprochen«, sagte Simon McLaird. »Dort vorne müsste die Bar sein, in der er einige gute Freunde haben sollte. Mel meinte, dass sein Sohn immer sehr begeistert von dieser Örtlichkeit gesprochen hat. Wir werden dort zumindest eine Spur von ihm finden. Hoffe ich.« Sherilyn Stone hatte ein Hinweisschild entdeckt, das den Namen der gesuchten Kneipe trug. Sie betraten eine schmale Seitengasse in der eine flackernde Lichtreklame auf das Vorhandensein des Lokals schließen ließ. Schnellen Schrittes erreichten sie die stabile Stahltür, die den Eingang zur Kneipe markierte. Die Tür war offen und die Drei traten ein. Kneipe? Das ganze ähnelt eher dem was man sich unter einer heruntergekommenen Spelunke vorstellte, dachte Tennard. Es ging offensichtlich nicht nur ihm so, dass er im ersten Moment versucht war, sich wieder ins Freie zu retten. Zumindest interpretierte Luis das Zögern seiner beiden Begleiter so. Dichter Qualm füllte den kleinen Saal. Qualm, dessen Zusammensetzung jeden Chemiker hätte jubeln lassen, die Lungen der drei Terraner jedoch zum Ächzen brachte. Hustend und mit tränenden Augen kämpften sie sich durch die dicht an dicht stehenden Gäste zum Tresen vor. Die beiden Schankwirte machten ob des regen Treibens einen gestressten Eindruck, schafften es aber offensichtlich die Scardeener zufrieden zu stellen. Scardeener. In dieser Kneipe sind die unterschiedlichsten Rassen versammelt, doch alle sind Scardeener. Fast alle Planeten, die unter das Joch von Scardeen gefallen sind, wurden ›eingemeindet‹ und verloren nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre Eigenständigkeit. Einzig die Drahusem haben sich gegen das Reich durchsetzen können. Doch zu welchem Preis? Die Gedanken schossen Tennard durch den Kopf während Simon McLaird versuchte, einen Wirt auf sich aufmerksam zu machen. Plötzlich sank der bis dahin überlaute Geräuschpegel auf nahezu Null. Erstaunt blickten Simon, Stone und Tennard sich um. Ein Spot versuchte sein Licht durch den dichten Rauch auf eine kleine Bühne zu strahlen und erzeugte dabei Effekte, die an eine explodierende Supernova erinnerten. Auf der Bühne öffnete sich ein Vorhang und zu den einsetzenden, fremdartigen Rhythmen betrat eine Tänzerin die kleine Fläche. Definitiv humanoid, wie Tennard mit zusammengekniffenen Augen erkannte. Und definitiv nackt! Das Publikum in dieser Kneipe schien Gefallen an dem Auftritt der Frau zu finden, die sich zu der Musik zu bewegen begann. Luis erschien das ganze nur plump und billig und ein kurzer Seitenblick zu Major Stone und McLaird zeigte ihm, dass es nicht nur ihm so ging. Sherilyn Stones fragender Blick traf den seinen und Luis schüttelte den Kopf. »Nicht mein Geschmack«, gab er ihr zu verstehen und noch während sie sich der Theke zuwandten vermeinte der Sergeant so etwas wie ein wohlwollendes Lächeln in Stones sonst so strengem Gesicht entdeckt zu haben. Ach was, wahrscheinlich nur Einbildung, dachte Tennard bei sich. Durch das einsetzende Gegröle und Gejaule war die an sie gerichtete Frage kaum zu verstehen. Simon wandte sich dem Wirt zu, der die drei erwartungsvoll anblickte. »Drabitsch?«, erklang die Frage erneut. »Äh ... nein, danke.« Simon lehnte sich über den Tresen, um nicht gegen den Lärm anschreien zu müssen. »Informationen!«
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Der Barkeeper hob nur kurz die Augenbrauen. »Das kostet.« »Wie viel?« »Dreihundert. Minimum.« Simon seufzte und drehte sich zu seinen Begleitern um. »Er will dreihundert Credits.« Die Gäste waren ausschließlich auf den Anblick der nackten Schönheit konzentriert und so entschied Sherilyn Stone sich für ein handfesteres Vorgehen. Unter ihrem langen Mantel zog sie einen Handlaser hervor und lehnte sich nun neben Simon gleichfalls weit über den Tresen. Von der einen Seite durch McLaird verdeckt und auf der anderen von Tennard, der die Gäste im Auge behielt, sah es für einen unbeteiligten Beobachter aus, als würden sie und McLaird nur ein Gespräch mit dem Barkeeper führen. Die Schweißperlen auf seiner Stirn waren bei den hier herrschenden Temperaturen nichts Besonderes. Und der hinter der Theke aufsteigende Dampf mochte aus einem dreckigen Waschbecken aufsteigen. »Leute mit 'nem scharfen Laser haben wir hier nicht so gerne«, waren die gemurmelten Worte des Wirtes, nachdem er sich vom ersten Schock erholt hatte. Major Stone hatte, mit dem Laser auf geringster Leistung, die Theke vor dem Wirt zum Kochen gebracht und ihm verdeutlicht, dass sie nicht gewillt war, für eventuelle Informationen mehr als notwendig zu bezahlen. Wenn überhaupt. »Was wollen Sie?«, presste der Wirt schließlich hervor. »Traanis.« »Traanis?«, echote der schwitzende Mann. »Der ist schon lang nicht mehr hier. Hatte den Schuppen früher. Wollte sich verbessern. Hat 'nen Puff am Südende aufgemacht.« »Südende?«, Sherilyn stellte die Frage mit einem süffisanten Lächeln und kaum merkbar wanderte der Laser ein Stückweit nach oben. »Corsaya 12 B. Noble Gegend. 'n bisschen besser als das hier. Die Mädchen sind teurer.« »Herzlichen Dank für die Informationen, Mister.« Mit diesen Worten steckte Sherilyn den Laser weg. Tennard entspannte sich etwas und wandte sich wieder seinen Vorgesetzten zu. Er sah wie Simon kurz überlegte und dann drei scheckkartengroßen Plastikchips aus seiner Jackentasche zog, um sie vor dem Barkeeper auf die Theke zu legen. »Dreihundert. Als Ausgleich für den Schrecken.« Sherilyn verdrehte ihre Augen. »Na dann hätte ich mir die Aktion auch schenken können.« Die drei wandten sich vom Tresen ab und rumpelten dabei mit einem Gast zusammen, der mit einem leeren Glas in der Hand vor ihnen stand und gebannt auf die Bühne starrte. Offenbar war seine geplante Bestellung durch den Auftritt der Tänzerin unterbrochen worden. Wiederum schoben sich die drei zwischen den Gästen durch die Bar dem Ausgang entgegen. Die Scardeener machten nur widerwillig Platz, um ja nichts von der Vorführung zu versäumen. Nach dem anfänglichen Gejohle der Besucher war mittlerweile nur noch die Musik zu hören zu der sich die Frau auf dem Podium bewegte. Wobei, wie Luis bemerkte als er einen letzten Blick auf die Bühne warf, sich die Bewegungen auf ein Minimum beschränkten: Völlig versunken in die atonale Geräuschkulisse die aus den Boxen drang, die Augen geschlossen, schienen die Hände der Frau ein Eigenleben entwickelt zu haben und streichelten über die unwirklich schimmernde Haut ... »Wollen Sie vielleicht doch noch ein bisschen bleiben?«, vernahm Luis plötzlich die Stimme Major Stones an seinem Ohr. Tennard spürte wie ihm das Blut in den Kopf stieg, verneinte kurz und folgte Sherilyn Stone nach draußen wo McLaird bereits auf sie wartete. Er war froh über die frische, kühle Luft, die wie ein belebendes Bad wirkte und ihm gleichzeitig half die Hitze aus seinem Schädel zu vertreiben. Als die Tür sich hinter den Terranern geschlossen hatte und damit auch die mit irdischen
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Harmonien nicht zu vergleichende Melodie in der verräucherten Kneipe zurückblieb, fühlte Tennard sich gänzlich von dem Zauber befreit, der ihn unvermittelt doch noch umfangen hatte. Φ »Das ist die letzte Familie auf unserer Liste«, sagte Natasha leise. »Das muss sie einfach sein.« Sie drückte den Knopf neben der Tür und kurz darauf wurde geöffnet. Natasha überreichte der Frau, die sie überrascht anblickte, ein kleines Päckchen und streckte ihr gleichzeitig einen tragbaren Medoscanner entgegen. »Frau Martsen?«, fragte Natasha, und nach dem sprachlosen Nicken fuhr sie fort, »Herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie hier bitte quittieren würden?« Die verdutzte Frau nahm das Paket, drückte ihren Zeigefinger in den Medoscanner und blieb selbst dann noch in der offenen Tür stehen, als Natasha schon längst um die Ecke verschwunden war. »Faszinierend wie einfach das doch ist«, war Harris' Kommentar, als er den Scanner zurück erhielt und die Auswertung startete. »Es hat seine Vorteile, wenn man sich ein wenig mit den Gewohnheiten auf den diversen Planeten auseinandersetzt. Aber letztlich sind doch alle Wesen gleich. Wenn es etwas umsonst gibt kümmert sich niemand groß darum woher, warum und wieso es kommt«, antwortete NAT 6 Omega. In einer kleinen Boutique hatten die drei fünf billige Tücher jeweils in einer Geschenkbox verpacken lassen und waren damit losgezogen. Nach dem Desaster im Meldeamt hatte Harris auch nichts mehr dagegen, dass jeweils nur Natasha zu den Familien ging und die ›frohe Botschaft‹ überbrachte. Sie hatte aber schon beim ersten Versuch festgestellt, dass es am günstigsten war, die ›Beschenkten‹ einfach zu überrumpeln ohne vorher eine langatmige Geschichte zu erzählen. Die Fragen die von der ersten Gewinnerin aufgrund der ›Hintergrundstory‹ gestellt wurden, hatte Natasha mit einem ›Wollen Sie Ihren Gewinn jetzt annehmen?‹ abgewürgt und war so doch noch zu ihrem Medoscan gekommen. Und so wie im letzten Fall hatte es dann auch die weiteren Male geklappt und sie waren an ihre DNA-Proben gekommen. Nur waren die ersten vier Besuche negativ ausgefallen und als Natasha und Kardina jetzt Harris fluchen hörten, war klar, dass auch diese letzte Familie nicht die gesuchte war. »Verdammte zwanzig Prozent! Das gibt es doch nicht. Bist du dir sicher, dass du sämtliche relevanten Namen und Familien bekommen hast? Vielleicht hat dich deine neue Freundin ja doch nur verarscht«, schimpfte der Lieutenant. »Lass gut sein«, beruhigte Kardina ihn. »Es soll einfach nicht sein. Ich werde mich damit abfinden müssen, dass ich meine Familie nie mehr wieder sehen werde. Etwas, womit ich mich ja eigentlich schon seit Jahren hätte abfinden sollen. Aber ... es wäre einfach schön gewesen, sie zumindest noch einmal zu sehen.« Die Amazone stieß einen leisen Seufzer aus, dann schien ein Ruck durch ihren Körper zu gehen. »Na kommt, lasst uns nach den anderen suchen. Vielleicht haben wir wenigstens bei der Suche nach Quires Sohn mehr Erfolg.« Natasha hob die Hand. »Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit. Ich muss einfach alle Namen sehen und kann ja eventuell doch noch eine Verbindung entdecken. Es ist zumindest einen Versuch wert!« »Die lassen dich doch gar nicht an ihren Computer«, sagte Kardina. »Wir hatten doch schon mit diesen fünf Namen genug Probleme.« »Das dürfte schon klappen. Ich werde einfach den Termin im Looranis wahrnehmen
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müssen.« »Termin? Looranis?« Harris blickte Natasha fragend an. »Nun, ich hatte unserer Freundin am Terminal immerhin versprochen, dass wir uns alleine treffen könnten. Im Austausch für die fünf Namen. Und wenn sie schon vor einem Treffen so freigiebig ist, wer weiß, was sie danach ...«, NAT-6 Omega zog das danach bewusst in die Länge und erwartete lasziv lächelnd, Harris' Einwand. Der auch prompt folgte. »Das meinst du doch nicht ernst, Natasha! Du bist doch nicht ganz bei Trost!« »Doch, doch, mein lieber Lieutenant ... «, grinste die Frau ihn an, »und nun bist du am Zug.« Die Amazone hatte sich wiederum aus dem Geplänkel heraus gehalten. Sie war froh, dass es vielleicht doch noch einen Hoffnungsschimmer geben könnte und hätte fast alles dafür gegeben, noch einmal mit ihrer wirklichen Familie zusammen zu treffen. Die drei begaben sich an einen so genannten Sammelpunkt und betätigten einige Tasten an dem dort vorhandenen Terminal. Innerhalb weniger Sekunden raste ein ›Taxi‹ heran und sie stiegen in das computergesteuerte Fahrzeug ein. »Wohin darf es gehen?«, ertönte eine Maschinenstimme. »Looranis!«, sagte Harris bestimmt. »Verzeihung«, wurde erneut die Computerstimme laut, »aber Männer sind dort nicht gerne gesehen. Sind Sie sicher, dass Looranis ihr Fahrtziel ist? Bitte bestätigen Sie.« Harris bekam einen hochroten Kopf und vor Empörung kein Wort heraus. Natasha bestätigte grinsend das Ziel und der Gleiter hob ab. Dann drehte sie sich zu Harris um und zwinkerte ihn an. »Dein Läufer ist bedroht.« »Ich gebe zu, dein Manöver ist nicht schlecht, aber die Partie ... ist noch lange nicht entschieden.« In dem winzigen Fahrzeug herrschte, zumindest auf Seite der beiden weiblichen Fahrgäste, unbändige Heiterkeit und der Lieutenant durfte sich auf der Fahrt zu dem Nachtclub so manche Spöttelei gefallen lassen. Und die Fahrt wurde lang. Es war anscheinend Hauptverkehrszeit und trotz aller automatisch geregelter Verkehrsführung kamen sie nur schleppend voran. Die zwei Sonnen von Maisuht versanken bereits hinter dem Horizont, als der Gleiter endlich vor dem Nachtclub stoppte. »Wir sind da. Ich wünsche den Damen ...«, es entstand eine kurze Pause, »und natürlich dem Herrn, einen angenehmen Aufenthalt. Bitte begleichen sie die Rechnung in Höhe von dreißig Credits unverzüglich. Danke.« Die Computerstimme verstummte und Harris stopfte wütend einen Creditchip in den Bezahlschlitz. Die Türen öffneten sich und entließen die Fahrgäste in die Nacht. Natasha sah sich um und deutete dann auf ein Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Es wäre wohl besser wenn ihr da drüben wartet. Insbesondere du«, wandte sie sich an Harris, »dürftest im Looranis nicht so gut aufgehoben sein.« Der Lieutenant setzte zu einer Erwiderung an, zuckte dann aber nur mit den Schultern und ging mit der Amazone über die Straße. Grinsend vergewisserte er sich aber noch, dass Angel auch ja mitbekam, wie er den Arm um Kardina legte. Natasha betrat das Lokal. Warmes rotes Licht empfing sie und leise Musik, von einem flötenähnlichen Instrument gespielt, klang durch den Raum. Es waren wenige Gäste anwesend. Ausschließlich Frauen. Natasha entdeckte die junge Frau aus dem Amt und ging zu dem Tisch auf dem bereits drei leere Gläser standen. »Tut mir leid, ich bin spät dran«, sagte der Aspekt leise. Die junge Frau zuckte zusammen und sah nach oben. Ihr Lidschatten war verschmiert, die Augen gerötet. NAT 6 Omega kniete sich neben die Frau und legte die Hände auf ihre Schultern. »Was ist passiert?«
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»Was passiert ist? Du warst nicht da!«, war unter leisem Schluchzen zu verstehen. »Ich dachte auch du hättest mich nur benutzt. So wie all die anderen ...« »Es tut mir so leid«, war alles, was Natasha sagen konnte. Sie nahm die junge Frau tröstend in den Arm und streichelte über ihren Kopf. »Aber jetzt bin ich doch hier. Es wird alles gut.« Nur langsam beruhigte sich die Frau in Natashas Armen, aber schließlich löste sie sich von ihr. »Es tut mir leid«, wiederholte die Frau Natashas Worte. »Entschuldigst du mich für einen Moment?« Sie wandte sich ab, drehte sich aber sofort wieder um und sagte, »Mein Name ist übrigens Hyal. Ich muss mich frisch machen, okay?« Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand sie. Natasha orderte bei einer grüngelockten Serviererin, bei der sie nicht sicher war, ob diese in einem hautengen Schlangenlederkostüm herum lief oder ob das tatsächlich ihre Haut war, das Gleiche, was Hyal offensichtlich bereits in sich geschüttet hatte. Sie deutete nur auf die leeren Gläser, hob zwei Finger und die Grünhaarige lächelte, »Zwei Silaja-Cocktails? Kommen sofort.« Natasha überlegte kurz und fasste dann einen Entschluss. Sie bat die Serviererin um einen kurzen Botengang was von dieser mit einem Kopfnicken akzeptiert wurde. Ein Zettel wechselte die Besitzerin und dann lehnte NAT 6 Omega sich beruhigt zurück. Wenige Minuten später tauchte Hyal wieder auf und setzte sich neben Natasha. »Mein Name ist Natasha und du hattest Recht. Ich habe dich ausgenutzt. Nein, warte!«, sie griff nach Hyals Hand als diese sich wieder von ihrem Stuhl erheben wollte. »Lass mich erklären und vielleicht können wir, trotz allem, eine schöne Zeit haben.« Hyal ließ sich auf ihren Platz zurückfallen und zog einen Schmollmund. »Da bin ich aber gespannt.« Natasha erzählte die ganze Geschichte. Zumindest den Teil der die Suche nach Kardinas Eltern anging. »Es liegt allein an dir ob ich in drei Stunden alleine zu dem Amt zurückgehe, oder ob du mich begleiten möchtest«, schloss sie. »Woher weiß ich ... Moment! Wieso in drei Stunden?« Natasha blickte offen in das verwirrte Gesicht von Hyal. »Es wäre nicht ganz fair, dich so ganz ohne Gegenleistung um Hilfe zu bitten, oder? Ich dachte mir, vorausgesetzt du möchtest das, dass es in diesem Etablissement bestimmt Nebenräume gibt in denen wir es uns gemütlich machen könnten?« Es dauerte immer noch ein paar Sekunden bis Hyal klar wurde, was Natasha ihr anbot. »Spinnst du?«, entfuhr es ihr. »Glaubst du, dass du mich für ein bisschen Sex kaufen kannst? Dass ich dafür meinen Job aufs Spiel setze? Dass ...« »Nein! Weder das eine noch das andere. Du hast mir nicht zugehört. Zudem war es deine Idee, dass wir uns hier treffen. Es ist doch ganz einfach: Du suchst Abwechslung, eine Freundin und vielleicht ein bisschen Spaß. Ich suche Informationen mit denen ich einer Freundin helfen und sie zu ihrer Familie zurück bringen kann. Ich kann auch deine Freundin sein, für diese eine Nacht. Und ein wenig Spaß kann nie schaden.« »Du hast ja Recht. Letztlich war es meine Idee. Wahrscheinlich bin ich davon ausgegangen dass es so laufen wird wie immer: Ich sitze alleine hier und betrinke mich mit Silaja-Cocktail. Jetzt bist du hier. Wie heißt es doch: Nutze den Augenblick!« Einige Drinks später befanden sich die beiden Frauen in einem vollkommen mit dunkelrotem Samt ausgeschlagenen Zimmer auf einem luxuriösen Bett. Ihre Kleidung lag im Raum verstreut, doch keine der beiden verschwendete auch nur einen Gedanken daran. Die indirekte Beleuchtung ließ die nackten, schweißbedeckten Körper wie mit Gold überzogen erstrahlen. Und hin und wieder wurde die auch hier hörbare, leise Musik von einem Stöhnen übertönt.
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Φ Der letzte Schwertträger befand sich wieder im Ratsturm des Bürgermeisters. Diesmal allerdings war er auf dem Weg nach unten. Dorthin wo Mel Quire seine Laboratorien unterhielt, in denen er seinen Forschungen nachging. »Ken Dra! Ich grüße Sie«, rief Mel durch den ›Chemiesaal‹ in den der Schwertträger auf der Suche nach dem Wissenschaftler verwiesen worden war. Quire kam auf Ken zu und schüttelte ihm die Hand. »Was kann ich für Sie tun?« »Ich wollte mich nach dem Schwert erkundigen. Haben Sie schon etwas herausgefunden? Die Funktionsweise? Irgendwas?« Mel Quire senkte den Kopf und errötete tatsächlich etwas. »Es tut mir leid. Ich muss Ihnen leider gestehen, dass ich mich noch nicht damit beschäftigen konnte. Ihr Schwert liegt noch in meinem Tresor. Ich werde aber spätestens Morgen mit der Arbeit daran beginnen können.« »Morgen? Als Simon und ich Sie aufgesucht hatten, schienen auch Sie von der Idee und den damit verbundenen Möglichkeiten begeistert zu sein! Was hat den Sinneswandel bewirkt?« »Es gibt keinen Sinneswandel. Ich bin nach wir vor Ihrer Meinung, dass wir mehr Schwertträger benötigen! Es ist nur so«, Quire begab sich an einen mit Akten, Büchern und Dokumenten überhäuften Tisch und zog eine dünne Folie unter einem Stapel hervor, »dass die Beobachtungsstationen und die vierdimensionalen Seismographen etwas festgestellt haben, was mein sofortiges Eingreifen notwendig gemacht hat!« Ken Dra betrachtete die sonderbaren Zeichen und Grafiken auf der Folie und sah dann den Wissenschaftler fragend an. »Ja? Und?« »Sehen Sie denn nicht? Hier«, Mel zeigte auf die für Ken unverständlichen Linien auf der Folie, »hier und hier. Es besteht die Gefahr eines Strukturrisses in der Nullsphäre. Cloudgarden könnte vernichtet werden. So praktisch die Nullsphäre momentan als ›Garage‹ für die 250 Millionen Zerstörer sein mag, wir müssen uns eine andere Lösung einfallen lassen.« Ken dachte nach, hob dann die Schultern. »Wenn ich eine Idee habe, erfahren Sie es als Erster. Vielleicht sollten wir die Zerstörer aber auch evakuieren.« »Wir haben nicht die Besatzungen für so viele Schiffe. Aber ich finde einen Weg. Entschuldigen Sie mich, Schwertträger, ich muss weiter machen.« Φ »Was soll das denn bitte werden?« Harris war schier aus der Haut gefahren, als er die Nachricht von Natasha erhalten hatte. Kardina hatte nur mit den Schultern gezuckt und sich auf eine längere Wartezeit eingestellt. »Dauert länger. Treffen uns in drei Stunden am Amt.« war alles was auf dem Zettel stand, der ihnen von einer Botin aus dem Lokal gegenüber gebracht worden war. Was in drei Stunden alles passieren kann. Sie wird doch nicht ... ? Der Lieutenant hatte durch sein lautstarkes Lamentieren noch eine ganze Zeitlang die Aufmerksamkeit der anderen Gäste des Cafés auf sich gezogen. Schließlich hatten sie ein Taxi gerufen und sich zu dem Amtgebäude fahren lassen, an dem sie sich mit Natasha treffen sollten. Dort hatte Harris sich auf den Stufen niedergelassen und kein Wort mehr gesprochen. Nervös knetete er seine Hände und verfluchte sich, dass er Angel so anziehend fand. Dass seine Gefühle zu ihr die Lage kompliziert machte.
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Die Amazone blieb neben der Treppe stehen, und hätten nicht ab und zu ihre Augen das Licht des Mondes reflektiert, hätte man sie für eine Statue halten können. Schließlich fuhr ein Gleiter vor. »Ihr habt euch die Zeit hoffentlich auch gemütlich vertreiben können?«, grüßte sie NAT-6 Omega, die dem Fahrzeug entstieg. Harris schnaubte nur und Kardina sah fragend zu dem Taxi, das sich wieder entfernte. »Kommt mit«, überging Natasha alle Erklärungen und führte die beiden um das Amtsgebäude herum zu einem Hintereingang. Dort fanden sie eine unversperrte Tür und gingen durch das nur spärlich beleuchtete Gebäude wieder nach vorne. Kurz vor Erreichen der Haupthalle hörten sie ein Zischen aus einem offen stehenden Büro. Hyal saß dort an einem Terminal. Die blaue Reflektion des Monitors zauberte eine unwirklich scheinende Aura um ihren Kopf. Sie winkte die drei zu sich. »Es bleibt dabei«, empfing sie die nächtlichen Besucher. »Es sind einfach zu viele Familien ...« »Aber es können doch nicht alle ihre Töchter zu den Amazonen geschickt haben«, fiel Harris, der möglichst schnell viele Informationen abschöpfen wollte, ihr ins Wort. »Selbst diese Familien aufzusuchen würde fast ein Menschenleben in Anspruch nehmen. Ihr hattet schon Glück, dass die fünf Familien die ich mit Natasha gefunden habe hier, in dieser Stadt leben.« »Also können wir gar nichts tun?«, fragte Kardina mit einem hörbar verzweifelten Unterton in der Stimme. »Ich bräuchte mehr Daten. Der Name allein ist kein besonders hilfreiches Suchkriterium wie ihr mittlerweile feststellen musstet«, Hyal betrachtet nachdenklich die Amazone. »Kennst du dein genaues Geburtsdatum?« Harris und Natasha blickten sich erstaunt an. Warum waren sie nicht schon längst darauf gekommen? Andererseits erinnerte Harris sich daran, gehört zu haben, dass nicht allen Amazonen der tatsächliche Tag ihrer Geburt bekannt war. Häufig wurde der Tag ihrer Ankunft und die Aufnahme bei den Amazonen als ›Geburtstag‹ gefeiert. Kardina stieß ihren Atem laut aus. Sie beugte sich an Hyal vorbei und tippte ein paar Zahlen auf der Tastatur. Hyal lächelte als sie die Suche auslöste. Binnen kürzester Zeit baute sich auf dem Monitor eine Karteikarte auf. Namen und Bilder wurden in Sekundenschnelle vom Großrechner auf das Terminal übertragen und Hyal wandte sich triumphierend an die drei Sucher. »Ein Tref ...« Das Triumphgefühl schwand, als sie die Reaktion der drei sah. Kardina starrte fassungslos auf den Monitor und stammelte immer wieder »Meine Eltern?« Lieutenant Harris schien in der Bewegung eingefroren, mit vorgestrecktem rechtem Arm sah er aus, als wollte er die Informationen auf dem Bildschirm von sich fern halten. Einzig Natasha hatte sich unter Kontrolle, nur ihre Augen waren weit aufgerissen als ihr Blick zwischen dem Monitor und ihren Freunden hin und her pendelte. Φ Sergeant Tennard gingen die Augen über. Die leichten – und die nicht ganz so leichten – Mädchen und Frauen in Traanis Etablissement tanzten zwar nicht und waren, zumindest rudimentär, bekleidet, doch anders als in der Spelunke herrschte hier eine erotische Stimmung, die nicht zuletzt durch leise Hintergrundmusik und die indirekte Beleuchtung verstärkt wurde. Major Stone schlug dem Sergeant auf die Schulter, »Sie sollten nach unserer Rückkehr
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einen Augenarzt aufsuchen. Es sieht so aus als ob sich ihre Augäpfel nicht länger an ihrem angestammten Platz wohl fühlen.« McLaird grinste während Tennard eine Entschuldigung murmelte und sich bemühte, ihrem Umfeld nicht mehr als die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. Was ihm sichtlich schwer fiel. Die drei begaben sich zu einer Art Rezeption an der sich eine halbnackte Frau interessiert mit einem offensichtlichen Kunden unterhielt. »Entschuldigung«, ging Simon dazwischen, »Wir würden gerne den Besitzer sprechen.« »Der ist leider momentan nicht zu sprechen«, säuselte die Frau, um sich gleich darauf wieder ihrem potentiellen ›Geschäft‹ zu widmen. »Es wäre ...« »Lass mich das machen«, unterbrach Sherilyn Simon und trat nach vorne. Noch in der Bewegung stieß sie den Kunden zurück und zog den Kopf der Frau an ihren Haaren nach hinten. »Ich bin es nicht gewohnt zu warten!« Sherilyn sprach zwar leise, aber der drohende Ton war unüberhörbar. Der Mann wollte sich zwischen die beiden Frauen stürzen, überlegte es sich aber angesichts der beiden auf ihn gerichteten Laser schnell anders. Er trat zwei Schritte zurück und schien sich dem Ausgang zuwenden zu wollen. Doch plötzlich drehte er sich einmal um die eigene Achse und hielt ein Messer in der linken Hand. Er stürmte auf McLaird zu, stoppte aber den Angriff als sein Nasenbein unliebsame Bekanntschaft mit Tennards Faust machte, die noch dazu den Laser umklammerte. Das Messer polterte eben so schnell zu Boden, wie der Mann in die Knie ging und sich winselnd die blutende Nase hielt. Traanis' Angestellte hatte die Auseinandersetzung entsetzt verfolgt. Mit einem kräftigen Ruck an den Haaren erinnerte Major Stone sie daran, dass noch eine Antwort ausstand. »Wo ist Traanis?« Die Frau stöhnte und deutete mit ihrer rechten Hand hinter sich. »Er ... ist in seinem Büro ... Den Gang ... Am Ende ... Rechts.« Sherilyn ließ das Mädchen los und wollte sich mit McLaird und Tennard zu dem Büro begeben. Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Ansatzlos wirbelte sie herum, ihr ausgestreckter Arm traf die Frau am Hals und ein kleiner Nadelstrahler flog gegen die Wand. Die ›Rezeptionsdame‹ sackte hinter der Theke zusammen und riss dabei die offene Schublade, aus der sie den Nadler entnommen hatte, mitsamt Inhalt zu Boden. Tennard blieb an der Rezeption zurück und vertrieb sich die Zeit damit herauszufinden, was die diversen Utensilien wohl für einen Sinn und Zweck hatten, die über die Frau und den Boden verteilt lagen. Er versäumte aber auch nicht, die anwesenden Gäste, von denen der Großteil sich zum Verlassen des Etablissements entschlossen hatte, zu beobachten um sicher zu stellen, dass seine beiden ›Partner in Crime‹ ihrem Auftrag ungestört nachgehen konnten. Tennard versuchte sich von den anatomischen Besonderheiten, von denen die unterschiedlichen und teilweise unwahrscheinlichsten Hautfarben noch die am wenigstens auffälligen waren, nicht ablenken zu lassen. Sherilyn Stone und Simon McLaird marschierten durch den schmalen Gang zu dem mit einem Türschild gekennzeichneten Büro des Geschäftsführers. Ohne anzuklopfen stieß Simon die Tür auf und betrat mit gezogenem Laser den Raum. Dass auch Sherilyn Stone ihre Pistole bereithielt wurde schnell sichtbar, als ein feiner blauer Lichtstrahl für kurze Zeit aufblitzte und der den Raum beherrschende Schreibtisch in zwei Teile gespalten auseinander klappte. Der fette Mann betrachtete verwirrt den zwischen seinen Oberschenkeln angebrannten Sitz
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seines Bürosessels und hatte vollkommen vergessen, dass er eben noch nach einer Waffe in seinem Schreibtisch greifen wollte. »Mister Traanis?« Das Nicken, das Simon als Antwort wertete, kam sehr langsam, und als Traanis den Kopf hob, um die beiden Eindringlinge anzusehen, war die Furcht in den Augen des Bordellbetreibers offensichtlich. »Hi! Wir hätten da die ein oder andere Frage und glauben, dass Sie uns behilflich sein könnten.« »Wer, bei den Bewahrern von Scardeen, sind Sie eigentlich?«, fuhr Traanis auf. »Was zum Kratarso wollen Sie von mir? Sie ...« »Sorry«, unterbrach Simon den Redeschwall, »Wir sind diejenigen die die Fragen stellen. Sie müssen nur antworten. Ist doch eigentlich ganz einfach, oder?« Sherilyn Stone hatte sich auf der linken Seite von Traanis an den Bruchstücken des Schreibtischs postiert und dadurch den Eingang sowie den schwitzenden Mann auf seinem Sessel im Blickfeld. Dass sie scheinbar gleichgültig mit dem Laser in ihrer Hand herumspielte, trug nicht unbedingt zu Traanis' Beruhigung bei. Sein Blick wandte sich von ihr zu dem vor ihm stehenden, süffisant lächelnden Mann und wieder zurück. Sieht aus wie eine fette Henne, dachte Simon bei sich und forderte mit den nächsten Worten wieder die Aufmerksamkeit des Dicken. »Hal Quire. Sein Vater meinte, dass Sie uns sagen könnten wo wir ihn finden.« »Quire? Auf einmal interessiert sich sein Alter für ihn? Nachdem er ihn jämmerlich im Stich gelassen hat? Ha!«, ein sarkastisches Lachen folgt den Worten. »Wir wollten eigentlich nicht seine Lebensgeschichte hören. Uns interessiert viel mehr, wo sich sein Sohn aufhält!« Simons Worte ließen Traanis zwar sein Lachen herunter schlucken, aber immer noch war ein bösartiges Funkeln in seinen Augen, als er antwortete. »Hal Quire sitzt im Knast. Und zwar weil sein feiner Vater ihn hier sitzen ließ! Irgendwann in der nächsten Zeit soll er hingerichtet werden. Hat sich lange genug auf Reichskosten verköstigen ...« Ein weiterer Lichtblitz aus Sherilyns Laser beendete erneut abrupt Traanis' Wortschwall. Diesmal zerschmorte die rechte Hälfte des Schreibtisches endgültig und nach einigen Momenten blieb nur ein stinkender Haufen einer dunkelgrauen Masse zurück. Und Traanis, dem auf einmal bewusst wurde, dass er wieder alleine in dem saß, was er sein Büro nannte. »Verdammte ...« Mühsam stemmte er sich aus seinem Sessel hoch, wobei die Armlehnen beängstigend ächzten. Traanis stampfte zur Tür und schob vorsichtig den Kopf nach vorne. Gedämpft vernahm er noch das Schließen der Eingangstür. Kurze Zeit später sorgte Traanis' lautstarkes Fluchen und Schimpfen dafür, dass auch die letzten Gäste, die von dem ›Besuch‹ nichts mitbekommen hatten, sein Etablissement verließen. Φ Hyals Blick blieb an Natasha hängen. »Was habt ihr auf einmal? Ist das nicht das Ergebnis, das ihr wolltet?« »Es ist zumindest ein Ergebnis«, war Harris' tonlose Stimme zu vernehmen. »Hat McLaird nicht erzählt, dass die Tochter bei der Geburt gestorben sei?«, ergriff nun Natasha das Wort. »Aber hier steht, dass sie«, sie wandte sich an Kardina, »dass du, im Alter von drei Jahren nach Mazoni gebracht wurdest. Hätte das dein Vater nicht wissen müssen?« »Mel Quire. Mein Vater?« Kardina war sichtlich bemüht die Informationen, die auf dem
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Bildschirm zu lesen waren, zu verarbeiten. »Zumindest wenn wir dem hier«, Natasha deutete auf den Monitor, »Glauben schenken können. Und Hal ist dein Bruder. So wie es aussieht steht es nicht allzu gut um ihn. Hochverrat! Wir müssen unbedingt die anderen benachrichtigen!« In diesem Moment waren auf dem Gang Schritte zu hören. »Der Sicherheitsdienst!«, flüsterte Hyal. Natasha blickte die junge Frau an und wiederholte ihr Worte vom frühen Abend, »Es tut mir leid.« »Was ...?« Mehr brachte Hyal nicht mehr heraus. Natashas Faust traf sie am Hinterkopf und raubte ihr die Besinnung. Mit einem schnellen Griff verhinderte Natasha, dass Hyals Kopf auf der Tastatur aufschlug. Sie drückte ein paar Tasten und auf dem Monitor erschien das, an ein indisches Mandala erinnernde, Logo des Meldeamts von Maisuht. Harris, der die Digicam, mit der er den Bildschirm abfotografiert hatte, wieder in einer der vielen Taschen an seinem Mantel verstaut hatte, stand mit schussbereitem Laser bereits an der Tür. Auch Kardina hatte sich gefangen, ihr langjähriges Amazonenleben machte sich nun bezahlt und die beiden Sicherheitsleute, die in diesem Moment in die Tür traten, hatten nicht den Hauch einer Chance. Hinter dem Lieutenant und der Amazone stieg Natasha über die bewusstlosen Körper. Sie registrierte ein unregelmäßiges Blinken an der violetten Uniform des einen Wachmanns und bückte sich um es genauer zu untersuchen. »Sieht aus, als hätten sie noch ein Signal absetzen können. Wir sollten uns beeilen!« »Verflucht!«, stieß Harris hervor. »Zurück zur SOLARIA. Wir haben hier sowieso nichts mehr verloren!« Φ Im Besprechungsraum der SOLARIA herrschte einen Moment lang Stille nachdem Sherilyn Stone und Natasha in Kurzform von ihren Einsätzen berichtet hatten. Dann ergriff Simon McLaird das Wort. »Sie wissen nicht wer wir sind. Und wenn wir Glück haben, wissen sie auch nicht, was wir wollen. Aber darauf können wir uns nicht verlassen. Als Hochverräter sitzt Hal sicher nicht im offenen Vollzug, wir werden ihn also aus dem Hochsicherheitstrakt holen müssen. Eine Idee dazu wäre hilfreich.« »Es gibt nicht allzu viele Möglichkeiten«, warf Sean Harris ein. »Frontalangriff oder Guerilla-Taktik. Wenn wir als Gruppe beim Gefängnis auftauchen, dürfte das nicht besonders unauffällig wirken und mit dem Raumer könnten wir vielleicht den ganzen Knast in Schutt und Asche legen, aber Hal danach unter den Trümmern zu finden ...« »Ein Einzelunternehmen können wir abhaken. Wir bräuchten dafür ausgebildete Leute. Schwertträger ...« »Oder Amazonen!«, unterbracht Kardina Major Stone. Fünf Augenpaare blickten die Kämpferin erstaunt an. »Hey! Was habt ihr? Amazonen sind in allen Kampfdisziplinen ausgebildet. Der Sicherheitstrakt in einem Gefängnis mag eine Herausforderung sein, aber ich werde sie meistern! Immerhin geht es um meinen Bruder! Allerdings«, setzte sie hinzu, »wäre es schon günstig, wenn ich zumindest einen Partner dabei hätte.« »Wie wäre es mit einer Partnerin?«, schaltete sich nun NAT 6 Omega ein. Lieutenant Harris riss die Augen auf. »Du traust dir so was zu?« Der Blick, den Natasha dem Lieutenant zuwarf sprach Bände und Sean hob entschuldigend die Hände über den Kopf. »Schon gut. Schon gut. War ja nur eine Frage.«
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»Gut«, sagte Sherilyn, »Kardina und Natasha werden ins Gefängnis eindringen und Hal befreien. Dann sollten wir uns vorher noch eine Mütze Schlaf gönnen. Morgen werden wir dann versuchen, Pläne von dem Gefängnis zu bekommen. Irgendwie wird es hoffentlich möglich sein, die entsprechenden Computer zu knacken.« Φ Der Weg zum Gefängnis führte durch die Vergnügungsviertel der Stadt. Äußerst passend, dachte Sergeant Tennard bei sich. Es war ihnen nicht gelungen die kompletten Pläne des Sicherheitsgebäudes der Scardeenischen Legion zu bekommen. Natasha hatte sich zwar an den Zugangscode, den Hyal benutzt hatte, erinnert, doch über den Zentralrechner des Meldeamts waren nur Grundbucheinträge zu erhalten. Aber auch Grundrisspläne der verschiedensten Gebäude! So konnte die kleine Truppe sich wenigstens an groben Richtlinien orientieren und halbwegs geplant vorgehen. Tennard steuerte einen ferrariähnlichen Wagen durch die abendlich überfüllten Straßen. Das Fahrzeug, das an Bord der SOLARIA auf Maisuht gebracht worden war, war für Bodeneinsätze gedacht und für diese spezielle Mission aufgerüstet worden. Neben den getönten Energieglasscheiben hatte die gesamte kleine Mannschaft der SOLARIA den halben Tag damit verbracht, ein paar Extras in das Fahrzeug einzubauen. Simon McLaird saß neben Tennard und schien in Gedanken den Plan immer wieder nach Lücken zu durchsuchen. Und Lücken gab es mit Sicherheit genügend. Sie hatten einfach zu wenig Zeit und vor allem auch zu wenig Leute um einen ›ordentlichen Angriff‹ starten zu können. Es musste so klappen. Sie würden keine weitere Chance bekommen! Tennard bog von der vielbefahrenen Hauptstraße ab und fuhr nun auf einer schnurgeraden, nahezu leeren Straße auf das Gefängnis zu. Es bestand keine Notwendigkeit schon jetzt auf sich aufmerksam zu machen, weshalb der Sergeant zweihundert Meter vor den hoch aufragenden Mauern des Sicherheitsgebäudes, abbremste. Sie waren noch außerhalb der Reichweite der starken Scheinwerfer, die den Platz vor dem Südeingang beleuchteten. Simon blickte auf seine Armbanduhr und drückte dann einige Schalter auf dem kleinen Pult, das anstelle des Handschuhfachs angebracht worden war. »Energie ist klar. Geschütze gefechtsbereit.« Ein erneuter Blick auf die Uhrzeit. »Okay. Es geht los!« Tennard ließ den Motor aufheulen und drückte seinerseits ein paar Schalter, die nicht zur serienmäßigen Ausstattung des Fahrzeugs gehörten. Die bis dahin durch Federn und Magneten gehaltene Motorabdeckung löste sich aus ihrer Verankerung, wurde nach oben geschleudert und fiel scheppernd zu Boden. Ein Scheppern allerdings, das niemand mehr wahrnahm! Die Wachen des Sicherheitsgebäudes waren schnell und die ersten Laserblitze zuckten bereits auf den ›Ferrari‹ zu als die Motorhaube sich noch in der Luft befand. Simon McLaird hatte jedoch schon längst Gegenmaßnahmen ergriffen und neben der digitalen Zielhilfe, die auf die Innenseite der Frontscheibe projiziert wurde, Raketen und Laser aktiviert. Und abgefeuert! Tennard erkannte vier Geschosse, die auf das stählerne Tor zu rasten. Zwei wurden von scardeenischen Lasern in der Luft zerrissen, und die gleißenden Feuerbälle überdeckten die Detonation der anderen beiden an dem Stahltor. Laserstrahlen kreuzten sich, rissen unwirklich scheinende Muster in den Qualm, der sich vor dem mittlerweile zerbeulten Tor gebildet hatte.
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Durch die Projektion auf der Frontscheibe konnte Tennard so eben erkennen, dass Simon die Laserkanone auf dem Beobachtungsturm der Anlage ausgeschalten hatte. Der Sergeant konnte sich über diesen kleinen Erfolg aber nicht lange freuen. Eine gewaltige Explosion zerriss den Frontlaser des ›Ferraris‹ und brachte die Karosserie des Fahrzeugs zum Erbeben. Luis Tennard schob den Kupplungshebel mit einem wilden Ruck nach vorn und trat gleichzeitig aufs Gaspedal. Das Fahrzeug machte einen Satz nach hinten und im gleichen Moment stand der Asphalt vor ihnen in Flammen. McLaird deutete auf die Frontscheibe und Tennard erkannte in der zittrigen Anzeige ihrer Zielerfassung zwei Panzerfahrzeuge, die sich ihren Weg durch das mittlerweile offene Tor und das davor befindliche Flammenmeer bahnten. Tennard versuchte sich neu zu orientieren und überlegte welche Möglichkeiten ihm noch blieben, als McLaird bereits die Beifahrertür geöffnet hatte. Er zerrte ein rohrähnliches Gerät hinter seinem Sitz hervor und hechtete dann aus dem Wagen. Luis Tennard registrierte aus den Augenwinkeln wie McLaird vom Fahrzeug weg hastete und sich einige Meter entfernt auf die Straße kniete. In diesem Moment schob sich das erste Panzerfahrzeug durch den dichten Rauch und wurde mit bloßem Auge sichtbar. Noch während Tennard verzweifelt auf einige neu installierten Knöpfe drückte, damit aber keinen Erfolg erzielte, raste ein grelles Etwas aus dem Rohr auf Simon McLairds Schulter auf den Panzer zu. Für einen Moment schien nichts zu passieren. Das Leuchten fraß sich in den Panzer der weiterhin auf die beiden Angreifer zurollte. Tennard ließ den Motor aufheulen und versuchte den ›Ferrari‹ aus dem Schussfeld zu bringen. Dann ein greller Blitz dem ein pulsierender Lichtbogen folgte. Der Knall der Explosion war nicht lauter als der einer Handgranate, doch die Wirkung weitaus verheerender! Die Protonengranate, die Simon offenbar abgefeuert hatte, zerfetzte den ersten Panzer und warf den zweiten aus der Bahn. Doch dadurch wurde der Militärlaser des zweiten Panzers direkt auf Tennards Wagen gelenkt! Luis, froh dem ersten Panzer entkommen zu sein, sah wie das kleine Geschütz des anderen sich durch den Explosionsdruck urplötzlich in seine Richtung drehte. Und mit ihm ein hell leuchtender Strahl der rasend schnell eine dampfende Linie durch den Asphalt zog. Auf den Ferrari zu. Dann sah und spürte Sergeant Luis Tennard nichts mehr. Nie mehr. Φ Der Rückstoß des Granatwerfers war nicht sehr heftig und konnte von McLaird ohne Schwierigkeiten abgefangen werden, die Explosion des Panzers allerdings schleuderte ihn an die hinter ihm befindliche Hauswand. Er sah wie das zweite Panzerfahrzeug schwankte und der Laserstrahl der von diesem ausging und auf den Ferrari zusteuerte. Erschrocken richtete Simon sich auf, seine rechte Hand streckte sich dem Fahrzeug entgegen als wollte er den darin befindlichen Freund aus der Ferne herausziehen, der Granatwerfer fiel unbeachtet auf den Boden. Sein Schrei blieb ihm in der Kehle stecken als sich der Strahl in den Flitzer bohrte und das Fahrzeug waagerecht in zwei Hälften spaltete. Eine gewaltige Explosion erschütterte die Umgebung und schleuderte McLaird erneut gegen die Hauswand. Der Schock über Tennards Tod verdrängte den Schmerz. Simon griff nach dem Granatwerfer, stand auf und hob das ›Rohr‹ erneut an. Ein kurzer Check bezüglich der
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Ladekapazität und dann wurde eine weitere Protonengranate aus dem Lauf gejagt. Diesmal fing er den Rückstoß nicht ab. Er ließ Simon gegen die Wand taumeln und hätte ihm beinahe die Waffe von der Schulter gedrückt. Mit zusammengebissenen Zähnen visierte er erneut und ließ das nächste Geschoss auf das Tor zufliegen. Ohne die verheerende Zerstörung zu registrieren die er anrichtete, feuerte McLaird Granate um Granate ab. Erst als es keine Munition mehr gab, die er hätte verschießen können, rutschte Simon McLaird erschöpft an der Hausmauer nach unten. Der Granatwerfer rollte von ihm weg auf die Straße. Φ Die charakteristischen Lichtkränze der Protonengranaten ließen die Nacht über der Stadt zum Tag werden. Und waren das Signal für Major Sherilyn Stone. Mit einem Gewaltstart zog sie die SOLARIA nach oben und steuerte dann Richtung Gefängnistrakt. Wenn alles geklappt hatte, waren die Truppen durch McLairds und Tennards Angriff abgelenkt und sie konnten ... »Der Hof ist leer. Es hat funktioniert!«, ertönte die Stimme von Lieutenant Harris. »Dann los!« Am Rumpf der Jacht öffnete sich eine Luke und zwei Personen sanken langsam dem Boden entgegen. Ohne zu zögern liefen sie, kaum dass sie festen Beton unter den Füssen spürten, auf eines der kleineren Gebäude im Innenhof zu. Ein Sicherheitsbeamter und ein Techniker standen vor einer Bildschirmwand und betrachteten offensichtlich fassungslos, was am Südtor vor sich ging. Ein Fehler! Zwei kurze Salven aus Natashas Armbandlaser ließ sie besinnungslos gegen die Monitore krachen. Die beiden Frauen hasteten an ein Terminal ohne sich um das hinter ihnen ausbrechende Funkenchaos zu kümmern. Es nahm nur wenige Sekunden in Anspruch den Aufenthaltsort Hal Quires herauszufinden. Die zwei Frauen rannten erneut auf den Hof hinaus, orientierten sich kurz und liefen dann weiter zu einer kleinen Tür die zu dem Sicherheitstrakt führen sollte. Noch bevor sie die Tür erreichen konnten, öffnete sich diese und zwei Soldaten in Panzerrüstungen traten heraus. Natasha reagierte wiederum sofort und richtete ihre Arme auf die beiden Kämpfer. Ein Soldat brach mit durchbohrter Rüstung zusammen, der andere fand noch genug Zeit sein Lasergewehr abzufeuern. Ein Schuss der jedoch hoch in den grell erleuchteten Himmel ging. Bevor er besser zielen konnte hatte Kardina ihn erreicht und mit einem fast schon beiläufigen Schwerthieb die Schusshand vom Arm getrennt. Die beiden Frauen hetzten in den hinter der Tür liegenden Korridor. Sie trafen auf eine weitere Tür. Ein Aufzug! Die Schotten öffneten sich – Leer! Schnell überblickten die Frauen die Schalttafel, wählten das Stockwerk in dem Hal Quire sich befinden sollte, und die Fahrt nach unten ging los – war nach nur wenigen Sekunden schon beendet. Ein Blick auf die kleine Anzeigetafel über der Tür verriet, dass sie sich tatsächlich bereits tief unter der Oberfläche befanden. Diesmal war ihnen das Glück nicht hold: Als sich die Aufzugtüren öffneten, standen ihnen fünf Scardeenische Soldaten gegenüber! Kardina rollte sich in den Raum während Natasha Schuss um Schuss aus ihren Armbandlasern abgab und damit zwei der Soldaten erledigte bevor auch sie selbst in den Raum trat.
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Die Amazone hatte währenddessen im Aufstehen einen weiteren Gegner getötet indem sie das Schwert zwischen dessen Beinen nach oben gezogen und ihn dadurch bis zur Brust gespalten hatte. Den Schwung ausnutzend, mit dem sie ihre Waffe aus dem zusammenbrechenden Körper zog, wirbelte sie herum und ein weiterer Soldat ging zu Boden. Das alles ging so schnell vor sich, dass der letzte verbleibende Soldat noch dabei war seine Waffe zu ziehen, als ein einzelner Laserstrahl sich einen Weg durch seinen Schädel bahnte. Der Weg zu den Zellen war nun frei! Sie öffneten das Schott. Fast am Ende des dahinter liegenden Ganges fanden sie endlich die gesuchte Zellennummer. Natasha zerstrahlte das Schloss und Kardina schob die Tür auf. Auf einer Art Feldbett lag ein junger Mann und betrachtete interessiert die Ankömmlinge. »Habt ihr die Schlüssel verloren, dass ihr jetzt schon mit Lasern ... Mutter?« Mit weit aufgerissenen Augen starrte der junge Mann Natasha an, die hinter Kardina die Zelle betreten hatte. »Mutter! Was machst du hier? Wie siehst du aus? Was ist passiert? Ihr seid einfach verschwunden! Ich war allein und wusste nicht wohin und dann hat mich der Sicherheitsdienst geschnappt. Hochverrat oder so was. Keine Ahnung wen ich verraten habe, aber ...« Der Mann war von seiner Liege aufgesprungen und stand jetzt Natasha gegenüber. »Mutter? Du siehst ... anders aus. Du ...« »Ich bin nicht deine Mutter. Es tut mir leid, aber ich bin bestenfalls nur ein Teil dessen was einst deine Mutter war. Ich bin Natasha 6 Omega. Ein Aspekt deiner ...« »Wenn ich das gemütliche Familientreffen mal kurz unterbrechen dürfte?«, schaltete Kardina sich ein. »Ich gehe davon aus, und deine Reaktion gegenüber Natasha ist allzu offensichtlich, dass du Hal Quire bist? Ach ja und was die Familie angeht: Sie«, die Amazone deutete auf die Natasha, »mag nicht deine Mutter sein, aber dafür bin ich deine Schwester Kardina. Ich meine, das ist doch auch schon was, oder?« Die Amazone stützte sich auf das blutverschmierte Schwert und lächelte ihren Bruder an. Dessen Blick wanderte irritiert zwischen den beiden martialisch aussehenden Frauen hin und her und wusste offensichtlich nicht wie ihm geschah. »Du bist nicht ... Aber du bist ... Wer ... Wie ...« Hal Quire betrachtete mit offenem Mund wie die bildhübsche Frau ihr Schwert an ihrem Gürtel befestigte und ihn dabei keine Sekunde aus den Augen ließ. Kardina ging auf ihren verdutzten Bruder zu und umarmte ihn herzlich. »Ich bin hierher gekommen, um meine Familie, meine Eltern zu finden. Und dann entdecke ich dass ich einen Bruder habe, den ich aus dem Gefängnis befreien muss und die ganze Zeit vorher schon in der Nähe meines Vaters verweilte. Was leben wir doch in verrückten Zeiten! Hal.« Es fiel der Amazone schwer ihre Gefühle im Zaum zu halten. Mit Tränen der Freude in den Augen löste sie sich von ihrem Bruder und wandte sich immer noch lächelnd der wartenden Natasha zu. »Ich glaube wir sollten unsere Feier auf später verschieben und erst mal sehen, dass wir hier wieder raus kommen?!« »Da hast du meine vollste Zustimmung! Hier«, sie warf dem immer noch leicht neben sich stehenden Hal Quire einen Handlaser zu, den dieser gerade so auffangen konnte, »der Weg nach draußen wird zwar hoffentlich frei sein aber man weiß ja nie. Jetzt kommt.« NAT-6 Omega verließ die Zelle und kurz darauf folgten ihr die Geschwister Quire. Hal musste von seiner Schwester fast geschoben werden, die Überraschungen der letzten Minuten waren einfach zu viel und zu überwältigend für den jungen Mann. Die noch nicht abgeschlossene Befreiung aus dem Gefängnis, eine Schwester, eine Frau die wie seine Mutter aussah und es doch nicht war, das konnte Hal nicht so schnell in aller Kürze verarbeiten. Schließlich fing sich der junge Mann aber doch noch und folgte den beiden Frauen. Selbst
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während der kurzen Fahrt im Aufzug blieb er aber stumm und starrte nur auf seine Retterinnen. Es erwarteten sie keine weiteren Überraschungen auf ihrem Weg nach draußen, und erst als sie sich, Hal in der Mitte haltend, von ihren Antigravgürteln wieder zur Jacht hochtreiben ließen, stürmte ein Trupp Scardeen-Legionäre auf den Hof und eröffnete das Feuer. Die ersten Laserblitze erreichten aber lediglich den Rumpf der SOLARIA und richteten keinen Schaden an. Dann griff Sean Harris von seinem Posten aus ein. Der Hecklaser ließ mit einer pulsierenden Bewegung mehrere Energiestöße auf den Hof prasseln. Einige Legionäre wurden von der Explosionswelle erfasst und hilflos durch die Luft geschleudert. Andere, die sich mit einem Sprung in Sicherheit hatten bringen wollen, wurden von den niederstürzenden Gesteinsmassen begraben. Das alles bekamen die Geschwister und Natasha nicht mehr mit. Sie waren sicher an Bord gelangt und mit dem Schließen der Schleuse hatte Sherilyn das Signal bekommen, auf das sie gewartet hatte. Harris bediente die Frontlaser, während der Major, so schnell sie konnte, die Jacht den gegnerischen Reihen am Südtor in den Rücken jagte. Vom eigentlichen Tor und den ihm umgebenden Mauern war nicht mehr viel übrig. Aber es schoben sich bereits wieder Panzerfahrzeuge durch den Schutt. Sherilyn stöhnte leise auf. Es war höchste Zeit! Simon und Tennard würden sich nicht mehr lange halten können. Lieutenant Harris ließ die Energieströme aus den Laserwaffen ununterbrochen über die Scardeenische Legion streichen. In ihren gepanzerten Rüstungen waren die meisten Soldaten zu unbeweglich, um dem Laser noch entkommen zu können. Und die, die ihren Antigrav noch einschalten konnten, wurden wie Blätter in einem Herbststurm herumgewirbelt. Φ Simon McLaird atmete erleichtert auf, als er die Jacht über dem ehemaligen Südtor des Gefängnisses auftauchen sah. Er aktivierte den Impulsgeber, der dem Schiff seine Position übermitteln würde und betätigte eine weitere Taste an dem breiten Einsatzgürtel. Dann stieß er sich leicht vom Boden ab und schwebte langsam nach oben. Urplötzlich wurde er herumgerissen. Ein Schuss hatte ihn am Bein getroffen. Er erblickte eine größere Menschenmenge am anderen Ende der Straße. Natürlich, die Explosionen mussten Schaulustige auf den Plan gerufen haben. Und aus der Masse der Zuschauer feuerte jetzt ein Uniformierter auf den schwebenden McLaird. Mehr schlecht als recht, aber einmal hatte er schon getroffen! Simon fluchte. Er konnte nicht guten Gewissens nach unten schießen, er hätte einfach zu viele Unbeteiligte treffen können. Endlich schob sich ein Schatten über ihn. Simon blickte nach oben und suchte Halt an der rauen Oberfläche der Raumjacht. Langsam zog er sich zu einer Luke, gab den Eingangscode ein und konnte sich in die SOLARIA retten. »Wo ist Tennard? Ich empfange kein Signal von ihm«, ertönte Sherilyns Stimme über die Bordanlage. Simon aktivierte das kleine Terminal neben der Notluke und sprach in das Mikrofon: »Sergeant Tennard ist tot. Er ist ...« Die kleine Jacht schoss, kaum dass Simon die Luke hinter sich geschlossen und den Verlust eines Menschenlebens, den Verlust eines guten Freundes verkündet hatte, senkrecht in den Himmel. Gerade als sie die Atmosphärenschichten hinter sich gelassen hatten, stürzten scardeenische Jäger aus allen Richtungen auf sie zu.
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Φ Wie wahnsinnig hämmerte Sean Harris auf das Bedienpult der Geschützeinrichtungen. Für eine Privatjacht war McLairds SOLARIA zwar gut ausgestattet, aber ob sie gegen mehrere Kampfgleiter des Scardeenschen Reiches etwas ausrichten konnten, stand sprichwörtlich in den Sternen. Als Sean einen kurzen Blick auf den Frontbildschirm warf, kamen ihm allerdings Zweifel ob Waffen überhaupt benötigt werden würden. Major Sherilyn Stone flog in direktem Kurs auf eine kleine Gruppe von zehn bis zwanzig Jägern, die in relativ enger Formation manövrierten, zu. Die eben erst in der kleinen Kommandozentrale eingetroffenen Gefährten wurden zu Zuschauern degradiert. Auch wenn es McLairds Privatjacht war, den Steuermann im Moment eines Angriffs auszuwechseln war mit Sicherheit nicht ratsam. So blieb Simon, Kardina, Hal und Natasha nichts anderes übrig als sich mit den an der Rückwand der Zentrale angebrachten Notsitzen, zufrieden zu geben und zu hoffen dass die Gurte sie in den kleinen Sesseln halten würden. Lieutenant Harris setzte einige Protonenminen aus, die zumindest einen Angriff der Scardeener von hinten erschweren würden. Dann schaltete er den Frontmonitor zu sich auf das Geschützdisplay und aktivierte erneut die Laser. Für die automatische Zielerfassung war es schon zu spät. Stone raste mit wahnwitziger Geschwindigkeit auf die feindlichen Schiffe zu, und von allen Seiten näherten sich weitere Gegner. Zwar noch zu weit entfernt, um wirklich gefährlich zu sein, aber bis sie in Schussweite gelangten, konnte es nicht mehr lange dauern. Harris gab einen kurzen Zahlencode ein, der eine von ihm im Vorfeld programmierte Zufallssequenz startete. Im selben Moment begann Sherilyn Manöver zu fliegen, die in keinem Handbuch zu finden waren. Vielleicht noch in einem Nachschlagewerk für geisteskranke Raumschiffpiloten aber jeder halbwegs vernünftige Mensch – oder Außerirdische – hätte von einem solchen Verhalten, wie es Major Stone an den Tag legte, kilometerweit Abstand genommen. Während das Schiff noch weiter auf die kleine Formation Scardeener zuflog neigte es sich um die eigene Achse. Es hatte den Anschein als wolle Sherilyn im letzten Moment vor der Angreifertruppe abschwenken. Doch dann zog sie die Jacht nach unten und versetzte sie dadurch in einen Drall, der eine Vorausberechnung der Flugbahn für die Angreifer nahezu unmöglich machte. Als dann Harris die Laser auslöste, verwandelte sich die SOLARIA in eine Art strahlenden Weihnachtsstern. Allerdings kamen dessen Geschenke mehr als unerwünscht bei den Scardeenern an. Die wahl- und ziellos abgefeuerten Laserschüsse, jeweils nur kurze Strahlenbündel, verpufften zwar zum Großteil wirkungslos im All, verhinderten allerdings einen geordneten oder koordinierten Angriff der Scardeener. Die wenigen ungezielten Treffer kamen dafür umso überraschender für die Angreifer und machten es ihnen unmöglich gebührend darauf zu reagieren. Als die SOLARIA die kleine Formation endgültig auseinander gesprengt hatte und die Scardeener begannen, sich in ausreichender Entfernung, außerhalb der Laserreichweite neu zu formieren, griff Major Stone, die sich während der kurzen Aktion zurückgelehnt und ohne in die Steuerung einzugreifen nur beobachtet hatte, wieder zum Steuer. Was letztlich nur bedeutete, dass sie ein paar Zahlencodes auf ihrem Display eintippte und damit das Schiff in einer schraubenförmigen Bewegung auf die größere der beiden Sonnen Maisuhts zusteuerte. Die Scardeener hielten nach wie vor gebührenden Abstand zu der Jacht, und so steuerte
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Sherilyn die SOLARIA in die äußeren Schichten der Sonnenkorona. Eine Ortung war hier zwar nicht mehr möglich, aber auch die Überlastmelder der Schutzschirme der Jacht gaben gellenden Alarm. Kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch der Schirme regelte Stone den Schub auf das absolute Maximum und ließ das Schiff in einer Sonnenprotuberanz aus dem Einflussbereich des glühenden Giganten schießen. Noch während die Eruption das Schiff umflimmerte schaltete Sherilyn Stone alle Antriebsaggregate auf Null, und so trieb die Jacht den Ortungsgeräten der Jäger entzogen langsam aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich der Scardeener von Maisuht. Erst einige Stunden später, als sie wirklich sicher sein konnten dass ihnen kein Jäger mehr auf der Spur war, schaltete Major Stone den Antrieb wieder auf Last und nahm Kurs auf Cloudgarden. Dank der geringen Größe der Jacht war es kein großes Problem, die weit in ihren Einflussbereich verstreuten Überwachungssatelliten des Scardeenischen Reiches zu umgehen und endlich nach Hause zurückzukehren. Φ Mel Quire hatte sich überschwänglich bei Simon und der kleinen Truppe bedankt und sein ehrliches Mitgefühl über den Tod von Sergeant Tennard ausgedrückt. Doch es war ihm deutlich anzumerken, dass die Freude über die Rückkehr seines Sohnes und noch dazu die seiner Tochter überwog. Ein gemeinsames Festmahl, an sich als Feier gedacht, war in äußerst bedrückender Stimmung verlaufen. Insbesondere Hal Quire war anzumerken wie unwohl er sich fühlte. Er kannte, außer seinem Vater natürlich niemanden und wusste nur, dass bei seiner Befreiung ein Mann hatte sterben müssen. Ein Mann der er nicht kannte und der auch ihn nicht gekannt hatte. Und dann war hier sein Vater. Dazu noch seine Schwester. Nach der Landung eine Unzahl von Frauen, die wie seine Mutter aussahen, sich manchmal sogar ähnlich wie sie verhielten, aber doch nicht seine Mutter waren. Er hatte so viele Fragen ... McLaird war, wie jedem anderen auch, aufgefallen wie unruhig Hal Quire war und rang sich endlich dazu durch zu gehen. Er entschuldigte sich kurz bei Mel Quire und verließ die Runde. Mit ihm nahmen dann auch gleich Sherilyn Stone, Natasha und Sean Harris die Gelegenheit wahr. Gemeinsam zogen sie sich in McLairds Privatquartier zurück. Nach wie vor war die Stimmung am Boden. »Es tut mir leid. Als Soldat sollte ich so was gewohnt sein, oder? Aber auch als Soldat geht der Tod nicht spurlos an einem vorbei. Und vor allem nicht der Tod eines so guten Freundes.« Sean hob erneut sein Glas. »Auf Lou!« Er kippte den hochprozentigen Alkohol in die Kehle. Mit einem kurzen »Man sieht sich« verabschiedete er sich aus der Runde. Natasha sah ihm wehmütig nach und überlegte ihm zu folgen. Aber war das ratsam? Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, dann stand auch sie auf. »Es tut mir sehr leid um Sergeant Tennard. Ich kannte ihn nicht wirklich gut, aber er hat für eine lohnenswerte Sache gekämpft. Dass dies für euch kein Trost ist, kann ich mir vorstellen. Es gibt wahrscheinlich keinen Trost für den Verlust eines guten Freundes oder geliebten Menschen. Wir, die wir, wenn man so will, der Trost für Mel Quires verstorbene Frau sind, müssten das beurteilen können, oder? Aber ich bin mir nicht sicher was ich jetzt fühle und warum. Verzeiht mir wenn ich euch jetzt auch noch allein lasse aber ich muss mir über mich, über uns klar werden.« NAT-6 Omega machte eine kurze Pause, dann, den Tonfall von Sean Harris imitierend, sagte sie »Man sieht sich!« und ging. Sherilyn und Simon sahen sich an. »Sie meint es wohl gut. Um ehrlich zu sein, so ganz werde ich aus diesen Aspekten auch nicht schlau. Aber sie haben ein gutes Herz, dessen bin ich mir sicher.« »Ja, ich schätze da hast du Recht, Simon. Aber ...«, Sherilyn musste schlucken. »Ach
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verdammt! Ich hatte mich während dieses Einsatzes so an Tennard gewöhnt. Er war noch so jung. Er ...« Sherilyn schloss die Augen. Simon sah wie sie zitterte, nahm sie in den Arm und strich ihr durchs Haar. Er schwieg. Er wusste nichts was er jetzt sagen könnte. Tennard war ihnen allen an Herz gewachsen. Ihre Trauer zu überwinden war etwas, das nur die Zeit schaffen konnte. Viel Zeit. Vielleicht.
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Teil 2 Tag des Verrats
Die Realität war zu einem wabernden Knäuel aus Grün verschmolzen. Dunkle Schlieren kreuzten seine Sicht. Zumindest glaubte er das. In Wahrheit waren seine Augen geschlossen, die Lider von einer milchig weißen Substanz verklebt. Harry Thorne spürte nichts. Er besaß kein Gefühl für seinen Körper mehr. Nur seine Gedanken existierten noch. Gedanken, die ihm eher behagten als vor seinem Tod. Dass er gestorben war, nahm er als Tatsache hin. Er hatte sich damit abgefunden, so wie er auch akzeptierte von Marshal Ian hereingelegt worden zu sein. Es war bedeutungslos geworden. Nichts ergab mehr einen Sinn. Mir geht es gut. Der Gedanke schien sich schon seit Äonen in ihm eingenistet zu haben. Er lebte seine Erinnerungen danach, dachte daran, wie es ihm vorher ergangen war, was er durchmachen musste, um so weit zu kommen – um endlich Frieden mit sich selbst zu finden. Der Tod ist gut. Der Tod bedeutet Leben. Thorne gab sich dem Gedanken hin, ging in ihm auf und war zufrieden. So lange, bis ihn etwas störte. Es dauerte eine Weile, ehe er begriff, dass irgendetwas oder jemand an ihm rüttelte und zerrte. Thorne versuchte die Augen zu öffnen. Nur schwer lösten sich die Lider voneinander als wären sie zugewachsen. Ohne Absicht musste er stöhnen. Den Klang der eigenen Stimme zu hören, erschreckte ihn. Er hatte nicht einmal geahnt, dass er überhaupt noch Stimmbänder besaß. Grelles Licht blendete ihn. Er konnte außer einem hellen Fleck kaum etwas erkennen. Dahinter bewegten sich schemenhaft Gestalten. Eine Gestalt, korrigierte er sich. »Bleiben Sie ruhig.« Die Worte kamen von weit her, drangen wie durch Watte an seine Ohren. Thorne überlegte, ob er sie sich nicht nur eingebildet hatte, ob es nicht seine Gedanken waren, die ihm einen Streich spielten. Doch dann vernahm er erneut die Stimme. »Ihre Augen werden sich gleich an das Licht angepasst haben.« Thorne versuchte die Worte in sich aufzunehmen, sie zu deuten, stellte aber fest, dass sie ihm nicht einmal etwas bedeuteten. Er war in seiner Ruhe gestört worden, empfand die Helligkeit als lästig, und das ständige Rucken an seinem Körper war ihm unangenehm. Körper. Er besaß einen Körper! Die Erkenntnis lähmte ihn für eine scheinbare Unendlichkeit. Erinnerungen strömten auf ihn ein, eine Flut von Bildern und Gedanken explodierte in seinem Kopf und zwang ihn in die Knie. Das Gefühl für seine Glieder kehrte so hart zurück, dass eine Welle der Übelkeit seine Kehle herauf schoss. Harry Thorne übergab sich, würgte irgendetwas Bitteres heraus und schrie dabei, als kotze er sich die Seele aus dem Leib. »Hier, trinken Sie«, sagte die Stimme. Automatisch griff er nach dem dargebotenen Gefäß, setzte es an die Lippen und leerte es in einem Zug. Mehr als die Hälfte verschüttete er, der Rest rann kalt seine Kehle hinunter. Was immer es war, es schmeckte leicht muffig und abgestanden. »Champagner ist leider alle.« Thorne schluckte und rülpste. »Wie wäre es mit Wasser?« »Das ist das Beste, das wir zu bieten haben.« Die Sicht wurde allmählich besser. Noch immer hatte er das Gefühl, als würden sich
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lianenartige Gewächsarme durch seine Augenhöhlen und Adern schlängeln. Hin und wieder klang ein leises Schmatzen auf. Thorne wollte lieber nicht wissen, was es damit auf sich hatte. Er blinzelte und sah in das verschwommene Gesicht des anderen. »Wer bist du?« Ein raues Lachen klang auf. »Hab ich einen Witz gemacht? Ist mir entgangen.« Thorne hatte sich noch immer nicht an den eigenartigen Klang der eigenen Stimme gewöhnt. Das Kratzen in seiner Kehle war nicht durch die schale Flüssigkeit – Wasser? – hinunter gespült worden. »Wir kennen uns«, sagte die Stimme. »Ach ja?« »Nun, wir sind uns noch nicht persönlich begegnet, aber meinen Namen haben Sie sicherlich schon gehört.« Thorne versuchte sich zu erinnern. Die Stimmlage, die Art, wie der andere redete. Doch ihm fiel nicht das Geringste dazu ein. Auch als seine Augen endlich mehr als nur Schemen erkennen konnten, der Blick an Schärfe gewann, erkannte er den anderen nicht. Ihm gegenüber hockte ein junger Mann mit mittelblondem Haar und grünen Augen. Er mochte Mitte zwanzig sein, wirkte dynamisch, sportlich. Sein Lächeln hätte vielleicht ansteckend gewirkt – in einer anderen Welt ... zu einer anderen Zeit. »Wo bin ich?« Der junge Mann legte den Kopf schief und nickte mit dem Kinn in eine unbestimmbare Richtung. »Die Antwort wird Ihnen nicht gefallen.« »Als hätte ich es nicht geahnt.« Harry Thorne blickte an dem anderen vorbei. Sie befanden sich in einem dunklen Raum. Der Boden war weich und moosig. An den Wänden und der Decke rankten Schlingpflanzen empor, wucherten förmlich so weit das Auge reichte. Thorne glaubte Wurzelknollen direkt über sich zu erkennen. Er vermutete, dass sie sich in einem Kanalisationsschacht befanden. Verzweifelt versuchte er sich daran zu erinnern, was geschehen war. Ian, du Mistkerl! Der Marshal hatte ihm in Washington eine Falle gestellt. Deutlich sah Thorne vor seinem inneren Auge, wie er Ian mehrere Schüsse in den Körper gejagt hatte. Doch er hatte nur gelacht, war nicht gestorben. Dafür hatte Ians Assistentin Liz Thorne kurz darauf außer Gefecht gesetzt. »Bin ich tot?«, fragte er in das Schweigen hinein. Der junge Mann nickte. »In gewisser Hinsicht schon. Genau wie ihr Kumpel dort.« Thornes Blick folgte dem ausgestreckten Arm und entdeckte eine Art Kokon der von unzähligen Ranken an der gegenüberliegenden Wand gehalten wurde. Etwas in ihm pumpte und pulsierte. Ein blasses Grün strömte aus seinem Inneren. Thorne richtete sich auf. Der junge Mann half ihm, das Gleichgewicht zu bewahren. Gemeinsam gingen sie hinüber. Aus dem Inneren drang ein Schluchzen. Thorne beugte sich vor, berührte das Gebilde und zuckte zurück, als er in feuchten Glibber eintauchte. »Was zum Teufel ...?« »Die Transformation ist fast abgeschlossen«, sagte der junge Mann neben ihm. »Bei Ihnen ist es allerdings noch nicht so weit. Sie werden sich erst verpuppen müssen.« »Transformation?«, echote Harry Thorne. Er starrte wieder zu dem Kokon. Er spähte durch die Pflanzenstränge, überwand seinen Ekel und bog zwei, drei Ranken beiseite, um zu sehen, wer oder was sich im Inneren befand. Ihm stockte der Atem, als er die Gestalt erkannte. Oder vielmehr, was von ihr übrig geblieben war. »Paul Gossett!« Sein Herz setzte einen Schlag lang aus, die Gedanken überschlugen sich. Gossett war Shadow Command entkommen und in Thornes und Ians Hände geraten. Nach
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einem Verhör wurde er im NSA-Büro von Los Angeles festgesetzt, doch Ian beauftragte Marshal Liz ihn zu befreien und tauchte selbst unter. Thorne erinnerte sich an Ians Worte, als er selbst am Boden lag, von Liz' Energiewaffe niedergestreckt: Ich an Ihrer Stelle wäre jetzt lieber tot! Thorne würgte erneut. Er erbrach sich diesmal nicht, doch das Gefühl, dass sich eben jene Schlingpflanzen in seinem Körper befanden, durch sein Gewebe zogen, sein Blut mit der milchig weißen Flüssigkeit, die er schon an Ian bemerkt hatte, voll pumpten, entsetzte ihn. Er verlor den Halt, brach in die Knie und blieb unnatürlich verrenkt auf dem Boden liegen. »Was für eine ... Transformation?« Thorne kannte die Antwort längst. Er spürte sie, als würde jenes Etwas, das in ihm war, das Wissen dazu vermitteln. Thorne stellte die Frage nur, um irgendetwas zu sagen, um seine Stimme zu hören, die ihm noch immer seltsam fremd erschien, als hätte das Grauenhafte sich bereits tief in ihm eingenistet. »Paul Gossett ... ist bald einer von uns, Mister Thorne.« Thornes Augen weiteten sich. Er blickte hoch und sah den anderen mit einer Mischung aus kreatürlicher Furcht und Panik an. »Du ... du bist auch ...?« Der junge Mann nickte. »Mein Name ist Jem. Sie kennen mich wohl eher als Jeremiah Hurley.« Φ Die kleine Flottille bot einem außen stehenden Betrachter ein eindrucksvolles Bild. Zwei scardeenische Schlachtschiffe und drei Zerstörer eskortierten einen Riesentransporter durch die scheinbar endlose Schwärze des Alls. In weiter Ferne blitzten Sterne auf, aber hier in den äußeren Regionen des Spiralarms der Milchstraße war das Sternenfirmament nur dünn besät. Im Routineflug schwirrten stromlinienförmige Abfangjäger durch die Formation der größeren Schiffe, um für zusätzlichen Schutz im Falle eines Angriffs zu sorgen. Doch niemand aus der Besatzung rechnete ernsthaft mit einer derartigen Attacke. Die Legionen Scardeens kontrollierten fast den gesamten Spiralarm, und niemand hatte bisher versucht, die Unverwundbarkeit des Reiches anzutasten. Bis heute ... Captain Goreer starrte gedankenverloren auf die Beobachtungsschirme der Brücke seines Schlachtschiffes KLASTAM. Obwohl nur hin und wieder vereinzelte Punkte aufleuchteten und sonst einzig Schwärze zu sehen war, schien der Kommandant fasziniert von dem Schauspiel zu sein. Goreer zwirbelte seinen Schnauzbart und fuhr sich in unregelmäßigen Abständen über das kaum noch vorhandene Haupthaar. Nach menschlichen Maßstäben war er Mitte Fünfzig – noch weit vom Ruhestand entfernt, auch wenn er sein Lebensziel längst erreicht hatte. Das Kommando über ein Schlachtschiff zu erhalten, war die höchste Auszeichnung, die Raumfahrer aus dem gemeinen Volk erhalten konnten. Ein Posten der Admiralität war Adelsfamilien vorbehalten. Goreer lächelte und löste seine Augen von den Displays. Ja, er hatte viel erreicht. Das Einzige, was ihm jetzt noch fehlte, war ein glorreicher Abschluss seiner Karriere. Dies ließ sich jedoch kaum mit Eskortenaufträgen bewerkstelligen. Er brauchte einen Fang. Militärische Konflikte beschränkten sich jedoch auf das Jagen von Schmugglern oder Piraten. Kaum eine der Kolonien wagte es, Widerstand zu leisten. Und wenn doch, dann waren bisher stets andere Schiffe zu Hilfe gerufen worden, um Aufstände zu unterdrücken – allen voran Bewahrer Sealdrics Flotte. Bei dem Gedanken an das Ratsmitglied ballte Goreer seine Rechte zur Faust. Sealdric hatte ihn bereits mehrmals um einen Gefechtseinsatz gebracht, und die KLASTAM war dazu verdammt, Sklaventransporte zu begleiten. Es gab keinen langweiligeren Auftrag in der ganzen Flotte – nicht einmal die Piraten im Scardeenischen Reich interessierten sich für
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menschliches Arbeitsmaterial. Der Captain erhob sich aus seinem Sessel und ließ seinen Blick über die Brücke schweifen. Momentan herrschte Nacht laut Bordzeit – die derzeitige Schicht bestand nur aus einer Mindestbesatzung: Steuermann, Navigator, Ingenieure, ein Kommunikationsoffizier und zwei Wachleute am Aufgang der Kommandozentrale. Jeder Vorgang, jeder Handgriff war reine Routine für die Leute, nichts von dem, was die Raumfahrt wirklich interessant machte. Goreer schlenderte mit auf dem Rücken verschränkten Armen zum großen Panoramafenster des Brückenturms und sah hinaus in die Unendlichkeit. Mittlerweile hatte sich das Scardeenische Reich mehrere hundert Planetensysteme einverleibt. Ganz gleich, wie ihre Heimatwelten auch hießen, welche Sprache sie ursprünglich sprachen, die dort lebenden Völker waren nun allesamt Scardeener und verständigten sich Dank der Übersetzungsringe problemlos untereinander. Lediglich ein etwa dreihundert Lichtjahre messender Bereich um das erst kürzlich entdeckte Sol-System war in diesem Teil des Spiralarms noch nicht von den Legionen Scardeens annektiert worden. Bisher hatten die Prospektoren geglaubt, der Sektor biete keine lohnenswerten Ziele mit lebensfreundlichen Bedingungen – bis sie durch die Flucht eines Drahusem-Schiffes eines Besseren belehrt wurden. Wieder einmal war es Sealdric gewesen, der die Entdeckung eines bewohn- und besiedelbaren Planeten für sich verbuchen konnte. »Statusbericht?«, fragte Goreer, ohne sich von der Panoramascheibe abzuwenden. »Wir sind weiterhin auf Kurs, Sir«, meldete der Navigator. »Sieben Lichtjahre von Fassiet entfernt.« Goreer schürzte die Lippen. Sein Blick suchte den Riesentransporter draußen im All, den sein Flottenkonvoi beschützen sollte. Im Innern waren mehr als zehntausend Sklaven auf engstem Raum zusammengepfercht worden – Handelsware für einen scardeenischen Stützpunkt. Arbeitskräfte und Lustsklaven. Die Kommandanten des Konvois interessierte es nicht, wie viele der Leibeigenen den Transport überlebten. Menschliche Ware war überall auf den Randwelten zu bekommen; auf den weniger zivilisierten Planeten, die Scardeen eingenommen hatte. So kümmerte sich auch niemand während des Fluges um sie. Niemand hörte ihre Klagelaute, ihr Schreien und Flehen nach Wasser und Nahrung. »Captain!« Der Ausruf des Komm-Offiziers ließ Goreer zusammenzucken. Sein Herz machte einen Sprung, doch er starrte unverwandt nach draußen, um sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen. »Was gibt es, Lieutenant?«, fragte er und drehte sich dann langsam in Richtung Funkstation um. »Eingehende Transmission von der VOHLAGRIN, höchste Priorität!« Goreer verzog die Mundwinkel. »Denen scheint es langweilig zu werden.« Er nickte kurz, ging zum Kommandantensessel zurück und befahl dem Funker, das Gespräch zu einem der Monitore im Befehlspaneel zu legen. Auf dem Schirm erschien das von Narben und Falten zerfurchte Gesicht eines älteren Mannes. »Captain Lukron«, sagte Goreer. »Was haben Sie auf dem Herzen?« Der ernste Blick des anderen verfinsterte sich. »Keine Zeit, für Diskussionen, Goreer. Unsere Langstreckenabtaster haben einen Strukturriss in unserer unmittelbaren Nähe geortet. Schlafen Ihre Leute etwa?« »Was?« »Jemand wird jede Sekunde hier aus dem Hyperraum austauchen. Wir sollten die Flotte in höchste Alarmbereit ...« Der Rest der Worte verstummte, obwohl sich die Lippen Lukrons auf dem Monitor weiter bewegten. Kurz darauf verzerrte sich das Bild, verwischte dann gänzlich. Von leichter Panik erfasst sah Goreer hoch zum Hauptschirm. Das Schwarz des Alls war plötzlich einer Angriffsflotte gewichen, die soeben aus dem Hyperraum fiel. Goreer versuchte die
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pfeilförmigen Schiffe durchzuzählen, doch im selben Moment meldete der Ortungsoffizier bereits zehn Schiffe der Zerstörer-Klasse. Goreer rief den Alarmzustand aus, aber bevor seine Offiziere reagieren konnten, spien die fremden Schiffe bereits mehr als zweihundert rochenförmige Objekte aus. Erbarmungslos stürzten sich die Abfangjäger auf den Konvoi, noch ehe die volle Gefechtsbereitschaft hergestellt war. In wenigen Sekunden waren die begleitenden scardeenischen Jagdmaschinen vernichtet. Eine große Schar Gegner umschwirrte die Startbuchten der Schlachtschiffe wie lästige Mücken. Jedes Mal, wenn neue Jäger die VOHLAGRIN oder KLASTAM verlassen wollten, wurden sie von einem Laserhagel empfangen und in Stücke gesprengt, noch bevor sie in den Kampf eingreifen konnten. Die Pfeilschiffe eröffneten das Feuer aus ihren schweren Laserbatterien. Lichtfinger strichen durch das All und gleißten über die Schutzschirme eines scardeenischen Zerstörers. Der Punktbeschuss von gleich vier Zerstörern ließ die Energiefelder kollabieren und fräste einen präzisen Schnitt durch die Mitte des anderen Raumers. Der Scardeener zerbarst in einer Explosionswolke in zwei Hälften. Weiteres Laserfeuer prallte gegen die beiden anderen kleineren Schiffe, während die Manta-Jäger die Schlachtschiffe daran hinderten, ins Geschehen einzugreifen und deren Geschütze unter Beschuss nahmen. Vier der pfeilförmigen Angreifer lösten sich aus dem Verband und setzten ihren Angriff auf die scardeenischen Zerstörer mit unverminderter Stärke fort. Die anderen sechs Raumer bildeten eine Keilformation gegen die Schlachtschiffe und brachten Energiewerfer und Solarion-Torpedos zum Einsatz. »Status! Status!«, brüllte Captain Goreer über die Brücke. Hinter ihm öffneten sich die Schotten. Offiziere und Mannschaften stürmten in die Zentrale, um die Rumpfcrew zu verstärken. »Gefechtsbereitschaft hergestellt!«, rief der Erste Offizier zurück. »Unsere Lasergeschütze streuen Abwehrfeuer gegen die feindlichen Jagdmaschinen, aber sie sind zu wendig, als dass wir präzise treffen können.« »Was ist mit unseren Jägern?« »Die Startbuchten sind teilweise von Torpedotreffern zerstört worden, startende Maschinen wurden abgeschossen.« »Wir haben keinen Jäger rausgebracht?«, schrie Goreer mit sich fast überschlagender Stimme. Der Erste Offizier schüttelte bedauernd den Kopf. Goreer sackte in seinem Sessel zusammen. Er war versucht, den Kopf in die Hände zu vergraben, doch dann schlug seine militärische Ausbildung durch und ließ ihn ans Überleben von Schiff und Mannschaft denken. »Energiewerfer auf Punktziel ausrichten!«, befahl er. »Nehmen Sie sich den vorderen Zerstörer vor. Torpedos auf den zweiten. Feuer nach eigenem Ermessen!« Auf den taktischen Displays sah Goreer wie sich die VOHLAGRIN den Weg frei schoss. Ihre Plasmaflaks wehrten die gegnerischen Jagdmaschinen ab, während die Lasergeschütze eine Breitseite gegen die Zerstörerfront jagten. Ein Schiff, das nicht unter Beschuss durch die KLASTAM stand, wurde von einer Salve aus zuckenden Lichtbogen eingehüllt. Ihre Energieschirme trotzten nur kurz der Belastung, ehe sie in sich zusammenfielen. Der Bug des Pfeilschiffes platzte förmlich auf, und eine Detonationswelle sprengte Panzerplatten bis zum Brücken- und schließlich Triebwerkssegment weg. Das Raumschiff zersprang in seine Atome. Das All war vom Zucken der Lichtblitze erfüllt. Strahlenkanonaden jagten stroboskopartig zwischen den Schiffen hin und her. Nur wenige verfehlten ihre Ziele. Das Gros prallte gegen die Verteidigungsschilde und schwächte sie mit jedem Aufschlag. Ein weiterer scardeenischer Zerstörer, in der entfernt an eine Schildkröte erinnernden Bauweise, explodierte in einem grellen Glutball, der an Intensität einer Nova gleichzukommen schien. Dutzende von Feindjägern fielen dem wütenden Feuer der
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Plasmaflaks zum Opfer. Dann änderten die kleinen Maschinen ihre Strategie und flogen näher an die Oberfläche der Schlachtschiffe heran, bis sie sich außerhalb des Zielwinkels der gegnerischen Waffen befanden. Dadurch mussten sie ihr Primärziel, gegnerische Jäger am Start zu hindern, aufgeben. Als die noch intakten Hangar- und Startbuchten frei waren, starteten Angriffskommandos der Scardeener und verteilten sich rund um ihre Mutterschiffe, um sie zu schützen. Ein wilder Dogfight entbrannte zwischen den wendigen Maschinen. Voller Zufriedenheit betrachtete Goreer den Schlachtverlauf. Das Blatt hatte sich nunmehr zu ihren Gunsten gewendet. Auch wenn sie zwei Zerstörer verloren hatten, besaßen die KLASTAM und VOHLAGRIN noch genügend Feuerkraft, um den verbleibenden Gegnern den Garaus zu machen. Seine Freude wurde im selben Moment bestätigt, als zwei Torpedos den Achterschild eines Zerstörers knackten und ein Lichtbündel aus Energiewerferbeschuss in die Triebwerke einschlug. Das Schiff trudelte aus seiner Formation und trieb manövrierunfähig in die Tiefen des Raums ab. Während die gestarteten Abfangjäger sich mit den rochenförmigen Maschinen der Angreifer auseinander setzten, schaffte eine weitere Staffel der KLASTAM den Start und stürzte sich auf die Zerstörer, die das letzte kleinere Scardeen-Schiff nahe des Frachters beschossen. Zwei Jäger zerplatzten unter dem Feuer der Plasmaflaks. Einem dritten schnitt das Abwehrfeuer den Rumpf auf, so dass der Pilot sich mit der Cockpit-Kanzel in den Weltraum katapultierte, darauf hoffend, dass ihn ein Bergungsshuttle im Kampfgetümmel aufnahm. Die Staffel teilte sich auf, setzte den Anflug aus verschiedenen Winkeln fort. Drei der stromlinienförmigen Maschinen fegten am unteren Rumpf entlang und platzierten eine Torpedosalve am Schirmfeldgenerator in der Achtersektion. Sie entließen Punktbeschuss aus ihren Laserwaffen und wurden mit einer höllischen Explosion belohnt, die das gesamte Schiff erschütterte. Die Jäger rasten durch ein Feld vorbeischießender Trümmer. Ein größeres Stück der Generatoreinheit zerfetzte die Backbordseite einer Maschine, riss das Kleinstraumschiff herum und schleuderte ihn in Richtung des Zerstörers. Der Pilot schaffte es nicht, den Trudelflug unter Kontrolle zu bekommen. Haltlos rammte der Jäger eine Triebwerkseinheit. Eine Stichflamme leckte für Sekundenbruchteile ins All hinaus, ehe das Vakuum sie erstickte. Die Erschütterungswelle der Explosion spaltete die Achtersektion. Stahlplatten rissen auf, kleinere Detonationen überzogen den gesamten hinteren Bereich. In einer Kettereaktion aus ungezählten Explosionen brach der Zerstörer schließlich auseinander, ehe er in einer grellen Wolke zerstob und die Angriffsjäger mit sich in den Untergang riss. Zwei der Haupttriebwerke wurden in ihrer Gänze durch das All katapultiert und rammten den Kommandoturm des scardeenischen Schiffs. Ein lautloser, sonnengleicher Feuerball markierte das Ende des letzten Zerstörers der Begleitflotte. An Bord der KLASTAM war Captain Goreer vom Sitz aufgesprungen und bis dicht an die Panoramafenster der Brücke getreten. Er schluckte hart, als er sah, dass die Aussichten doch nicht so rosig waren, wie er geglaubt hatte. Nunmehr standen noch sieben gegnerische Zerstörer gegen die Schlachtschiffe KLASTAM und VOHLAGRIN. »Energiewerfer gegen die Zerstörer richten!«, rief er atemlos und ertappte sich dabei, dass er sich mit beiden Händen gegen das transparente Titanium abstützte. »Ich will, dass ihr sie aus dem Universum pustet!« Φ Das Energiemagazin rastete im Griff des Lasergewehrs ein. Simon McLaird überprüfte zum vierten Mal die Ladeanzeige und blickte dann zu den Statusmonitoren hoch, die ihn und die zweihundert anderen Angehörigen des Enterkommandos über den Verlauf des Raumgefechts informiert hielten. Es sah nicht unbedingt gut aus, aber sie hatten mit Verlusten rechnen
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müssen. Drei ihrer Schiffe waren zerstört, ebenso viele der Scardeener. Simon schüttelte sich bei dem Gedanken daran, wie viele Aspekte und Shadow-Soldaten bei dieser Operation ihr Leben ließen. Aber niemand hatte sich der Illusion hingegeben, dass ihre Rechnung ohne Verluste an Menschen und Material aufgehen würde. Es herrschte Krieg! Dieser Angriff gegen die Scardeenische Flotte war ihre offizielle Erklärung an den technokratischen Rat der Unterdrücker. Mit der Befreiungsaktion der Sklaven würden sie ein erstes Zeichen zum Aufstand setzen, und sie hofften, dass sich andere Welten des Reiches ihnen und ihrer Sache anschlossen. Simon senkte den Blick und ließ ihn über die Leute schweifen, die sich mit ihm in der Ladebucht aufhielten. Etwa die Hälfte von ihnen bestand aus Frauen und Männern in den blauschwarzen Kampfmonturen Shadow Commands. Der Rest waren Aspekte – menschliche Frauen die aus der Symbiose von Mel Quires verstorbener Frau Natasha und dem mysteriösen Nullzeitwesen von Cloudgarden, entstanden. Sie trugen allesamt ihre figurbetonten Jumpsuits, hatten sich jedoch zusätzlich zu ihren Armbandlasern mit schweren Energiekarabinern bewaffnet. Direkt neben Simon hielt sich Ken Dra auf, der bereits mit gezogenem Schwert gebannt auf die Monitore starrte und auf das Entersignal wartete. Seit der ehemalige Pilot zum Schwertträger geweiht worden war und sie Jee A Maru auf DUST zurückgelassen hatten, war er ernster geworden, versuchte nicht mehr Simon mit dummen Sprüchen nachzueifern. Jee A Maru, dachte Simon und wurde sich bewusst, wie sehr die Erinnerung an die Frau mit den silbernen Haaren mittlerweile verblasst war. Seit mehr als einem Jahr befand sie sich schon als Adeptin in der großen Pyramide auf dem geheimnisvollen Wüstenplaneten. Er hatte kaum an sie gedacht, obwohl er anfangs überzeugt war, sich in sie verliebt zu haben. Inzwischen kreisten seine Gedanken jedoch nur um die Frau, mit der er zusammen war: Sherilyn Stone. »Bereit halten!« Simon zuckte zusammen, als er neben sich die Stimme eines Natasha-Aspekts vernahm. Er schaute zu den Schirmen hoch und sah, dass die Schlacht noch an Heftigkeit gewann, wenn das überhaupt möglich war. Die verbliebenen sieben Zerstörer Cloudgardens griffen die Schlachtschiffe der Scardeener frontal an und setzen alles gegen sie, was sie an Waffensystemen an Bord hatten. »Gleich wird es Ernst«, kommentierte Ken Dra. »Dafür kann Ernst nichts«, witzelte Simon und fing sich einen eher zornigen Blick des Freundes ein. »Schon gut«, meinte er. »Aber wenn unsere Kanoniere so weiter machen, nehmen sie die Schlachtschiffe auseinander.« »Das ist ja auch Sinn der Sache«, sagte der Aspekt neben ihm. »Oh«, machte Simon. »Ich dachte, wir entern die großen Brummer und behalten sie als Prämie. Wäre doch ein nettes Zubrot, oder?« Ken Dra schüttelte den Kopf. »Das ist zu riskant. Unsere primäre Aufgabe lautet, den Sklaventransporter aufzubringen. Wenn wir uns mit dem Entern der Schlachtraumer aufhalten, vergeuden wir nur wertvolle Zeit. Mit Sicherheit haben die längst Hilfe angefordert – und ich möchte nicht mehr hier sein, wenn ein Dutzend andere Schlachtschiffe hier aufkreuzen.« Ein Ruck schüttelte den Zerstörer PYRAMID durch. Simon versuchte sein Gleichgewicht zu wahren, stieß mit einer Shadow-Soldatin zusammen, die sich ebenfalls nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Sie hatte ihr Helmvisier bereits geschlossen, so dass er sie nicht erkannte. Nur der Aufnäher an ihrer Uniform verriet ihren Namen: Corporal Garik. »Sorry«, meinte Simon. »Jetzt wird es ungemütlich.« »Im Gegenteil«, lachte die Frau unter ihrem Helm auf. »Wenn Sie noch ein wenig näher
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rücken, könnte es richtig romantisch werden.« Simon legte den Kopf schief. Er hatte sich nie als Autoritätsperson gesehen, weder damals in der U.S. Army noch jetzt, seit er den Vertrag bei Shadow Command unterschrieben hatte. Daher nahm er ihr die gespielte Anzüglichkeit auch nicht übel. »Wenn wir hier unversehrt rauskommen sollten, lade ich Sie auf einen Drink ins Hick up ein, Corporal.« »Ich nehme Sie beim Wort, Lieutenant.« »Könnt ihr jetzt vielleicht mal mit der Süßholzraspelei aufhören?«, brummte Ken Dra. »Die setzen ihre Energiewerfer gegen uns ein. Festhalten!« Ein neuer Stoß ließ die PYRAMID erzittern, diesmal jedoch nicht so heftig, wie zuvor. Auf den Schirmen hatte sich die Situation verändert. Eines der Schlachtschiffe brannte. Φ Endlich! DUST, dachte Sherilyn und gab den Kurs direkt zur Pyramide ein. Den Rest sollte der Autopilot erledigen. Die Frau lehnte sich zurück. Sie wollte den Augenblick des Landeanflugs genießen, wollte nachempfinden, was ihre Freunde vor über einem Jahr beim Anblick der Pyramide gespürt haben mochten. Wie gebannt starrte sie auf den Hauptschirm. Nach einigen Momenten war die Pyramide schon deutlich zu sehen. Wie würde Jee A Maru auf ihren Besuch reagieren? Wie ist es ihr ergangen, seitdem sie sich entschieden hat, auf DUST zu leben? Es gab soviel zu erzählen, und Sherilyn brannte darauf, von Jees Ausbildung zur Pyramidenwächterin zu erfahren. Ob sie überhaupt mit mir reden wird? Waren Simon und sie nicht mal ein Paar gewesen? Sherilyn Stone betrachtete den Flug nach DUST als kleine Urlaubsreise. Natürlich war sie neugierig auf den sagenhaften Planeten, von dem ihr Simon und Ken Dra schon so einiges erzählt hatten, und ganz nebenbei hatte sie vor einigen Wochen die Koordinaten aus Simon herausgekitzelt. Ein wenig belastete sie das schlechte Gewissen, ihre Freunde beim Großeinsatz gegen die Scardeener nicht zu unterstützen. Aber man würde auch ohne ihre Hilfe und Kenntnisse auskommen. Nach mehr als einem Jahr im Dienste Shadow Commands und beim Aufbau der Cloudgarden-Kolonie, hatte sie sich den Urlaub mehr als redlich verdient. Die anderen wussten nichts von ihrer Absicht, nach DUST zu fliegen. Entweder hätte Simon sie unter allen Umständen begleiten wollen, oder versucht, ihr das Urlaubsziel auszureden. Aber sie brauchte den Abstand zu ihm. Auf dem Hauptschirm erkannte sie nun eine große Querstraße, die direkt bis zur Silberpyramide führte. Der Autopilot steuerte sie noch ein wenig weiter nach Westen, näher an die Pyramide heran. Sie wollte ihre Zeit nicht mit Fußmärschen verschwenden. Plötzlich ging ein Ruck durch die Raumjacht. Der Autopilot schaltete sich aus, die Instrumente reagierten nicht mehr! Was ist jetzt los? Sherilyn erwartete jeden Moment, dass die Jacht abstürzte. Vorsichtig betätigte sie noch einmal die Schalter und Sensorfelder am Pult – ohne Erfolg. Als hätte sich sämtliche Energie in Luft aufgelöst. Nichts arbeitete mehr an Bord. Die Beleuchtung war ausgefallen, selbst das Atmen fiel Sherilyn plötzlich schwer. »So ein Mist, Mist!«, fluchte Sherilyn und schlug auf die Instrumententafel. »Mist! Genau so habe ich mir das vorgestellt!« Was auch immer die Raumjacht in der Luft hielt, sie wollte nicht darauf spekulieren, dass der Zustand von Dauer war. Sie musste hier raus. So schnell wie möglich. Wie viele Höhenmeter mochten zwischen ihr und der Straße liegen? Sherilyn schätzte sie mit Blick aus dem Seitenfenster auf vielleicht dreißig Meter.
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Sherilyn! Eine sanfte Stimme erklang in ihrem Kopf. Sie schien von nirgendwo her zu kommen und gleichzeitig doch von überall. Jetzt ist nicht die richtige Zeit, um auszusteigen. »Wer ist da? Wer hat da gesprochen?« Sherilyn sah sich um. Es war niemand zu sehen. Du wolltest zu mir, sagte die Stimme. »Jee A Maru? Wo bist du?« In deinem Kopf. Sherilyn spürte ein gedankliches Schmunzeln. Aber lass uns über wichtigere Dinge reden. »Aber ... die Raumjacht ... die Pyramide ... ich wollte ...« Später. Konzentriere dich jetzt auf meine Stimme. Sherilyn runzelte die Stirn. Sie war Jee A Maru nur einmal persönlich begegnet. Das war damals auf dem Asteroiden Gernah bei der Weihestätte der Schwertträger. Einen richtigen Kontakt hatte es zwischen ihnen nicht gegeben. Konnte sie der anderen einfach so vertrauen? Konzentriere dich auf meine Stimme, wiederholte Jee. Du wirst begreifen. Φ Die Brücke der KLASTAM stand in Flammen. Zahlreiche Terminals waren implodiert, Leitungen geborsten und Wände aufgerissen. Mindestens zwei Leute hatte Goreer hier schon verloren. Die anderen waren fieberhaft damit beschäftigt, die Brände zu löschen und ausgefallene Systeme instand zu setzen. »Was ist mit den Energiewerfern?«, brüllte Captain Goreer. Sein Gesicht war schweißnass. Die Uniform schien ihm um zwei Nummern zu klein geworden zu sein. Er hatte Atemnot, und seine Gedanken rotierten. Trotz der Ausbildung an der scardeenischen Militärakademie war dies sein erstes Raumgefecht gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner. Die wenigen Piraten, die er bisher aufgebracht hatte, waren entweder in wenigen Minuten zur Strecke gebracht worden oder hatten sich angesichts eines scardeenischen Schlachtschiffes sofort ergeben. Goreer wusste, was er zu tun hatte. Er handelte nach dem Lehrbuch. Doch die Erfahrung für solche Schlachtszenarien fehlte sowohl ihm, als auch seinen Kanonieren. »Energiewerfer schussbereit!«, verkündete der Feuerleitoffizier an der taktischen Station. »Dann schlagen Sie eine Bresche durch ihren Verband!«, befahl Goreer. Der Lieutenant hinter der Konsole nickte und gab die strategischen Ziele an die Kanoniere der Energiewerfer weiter. Kurz darauf fegten fünf blauweiße Glutbälle aus den Abschussschächten. Die mehrere Meter durchmessenden Hitzekugeln bestanden aus einer negativ geladenen Plasma-Fusions-Zelle, deren immense Energie durch ein künstliches Gravitationsfeld so lange im Zaum gehalten wurde, bis sie einen Aufschlagpunkt fand. Diesen markierten drei der gegnerischen Zerstörer, deren Außenhüllen noch im gleichen Moment von einem infernalen Lichtermeer überzogen wurden. Die erste Salve an reiner Energie ließ die Abwehrschilde kollabieren. Bereits der zweite Ansturm vernichtete die Feindschiffe gnadenlos im nuklearen Feuer. Drei kleine Sonnen standen für kurze Zeit im All, ehe ihr Licht schlagartig erlosch. »Jetzt haben wir sie!«, triumphierte Captain Goreer, als er das Ausmaß der Zerstörung betrachtete. »Was ist mit der VOHLAGRIN? Warum setzt sie nicht ihre Energiewerfer ein?« »Der Funkverkehr ist seit einigen Minuten abgebrochen«, rief der Kommoffizier ihm zu. »Offensichtlich ist der Kommunikationsturm der VOHLAGRIN direkt bei Kampfbeginn außer Gefecht gesetzt worden.« Goreer presste die Lippen aufeinander. Sie würden auch ohne die Unterstützung durch das Schwesterschiff mit den Gegnern fertig werden. Nur noch vier Zerstörer standen ihnen im All gegenüber. Der Captain fragte sich, ob es klug war, alle von ihnen zu vernichten. Sie mussten Gefangene nehmen und brauchten Informationen, woher die unbekannten Angreifer kamen, welche Macht es wagte, sich dem Scardeenischen Reich in den Weg zu stellen. Dass er es hier
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nicht mit Piraten zu tun hatte, war offensichtlich. Schiffe der Zerstörerklasse in dieser großen Anzahl konnten nie und nimmer einer Räuberbande gehören. »Sir!« Der Ausruf des Ersten Offiziers kam im selben Augenblick, als auch Goreer es durch das Panoramafenster sah. Einer der gegnerischen Zerstörer beschleunigte plötzlich mit Volllast, als wolle er in den Hyperraum springen. Mit fast einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit jagte das Schiff auf die KLASTAM zu. »Was macht der denn?«, rief Goreer, und alle Anwesenden auf der Brücke starrten in dem Moment auf die Beobachtungsmonitore oder durch das Fenster – gelähmt vom sich anbahnenden Schrecken, den das Manöver zwangsläufig bedeuten musste. »Der ist verrückt, der will uns rammen!«, schrie der Steuermann. Auf den Schirmen wurde das 580 Meter lange Schiff schnell größer und näherte sich unaufhaltsam. »Energiewerfer!«, brüllte Captain Goreer hysterisch. »Die Aufladung ist noch nicht beendet«, meldete der Feuerleitoffizier tonlos. Sämtliche Bugkanonen feuerten unablässig auf das gegnerische Schiff, doch der Angreifer hatte alle verfügbare Schildenergie auf die Frontprojektoren geleitet, um dem Abwehrfeuer standzuhalten. Zwei Torpedos der KLASTAM schlugen in den Zerstörer. Einer bohrte sich gar durch den Verteidigungsschirm und riss ein klaffendes Loch in den Bug, doch aufhalten ließ sich der Raumer dadurch nicht. »Abdrehen!« Goreers Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen. »Steuermann, abdrehen!« »Er ist zu nah«, flüsterte der Erste Offizier neben ihm. Dennoch leitete der Steuermann ein Ausweichmanöver ein, wohl wissend, dass ein Riesenschiff wie die KLASTAM nicht die Manövrierfähigkeit für einen raschen Ausfall besaß. Goreer erkannte ihre Chancenlosigkeit. Er schloss die Augen, bekam nicht mit, wie der Zerstörer im letztmöglichen Moment abdrehte und nur wenige hundert Meter am Kommandoturm der KLASTAM vorbeirauschte. Ein Gravitationsbeben, verursacht durch den dichten Vorbeiflug zweier Massen, durchlief das Schiff. »Großer Rat!«, stöhnte der Erste Offizier auf. Captain Goreer hob die Lider. Der Zerstörer war aus dem Sichtbereich des Fensters verschwunden, aber der während des Passierens abgesetzte Solarion-Torpedo steuerte mit eiskalter Präzision auf die KLASTAM zu. Nur den Bruchteil einer Sekunde darauf, schoss der Zylinder durch das Brückenfenster und detonierte. Φ Das lodernde Schlachtschiff trieb ab, als sein Kommandoturm von einer gewaltigen Torpedoexplosion in Stücke gesprengt wurde. Auf den Monitoren im Schleusenbereich des Shadow-Zerstörers PYRAMID verfolgten die Enterkommandos das Ende der KLASTAM. Kurz darauf fiel das zweite Schlachtschiff der Scardeener zurück, vollendete eine Kehre und beschleunigte dann auf Sprunggeschwindigkeit. Nur wenig später verschwand es unbehelligt im Hyperraum. Die PYRAMID, die das waghalsige Angriffsmanöver vollzogen hatte, näherte sich zusammen mit den anderen drei Zerstörern dem Riesentransporter, fuhr ihre Entertunnel aus und dockte an. Simon McLaird biss die Zähne aufeinander. Ihm wurden die Knie weich, als er an ihre Verluste dachte. Nur vier von zehn Zerstörern hatten das Gefecht überstanden. Hätten sie für die Operation eines der Stadtschiffe mitgenommen, wäre die Schlacht anders verlaufen. Doch Mel Quire hatte sich strikt geweigert, weitere Flüge der gigantischen Kreiselraumer zu genehmigen. Seine wissenschaftlichen Berater hatten bedrohliche Schwankungen im Umweltsystem Cloudgardens festgestellt, nachdem vor einem Jahr zwei der Stadtschiffe die
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Atmosphäre des Eis- und Wolkenplaneten verlassen hatten. Wenn sie nicht ihre vorbestimmten, gravitronischen Positionen beibehielten, drohten massive klimatische Veränderungen Cloudgarden zurück ins Chaos zu stürzen. »Ein hart erkaufter Sieg«, murmelte Simon. Er war sich der Tatsache bewusst, dass das Manöver der PYRAMID ihr aller Ende hätte sein können. Bei passender Gelegenheit würde er dem Captain schon sagen, was er von solchen Aktionen hielt, die die Leben von fast tausend Besatzungsmitgliedern gefährdeten. »Es ist noch nicht vorbei«, sagte Ken Dra neben ihm. »Das befürchte ich auch.« Der Docktunnel wurde versiegelt und mit Sauerstoff geflutet. Kurz darauf öffnete sich die erste Schleuse. Ein Vorauskommando aus jeweils zehn Shadow-Soldaten und NatashaAspekten stürmte durch den breiten Verbindungskorridor auf das gegnerische Schiff zu. Simon McLaird und Ken Dra schlossen sich dem Trupp an. Am Ende des Entertunnels waren zwei Aspekte bereits dabei, die Verriegelung der Frachtschleuse zu lösen. Sie hatten Glück, nicht immer konnte die Verbindungsröhre direkt an eine Schleuse angedockt werden. Im Regelfall war man gezwungen, sich durch die Außenhülle des zu enternden Schiffes zu schweißen. Der Druckausgleich war hergestellt, das Schott sprang auf und die beiden Aspekte sprangen über die Schwelle ins Innere des Frachtraumers. Zwei Shadow-Soldaten folgten ihnen mit vorgehaltenen Lasergewehren. Eine Handvoll Lichtfinger strich durch den dahinter liegenden Korridor. Zwei Blitze schlugen in die Wand der Verbindungsröhre ein. Funken sprühten. Ein Shadow-Agent ging röchelnd zu Boden, der andere brachte sich mit einer Rolle in Sicherheit. Dafür wurde einer der beiden Aspekte getroffen. Der Energiestoß bohrte sich in die Brust der Frau und schleuderte sie zwei, drei Meter durch die Luft. »Vorrücken!«, rief Ken Dra. Drei weitere Schatten sprangen in den Gang, gleichzeitig eröffneten der noch im Korridor verbleibende Aspekt und der andere Soldat das Feuer. Ein gurgelnder Aufschrei. Dann Stille! »Die Luft ist rein, Schwertträger«, sagte einer der Agenten an der Schleuse. Simon trat an dem Mann vorbei in den angrenzenden Korridor und schaltete das Helmvisier auf Infrarot um. Sofort entdeckte er die drei leblosen Körper durch den beim Laserfeuer aufgekeimten Rauch. Scardeenische Legionäre. Simon winkte Ken Dra zu sich heran. Dieser gab den anderen ein Zeichen. Shadow-Soldaten und Natasha-Aspekte rückten nach und verteilten sich im Gang hinter der Schleuse, nach allen Seiten mit ihren Waffen sichernd. »Kommandozentrale?«, fragte Simon. Ken streckte seine Hand aus. »In die Richtung. Seid vorsichtig, wir müssen mit weiteren Legionären rechnen.« Zwei Aspekte blieben zur Sicherung der Schleuse zurück. Ein dritter setzte sich über Armbandkommunikator mit den noch im Frachtraum der PYRAMID Wartenden in Verbindung und gab ihnen das Signal zum Entern. Die zweihundert Männer und Frauen stürmten durch den Docktunnel, teilten sich an Bord des Frachters in Gruppen auf und begannen damit systematisch die wichtigsten Schiffsstellen einzunehmen und zu sichern. Eine der Gruppen schloss sich McLairds und Ken Dras Trupp an. Ihr Weg führte durch einen leicht gebogenen tunnelartigen Korridor, der sich an der Innenseite der Schiffshülle entlang zog. Anscheinend handelte es sich um den regulären Schiffsgang, der der Besatzung vorbehalten war. Der Mittelteil des Raumers wurde durch gewaltige Frachträume begrenzt, zu denen in regelmäßigen Abständen Schotte Zugang gewährten. Simon und die anderen ignorierten die Türen. Darum würden sich die anderen Kommandos kümmern. Ihr Ziel war der Leitstand des Frachters. Der Korridor lief schließlich spitz zu und bildete mit dem zweiten Gang der anderen Schiffslängsseite eine Kreuzung. Von dort führte ein einzelner Weg direkt zur Brücke. Die
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Shadow-Agenten postierten sich zusammen mit den Aspekten rechts und links der Korridorwand und eröffneten auf Simons Zeichen das Feuer. Ein Lasergewitter brach durch den Gang und hämmerte gegen das Panzerschott, doch die Handwaffen waren gerade einmal stark genug, um das Material zu schwärzen, nicht aber, es zu durchbrechen. Ken Dra ließ das Feuer einstellen, hob das Schwert und zielte mit der Klinge auf die massive Tür. Dann legte er am Griffstück einen Schalter um. Ein feiner Lichtbogen tänzelte über den Stahl, bündelte sich mit ähnlichen Erscheinungen an der Schwertspitze und schoss dann als armdicker Strahl auf das Schott zu. Die Schwertenergie jagte durch die Legierung, als wäre sie aus Pappe. Die Tür wurde einfach zerfetzt. Ihre Bruchstücke verteilten sich auf der anderen Seite auf der Brücke. »Vorwärts!«, befahl Simon und stürmte als erster voran. Dicht hinter ihm hallten die Schritte der Kameraden auf. Sie stießen auf keinen Widerstand. In der Kommandozentrale hielten sich lediglich vier Leute auf – drei Schiffsführer und der Frachterkapitän. Ihren erschrockenen und ängstlichen Gesichtern entnahm Simon, dass sie keineswegs gewillt waren, zu kämpfen. Sie hingen an ihrem Leben. Der Captain blieb in seinem Kommandosessel. Im Gegensatz zu seinen Piloten hatte er die Hände nicht erhoben, sondern klammerte sich krampfhaft an den Stuhllehnen fest. Er war schlank und trug eine schmucklose Fantasieuniform. Seine dunklen Augen flackerten wie wild, als sie von einer Waffenmündung zur anderen wanderten. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. »Name?«, fragte Ken Dra. »Yukor. Kapitän Yukor«, antwortete der Mann mit bemüht fester Stimme. Er schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. »Mir gehört dieses Schiff, die ALYRA!« »Ein privater Raumer? Kein staatlicher?«, mischte sich Sergeant Ben Jones ein und zwirbelte seine schwarzen Bartzöpfe, die wie Teufelshörner aus seinem Kinn wuchsen. »Die Legionen von Scardeen besitzen nicht so große Frachter«, erklärte Kapitän Yukor, »Sie stecken lieber fast jede Schraube in ihre Schlachtschiffe. Aber sie zahlen gut, deshalb arbeite ich für sie.« Ken Dra nickte und fragte: »Was transportieren Sie?« Yukor sog scharf die Luft ein und setzte einen Blick auf, als würde er den Schwertträger damit aufspießen wollen. »Sie hätten mich nicht angegriffen, wenn Sie dies nicht längst wüssten.« Ehe er noch einen Atemzug machen konnte, packte ihn Ben Jones an die Gurgel. »Du spuckst jetzt aus, oder ich helfe nach!« »Genug!« Ken Dra trennte die beiden Männer und warf Ben Jones einen warnenden Blick zu. »Da wo ich herkomme, fackelt man nicht so lange, Schwertträger«, sagte der Sergeant, wandte sich aber ab und schien sich plötzlich für die Logbücher der ALYRA zu interessieren. Ken Dra sah ihm hinterher, blickte dann zu Simon, der nur die Schultern hob. »Na schön, Yukor, Sie transportieren also Sklaven!« »Sagte dieser Kinnteufel gerade Schwertträger?«, fragte Yukor erstaunt. Simon lachte und klopfte auf Kens Rücken. »Ja, mein humorloser Freund hier ist ein Drahusem.« »Haben Sie etwas gegen mein Volk?«, fragte Ken ohne eine Miene zu verziehen. Yukor perlte der Schweiß auf der Stirn. Seine Augenlider flatterten, als würde er kurz vor einem Infarkt stehen. Er öffnete die Lippen. Feiner Sabber troff aus seinen Mundwinkeln. Nervös blickte er zu Sergeant Jones hinüber, der inzwischen die Logdateien des Schiffes aufgerufen hatte und schon wieder seine Bartzöpfe zwirbelte. »Nein, nein«, beeilte er sich zu sagen, »ich dachte nur, sie wären ... nun ... ausgerottet
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worden.« »Ich bin der Letzte«, stellte Ken richtig, »das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben.« Der Kapitän hob beschwichtigend die Hände und schüttelte seinen Kopf. »Ich? Wieso sollte ich? Den scardeenischen Bürgern ist es egal, was mit den Drahusem passiert ist. Es ist uns völlig gleichgültig, ob sie an diesen mythischen Quatsch glauben oder nicht. Wir sind jedenfalls von wissenschaftlichen Fakten überzeugt. Trotzdem hätten wir die Drahusem bei uns geduldet, zwar verspottet, aber nicht gehasst, um sie zu töten. Nur der Wissenschaftsrat wollte es anders. Sie waren Geächtete ...« Ken Dra schlug ihm mit der Faust auf die Nase. »Halt dein dreckiges Maul!« Der plötzliche Redeschwall des Kapitäns ließ Simon aufhorchen. Er schritt nicht ein, als Ken Dra noch einmal zuschlug und bereits Blut spritzte. Stattdessen wandte er sich Ben Jones zu. »Sagen Sie mal, Sergeant, nach was suchen Sie da eigentlich?« »Das werde ich Ihnen gleich verraten, Lieutenant.« Er ließ die Bartzöpfe los und pfiff durch die Zähne. »He, Schwertträger! Ich glaube, ich weiß, warum der Kerl so nervös ist. Auf einer zwei Jahre alten Frachtenliste sind Drahusem als Ware aufgeführt!« Jones drehte sich zu Ken Dra und Simon um. »Dieses Schwein hat Leute Ihres Volkes zum Sklavenmarkt nach Korana IV transportiert!« Der Schwertträger warf sich auf Yukor und ließ seine Fäuste immer wieder auf sein Gesicht niedersausen. Simon stand stocksteif daneben. So hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Doch als Yukors Gesicht nur noch einer roten Fleischmasse glich, hielt er Ken fest und zog ihn an der Schulter hart zu sich zurück. »Lass es gut sein, Ken. Hör auf.« »Dieses ... dieses Mistschwein!« Simon schob Ken Dra an die Seite und nickte in Jones Richtung. »Kümmern Sie sich um den Kapitän und die Crew.« »Aye, Lieutenant.« Jones bedeutete Corporal Garik die Gefangenen in Gewahrsam zu nehmen. Die ShadowSoldatin öffnete ihr Helmvisier und offenbarte darunter ein jugendliches Gesicht, das von rotblondem Haar eingerahmt war. Sie zwinkerte in Simons Richtung. »Vergessen Sie nicht Ihre Einladung ins Hick up, Lieutenant«, lachte sie. »Ich werde daran denken, Lady.« Während ein weiterer Trupp von Shadow-Soldaten und Natasha-Aspekten die Brücke der ALYRA sicherte, verließen Simon und Ken Dra das Herzstück des Schiffes und begaben sich zu einem der Frachteinstiege draußen auf dem Gang. »Riechst du das auch?«, fragte Simon und rümpfte die Nase. Anstatt eine Antwort zu geben, öffnete Ken eine Luke und wich entsetzt zurück. Simon drängte sich an seinen Freund vorbei und hielt sich den Ärmel vor die Nasenlöcher. Heiße, stickige Luft strömte ihnen entgegen. Simon zwängte sich durch den engen Eingang, der eine Massenflucht unmöglich machen sollte. Und dann sah er sie: Tausende, von Leid geprägte Gesichter. Offene Münder, zu schwach zum Schreien. Tausende Augenpaare, die sich auf ihn richteten. »O Gott«, murmelte Simon und vermied es weiterhin, zuviel von dieser kranken Luft zu atmen. »Ken, sieh dir das an!« Er wies auf die halb verwesten Leichen, die zwischen den noch Lebenden lagen. »Ich bringe ihn um«, flüsterte Ken neben ihm. »Ich bringe ihn um.« Simon legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. Gleichzeitig rief er über den Armbandkommunikator Sergeant Jones und erkundigte sich nach den Frachteinträgen. »Elftausend laut Ladeliste. Sie sollen alle nach Korana IV zum Sklavenmarkt gebracht werden.« Simon spürte, wie sich sein Herz verkrampfte. Er wandte den Blick ab, konnte jedoch nicht
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verhindern, dass er vor seinen Augen weiterhin das Leiden der Gefangenen sah. Sklaverei! Was für eine Vorstellung in einer hoch zivilisierten Gesellschaft wie dem Scardeenischen Reich. »Wir sollten uns zurückziehen, Ken. Die Scardeener werden sicherlich eine Flotte schicken.« Der Schwertträger nickte. Doch statt abzurücken stieg Ken Dra durch die Luke, hob sein Schwert über den Kopf und betätigte den Schalter, der normalerweise einen Energieblitz verschoss. Feines Elmsfeuer züngelte um die Klinge und ließ den Lagerraum in hellerem Licht erscheinen, als es die spärliche Beleuchtung je vermocht hätte. »Ihr seid frei!«, brüllte Ken Dra durch den Raum und weckte Hoffnung in den Überlebenden. Φ Das Konzentrieren auf Jee A Marus Stimme war einfacher, als Sherilyn geglaubt hatte. Sie schloss die Augen und folgte dem sanften Klang in ihrem Kopf. Dann spürte sie einen leichten Sog, fast wie eine Windböe, die ihren Körper umspielte und dann an ihrer Kleidung zerrte. Als sie die Augen wieder öffnete, befand sie sich nicht mehr an Bord der Raumjacht. Sie schaute sich um: die dunklen Wände schimmerten silbern in ihren Fugen. Der Fußboden und die Decke waren nicht zu erkennen, dazu reichte der Schimmer nicht aus. Träume ich?, dachte sie und fasste ohne Hemmungen in den silbernen Glanz der Wand vor ihr. Sie erwartete ein Kältegefühl, doch der Schimmer war angenehm warm und kribbelte auf ihrer Haut. Das Gefühl zog sich durch ihren Körper. Augenblicklich fühlte sie sich wohl und selbstsicher. Sherilyn, sagte Jees Stimme in ihrem Kopf, vergiss nicht, dass eine wichtige Aufgabe auf dich wartet. »Eine Aufgabe? Von wem? Um was geht es denn?« Du die Geschichte von David und Goliath, die man sich auf deiner Welt erzählt ... Sherliyn musste lachen. Da machte sie sich auf, um von Jee die Geheimnisse der Pyramide zu erfahren und dann kam ihr die Frau mit einer Bibelgeschichte. »Ja und wo ist da der Witz?« Die Stimme in ihrem Kopf lachte ebenfalls, wurde dann jedoch übergangslos wieder ernst. Die Zeit drängt. Gewaltige Kräfte wirken im All. Und schon bald begegnet Simon einem Schicksal, das nicht nur ihn alleine betrifft. Auch auf Mel Quire wird einiges zukommen, das ungeahnte Auswirkungen haben wird. »Kannst du nicht mal genauer werden?«, nörgelte Sherilyn. Hör mir zu. In den nächsten Tagen wird Unglück über Euch kommen. Aber verzweifelt nicht, denke an David und Goliath. Und nun ... ist die Besuchszeit um. Wir, die Pyramidenwärter werden unseren Anteil beisteuern. Nun geh. »Aber, he ...« Im nächsten Moment befand sich Sherliyn wieder in der Raumjacht. Irritiert schaute sie sich um, sämtliche Instrumente funktionierten. Es gab keine Anzeichen, dass je irgendetwas abgeschaltet war. »Verdammt, das war nur ein Traum!« Nein! Jees Stimme klang nochmals in ihrem Kopf auf. Das war kein Traum und nun wird es höchste Zeit, dass du Dai Urshar verlässt. »Jee? Warte doch! Sag mir, was passieren wird. Was kann ich tun?« »Denke an das, was ich dir gesagt habe.« Diesmal war die Stimme laut neben ihr zu vernehmen. Sherilyn schwang im Sessel herum und sah eine blasse Gestalt, eingehüllt in einer grauen Kutte. Nur das Gesicht war von ihrem Körper erkennbar – Jee A Marus Gesicht. Die frühere Schwertträgerin lächelte Sherilyn aufmunternd zu. Dann verblasste ihre schemenhafte Gestalt.
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Ohne Sherilyns Zutun startete die Jacht und entfernte sich von der Planetenoberfläche. »Jee! Verdammt, Jee!« Es war wie damals, wie Simon ihr berichtet hatte, als sie von DUST fortgeschickt worden waren. Kaum, dass die Jacht die äußeren Atmosphäreschichten durchstoßen hatte, befand sie sich nicht mehr in der Umlaufbahn des Wüstenplaneten, sondern direkt an ihrem Ziel. Vor ihr lag Cloudgarden wie eine weiße Perle im schwarzen Samt des Weltraums. Φ Noch während man die Sklaven von dem Riesenfrachter auf die Zerstörer evakuierte, hatte Prinzessin Tanya mit einem Shuttle von der EXECUTOR zur PYRAMID übergesetzt. Simon hatte ihr von Kens Wutanfall berichtet. Sie hoffte, dem Schwertträger Trost spenden zu können. Als die Amazone Ken Dras Privatkabine betrat, hockte er allein in einem Schalensessel. Seine Schultern hingen, er wirkte in sich zusammengesunken und bemerkte die Anwesenheit der Frau nicht mal. Tanya sah, wie seine Hände zitterten. »Ken?«, fragte sie leise. Als er nicht reagierte, stellte sie sich direkt vor ihm hin und fuchtelte mit den Händen vor seinen Augen herum. Kens Blick musterte sie von unten bis oben, als betrachte er eine Statue in einem Museum. Wie immer trug Tanya ihre Amazonenkleidung und führte ein Schwert an ihrer linken Seite. »Tanya?« »Ken, was ist mit dir los?« Der Schwertträger öffnete seinen Mund, aber noch fand er keine Worte, um ihr seinen Schmerz mitzuteilen. »Warum hast du noch nicht das Startsignal gegeben?«, fragte die Amazone und setzte sich auf eine Lehne seines Sessels. »Die Scardeener können jeden Moment hier auftauchen.« »Ich ... ich habe über mein ... Volk ... nachgedacht.«, stammelte er. »Wie sie damals alle umgekommen sind und ich konnte nichts, verdammt noch mal, nichts tun.« Tanya legte einen Arm um seine Schulter und strich ihm durchs Haar. »Es ist nicht deine Schuld, Ken. Was hättest du ausrichten sollen?« Sie tat, als sähe sie seine feuchten Augen nicht. »Die Sklaven, die Toten, ... sie erinnerten mich an mein Volk ...« Ken konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten und presste seinen Kopf an Tanyas Brust. Beruhigend sprach die Frau auf ihn ein und drückte seinen Kopf eng an ihren Körper. Doch der Schwertträger war nicht imstande, sich wieder zu fangen. Tanya richtete ihn auf und führte ihn zu seiner Liege herüber. Dort bettete sie seinen Körper behutsam auf die Liegefläche und deckte ihn zu. Er schluchzte immer noch, dass ihr das Herz verkrampfte. Ohne Nachzudenken beugte sie sich zu ihm hinunter und küsste seine rot geweinten Augen. Ihr Armbandkommunikator summte. Tanya wich ein paar Schritte von der Liege zurück und nahm das Gespräch entgegen. »Ja?« »Prinzessin, wir haben alle Sklaven der ALYRA auf unsere Zerstörer evakuiert. Die Leichen ließen wir an Bord des Frachters zurück.« Tanya blickte zu Ken Dra. Er war nicht in der Lage, seinen Posten auf der Brücke anzutreten. »In Ordnung«, sagte sie. »Unsere Schiffe sollen in Formation gehen. Jagen Sie ein paar Torpedos in die ALYRA und dann nichts wie zurück nach Cloudgarden.« »Aye, Ma'am.« Tanya unterbrach die Verbindung und kniete sich noch einmal an Kens Seite. Es sah so aus, als wäre er eingeschlafen. Seine Gesichtszüge waren weicher geworden, die Augen geschlossen, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, der Brustkorb hob und senkte sich
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gleichmäßig. Zufrieden beugte sich die Amazone zu ihm hinunter und hauchte einen Kuss auf seine Wangen. Plötzlich legten sich Kens Hände auf ihre Schultern und zogen ihren Körper auf seinen. Ihre Haare fielen in sein Gesicht, sanft strich er sie nach hinten und genoss ihren verwirrten Blick. Als die Amazonenprinzessin etwas sagen wollte, schüttelte er seinen Kopf und machte »Psst«. Φ »Na, hast du mich vermisst?«, fragte Simon, als er die Suite an Bord des Stadtschiffes DEVIL'S EYE, die er mit Sherilyn Stone teilte, betrat. Offiziell hatte Mel Quire ihnen beiden das Kommando über den Riesenraumer erteilt, obwohl niemand hier wirklich auf Kommandostrukturen angewiesen war. Die Arbeiten an Bord waren klar definiert, jeder ging ihnen nach so gut er konnte. Das Stadtleben ging seinen gewohnten Gang und alle arbeiteten für ihr gemeinsames Ziel zur Erhaltung einer freien und unabhängig funktionierenden Gesellschaft, die irgendwann zum großen Schlag gegen die Unterdrücker ausholen würde. Da die Stadtschiffe ihre angestammten Positionen in der Atmosphäre Cloudgardens nicht verließen, beschränkten sich die Arbeiten hier hauptsächlich auf den Bereich Wartung. Das Hauptaugenmerk wurde auf die Forschung und technologische Weiterentwicklung gelegt sowie auf das Ausarbeiten von strategischen Zielen und Angriffsplänen gegen Scardeen. Auch die Arbeiten in Cloud City hatten sich anfangs darauf beschränkt, doch seit immer mehr Menschen ihre Wohnungen in der Megastadt bezogen hatten, verzweigten sich die Tätigkeitsbereiche nach und nach und wurden menschlichen Bedürfnissen angepasst. Mittlerweile existierten in Cloud City unzählige Handelswarenläden, Boutiquen, Lebensmittel-Shops, Kneipen, Restaurants, zwei Reisebüros – sogar eine Fast-Food-Kette versuchte dort Fuß zu fassen. Die Menschen, die den Familien der Shadow-Soldaten oder scardeenischen Überläufern entstammten, brachten nach Simons Meinung Schwung in die Bude. Aus der früher eher routinierten Arbeit eines Forschungszentrums war eine gigantische Metropole geworden, die den Vergleich mit Städten anderer Welten nicht zu scheuen brauchte. Mittlerweile waren scardeenische Krediteinheiten als Zahlungsmittel gewährt worden, was Mel Quire und den Planetenrat Cloudgardens anfangs vor massive Probleme stellte. Sowohl die Mitarbeiter Shadow Commands als auch die Natasha-Aspekte sollten nunmehr für ihre Arbeiten entlohnt werden, um sich in den Märkten oder Gastronomiebetrieben Cloud City etwas leisten zu können. Quire hatte sich vehement dagegen gewehrt, ein monetäres System einzuführen, sah aber ein, dass Cloudgarden nicht ewig vom Rest des noch bestehenden Scardeenischen Reichs abgeschnitten sein würde. Irgendwann würden sich die ersten Welten ihrer Sache anschließen und Handelsbeziehungen aufnehmen – sie brauchten ein adäquates Zahlungsmittel. »Sherry?«, hakte Simon McLaird nach, als er keine Antwort vom Major erhielt. Er durchmaß die Zimmerflucht mit kleinen Schritten und schaute in die abzweigenden Räume. Wie er nicht anders erwartet hatte, fand er seine Partnerin in ihrem Arbeitsraum am Schreibtisch. Sie starrte angestrengt auf das Bildschirmdisplay und studierte irgendwelche Buchstaben- und Zahlenkolonnen, die Simon nicht entziffern konnte. »Hey, merkst du überhaupt, dass ich da bin?« »Ja«, sagte sie tonlos, ohne aufzusehen. »Hast du mich nun vermisst oder nicht?«, fragte Simon noch mal mit sichtlich wachsender Enttäuschung. »Geht so«, gab Sherilyn Stone zurück. Etwas in Simon drohte zu zerbrechen, als er ihren gleichmütigen Tonfall hörten, doch in der nächsten Sekunde machte sein Herz einen Satz, als Sherilyn vom Stuhl aufsprang und ihm
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ungestüm in die Arme fiel. Ihre Lippen pressten sich so heftig auf die seinen, dass es schon fast wehtat. Simon hielt Sherilyn fest, taumelte von der Wucht ihrer Umarmung nach hinten und ging mit ihr zu Boden. Sie hörte nicht auf ihn zu küssen. Ihre Leidenschaft erfasste ihn, ließ ihn den Schmerz vergessen, der sich beim Aufprall über seinen Rücken zog. Simon umschlang sie mit seinen Armen, versuchte sie noch dichter zu sich heranzuziehen, als könne er körperlich mit ihr verschmelzen. Die Hitze, die in ihnen wallte schien der Eiseskälte Cloudgardens trotzen zu wollen. Von Sehnsucht und Verlangen geschürte Glut loderte zu einem Feuer auf, und Simon spürte, wie ihm die Hosen zu eng wurden. Schmatzend lösten sich ihre Lippen. Sherilyn sah ihn mit sehnsüchtigem Blick an. Ihr Atem ging stoßweise, die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. »Und wie ich dich vermisst habe«, keuchte sie, beugte sich sofort wieder zu ihm herunter und versiegelte seinen halb geöffneten Mund mit ihren Lippen. »Sherilyn, was ...?«, quetschte Simon zwischen den Küssen hervor. »Sei still und küss mich, ... David«, kicherte sie. »David?« Simon setzte sich auf. »Wer ist dieser Hurensohn?« Statt einer Antwort drückte Sherilyn ihn wieder auf den Boden zurück und lächelte verführerisch. Sofort vergaß Simon seinen Einwand und küsste seine Freundin leidenschaftlich. Gierig zog er ihre Uniformbluse aus der Hose, seine Hände wanderten über ihren Bauch zum Rücken, dann wieder nach vorn und umfassten ihre Brust. Sherilyn stöhnte. Der Türsummer zerteilte die Leidenschaft wie ein zweischneidiges Schwert. So abrupt und gnadenlos, dass Simon und Sherilyn die Unterbrechung beinahe schon schmerzhaft am Leib spürten. Das Feuer erlosch schlagartig, machte der Kälte von Enttäuschung Platz und ließ beide halb betäubt und übereinander auf dem Boden liegen. Sie sahen sich mit zu Masken versteinerten Mienen an. Das enervierende Summen ertönte ein weiteres Mal. Diesmal länger, eindringlicher. Sherilyn verdrehte die Augen, löste sich aus Simons Umarmung und stand auf. Sie strich sich die lockigen Strähnen aus dem Gesicht, ordnete ihre Bluse, zog die Uniformhose gerade und ging zur Tür. »Du solltest vielleicht im Bad verschwinden, bis er wieder normale Ausmaße angenommen hat«, sagte sie auf halbem Weg. Simon runzelte die Stirn, blickte an sich herab und grinste, als er die deutliche Wölbung in seinem Schrittbereich sah. Rasch stand er auf und suchte das Badezimmer auf. Er wartete hinter der Tür und lauschte. Am liebsten wäre er sofort herausgestürmt und hätte dem Alten die Gurgel umgedreht, als er Mel Quires Stimme hörte. »Meine Fresse, wir sind gerade erst zurück, hat er denn kein Taktgefühl?«, murmelte Simon. Nachdem die Schwellung in der Hose auf gesellschaftsfähiges Niveau zurückgegangen war, trat er aus dem Bad und begrüßte Quire mit einem gekünstelt breiten Grinsen. »Herr Bürgermeister, ist ja nett, dass Sie uns stören.« Sherilyn warf ihm einen zornigen Blick zu, den er aber ignorierte. Auf Quires Stirn bildeten sich Falten. »Oh ... ich habe Sie ...« »Nicht der Rede wert«, beeilte sich Sherilyn zu sagen und dirigierte Simon mit einem warnenden Blick zur Couch. Er seufzte und ließ sich in die Polster fallen. »Einen Drink?« »Ja, bitte«, sagte Quire, während Sherilyn bereits zur Hausbar ging, drei Gläser aus dem Regal und eine Flasche Scotch aus dem Kühlfach fischte. »Die Operation im Fassiet-Sektor war ein voller Erfolg«, sagte Mel Quire, während er das Glas von Major Stone entgegennahm. Simon, der gleichfalls schon den Drink angesetzt hatte, verschluckte sich und hustete. Er sah den Bürgermeister entgeistert an. »Machen Sie Witze?«
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Quire runzelte die Stirn. »Wo liegt das Problem? Wir haben über 10.000 Sklaven befreit und aufgepäppelt, die sich unserer Sache anschließen werden.« Simon schluckte. Er hatte sich die Situation bisher noch nicht vergegenwärtigt, hatte die bohrenden Gedanken in die tiefsten Winkel seines Unterbewusstseins verdrängt, um sie irgendwann einmal an die Oberfläche kommen zu lassen. Doch nicht so schnell, erst wenn er Abstand gewonnen hatte. Aber das Gespräch lief genau in diese Bahnen, und Simon merkte, wie er sich langsam aber sicher bewusst wurde, was eigentlich geschehen war. Ja, sie hatten Erfolg gehabt, doch zu welchem Preis? Vielleicht machte es einen Unterschied, wenn man einen Kameraden direkt neben sich sterben sah oder auf einem Bildschirm nur die Explosion eines Schiffes beobachtete – aber all die Verluste, die sie bei der Operation hinnehmen mussten, waren real. Der Gedanke daran verursachte ihm ein flaues Gefühl im Magen. Er stellte den Scotch ab und merkte, wie seine Hand dabei zitterte. »Mel ...«, begann er. »Wir haben bei der Befreiungsaktion sechs unserer Zerstörer verloren. Volle Besatzung. Mehr als 5.000 Aspekte und einige Shadow-Agenten sind dabei gestorben. Wie können wir da von Erfolg sprechen?« Quires Augenlid begann wieder zu zucken. Simon blickte irritiert zu Sherilyn, deren Gesicht bleich geworden war, als auch sie sich die hohe Anzahl ihrer Verluste veranschaulichte. »Wir sind nun mal keine Supermänner«, sagte der Bürgermeister bedächtig. »Wir haben uns auf einen Krieg vorbereitet und einen Krieg begonnen. Wir sind nicht unverwundbar und unser Feind ist uns zahlenmäßig dermaßen überlegen, dass wir kaum eine Chance haben ...« »Wir haben mehr Schiffe!«, warf Simon ein, als er an die 250 Millionen Zerstörer dachte, die in der Nullsphäre parkten. »Aber nicht das notwendige Personal, um auch nur einen kleinen Bruchteil davon zu bemannen«, gab Quire zurück. »Simon, Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir gerade mal 700 Zerstörer mit Personal ausstatten können, das reicht nicht einmal aus, um gegen die Scardeener anzutreten, die bei Nasuut stationiert sind. Die gesamte scardeenische Flotte umfasst über 150.000 Schlachtschiffe, deren Zerstörer-Potenzial nicht einmal mitgerechnet.« »Wir hätten mehr als zehn Schiffe schicken können«, beharrte Simon. »Mit fünfzig unserer Zerstörer hätten wir sie überrannt, ohne dass die überhaupt einen Schuss abgegeben hätten.« »Eine größere Flotte aus dem Hyperraum springen zu lassen würde aber eine stärkere Restverzerrung des übergeordneten Kontinuums nach sich ziehen. Der Ursprungsort unseres Starts ist dann leichter zu errechnen. Wollen Sie riskieren, dass die halbe scardeenische Flotte über Cloudgarden auftaucht?« »Goliath«, murmelte Sherilyn so leise, dass weder Simon noch Quire es hörten. Sie verstand so langsam Jee A Marus Bemerkung. Simon lehnte sich in die Polster zurück. Er atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Doch der Gedanke an die Toten ließ ihn nicht los. Sein Blick wanderte zu Sherilyn, hatte sie eben etwas gesagt? Er musste sich getäuscht haben und ihr Gesicht hatte wieder Farbe bekommen. Sie schien sich besser unter Kontrolle zu haben als er, dennoch glaubte er, dass ihr die Verluste genauso an die Nieren gingen wie ihm. Mel Quire hat Recht, sagte er sich, auch wenn er keine Spur von Trost in dem Gedanken fand. Wir sind im Krieg ... und im Krieg müssen wir Opfer bringen. Gott steh uns bei ... »Wir wussten, worauf wir uns einlassen«, sagte Sherilyn, aber sie sprach so leise, als wären die Worte nur laut gedacht und für sie selbst bestimmt. Simon sah ihren betrübten Blick. Sie kämpfte offensichtlich ebenso mit der hohen Anzahl der Gefallenen wie er selbst. Aber im Gegensatz zu ihm hatte Sherilyn bereits einen Krieg im persischen Golf miterlebt. »Bürgermeister Quire«, fuhr Sherilyn fort. »Wenn Sie nachher die Ansprache für die befreiten Menschen halten und sie in unserer Community begrüßen, möchte ich ein paar Worte für unsere Toten sprechen.« »Ja«, sagte Quire einfach. »Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen, Major.«
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»Ich werde unsere Strategen darauf ansetzen, neue Angriffspläne auszuarbeiten. Beim nächsten Mal müssen wir effektiver zuschlagen. Auch wenn es bedeutet, mit einer größeren Flotte aufzubrechen.« »Ich sagte doch ...«, fuhr Quire dazwischen, aber Sherilyn sprach einfach weiter. »Dann müssen wir über Umwege durch den Hyperraum springen, um die Gefahr einer Entdeckung Cloudgardens so gering wie möglich zu halten. Und notfalls setzen wir Stadtschiffe ein ...« »Major!«, brauste Quire nun auf. »Sie wissen, dass das nicht geht.« »Sie sagten, maximal zwei Stadtschiffe können Cloudgarden verlassen.« »Nur in Ausnahmefällen. Der kleine Ausflug der DEVIL'S EYE ins Sol-System vor einem Jahr hat für genügend atmosphärische Störungen auf Cloudgarden gesorgt, dass wir fast befürchteten, das Chaos könne wieder losbrechen.« »Dann werden wir eben weitere Stadtschiffe konstruieren!« Sherilyns Stimme war lauter geworden. Ihr ging der Verlust der toten Zerstörerbesatzungen an die Nieren. »Für Sie mag das vor zehn Jahren nicht notwendig gewesen sein, Mel, aber jetzt ist es notwendig geworden. Wie lange dauert die Konstruktion so eines Riesen?« Der alte Wissenschaftler schien von dieser Frage sichtlich überfallen worden zu sein. Sein Augenlid zuckte nervöser als zuvor. Simon ballte unbewusst die Hand zur Faust, als könne er den Tic dadurch zerquetschen und endgültig zum Erliegen bringen. »Zehn Jahre reale Bauphase.« »Wie viele Plattformen haben Sie?«, hakte Simon weiter nach. »Fünf.« »Wir wären also in der Lage fünf Stadtschiffe innerhalb von zehn Minuten realer Zeit zu produzieren«, folgerte Simon in einem Anflug innerer Erregung. »Richtig?« »Simon«, sagte Mel, »Sie vergessen, was ich Ihnen über die Energiereserven gesagt habe. Unsere Stadtschiffe werden momentan extern über die Gravitronfelder Cloudgardens versorgt. Wir müssten sie ...« Etwas summte. Quires Augen weiteten sich. Er griff sich an die Brusttasche und zog einen Kommunikator hervor. Statt einen Ruf entgegenzunehmen, blickte er nur kurz aufs Display und entschuldigte sich dann bei Sherilyn und Simon. »Ich muss weg.« Er stand auf und eilte zur Tür. »Was ist denn?«, rief Simon ihm hinterher. »Ein ... ein Notfall. Später ...« Simon blickte Sherilyn fragend an. »Hast du den Ausdruck in seinem Gesicht gesehen? Als ob jemand gestorben wäre ...« Ohne zu zögern sprangen die beiden auf und liefen Quire hinterher. Sie holten ihn am nächsten Aufzug ein, doch da lag er bereits zusammengebrochen und mit aschfahlem Gesicht vor der Kabine. Sein Atem raste, Schweiß perlte von seiner Stirn. »Quire!«, rief Simon. »Verdammt, was ist mit ihm?« Sherilyn zuckte die Achseln. Sie drückte eine Taste an ihrem Kommunikator und wählte den Kanal zur Krankenstation. »Wir haben einen Notfall. Schicken Sie einen Arzt, Sanitäter und Trage auf Deck 24, Korridor B-2. Schnell!« Innerhalb kurzer Zeit war Quire von medizinischen Aspekten umringt und wurde zur Medistation gefahren. Simon und Sherilyn waren der Trage hinterhergelaufen und standen hilflos herum. Nachdem die Ärzte Quire untersucht und medizinisch versorgt hatten, trat ein Aspekt vor sie. »Er hat Glück gehabt, es war nur ein leichter Herzinfarkt.« »Können wir mit ihm reden?«, fragte Sherilyn. »Aber nur kurz, er muss sich schonen und darf sich nicht aufregen.« Beide traten an Quires Krankenbett heran. »Na, Sie haben uns ja einen schönen Schrecken eingejagt«, versuchte Simon die bedrückte Stimmung aufzulockern.
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»Es ist jetzt nicht die Zeit für Konversationen«, meinte Sherilyn ernst. Quires Augen blickten trüb. Er schien immer noch in Sorge zu sein. Er deutete auf Simon. Als dieser sich vorbeugte, schüttelte der Alte den Kopf und verscheuchte ihn mit einer Handbewegung. Ehe Simon etwas erwidern konnte, winkte Quire Sherilyn zu sich heran. Simon ging trotzdem wieder näher heran, um zu verstehen, was der Bürgermeister zu sagen hatte. »Ich ... ich erhielt eine Nachricht aus der Nullsphäre. Der Kontakt zum Nullzeitwesen ist abgebrochen!« »Was?« Simon ignorierte Quires vorherigen Einwand und trat dicht ans Bett heran. »Was bedeutet das?« »Es ... es reagiert nicht mehr, bildet keine Aspekte mehr aus und formt keine Rohmaterialien für unsere Schiffe. Die ... die Nullspähre schrumpft weiter zusammen. Rapider als zuvor. Es ist fast ... fast ... Natasha ...« Quire bekam einen Heulkrampf. »Es stirbt, Simon.«, sagte Sherilyn kraftlos und dachte an Jees Äußerung über das Schicksal. »Aber wie können wir dann ...?« Sherilyn ignorierte Simons Einwand, wandte sich Mel Quire zu und legte ihm tröstend einen Arm auf die Schulter. »Wir schaffen es auch ohne die Nullzeitsphäre.« »Ihr versteht nicht«, schluchzte der Alte, »niemand darf sich mehr in der Nähe der Sphäre aufhalten ...« Simon stöhnte. »Nicht noch mehr Tote! Wir müssen die Leute retten. Wir müssen ...« »Ja ... alle evakuieren, bevor die Nullsphäre auf Null zusammenschrumpft«, beendete Quire den Satz. Sherilyn sah Simon an. Es waren keine Worte notwendig. Sie verstanden, was getan werden musste, verabschiedeten sich von dem Wissenschaftler und verließen die Medistation. Simon dachte daran, wie Quire den Namen seiner verstorbenen Frau aussprach. Das Nullzeitwesen stirbt ... Natasha stirbt. Auch wenn seine Frau in Millionen von Aspekten weiterlebte. Die Ur-Natasha, die mit dem Nullzeitwesen verschmolzen war, würde bald aufhören zu existieren. Φ Die Fenster von Ken Dras Quartier an Bord des Stadtschiffes TIGER waren verschlossen. Nur gedämpftes Licht spendete ein wenig Helligkeit, gerade genug, um nicht blind durch die Suite zu laufen und irgendwo anzuecken. Der Schwertträger lag auf der Couch im geräumigen Wohnzimmer. Ihm gegenüber saß Prinzessin Tanya, die an einer grünlichblauen Flüssigkeit nippte. Seit einigen Minuten redete sie schon auf ihn ein, versuchte ihn zu trösten, aber ihre Worte drangen nicht zu ihm durch. Er wusste, dass sie ihm nur helfen wollte, aber welche Hilfe konnte man ihm schon bieten, wo er sein ganzes Volk verloren hatte. Der Genozid an den Drahusem lag nun weit mehr als ein Jahr zurück – dennoch wurde Ken Dra immer wieder daran erinnert. Mit jedem Handeln gegen die Scardeener, mit jedem Mensch, der auf seiner Seite starb, jedem Legionär, den er zur Strecke brachte, brannte sich der Schmerz über den großen Verlust tiefer in seine Seele hinein. »Ich würde dir gerne helfen, wenn ich könnte«, sagte die Amazone. »Du brauchst Abwechslung.« Ken blickte auf. »Abwechslung?« Tanya stellte das Glas auf dem Couchtisch ab, lehnte sich im Sessel zurück und schlug ein Bein über das andere. Das Leder ihrer knappen Kleidung knirschte. »Ich weiß, dass du oft an Prissaria denkst, dich allein fühlst. Aber es wird nicht besser dadurch, dass du den ganzen Tag hier auf dem Stadtschiff hockst.«
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»Ich war auf einer Außenmission.« »Und hast nur wieder neues Leid miterlebt.« »Was also meinst du genau?«, fragte Ken Dra und erhob sich leicht aus den Polstern. Er musterte die schöne Frau mit dem mittelblonden Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte. So sehr sich Tanya in letzter Zeit um ihn kümmerte, glaubte er fast, dass sie ihm neben der Fürsorge noch mehr Gefühle entgegenbrachte. Bisher traute er sich nicht, sie darauf anzusprechen. Die Gelegenheiten waren dazu auch eher ungeeignet gewesen. Die Sache neulich in seinem Quartier auf der PYRAMID war nur bis zu dem Kuss gegangen. Auch wenn Tanya zu mehr bereit gewesen wäre, Ken hatte sie von sich gewiesen und sich entschuldigt. Stets hatte sich Tanya ihm in Sorge genähert, ihn auf seinen Kummer angesprochen. Ken war in Sachen Frauen auch reichlich unerfahren. Er hatte auf Prissaria eine Freundin gehabt, eine lockere Beziehung, nicht wirklich etwas Festes. Eine Zeitlang hatte er sich eingeredet, sie zu lieben, doch als er sie vor seinem Abflug mit dem Forschungsschiff und Jee A Maru an Bord mit einem anderen Mann gesehen hatte, zog er es vor, die Verbindung mit ihr zu beenden. Jetzt war sie genauso tot wie alle anderen Drahusem, die er kannte. Ken Dra verscheuchte schnell das gedankliche Bild seiner Freundin, ehe ihn die Trauer richtig packen konnte. Mit Mühe versuchte er sich auf Tanyas Worte zu konzentrieren. »Ich habe vor nach Mazoni zu fliegen, um dort meine Leute aufzusammeln und hierher zu bringen«, erklärte die Prinzessin. Der Schwertträger stand nun ganz auf. Er verbarg seine Überraschung nicht. »Die Amazonen? Glaubst du denn noch Anhänger von dir zu finden? Beim Angriff auf dein Schloss sind doch fast alle umgekommen.« Tanya beugte sich vor. »Ich denke mehr an die Gefolgsleute meiner Mutter. Ich bin sicher, dass ich sie auf unsere Seite ziehen kann.« Ken Dra legte den Kopf schief. »Irgendwie kann ich das nicht nachvollziehen. Ich denke, Königin Lasaria ist dem Rat von Scardeen treu ergeben.« »Bisher ja ... aber sie kennt die veränderten Verhältnisse nicht. Sie kennt Cloudgarden nicht.« »Du meinst, das reicht aus?« »Es kommt auf einen Versuch an.« Tanya setzte ein gewinnbringendes Lächeln auf, das Ken jedoch noch nicht so recht überzeugen konnte. »Ich weiß nicht ...« In dem Moment summte es an der Tür. Ken Dra aktivierte den Öffnungsmechanismus über seine Stimme. Auf der Schwelle stand einer der Natasha-Aspekte. Von weitem war die Identifikationsnummer am Halsband erst nicht zu erkennen. »Kommen Sie herein«, bat Ken Dra. Die Frau hatte ihre langen, roten Haare hochgesteckt. Über dem eng anliegenden dunkelblauen Overall trug sie einen weißen Kittel. »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Natasha. Ken beschrieb eine vage Geste, die den Aspekt erneut aufforderte, ganz einzutreten. Natasha Drei kam dem Wunsch nach, wahrte jedoch Distanz und blieb in der Nähe des Eingangs stehen. »Was gibt es denn?«, fragte der Schwertträger. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er in das Gesicht der Frau blickte. Anscheinend wusste sie nicht, mit welcher Nachricht sie beginnen sollte. Als sie dann ansetzte, bestätigten ihre Worte, dass sie mehr als eine Neuigkeit für sie hatte. »Eigentlich ... eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen gute Nachrichten zu bringen. Aber auf dem Weg hierher erhielt ich einen Notruf von der DEVIL'S EYE. Mel ist zusammengebrochen.« »Was?«, riefen Ken und Tanya wie aus einem Munde.
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»Es geht ihm soweit gut«, beschwichtigte Natasha. »Ein kleiner Herzinfarkt ... der allerdings durch eine Hiobsbotschaft verursacht wurde.« Der Aspekt beschrieb die Situation, wie sie sich in der Nullsphäre darstellte. Ken Dra setzte sich wieder, während er die Worte in sich aufsog. Anfangs befürchtete er, sie müssten mit neuen Verlusten rechnen, doch als klar wurde, dass keine Menschenleben auf dem Spiel standen, atmete er tief durch. »Wir haben die Evakuierung der Nullsphäre veranlasst«, schloss Natasha ihren Bericht. Tanya fuhr sich durch ihr Haar. »Das hat uns gerade noch gefehlt. Können deine Leute die Sphäre rechtzeitig verlassen?« Der Aspekt nickte. »Und das Nullzeitwesen?« »Soweit ich Mel verstanden habe, stirbt es nicht, sondern zieht nur weiter.« Gut, dachte Ken Dra. Wenigstens keine weiteren Toten. Dann fragte er laut: »Was ist mit den Zerstörern? Irgendeine Chance, sie da rauszukriegen, ehe die Sphäre kollabiert?« »Unsere Leute bei den Bauarealen nehmen Umwege in Kauf, um einige der Zerstörer zu bergen. Aber die Kontraktion der Sphäre nimmt von Sekunde zu Sekunde zu. Sie soll bereits auf ein Lichtjahr Durchmesser geschrumpft sein.« »Wie viele Zerstörer werden wir retten können?« Natasha zuckte die Achseln. »Hundert, vielleicht hundertzwanzig. Wir kämpfen gegen die Zeit. Wenn die Nullsphäre erst einmal kollabiert ist, gibt es für die Aspekte in den Bauarealen kein Zurück mehr.« Ken Dra ließ die Schultern hängen und vergrub sein Gesicht in die Hände. Einhundert von 250 Millionen. Quire hätte das vorhersehen müssen und die Zerstörer-Armada nicht in der Nullsphäre verstecken dürfen. Hier draußen kam ohnehin niemand vorbei, er hätte die Schiffe genauso gut im Leerraum zwischen den Galaxien parken können. Jetzt war ihr stärkstes Angriffspotenzial verloren. Mit den 715 Zerstörern, die an den Stadtschiffen angedockt waren und vielleicht einhundert weiteren, die aus der Nullsphäre geborgen werden konnten, würden sie Scardeen niemals die Stirn bieten können. Alles umsonst, Quire, alles umsonst. »Was ist mit der guten Nachricht?«, fragte Tanya. Ken Dra hörte die Worte kaum. Er fragte sich, was das alles noch für einen Sinn machte. Sie verstrickten sich in einen galaktischen Krieg und am Ende würde es doch nur auf das gleiche Ergebnis wie bei Prissaria hinauslaufen. Irgendwann stand Scardeens Flotte über Cloudgarden – und ob die Legion Hogas-Bakterien einsetzte oder ein globales Bombardement aus dem Weltraum startete, machte dann keinen Unterschied mehr. »Wir haben es bisher nicht geschafft, die Funktionsweise des Schwertes von Ken Dra zu ergründen.« Der Schwertträger blickte auf. Das sollte eine gute Nachricht sein? »Ebenso wenig ist es uns gelungen, die Weihestätte zu replizieren. Wir haben ein Team nach Gernah geschickt und den dortigen Altar geborgen und nach Cloudgarden gebracht.« »Sie haben ...« Kens Gedanken wirbelten. Das war wirklich etwas Positives. Er dachte nicht an eine Entweihung uralter Reliquien, sondern sah den praktischen Nutzen. Wenn sich die Weihestätte auf Cloudgarden befand und funktionierte, dann konnte er seine Klinge zu jeder Zeit aufladen. Und weitere Schwertträger rekrutieren. »Sie funktioniert?« Natasha lächelte. »Nun, wir nehmen es an, aber wir hatten noch keine Gelegenheit das zu testen. Das sollten Sie tun, denken Sie nicht auch?« Mit einem Ruck war Ken aufgesprungen. Seine trüben Gedanken schienen wie fortgewischt zu sein. Zumindest war es ihm gelungen, sie in die hinterste Ecke seines Bewusstseins zu verbannen. Tanya hatte vollkommen Recht. Er musste etwas unternehmen. Das Ergebnis des
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letzten Einsatzes war deprimierend gewesen, dennoch schöpfte er jetzt neue Hoffnung. Er konnte die Kaste der Schwertträger wieder ins Leben rufen und damit den Grundstein für den Kampf gegen Scardeen legen. »Ich werde die Weihestätte gleich morgen früh testen.« Das Lächeln Natashas wurde breiter, als hätte sie gar keine andere Antwort erwartet. »Ich werde dem Stab und Mel Bescheid geben.« Ken wandte sich Tanya zu. »Und danach fliegen wir gemeinsam nach Mazoni.« »Das freut mich, dass du dich doch noch entscheiden konntest.« Sie umarmte ihn, küsste ihn flüchtig auf die Stirn und verließ das Quartier zusammen mit Natasha. Ken Dra öffnete die Blenden vor den Fenstern und ließ das strahlende Tageslicht Cloudgardens in die Suite fluten. Er trat hinaus auf den Balkon, ignorierte die kühle Luft und stützte sich am Geländer ab. Zwei Skybikes flogen über ihm Patrouille. Von der Oberfläche schoss ein Manta-Jäger hinaus in die Wolken. Sein Ziel mochte einer der Zerstörer sein, die im Orbit des Planeten kreisten. Ken Dra sog tief die frische Luft in seine Lungen. Trotz der Fehlschläge bei Fassiet und der Nachricht über den Kollaps der Nullsphäre fühlte er sich wie neugeboren. Dann beschäftigte er sich in Gedanken mit der Frage, wer der nächste Schwertträger sein könnte. Als er für sich eine Entscheidung getroffen hatte, wusste er, dass Mel Quire sich dagegen aussprechen würde. Aber in diesem Fall hatte der Bürgermeister kaum ein Mitspracherecht. Φ Ein dumpfes Grollen ließ den Boden erzittern. Vereinzelt rieselten kleine Eissplitter und Schnee von der mit Stalaktiten besetzten Felsdecke der Höhle. Eine frische Brise wehte durch die scheinbar endlos verzweigenden Tunnelsysteme im ewigen Eis unter der Oberfläche Cloudgardens. Für einen Augenblick fragte sich Simon McLaird, ob der Donner natürlichen Ursprungs war. Vielleicht handelte es sich jedoch auch um einen Effekt, den Mel Quire bewusst eingebaut hatte, um die mystische Atmosphäre der Höhle zu unterstreichen. Soviel zu Theatralik, dachte Simon. Zu beiden Seiten der Tunnelwände waren in regelmäßigen Abständen Halterungen angebracht worden, in denen Fackeln mit hellblauen Flammen loderten. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Simon, dass der Schein nur eine technische Spielerei war. Vermutlich eine perfekte holografische Darstellung von Flammen. Dennoch spendeten die Energiezellen in den Halterungen genügend Licht, um sich in der Höhle zurechtzufinden und auch ein wenig Wärme. Neben Simon gingen Sherilyn, die Amazonen Kardina und Tanya sowie zwei Aspekte. Ihre Schritte knirschten auf dem mit Schnee bedeckten Boden. Der Tunnel mündete in eine größere Höhle, deren Decke sich in vielleicht zwanzig Metern Höhe befand. Das Felsgestein wurde von blauen Strahlern beleuchtet. Schattenfiguren tanzten im Schein des Lichtes. Alles nur Show! Simon entdecke Ken Dra vor einem altarähnlichen Gebilde. Er erkannte den Schrein mit den Ornamenten und Verzierungen sofort wieder, denn er hatte ihn bereits auf dem Asteroiden Gernah gesehen. Etwas abseits des Altars saß Mel Quire in einem Schwebesessel. Neben ihm befanden sich sein Sohn Hal sowie zwei Aspekte in weißen Kitteln, dahinter Natasha Eins. Nach seinem Infarkt hatte man ihm anscheinend einen kurzen Ausflug genehmigt, um der Zeremonie beizuwohnen. Hal Quire machte einen steifen Eindruck. Nach seiner Rettung aus dem scardeenischen Gefängnis auf Maisuht schien er sich noch nicht ganz damit abgefunden zu haben, seinen Vater und seine Schwester Kardina um sich zu haben – ganz zu schweigen die millionenfachen Abbilder seiner toten Mutter in Form der Natasha-Aspekte. Das Kom an Simons Handgelenk fiepte. Er blieb stehen, ließ die Frauen an sich vorbei
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schreiten und hob das Sprechgerät dann an den Mund. »McLaird?« »Lieutenant Harris hier«, drang die leicht verzerrte Stimme aus dem Miniaturlautsprecher. »Ich bin zusammen mit unserem Evakuierungsteam am Sammelpunkt. Die Nullsphäre kollabiert immer schneller. Soweit ich weiß, sind bisher dreißig Zerstörer herausgebeamt worden.« »Gebeamt?« »Na ja, ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll. Sobald die Rumpfbesatzung an Bord war, verschwanden die Schiffe einfach aus der Nullsphäre und rematerialisierten im Orbit Cloudgardens. Ich hab mich schon gefragt, wie die die Biester durch das kleine Loch kriegen wollen.« »Jetzt wissen Sie es. Versuchen Sie so viele Zerstörer wie möglich zu bergen – aber riskieren Sie dabei keine Verluste. Wenn die Sphäre zusammenbricht, nimmt jeder seine Beine in die Hand und raus da!« »Verstanden. Harris Ende.« Simon gesellte sich zu den anderen. Er nickte Ken Dra kurz zu und begrüßte Quire mit einem Handschlag. »Geht es bei Ihnen wieder, Doc?« Der Bürgermeister von Cloud City runzelte die Stirn. »Ein wenig schwach noch. Und meine Ärzte«, er deutete mit dem Kinn auf die beiden Aspekte in den Kitteln, »haben mir nur für eine halbe Stunde Ausgang gewährt. Das reicht gerade, um dem hier beizuwohnen. Sie haben mit Harris gesprochen?« »Ihnen entgeht aber auch nichts.« »Meine Ohren funktionieren noch sehr gut.« Quire lächelte. »Also, sagen Sie schon, Simon.« Seufzend gab McLaird den Bericht Harris' weiter an die anderen. Dabei verfinsterten sich die Mienen der Aspekte und des Bürgermeisters dermaßen, dass Simon fast glaubte, sie würden ihm die Schuld für die katastrophalen Zustände in der Nullsphäre geben. Quire blickte auf zu Natasha Eins. »Ich muss noch einmal mit ihr reden.« Die Frau schüttelte energisch den Kopf. »Das ist viel zu gefährlich, Mel. In wenigen Stunden wird nicht mehr viel von der Nullsphäre übrig sein. Ich kann dich unmöglich dort hineinlassen.« »Aber ich muss mich von ihr verabschieden!«, beharrte der Bürgermeister. »Kommt nicht in Frage«, sagte Natasha, »ich habe niemals etwas von dir verlangt, Mel, aber was du vorhast, grenzt an Wahnsinn!« Lange sah er in das kopierte Gesicht seiner verstorbenen Frau, als suche er ein Zeichen, eine Bestätigung, dass sein Vorhaben richtig wäre. Dann wanderte sein Blick zu seinem Sohn Hal und ein hart entschlossener Ausdruck funkelte in seinen Augen. »Nichts und niemand, wird mich davon abhalten, von meiner Frau Abschied zu nehmen. Und nun fahrt mich in die Sphäre. Sofort.« Die Zeremonie schien er ganz vergessen zu haben. Ehe Natasha Eins noch einmal protestieren konnte, stellte sich Hal Quire hinter den Schwebestuhl seines Vaters und bediente die Kontrollen. Das Gefährt setzte sich in Gang. Die beiden Aspekte in den weißen Kitteln folgten ihnen. Simon sah den beiden Quires hinterher. Er konnte es dem Alten nicht verübeln, dass er auf seine Weise Abschied von seiner verstorbenen Frau nehmen wollte. Dabei ist sie schon längst tot gewesen. Verrückt. Ken Dra ließ sich durch den überhasteten Aufbruch nicht ablenken. Er nickte Simon zu und drehte sich dann in Richtung Altar um. Er kniete nieder und begann unverständliche Worte zu murmeln, die von den Translatorringen nicht übersetzt wurden. Simon fühlte sich an jene Situation vor einem Jahr auf dem Asteroiden Gernah zurückerinnert, als Ken Dra dort von Jee
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A Maru die Weihe eines Schwertträgers empfing. »Massuhr, he a riis, ko lar sso cuhr ... fassum gher hu sa ...« Kens Worte verklangen, und mit dem letzten Ton erschallte ein gewaltiges Donnern, das alle Winkel der Höhle ausfüllte. Mitten aus dem Nichts schoss ein gleißender Lichtstrahl auf Simon, hüllte ihn ein und zog ihn durch die Luft auf den Altar zu. Wahnsinn, aber das geht mir zu schnell, dachte Simon, doch ehe er laut protestieren konnte, drückte ihn eine unbeschreibliche Kraft buchstäblich in die Knie. Der Druck lähmte ihn, hinzu kamen stechende Schmerzen, die sich in seinen Kopf bohrten und sich von dort aus durch seinen Körper fraßen. Seine Nervenzellen wehrten sich. Simon konnte nicht mehr klar denken. Er war ein Klumpen Schmerz, mehr nicht. Vor seinen Augen, die ihm nicht mehr gehorchten, zog ein Nebelschleier vorbei. Dahinter drängte sich eine Lichtflut, die ihn blind machte. Voller Panik wollte er schreien, aber wo war sein Mund? Sein Zeitgefühl hatte sich verflüchtigt. Wie von weit her drangen Stimmen an seine Ohren. Ihr Dasein brachte eine unglaubliche Hitze in seinen Kopf. Simon, gleich ist es vorbei, halte durch, sagte eine Stimme. Hey, Alter, diesmal krieg ich dich, knurrte Nashs Stimme in seinem Kopf, der immer heißer wurde. David und Goliath. Komm, wir verschwinden auf die Damentoilette, lockte Sherilyn. Simons Schädel schien in Flammen zu stehen und drohte zu explodieren. Deine Witze waren auch schon mal besser, höhnte Ken Dra. David und Goliath. Die Nullzeitsphäre schrumpft auf Null. Die Nullzeitsphäre schrumpft. Null. Halte durch, Simon, dachte er mit Jee A Marus Stimme. Die Flammen explodierten. Dann war es vorbei. Erschöpft und zitternd fand sich Simon McLaird auf dem kalten Boden wieder. Er röchelte, würgte Schleim hoch und spuckte mehrmals. Eine Welle der Übelkeit brandete in ihm hoch. Nur mühselig schluckte er sie hinunter, um sich nicht erbrechen zu müssen. Die Gedanken und Worte hallten in seinem Bewusstsein nach. Er sah die damit einhergehenden Bilder noch deutlich vor seinem inneren Auge. Sherilyn im Hick up in ihrem verlockenden Minikleid. Calvin Nash bei ihrem gemeinsamen Motorradrennen. Mel Quires zuckendes Augenlid. Eine Heerschar von gleich aussehenden Frauen. Verdammt, was ist passiert?, dachte er. David und Goliath? Was haben die in meinem Kopf zu suchen? »Simon?« War das Sherilyn? Er versuchte sich auf den Klang der Stimme zu konzentrieren, doch es misslang ihm kläglich. Schwerfällig hob er den Kopf. Ihm war, als hätte jemand ein Zentnergewicht um seinen Hals gehängt. Zwischen vor Tränen verschwommenen Schleiern sah Simon Ken Dra vor dem Altar. Schaffst du es? schien sein Blick zu fragen. Simon kniff die Augen zusammen, schleppte sich nach vorn bis zum Fuße der Steintreppe vor dem Altar. Er öffnete die Lider und erblickte es. Das Schwert! Es sah Kens Schwert sehr ähnlich – eine breite, lange Klinge aus silbrigem Metall. Der Griff erschien befremdlich, dessen Stange lief halbkreisförmig zum Knauf hin zu. »Nimm das Schwert, Simon Thomas McLaird, Schwertträger!«, rief Ken Dra mit feierlicher Stimme. Simon richtete sich auf. Er war noch immer benommen. Langsam torkelte er auf den Altar zu und nahm das Schwert auf. Als der Griff in seinen Händen lag, fühlte er eine ungeahnte
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Frische durch seinen Körper pulsieren. Der Druck, der Schmerz und die Erschöpfung verschwanden, als wären sie nie da gewesen. »Dein Schwert ist jetzt aufgeladen, falls es erschöpft ist, kennst du das magische Wort«, sagte Ken, aber es war mehr eine Frage, denn eine Feststellung. Simon nickte. Er kannte das Wort, obwohl er es vorher nicht hätte aussprechen können. Zusammen mit Ken verließ er den Altarbereich. Der andere Schwertträger wies ihm den Weg zu einer Kammer, die Quire in die Felswand der Höhle einbauen ließ. Dort fand er die schwarze Montur und die weißen Stiefel eines Schwertträgers vor. Simon kleidete sich um und kehrte zu den anderen zurück. Hinter dem Kraftfeld erwartete ihn Sherilyn. Sofort musste er an die Worte David und Goliath denken. »Du hattest Schmerzen«, sagte sie leise und presste ihre Wange an seine. »Nicht der Rede wert«, meinte Simon und konnte schon wieder grinsen. »Aber hey, dein Outfit sieht sexy aus.« Sherilyn deutete auf den eng anliegenden Anzug. Simon lächelte abwesend. Denn noch immer hallte in seinem Kopf eine Stimme nach. Besorgt runzelte er die Stirn. »Sagen dir David und Goliath irgendwas?«, fragte er Sherilyn und beobachtete ihren Gesichtsausdruck. »Wie bitte?« Sie starrte ihn entgeistert an, als wüsste sie genau wovon er sprach. Sie machte den Eindruck, als frage sie sich, woher er davon wusste. »Vergiss es. Es war absurd, dich danach zu fragen.« Sherilyn blickte sich um. Sie wartete, bis die Aspekte sowie Kardina und Tanya Simon gratuliert hatten, dann zog sie ihn beiseite. Als sie allein im Höhlengang waren grinste der frischgebackene Schwertträger. »Ah, kommen wir jetzt zum privaten Teil? Aber muss das hier unten in der Kälte sein?« »Normalerweise würde ich jetzt sagen, ich heize dir schon ordentlich ein«, entgegnete Sherilyn, und bei ihren Worten wurde Simons Grinsen in freudiger Erwartung breiter. Doch der Major verpasste ihm einen raschen Dämpfer. »Hör zu ... wegen David und Goliath. Ich war auf DUST, während ihr die Sklaven befreit habt.« Simons Kinnlade klappte herunter. Entgeistert starrte er Sherilyn Stone an, als sie ihm von ihrem eigenwilligen Ausflug berichtete. Als sie endete, konnte er es ihr nicht einmal verübeln, denn Jee A Marus Botschaft, war zwar unverständlich aber dennoch wichtig. Sie mussten nun nur noch die Puzzleteile zusammenfügen. Simon war sich sicher, dass dies schneller geschah, als ihnen lieb sein konnte. Φ Ihre Hand streichelte über Simons unbehaarte Brust. Immer wieder küsste sie seine glatte Haut. Er spürte erneut Verlangen in sich aufsteigen. Sie im breiten Doppelbett ihres Quartiers an Bord der DEVIL'S EYE und gaben sich der Ruhe nach einem hitzigen Liebesspiel hin. Simon hatte die Augen geschlossen, genoss Sherilyns Berührungen und durchlebte in Gedanken noch einmal den Akt, den er nie zuvor so intensiv erlebt hatte. Nach der Weihe erschien ihm alles klarer. Offenbar funktionierten seine Sinne präziser als vorher – als hätte die Energie des Altars einen Sektor seines Gehirns aktiviert, der vorher brach gelegen hatte. Sherilyns Hand glitt tiefer, ihr Griff wurde fordernder. Simon machte eine abwehrende Handbewegung. Auf einmal wusste er, dass irgendetwas nicht stimmte. »Was ist denn mit dir los, Cowboy? Hat dich das Schwert so geschwächt?«, fragte sie verschmitzt. »Oder war ich das?« Er öffnete seine Lider und blickte direkt in Sherilyns grüne Augen, die er von Anfang an
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geliebt hatte. »Ich möchte nur ein wenig allein sein«, sagte er und wusste, dass er sich früher eher die Zunge abgebissen hätte, als ihr eine Abfuhr zu erteilen. Er rechnete mit einem typischen Weiber-Wutausbruch. Aber Sherilyn blieb gelassen und lächelte ihn an. »Das verstehe ich doch, Simon. Es ist eine Menge passiert. Mit uns ... ist eine Menge passiert.« Sie gab ihm einen übertrieben schmatzenden Kuss auf die Wange und stand auf. Das war ganz und gar nicht die Reaktion, mit der er gerechnet hatte. Was war hier los? Mit offenem Mund beobachtete er sie, wie sie ihre Reizwäsche anzog. Wie sie sich bückte und die schwarzen Seidenstrümpfe vom Fußboden aufhob. Wie sie sich auf den Bettrand setzte, um mit eleganten Bewegungen die Strümpfe von den Füßen bis zu den Oberschenkeln hoch zu rollen. Vielleicht sollte ich sie doch nicht einfach so gehen lassen? Aber der gleichgültige Gesichtsausdruck in Sherilyns Gesicht hielt ihn davon ab. So verhielt sich keine liebende Frau. Simon wurde schlagartig bewusst, dass sie ihn nicht liebte. Nie geliebt hatte. »Bis später«, verabschiedete sich Sherilyn. Ihre schlichten Worte hinterließen mehr als nur einen schalen Geschmack. Simon fühlte sich plötzlich ausgenutzt. Benutzt. Sherilyn hatte sich einen Morgenmantel über die Wäsche gestreift und die Suite verlassen. Wohin, wusste Simon nicht. Als sie fort war, erhob er sich und ging mit einer großen Leere im Kopf zur Balkontür. Er öffnete die Verriegelung und trat hinaus auf die Plattform, die direkt an die Suite angrenzte. Kühle Nachtluft empfing ihn und ließ seinen noch von Schweiß bedeckten Körper frösteln. Simon blickte hinauf in den dunklen Himmel. Am Horizont war die Milchstraße aufgegangen und tauchte mit dem Licht ihrer hundert Milliarden Sterne das Firmament in einen eigenartigen Glanz. Obwohl er schon seit über einem Jahr auf Cloudgarden wohnte, nahm er heute das Leuchten ganz anders wahr, als vorher. Wieder gab er der Weihe zum Schwertträger dafür die Schuld. Irgendetwas war mit ihm geschehen, hatte ihn empfänglicher gemacht für ... ja, wofür eigentlich? Die Kälte ignorierend starrte er lange Zeit in den Himmel zur Galaxis hinauf. Er meinte, die Sterne zu ihm sprechen zu hören. Doch er verstand ihre Worte nicht. Noch nicht. »Simon?« Er fuhr nicht zusammen. Sein Unterbewusstsein hatte das Summen der Türglocke gehört, doch er hatte nicht reagiert. Auch die Annäherung der Amazone hatte er wahrgenommen. Unheimlich! Warum hat mir Ken Dra davon nichts gesagt? »Simon«, wiederholte Kardina und tippte ihm auf die Schulter. »Du wirkst so geistesabwesend ...« »Kardina, was hältst du vom Schicksal?« Die Amazone schien sich darüber zu wundern, dass Simon über ihre Anwesenheit nicht überrascht war. »Schicksal?«, fragte sie, als kenne sie das Wort nicht. Doch dann machte sie eine abfällige Handbewegung. »Wenn es ein Schicksal gibt, dann sollte es mal in den Spiegel schauen!« »Hm ... sich selbst begegnen ...«, überlegte Simon laut, »... ja, das ist es. Ich danke dir, Kardina!« Der neue Schwertträger lächelte und drückte der verdutzten Frau einen Kuss auf die Wange. »Geht es dir auch wirklich gut, Simon?« Kardina runzelte die Stirn. »Nein, nicht wirklich. Sherilyn, die Scardeener, die Sklaven ...«, zählte er langsam auf. »Ich habe den Eindruck, es geht nicht voran, sondern alles dem Ende zu.« »Du siehst das zu schwarz, mein Lieber«, sagte Kardina, »genau wie Ken. Tanya hat sich mir anvertraut und ... jedenfalls fliegen wir morgen nach Mazoni. Kommst du mit?« Simon schüttelte seinen Kopf. Nur für einen Moment grübelte er darüber nach, was Ken und
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die beiden Amazonen auf dem Planeten wollten, doch dann wieder schien ihm die Sache klar zu sein, als hätte er Kardinas Gedanken gelesen. »Nein, ich kann nicht. Kapitän Yukor sagte, die Sklaven sollten nach Korana IV gebracht werden. Jemand muss sich dort umsehen.« »Ja, möglicherweise hast du Recht. Es ist trotzdem schade, dass du nicht mitkommst.« Simon hob die Schultern und wandte sich ab. In Gedanken versunken betrachtete er wieder die Sterne und hörte ihren Gesängen zu. Ihm war es gleich, ob er sich dies einbildete oder ob sie wirklich zu ihm sprachen. Was machte es schon für einen Unterschied, wenn er so der Wahrheit ein Stück näher kam? Er fühlte förmlich, wie sich Kardina enttäuscht zurückzog. Selbst das kümmerte ihn im Moment nicht. Er war frei. Dank Sherilyn. Er war so frei, dass ihn seine Gedanken weit weg tragen konnten ... viel weiter, als Kardina je geahnt hätte. Weiter, als er es selbst ahnte. Φ Sie waren zu fünft und kämpften sich mit den ihnen eigenen Waffen durch das dichte Unterholz und Gestrüpp. Während es sich die beiden Amazonen nicht nehmen ließen, von ihren Klingen Gebrauch zu machen, sengte hin und wieder ein Laserstrahl aus den Gewehren der Shadow-Soldaten durch das Blattwerk und schaffte so eine rauchende Bresche. Immer wieder kreischten Waldbewohner auf, flohen durch das Dickicht. Geflügelte Kreaturen stoben von Ästen durch die Baumkronen in den Himmel. Prinzessin Tanya hatte die Führung übernommen und ließ ihr Schwert immer wieder kreisförmig durch Schlingpflanzen und dichte Farnansammlungen sausen. Direkt hinter ihr befanden sich Ken Dra, Kardina sowie die beiden Shadow-Soldaten Sergeant Jones und Corporal Mitch Lucas. Jones gehörte schon zum ersten Trupp, der seinerzeit die FREEDOM erobert hatte, und hatte das Enterkommando mit schweren Verletzungen überlebt. Seither zierte eine hässliche Brandnarbe seine Wange. Lucas indes war erst vor kurzem rekrutiert worden, als Familienangehörige der Schatten von der Erde nach Cloudgarden gebracht wurden. Tanya blieb stehen und seufzte. Seit mehr als zwei Stunden arbeiteten sie sich schon durch das Dickicht, um ein verborgenes Amazonendorf zu finden. Aus der Luft war es nicht auszumachen, die Bordinstrumente der Raumjacht lieferten nur unzureichende Daten. Einen Landeplatz gab es auch nicht in der Nähe. »Wie weit noch?«, fragte Kardina schwer atmend. »Ich bin zwar gut in Form, aber so einen Gewaltmarsch direkt durchs Unterholz haben wir seit Jahren nicht mehr hinter uns gebracht.« »Ganz meine Meinung, Ma'am«, pflichtete Jones ihr bei. Tanya sah Ken Dra an. Der Schwertträger ließ sich nicht anmerken, wie erschöpft er war – ob überhaupt. Wahrscheinlich sorgte die Technik seines Schwertes dafür, dass er weniger beansprucht wurde als die anderen. »Wenn ich richtig liege, dann hinter dieser Baumgruppe.« Tanya deutete nach vorn. Statt einen Kommentar abzuwarten, ging sie weiter. Die andere folgten ihr. Nach gut einhundert Metern traten sie aus dem Dickicht hervor und gelangten auf einen Pfad. Der schmale Weg schlängelte sich durch die Baumgruppen und führte zu einer Lichtung. Jedenfalls nahm Tanya das zuerst an, doch als sie näher kamen, sah sie, warum die Ortungsgeräte aus der Luft nichts angezeigt hatten: Nur der Boden war freigeräumt worden, um für ein paar Hütten und eine Feuerstelle Platz zu machen. Rundherum bildeten die Bäume mit ihrem dichten Blattwerk ein nahezu undurchdringliches Dach, durch das nicht einmal das Sonnenlicht durchkam. Dementsprechend düster war es im Dorf auch. Nur spärlich vorhandenes Licht drang durch
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die Büsche und Bäume. »Gut versteckt«, raunte Kardina Tanya zu. »Ich weiß gar nichts von dem Dorf.« »Eine alte Zuflucht«, sagte die Prinzessin. »Sieh nur, wie geschickt der Rauch von der Feuerstelle abgelassen wird.« Tanya deutete auf eine Stahlkonstruktion, die über der Feuerstelle schwebte und in ein Rohr mündete. Dieses führte, von Seilen an den Ästen der Bäume gehalten bis zum Brunnen in der Mitte des Dorfes und dort hinein in eine Senke neben der Wasserquelle. Die Amazonen leiteten den Rauch direkt ins Erdreich. Tanya gab ihren Gefährten ein Zeichen. Sie rückten näher heran und traten mit kampfbereiten Waffen ins Freie. Die Amazonen im Dorf trugen ihre Lederharnische. Tanya erkannte Frauen, die ihr früher dienten, aber auch viele aus Königin Lasarias Einheiten. Jones und Lucas schlichen sich geduckt an eine Hütte heran, um die anderen mit ihren Lasern zu decken. Ein verräterisches Geräusch, ein knackender Zweig ließ einige der Dorfbewohnerinnen auffahren. »Prinzessin Tanya!«, rief eine der Amazonen laut aus, ließ den Eimer, den sie zum Wasserschöpfen aus dem Brunnen gehievt hatte, wieder fallen und rannte den Ankömmlingen mit ausgestreckten Armen entgegen. Tanya schob ihr Schwert in die Scheide und schloss die Schwester in die Arme. »Perie!« Sie drückten sich, drehten sich einmal im Kreis, ehe sie sich wieder voneinander lösten und eine Zeitlang einfach nur ansahen. »Was tun Lasarias Kriegerinnen hier«, fragte Kardina leise, das Schwert noch immer in den Händen haltend. Perie blickte sie verständnislos an. Dann lachte sie plötzlich. »Seit eurer Flucht von Mazoni ist einiges geschehen. Meine Güte, wie lang ist das jetzt her.« »Über ein Jahr«, sagte Tanya. »Was ist geschehen?« Perie wich ihrem Blick aus und sah zu Boden. In der Zwischenzeit gesellten sich andere Amazonen zu der Gruppe, begrüßten Tanya und Kardina und begegneten den Männern mit Misstrauen und Vorsicht. Unter den Frauen waren auch Kriegerinnen, die loyal zu Königin Lasaria standen. Tanya ignorierte ihr mulmiges Gefühl und schloss diese ebenso herzlich in die Arme, wie ihre eigenen Anhängerinnen. Dann wandte sie sich wieder Perie zu. »Es ist drei oder vier Wochen her ...« Tanya bedeutete Sergeant Jones und Corporal Lucas, die Waffen wegzustecken. Auch Ken Dra ließ sein Schwert mit dem Mossar-re-Befehl wieder verschwinden. Die Gruppe ging weiter ins Dorf hinein und versammelte sich um den Brunnen. Wasserkaraffen und Trinkbecher wurden an Tanya und die anderen weiter gereicht. »Die Scardeener kamen mit Landungsbooten. Sie verstießen gegen den Befehl des Rates und landeten auf Mazoni. Wir dachten erst, sie wollten uns einen Auftrag überbringen, doch die Legionäre fielen plötzlich über uns her, verschleppten einige von uns in die Wälder und vergewaltigten sie. Wir wollten uns wehren, aber Königin Lasaria hielt uns ab und fragte beim Rat auf Scardeen nach. Keine Entschuldigung ... keine Antwort. Wir töteten die Legionäre und schickten ihre Boote zusammen mit ihren abgeschlagenen Köpfen über Autopilot nach Scardeen.« »Was?« Kardina warf Tanya einen warnenden Blick zu. Perie nickte. »Ich weiß, das war ein Fehler. Sie werden kommen und ein Vergeltungskommando schicken. Lasaria sagte sich von Scardeen los. Wir warten hier und werden kämpfen.« Tanya legte Perie eine Hand auf die Schulter. »So weit muss es gar nicht erst kommen. Wir haben Schiffe mit denen wir euch evakuieren können.« Perie sah hoffnungsvoll auf. Ein Raunen ging durch die Reihen der anderen Amazonen. Binnen kürzester Zeit löschten sie das Feuer und machten sich zum Abmarsch bereit.
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Gemeinsam kehrten sie durch den Wald zu Tanyas Raumjacht zurück. Den Rückweg schafften sie in weniger als einer Stunde. Als sie das Schiff erreichten, gingen sie sofort an Bord. In der Kommandozentrale ließ sich Tanya in ihren Sessel fallen und gab Kardina den Befehl, das Schiff zu starten und Königin Lasarias Schloss anzufliegen. »Sergeant Jones, rufen Sie Cloudgarden und fordern Sie einen Zerstörer an. Der dürfte ausreichen, um alle Amazonen herauszubringen.« »Aye, Ma'am.« Ken Dra hockte sich neben Tanyas Sessel nieder. »Du meinst, wir können ihnen vertrauen?« Die Prinzessin nickte. »Es sind meine Schwestern, Ken. Bevor ich mich von Lasaria lossagte, waren wir alle befreundet. Und wenn die Scardeener ihnen das angetan haben, dann wird auch Lasaria nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzen. Das Wohl ihrer Frauen stand immer an erster Stelle.« Der Schwertträger presste die Lippen zusammen, richtete sich auf und setzte sich neben Kardina an die Kontrollen. »Dann hoffen wir mal, dass der Zerstörer hier eintrifft, ehe die Scardeener da sind.« Die Triebwerke der Raumjacht brüllten auf. Das Schiff schoss senkrecht in den Himmel, ging dann in einen horizontalen Flug dicht über die Baumwipfel über und steuerte die Koordinaten des Amazonenschlosses an. Φ Der Anblick durch das Panoramafenster war überwältigend. Wenn man sich ganz dicht an die Titanstahlverglasung stellte und so jedes störende Element aus seinem Gesichtsfeld aussparte, hatte man beinahe das Gefühl, man stünde allein in der Unendlichkeit des Weltalls. Vor und neben sich nur Sterne. Helen Dryer genoss die Aussicht und überlegte, ob sich nicht auf der Oberseite ihres Schiffes eine Stelle fand, an der man eine Beobachtungskuppel errichten konnte, in die sie sich nach Belieben zurückziehen konnte, um die Sterne zu beobachten. Sicherlich verstieß solch ein Nachrüsten gegen Dutzende von Bauverordnungen des scardeenischen Militärs – aber das interessierte sie nicht. Schließlich war sie Kommandantin des Schlachtschiffes MAGIRUNA und Rasarah des Scardeenischen Wissenschaftsrates. Zumindest solange meine Mission erfolgreich ist, dachte sie und wandte sich vom Brückenfenster ab. Sie marschierte mit auf dem Rücken verschränkten Händen an den Reihen ihrer Kommandooffiziere vorbei zu ihrem persönlichen Sessel und ließ sich darin nieder. Im Gegensatz zu Sealdric war ihr keine Frist gesetzt worden. Dennoch würde sie die Suche nach dem Planeten DUST nicht ewig hinauszögern können. Aber andere Ziele, wie die Entdeckung der Erde oder der geheimen Basis Shadow Commands, würden sie im Ansehen des Rates ebenso aufsteigen lassen. Deshalb hatte sie es zu ihrem Primärziel erklärt, Sealdric zuvorzukommen, um selbst die Lorbeeren zu ernten. Dass der Rat Sealdric hinrichtete, wenn er binnen der Frist von zwölf Monaten versagte, nahm sie gerne in Kauf. Der Bewahrer stand ohnehin nicht mehr auf ihrer Seite. Wenn es nach ihm ging, wäre Helen längst getötet worden. Deine Frist ist bald um. In der Tat hatte Sealdric kaum mehr als einen Monat, ehe er wieder zum Rat nach Scardeen zitiert wurde und Rechenschaft ablegen musste. Die Aussichten, auch nur eine seiner Aufgaben zu erfüllen, standen denkbar schlecht. Erst vor wenigen Tagen hatte die scardeenische Flotte eine Schlappe bei Fassiet hinnehmen müssen. Sealdric war der Spur laut offiziellen Berichten des Marinenachrichtendienstes nachgegangen, doch sie führte nur ins Leere. Aus dem Trümmerhaufen, der bei dem Gefecht hinterlassen worden war, ließen sich keine Rückschlüsse über die Herkunft der Angreifer ziehen.
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Wer hoch hinaus will, fällt oft tief. Beinahe hätte Helen über ihre eigenen Gedanken gelacht. Sie selbst verfolgte die gleichen hochtrabenden Ziele wie Sealdric, nur ging sie die Sache von einer anderen Seite her an. Während Sealdric mit aller Macht und der halben Sternenflotte versuchte, die Koordinaten der Widerständler ausfindig zu machen, begnügte sich Helen mit kleineren Erfolgsmissionen innerhalb des Scardeenischen Reiches und sammelte zwischendurch Informationen über Shadow Command und ihre Angriffe. Natürlich waren auch ihre Scouts bei Fassiet gewesen und hatten in den Wracktrümmern nach Spuren gesucht. Gleichzeitig hatte sie den überlebenden Kommandanten des Schlachtschiffes VOHLAGRIN aufgesucht und nach der Angriffsstrategie des Gegners befragt. Sie näherte sich langsam aber sicher ihrem Ziel und würde dem Feind zunächst kleine Wunden zufügen. Und sie lief dabei nicht gegen die Zeit an, wie Sealdric. »Rasarah, wir haben den Funkspruch eines Zerstörers aufgefangen!« Der Captain der MAGIRUNA, ein schlanker Mann in Helens Alter, salutierte übertrieben vor ihr, obwohl er ihr an diesem Tag schon mehrmals über den Weg gelaufen war. »Ich höre«, entgegnete Helen kühl. »Ein Kommandotrupp ist auf der Assassinenwelt Mazoni gelandet und hat die Amazonen überfallen. Königin Lasaria hat offizielle Beschwerde beim Rat eingelegt und Genugtuung verlangt, die jedoch abgewiesen wurde.« Helen runzelte die Stirn und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Und Sie meinen, das wäre interessant für uns?« Der Captain presste die Lippen aufeinander. Anscheinend schluckte er eine spöttische Antwort herunter. Noch immer hatten sich einige Offiziere an Bord nicht damit abgefunden, eine Frau von der Erde als Vorgesetzte – noch dazu als Bewahrerin – zu haben. Niemand hatte die Entscheidung des Rates, Helen Dryer in den Stand einer Rasarah zu heben, nachvollziehen können. Offiziell stellte auch niemand diesen Beschluss in Frage. Doch Helen sah, wie einige damit innerlich zu kämpfen hatten. »Mit Verlaub, Rasarah«, sagte der Captain. »Ich sehe da eine Verbindung zu den Rebellen. Wenn die Amazonen nicht mehr die Rückendeckung des Rates haben, werden sie praktisch zu Freiwild. Anscheinend wurde der Verbotsstatus um Mazoni aufgehoben und das Reich benötigt die Dienste ihrer Assassinen nicht länger.« Helen schürzte die Lippen und nickte bedächtig. »Ich verstehe. Sie glauben, Königin Lasaria könnte sich an ihre früheren Feinde wenden und sich gegen Scardeen stellen.« »So wie ihre Tochter«, pflichtete der Captain ihr bei. »Ich schlage Mazoni als nächstes Operationsziel vor, Rasarah. Unser Gegner wird dort auftauchen.« Die Vermutung des Kommandanten mochte gar nicht mal so abwegig erscheinen. Soweit Helen wusste, hatte sich Prinzessin Tanya seinerzeit mit einigen ihrer Schwestern vom Scardeenischen Reich abgewandt, weil man mit deren Meuchelmethoden nicht mehr einverstanden war. Jetzt besaßen Lasaria und die anderen Frauen ebenfalls keinen Grund mehr zu Scardeen zu halten. Es war einen Versuch wert. Entweder kamen McLaird und seine Freunde tatsächlich nach Mazoni, oder sie machten mit der MAGIRUNA nur einen Bewegungsflug. Zumindest war dies die heißeste Spur, die Helen momentan besaß. »Setzen Sie einen Kurs nach Mazoni, Captain. Aber springen Sie nicht direkt ins System. Wir nähern uns mit Schleichfahrt.« »Aye, aye, Rasarah!« Erneut salutierte der Mann und wandte sich zu seinem Ersten Offizier um, der seine Befehle an die Brückencrew und Mannschaften weitergab. Helen hoffte, dass ihr Captain Recht behielt. Wenn sie McLaird in die Hand bekam, war sie Sealdric weit voraus. Φ
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Die SOLARIA raste mit aktivierten Prallfeldern auf die wüste Oberfläche des fremdartigen Planeten nieder. Besorgt blickte Simon McLaird auf die Messinstrumente. Die Luftfeuchtigkeit war gleich Null, die Temperaturen kletterten auf ein Maß, das selbst einen Saunagang wie einen sibirischen Winter erscheinen ließ. »Willkommen in der Hölle«, murmelte Simon, deaktivierte das automatische Landeverfahren und übernahm selbst die Kontrollen der Raumjacht, die Mel Quire ihm geschenkt hatte. Dafür fing er sich einen fragenden Blick seiner Begleiterin ein. »Nervös?«, fragte Natascha Drei und nickte mit dem Kinn in Richtung der Instrumente. »Mein zweiter Vorname ist Nervosität. Oder war es der dritte? Egal, ich muss mich etwas abreagieren, ehe ich in den Glutofen steige.« Während des Landeanflugs beobachtete Simon die Daten, die der Computer über einen Monitor ausgab. Der Planet war als zweiter Planet des Gussara-Systems katalogisiert und trug keinen eigenen Namen. Er wurde schlichtweg als Gussara II bezeichnet und befand sich noch weiter vom Zentrum der Milchstraße entfernt als die Erde – irgendwo weit draußen im selben Spiralarm. Aber er gehörte noch zum Scardeenischen Reich. Die Wüstenwelt war vor mehreren Jahrzehnten von den Scardeenern erobert worden. Sie besaß keine eigenen Sauerstoffförderer, sondern war im Zuge eines Terraforming-Projektes erst mit einer atembaren Atmosphäre ausgestattet worden. Seither hatten sich laut Datenbank jedoch nur wenige scardeenische Siedler hier niedergelassen. Sie lebten in ein paar Dörfern, die es nicht Wert waren, als Städte bezeichnet zu werden. McLairds Raumjacht setzte auf einem der drei Landefelder des winzigen Raumhafens auf. Raumplatz wäre wohl treffender, dachte Simon, als er aus den Fenstern spähte und seinen Blick über die wenigen Gebäude schweifen ließ: Ein einzelner Funkturm, ein niedriger Pavillon mit Aufenthaltsraum und eine Werkstadthalle waren die einzigen Bauwerke hier. In der Ferne erkannte Simon einen Gebirgszug, unerreichbar ohne Schiff oder Gleiter. Rund um den Raumhafen existierte nur Sandwüste. Bis zum nächsten Dorf waren es siebzig Kilometer. Merkwürdige Baumethoden. Simon konnte es sich nur so erklären, dass die Anwohner den Kontakt mit Neuankömmlingen scheuten und deshalb so weit weg vom Raumhafen gebaut hatten. »Willst du nicht doch lieber noch etwas mitnehmen?«, fragte Natasha, als Simon sich aus dem Pilotensessel herhob und zum Ausgangsschott wandte. Der Leitstand der Jacht glich einem Flugzeugcockpit, geräumiger als das einer Boeing 747, aber bei weitem nicht so groß wie die mehrsitzige Kommandozentrale von Tanyas Raumjacht, die um einiges größer als die SOLARIA war. »Ich denke, ich habe alles«, sagte Simon. »Mein Schwert, ein wenig Geld ...« »Ich meinte es anders.« »Oh, ob ich dich mitnehmen will?« Der Aspekt nickte. »Es ist gefährlich. Und du kennst dich im Scardeenischen Reich nicht besonders aus.« »Du auch nicht, Mädchen.« Natasha lächelte. »War einen Versuch Wert, oder?« »Ja ... aber ich denke, allein kann ich vielleicht eher etwas herauskriegen.« »Pass auf dich auf, McLaird.« Simon verließ das Schiff und hielt die Luft an, als ihm draußen die brütende Hitze ins Gesicht schlug. Er konnte kaum atmen. Seine Augen brannten und begannen zu tränen. Schnell schritt er aus dem Bereich der Landeplattform und suchte den Schatten des Vordachs. Hinter ihm war das Sirren der umgepolten Prallfelder zu hören, die die SOLARIA in den Himmel katapultierten. Simon drehte sich um und starrte dem rasch kleiner werdenden Punkt so lange nach, bis der Hauptantrieb gezündet wurde und die Jacht nicht mehr zu sehen war. Er
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fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Jetzt war er auf sich allein gestellt. Allein auf einem fremden Planeten unter einer fremden Zivilisation. Außer Maisuht und Mazoni hatte er bisher noch nicht viel von scardeenischen Welten zu sehen bekommen – und letzterer Planet war auch kein Maß für das Reich. Wird schon schief gehen, sagte er sich, drehte sich um und betrat das Raumhafenterminal. Der Innenraum war spartanisch eingerichtet. Ein paar Wartebänke, eine Tür, die zu einer Toilette führte, ein Getränkeautomat und ein Tresen waren alles, was Simon erblickte. Hinter die Theke hatte man einen menschenähnlichen Roboter gesetzt. In seiner Metallkonstruktion wirkte er wie ein verchromter Ritter. Nicht ganz die Zylonen, aber nahe dran, dachte Simon und schmunzelte über die Ähnlichkeit der Maschine mit irdischen Fernsehproduktionen. Der Schwertträger ging auf den Tresen zu. Er hatte sich einen knielangen Poncho über die schwarze Kampfmontur geworfen. Zwar glaubte er nicht, dass das gemeine scardeenische Volk einen Schwertträger erkannte, aber er würde sich ohnehin tarnen müssen, wenn er in die dichter besiedelten Regionen des Reiches vorstieß. »Guten Tag!« Fast hätte Simon aufgelacht, als der Roboter ihn mit einer schnarrenden Stimme begrüßte, die ihn noch mehr an die Zylonen erinnerte. »Schade, dass dir das rote hin und her tanzende Auge fehlt.« »Wie bitte?« »Schon gut«, sagte Simon McLaird. »Spuckt der Automat auch Traijim-Limonade aus?« »Selbstverständlich.« Die Stimme des Roboters klang nicht emotional. Simon bildete sich den Vorwurf in dem einen Wort vermutlich ein. »Ich brauche eine Passage nach Korana IV.« Etwas klackte. Vermutlich nahm der Robot zum Zentralrechner Verbindung auf, um den aktuellen Stand der Flugpläne abzurufen. »In einer Stunde geht das wöchentliche Postschiff nach Kossik«, sagte die Maschine schließlich. »Von dort aus können Sie einen Flug nach Korana buchen.« »Kann ich das Ticket hier kaufen?«, fragte Simon. »Nein, beim Piloten des Postschiffes. Zweihundert scardeenische Krediteinheiten.« Simon nickte, schlenderte zum Getränkeautomaten hinüber und warf Geldchips in den dafür vorgesehenen Schlitz. Die Traijim-Limo war lauwarm, nicht kalt, wie er es von Cloudgarden gewohnt war. Er setzte sich auf eine Bank, schlürfte an dem Kunststoffbecher und wartete. Aus Sicherheitsgründen führte er nur Bargeld bei sich. Kreditkarten waren im Scardeenischen Reich mit den ID-Cards der Bürger gekoppelt. Den Aufwand, eine komplette Identität für ihn zu fälschen, hatten sie nicht betrieben, weil Simon der Spur nach Korana folgen wollte, solange sie noch heiß war. Nach einer halben Stunde rauschte ein Gleiter heran, der die Post der wenigen Siedler Gussaras eingesammelt hatte. Der Gleiterpilot trug einen runden Behälter herein, nickte Simon kurz zu und zog sich aus dem Automaten einen verdünnten Drabitsch. Simon verzog angewidert die Mundwinkel. Noch zu deutlich erinnerte er sich an seinen Vollrausch nach dem Konsum des Gebräus. Nachdem der Gleiterpilot gegangen war, zog sich die nächste halbe Stunde wie zähes Leder. Doch Simon wurde erst nach weiteren anderthalb Stunden von der Warterei erlöst. »Das Postschiff wurde soeben angekündigt, Sir«, meldete sich der Roboter hinterm Tresen. Simon seufzte, stand auf und ging direkt nach draußen, wo eine eiförmige, ziemlich zerbeulte Schiffseinheit gerade auf dem sandigen Boden aufsetzte und soviel Staub aufwirbelte, dass es Simon zum Husten reizte. Die Hitze raubte ihm abermals den Atem und brannte ihm in den Lungen. Aus zusammengekniffenen Augen musterte der Schwertträger das Postschiff. Es war nicht größer als ein irdischer LKW – die Beulen rührten vermutlich
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von eingeschlagenen Meteoriten her. Wahrscheinlich verfügte das Schiff nur über schwache Abwehrschirme. Seitlich öffnete sich eine Schleuse. Im Eingang erschien ein Mann, der eine alte, klappbare Leiter aus dem Rumpf zu Boden ließ. »Ah, ein Passagier!«, rief er durch den noch durch die Luft wirbelnden Sand. »Hallo!« Simon wartete, bis der Captain ausgestiegen war und auf ihn zukam. Er wirkte ziemlich abgehalftert, trug zerschlissene Kleidung und stank nach Schweiß. »Ich bin Captain Habrice«, stellte er sich vor. Simon ergriff seine Hand. »Nennen Sie mich Simon.« »Wohin soll's gehen?« Habrice zog sich die Schirmmütze vom Kopf, fuhr sich über das feuchte, verklebte Haar und blickte an Simon vorbei ins Flugterminal. »Kossik. Wie lange brauchen Sie?« »Zwei Tage«, sagte Habrice, ließ Simon stehen und marschierte in den Warteraum. Kurz darauf erschien er wieder mit dem Postbehälter in den Händen. »Ich muss noch Post von drei anderen Planeten abholen, ehe ich Kossik erreichen kann. Wollen Sie dort bleiben? Sie sehen nicht gerade aus, als wollten Sie dort Abenteuerurlaub machen.« Simon schüttelte den Kopf. »Nein, ich fliege weiter nach Korana IV.« Habrice runzelte die Stirn. »Ah, zum Sklavenmarkt, hm? Vergessen Sie's. Ein Transportschiff mit den besten Sklaven wurde von Rebellen überfallen. Was jetzt dort als Ware angeboten wird, ist minderwertig.« Simon unterdrückte mühsam seinen Zorn. Rebellen, das sah man in ihnen also. Und um die versklavten Menschen scherte man sich im Scardeenischen Reich einen Dreck. Fast war er versucht, Habrice an die Kehle zu springen und ihm zu zeigen, was er von seiner Anschauung hielt, doch er hielt sich zurück. »Gibt es eine Möglichkeit von einem der drei anderen Planeten nach Korana zu fliegen?«, fragte er stattdessen. »Nein, das sind Randwelten wie diese hier.« Habrice marschierte zu seinem Schiff hinüber. Simon folgte ihm einfach. »Kossik ist eine größere Welt und besitzt einen interstellaren Raumhafen. Von dort aus können Sie jeden Punkt im Reich anfliegen.« Der Captain verfrachtete den Postbehälter im Schiff, kletterte dann umständlich die Leiter hoch und registrierte mit einem zufriedenen Grunzen, dass Simon ihm hinterher kletterte. Als sie oben im engen Passagierraum, der gerade mal vier Fahrgästen auf unbequemen Sitzen Platz bot, ankamen, drehte sich Habrice zu Simon um. »Zweihundert, aber das hat Ihnen die Blechbüchse da drinnen sicherlich schon verklickert, oder?« Simon McLaird nickte, zückte die Kunststoffchips und reichte sie dem Piloten. Es roch muffig an Bord, nach abgestandener Luft. Anscheinend funktionierte die Luftregenerationsautomatik nicht einwandfrei. »Toilette ist dort hinten. Bad gibt es nicht, aber ein Waschbecken, wenn Sie sich frisch machen wollen. Wenn Sie schlafen, stellen Sie die Sitze einfach in Liegeposition. Zu Essen kann ich Ihnen nur Snacks anbieten, aber wir können bei den nächsten drei Zielen eine Rast einlegen, wenn sie dort was essen wollen.« Habrice verschwand im Cockpit und ließ Simon zurück. Der Schwertträger atmete tief durch und überlegte, ob es wirklich notwendig war, diesen Umweg für seine verdeckte Mission in Kauf zu nehmen. Vielleicht hätte er mit der SOLARIA direkt Korana IV oder zumindest Kossik anfliegen sollen. Müde ließ er sich in einem der Sitze nieder und wartete auf den Start. Φ
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Die letzten beiden Shuttles starteten vom Schlosshof aus und schossen in den Himmel Mazonis hinauf. Sie gaben durch ein Flügelwackeln zu verstehen, dass alles in Ordnung war und schlossen sich dem Fährenpulk an, der bereits in der Luft auf sie wartete. Der Schwarm setzte sich ab und verschwand bald aus dem Sichtbereich der Zurückgebliebenen. »Das waren alle«, sagte Königin Lasaria, die zusammen mit ihrer formellen Tochter auf dem Wehrgang ihres Prunkschlosses stand und die Evakuierung der Amazonen beaufsichtigte. Tanya nickte und sah ihre Mutter an. Sie waren etwa gleichaltrig. Der familiäre Status, die rechte Hand der Amazonenkönigin, ihre Tochter zu nennen, war nur eine Tradition. Lasaria hatte nicht einmal entfernte Ähnlichkeit mit Tanya. Sie war hellblond, ihre geschwungene Nase ein augenscheinliches Merkmal, und körperlich eher von knabenhafter Statur. Nur ihre Brüste wollten nicht so recht ins Bild passen. Tanya wusste, dass die scardeenischen Chirurgen hier nachgeholfen hatten, um Lasarias Status als Repräsentantin eines Frauengeschlechts besser in Szene zu setzen. »Sieht so aus, als hätten wir Glück gehabt.« Lasarias Blick begegnete dem Tanyas. Ihr Stirnrunzeln zeigte deutlich, was sie von der Bemerkung ihrer Tochter hielt. »Wir haben alles aufgegeben, was wir hatten. Unser ganzes Leben, unsere Prinzipien, die Kultur, die wir hier seit Jahrhunderten pflegten. Wir haben die Sache verraten, an die wir einst geglaubt haben. Und es beschämt mich, dass ich das nicht eher gesehen habe, dass ich damals nicht auf dich gehört habe. Viele unserer Schwestern mussten sterben, als wir deine Burg vor einem Jahr angriffen. Das hätte alles vermieden werden können, wenn ich viel eher klar gesehen hätte.« Tanya legte der Königin eine Hand auf die Schulter. »Jetzt lässt es sich nicht mehr ändern. Lass uns in die Zukunft sehen. Von Cloudgarden aus werden wir zurückschlagen und der Scardeenischen Legion, dem ganzen Rat den Kampf ansagen.« Lasaria presste die Lippen aufeinander und nickte. Die Blicke der beiden Frauen trennten sich. Tanya wandte sich um und schritt voran zum Abstieg des Wehrgangs. Sie dachte an den Empfang vor einigen Stunden, als sie zusammen mit den anderen hier eintrafen. Lasaria hatte sie trotz aller früheren Diskrepanzen herzlich empfangen. Wie in alten Tagen, als sie noch auf derselben Seite standen. Doch jetzt kam die Trauer über die Vergangenheit zum Ausbruch. Die Königin zeigte selten ihre Gefühle, selbst ihrer Tochter gegenüber. Aber Tanya hatte erkannt, wie verbittert Lasaria über die alten Kämpfe war, die unter den Amazonen ausgebrochen waren, als sich Tanya mit ihren Frauen gegen Scardeen stellte. Die beiden erreichten den Schlosshof, auf dem nur noch Tanyas mantaförmige Raumjacht stand. Vor der Rampe warteten Ken Dra, Kardina und Sergeant Jones auf die Amazonenführerinnen. In der Kommandozentrale bereitete Corporal Lucas bereits den Start vor. Kaum, dass Tanya und Lasaria die anderen erreicht hatten, stürzte Lucas aus dem Eingang und beschrieb mit beiden Händen undefinierbare Gesten. »Die Fähren sind sicher in den Hangars der EXECUTOR gelandet, aber unsere Langstreckenabtaster haben ein einzelnes scardeenisches Schlachtschiff geortet, das in der Nähe Mazonis aus dem Hyperraum gesprungen ist!« Tanya blickte alarmiert zu Ken Dra. Der Schwertträger nickte nur. »Die EXECUTOR soll sich auf nichts einlassen!«, befahl Tanya. »Sofort über die Fluchtsprungkoordinaten nach Cloudgarden zurückkehren.« »Aye, Ma'am.« Lucas verschwand wieder im Inneren der Jacht. Tanya blieb neben Ken und Kardina stehen, die beide den Himmel absuchten. »Was meint ihr? Schaffen wir es noch?« »Ich fürchte nein«, sagte Ken Dra. »Da kommen sie bereits!« Ein plötzliches Aufbrausen, dann jagte eine Formation stromlinienförmiger Jagdmaschinen über ihre Köpfe hinweg. Tanya zählte ein halbes Dutzend. Sie flogen eine Schleife und
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kehrten zurück. Die automatischen Verteidigungssysteme des Schlosses begannen zu feuern. Ihre Blitze stachen bei wilden Ausweichmanövern ins Leere. »Nichts wie weg hier!«, rief Sergeant Jones. »Keine Chance! Mossar!« Ken griff nach seinem Schwert. Die Amazonen zogen ihre Waffen. Jones' Blick irrte zwischen den vorbeijagenden Raumjägern und der Rampe der Jacht hin und her. Schließlich zog er sich das Lasergewehr von der Schulter und entsicherte es. »Ach, Scheiße!« Im selben Moment ertönte eine Detonation. Das Haupttor zum Schlosshof verging im Strahleninferno einer Protonengranate. Als sich der Rauch verzog, sahen die Gefährten im Hintergrund ein scardeenisches Landungsboot. Der Vorbeiflug der Jäger war ein Ablenkungsmanöver, um die Kommandoeinheiten sicher abzusetzen! Zwanzig, vielleicht dreißig in grau-schwarzen Panzermonturen gekleidete Legionäre stürmten durch den freigelegten Zugang in den Schlosshof. Erstes Laserfeuer drang auf Tanya und die anderen ein, wurde vom unsichtbaren Energiefeld von Ken Dras Schwert reflektiert und fegte zu den Scardeenern zurück. Zwei Legionäre fielen. Ein Dritter hielt sich den verletzten Schenkel. Der Vormarsch der Scardeener kam ins Stocken. Unsicher verteilten sie sich vor dem Eingang, hielten die Mündungen ihrer Gewehre weiter auf Tanya und die anderen gerichtet, wagten jedoch nicht, weiterzuschießen. »Die Jungs lernen schnell, was?«, fragte Ken mit einem Augenzwinkern in Tanyas Richtung. »Lass bloß die Sprüche! Ich bin froh, dass McLaird nicht hier ist.« Die Amazone umklammerte den Griff ihres Schwertes mit beiden Händen. Sie wusste, dass sie die Scardeener nicht ewig täuschen konnten und überlegte, ob es nicht besser war Jones' Rat zu folgen und sofort mit der Jacht zu starten. »Ihr Idioten!« Die Stimme war weiblich, kam Tanya nicht einmal bekannt vor, doch als sie die andere Frau in der blauen Robe einer Bewahrerin im gesprengten Toreingang sah, wusste sie sofort, wen sie vor sich hatte. Ken und Simon hatten oft genug von ihr gesprochen. »Helen Dryer!« Der Schwertträger presste den Namen wie einen Fluch hervor. Die Ex-CIA- und Shadow-Agentin warf ihnen einen kurzen Blick zu und brüllte dann die Legionäre an. »Nur der Schwertträger ist geschützt! Tötet die anderen!« Ehe sie zu Ende gesprochen hatte, richtete Ken Dra bereits seine Klinge auf die Gegner und legte am Griff einen Schalter um. Ein lang gezogener Energiestrahl fuhr in die Reihen der Scardeener und mähte die Soldaten nieder. Einige warfen sich in Deckung, erwiderten das Feuer im Liegen. Salven bohrten sich in den Boden, verdampften die Erde. Etliche Blitze prallten gegen den Rumpf der Jacht und hinterließen geschwärzte Narben an ihrer Außenhaut. Kardina stürmte mit einem Schrei vorwärts, während Laserblitze haarscharf an ihr vorbei zuckten. Ein kurzer Sprint, ein Sprung und sie war mitten unter den Feinden und begann unter ihnen zu wüten. Ihre Klinge kreiste mit tödlicher Präzision. Zwei Legionäre ließen ihr Leben, dann folgten Tanya und Lasaria ihrem Beispiel und griffen ein. Die Amazonen waren schnell und gründlich. Kaum jemand der Scardeener kam dazu, bei dem irren Tanz der Schwertfrauen eine Waffe anzulegen und einen Schuss abzugeben. Als doch jemand feuerte, befand sich das Ziel nicht mehr in der Schusslinie. Die Amazonen streckten jeden nieder, der sich ihnen in den Weg stellte, verschonten auch nicht die, die fliehen wollten. Ein Legionär hob schützend sein Gewehr über den Kopf, doch Lasaria zertrennte den Lauf mit ihrer Klinge und hieb den Stahl durch den Helm des Gegners, bis er ihm den Schädel spaltete. Schreie hallten durch den Schlosshof. Blut befleckte das Pflaster. Aus sicherer Distanz schoss Jones auf die Scardeener. Auch Corporal Lucas beteiligte sich am Kampf und nutzte eine der Bordkanonen der Jacht. Aus dem Rumpf fuhr ein Zwillingslauf aus, schwenkte in Richtung der Angreifer und verschoss drei Energiestöße, die eine Seite der
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Schlossmauern in Schutt und Asche legte. Mehrere Legionäre wurden unter dem Gestein begraben. Tanya kämpfte wie eine Furie, verließ sich auf ihre Waffenschwestern Kardina und Lasaria. Gegenseitig deckten sie sich den Rücken und setzten den Scardeenern mit ihren Klingen zu. Die Prinzessin führte einen Schwertstreich gegen eine Legionärin, der sie entwaffnete. Ein seitlich angebrachter Hieb löste die Schnallen des Brustpanzers. Die Klinge bohrte sich kurz in weiches Fleisch. Tanya ignorierte den gequälten Schrei und wirbelte zum nächsten Gegner herum. Sie sah, wie Lasaria über einen Soldaten hinweg setzte und ihm von hinten das Schwert in die ungeschützten Lendenwirbel stach. Kardina befreite sich aus dem Griff eines Gegners, fuhr herum und hieb ihm unterhalb des Helmansatzes den Kopf vom Körper. Sie wollte sich dem nächsten Legionär zuwenden. Doch da war niemand mehr! Fast dreißig Leichen lagen quer über den Schlosshof verstreut, teilweise von Laserblitzen getötet, der Großteil von Schwerthieben dahingerafft. Nur Helen Dryer stand noch in der Nähe des Tores und hatte den Ausgang des Kampfes anscheinend in aller Seelenruhe abgewartet. Wie kaltblütig das Miststück sein muss, dachte Tanya. Ken hat bei ihrer Beschreibung nicht übertrieben. Kardina reagierte und sprang auf Helen zu. Die Klingen kreuzten sich, dann folgte ein kurzer aber heftiger Schlagabtausch. Beide Frauen drängten sich gegenseitig zurück, begannen sich langsam zu Umkreisen, als könnten sie so eine Schwachstelle ihres Gegenübers ausloten. Dann setzte Kardina ohne Vorwarnung nach. Helen wich zur Seite aus, führte ihre Klinge mit einem eleganten Streich gegen Kardinas ungeschützten Bauch. Die Amazone schrie nicht. Sie wankte, machte einen Schritt nach vorn und schlug dann der Länge nach zu Boden. »Kardina!« Tanya rannte los. Ken wollte sie zurückhalten, doch sie ignorierte seine Rufe. In blinder Wut warf sie sich der Bewahrerin entgegen und hieb mit ihrem Schwert auf Helen ein. Die Klingen berührten sich kurz. Helen setzte zurück. In diesem Augenblick fegte ein Blitz dicht vor der Bewahrerin in den Boden. Kochender Lehm wurde aufgewirbelt. Ein leichtes Beben, ausgelöst von der Wucht, mit der die Plasmaenergie in das Erdreich fuhr, riss die beiden Frauen von den Füßen. Helen Dryer rollte sich über den Boden ab. Ein hoch gesprengter Pflasterstein des Schlosshofes traf sie an der Schulter. Tanya hatte mehr Glück. Aber als sie wieder auf die Beine kam und sich ihrer Gegnerin stellen wollte, hielt sie plötzlich inne. Helen hatte sich halb aufgerichtet, streckte ihr Schwert vor und berührte einen Auslöser an der Waffe. Die Griffstangen stellten sich parallel zur Klinge, und ihre beiden Endkugeln lösten sich mit einem klackenden Geräusch. »Verdammt!« Ken versuchte sich zwischen Tanya und die heranflitzenden Bälle zu stellen, doch die von Helen fern gelenkten Waffen waren schneller. Eine Kugel raste zur Prinzessin heran, die andere schwirrte an ihre vorbei. Tanya riss reflexartig ihr Schwert nach oben, zerteilte den runden Winzling und ließ ihn in einer Lichterflut zerspringen. Im nächsten Moment schwebten zwei der Kugeln um sie herum. Die zweite Originalkugel jagte an Ken und Sergeant Jones vorbei, die Rampe der Jacht hinauf in den Eingangsbereich. Ein Aufschrei! Dann eine Explosion aus dem Inneren des Raumers. Nur kurz darauf flitzte die Kugel wieder aus dem Schiff direkt auf Jones zu. Geistesgegenwärtig ruckte seine Schusshand hoch. Ein Laserblitz zerteilte das Angriffsgeschoss. Jetzt waren es vier Kugeln! Tanya machte einen Ausfallschritt, täuschte eine Flucht an, hieb dabei auf eine der Kugeln ein und rannte auf Helen zu. Drei der fliegenden Bälle nahmen die Verfolgung auf, während die vierte weiter Jones beschäftigte. Die tödlichen Geschosse saßen ihr dicht im Nacken, doch
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als die Amazone Helen angriff, zitterten die Kugeln in der Luft, verloren an Geschwindigkeit und fielen mit einem Mal zu Boden. »Interessant«, murmelte Tanya und holte aus. Erneut prallten die Klingen aneinander. Ein hartes Scheppern erklang, als Stahl auf Stahl schlug. Tanya hieb wie eine Berserkerin auf Helen Dryer ein, die in die Defensive gedrängt wurde. Sie wich zurück, konnte nur mit Mühe und Not die Schläge der Amazone parieren. Tanya trat nach vorn aus. Ihre Stiefelspitze bohrte sich in Helens Magengrube. Die Bewahrerin ächzte und krümmte sich, blockte einen Streich ab und versuchte zum Gegenangriff überzugehen, aber Tanya war schneller. Sie versetzte ihr einen weiteren Tritt, duckte sich unter einem Hieb weg und fegte die Gegnerin in einer gedrehten Bewegung zu Boden. Tanya kam wieder hoch, setzte sofort nach und hob das Schwert hoch über den Kopf, um Helen zu erledigen. Mit letzter Kraft stieß die Bewahrerin ihre Waffe vor. Die Klinge schoss unter Tanyas Deckung hoch zu ihrem ungeschützten Kopf und drang in ihr linkes Auge ein. Tanya schrie, ließ die eigene Waffe fallen und taumelte zwei Schritte zurück. Der Schmerz schoss ihr direkt ins Gehirn. Vor ihren Augen explodierte förmlich eine Supernova, begleitet von einem Stakkato aus Blitzen und Funken. Tanya spürte, wie ihre Knie nachgaben. Sie bemerkte Lasaria an ihrer Seite, die sie stützte. Dann versagten ihre Kräfte, und sie wurde bewusstlos. Ken Dra fluchte und umfasste den Griff seines Schwertes fester. Während er sich der Bewahrerin näherte, redete er sich im Stillen ein, dass er für die Verletzungen der beiden Amazonen verantwortlich war. Er hatte Kardina und Tanya nicht eindringlich genug vor Helen gewarnt. Es war ein Fehler gewesen, sie den Kampf unter sich ausfechten zu lassen. So gut die Amazonen auch im Umgang mit ihren Klingen waren, ein Bewahrer hatte immer noch die Technologie Scardeens zu seinem Vorteil zur Hand. Der Schwertträger packte den Griff seiner Waffe fester. Er hob sie hoch, knickte leicht in den Knien ein und war bereit, zuzuschlagen. Dennoch blieb er auf der Hut und wartete Helens Reaktion ab. »Du Miststück!« Ehe es zum Zweikampf kommen konnte war die Luft plötzlich von Blitzen erfüllt. Grünes Feuer loderte aus dem Asphalt des Schlosshofes, als sich Energiestöße wie geworfene Lanzen in das Gestein bohrten und es hoch wirbelten. Ken Dra blickte über Helens Schulter hinweg und sah draußen ein weiteres Landungsboot der Scardeener. Legionäre hatten eine tragbare Kanone auf eine Lafette montiert und tauchten das Schloss in einen Strahlenregen. Felsen wurden aus der Mauer gesprengt. Zwei der automatischen Abwehrkanonen, die vor Minuten noch die Raumjäger beschäftigt hatten, explodierten in Funken- und Flammenregen. Helen nutzte Kens Unachtsamkeit aus, sprang vor und trat ihm in die Seite, beugte sich vor und stieß ihm die Faust in den Unterleib. Ken stöhnte, ging in die Knie und versuchte die Sterne, die vor seinen Augen tanzten, wegzublinzeln. Unfähig, Helen an der Flucht zu hindern, sah er ihr hinterher, wie sie über den Hof zum Ausgang stürmte. Als Helen auf der anderen Seite der mittlerweile fast zerlegten Mauer in Sicherheit war, deckte eine Strahlenkanonade das gesamte Schlossareal ein. Nur Dank der Kraftfeldaura seines Schwertes überlebte Ken Dra den Angriff. Jemand packte ihn, schleifte ihn über den Boden. Verschwommen sah er Sergeant Jones und Lasaria hinter sich. »Ich schaffe es schon«, sagte die Königin. »Decken Sie unseren Rückzug!« Jones ließ los, ging in die Hocke und legte mit dem Gewehr an. Einzelne Feuerstöße verließen die Mündung des Lasers. Zwei erfassten die Kanoniere an der Lafette. Ein dritter schlug in den Sockel der Kanone ein und schmolz ihn zusammen. Jones kam hoch, lief rückwärts auf Ken und Lasaria zu, während er weiter unablässig in die Reihen der Legionäre schoss.
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Ken Dra atmete flach und versuchte den Schmerz zu verbannen. Als Lasaria ihn in der Schleuse losließ und das Schott sich vor seinen Augen schloss, hörte er sich selbst ein leises Mossar-re sagen. Jones hastete an ihm vorbei. Ken blieb allein in der Schleuse zurück, während der Sergeant zusammen mit Lasaria die Jacht startete. Er rollte sich auf den Bauch, versuchte sich aufzurichten, doch die Schmerzen in seinen Hoden wurden nur umso schlimmer. Übelkeit wallte in ihm auf. Dann spürte er den leichten Andruck, den die Trägheitsdämpfer nicht rechtzeitig zu kompensieren vermochten. Die Raumjacht war mit einem Blitzstart ins All katapultiert worden. Φ Lächelnd nahm Captain Habrice die zweihundert Krediteinheiten in Empfang und wünschte Simon McLaird einen angenehmen Aufenthalt. Der Schwertträger verkniff sich eine Erwiderung über den katastrophalen Zustand des Postschiffes und dass man für einen Flug wohl eher Geld verlangen als bezahlen müsste. Der primitive Navigationscomputer war nur in der Lage, kurze Hyperraumsprünge zu berechnen, so dass Habrice nicht einmal direkt von Gussara zur nächsten Welt fliegen konnte. Über Umwege und mit Verspätung hatten sie schließlich Kossik erreicht. Simon verließ den Schrottkahn und blieb unten an der Rampe stehen. Der Raumhafen der scardeenischen Welt strotzte vor Aktivität. Zwar bot er keinen Vergleich zu den großen Flugzentren auf Maisuht, wirkte aber dennoch wesentlich größer als jeder Flughafen der Erde. Das Postschiff war zu einer kleinen Landezone am äußeren Rand gelenkt worden. Die Nahbereichsbuchten und Terminals blieben den großen Raumfluggesellschaften und Privatjachten vorbehalten. Am fernen Horizont erstreckten sich kuppelförmige Bauten, schraubten sich hohe Türme in den Himmel. Simon glaubte zuerst, dass es sich dabei um die am Raumhafen anschließende Stadt handeln müsste, wurde jedoch bald eines Besseren belehrt. Die Gebäude bildeten das Zentrum des Areals. Die Stadt selbst befand sich einige Meilen südlich vom Hafen und erstreckte sich über Dimensionen, die es mit manchem USCounty aufnehmen konnten. Simon wartete eine geschlagene halbe Stunde auf einen kleinen Transportgleiter. Das schwebende Vehikel erinnerte an einen Kleinbus, ähnlich jenem Gefährt, mit dem sie Mel Quire jüngst durch die Nullsphäre auf Cloudgarden geführt hatte. Es saßen bereits Passagiere an Bord. Offenbar klapperte der Gleiter alle äußeren Landezonen ab und sammelte dort nach und nach die Reisegäste ein, um sie zum Hauptterminal zu fliegen. Simon stieg ein, nickte den anderen zu und hielt nach einem freien Platz Ausschau. Der Gleiter suchte noch zwei weitere Landeplattformen auf, ehe er tatsächlich die fernen Gebäude am Horizont ansteuerte. Im gewaltigen Hauptterminal, einer einzigen Glaskuppel, die mit Menschenmassen nur so voll gestopft zu sein schien, ging Simon zuerst ins nächstbeste Restaurant. Er ließ sich die erste warme Mahlzeit seit Tagen schmecken und gönnte sich danach eine Stunde Ruhe in einer Wartezone. Zwischen fremdartigen Gewächsen, zwitschernden Flugwesen saß er in bequemen Polstern und ließ sich von den Bildern ferner Welten auf einer riesigen Hololeinwand berieseln. Fast jede namhafte Raumfluggesellschaft innerhalb des scardeenischen Reichs pries dort Pauschalreisen zu Welten mit traumhaften Buchten und Stränden oder einem sagenhaften Ausblick auf kosmische Phänomene an. Fast schon war Simon versucht, pauschal einen Flug nach Atyr VII zu buchen, als er den sternenübersäten Himmel über einem endlos langen, goldglänzenden Strand auf der Leinwand erblickte. Hinter den Dünen schloss ein Waldstück an in dessen Baumkronen man die Unterkünfte der Touristen untergebracht hatte: Frei schwebende Wohnplattformen. Drei Wochen mit Sherilyn, dachte er sich. Doch die Vorstellung schien ihm nicht mehr
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annähernd so verlockend, wie noch ein paar Tage zuvor. Seit er meinte erkannt zu haben, dass sie ihn nicht wirklich liebte. Simon erinnerte sich an den Sklaventransport, den sie vor Fossiet aufgebracht hatten. Wahrscheinlich waren einige der Bediensteten auf Atyr VII ebenfalls Leibeigene. Hier musste die Allianz von Cloudgarden ansetzen, wenn sie den Kampf gegen das Scardeenische Reich schlagen wollte. Je mehr potenzielle Sklavenwelten sie befreiten, je mehr Völker sich ihnen anschlossen, umso stärker wurden sie. Er schob seine Gedanken beiseite und begab sich zum Schalter der Garijos-Spacelines, laut Quire die drittgrößte Raumfluggesellschaft innerhalb des Reiches. Am Tresen erwartete ihn eine freundliche Dame, die den Weiterflug nach Korana buchte und ihm Bordkarte und Flugticket aushändigte. Der Flug kostete ihn fast seine ganzen Bargeldreserven. Bis zum Abflug war noch eine Stunde Zeit. Simon suchte eine der vielen Bars auf, setzte sich an die Theke und bestellte eine Limonade, die er aus Quires Rezeptsammlung auf Cloudgarden kannte. Gedankenverloren sah er über den Tresen hinweg zum großen Panoramafenster. Zwischen den hohen Türmen der Flugüberwachung stiegen hin und wieder Schiffe in den wolkenfreien, roten Himmel. Von seiner Warte aus konnte er auch zwei der anderen fünf Abflugterminals erkennen, ebensolche Kuppelbauten wie das Hauptgebäude, nur unwesentlich kleiner. Linienschiffe parkten auf Landeplattformen oder in gekennzeichneten Zonen, viele Privatraumer wurden in unterplanetaren Buchten versenkt. Aus den Augenwinkeln nahm Simon einen Schatten wahr. Er wandte sich leicht um, sah aber niemanden. Ehe er sich wundern konnte, verkündete eine Lautsprecherdurchsage den Beginn des Boardings für den Flug T-5 nach Korana IV. Simon zahlte und stand auf. Vor dem Gate passierte er eine Sicherheitskontrolle mit Detektoren. Außer dem Schwert trug er keine Waffe bei sich und hoffte, dass die Technologie der Drahusem wirklich so ausgefeilt war, die Scanner der Scardeener zu täuschen. Auf der anderen Seite des Durchgangs hielt ihn plötzlich die Stimme des Beamten zurück. »Warten Sie!« Simon blieb stehen und verkrampfte sich. Er fuhr mit der Zunge über die Lippen, bereit notfalls das magische Wort zu sprechen, das sein Schwert aktivierte. Langsam drehte er sich zu dem Beamten um. »Sie haben etwas verloren.« Der Mann bückte sich und hob eine Faltbroschüre auf, die hinter Simon auf dem Boden gelegen hatte. Sie passte zum Format der Bordkarte und schien dort herausgefallen zu sein. Aber Simon war sich sicher, dass sich keine Broschüre bei den Papieren befunden hatte, als die Angestellte der Fluggesellschaft ihm den Pass und Ticket überreichte. Um kein Aufsehen zu erregen, nahm Simon das Faltblatt an sich, schob es zwischen Flugticket und Bordkarte, bedankte sich bei dem Beamten und ging weiter zum Abfertigungsschalter. Hier stimmt was nicht. Er dachte an den Schatten, den er an der Bar gesehen hatte. Ein kurzer Blick auf die Broschüre machte ihn jedoch nicht schlauer. Es handelte sich um ein Werbeblatt für Korana IV, in das holografische Fotos und Filme eingebettet waren. Die Broschüre bestand aus einer Art Kunststoff und fühlte sich glatt an. Als er am Schalter fertig war und sich zum Verbindungstunnel des Gates begab, warf er noch einmal einen Blick zurück und sah zwei Männer, die ihn angestrengt musterten. Als sie seinen Blick sahen drehten sie sich rasch und unprofessionell weg. Viel zu auffällig. Entweder hatte er es mit absoluten Anfängern zu tun oder man wollte, dass er wusste, dass man ihn bereits im Visier hatte. Simon McLaird betrat den Zubringer. Eine Passagierkapsel innerhalb eines Röhrensystems, das jedoch nicht so ausgefeilt war, wie die Speedways von Cloud City. Mit Genugtuung stellte er fest, dass die beiden Männer, die ihn beobachteten, folgten. Sie gaben sich noch
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immer nicht sonderlich viel Mühe, sich unauffällig zu verhalten. Die Kapsel setzte sich in Bewegung, glitt durch den gläsernen Tunnel hinaus zu einem Dockterminal, an dem bereits der Passagierliner wartete. Simon ignorierte seine Verfolger, stand auf und ging weiter nach vorn, um eine bessere Sicht auf das Schiff zu haben. Das Linienschiff besaß Tropfenform, maß an die zweihundert Meter in der Länge und war in sechs Decks unterteilt. Es ruhte nicht auf seinen eigenen Landestelzen, sondern wurde von einem Antigravkissen der Dockstation in der Luft gehalten. Simon sah eine Reihe von Lichtern auf der Kommandoebene. Die Triebwerke standen in Bereitschaft. Unten auf dem Boden war Personal mit Gleitern unterwegs, um die Außenhülle nach Schäden abzusuchen. »Willkommen auf der OBANJUN«, begrüßte ihn eine Flugbegleiterin in der schmucken Fantasieuniform der Raumfluggesellschaft, als Simon zusammen mit den anderen Passagieren den Verbindungsgleiter verlassen und in einem kreisrunden Saal auf das Boarding wartete. Er reichte ihr das Ticket und die Bordkarte. »Reiseklasse«, sagte die Frau, die eine Spur zuviel Make-up aufgelegt hatte. »Folgen Sie der grünen Markierung und nehmen den Lift nach Deck B. Ihre Kabine ist die 312.« Simon bedankte sich und hielt sich an die Anweisungen. Die Kabine war klein, besaß gerade einmal ein Bett, das mehr als Koje zu bezeichnen war. Davor waren ein kleiner Tisch und ein Stuhl aufgestellt worden. Nebenan führte eine Tür zu Bad und WC. Simon dachte an seine beiden Verfolger und warf die Broschüre, die der Sicherheitsbeamte ihm gegeben hatte, einfach aufs Bett. Dann verließ er die Kabine und zog sich in eine Art Abstellraum zurück, den er zwei Türen weiter auf der anderen Gangseite fand. Er ließ die Tür einen Spaltbreit offen und wartete. Vor dem Start geschah nichts mehr. Dank der optimal kalibrierten Trägheitsdämpfer der OBANJUN bemerkte Simon den Abflug fast nicht einmal. Über die Ganglautsprecher ertönte die Stimme des Captains, der alle Passagiere herzlich an Bord Willkommen hieß und verkündete, dass man den Orbit Kossiks verlassen hätte und nun eine Sprungposition ansteuerte. Simon hatte sich vorher über die Standardprozeduren im Scardeenischen Reich erkundigt. Während die Schiffe bei Cloudgarden nur die Masse des Planeten überwinden mussten, um in den Hyperraum zu springen, waren bei den meisten bewohnten Systemen Sicherheitsabstände notwendig, um den interstellaren Flugverkehr nicht zu gefährden. Die Reise bis zum Sprungpunkt betrug bei Kossik etwa drei Stunden, wie der Captain die Passagiere wissen ließ. Eine halbe Stunde nach der Durchsage tat sich draußen auf dem Gang etwas. Die beiden Männer, die ihn zuvor schon beobachtet hatten, gingen an seinem Versteck vorbei, blieben vor Simons Kabinentür stehen und öffneten sie, ohne anzuklopfen. »Da liegt der Sender«, hörte Simon einen der beiden sagen. »Er weiß es!« Simon schob sich aus dem Abstellraum, war mit zwei Schritten bei seiner Tür und sah, wie die zwei Männer, die Wandschränke durchsuchten. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Gentlemen?« Die beiden fuhren erschrocken herum. Ihre Hände griffen unter ihre Westen und zogen Nadelstrahler hervor. »Keine Bewegung!«, sagte der größere der Eindringlinge. »Darf ich euch wenigstens für eure Show applaudieren?« »Klappe halten! Los, reinkommen und Tür zu!« Simon machte einen Schritt nach vorn und schloss hinter sich die Tür. Er behielt die Waffenmündungen im Auge. »Ich gebe euch einen guten Rat ...« »Halt endlich die ...« »Mossar!« Ein stecknadeldünner Strahl blitzte heran, prallte an der Kraftfeldaura des Schwertes ab und jagte senkrecht in die Kabinendecke. Simon griff nach dem Schwert, das
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neben ihm in der Luft hing. »Hoffentlich haben wir da oben niemanden geweckt.« Die beiden Männer sahen sich überrascht an. Sie schossen erneut, erzielten jedoch nur das gleiche Ergebnis. Simon richtete die Klinge auf die beiden. In diesem Moment flog die Tür auf und krachte in Simons Rücken. Er stürzte nach vorn, drehte sich im Fallen und wollte das Schwert auf den Angreifer richten, doch da klirrte Metall gegen seine Klinge und prellte sie ihm aus der Hand. Auf der Türschwelle stand ein Mann in blauer Robe. In seinen Händen hielt er ein Schwert, das Simons nicht unähnlich war. Die Spitze der Klinge drückte gegen Simons Hals. »So sieht man sich wieder, Mister McLaird«, sagte Sealdric mit einem zufriedenen Lächeln. Φ Das Landungsboot jagte mit einem schrillen Triebwerksgeräusch durch die Atmosphäre und gewann rascher an Höhe, als es die Konstrukteure je vorgesehen hatten. Immer wieder warf der Pilot einen nervösen Blick zu den Warnleuchten am Instrumentenpult. Schweiß perlte auf seiner Stirn als er zu Helen zurückblickte. In seinen Augen lag ein Flehen, dass sie ihren Befehl wieder zurücknahm und er das Boot normal weiterbeschleunigen konnte, doch die Bewahrerin dachte nicht im Traum daran. Die Beute durfte ihr nicht entwischen. Es war schon peinlich genug, dass Shadow Command in der Lage gewesen war, mit dem Zerstörer die Amazonen zu evakuieren. Wenn jetzt auch noch ihre Königin und der Schwertträger entkamen, hatte sie auf ganzer Linie versagt. Sie musste endlich Erfolge verbuchen, ehe Sealdric es wirklich schaffte, seine Ziele in der vom Scardeenischen Rat gesetzten Frist zu erfüllen. »Passieren Stratosphäre«, teilte der Navigator mit zittriger Stimme mit. Das Landungsboot vibrierte bei den überlasteten Triebwerken. Helen hielt sich am Sitz des Piloten fest, dachte nicht daran, das enge Cockpit zu verlassen und sich im Personenraum einen Sitz zu suchen. »Haben wir Kontakt zur MAGIRUNA?« »Ja, Rasarah. Die Raumjacht hat den Orbit Mazonis verlassen.« Helen beugte sich vor, um die Sensorendisplays zu sehen. Sie roch den Angstschweiß des Piloten förmlich und spürte, wie er bei ihrer Nähe zusammenzuckte. Er fürchtete sie. Gut, soll er. »Unsere Raumjäger haben eine Spur«, sagte der Pilot. In der Art der Betonung schwang die Frage mit, ob er nun endlich das Tempo drosseln konnte. Aber Helen hielt an ihrem Befehl fest. Es galt Stärke vor ihren Leuten zu zeigen und dazu gehörte auch der Beweis, dass sie wusste, was sie tat. Sie wollte so schnell wie möglich zu ihrem Schlachtschiff zurückkehren, um persönlich den Angriff auf die fliehende Raumjacht zu koordinieren. Noch ehe das Landungsboot auf dem Hangarboden der MAGIRUNA aufsetzte, verkündete die Brücke, dass man den Gegner eingekreist hatte. Φ Er konnte seinen Körper nicht bewegen. Ganz gleich, wie sehr er sich auch anstrengte, die Muskeln wollten nicht seinem Willen gehorchen. Und dennoch spürte er jedes einzelne Glied, fühlte den Schmerz in seinen Knochen. Sämtliche Nervenbahnen sendeten ununterbrochen ein stechendes Signal an sein Gehirn, sagten ihm, dass er eigentlich längst tot sein müsste. Aber er lebte. Simon McLaird versuchte den Kopf zu drehen. Es gelang ihm nicht. Er konnte nur geradeaus sehen, direkt auf die Tür, die jeden Moment aufschwingen mochte und seinen Peiniger hereinließ. Er befand sich in einem verdunkelten Raum. Die Wände schimmerten metallisch. Von der Decke drang diffuses Licht zu ihm herab, zu dunkel, um mehr als Schemen im Raum erkennen zu lassen. Das Einzige, was er mit bestimmter
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Sicherheit identifizieren konnte, war die Hirnsonde, die unablässig um seinen Kopf schwirrte, ihn mit Stromstößen, feinen Nadelstrahlen oder mit Drogen malträtierte. Das kleine Etwas war etwa tennisballgroß und mit spitzen Dornen, einem Morgenstern ähnlich, übersät. Bisher waren Simon keine Fragen gestellt worden – zumindest erinnerte er sich an keine. Er vermutete, dass die Scardeener längst das von ihm besaßen, was sie haben wollten. Ein Trugschluss. Die Tür ging auf. Wie erwartet betrat Sealdric die Folterkammer, ging direkt auf Simon zu und blieb dann etwa zwei Schritte vor ihm stehen. »Morgen.« »Ist es ... Morgen?«, fragte Simon schwach zurück und wunderte sich, dass er die Lippen auseinander bekommen hatte. Vielleicht hatte er die Frage auch nur gedacht. Er wusste gar nichts mehr. Nur Schmerzen, unsägliche Schmerzen. Bilder drängten sich in seinen Verstand, überlagerten die Wirklichkeit. Visionen. David und Goliath. Höllenschlund! Ein schriller Ton vibrierte in seinem Geist. Unerträglich! Angst. Simon erinnerte sich plötzlich an nichts mehr. Er sah Sealdric nicht mehr, sah nicht den Raum in dem er sich befand, sondern fühlte nur eine unbeschreibliche Leere um sich ... in sich. WOBINICH? WOHINGEHEICH? WERBINICH? Er schrie. So laut und lange, bis er seinen Körper wieder spürte. So kräftig, dass seine Stimmbänder mit einem Stechen versagten, fast als würden sie zerreißen. Simon blieb in den Ketten hängen. Er fühlte sich ausgelaugt, nur noch wie eine leere Hülle, deren letztes Quäntchen Leben man ausgesaugt hatte. Alles was er wollte, war schlafen. Schlafen. Sterben. »Ich denke, er ist soweit.« Die Stimme drang von weit her zu ihm vor. Er meinte Sealdric darin zu erkennen. Vage erinnerte er sich an die Hirnsonde, die ihm all die Pein bereitet hatte. Er war froh, dass es vorüber war. Mehr hätte er niemals ertragen. »Wir sprechen heute von Koordinaten, McLaird«, sagte Sealdric. Seine Worte klangen dumpf durch seinen Kopf. Sie waren verzerrt, als spräche der Bewahrer sie unter Wasser. Dennoch verstand Simon sie. »Koordinaten.« Das Wort hallte in seinem Verstand wider. Hundertfach. Simon hatte das Gefühl als befände er sich unter einer gewaltigen Glocke, die von einem riesigen Klöppel geschlagen wurde. Der Hall vibrierte in seinem Inneren, versetzte seinen Geist in Schwingungen und schien ihn aus dieser Realität herauszureißen und in alle Winde zu zerstreuen. »Nennen Sie mir die Koordinaten ihrer geheimen Basis. Den Namen kennen wir ja bereits. Cloudgarden. Ich will die Position der Drahusemwelt Dai Urshar Senekar Tarmalis und den Anflugvektor Ihres Heimatplaneten, der Erde.« Simon hörte die Namen, aber sie bedeuteten ihm nichts mehr. Es waren nur Namen, leere Bezeichnungen, Dinge. Und nach der schrecklichen Tortur war er bereit, Sealdric alles zu verraten – damit endlich die Schmerzen verebbten. Damit die Bilder der Hölle aus seinem Kopf verschwanden. Simon keuchte. »Cloud ... garden ...« »Ja?« Sealdric beugte sich näher zu ihm. Sein Atem schlug Simon ins Gesicht, doch er
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spürte ihn nicht einmal. Eine Ziffernfolge aus Koordinaten kam über die Lippen des Schwertträgers. Er hörte sich selbst sagen, dass Cloudgarden nicht direkt angesprungen werden konnte, sondern dass man vom Rand des Sonnensystems mit Unterlichtgeschwindigkeit einfliegen musste. »Weiter!« Simon wehrte sich nicht. Nicht einmal gedanklich. Freimütig verriet er die galaktischen Koordinaten der Erde, verwies auch hier auf das Quiresche Tarnfeld, das einen Anflug aus dem Hyperraum unmöglich machte. »Sehr schön«, sagte Sealdric. »Jetzt noch Dai Urshar. Los, McLaird!« Simons Lippen bewegten sich. Dann sackte er in sich zusammen. Die letzten Worte und Sealdrics triumphierendes Gelächter verhallten in seinem einschlafenden Bewusstsein. Als ihm die Sinne schwanden, erkannte er die Wirklichkeit. Mein Gott, was habe ich getan? Simons Geist trieb ab in eine pechschwarze Nacht. Er fiel in eine bodenlose Finsternis, hörte sich gedanklich schreien, bis er irgendwo auf einem imaginären Boden aufschlug und verstummte. Doch ein letzter Gedanke regte sich in ihm, ehe es endgültig Nacht um ihn wurde. Was habe ich getan? Φ Mel Quire ignorierte auch Natashas dritte Mahnung, endlich den letzten bemannten Zerstörer zu betreten. Er war hier noch nicht fertig. Noch hatte er sich nicht verabschiedet und seinen Frieden mit all dem geschlossen. Er wusste, dass es diesmal für immer sein würde. Damals war es schon schwer genug gewesen, als seine Frau von ihm ging. Er hatte sich nur langsam mit dem Gedanken anfreunden können, dass sie als Teil einer multidimensionalen Verschmelzung weiter existierte – hier in der Nullsphäre und in jedem Aspekt, den das Nullzeitwesen ausbildete. Gemeinsam mit seinem Sohn Hal sowie Natasha-6 Omega und Lieutenant Sean Harris, die die Evakuierung geleitet hatten, stand der alte Wissenschaftler auf dem metallenen Rumpf des Zerstörers. Die Schleuse befand sich nur wenige Meter von ihnen entfernt. Sie trugen keine Raumanzüge, obwohl sie scheinbar nur von Weltraum umgeben waren. Noch immer produzierte das Nullzeitwesen genügend Sauerstoff, um die Menschen frei atmen zu lassen. »Mel, es wird höchste Zeit«, drängte Natasha an seiner Seite. »Sie hat Recht, Vater!« Hal Quire legte eine Hand auf die Schulter seines alten Herrn. Mel blickte verträumt in die Ferne. Vor einigen Jahren noch hatte diese dem normalen Kontinuum übergeordnete Sphäre einen gigantischen Durchmesser besessen. Über zwanzig Lichtjahre. Nun war sie auf wenige hundert Kilometer zusammengeschrumpft. Die Zerstörerflotte, die über Jahre hinweg in der zeitlosen Ebene errichtet worden war, existierte nicht mehr. Über 250 Millionen Kriegsschiffe waren von der kollabierenden Dimension einfach verschluckt und damit vernichtet worden. Es hatte keine Explosionen gegeben, keine Schäden – es gab sie einfach nicht mehr. Inzwischen waren auch die Werften und Konstruktionsplattformen verschwunden. All die Sonnen und Planeten, die das Nullzeitwesen erschaffen hatte, um den virtuellen Anschein eines Weltraumausschnitts zu erwecken, gab es nicht mehr. Nur der einzelne Zerstörer, den die Aspekte und Soldaten von Shadow Command mit einer Rumpfcrew bemannt hatten, schwebte im dunklen Nichts – einer immer schneller in sich zusammenfallenden Dimension, die jegliche Vorstellungskraft sprengte. »Natasha!« Quires Ruf hallte durch die Leere. Der alte Mann hörte Harris' Seufzen, spürte den Arm seines Sohnes neben sich auf seiner Schulter. »Wir gehen jetzt besser rein, Sir«, sagte Harris bestimmt und machte bereits Anstalten, sich
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in Richtung Schleuse in Bewegung zu setzen. »Einen Augenblick noch«, beharrte Mel Quire. »Sie kommt nicht«, sagte NAT-6 Omega. Doch im nächsten Moment schälte sich aus der Schwärze eine Gestalt heraus, die dem Aspekt glich wie ein Ei dem anderen. Sie trug das rote Haar auf ähnliche Weise. Die Gesichtszüge ließen den Verdacht aufkommen, dass es sich um Zwillinge handelte, und die Frau, die vor ihnen materialisiert war, trug sogar die gleiche, eng anliegende Kombination. »Natasha!« Quire befreite sich von der Hand auf seiner Schulter und stürmte vor. Er fiel der anderen Frau in die Arme, drückte sie so fest an sich, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. »Mel, du musst gehen«, sagte der neu gebildete Aspekt, ein Abbild der Ur-Natasha, seiner verstorbenen Frau. »Ich kann die Sphäre nicht länger aufrechterhalten.« Quire sank auf die Knie und sah die Frau von unten herauf an. »Was ist geschehen? Warum kollabiert die Sphäre? Stirbt sie? Was wird aus dir?« Natasha beugte sich zu ihm herab und küsste sanft seine Stirn. »O Mel, es tut mir so leid. Es liegt nicht an mir. Die Sphäre ... all das hier war ein temporärer Aufenthaltsort für das Nullzeitwesen. Es wird nun weiterziehen. Dorthin gehen, wo andere seiner Art existieren.« »Und du?« »Ich bin ein Teil des Nullzeitwesens geworden. Es kann mich abstoßen oder ich werde ewig in ihm leben.« Quire stand auf, seine Haltung drückte Entschlossenheit aus. »Ich werde mit dir gehen.« »Nein!«, riefen Harris und NAT-6 wie aus einem Mund. »Mel«, sagte Natasha, »ich muss jetzt gehen.« »Warte!«, schrie er und umklammerte ihren Arm, bereit ihr zu folgen. Doch ihr Körper entstofflichte sich. Quire griff ins Leere, stolperte nach vor und wäre fast über den Rumpf des Raumschiffs gerutscht. Harris sprang vor und hielt ihn im letzten Moment fest. Der alte Mann begann zu schluchzen, ließ die Schultern hängen und musste vom Lieutenant gestützt werden. NAT 6-Omega kam zu ihnen und half Harris, den Bürgermeister Cloud Citys zum Schott zu bugsieren. Hal Quire sah noch einen Moment zu der Stelle, wo seine Mutter verschwunden war und folgte dann den anderen. Als sie im Schiff waren und die Schleuse passierten, blickte Mel Quire aus Tränen verquollenen Augen in die grünen Augen des Natasha-Aspekts. Er sah sie einfach stumm an, so lange, bis es ihr unangenehm zu werden schien. Natasha blickte Hilfe suchend zu Harris. Der Lieutenant trat an Quire heran und klopfte ihm kameradschaftlich auf den Rücken. Wie auf Kommando begann das rechte Augenlid des Alten zu zucken.
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Teil 3 Sieg und Niederlage
Schmerz! Der Mann sackte endgültig auf die Knie, als ihn ein erneuter Fußtritt traf. Ein mit Metall beschlagener Stiefel bohrte sich in seine Magengrube. Explosionsartig breitete sich der Schmerz sternförmig in seinem Körper aus, raubte ihm den Atem. Der Mann krümmte sich auf dem kalten Stahlboden zusammen, nahm automatisch eine schutzsuchende Embryonalstellung ein. Faustschläge in sein Gesicht hatten die Brauen aufplatzen lassen. Warmes, über seine Augen fließendes Blut nahm ihm die Sicht. Er konnte seine Peiniger nur noch als schwache Schemen hinter einem roten Schleier wahrnehmen. Wo bin ich hier? Erstaunlich, dass sein gemartertes Hirn überhaupt noch in der Lage war, Gedanken zu produzieren. Zeit und Raum hatten für ihn an Bedeutung verloren. Nur noch Schmerz war relevant. Schmerz, der wie ein Flächenbrand in jedem Teil seines geschundenen Körpers wütete. Er musste husten, spuckte dabei Blut und Speichel auf den Boden. Langsam ebbte der Schmerz in seiner Magengegend ab. Da wurde er von zwei kräftigen Händen unter den Schultern gepackt, hochgerissen und mit brachialer Gewalt gegen eine der stählernen Wände seines Gefängnisses geschleudert. Er brüllte auf, rutschte an der Wand herab und blieb in verkrümmter Haltung liegen. Gefängnis?, flackerte es in dem schwindenden Bewusstsein kurz auf, dann war der Gedanke schon wieder entschwunden. Das Letzte, das Simon McLaird hörte, waren sich entfernende Schritte und das Zischen eines schließenden Schotts. Dann schwanden ihm die Sinne ... Φ »Noch Kaffee, ... Sherilyn?« Major Stone schreckte aus ihren trüben Gedanken hoch und blickte verwirrt erst Corporal Linda O'Ryan und dann die leere Metalltasse in ihre rechten Hand an. »Ja, bitte«, murmelte sie leise, während der Corporal die Tasse bereits mit dem letzten Rest aus der Kanne auffüllte. Linda warf einen prüfenden Blick in die Kanne und setzte sich dann in Richtung der kleinen Küchenzeile ihres Quartiers in Bewegung um Nachschub zu holen. »Ich habe genug Kaffee für heute!«, rief Sherilyn Stone ihr hinterher. »Meinetwegen musst du keinen neuen kochen.« Corporal O'Ryan drehte auf dem Absatz herum, stellte die leere Kanne auf den kleinen Tisch und ließ sich wieder in den Sitz gegenüber Sherilyn fallen. Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete sie wie ihre Freundin kurz an dem starken, schwarzen Gebräu nippte und das Gesicht verzog, bevor sie die noch fast volle Tasse ebenfalls auf den Tisch abstellte. Sherilyn lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Dabei gab sie ein leises Seufzen von sich. Linda schüttelte den Kopf als sie sich erneut aus den Polstern erhob und einen Blick aus dem Sichtfenster des Zimmers warf. Die beiden Frauen befanden sich im Quartier des Corporals auf der DEVIL'S EYE, einem der einhundertvier gewaltigen Stadtschiffe, die in fest definierten Positionen in der Atmosphäre des Gasriesen Cloudgarden schwebten. Linda und Sherilyn hatten eine lange Unterhaltung, ein ausführliches Gespräch zwischen zwei Frauen hinter sich, in dem es nur um ein Thema ging: Simon McLaird! »Wie und wann wirst du es ihm beibringen?«, fragte Linda O'Ryan und knüpfte dabei an das
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unterbrochene Gespräch an, ohne den Blick von dem atemberaubenden Panorama zu lösen, das das Sichtfenster ihr bot. Sie stand in ihren Freiwachen oft an dieser Stelle und sog den majestätischen Anblick des gigantischen Planeten in sich auf. Es war ihre Art sich von dem oft stressigen Dienst an Bord des Stadtschiffes zu erholen. Sherilyn Stone schälte sich nun ebenfalls aus ihrem Sitz und gesellte sich zu Linda. »Das ist ja genau das Problem. Ich fürchte, er liebt mich wirklich. Und wenn ich ihm sage, dass er für mich nicht mehr als eine ... eine Affäre, ein Verhältnis war, dann würde ihn das tief treffen.« Linda löste den Blick von der Wolkensphäre Cloudgardens und sah ihre Freundin lange und nachdenklich an. »Major ... Sherilyn ...«, begann sie dann, merklich nach den richtigen Worten suchend, »... so wie ich das sehe, liebt Simon dich auch. Und du bist sicher, dass du seine Gefühle nicht teilst?« Sherilyn starrte durch Linda O'Ryan hindurch. Die Worte der anderen Frau verankerten sich in ihrem Bewusstsein. Obwohl sie sich selbst als einen harten Brocken bezeichnen würde, war ihr Gefühlsleben durch Simon McLaird arg ins Wanken geraten. Im Augenblick fehlte ihr die Stabilität im privaten Bereich und das machte ihre Arbeit als kommandierenden Offizier nicht unbedingt leichter. Die beiden Frauen starrten sich eine Zeitlang an, dann begann es um Sherilyns Mundwinkel zu zucken. Linda runzelte die Stirn. Anscheinend befürchtete sie, ihre Freundin würde jetzt in Tränen ausbrechen, obwohl sie so eine Gefühlsregung noch nicht bei ihr beobachtet hatte. Stattdessen schlich sich ein amüsiertes Lächeln in Sherilyns Gesicht und weitete sich zu einem befreiten Lachen aus, als sie den irritierten Gesichtsausdruck des Corporals sah. Nachdem sie sich wieder gefangen hatten, umarmte sie ihre überraschte Freundin kurz aber stürmisch. »Was bin ich froh, dass uns niemand zugehört hat. Da draußen ...«, Sherilyn deutete mit dem Kinn zum Sichtfenster, »... bedroht das Scardeenische Reich den Fortbestand der Menschheit und wir haben nichts Wichtigeres zu tun als uns gefrustet über Männer zu unterhalten.« Erneut sah Linda dem Major tief in die Augen bevor sie in einem ernsten Tonfall zu einer Erwiderung ansetzte. »Genau das ist es, was uns zu Menschen macht, Sherilyn. Für uns ist nicht nur ein Volk, ein Planet oder ein ganzes Sternenreich wichtig. Nein, wir kümmern und sorgen uns noch um den Einzelnen. Wie hat das Captain Kirk aus STAR TREK so schön ausgedrückt? Das Wohl eines Einzelnen wiegt manchmal schwerer als das Wohl vieler. Oder so ähnlich ...« »Ich wusste nicht, dass du Trekkie bist«, lachte Sherilyn. »Aber ja ... irgendwo hast du Recht.« Sie klopfte Linda freundschaftlich auf die Schulter und wandte sich zum Gehen. Am Türschott verharrte sich jedoch und drehte sich nochmals zu Linda um. »Ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen, Lin. Du hast Recht, ich kann Simon nicht weiter vormachen, dass er meine große Liebe ist. Danke für deinen Rat.« »Dafür sind Freunde doch da.« Sie blickte Sherilyn hinterher, selbst dann noch, als der Major längst gegangen und sich das Schott automatisch geschlossen hatte. Φ »Du bist also einer von denen, ja?« Die Frage verlangte keine Antwort, denn diese wusste Harry Thorne längst. Er starrte durch das Halbdunkel zu Jeremiah Hurley hinüber. Der junge Mann, den er zu seinen NSA-Zeiten noch für einen minderjährigen Schüler gehalten hatte, saß ihm gegenüber mit dem Rücken gegen die von Ranken überwucherte Wand gelehnt. Thorne war sicher, dass Hurley etwas verbarg, nicht nur vor ihm, sondern auch vor den eigenen Leuten. Bisher war ihm nicht zu entlocken gewesen, warum er überhaupt mit Simon McLaird
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in Kontakt getreten war und die Drahusem zur Erde gelotst hatte. »Sieht ganz so aus«, sagte Jeremiah. »Bei meinen Leuten werde ich übrigens Jem genannt, aber mir wäre es lieber, wenn wir bei Jeremiah blieben.« Thorne machte eine wegwerfende Handbewegung. »Eigentlich ist mir das scheißegal wie ich dich anrede, verstehst du?« Jeremiah grinste. »Jeremiah reicht. Und was Ihre Erkenntnis über meine wahre Identität angeht: Sie werden auch bald einer von uns sein.« Thorne seufzte. Er hatte befürchtet, dass das Gespräch in diese Richtung verlaufen würde, auch wenn er sich innerlich dagegen sträubte, darüber zu reden. So, wie er Jeremiah verstanden hatte, gab es keine Möglichkeit der Umkehr mehr. Was immer ihm die Leute Marshal Ians gespritzt hatten, es wirkte bereits in seinem Körper und veränderte ihn langsam aber sicher zu etwas, das bald so aussehen würde wie Paul Gossett. Unwillkürlich wanderte Thornes Blick zu dem monströsen Etwas unweit Jeremiahs. In einem Geflecht aus Ranken und Efeu eingebettet war mit Mühe und Not noch der Körper des Ex-CIA-Agenten Gossetts zu erkennen. Der Umwandlungsprozess war bereits weit fortgeschritten. Soweit Thorne die Sache verstanden hatte, wurde Gossett nicht direkt zu jemandem wie Ian oder Jeremiah, sondern er reifte vielmehr in das Kollektiv der Aliens hinein. »Hör mal, Kleiner«, sagte Thorne und löste sich von dem schrecklichen Anblick. »Du hast nicht zufällig irgendwo eine Zigarette versteckt, ehe die dich hierher brachten?« »Der Schmacht nach Nikotin wird Ihnen schon bald vergehen, glauben Sie mir.« Thorne biss die Zähne aufeinander. Warum sollte er auch ausgerechnet in so einer verfahrenen Situation wie dieser ein wenig Glück haben? Sein Blick irrte abermals zu Gossetts Gestalt. Eine wirre Idee keimte in seinen Gedanken auf. »Du sagtest ... Gossett wird einer von euch, aber er agiert nicht selbstständig, so wie Ian, Liz und eure anderen Leute, sondern er dient der Summe eurer Intelligenz ...« »Seins«, verbesserte Jeremiah. »Der Summe unseres Seins – dem Naulokahr.« »Wie auch immer. Was wird aus mir? Werde ich so wie Gossett? Oder besteht die Chance, dass ich der bleibe, der ich bin.« »Die Hoffnung stirbt zuletzt, nicht wahr?«, fragte Jeremiah und grinste breit. »Glauben Sie mir, Mister Thorne, Sie werden nie wieder der sein, der sie jetzt noch sein mögen. Sie sind es nicht einmal mehr, nur haben Sie es noch nicht begriffen. Aber, um Ihre Frage zu beantworten, ob Sie wie Gossett ins Naulokahr übergehen oder eine individuelle Person bleiben, das liegt im Ermessen des Admirals.« »Ah ja«, machte Thorne. »Und wo ist dieser Admiral?« Ein leises Surren ertönte. Grünes Licht drang in den abgedunkelten Raum und umfloss die Gestalt an der Türschwelle wie einen leuchtenden Mantel. Thorne ahnte, wer sie besuchte. Das letzte Mal hatte er Marshal Ian in Washington D.C. getroffen, kurz bevor dessen Leute ihn betäubten und hierher schafften – wo immer auch hier sein mochte. Ian betrat in Begleitung seiner Adjutantin Marshal Liz den Raum. Er trug nicht mehr das legere Flanellhemd und die verwaschenen Jeans, die Thorne sonst immer an ihm gesehen hatte, sondern eine Uniform, in der sich helle und dunkle Grüntöne abwechselten. Selbst Stiefel und Handschuhe leuchteten grünlich im gespenstischen Schein des Lichts. Über den Oberkörper trug er – ebenso wie Liz – eine Art Harnisch. Vermutlich etwas Ähnliches wie einen Körperpanzer. Sowohl Ians blonde als auch Liz braune Haare waren von grünlichen Strähnen durchzogen. Das Rosa ihrer Lippen war ebenfalls einem Grün gewichen. Langsam dämmerte in Thorne etwas, als er seinen Blick über die Ranken und Lianen schweifen ließ, die sich durch den gesamten Raum zogen. Als er den Gedanken greifen wollte, wurde er jäh durch Marshal Ian unterbrochen. »Ihnen scheint es ja prächtig zu gehen«, eröffnete der hoch gewachsene Mann, dem Thorne über Jahre hinweg vertraut hatte.
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»Mir würde es noch besser gehen, wenn ich Ihre Visage nicht mehr sehen müsste. Übrigens, Sie sehen richtig schmuck in dem Kostüm aus, Ian – zum anderen Ufer übergelaufen?« Ian verzog nicht einmal die Mundwinkel. »Harry, Harry, Humor liegt Ihnen nicht, das sollten Sie selbst am besten wissen.« »Ja, schon gut.« Thorne hätte sich am liebsten auf den anderen gestürzt und jede Antwort auf alle Fragen, die ihm gerade in den Sinn kamen, aus ihm herausgeprügelt. »Also was wollen Sie von mir, Ian? Sie haben mich doch nicht zu einem Kaffeekränzchen in Ihren Wintergarten entführt.« Ian trat näher an ihn heran. Wie beiläufig legte Marshal Liz im Hintergrund ihre Hand auf den Waffengriff an ihrer Seite. Fast hätte Harry Thorne aufgelacht. Er fühlte sich nicht mal in der Lage, alleine zu gehen. Für Ian stellte er im Moment alles andere als eine Bedrohung dar. »Also wer ist dieser Admiral? In was verwandelt ihr mich? Werde ich so enden wie Gossett?« »Immer noch ganz der NSA-Agent?«, fragte Ian zurück. »Der Admiral ist hier an Bord.« »An Bord?« Der Marshal ignorierte die Frage und machte noch einen Schritt auf Thorne zu. Er brauchte nur den Arm auszustrecken, um den anderen zu berühren, wenn er es gewollt hätte. »Wir haben uns noch nicht entschieden, was wir danach mit Ihnen anfangen, Harry.« »Danach? Hey, kommen Sie, Ian, wir haben mehrere Jahre zusammengearbeitet. Auch wenn sie mich verarscht haben, können Sie mir jetzt wenigstens ein bisschen entgegenkommen, oder? Also was zum Teufel wollen Sie?« Ian grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie haben im letzten Jahr umfassende Informationen über Shadow Command zusammengetragen. Als wir beide noch zusammengearbeitet haben, waren wir uns einig, dass keine Ihrer Regierungsorganisationen uns gefährlich werden könnte, keiner außer Shadow Command.« »Ja und?« »Ich werde mir zuerst Ihr Wissen holen«, sagte Ian mit einem plötzlichen Funkeln im Blick. »Und danach hole ich mir Shadow Command.« Harry Thornes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er musterte den anderen und erkannte, dass er einmal mehr dabei war, den Feinden seiner Welt alles in die Hände zu spielen. Thorne war im Interesse seines Landes an einem Austausch an Informationen und Technologien interessiert gewesen, nicht ahnend, dass Ian die ganze Zeit über keinen Gedanken an irdische Interessen verschwendete. Und mit seiner Gefangennahme verriet er vermutlich nun die einzige Gruppierung, die den Aliens etwas entgegenzusetzen hatte. Oh ja, ich hab eine gottverdammte Menge über Shadow Command herausgefunden, dachte er. Nicht über die Splittergruppe um Major Sherilyn Stone, die sich in die Tiefen des Weltraumes abgesetzt hatte und von der er keine Hilfe erhoffte, sondern von all den anderen Stützpunkten und Mitgliedern, rund um den Globus verteilt. Und darüber hinaus ... Ehe Thorne den Gedanken beendet hatte, griff etwas in seinen Geist ein. Er spürte kurz Ians Präsenz, fremde Gedanken und einen schier unerträglichen Sog, der scheinbar alles, was er wusste aus ihm heraussaugte. Thorne verdrehte die Augen und sank in sich zusammen. Er schwebte am Rande der Bewusstlosigkeit, driftete jedoch nicht in das Reich der Dunkelheit ab. Anscheinend hielt Ian ihn irgendwie davon ab. Als der Marshal von ihm abließ, keuchte der Ex-NSA-Agent und erbrach sich. Er fühlte sich mehr als nur ausgelaugt, fast als hätte man ihm jede Information, die irgendwann in seinem Gehirn abgelegt worden war, gewaltsam aus den Erinnerungsspeichern gerissen und dann sorglos, ohne auf Ordnung zu achten, wieder zurückgelegt. In seinen Gedanken herrschte ein heilloses Durcheinander. Er registrierte nur am Rande, dass Ian und Liz sich wieder zurückzogen. Sie gingen mit seinem Wissen, mit dem er einmal mehr die Erde verraten hatte.
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Φ Nachdenklich lenkte Sherilyn Stone ihre Schritte durch die langen Gänge des Stadtschiffs in Richtung ihres Quartiers. Das Gespräch mit Linda hatte ihr etwas von der Last genommen, die auf ihre Seele drückte. Auf jeden Fall würde sie versuchen, die Ratschläge der Freundin in Bezug auf Simon McLaird zu befolgen. Sie musste ihre Beziehung beenden, ehe es zu einer nicht wieder gutzumachenden Katastrophe kam. Sherilyn hob den linken Arm, an dem sie ihren Kommunikator trug und nahm Kontakt mit der Kommandobrücke der DEVIL'S EYE auf. Auf dem kleinen Bildschirm erschien das fragende Gesicht eines Aspekts, deren Halskette sie als NAT 2-B auswies. »Wie kann ich Ihnen helfen, Major?« »Stellen Sie bitte fest, wo sich Lieutenant McLaird zurzeit aufhält.« Sherilyn Stone sah, wie Natasha ihren Blick nach links richtete, anscheinend einige Eingaben an ihrem Terminal machte und dann wieder in die Kamera blickte. »Laut den Logbucheinträgen ist Lieutenant McLaird vorgestern zusammen mit NAT-3 mit seiner Privatjacht SOLARIA zu einem Trainingsflug gestartet, Ma'am.« »Ein Trainingsflug?« Sherilyn legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Seitdem irgendwelche Nachrichten von der SOLARIA?« NAT 2-B warf einen weiteren Blick neben die Kamera und schüttelte dann den Kopf. »Seitdem die SOLARIA Cloudgarden verlassen hat, gab es keinen Funkkontakt mehr.« »Geben sie mir bitte sofort Bescheid, wenn sich McLaird meldet.« Sherilyn Stone wartete die Antwort des Aspekts gar nicht erst ab, sondern unterbrach die Verbindung. Im gleichen Augenblick erreichte sie den Gang, der zu ihrer Unterkunft führte. Die beiden Aspekte, die laut Sicherheitsprotokoll vor ihrem Quartier Wache hielten, nahmen sofort Haltung an und ließen die Tür aufgleiten, als der Major sich näherte. Sherilyn verzichtete auf den üblichen militärischen Gruß, nickte den beiden Natashas nur kurz zu und wollte ihre Unterkunft betreten. Das Summen des Armbandkommunikators ließ sie innehalten. Schnell hob sie den Arm und betätigte die Empfangstaste. »Major Stone! Hier spricht Lieutenant Preston«, meldete sich ein junger Offizier. Dem IDCode links oben im Monitor zeigte Sherilyn, dass der Mann sie aus der Funkzentrale von Landedeck 13 aus anrief – eine der größeren Landebuchten, die sogar Schiffe der Zerstörerklasse aufnehmen konnten. »Die EXECUTOR ist von ihrer Mission auf Mazoni zurück. Sie landet in Hangar 13, Dockbucht 47.« »Danke. Geben Sie der EXECUTOR Bescheid, dass ich Prinzessin Tanya und Schwertträger Ken Dra in fünfzehn Minuten in meinem Büro erwarte. Major Stone, Ende.« Als Sherilyn Stone kurz darauf ihr Büro betrat, saß bereits Lieutenant Sean Harris in einem der bequemen Sessel vor ihrem Schreibtisch. Harris hatten zusammen mit Natasha 6-Omega, die er mittlerweile offiziell Angel nannte, die Evakuierung der Nullsphäre geleitet. »Tag, Lieutenant.« Harris nickte knapp. »Major.« Sherilyn umrundete den Schreibtisch und ließ sich in ihren Sitz fallen. Harris hatte sich in seiner lockeren Art nicht einmal die Mühe gemacht, aufzustehen. »Also schön, wie viele?«, fragte Sherilyn und faltete die Hände über der Schreibtischplatte ineinander. »Wir haben einhundertfünfzig evakuiert. Zusätzlich zu unserem bisherigen Potenzial, verfügen wir jetzt über eine Schlagkraft von neunhundert Schiffen der Zerstörerklasse. Verdammt, wenn wir das nur hätten eher absehen können, dann hätten wir weiß Gott mehr Schiffe retten können.« »Ich weiß, Harris. Aber es hilft nichts, dem nachzutrauern, oder?«
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Der Lieutenant hob die Schultern. In diesem Moment trat ein Unteroffizier in das Büro des Majors und salutierte kurz vor den beiden Vorgesetzten. »Was ist passiert, Sergeant. Wo sind Prinzessin Tanya und Schwertträger Ken Dra?« Der Neuankömmling trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Er versuchte den durchdringenden Blicken der beiden auszuweichen. Man sah ihm deutlich an, dass er nach den richtigen Worten für seinen Bericht suchte, doch dann rettete er sich in eine nichts sagende Ausflucht. »Wir hatten Probleme ...« »Probleme? Welcher Art?«, fasste Sean Harris sofort nach und schwang in dem Besucherstuhl vor Stones Schreibtisch gänzlich herum. »Nun ... wir sind befehlsgemäß zum Planeten Mazoni geflogen. Prinzessin Tanya hat mit den dort noch lebenden Amazonen gesprochen. Sie konnte die Streitigkeiten unter den unterschiedlichen Lagern schlichten und die Amazonenkönigin Lasaria davon überzeugen, sich der Allianz anzuschließen. Wir hatten gerade alle noch auf dem Planeten befindlichen Amazonen mit Fähren an Bord der EXECUTOR gebracht, da griffen uns überraschend die Scardeener an. Der Schwertträger wollte ein direktes Gefecht vermeiden und gab den Befehl zum Abdrehen und Rückflug nach Cloudgarden. Ken Dra, Prinzessin Tanya, Kardina, Königin Lasaria und Sergeant Jones sowie Corporal Lucas blieben bei der Raumjacht der Prinzessin und wehrten die Bodentruppen der Scardeener ab ...« Der Sergeant wankte sichtlich bei seinem Bericht. Man merkte ihm an, dass ihn die Gedanken, Kameraden auf Mazoni zurückgelassen zu haben, schwer zu schaffen machten. Sherilyn Stone und Harris hatten mit unbewegten Mienen zugehört. Der Major stieß einen tiefen Seufzer aus und drehte sich in ihrem Sitz zum Fenster hin, das direkt hinter ihrem Schreibtisch einen atemberaubenden Anblick in den wolkigen Himmel Cloudgardens bot. Eine Weile herrschte Stille im Büro. Sherilyn spürte förmlich die Nervosität des Sergeants, und sie wusste auch, dass Lieutenant Harris jeden Moment mit einem überschwänglichen Rettungsplan aufwarten konnte. Schließlich schwang Sherilyn den Sitz wieder herum und starrte den Sergeant an. »Wie viele Schiffe haben die EXECUTOR angegriffen?« »Unsere Raumortung hat ein scardeenisches Schlachtschiff ausgemacht. Wir wissen aber nicht, ob nach unserer Flucht noch andere über Mazoni aufgetaucht sind.« Sherilyn Stone schien für einen kurzen Augenblick zu überlegen. Dann nahm sie Kontakt mit der Kommandobrücke der DEVIL'S EYE auf und ließ eine Verbindung zu Shadestar, dem militärischen Raumhafen auf der Oberfläche Cloudgardens, herstellen. Wenige Sekunden später tauchte auf dem in ihrem Schreibtisch integrierten Monitor das Gesicht einer jungen Frau mit schulterlangem, blond gelocktem Haar auf. »Wachbüro, Second-Lieutenant Karen Wyman hier. Was kann ich für Sie tun, Major?« Es ist irgendwie beruhigend, außer den Aspekten auch noch andere Menschen zu sehen. Sherilyn musste bei dem Gedanken schmunzeln, was bei der Frau auf dem Monitor ein Stirnrunzeln hervorrief. »Geben sie Alpha-Alarm für Shadestar und die Stadtschiffe. Außerdem sollen sofort zwanzig Zerstörer einsatzbereit in den Orbit aufsteigen und dort auf mich warten. Ich stoße mit der HUNTRESS in einer halben Stunde zu dem Verband hinzu. Zielkoordinaten: Mazoni.« Major Stone wartete die Bestätigung ihrer Befehle ab, dann schaltete sie den Monitor aus, entließ den Sergeant und wandte sich Lieutenant Harris zu. »Kann ich mit Ihnen rechnen, Harris?« Er blickte seine Vorgesetzte müde an. Wie lange er während der Evakuierung der Nullsphäre kein Auge zugetan hatte, wusste sie nicht. Dennoch erwiderte er: »Wenn Sie mir und Angel danach eine Woche Landurlaub gewähren, bin ich dabei, Major.«
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Sherilyn lachte auf und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Landurlaub? Wo wollen Sie den verbringen? Unten auf der Piste?« Harris' niedergeschlagener Ausdruck wich einem spitzbübischem Grinsen. »Cloudgarden im Schnee, fünf Uhr Morgens, eine frische Loipe. Sie wissen gar nicht, was Sie verpassen, Ma'am.« Sherilyn grinste ebenfalls, wurde dann jedoch übergangslos ernst. »Es ist zwar unüblich, einen Lieutenant-Dienstgrad ein Schiff befehligen zu lassen, aber ich mache in Ihrem Fall eine Ausnahme, Harris, da wir nicht genügend Kapitäne haben.« »Keinen, um es genau zu nehmen«, sagte Harris. »Da wir ohnehin mehr mit Schiffen zu tun haben, sollten wir unsere Rangordnung vielleicht der Navy, statt der Army anpassen. Oder glauben Sie immer noch, dass der lange Arm Shadow Commands bis hierher reicht und man uns früher oder später für unsere Taten verantwortlich machen wird?« »Ich weiß es nicht«, gestand Sherilyn. »Ich habe im vergangenen Jahr weder etwas von diesem ominösen neuen General noch von unserer Agentin Hannigan gehört. Die Sache mit den Navy-Dienstgraden halte ich für sinnvoll. Was wäre ich dann eigentlich?« »Nur Commander, Ma'am.« Harris Grinsen wurde breiter. »Die befehligen in der Navy gerade mal U-Boote. Sollen wir die Zerstörer als U-Boote des Weltraums klassifizieren?« Sherilyn Stone stand auf. Es wurde Zeit zu handeln, statt weiter herumzuwitzeln. »Wir reden später darüber, Lieutenant. Sie übernehmen das Kommando über den Zerstörer STARRIDER und schließen sich unserem Verband an.« »Aye, Commander ... äh, sorry, ich meinte natürlich Major.« »Verschwinden Sie endlich!«, lachte Sherilyn. Φ Mehr taumelnd als gehend erreichte Ken Dra den offen stehenden Eingang zum kleinen Gemeinschaftsraum der Raumjacht. Kurz zuvor war der Schwertträger am Boden der kleinen Luftschleuse aus einer nur Sekunden währenden Bewusstlosigkeit erwacht und besaß offensichtliche Orientierungsschwierigkeiten. Helen Dryers Tritt in seine Genitalien hatte ihn schwerer getroffen, als er sich selbst eingestehen wollte. Auf dem Weg rekapitulierte er für sich, was geschehen war. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war ihre Flucht vor den scardeenischen Bodentruppen auf Cloudgarden gewesen. Unter Schmerzen hatte er sich bis zur Luftschleuse von Tanyas Raumjacht geschleppt. Tanya! Verbittert sah er noch einmal das Unglück vor sich. Die Amazonenprinzessin war mit Helen Dryers Schwert geblendet worden und hatte ein Auge verloren. Zuvor war Kardina unter einem Schwertstreich der Verräterin zu Boden gegangen. Der Schwertträger stand schwer atmend im Türrahmen und kämpfte gegen eine erneut aufkeimende Welle von Übelkeit an. Der Schleier vor seinen Augen lichtete sich langsam, und er konnte einen Blick in den Aufenthaltsraum werfen. Verschwommen sah er die Amazonenkönigin Lasaria, die sich über einen Körper beugte, der auf eine der provisorischen Ruhepritschen gebettet war. Mit flinken Fingern legte Lasaria der regungslos daliegenden Tanya einen Verband um den Kopf, der auch eine komplette Gesichtshälfte der Amazone bedeckte. Ken schaute zur zweiten Pritsche hinüber, auf der ebenfalls ein Frauenkörper lag. Mit Entsetzen erkannte der Schwertträger die Kriegerin Kardina, um deren schlanke Taille ein dicker, blutgetränkter Verband lag. Als Ken Dras Blick auf die Brust der Amazone fiel, die sich in unregelmäßigen aber tiefen Atemzügen hob und senkte, atmete auch er erleichtert auf. Die Frauen schienen zwar angeschlagen zu sein, aber wenigstens hatten sie es alle zurück an Bord der Jacht geschafft. »Wie geht es Euch, Ken?«
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Der Schwertträger zuckte bei der Erwähnung seines Namens zusammen und sah wieder zu Lasaria, die ihn mit einem besorgten Gesichtsausruck musterte. »Es geht so. Um mich braucht Ihr Euch nicht zu kümmern, Hoheit. Was ist passiert?« »Ihr erinnert Euch nicht mehr, Schwertträger?«, fragte die Königin. »Wir gerieten in einen Hinterhalt scardeenischer Bodentruppen. Ich habe Tanya und Kardina zusammen Sergeant Jones an Bord der Jacht gebracht, ehe wir starteten.« »So langsam ... erinnere ich mich wieder. Wie geht es Tanya und Kardina?« Die Königin hielt in ihrer Arbeit inne. Ein Schatten schien sich auf ihre edlen Gesichtzüge zu legen. Die Anstrengungen des Kampfes hatten sich als feine Falten in ihr Gesicht eingegraben und in ihren Augen standen Müdigkeit und Verzweiflung. »So makaber es sich auch anhört, aber Tanya hat noch Glück gehabt. Das Schwert dieser Bewahrerin hat nur ihr Auge geblendet. Es ist aufgeplatzt und ausgelaufen, aber die Klinge ist nicht bis zum Gehirn vorgedrungen – und vielleicht auch nicht bis zum Sehnerv, aber das werden die Ärzte entscheiden. Das Einzige, das ich tun konnte, war die Wunde zu reinigen und keimfrei abzudecken.« Lasarias Stimme klang schleppend. »Kardinas Bauchwunde ist nicht tief. Sie hat viel Blut verloren, aber soweit ich das beurteilen kann, sind keine inneren Organe verletzt worden. Trotzdem gehören die beiden so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung, sonst kann ich für nichts garantieren.« Ken Dra nickte stumm, worauf sich Lasaria wieder der Pflege ihrer Kriegerinnen widmete. Der Schwerträger gab sich einen Ruck und stieß sich von dem Türrahmen ab. Mit wenigen Schritten durchmaß er den schmalen Gang, der direkt in die Kommandozentrale der Raumjacht führte. Die Wände waren von der Explosion der Vernichtungskugel von Helen Dryers Schwert geschwärzt. Vor den Steuerelementen in der Zentrale saß Sergeant Ben Jones und starrte angespannt auf das Display der Raumortung, während er seine beiden Bartzöpfe zwirbelte, die ihm den Spitznamen Kinnteufel eingebracht hatten. Ken ließ sich in den Sitz des Kommandanten gleiten. »Wie sieht es aus?« »Eine ehrliche Einschätzung oder eine beschönigende?«, fragte Jones zurück, ohne von den Instrumenten aufzublicken. »Eine ehrliche.« »Wir stecken in Schwierigkeiten.« Ken runzelte die Stirn. Er hatte nicht erwartet, dass sie so einfach davon kamen, wenn im Orbit Mazonis ein Schlachtschiff kreiste. »Und wie klingt das, wenn Sie das beschönigen?« »Wir stecken in Schwierigkeiten«, sagte Jones noch einmal. Auf dem Sichtschirm vor dem Pilotenpult herrschte tiefschwarze Nacht. Die EXECUTOR war längst auf dem Rückflug nach Cloudgarden und konnte ihnen nicht helfen. Ken hoffte, dass die Jacht die Planetengravitation Mazonis schnell hinter sich ließen, um in den Hyperraum springen zu können. Pures Wunschdenken! Die Scardeener waren vorbereitet, und als hätte dieser Gedanke bereits ausgereicht, seine Befürchtungen wahr werden zu lassen, drang ein Warnton aus der Ortungskonsole. »Mist!«, fluchte Sergeant Jones und stellte endlich das Zwirbeln seiner Kinnbartzöpfe ein. Ken Dra beugte sich vor, um einen Blick auf das Display der Raumortung zu werfen, das einen Schwarm kleiner grüner Punkte anzeigte, der sich mit großer Geschwindigkeit im nahen Raum durch den Orbit des Planeten bewegte. »Jäger«, knurrte Jones resigniert. »Wir stecken in bösen Schwierigkeiten. Sie haben uns bereits entdeckt!« Die grünen Punkte vollzogen auf dem Display eine Wende und kamen direkt auf die Position der Raumjacht zu. Jones schaltete die Außenkameras mit höchstem Vergrößerungsfaktor auf einen zweiten Monitor direkt neben der Raumortung.
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Stromlinienförmige Objekte erschienen auf dem Bildschirm wie ein Schwarm angriffslustiger Hornissen. Sie näherten sich mit hoher Geschwindigkeit – dann löste sich die Phalanx auf und begann die Jacht einzukreisen. »Hyperantrieb?«, fragte Jones. Ken schüttelte den Kopf. »Zu riskant. Die Masse Mazonis würde uns durch die Raumkrümmung ins Zentrum des Planeten ziehen. Wir sind noch zu nah am Gravitationsfeld.« »Dann haben die uns gleich!« »Ich weiß, Sergeant.« Ken betätigte die interne Kommunikation und gab Königin Lasaria eine knappe Einschätzung der Situation. Gleichzeitig riet er ihr, sich und die beiden Verletzten anzuschnallen. Er selbst legte ebenfalls die Haltegurte des Konturensitzes an. Dabei glaubte er kaum, dass ihn diese Maßnahme vor Schaden bewahrte, wenn der Feind tatsächlich das Feuer eröffnete. Einer der Abfangjäger rauschte mit hoher Geschwindigkeit so dicht am Bug der Raumjacht vorbei, dass es Ken so vorkam, als müsse er nur den Arm ausstrecken, um den glänzenden Rumpf des kleinen Schiffes zu berühren. Ein lautes Knacken in den Lautsprechern der Kommunikationsanlage ließ Sergeant Jones zusammenzucken. »Jagdgeschwader Sirius vom scardeenischen Schlachtschiff MAGIRUNA. Hier spricht der Geschwaderführer! Drehen Sie auf Kurs Drei-Drei-Sieben bei. Drosseln Sie Ihre Triebwerke auf Landeanfluggeschwindigkeit und bereiten Sie sich darauf vor, geentert zu werden.« Sergeant Jones' Kopf ruckte zu Ken Dra herum. Sein Gesicht hatte einen verbissen Ausdruck angenommen. »Kämpfen?«, fragte er mit tonloser Stimme, während seine Hände mit einem leichten Zittern über den Kontrollen der Verteidigungseinrichtungen der Jacht schwebten. Ken Dra schien in Gedanken versunken zu sein. Er hatte das Kinn auf seine Hände gestützt, hielt die Augen geschlossen und wirkte, als würde er beten. Als er die Augen öffnete schüttelte er leicht den Kopf. »Das wäre aussichtslos. Sobald wir nur den Anschein von Widerstand leisten, zerlegen die uns in Atome. Im Augenblick ist es für uns alle besser, das zu tun, was die Scardeener von uns verlangen.« Insgeheim dachte Ken dabei auch an die beiden verletzten Amazonen. Im Gefecht sanken ihre Überlebenschancen auf ein Minimum. Sie brauchten dringend ärztliche Versorgung, die man ihnen an Bord des scardeenischen Schlachtschiffes gewähren konnte. Die Anspannung fiel sichtlich von Jones ab. Er nickte zustimmend und begann die notwendigen Befehle in die Tastatur einzugeben, um den Weisungen des Geschwaderführers Folge zu leisten. Die Raumjacht verringerte ihre Geschwindigkeit und wurde von zehn Jägern in die Mitte genommen. Die Leitmaschine schwenkte auf einen orbitalen Kurs ein, der die Jacht und ihre Eskorte nach kurzer Zeit auf die andere Seite Mazonis führte, wo die MAGIRUNA scheinbar bewegungslos im All schwebte. Als der stählerne Leib des Schlachtschiffs den Sichtbereich der Aussichtsfenster vollständig ausfüllte, bildete sich dicht vor ihnen eine hell erleuchtete Öffnung. Kurz darauf schwenkte der Leitjäger nach links weg, während Jones aus seiner Erstarrung erwachte und die Raumjacht mit sicherer Hand in den offenen Hangar steuerte. Ken Dra nutzte die Zeit, um den Scardeenern über Funk mitzuteilen, dass Verwundete an Bord waren. Kaum hatte Sergeant Jones die Fähre im Inneren des riesigen Raumdecks auf ihren Landestützen abgesetzt, glitten die gewaltigen Hangartore aus meterdickem Stahl wieder hinter ihnen zu. Das Energiefeld, das bei geöffneten Schotten dafür sorgte, dass keine Luft und Wärme den Hangar verließ, erlosch. Über die Achternkamera konnten Ken Dra und Jones einen letzten Blick in den Weltraum und auf den Planeten Mazoni werfen, ehe die Tore sich endgültig schlossen. Ken Dra ließ den Verschluss seiner Haltegurte aufspringen, während Jones die Triebwerke der Fähre herunterfuhr und alle Systeme des Schiffes, bis auf die Lebenserhaltung,
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deaktivierte. Der Schwerträger schälte sich aus seinem Sitz und ging in den Aufenthaltsraum. Gemeinsam mit Lasaria begab er sich zur Luftschleuse und wartete auf Jones, bevor sie das Schott öffneten. Mit einem leisen Summen fuhr eine Rampe aus dem Leib der Jacht. Ken Dra setzte einen Fuß auf die Gangway und blickte direkt in die Mündungen von vierzig Lasergewehren, die auf den Ausstieg des Raumers gerichtet waren. Hinter den Gewehrläufen standen scardeenische Legionäre in voller Kampfmontur. Am fernen Ende des Hangars erkannte Ken Sanitätspersonal, das mit Tragen und Nothilfekoffern auf ihren Einsatz wartete. Erleichtert hob der Schwertträger seine rechte Hand und winkte den Soldaten mit einem ironischem Lächeln zu. »Ah, eine Ehrengarde nur für uns? Das wäre aber nicht nötig gewesen«, versuchte er die angespannte Atmosphäre zu entschärfen, was er aber gleich darauf bereute, als sich ein glühender Energiestrahl dicht neben seinen Kopf in das Metall der Jacht bohrte und die Hülle zum Kochen brachte. Beißender Qualm drang Ken Dra in Augen und Mund. »Ich glaube nicht, dass Sie in der Position sind, dumme Witze zu machen!«, rief ihnen der Legionär zu, aus dessen Waffe der Schuss gekommen war. Die Rangabzeichen auf seiner Brust wiesen ihn als kommandierenden Offizier des kleinen Trupps aus. »Benehmen Sie sich wie anständige Gefangene und steigen Sie mit erhobenen Händen aus.« Ken Dra verschränkte die Arme über seinem Kopf und ging, dicht gefolgt von Jones und der Amazonenkönigin, mit langsamen Schritten die kleine Rampe hinab. »Im Schiff sind noch zwei verwundete Frauen«, rief Lasaria dem Commander der Legionäre zu. Sofort kam Bewegung in die Sanitäter, doch die Männer wurden durch einen scharfen Ruf des Anführers zurückgehalten. Seine rechte Hand zuckte nach oben, er spreizte gut sichtbar drei Finger ab, mit denen er in Richtung der offenen Luke zeigte. Sofort lösten sich sechs Legionäre aus dem Verbund und rannten auf die Gangway zu. Mit angelegten Waffen überwanden die Soldaten den kleinen Höhenunterschied zur Luke und verschwanden in geduckter Haltung im Inneren der rochenförmigen Jacht. Es dauerte nur wenige Minuten, da meldete einer der Soldaten über Helmfunk, dass das Schiff gesichert sei. Der Commander nickte den abwartenden Sanitätern zu. Die Männer und Frauen nahmen ihre Tragen erneut auf und folgten den Soldaten in das Schiff. Etliche Augenblicke später traten sie wieder durch die Schleuse ins Freie. Auf ihren Tragen lagen die verletzten Amazonen. Die beiden Frauen schienen immer noch ohne Bewusstsein zu sein. Als die Sanitäter Kardina und Tanya von den Tragen auf bereit stehende Antigrav-Liegen umbetteten, war ein schmerzhaftes Stöhnen aus Kardinas Mund zu hören. Offenbar ließen die verabreichten Schmerzmittel langsam in ihrer Wirkung nach. Die einen Meter über dem Boden schwebenden A-Grav-Liegen vor sich her schiebend, eilten die Sanitätssoldaten in Richtung des am nächsten liegenden Schotts davon. Ken Dra schaute stumm hinterher. Als sein Blick die neben ihm stehende Amazonenkönigin streifte, meinte er das Schimmern von Feuchtigkeit in ihren Augen zu erkennen. »Legen Sie Ihre Waffen ab!« Die befehlsgewohnte Stimme des scardeenischen Commanders lenkte die Aufmerksamkeit der Gefährten wieder auf die Soldaten, deren Gewehrläufe noch immer drohend auf die kleine Gruppe gerichtet waren. »Dafür müsste ich aber die Hände absenken«, bemerkte Ken Dra mit ruhiger Stimme, wobei ein müdes Lächeln um seine Mundwinkel lag. »Und ich möchte nicht von einem Ihrer Männer ein drittes Nasenloch verpasst bekommen.« Einen Moment starrte der Commander den Schwertträger fassungslos an. Anscheinend war er nicht gewohnt, dass ein Gefangener ihn verhöhnte. Dann schlich sich ebenfalls ein Lächeln in sein Gesicht als er sagte: »Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein. Wenn einer meiner Männer Ihnen ein Leid zufügt, wird er hart bestraft. Und zwar mit fünf Liegestützen in voller Montur.« Das Hohngelächter der Soldaten hallte durch den Hangar. Ken beschloss, den Commander
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nicht weiter zu reizen und nickte seinen Gefährten zu. Mit spitzen Fingern zog Sergeant Jones seinen Handlaser aus dem Holster. Es gab einen lauten Schlag, als er die Waffe zu Boden fallen ließ. Lasaria löste mit wenigen Griffen ihren Schwertgurt, an dem ihre Klinge und ebenfalls eine Laserpistole befestigt waren und ließ ihre Waffen etwas vorsichtiger zu Boden gleiten. Ken Dra hingegen blieb achselzuckend stehen, denn offensichtlich schien er keine für die Soldaten erkennbare Waffe am Körper zu tragen. »Halt!« Der Commander der Legionäre, der bereits einen Schritt in Richtung der Gefangenen gemacht hatte, zuckte erschrocken zusammen und blieb augenblicklich stehen. Alle Blicke richteten sich auf die Person, die gerade durch eines der vielen Schotts auf das Hangardeck getreten war und die Soldaten mit dem kurzen Befehl gestoppt hatte. Die Frau war Anfang Dreißig und trug eine schmucklose blaue Robe. Über ihren Schultern lag ein goldfarbenes Cape. Ihr braunes, kurzes Haar umrahmte leicht gewellt ein hübsches Gesicht, zu dem der eisige Blick nicht recht passen wollte. Mit festen Schritten überquerte Helen Dryer das Landedeck und blieb neben dem Legionärsführer stehen, der sofort Haltung annahm. »Deine Klinge, Schwertträger!«, herrschte Helen Ken Dra an. »Und keine Tricks, sonst sterben deine Freunde.« Ken starrte die Bewahrerin prüfend an. Seine Augen glitten an der schlanken Gestalt herunter und blieben an dem unscheinbaren taschenlampenähnlichen Bolzen hängen, den sie an ihrem Robengürtel trug. »Welch unangenehme Überraschung«, sagte Ken und verzog die Mundwinkel. Alles in ihm drängte danach, der Frau an die Kehle zu springen und sie dafür büßen zu lassen, was sie Kardina, Tanya und Corporal Lucas angetan hatte. Doch noch hielt er sich zurück, weil dies den sicheren Tod der anderen bedeutet hätte – von seinem eigenen ganz zu schweigen. »Charmant bis zum Schluss, Schwertträger. Ich befehle Ihnen ein letztes Mal: Übergeben Sie das Schwert.« Ken Dra warf seinen Freunden einen schnellen Blick zu, dann hob er die Schultern und murmelte: »Mossar!« In einem grellen Lichtblitz nahm das Schwert direkt vor ihm Gestalt an, wo es scheinbar schwerelos in der Luft schwebte und nur darauf zu warten schien, von seinem Träger ergriffen zu werden. Ken wartete ab. Er hütete sich davor, die Klinge an sich zu nehmen. Zu viele Gewehrläufe waren als passendes Gegenargument auf ihn gerichtet. Stattdessen trat der Anführer der Legionäre an die Gefangenen heran und streckte seine Hand nach dem Griff der schwebenden Waffe aus. Der Warnruf der Bewahrerin kam zu spät! Kaum hatte sich seine Hand um den Griff des Schwertes gelegt, begann die Waffe leicht zu vibrieren, und ein blauer Lichtbogen sprang von der Klinge direkt in das erstaunte Gesicht des Legionärs über. Augenblicklich verdampften die Augen des Mannes in ihren Höhlen, während sein Körper von spastischen Zuckungen hin und her geworfen wurde. Er sackte in sich zusammen und schlug auf dem stählernen Boden des Hangars auf. Zurück blieb nur ein verbrannter Körper in einer verschmorten Legionärsrüstung, der in eigenartig verkrümmter Haltung das Landedeck zierte. Während die Legionäre fassungslos auf das starrten, was von ihrem Anführer übrig geblieben war, trat Helen Dryer neben den noch dampfenden Leichnam und schüttelte den Kopf. »Dämlicher Narr! Du hast wohl noch nie etwas davon gehört, dass nur der Schwertträger selbst den Griff seiner Waffe berühren kann. Jedem anderen bringt das den Tod und macht das Schwert daher wertlos.« »Das ist der feine Unterschied zu Ihrem Schwert, Teuerste«, grinste Ken Dra. Die Bewahrerin blieb von seinem Spott unbeeindruckt. Sie trat nun ihrerseits an die schwebende Waffe heran, musterte die meisterhaft gearbeitete Klinge einen Moment lang und
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berührte sie dann leicht an der geraden Parierstange. Als nichts geschah, packte Helen das Schwert an der Schneide und hob es problemlos aus dem unsichtbaren Kraftfeld heraus. Sie ahmte Ken Dras Grinsen nach. »Die Sache mit dem Griff bedeutet natürlich nicht, dass man das Schwert überhaupt nicht anfassen könnte. Führt die Gefangenen ab!« Schnell waren Ken, Jones und Lasaria von den herbeieilenden Legionären umringt und wurden in Richtung eines der Schotte davon geführt. Helen Dryer blieb noch eine Weile nachdenklich vor der Leiche des Commanders stehen. Dann bückte sie sich, riss ein großes Stück der verschmorten Uniform des Toten ab und wickelte Ken Dras Schwert darin ein. Anschließend richtete sie sich wieder auf und stellte über ihren Kommunikator eine Verbindung zum Kommandostand der MAGIRUNA her. Als der Captain des Schlachtschiffes auf seinem Monitor die Bewahrerin erkannte, machte er eine Ehrenbezeugung und erwartete dann die Befehle der Rasahra. »Sofort Kurs auf Scardeen setzen! Ich habe dem Rat ein wertvolles Geschenk zu überreichen.« Φ »Bleiben Sie stehen!« Der Ruf hallte über die weite Fläche des Landedecks und erreichte auch den jungen Mann, der mit langsamen Schritten auf eines der kleinen Transportschiffe zuschlenderte. Er hielt in der Bewegung inne. Der große Reisekoffer in seiner Rechten senkte sich auf den Boden, während der Mann abwartend stehen blieb. Auf dem Stadtschiff LORD OF LIGHT war gerade der Wechsel zwischen der Spät- und Frühschicht im Gange, daher herrschte zwischen den Transportern und Passagierschiffen ein reges Treiben. Der Ruf konnte praktisch jedem gegolten haben. Der Mann nahm seinen Reisekoffer langsam wieder auf und setzte den Weg in Richtung des Schiffes fort. Seine Augen waren dabei in ständiger Bewegung, irrten von einer Seite zur anderen in dem sinnlosen Unterfangen sich nichts entgehen zu lassen. »Halt!« Er erschrak bis ins Mark und starrte auf die Gestalt, die urplötzlich neben ihm aufgetaucht war. Es war einer der vielen Aspekte, die auf dem Planeten Cloudgarden und den im Orbit kreisenden Stadtschiffen ihren Dienst taten. Das geklonte Abbild von Natasha, der verstorbenen Ehefrau Mel Quires, trug wie alle Aspekte einen der hautengen Anzüge, bei denen man sich unwillkürlich fragte, wie sie es schafften dort hineinzugelangen. Auf jeden Fall betonte die Bekleidung all diejenigen Stellen eines Fraukörpers, bei deren Anblick einem Mann zuerst das Blut in den Kopf und dann in ein anderes wichtiges Körperteil schoss. Der Mann senkte für einen Augenblick den Kopf. Mit der freien Hand fuhr er sich über sein kurz geschnittenes rotes Haar. Dann stellte der den Koffer erneut ab, legte eine Hand wie schützend auf den Mantel, den er über den linken Arm trug, und musterte stumm den abwartenden Aspekt. Die Halskette mit dem kleinen Anhänger wies die Frau als NAT-007-F aus. »Wohin soll es denn gehen?«, fragte Natasha, trat einen Schritt näher und fügte hinzu: »Mister Hal Quire.« Hal zuckte bei der Erwähnung seines Namens kurz zusammen, hatte sich aber schnell wieder im Griff. Seine Gestalt, die für einen kurzen Augenblick in sich zusammengesackt war, straffte sich. Er sah dem Abbild seiner verstorbenen Mutter offen ins Gesicht, suchte eine menschliche Regung, irgendetwas, das ihn an das liebevolle Bild seiner Mutter, welches er tief im Herzen trug, erinnerte. Stattdessen starrte ihn ein Etwas entgegen, das zwar aussah wie seine Mutter, ansonsten aber nichts mit ihr gemein hatte. Zumindest für ihn nicht – auch wenn Kardina ihm erklärt hatte, dass in jedem Aspekt ein Teil seiner Mutter steckte.
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Der kühle Blick Natashas ließ Wut in ihm aufsteigen. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht!«, brach es aus Hal Quire hervor. »Ich bin ein freier Mann und kann gehen wohin ich will.« NAT-007-F blieb von den heftigen Worten des Mannes unbeeindruckt. »Natürlich sind Sie ein freier Mann. Und Sie können auch hingehen wohin Sie wollen ...«, sagte sie in einem monotonen Tonfall, wobei sie Hal Quire nicht aus den Augen ließ, »... aber Sie dürfen nicht zur Erde!« Hal Quire zuckte zusammen und sah die Natasha mit schreckgeweiteten Augen an. Er fühlte sich wie ein Schüler, der während einer Klassenarbeit beim Abschreiben erwischt worden war. »Woher wissen Sie das?« Der Aspekt deutete mit dem Kopf in Richtung des kleinen Transportschiffs, auf das Hal Quire zugeschlendert war. »Wir haben routinemäßig die Daten des Kursrechners überprüft, Sir«, erklärte der Aspekt kühl und kam noch einen weiteren Schritt auf den vor Wut zitternden Mann zu. »Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass für alle Raumschiffe ohne Tarnvorrichtung Flüge zur Erde untersagt sind. Die Gefahr dabei von den Scardeener entdeckt zu werden und die Position der Erde zu verraten, ist zu groß.« »Das ist mir so was von egal!«, brüllte Hal Quire los, dem die unpersönliche Art Natashas gewaltig gegen den Strich ging. Was gab diesem schlechten Abklatsch seiner verstorbenen Mutter eigentlich das Recht, so mit ihm zu reden? »Ich werde zur Erde fliegen! Das ist mein gutes Recht. Der Planet ist die Heimat meiner Eltern und damit auch meine Heimat. Mich widert euer Leben hier auf Cloudgarden an. Überall stoße ich auf euch misslungene Abziehbilder meiner Mutter. Ihr seht zwar aus wie sie, aber keine von euch hat nur einen Funken von dem in sich, was sie mir bedeutet hat.« Der Aspekt runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. Sie schien über den letzten Satz nachzudenken. Gerade als sie darauf etwas erwidern wollte, bückte sich Hal nach seinem Koffer. »Ich will endlich unter Menschen!«, schrie er dem Aspekt entgegen. Dann riss er ohne Vorwarnung sein Gepäckstück hoch und schleuderte es Natasha entgegen, die von der Attacke vollkommen überrascht wurde. Der Koffer prallte mit Wucht gegen ihre Brust, sprang auf und verteilte seinen Inhalt über das Landefeld. Während NAT-007-F zurücktaumelte und um ihr Gleichgewicht rang, fuhr Hal Quires Hand unter den Mantel, der immer noch über dem linken Arm hing. Er zog einen schussbereiten Nadelstrahler hervor. Mit einem wilden Funkeln in den Augen legte er auf die Frau an. »Mutter!«, stieß er hervor, als erinnere er sich im letzten Moment daran, gegen wen er die Waffe richtete, doch da hatte er bereits den Auslöser betätigt. Ein feiner Strahl aus gebündeltem Licht löste sich aus dem Lauf des Strahlers. Erschrocken beobachte Hal, mit welcher Präzision sich der Strahl in die Brust des Aspekts bohrte, der keinerlei Chance mehr hatte, der tödlichen Attacke zu entgehen. Natasha starrte ihren Mörder sekundenlang mit einer Mischung aus Verwirrung und Überraschung an, dann kippte sie wie in Zeitlupe nach hinten. Ihr Körper prallte hart auf dem Landedeck auf und blieb regungslos liegen. Von irgendwo her erklang ein schriller Alarmton. Hal Quire stand wie gelähmt da. Sein Herz hämmerte. Der kalte Schweiß brach ihm aus. »Mutter ... was hab ich getan, mein Gott, was hab ich getan ...?« Er machte einen Schritt vor, wollte sich zu der Toten hinunterbeugen, sie in den Arm nehmen, ihr langes, rotes Haar streicheln. Ein Ruck ging durch Hal. Er hielt im Schritt inne und horchte auf. Erst jetzt registrierte er bewusst den heulenden Alarm. Die Sensoren haben den Energiestoß meines Nadlers registriert. An Bord eines Stadtschiffes war es so gut wie unmöglich unbemerkt eine Energiewaffe abzufeuern. Es war jetzt nur eine Frage der Zeit, bis das Landedeck von schwer
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bewaffneten Aspekten überflutet wurde. Hal stand immer noch wie angewurzelt da und starrte auf den Körper der von ihm getöteten Natasha. Ihr kalter Blick starrte ihn anklagend an. Qualm und der Gestank von verschmortem Fleisches stiegen von dem Leichnam auf. Die sengende Hitze eines Energiestrahls, der dicht über ihn hinwegfegte, riss Quire aus seinen Trott. Aus einem der vielen Schotts, die von dem Landedeck abzweigten, stürmte eine Abteilung von Aspekten hervor. Hal setzte mit einem Sprung über die Leiche hinweg und stürmte im Zickzacklauf auf das startbereite Transportschiff zu. Noch im Laufen betätigte er einen Knopf an seinem Armbandkommunikator. Sofort klappte eine Luke im Rumpf des Raumers nach unten und setzte sanft auf dem Boden auf. Ein weiterer gleißender Lichtstrahl fegte auf den Flüchtenden zu, verfehlte ihn aber erneut nur knapp und fuhr dicht neben der Luke in die Schiffswand hinein. Hal Quire erreichte das Schiff. Mit großen Schritten stürmte er die Rampe hinauf, warf sich in das Innere und schmetterte seine Faust auf den Schließmechanismus. Summend sprangen die kleinen Servomotoren der Luke an, um das Schott luftdicht zu verschließen. Hal rannte über einen Verbindungskorridor zum Cockpit und ließ sich in einen der beiden Konturensitze fallen. Den Nadelstrahler warf er achtlos in den anderen Sessel. Mit fahrigen Bewegungen huschten seine Finger über die Bedienelemente. Achtern sprangen die Triebwerke mit einem Brummen an. Hal schaltete das Antigrav-Feld zu, das sich unter dem Raumer aufbaute und den Stahlleib in einen Schwebezustand versetzte. Die zunehmende Anzahl dumpfer Einschläge auf der Außenhaut des Transporters zwangen Quire dazu, sich kurz von den Kontrollen zu lösen und einen Blick durch das Cockpitfenster nach draußen zu werfen. Auf dem Landedeck war inzwischen der Teufel los. Drei der Angreiferinnen waren neben ihrer getöteten Kollegin niedergekniet und deuteten nun wild gestikulierend in Richtung des Transporters. Weitere Natashas tauchten auf der anderen Seite des Landedecks auf. Dazu gesellte sich eine Sicherheitsabteilung Shadow Commands in voller Kampfmontur. Die anrückenden Agenten und Aspekte deckten das kleine Schiff mit todbringenden Salven aus Energiekarabinern und Armbandlasern ein. Noch fing die Hüllenpanzerung des Transporters die Schüsse ab. Doch es war nur eine Frage der Zeit, ehe sie sich unter der enormen Hitzeeinwirkung verformen und bald verflüssigen würde. Fluchend schwang Hal Quire die Nase des kleinen Schiffes herum und brachte es in Richtung des Schleusentores in Position. Mit langsamer Fahrt schwebte der Transporter auf seinem Antigrav-Feld vorwärts. Das automatische Kollisionswarnsystem registrierte das sich nähernde Schiff. Zusätzlich zum allgemeinem Schiffsalarm erklang jetzt auch noch eine zweite durchdringende Sirene auf, die von rot blinkenden Warnleuchten unterstützt, die Gefahr eines Zusammenstoßes mit der Außenschleuse des Landedecks anzeigte. Mit einem gehässigen Grinsen sah Hal Quire, wie sich dicht unter der Nase des Transporters, in der die Ortungssysteme des Schiffes untergebracht waren, die Mündung der Bordkanone nach vorne schob. Dieser kleine Hochleistungslaser war die einzige Bewaffnung, die diese Kleinstraumschiffe besaßen. Eigentlich nur eine wenig stärkere Ausführung, wie die Armeelaser, aus denen immer noch auf den Transporter geschossen wurde. Quire war sich der Tatsache bewusst, das er mit der geringen Leistung dieser Waffe der Torpanzerung nichts entgegensetzen konnte. Aber auch dafür hatte der Flüchtende eine Lösung parat. Während der Transporter auf seinem Antigrav-Feld immer noch auf das Schott zuschwebte, tippte Hal Quire in schneller Folge Befehlsfolgen in die Instrumententastatur. Ein tiefes Summen klang im Cockpit auf, das sehr schnell in der Tonlage anstieg und letztendlich zu einem lauten Kreischen wurde. Mit einem irren Funkeln in den Augen beobachtete Quire die Anzeigen des Kontrollpults vor sich. Durch das Zuschalten der Antriebsenergie auf den Laser stand die Waffe dicht vor der Überladung. Blaue Lichtbogen züngelten an der Mündung der Bordkanone entlang, ehe sie sich mit einem lauten Knall entlud und eine gewaltige Emission
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auf das Tor schleuderte. Das massive Schott glühte unter der Belastung kurz auf, dann zerbarst das Metall. Die Trümmer fegten wie Granatsplitter über das Landedeck. Hal konnte beobachten, wie das Deckpersonal, die Shadow-Soldaten und Aspekte sich zu Boden oder hinter Frachtgut in Deckung warfen. Trotzdem wurden einige von ihnen von den glühenden und scharfkantigen Metallteilen getroffen und blieben schwer verletzt liegen. Mit einem energetischen Summen sprang das Energiefeld an, das das Innere des Landedecks vor einem katastrophalen Druckabfall schützen sollte. Hal ließ das alles unbeeindruckt. Er kannte nur sein Ziel – seine Flucht. Er starrte über das geschmolzene Etwas hinweg, das von dem Laser und auch dem Bug des Transporters übrig geblieben war. Mit der Bordkanone hatten sich auch Teile des Ortungssystems verabschiedet. Vor sich hinfluchend hieb Hal Quire auf die Schubkontrolle des Transporters. Die Triebwerke sprangen an, spuckten Feuer und trieben das kleine Raumschiff durch das geborstene Tor aus dem Stadtschiff nach draußen. Ohne der LORD OF THE LIGHT noch einen Blick zuzuwerfen, jagte Hal Quire den Raumer in den Nachthimmel Cloudgardens hinaus. Φ Simon McLaird öffnete langsam die Augen, doch die Schwärze um ihn herum blieb. Er lag auf dem Rücken. Unter sich spürte er den harten Boden seines Gefängnisses. Er atmete tief ein, schmeckte die abgestandene Luft und wurde plötzlich von einem Hustenkrampf gepackt, der seinen ohnehin geschundenen Körper schmerzhaft durchschüttelte. Er beruhigte sich nur mäßig, sah Sterne vor seinen Augen. Nach schier endlosen Momenten lag er wieder ruhig da. Er glaubte ein Licht wahrzunehmen. Kleine, helle Punkte tummelten sich direkt vor seinem Gesicht. Es dauerte eine Weile, bis Simon merkte, dass ihm seine Sinne nur etwas vorgaukelten – überreizte Netzhäute und Sehnerven. Erschöpft schloss er die Lider. Sofort blitzen Bilder der Erinnerung vor seinem inneren Auge auf. Erinnerungen an Qualen, Schmerzen und Angst. Angst vor weiterer Pein und vor dem Tod. Simon schüttelte den Kopf als könne er damit die Gedanken an die vergangenen Stunden, Tage oder Wochen – er hatte keinerlei Gefühl für die Zeit mehr – von sich abschütteln. Wenn man ihm gesagt hätte, dass er sich nicht einmal einen Tag lang in Gefangenschaft befand, hätte er es nicht geglaubt. Er atmete nochmals tief ein, dann rollte er sich auf die Seite und stemmte seinen Körper vorsichtig in die Höhe. Eine Schmerzwelle zwang ihn kurz innezuhalten. Sein Körper fühlte sich wie eine einzige große Wunde an, ein Gefühl, das der Wirklichkeit wahrscheinlich näher kam als ihm lieb sein konnte. Er setzte zu einem zweiten Versuch an, kam schwerfällig und stöhnend auf die Beine. Schwankend stand Simon McLaird einen Moment inmitten der Finsternis. Er streckte seine Arme aus, rang um das Gleichgewicht und stieß mit der rechten Hand gegen eine Wand. Beinahe erleichtert stolperte er näher an die seitliche Begrenzung seines Gefängnisses heran und lehnte sich mit der Stirn gegen das kühle Metall. Schwer atmend verharrte er in dieser Position und versuchte seine geistigen und körperlichen Kräfte zu sammeln. Nicht aufgeben, befahl Simon sich dabei unablässig selbst und ballte dabei seine Hände zu Fäusten. Denk an das, was du im Karatetraining gelernt hast. Konzentriere dich auf dein hara! Atmen und entspannen! Sein Atem beruhigte sich, fand einen eigenen Rhythmus. Er fühlte wie sich sein Bauch bei jedem Zug spannte, presste die Luft bis zum letzten Quäntchen aus sich heraus. Mehr als einmal war er versucht, wieder schneller zu atmen, doch er beherrschte sich und machte das Atmen zu einem Ritual. Körper und Geist entspannten sich. Simon stieß sich von der kalten Wand ab und tat ein paar Schritte in den dunklen Raum hinein. Er machte Lockerungsübungen, spannte die Muskeln seines Körpers an und löste sie langsam, ausgehend vom Fuß bis herauf zum Nacken. Anschließend nahm er die
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Grundstellung der japanischen Kampfkunst ein, hob vorsichtig sein rechtes Bein an und brachte es geradlinig in einem rechten Winkel zu seinem Körper. Er kämpfte anfangs noch um das Gleichgewicht, doch als er sich wieder auf seine Bauchatmung besann, gelang es ihm, den Stand zu halten. Nach einer Weile setzte er das Bein ab und wiederholte die Übung mit dem anderen. In der Dunkelheit durchlief er eine festgelegte Bewegungsform, eine Kata, die in ihrer Langsamkeit an eine Tai-Chi-Übung erinnerte. So trainierte er fast eine halbe Stunde lang, lockerte seine Verspannungen im Schattenkampf, ständig darauf bedacht, seine Techniken nur auf kleinstem Raum auszuführen, um nicht gegen die Wände zu stoßen. Als er sich für eine Pause entschied, waren seine Schmerzen fast wie weggeblasen. Sein Körper signalisierte ihm jedoch durch ein Pochen an den entsprechenden Stellen, dass seine Verletzungen sehr wohl noch präsent waren und er vorsichtig sein musste, um sie nicht zu sehr zu strapazieren. In Gedanken ging er noch einmal die Kampftechniken durch, die er eben geübt hatte. Zufrieden stellte er dabei fest, dass seine Reflexe fast schon wieder ihren Normalzustand erreicht hatten. Plötzlich vernahm er ein lautes Zischen, gefolgt von einer wahren Lichtflut, die sich schmerzhaft in Simons Netzhäute brannte. Instinktiv presste er die Lider zusammen und riss gleichzeitig die Hände schützend vor das Gesicht. Trotzdem hatte er immer noch das Gefühl in das Licht explodierender Sterne zu blicken. »Sieh an, sieh an«, erklang eine vertraute Stimme. Simon öffnete die Augen einen Spaltbreit. Gegen das Licht, das durch das offene Schott der Zelle fiel, konnte er die Silhouetten dreier Soldaten erkennen. »Hat der feine Herr endlich ausgeschlafen?«, fuhr der Soldat mit gespielter Sorge fort, was bei seinen Kameraden vor dem Schott zu einem Heiterkeitsausbruch führte. »Dann können wir unsere unterbrochene Unterhaltung von heute Morgen ja fortführen.« Simon wollte nicht darüber nachdenken, was die unterbrochene Unterhaltung eigentlich darstellte: Folter, Schmerz, Qual. Äußerlich erweckte er weiterhin den Anschein eines wehrlosen Opfers – innerlich hatte er sich indes zum Kampf gespannt. Simon täuschte einen unbeholfenen, strauchelnden Schritt auf den Mann zu, der ihm am nächsten stand. Der Soldat streckte ihm reflexartig die Arme entgegen – eine Geste, die Simon skrupellos ausnutzte. Er ließ sein rechtes Knie zwischen den Beinen des Soldaten hochschnellen. Der überraschte Ausdruck wich schnell einer schmerzverzerrten Miene. Er rang mit einem lauten Stöhnen nach Atem und sackte dann in die Knie. Simon packte den Mann unter den Armen, riss ihn aus seiner verkrümmten Haltung nach oben und nutzte ihn als Deckung. Keine Sekunde zu früh, denn schon vernahm er das Zischen einer Energieentladung. Die zwei Soldaten am Eingang hatten sich schnell gefangen und das Feuer eröffnet. Laserblitze schlugen in den Körper des Legionärs ein. Simon stieß die Leiche von sich. Dem Leib ausweichend waren die beiden Angreifer kurz abgelenkt. Simon hechtete über den Boden, kam mit einer Rolle direkt vor den Soldaten wieder hoch und rammte seine Faust ins ungeschützte Gesicht des ersten. Knochen knackten hässlich. Die Wucht des Stoßes hatte den Kiefer zertrümmert. Blut schoss dem Mann aus Mund und Nase, als er mit verdrehten Augen nach hinten wegkippte. Simon duckte sich, streckte sein rechtes Bein vor und fegte dem anderen Legionär, der bereits wieder auf ihn angelegt hatte, mit einem Tritt von den Füßen. Er ließ das Gewehr los, ruderte mit den Armen und landete mit dem Rücken auf dem Boden. Nach Luft ringend versuchte der Soldat seinen Körper herumzurollen, um wieder an seine Waffe zu kommen, doch Simon war schneller. Mit einem katzenhaften Sprung landete er auf der Brust des Legionärs und beendete das kleine Scharmützel durch einen gezielten Handkantenschlag gegen den Kehlkopf des Mannes. Das Röcheln erstarb nach wenigen
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Augenblicken. Simon blieb noch einen kurzen Moment neben dem toten Soldaten knien und blickte in dessen Gesicht. Er biss die Zähne zusammen und schüttelte langsam den Kopf. Einmal mehr erinnerte er sich an Mel Quires Worte, dass Krieg zwischen ihnen und Scardeen herrschte. Ein Krieg, der Opfer erforderte. Simon hatte in Notwehr gehandelt, aber die Legionäre, die er getötet hatte, waren nur Befehlsempfänger gewesen, nicht die wahren Feinde, die es zu bekämpfen galt. Er dachte darüber nach, dass jener Tote neben ihm ein Zuhause hatte – wo immer das sein mochte. Möglicherweise besaß er eine Familie, die nun vergeblich auf seine Heimkehr wartete. »Verdammt!«, knurrte McLaird und riss sich endlich von dem Anblick der Leiche los. In der Army sagten sie, man gewöhnt sich an das Töten, wenn man den ersten Gegner erschossen hat. Während seiner Militärzeit war Simon nie in Bedrängnis geraten, einem Menschen das Leben zu nehmen. Seit er auf Jee A Maru und Ken Dra getroffen war, gehörte es schon fast zum Tagesplan. Ich werde mich nie daran gewöhnen. Schwerfällig erhob er sich und beruhigte sein Gewissen damit, dass zumindest der Mann mit dem gebrochenen Kiefer noch lebte. Danach bückte er sich nach einem der Armeelaser und trat über die Schwelle des Schotts in den Gang hinaus. Er schlich geduckt bis zum nächsten Korridor. Von anderen Besatzungsmitgliedern war auf diesem Deck weit und breit nichts zu sehen – zumindest glaubte er, sich noch immer an Bord von Sealdrics Raumschiff zu befinden. Da er den anschließenden Gang nicht direkt einsehen konnte, presste er sich mit dem Rücken an die Wand und schob langsam den Lauf des Lasers voran. Plötzlich krachte etwas mit Wucht gegen die Waffe. Das Gewehr wurde ihm aus den Händen geprellt und schlitterte über den glatten Boden davon. Durch die Wucht des Schlages kam Simon ins Stolpern und musste ungewollt seine Deckung verlassen. Er stand mitten auf der Korridorkreuzung und starrte ins Gesicht einer hoch gewachsenen Frau in blauer Robe, über deren Schultern ein goldfarbener Umhang hing. Das blonde Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt und wurde am Hinterkopf von einem Knoten gebändigt. Eine Bewahrerin!, durchfuhr es Simon. »Einen Preis verdienst du für die Flucht nicht«, sagte die Frau mit einer für Simons Geschmack viel zu schrillen Stimme. »Aber du hast mich schon beeindruckt, Schwertträger, dass du bei deiner Verfassung soweit gekommen bist.« Simon sah das Schwert in ihrer Hand, mit dem sie ihn entwaffnet hatte. »Hast du wirklich gedacht, du könntest so einfach aus der Zelle spazieren?«, fuhr die Bewahrerin fort, »Die Zellen werden überwacht.« Sie lachte höhnisch auf. Simon ging automatisch in Abwehrstellung und ballte die Hände zu Fäusten. Die Frau hob ihr Schwert, balancierte die Klinge ums Handgelenk und nahm eine Angriffsposition ein. »Sehr fair, auf einen Unbewaffneten loszugehen«, kommentierte Simon. »Ich sollte mal für Chancengleichheit sorgen, oder? Mossar!« Nichts geschah! Keine theatralische Flammensäule, kein plötzlich materialisierendes Schwert. »Wie ich sehe, scheint dein Gedächtnis einigen Schaden bei der Folter genommen zu haben. Dein Schwert wurde dir bereits auf Sealdrics Schiff abgenommen, wo es sich auch jetzt noch befindet.« Tante, du redest zuviel, dachte Simon, um sich von der Tatsache abzulenken, dass der Bewahrerin schutzlos ausgeliefert war. Und sie schien nicht das geringste Interesse daran zu haben, ihn lebend davon kommen zu lassen. »Aber wir sind hier auf meinem Schiff«, sagte die Frau dann auch wie zur Unterstreichung
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von Simons Vermutung. »Hier bin ich die oberste Instanz!« Sie hob das Schwert über den Kopf, machte zwei Schritte auf Simon zu, bereit die Klinge mit tödlicher Präzision auf den waffenlosen Schwertträger niedersausen zu lassen. Simon stand mit dem Rücken zur Wand. Seine Augen suchten fieberhaft nach einem Ausweg – es blieb bei der Suche. Φ Auf dem großen Panoramabildschirm der HUNTRESS zeigte sich die Amazonenwelt Mazoni als eine schimmernde Kugel. Sherilyn Stone kam der Planet wie ein strahlendes Juwel in der Unendlichkeit des Alls vor. Eine Oase mit grünen Landflächen und tiefblauen Meeren, die in Sherilyn schmerzhafte Erinnerungen an ihre eigene Heimatwelt weckten. Die Erde, die sie verlassen hatte, um die Menschheit vor dem Zugriff des Scardeenischen Sternenreichs zu schützen. Obwohl nicht einmal zwei Jahre vergangenen waren, kam Major Stone die Trennung von der Erde schon wie eine Ewigkeit vor. Ein leises Räuspern riss Sherilyn aus ihren Gedanken. Sie drehte sich von dem großen Sichtschirm, auf dem gerade eine Staffel mantaförmiger Raumjäger vorbeizog, weg und sah direkt in die blauen Augen von Second Lieutenant Karen Wyman, einer attraktiven jungen Frau mit dunklen, gewellten Haaren, die ihre rechte Hand zum militärischen Gruß an die Stirn gelegt hatte. Sherilyn erwiderte die Ehrenbezeigung und sah Karen fragend an. Diese räusperte sich ein weiteres Mal, ehe sie mit ihren Bericht begann. »Unsere Scoutschiffe haben das gesamte Sonnensystem durchflogen. Keine Spur von einem Schlachtschiff oder Prinzessin Tanyas Raumjacht.« »Was sagen die Infrarotscans?«, hakte Sherilyn gleich nach, in der Hoffnung, wenigstens diesmal etwas Positives zu hören. »Wir konnten keinerlei Rückstande von Laserbeschuss oder Photonenemissionen orten. Auch der Einsatz von Solarion-Torpedos ist ausgeschlossen. Wie es aussieht hat es kein Gefecht gegeben. Die Feinsensoren haben lediglich schwache Wärmespuren von Triebwerksemissionen entdeckt.« Niedergeschlagen senkte Sherilyn für einen Moment den Kopf. Dabei sah sie, wie der Lieutenant nervös von einen Fuß auf den anderen wechselte. »Gibt es noch mehr Hiobsbotschaften?«, nahm Major Stone den unterbrochenen Wortwechsel wieder auf und vermied es dabei Karen Wyman direkt in die Augen zu sehen. Stattdessen schweiften ihre Blicke durch die kühl und funktional eingerichtete Kommandozentrale des Zerstörers, wo ein Heer von Menschen und Natasha-Aspekten damit beschäftigt war, mit allen zur Verfügung stehenden Ortungsgeräten in den angrenzenden Raumsektoren nach Ken Dra und die gleichfalls vermissten Amazonen zu suchen. »Leider ja, Major. Soeben erhielten wir die Nachricht, dass die SOLARIA nach Cloudgarden zurückgekehrt ist – ohne Schwertträger McLaird.« Sherilyn stockte der Atem. Eine unsichtbare Schlinge legte sich um ihre Kehle und raubte ihr für einen Moment die Fähigkeit zu sprechen. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck veranlasste Karen Wyman dazu, näher an ihre Vorgesetzte heranzutreten und ihr in gerade zu unmilitärischer Weise die Hand auf die Schultern zu legen. »NAT-3 hat berichtet, dass McLaird sich auf Korona IV umsehen wollte ...« »Warum müssen die schlimmen Dinge immer gleichzeitig geschehen?«, fragte Sherilyn mehr an sich selbst gerichtet. Sie dachte an ihr Gespräch mit Linda O'Ryan zurück und den Vorschlag, sich endlich mit Simon auszusprechen. Warum musste dieser Trottel ausgerechnet allein Nachforschungen anstellen? »Wollte er sich melden?«
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Karen nickte. »Da wir bisher nichts von ihm gehört haben ...« »Ja, ich weiß«, unterbrach Sherilyn. »Nehmen Sie Verbindung zu Cloudgarden auf. Sie sollen ein Agenten-Team nach Korana IV schicken. Vielleicht gibt es dort eine Spur von ihm. Wir müssen uns jetzt auf die Suche nach Ken Dra und den Amazonen konzentrieren.« »Ja, Ma'am.« Karen Wyman salutierte und wandte sich ab. Sherilyn verharrte für eine lange Weile mit erstarrtem Gesichtsausdruck auf der Stelle und verarbeitete in ihrem Inneren die schlechten Nachrichten. Erst Ken Dra und die Amazonen, jetzt Simon. Die Dinge schienen sich nicht gerade zum Guten zu entwickeln. Verdammt, Simon, dachte Sherilyn verzweifelt und ballte in ohnmächtiger Wut ihre Hände zu Fäusten bis die Fingernägel sich schmerzhaft in ihre Handflächen bohrten. Warum hast du mir nichts gesagt? Alter Sturkopf! In der Kommandozentrale war eine eigenartige Stille eingekehrt. Man unterhielt sich nur noch im Flüsterton, darauf bedacht den Major weder zu stören noch irgendwie aufzuschrecken. Vereinzelt trafen immer wieder verstohlene Blicke Sherilyn Stone, deren Gestalt in sich zusammengesackt war. Niemand schien genau zu wissen, wie er sich Sherilyn gegenüber verhalten sollte. So ließ man sie lieber in Ruhe. Die trostlose Stimmung währte fast zehn Minuten, dann straffte sich Sherilyn wieder. Mit einer abgehackten Handbewegung fuhr sie sich über das Gesicht. Einer der jungen Offiziersanwärter an den Ortungskontrollen meinte, wie er später seinen staunenden Kollegen erzählte, er hätte Tränen in den Augen Sherilyn Stones gesehen. Φ Als die Klinge auf ihn herabsauste, zeigte sich, dass Simon McLaird sich wieder voll und ganz auf seine Reflexe verlassen konnte. Er ließ sich zur Seite fallen, tauchte unter dem tödlichen Schwertstreich der überraschten Bewahrerin weg und brachte blitzschnell sein rechtes Bein nach vorne. Mit voller Wucht traf er den Körper der Frau auf Brusthöhe und presste ihr damit die Luft aus den Lungen. Sie taumelte mit schmerzverzerrtem Gesicht und nach Atem ringend zurück, prallte gegen die Gangwand und konnte sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten. Schwer atmend fand sie ihr Gleichgewicht wieder, während sie den Schwerträger mit ihren Blicken angiftete. Wenn Blicke töten könnten, kam Simon der uralte Spruch von der Erde in den Sinn, als er seine Muskeln kurz lockerte und dann wieder in eine Verteidigungsstellung wechselte. Er hätte nie gedacht, wie wertvoll sein Karatetraining einmal sein würde. Anscheinend hatte er die Frau doch härter getroffen als er anfangs glaubte. Sie keuchte und rang heftig nach Luft. Als ihre Augen dann aber aufblitzten und sie betont langsam einen verborgenen Schalter am Griff ihres Schwertes betätigte, schluckte Simon hart. Mit Erschrecken musste er zusehen, wie die Parierstange auf beiden Seiten parallel zur Klinge wegklappte, so dass die Kugeln an den jeweiligen Enden in seine Richtung zeigten. Simon hatte das Schwert der Bewahrer erst einmal in Aktion gesehen. Damals war sein Freund Henry Forster von einer der Leuchtkugeln getötet worden. Er wusste, dass es jetzt keine Rettung mehr für ihn gab. Simon wich bis zur Gangwand zurück und beobachtete gebannt, wie die Kugeln zu glühen begannen. Gleichzeitig lösten sie sich von der Griffstange und schossen direkt auf ihn zu. Er schloss in Erwartung eines qualvollen Todes die Augen. Simons Körper verkrampfte sich. Er erwartete das unvermeidliche Energiefeuer, das ihn bei der Berührung mit den Kugeln in einer Kaskade aus Licht verdampfen würde. Doch nichts dergleichen geschah! Stattdessen hörte er, wie die Bewahrerin überrascht aufstöhnte. Sofort riss McLaird die Augen wieder auf und blickte erstaunt auf die beiden glühenden Kugeln, die ihn auf Armeslänge umreisten. Der ungläubige Blick der Bewahrerin deutete an, dass dieser Vorgang
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alles andere als von ihr gewollt war. Plötzlich blitzte eine der Kugeln hell auf und verpuffte in einer grellen Wolke aus Licht. Kurz darauf geschah das Gleiche mit der zweiten. Der Gesichtsausdruck der Bewahrerin wechselte von Erstaunen zu bloßer Panik. Anscheinend war dergleichen noch nie vorgekommen. Ihre mächtigste Waffe hat sich in Luft aufgelöst, dachte Simon, der selbst mehr als überrascht war. Die Augen der Frau suchten den Korridor nach einem weiteren Feind ab. Schließlich wandte sie sich mit erhobenem Schwert wieder ihrem Opfer zu. »Ich habe kein Ahnung wie dir das gelungen ist, Schwertträger!« Ihre Stimme war schrill, wütend, doch Simon hörte auch ein unsicheres Zittern heraus. Während er überlegte, wie er ihre Nervosität zu seinem Vorteil einsetzen konnte, griff sie an. Die Bewahrerin sprang ansatzlos auf ihn zu, stieß einen Schrei aus und schwang ihr Schwert im eleganten Halbkreis über ihren Kopf. Mit einer fließenden Bewegung sauste die Klinge auf Simons Schädel nieder. Der Schwertträger stand wie angewurzelt da. Für einen Moment schienen seine Wahrnehmungen ausgeschaltet zu sein. Er hörte und fühlte nichts mehr. Nur die Sehnerven arbeiteten und hielten ihm die Aussichtlosigkeit seiner Lage erbarmungslos vor Augen. Wie in Zeitlupe sah er das Licht, das langsam den kahlen Gang in einen gespenstischen Schimmer tauchte. Die Bewegung der Gegnerin gefror, sie stand mit erhobener Klinge vor ihm als wäre sie eine Schaufensterpuppe. Das gibt es nicht!, dachte Simon. So stark kann sich das Zeitempfinden nicht verlangsamen. Selbst im Augenblick des Todes nicht! Er war erstaunt, zu welchen Gedanken er noch fähig war. Ohne sich bewusst zu werden, was er tat, trat er einen Schritt beiseite. Im selben Augenblick rückte der Zeitfluss wieder in den normalen Ablauf. Die Klinge fuhr an ihm vorbei, schepperte auf dem Boden. Mit sichtlicher Anstrengung versuchte die Bewahrerin das Schwert zu heben. Doch so sehr sie daran riss und zerrte, sie bekam die Waffe um keinen Deut bewegt – fast als wäre die Klinge selbst in der Zeit eingefroren. Unmöglich! Simon überwand seine Überraschung und handelte. Mit einem Schritt war er hinter der Bewahrerin und rammte ihr den Ellbogen in den Nacken. Die Frau ließ den Schwertgriff los und stolperte nach vorn gegen die Wand. Sie fuhr herum und sprang direkt in Simons Faust. Der Schlag warf sie abermals zurück. Simon setzte nach und brachte einen schnellen Stoß gegen ihre Kehle an. Die Scardeenerin fasste sich an den Hals. Ihre Augen weiteten sich, und sie röchelte nach Luft. Sie glitt an der Wand herunter. Ihr Körper zuckte im Todeskampf, ehe sie mit einem letzten Gurgeln ihr Leben aushauchte. Wann hört das Töten auf?, fragte er sich, während er die Leiche betrachtete. Er wusste, dass die unbekannte Bewahrerin nicht die Letzte sein würde, wenn seine Flucht gelingen sollte. Sich nähernde Geräusche von schweren Stiefeln rissen ihn aus seinen düsteren Gedanken. Noch war er nicht in Sicherheit. Sicherlich hatte man den Zweikampf über das Bordüberwachungssystem mitverfolgt. Die Jagd auf ihn begann! Ein leises Zischen lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine kleine Tür am gegenüberliegenden Ende des Ganges. Dahinter lag ein finsterer Raum in dem ein winziger Lichtpunkt schwebte, der nur entfernt den glühenden Kugeln des Bewahrer-Schwertes glich. Das wird ja immer verrückter! Simon zuckte erschrocken zusammen als er plötzlich eine Stimme hörte: Komm! Fast automatisch lenkte er seine Schritte in Richtung des Raumes und tauchte in die Finsternis ein. Kaum, dass er das Zimmer betreten hatte, glitt das Schott hinter ihm wieder zu.
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Draußen auf dem Gang klangen hektische Schritte auf. Simon legte den Kopf an das Schott und machte anhand der Lautstärke eine große Anzahl Soldaten aus, die sich im Korridor tummelten. Er schnappte Gesprächsfetzen auf. Anscheinend war man über sein plötzliches Verschwinden mehr als überrascht. Befehle wurden gebrüllt. Schritte entfernten sich. Neue gesellten sich hinzu. Jemand schien die Legionäre in Suchtrupps aufzuteilen und fortzuschicken. Als alle Schritte verklungen waren und es draußen wieder ruhig wurde, wunderte sich Simon, warum niemand in diesem Raum nachgeschaut hatte. Langsam wandte er sich um und starrte direkt in den Lichtpunkt, der nun in allen Regenbogenfarben pulsierte. Der Schein spendete nur unzureichende Helligkeit, so dass von dem Raum selbst kaum etwas zu sehen war. Simon umschritt das seltsame Etwas. Es schien sich seit seinem Betreten nicht vom Fleck gerührt zu haben und schwebte in Kopfhöhe gerade mal zwei Meter von Simon entfernt mitten in der Luft. »Auf was wartest du?«, fragte der Schwertträger in die Stille hinein. Er starrte den Punkt eine Weile durchdringend an und verfolgte fasziniert das stetig wechselnde Spiel der Farben. Ehe sich Simon in dem Anblick verlieren konnte, geschah etwas. Schlagartig flammten in der Decke verborgene Lichtquellen auf und überfluteten alles mit einer gnadenlosen Grelle. Simon kniff die Augen zusammen und versuchte sich an die plötzliche Lichtflut zu gewöhnen. Nach und nach nahm er seine Umgebung wahr. Er befand sich in einer Art Abstellkammer, inmitten von Kisten, Boxen und Metallstreben. Noch ehe er sich genauer umsehen konnte, begann der Lichtpunkt sich aufzublähen. Das Pulsieren nahm an Intensität zu, während der Wechsel der Farben sich nur noch auf grün, rot und einen dunklen Blauton beschränkte. Schließlich begann das Licht sich zu verformen und vier tentakelähnliche Ausläufer zu bilden. Dabei wuchs es stetig weiter, bis es die Größe eines Menschen erreicht hatte. Nach einem letzten Aufblitzen stand eine humanoide Gestalt vor Simon. Ihr Körper war in eine grüne Kutte gekleidet, die ihn bis zu den Füßen einhüllte. Eine weit geschnittene Kapuze war tief über die Stirn gezogen und verbarg gänzlich das Gesicht. Simon starrte den Kuttenträger mit geweiteten Augen an. Eine Weile standen sich die beiden einfach stumm gegenüber. Abwartend. Lauernd. Simon ahnte, dass er dem Fremden sein Leben verdankte, wer oder was auch immer dieser darstellen mochte. Die Gestalt hob ihre Hände an den Kopf und schlug die Kapuze mit einer abrupten Bewegung zurück. Was darunter zum Vorschein kam, ließ Simons Atem stocken. Er trat instinktiv drei Schritte zurück, bis das Schott ihn ihm Rücken stoppte. Seine Verwirrung wandelte sich zur Freude, und impulsiv stürmte er vor und schloss den Kuttenträger in die Arme. »Jee!« Er drückte sie kräftig, hielt sie eine Zeitlang einfach fest und schob sie dann auf Armeslänge von sich, um sie eingehend zu mustern. Jee A Maru hatte sich äußerlich überhaupt nicht verändert. Sie trug ihr silberfarbenes Haar immer noch lang bis zum Rücken. Ihre grünen Augen verliehen ihrem Gesicht wie eh und je ein exotisches Aussehen. Diese Frau war immer noch die Jee A Maru, in die er sich vor über einem Jahr wie ein Schuljunge verliebt hatte und die er auf ihren Wunsch hin auf dem Planeten DUST zurückgelassen hatte. Und dennoch nahm er eine Veränderung an ihr wahr. Etwas, das er nicht in Worte fassen konnte. Stattdessen schaute er sie nur verwirrt an. Die frühere Schwertträgerin lächelte ihn an. Sie strich sanft über Simons Wange, streifte dann seine Arme ab und sah ihm tief in die Augen. »Es hat sich einiges verändert, Simon«, sagte Jee auf einmal. Simon runzelte die Stirn. »Ach? Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen, als wir uns auf DUST trennten.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Hat dir Sherilyn Stone von ihrem Besuch auf Dai Urshar
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erzählt?« Bei der Erwähnung von Sherilyns Namen zog sich Simons Magen zusammen. Seit seiner Weihe zum Schwertträger hatte er die Nähe seiner Freundin als falsch, ja beinahe unerträglich empfunden. Er wusste mittlerweile, dass ihre Gefühle für ihn nicht echt waren. Er war für sie eine Affäre, ein Zeitvertreib, nicht mehr, nicht weniger. Simon sah erstaunt auf, als Jee A Maru den Kopf schüttelte. »Urteile nicht zu hart über sie. Du magst mit deinen Gedanken Recht haben, aber Sherilyn ist für dich auch ein Freund. Selbst wenn sie dich nicht liebt, sie würde stets an deiner Seite stehen und für dich einspringen.« »Du liest meine Gedanken?« »Einige. Wie ich schon sagte, es hat sich etwas verändert. Ich habe einen ersten Reifeprozess durchlaufen, der mir einige Geheimnisse der Silberpyramide auf Dai Urshar offenbart hat.« Simon fuhr sich mit der Zunge über die plötzlich trockenen Lippen. »Du willst damit sagen ... du bist weiser geworden?« Die Pyramidenadeptin lachte auf. »Würde der Weise von sich behaupten, weise zu sein?« Simon fiel erst jetzt auf, dass Jee eine grüne Robe trug – nicht mehr die graue, in die sie bei ihrem Abschied gekleidet war. Sein Blick wanderte wieder hoch und suchte ihren. Lange Zeit sahen sie sich einfach nur an, bis das Schweigen zwischen ihnen fast unangenehm wurde. »Warst du das auf dem Gang?«, fragte er dann, um die Stille zu überbrücken. »Die Sache mit dem Schwert und den verpufften Todeskugeln?« Jee A Maru nickte. Ihr Lächeln versteifte sich plötzlich und machte einem sorgenvollen Ausdruck Platz. »Simon, ich weiß nicht, wie viel du nach deiner Folter noch weißt. Aber du hast Cloudgarden und die Erde verraten!« Ihre Worte schnitten ihm ins Herz. Simons Gestalt sackte in sich zusammen, während er tief Luft holte. Beschämt blickte er zu Boden, wagte nicht mehr, in Jees unergründliche Augen zu sehen. Er fühlte sich elendig und schlecht. Während seines Aufenthaltes in der Zelle und seiner Flucht hatte er die Schuld, die er auf sich geladen hatte, schlicht und ergreifend verdrängt. »Ich ... ich weiß, Jee«, kam es kläglich über seine Lippen, als er an den Moment seiner Schwäche zurückdachte. An den Moment, an dem er dem Bewahrer Sealdric die galaktischen Koordinaten der Allianz und seines eigenen Heimatplaneten verraten hatte. »Aber ich konnte ... die Schmerzen nicht mehr ertragen. Bis dahin war mir nicht bewusst, wie viel Qualen Menschen anderen Menschen zufügen können. Ich habe keine Ahnung was Sealdric genau mit mir getan hat, aber noch jetzt zermartert die Erinnerung an die Folter mein Gehirn. Und noch immer habe ich mit jeder Faser meines Körpers Angst davor, so etwas noch mal durchmachen zu müssen.« Jee war während seines Geständnisses neben ihn getreten und hatte ihm eine Hand auf den Arm gelegt. Simon blickte zögernd auf und sah in ihrem Gesicht neben Trauer auch einen Anflug von Verständnis. Als die Stelle, wo sie ihn am Arm berührte, sich langsam erwärmte, bemerkte er plötzlich, wie blaue Funken von ihrer Hand auf seinen Arm übersprangen und in seiner Haut verschwanden. Zur gleichen Zeit fuhr ein unbeschreibliches Wohlgefühl durch seinen Körper. Die Erschöpfung und auch die Schmerzen fielen von ihm ab, wie faules Obst von einem Baum. Neue Kräfte flossen durch seine Adern. Simon drängte sich unwillkürlich der Vergleich mit einer leeren Batterie, die mit neuer Energie aufgeladen wurde, auf. Als Jee ihn losließ, fühlte er sich wie neu geboren. »Meine Güte!«, stieß er hervor und genoss das einzigartige Gefühl. »Was für Fähigkeiten hat man dir auf DUST gegeben?« Er sah an sich herab und sah, dass die schlimmsten Wunden so gut wie verheilt waren. Von den kleineren Kratzern war überhaupt nichts mehr zu sehen. Jee A Maru machte eine abwehrende Handbewegung. »Unbedeutend im Vergleich zu der
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Macht der Wächter. Ich bin lediglich eine Adeptin.« »Was redest du? Jee, mit diesen Kräften könnten wir den Scardeenern gehörig in den Arsch treten! Wenn wir denen ein für allemal zeigen, wo es lang geht, steht auch der Weg für einen gemeinsamen Frieden offen. Ist das nicht das, was du dir gewünscht hast?« Die Frau schien nachzudenken, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, Simon. Die Wächter mischen sich nicht in die Politik anderer Völker ein. Auch nicht in ihre Kriege.« »Ihre Kriege?« Simon lief rot an. Nur mit Mühe beherrschte er sich. Er war kurz davor, die Fassung ob Jee A Marus Worte zu verlieren. »Es war auch einmal dein Krieg, falls du dich daran erinnerst. Was ist mit deinen Leuten, mit den Drahusem? Denkst du an den Völkermord zurück, den die Scardeener begangen haben?« Die Frau zuckte kaum merklich zusammen. Langsam hob sie den Kopf. Simon sah Tränen in ihren Augen glänzen. Sofort bereute er seine Worte. »Weder die Zeit noch sonst irgendetwas könnte diese Wunde heilen, Simon. Aber ich muss an das Jetzt denken. Mit meiner Entscheidung, auf Dai Urshar zu bleiben, habe ich ein neues Leben begonnen. Es gibt neue Regeln und Gesetze zu beachten, die mir vorher nicht bekannt und nicht bewusst waren.« »Ihr meint also, euch nicht einmischen zu dürfen«, schloss Simon McLaird aus ihren Worten. »Aber genau das hast du doch gerade getan, oder?« »Wir dürfen nicht direkt eingreifen.« Ein Lächeln umspielte Jees Lippen. »Aber ich kann dir etwas geben, das dir im Kampf gegen Scardeen helfen wird.« Die Luft zwischen der Adeptin und Simon flimmerte. Wie aus dem Nichts schälten sich die Konturen einer Klinge daraus. Ohne zu zögern packte Simon McLaird das Schwert am Griff und musterte die Waffe in seiner Hand. Die Klinge war meisterhaft gearbeitet und so gut ausbalanciert, dass er das Gewicht beim hin und her schwenken fast gar nicht wahrnahm. »Es wird dir gute Dienste leisten«, sagte Jee A Maru. »Das Schwert ist weitaus besser als die übliche Waffe eines Schwertträgers.« Simon hörte auf, die Klinge um sein Handgelenk zu balancieren und ließ sie mit Hilfe des verbalen Kommandos in dem Kraftfeld verschwinden, das jedem Schwertträger als unsichtbarem Aufbewahrungsort zur Verfügung stand. Dieses an den Körper der Schwertträger gebundenes Energiefeld war eines der Dinge, die zu dem Mythos der Kaste beigetragen hatte. »Danke, Jee. Jetzt hab ich zwar eine Waffe, aber ich kann kaum etwas ausrichten. Ich weiß nicht einmal, wo ich mich befinde!« »Du bist an Bord des Schlachtschiffs DIEGOR. Es treibt gemeinsam mit der halben Raumflotte Scardeens nahe des Sterns Parxus durch den Raum.« Simon McLaird lief es kalt den Rücken herab. Die halbe Kampfflotte des Scardeenischen Reiches? Wenn die Informationen, die sie von den übergelaufenen Scardeenern besaßen, richtig waren, dann musste die Armada aus annähernd 70.000 Schlachtschiffen bestehen, die begleitenden Zerstörer und etlichen kleineren Kampfeinheiten nicht einmal mit eingerechnet. »Die halbe Flotte?«, echote er und merkte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Jee nickte mit bekümmertem Blick. »Ja. Sealdric setzt alles auf eine Karte. Er sieht Cloudgarden und Dai Urshar als Bedrohung an, die er ohne Risiko eliminieren muss. Ihr habt bei Fassiet eins seiner Schlachtschiffe und zahlreiche Zerstörer zerstört. Und es gab noch einen Zwischenfall im irdischen Sonnensystem?« »Quires Stadtschiff!« Simon erinnerte sich daran, dass Mel Quire vor einem Jahr eines der Riesenschiffe in der Atmosphäre Cloudgardens abgezogen hatte, um die kleine Angriffsflotte der Scardeener an der Entdeckung der Erde zu hindern. Nach den Berichten von Natasha Eins hatte man einige Schlachtschiffe vernichtet. »Die Flotte wartet auf Sealdrics Befehl nach Cloudgarden und der Erde zu starten«, fuhr Jee A Maru fort. »Die Navigationscomputer jeder Schiffseinheit sind mit dem Flaggschiff
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verbunden und erhalten die Zielkoordinaten erst kurz vor dem Überlichtflug. Sealdric hält die Koordinaten bisher geheim, aus Angst, einer der anderen Bewahrer könnte ihm zuvor kommen. Er will den Sieg für sich beanspruchen, denn nur so rettet er seinen Kopf vor dem Rat von Scardeen.« »Woher weißt du das alles?«, fragte Simon. Jee grinste und tippte sich dabei an die Schläfe, als wäre damit alles gesagt. Simon ahnte, dass sie damit auf irgendwelche Gedankentricks ansprach, die die Pyramidenwächter offenbar beherrschten. Er seufzte tief. All die Informationen in seinem angeschlagenen Zustand zu verdauen, war nicht einfach. Zwar war er durch Jees Eingriff körperlich fit, doch die Erinnerungen an seine Folter würden Narben in seiner Seele hinterlassen. Schuldgefühle stiegen in ihm auf. Wäre er standhafter bei Sealdrics Verhören gewesen, wären Cloudgarden und die Erde nicht bedroht. Er musste die Allianz und Shadow Command warnen. Irgendwie. Verzweifelt blickte er Jee A Maru an. »Was kann ich tun? Wenn die Flotte sich bereits gesammelt hat, kann sie jeden Moment in den Hyperraum springen. Es wäre nicht mal damit getan, wenn ich ein Funksignal nach Cloudgarden absetzen könnte. Wir können in der kurzen Zeit nicht evakuieren und selbst die 104 Stadtschiffe haben einer Armada von 70.000 Schlachtschiffen nichts entgegenzusetzen.« »Ich bringe dich zu Seladrics Flaggschiff«, sagte die Adeptin. »Finde ihn und schalte ihn aus. Lösch die Koordinaten aus dem Navigationscomputer. Das ist die einzige Möglichkeit, die du hast.« »Und du kannst wirklich nichts anderes tun?« Jee schüttelte den Kopf. »Ich habe mich schon mehr eingemischt, als ich dürfte. Simon, bei allem, was du tust ... denke an David und Goliath.« Ehe Simon etwas einwenden konnte, veränderte sich die Umgebung um ihn. Der Abstellraum wich einer kleinen Mannschaftskabine für zwei Personen. Instinktiv wusste der Schwertträger, dass er sich nun an Bord von Sealdrics TORGUT befand. Er wollte Jee A Maru gerade fragen, warum sie ihn nicht direkt auf die Brücke des Schiffes teleportiert hatte, als er verblüfft innehielt. Die Frau mit dem silbernen Haar war verschwunden. Φ An Bord der MAGIRUNA durchschritt Sergeant Ben Jones zum wiederholten Mal wie ein gereiztes Raubtier die Gefängniszelle, in die man ihn zusammen mit Ken Dra und den Amazonen gesperrt hatte. Dort waren sie fast einen ganzen Tag unbehelligt geblieben, dann hatte man Lasaria und Kardina vor einer Stunde zum Verhör abgeholt. Angeblich befand sich Prinzessin Tanya auf der Krankenstation. Ken Dra lag scheinbar entspannt auf einer der sechs Pritschen und schien zu schlafen. Als ein unmerkliches Vibrieren durch das Raumschiff ging schlug der Schwertträger die Augen auf und starrte an die Decke. Auch der Sergeant hatte die Veränderung bemerkt. Er unterbrach seinen nervösen Rundgang und horchte einen Moment lang auf die leisen Geräusche, die der Schiffsantrieb im Inneren des stählernen Leibs des Schlachtraumers verursachte. Wie üblich, wenn er nachdenklich war, zwirbelte Jones seine Kinnzöpfe. »Das Wetter scheint da draußen schlechter geworden zu.«, bemerkte Ken Dra mit einem gelangweilten Unterton in der Stimme, was ihm einen verstörten Blick des Sergeants einbrachte. »War ein blöder Scherz, Jones. Ich war wohl zu lange mit McLaird zusammen. Das scheint Spuren hinterlassen zu haben.« Ken schickte ein schiefes Grinsen in Jones Richtung. Danach richtete er sich auf und schwang die Beine von der Pritsche. »Das Schiff hat gerade den Hyperraum verlassen. Das bedeutet, wir sind im scardeenischen Heimatsystem angelangt und werden wohl bald dem Wissenschaftsrat vorgeführt.«
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»Der Spruch mit dem Wetter hat mir besser gefallen«, sagte Jones knurrend und nahm seinen rauminternen Spaziergang wieder auf. Obwohl das dauernde Tapsen der schweren Uniformstiefel auf dem metallenen Boden der Zelle so langsam an Kens Nerven zu zehren begann, ließ der den Sergeant gewähren. Er wusste, dass Jones durch das Laufen versuchte seine innere Ruhe zu bewahren und das war für alles, was auch immer auf sie zukommen mochte, wichtig. Ken Dra selbst beschwichtigte seinen inneren Aufruhr durch meditative Techniken, die ihm bei der Weihe zum Schwertträger quasi mitgegeben worden waren. Er wollte sich gerade wieder hinlegen, als das Eingangsschott aufglitt. Ein Legionär mit angelegter Waffe betrat den Raum. Ihm folgten zwei weitere, die auf einer Trage die verletzte Amazone Tanya mit sich führten. Vorsichtig betteten sie die junge Frau, die immer noch ohnmächtig oder betäubt zu sein schien, auf eine der freien Pritschen, ehe sie mit der Trage die Zelle wieder verließen. Ken und Jones sahen sich einen Moment lang verblüfft an, da wurde plötzlich Kardina in den Raum gestoßen. Während die Amazone noch um ihr Gleichgewicht kämpfte, hatte der Legionär mit der Waffe bereits die Zelle verlassen. Das Schott schloss sich automatisch. Ken Dra sprang vor und konnte im letzten Moment verhindern, dass Kardina doch noch stürzte. Behutsam führte er die zitternde Frau zu seiner Pritsche und setzte sie dort ab. Er strich ihr sanft die schweißnassen Haare aus dem Gesicht und ließ sich neben ihr nieder. »Was haben sie mit euch gemacht?«, fragte der Schwertträger besorgt. Er warf einen kurzen Blick auf Tanya, die regungslos auf der anderen Pritsche lag. Sie atmete ruhig und tief. Um ihr verletztes Auge lag ein frischer Verband, und ihr Gesicht wirkte entspannt. »Ich bin wieder in Ordnung.«, antwortete Kardina leise. »Meine Verletzungen waren nicht so schlimm wie es anfangs ausgesehen hat. Die Ärzte haben mich zusammengeflickt und mit Blutkonserven voll gepumpt. Bei Tanya sieht es nicht ganz so gut aus. Man hat ihr zerstörtes Auge versorgt und sie dann in einen Gesundungsschlaf versetzt.« Sergeant Jones war neben die schlafende Tanya getreten und starrte auf die Prinzessin hinab. »Scheint, als müssten wir unseren Gegnern diesmal dankbar sein. Und wo ist Königin Lasaria?« Ein Schatten huschte über das hübsche Gesicht Kardinas. Sie senkte den Kopf und seufzte dabei gequält. »Das mit der Dankbarkeit nehmen die Scardeener offenbar sehr ernst. Die Offiziere haben Lasaria nur kurz verhört. Jetzt haben sie ihren ... Spaß mit ihr.« Ihre Stimme klang so hasserfüllt, dass die beiden Männer sofort wussten, was die scardeenischen Offiziere unter Spaß verstanden. »Diese Bastarde!«, rief Ken Dra laut und ballte hilflos die Hände zu Fäusten. »Wenn ich mein Schwert hätte ...« »Vergessen Sie es, Schwertträger«, wiegelte Ben Jones ab. Sein resignierter Tonfall zeigte deutlich, dass er im Innern bereits mit seinem Schicksal abgeschlossen hatte. »Für uns ist die Sache doch gelaufen. Entweder landen wir auf einer Strafkolonie oder werden nach langer Folter exekutiert. So oder so – für die Scardeener sind wir schon so gut wie tot.« Ken Dra spürte einen eisigen Schauder über seinen Rücken laufen. Φ Simon McLaird stand einsam in einem kleinen Gangabschnitt, in dem er sich nach dem Verlassen der Mannschaftskabine wieder gefunden hatte. Eng an die Wand gepresst versuchte er sich eine Strategie zurechtzulegen, wie er am schnellsten auf die Kommandobrücke der TORGUT gelangen konnte. Der Weg zur Brücke würde nicht einfach werden. Soweit er sich aus den Schulungen auf Cloudgarden an die Pläne eines scardeenischen Schlachtschiffes erinnern konnte, befand er sich zwei Decks unterhalb der Kommandoebene. Der kürzeste Weg würde ihn durch weitere Mannschaftsdecks und das Bordcasino führen. Und damit durch
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eine Unmenge von scardeenischen Soldaten, deren Kontakt er so weit wie möglich vermeiden wollte. Verdammt, Jee, warum hast du mich nicht direkt zur Brücke gebracht? Es muss einen besseren Weg geben. Simon zermaterte sein Hirn nach einem Ausweg. Plötzlich flammte in seinem Kopf das glasklare Bild einer Risszeichnung quer durch das Schlachtschiff auf. Und in dem Bild war mit einer roten Linie der Weg von seiner jetzigen Position bis zur Brücke der TORGUT eingezeichnet. Verblüfft fasste sich Simon an die Schläfen, denn er war sich selbst im Klaren, dass diese Information nicht aus seinem Gedächtnis kommen konnte. Danke, Jee! Mit einem Grinsen stieß er sich von der Wand ab und ging in die Richtung, die ihm der detaillierte Plan in seinem Kopf wies. In seiner rechten Hand hielt er das Schwert, das Jee A Maru ihm mitgebracht hatte. Eine völlig neuartige Klinge, auf DUST geschmiedet. Der kalte Stahl gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, und Simon brannte darauf die Fähigkeiten der einzigartigen Waffe sobald wie möglich auszuprobieren. Konzentriert durchquerte er eine Unzahl von Gängen ohne auch nur auf einen einzigen scardeenischen Soldaten zu treffen. Anscheinend herrschte an Bord höchste Kampfbereitschaft und die Besatzung war an den ihnen zugewiesenen Posten. Für Simon war das ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Angriff auf Cloudgarden kurz bevor stand. Er musste sich also beeilen. Zielstrebig näherte sich der Schwertträger dem Ende eines Ganges, der durch ein Schott gesichert war. Erneut rief er sich den Plan des Schiffes in Erinnerung und musste feststellen, dass hinter dem Schott ein Sicherheitsbereich lag, der zu den Kontrollen der Backbordgeschütze der TORGUT führte. Simon suchte in der Nähe des Schotts die Wände und Decke nach versteckt angebrachten Überwachungskameras ab, konnte aber keine Anzeichen dafür entdecken. Am Schott angekommen, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Öffnungsmechanismus zu, der rechts daneben an der Wand angebracht war. »Mist«, fluchte Simon, als er an dem Tastenfeld erkannte, dass es sich um ein Sicherheitsschott handelte. Hier genügte es nicht, nur eine Taste zum Öffnen zu drücken. Stattdessen musste man einen Code eingeben. Eine Falscheingabe würde die Wachtposten alarmieren, die Simon hinter dem Schott vermutete. Der Schwertträger dachte einen Moment intensiv über die Situation nach, dann fasste er einen Entschluss, der nicht weniger Aufsehen erregen, ihm aber den Vorteil des Überraschungsmoments gab. Er trat einige Schritte zurück und richtete die Klinge auf die massive Stahlwand vor sich. Seine Finger tasteten nach dem Schalter am Griff, mit dem er bei seinem Drahusem-Schwert stets einen mächtigen Energiestoß auszulösen vermochte. Doch zu seiner Überraschung stießen seine Finger ins Leere. Der Griff war glatt und trotzdem anschmiegsam, aber nirgendwo fand er eine Erhöhung oder etwas ähnliches, mit dem er das Schwert aktivieren konnte. Verflucht noch mal. Jee hat doch behauptet, dieses Ding wäre besser als mein altes Schwert. Jetzt kann es nicht mal schießen? Der Wunsch mit einem Energiestoß das Schott zu sprengen nahm Simons ganzes Denken ein, da zuckte plötzlich die Klinge in seinen Händen und spie einen grellen Blitz aus, der auf die Stahlwand zuraste. Als der Stoß auf das Schott traf, glühte dieses kurz auf und zerbarst dann in einer gewaltigen Explosion. Simon warf sich zu Boden und entging dadurch gerade noch den umhersausenden Trümmern. Dichter Rauch stieg von den Resten des Schotts auf und nahm Simon für einen Moment die Sicht. Trotzdem sprang er von seiner liegenden Position hoch und rannte mit einsatzbereitem Schwert auf das gähnende Loch zu. Mit einem mächtigen Satz tauchte Simon in die Wand aus Qualm ein, überwand die messerscharfen Ränder des Loches und kam federnd auf der
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anderen Seite auf. Mit einem kurzen Rundblick erfasste er die Situation: Direkt vor ihm lag ein Wachsoldat mit verrenkten Gliedern auf dem Boden. Er hatte eine volle Ladung Metallsplitter in den Rücken bekommen und bot mit seinem zerfetzten Körper keinen schönen Anblick. Ein paar Schritte weitert rappelte sich gerade ein zweiter Legionär vom Boden auf. Er wirkte auf den ersten Blick nur leicht verletzt und starrte dem Schwertträger entsetzt entgegen. Sofort fuhr seine Hand an den Gürtel und riss einen Handstrahler aus dem Holster. Simon wartete nicht ab, bis der Soldat auf ihn anlegen konnte. Er hechtete nach vorne, überwand den Abstand mit zwei großen Schritten und ließ dabei die Klinge nach unten fahren. Das scharfe Metall schnitt ohne nennenswerten Widerstand durch die Uniform und das Fleisch des Legionärs und trennte dessen Hand direkt am Gelenk vom Arm ab. Reflexartig verkrampfte sich die fallende Hand, die den Strahler immer noch fest umklammerte. Ein Schuss löste sich aus der Energiewaffe, der jedoch nutzlos im Boden des Ganges verpuffte. Simon McLaird riss sein Schwert hoch und versetzte dem Soldaten, der geschockt auf seinen blutenden Armstumpf starrte, mit dem Knauf einen Schlag in das Genick. Der Mann verdrehte die Augen und sackte lautlos zusammen. »Mossar-re!«, rief McLaird und ließ damit seine neue Klinge in das unsichtbare Kraftfeld verschwinden. Für einen Außenstehenden löste sich das Schwert einfach in Luft auf. Simon wollte die der Waffe innewohnende Energie nicht unnötig für Feuerstöße verbrauchen, da er nicht wusste, wie viel Ladung noch im Speicherkern gebunkert war. Er ging in die Hocke und packte den Handlaser des Legionärs, um dessen Griff noch immer die abgetrennte Hand lag. Mit spitzen Fingern löste Simon die bereits erkaltende Extremität. Laute Rufe und das Geräusch sich nähernder Schritte trieben ihn zur Eile an. Er schnellte aus seiner gebückten Haltung hoch, setzte mit einem Sprung über den ohnmächtigen Legionär hinweg und tauchte in den nächsten Gang ein, der ihn glücklicherweise von den schnell näher kommenden Soldaten wegführte. Im Kopf ging er wieder und wieder den Plan des Schlachtschiffes durch, darauf bedacht keinen falschen Schritt zu tun und damit von der vorgegeben Route zur Kommandobrücke abzuweichen. Plötzlich heulte der Schiffsalarm los. Simon wusste, dass ab sofort jeder Soldat an Bord jagt auf ihn machen würde. Φ Auf der Brücke der TORGUT herrschte eine trügerische Ruhe. Der Großteil der Kommandocrew war noch auf Freiwache, um genug Energie für den bevorstehenden Angriff auf die Bastion der Rebellen zu schöpfen. Momentan taten nur einige wenige Flugingenieure ihren Dienst an den Schaltpulten. Das geschlossene Hauptschott der Schiffszentrale wurde von zwei schwer bewaffneten Legionären flankiert. Scardeenische Standardprozedur, dachte Sealdric. Der Bewahrer stand mit dem Rücken vor einem der zwei großen Panoramafenster, die es der Brückenbesatzung erlaubten einen unverfälschten Blick auf das Weltall zu werfen, und beobachtete das Treiben im Kommandostand. Wenn Sealdric kurz vor dem Sprung in den Hyperraum die Gefechtsbereitschaft ausrief, würde sich der gewaltige Raum innerhalb weniger Minuten in einen wuselnden Ameisenhaufen aus Piloten, Technikern und Soldaten verwandeln. Der Bewahrer nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. Wie immer genoss er diesen Moment der Ruhe direkt vor einer entscheidenden Schlacht. In ihm stellte sich ein Gefühl der Ausgeglichenheit ein, das er so schon lange nicht mehr gespürt hatte. Zu lange hatte es schon keine finale Auseinandersetzung mehr mit Gegnern des Scardeenischen Reichs geben. In den letzten Jahren war es im Einflussgebiet des Wissenschaftsrates zwar immer wieder zu kleineren Aufständen gekommen, die man mit brutaler Gewalt niederschlug. Doch
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erst mit dem Auftauchen der dem Exodus ihres Planeten entkommenen DrahusemSchwertträger, die sich mit der Geheimorganisation Shadow Command von der Erde zusammengetan hatten, war den Scardeenern wieder ein fast ebenbürtiger Gegner erwachsen. Der Angriff auf den Sklaventransport im Fassiet-Sektor und die Schlappe, die Sealdric vor einem Jahr nahe des Sol-Systems hatte hinnehmen müssen, bewiesen, dass es Shadow Command durchaus verstand, dem Reich empfindlichen Schaden zuzufügen. Doch damit ist jetzt Schluss! Sealdric öffnete die Augen und drehte sich wieder dem Sichtfenster zu. Der Anblick, der sich ihm hinter dem zentimeterdicken Panzerglas bot, war atemberaubend. Das Licht der nahen Sonne Parxus entriss dem Dunkel des Alls Abertausende von stählernen Schiffsleibern, die in geordneten Formationen im luftleeren Raum hingen. Der Bewahrer erblickte gigantische Schlachtschiffe der gleichen eiförmigen Bauweise wie das, auf dem er sich aufhielt. Dazwischen trieben unzählige Zerstörer, deren gedrungene Form im krassen Gegensatz zu ihrer Wendigkeit und Feuerkraft stand. Der Weltraum zwischen den stählernen Giganten war angefüllt mit Kampfjägern und Versorgungsshuttles, die Angriffsflüge simulierten oder letzte Materialtransporte durchführten. 70.000 Schiffseinheiten – nur die Schlachtkreuzer und Zerstörer gerechnet! Mehr als die Hälfte der scardeenischen Flotte stand bereit, Cloudgarden, danach die Erde und irgendwann sicherlich auch DUST mit ihrem infernalen Waffenarsenal in die Vergessenheit der galaktischen Geschichte zu schicken. Nie zuvor hatte Scardeen eine Armada dieser Größenordnung zusammengezogen. Sealdric wusste, dass einige Schiffskapitäne und sogar die Admiralität diesen übertriebenen Aufmarsch kritisierten. Aber der Bewahrer kümmerte sich nicht darum. Der Rat hatte ihm unumschränkte Mittel bei der Vernichtung der Feinde Scardeens zugesichert – und diese schöpfte Sealdric voll und ganz aus. Er wollte sicher gehen, dass ihre Gegner gleich bei der ersten Welle restlos vernichtet wurden. Noch zu deutlich saß ihm der Schrecken in der Nähe der Erde in den Gliedern. Das gigantische Kreiselschiff, das seine Schlachtraumer zerstört hatte ... wenn Shadow Command mehr dieser Titanen besaß, würde Scardeen erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Aber bei den heiligen Hallen von Nadafina, unsere Armada wird den Sieg davon tragen, selbst wenn der Gegner eintausend Raumgiganten in die Schlacht wirft. »Rasarah Sealdric!«, riss eine Stimme den Mann vor dem Sichtfenster aus seinen Gedanken. Sealdric blickte sich zu dem Offizier um, der mit ernstem Gesichtsausdruck auf einen der Überwachungsmonitore seines Kontrollpultes starrte. »Was gibt es, Captain Bisam?«, fragte der Bewahrer zurück und konnte nicht verhindern, dass seine innere Ausgeglichenheit ihm entglitt und einem Gefühl von Unruhe wich. »Auf den Decks 15 bis 23 ist Schiffsalarm ausgelöst worden. Die Sensoren zeigen Energieentladungen und eine Explosion auf Deck 22 an.« Der Captain hielt in seinem Bericht inne und hielt den Kopf leicht geneigt. Dabei fasste er sich mit einer Hand an das in seinem linken Ohr steckende Empfangsteil seines Kommunikations-Headsets. Der Bewahrer beobachtete, wie sich die Augen seines Flaggschiffkommandanten vor Überraschung weiteten. »Legionäre haben auf Deck 22 neben einem aufgesprengten Sicherheitsschott einen toten und einen schwer verletzten Soldaten gefunden. Die Handfeuerwaffe des Verletzten ist verschwunden. Verdammt! Was ist denn da los?« Sealdric war während des Berichts seines Captains neben das Kontrollpult getreten und musterte die Anzeigen. Auf einem kleinen Monitor war das Treiben um das zerstörte Schott herum zu erkennen. »Allem Anschein nach haben wir einen Verräter an Bord oder ein unerwarteter Mitspieler ist auf die Bühne getreten«, meinte der Bewahrer mit ruhiger Stimme, die nichts von dem Aufruhr verriet, der in seinem Inneren tobte. »Suchen Sie die Gänge mit den Kameras ab, die
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von dem zerborstenen Schott wegführen. Nur die Seite, auf der die Soldaten überrascht wurden.« Captain Bisam nickte kurz und gab den Befehl an einen Untergegebenen weiter, der seine Finger über die Schaltflächen des Kontrollpults huschen ließ. Im schnellen Wechsel zeigte der kleine Monitor verschiedene Gangabschnitte und Ansichten von Räumlichkeiten, deren Türen von den Korridoren abzweigten. Es dauerte nicht lange, da offenbarte der Bildschirm einen Gang, der an einer Aufzugtür endete. Direkt vor dem Lift lag ein Soldat in verrenkter Haltung auf dem Boden. Das mit seiner Haut verschmolzene Visier seines Kampfhelms deutete an, dass ihn ein Energiestrahl direkt ins Gesicht getroffen hatte. Captain Bisams Kopf ruckte nach links. Seine Augen lasen die Anzeigen eines zweiten Monitors ab, dann drehte er sich zu Sealdric um. »Der Aufzug ist noch in Bewegung. Laut der Kontrolleinheit ist er auf unser Deck programmiert!« Er konzentrierte sich wieder auf sein Headset und schickte mit knappen Befehlen eine Abteilung Legionäre zum Aufzugsschacht auf dem Kommandodeck. Interessiert beobachtete Sealdric den Bildschirm. Dort erschienen kurz darauf die Soldaten. Die Legionäre bezogen in einem Halbkreis vor der Aufzugstür Stellung. Die schweren Armeelaser wurden entsichert und in Richtung des Liftes in Anschlag gebracht. Captain Bisam warf Sealdric einen fragenden Blick zu. Der Bewahrer nickte kaum merklich ohne den Blick von dem Geschehen auf dem Monitor abzuwenden. Der Captain ließ daraufhin mit einem Tastendruck die Aufzugstür aufgleiten. Kaum war die Tür vollständig geöffnet, stürmten bereits drei Soldaten vor und verschwanden in der Liftkabine. Nur wenige Sekunden später trat einer von ihnen mit gesenkter Waffe auf den Gang zurück, blickte kopfschüttelnd in die Kamera, während er hastig etwas in das Sprechgerät seines Kampfhelms sprach. Bisams lauschte dem Bericht des Legionärs und Sealdric konnte an seiner immer finsterer werdenden Miene ablesen, dass er mit dem was er hörte nicht zufrieden war. »Der Aufzug ist leer«, berichtete der Captain schließlich dem Bewahrer, der nachdenklich an das große Sichtfenster zurückgetreten war. »Da hat uns einer gewaltig zum Narren gehalten.« Sealdric rieb sich das bartlose Kinn. Dabei starrte er aus dem Fenster, schien aber nichts von dem wahrzunehmen, was dort draußen vor sich ging. Schließlich schien er einen Entschluss getroffen zu haben und wand sich wieder dem abwartenden Captain zu. »Alarm für das ganze Schiff! Komplette Kameraüberwachung einleiten. Holen Sie die Mannschaft aus den Betten. Die Legionäre sollen verschärft Streife laufen und die Wachen an den kritischen Schiffspunkten werden verdreifacht. Irgendwo muss der Fremde ja wieder auftauchen. Geben Sie der Flotte Bereitschaftsalarm. Der Angriff auf Cloudgarden steht kurz bevor.« Als der Flaggschiffkommandant sich hastig seinen Instrumenten zuwandte, um den Schlachtkreuzer in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen, drehte der Bewahrer sich wieder dem Sichtfenster zu. Erneut begann er sein Kinn zu massieren, wobei sich seine Lippen zu einem bösartigen Lächeln verzogen. »Egal wer du auch bist – du kommst zu spät. Den Triumph über die Feinde des Scardeenischen Reiches wirst du mir nicht mehr nehmen!« Φ »O Gott, ich muss dringend abnehmen.«, flüsterte Simon McLaird, als er es nur mit Mühe schaffte, seinen Körper um eine der vielen Biegungen des engen Wartungsschachtes zu winden. Seit dem er in das Schachtlabyrinth hinter den Wänden des Schlachtraumers eingestiegen war, hatte er sich schon des Öfteren gefragt, ob die Scardeener als
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Wartungstechniker ausnahmslos Kinder oder zumindest Kleinwüchsige einsetzten. Zumindest waren die Schächte nicht auf einen Mann seiner Körpergröße zugeschnitten. Trotzdem war er Jee A Maru dankbar, dass sie ihm diesen Weg als einzig begehbaren in sein Gehirn eingebrannt hatte, denn über die normalen Korridore und Aufzüge des Schiffes wäre seine Mission bereits unzweifelhaft gescheitert. Er musste grinsen, als er an die Soldaten dachte, die ihm im beim Aufzug auf dem Kommandodeck mit Sicherheit einen heißen Empfang bereiten sollten. Nur zu gern hätte er in ihre dummen Gesichter gesehen, als sie die Kabine schließlich leer vorfanden. »Na ja«, meinte Simon zu sich selbst. »So ein kleiner Tunnelspaziergang ist aber auch nicht zu verachten.« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, atmete dann tief aus und quälte sich weiter durch den fast lichtlosen Schacht. Nach Plan müsste dieser Tunnel ihm nach weiteren dreißig Metern die Möglichkeit bieten, die Kommandobrücke der TORGUT direkt hinter einer großen Maschinenkonsole unbemerkt zu betreten. Simon schüttelte den Kopf, da er es immer noch nicht fassen konnte, dass die Scardeener es anscheinend einfach versäumt hatten, die Wartungsschächte ihrer Schiffe gegen Eindringlinge zu sichern. Bisher war er auf kein Alarm- oder Abwehrsystem getroffen. Aus seiner Sicht konnte das nur daran liegen, dass die Überheblichkeit dieses Volkes bereits Dimensionen angenommen hatte, die eine Bedrohung aus dieser Ecke in ihrem Denken nicht mehr zuließ. Für die Scardeener schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, dass irgendjemand in der Lage war, in eines ihrer Schlachtschiffe einzudringen und unentdeckt zu bleiben. Simon bewies ihnen zwar gerade das Gegenteil, war gleichzeitig jedoch heilfroh bisher in den Schächten unbehelligt geblieben zu sein. Als seine Finger plötzlich eine Unebenheit an der glatten Wand ertasteten, wusste der Schwertträger sofort, dass er sein Ziel erreicht hatte. Er verfolgte mit den Fingerspitzen die schmale Linie im Metall und war sich am Ende sicher, die Abdeckplatte gefunden zu haben, die den Wartungsschacht von der Brücke trennte. Simon schob seinen Kopf an die Platte und lauschte. Dumpf drangen die Geräusche aus der Kommandozentrale in den Wartungsschacht. Da Simon keine lauten Stimmen wahrnehmen konnte, vermutete er, dass direkt hinter der Abdeckplatte keine Gefahr drohte. Trotzdem prüfte er noch einmal die Einsatzbereitschaft des gestohlenen Handlasers, bevor er die Fingernägel in die Rillen der Abdeckung versenkte und die Platte langsam nach außen drückte. Ein heißer Schreck durchfuhr ihn als er bemerkte, wie das Stück Metall sich mit einem Ruck aus der Halterung löste und ihm zu entgleiten drohte. Verzweifelt schoss seine linke Hand nach unten und fing die Platte im letzten Moment ab, ehe sie zu Boden fallen konnte. Der Aufprall auf den etwa anderthalb Meter unterhalb der Öffnung befindlichem Bodenbelag der Brücke, wäre einem Donnerschlag gleichgekommen. Simon unterdrückte einen erleichterten Seufzer und zog die Abdeckung zu sich in den Schacht. Erneut brachte er seinen Kopf an die Öffnung, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen und stellte zufrieden fest, dass der Lageplan in seinem Kopf bis auf das letzte Detail stimmte, da er direkt auf die Rückfront eines überdimensionalen Computerschranks blickte. Der Schrank deckte den Wartungsschacht vor den Blicken der Brückenbesatzung fast vollständig ab. Zufrieden zog Simon McLaird den Kopf zurück und quälte sich ein letztes Mal, um seinen Körper innerhalb des Schachtes in eine anständige Position für den Ausstieg zu bringen. Dann ließ er sich mit den Füßen voran aus der Schachtöffnung auf die Brücke der TORGUT fallen. Lautlos kam er auf dem Boden auf und ging sofort in die Hocke. Dicht an die Rückwand des Computerschranks gepresst, schob er sich bis an das linke Ende des Schranks vor und riskierte einen Blick in das Innere der Kommandobrücke. Dem Schrank gegenüber, am anderen Ende der Brücke, konnte er ein wuchtiges Panzerschott ausmachen, das anscheinend den einzigen Zugang zur Schaltzentrale des Schlachtschiffes bildete. An beiden Seiten des Schotts war jeweils ein schwer bewaffneter Legionär postiert, der das Treiben auf der Brücke
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wachsam beobachtete. Simon vermutete, dass auf der anderen Seite des Schotts ebenfalls Soldaten Wache hielten. Aus seinem eingeschränkten Blickwinkel sah McLaird noch zwei Männer an den Schiffskontrollen sitzen, die den Uniformen nach zur normalen Brückenbesatzung gehörten. Erleichtert stellte er fest, dass die Männer unbewaffnet waren und daher keine nennenswerte Gefahr darstellten. Schnell wechselte Simon seine Position zum anderen Ende des Schranks. Dort spähte er wieder um die Ecke, um Einblick in den anderen Teil der Brücke zu bekommen. Er erstarrte. Keine fünf Meter von ihm entfernt stand Sealdric neben einer Kommandokonsole und unterhielt sich mit einem weiteren Brückenoffizier, bei dem es sich nach den Rangabzeichen um den Captain der TORGUT handeln musste. Schnell zog Simon den Kopf wieder zurück und setzte sich mit dem Rücken an den Schrank gelehnt auf den Boden. Verflucht! Soldaten mit schweren Waffen und Sealdric höchstpersönlich. Das erschwert den Spaziergang im Park etwas. Seine Gedanken rasten. Er musste handeln, ehe es zu spät war. »Alarm für das ganze Schiff!«, tönte plötzlich die befehlsgewohnte Stimme des Bewahrers über die Kommandobrücke und schreckte McLaird aus seinen Überlegungen auf. »Komplette Kameraüberwachung einleiten. Holen Sie die Mannschaft aus den Betten. Die Legionäre sollen verschärft Streife laufen und die Wachen an den kritischen Schiffspunkten werden verdreifacht. Irgendwo muss der Fremde ja wieder auftauchen. Geben Sie der Flotte Bereitschaftsalarm. Der Angriff auf Cloudgarden steht kurz bevor.« Kaum waren die Worte Sealdrics verklungen, sprang auch schon der schrille Signalton des Schiffsalarms an und verkündete der Besatzung der TORGUT den nahtlosen Übergang von der Ruhezeit in die Kampfbereitschaft des Giganten. Simon malte sich aus, wie jetzt überall an Bord die Besatzung aus den Kabinen, Freidecks und Kantinenbereichen zu den Kampfstationen eilte, um dort ihre Positionen für den bevorstehenden Überfall auf Cloudgarden einzunehmen. Bilder von Legionären in schwerer Kampausrüstung, die ameisengleich durch die Gänge des Schiffes patrouillierten, stiegen vor seinem inneren Auge auf. Und das alles passierte nicht nur auf der TORGUT sondern gleichzeitig auch auf den anderen 70.000 Schiffen der Armada. Die Kriegsmaschinerie der Scardeener begann anzulaufen, und Simon hatte keinen blassen Schimmer, wie er das noch aufhalten konnte. Denk nach, McLaird, denk nach! Er schloss die Augen und versuchte die Angst, die in ihm hochstieg, zurückzudrängen. Angst um Cloudgarden, wo man nichts von dem bevorstehenden Angriff wusste. Angst davor, dass seine Freunde jetzt den Preis für seine Schwäche bezahlen mussten. Angst um Sherilyn – auch wenn er mittlerweile wusste, dass sie ihn nicht wirklich liebte. Ich habe euch alle verraten! In Simons Kopf herrschte das reinste Chaos. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg aus seiner Lage. Da ging ein Ruck durch den Schwerträger und seine Gestalt straffte sich. Er hatte das Gefühl in seinem Hirn würde ein Schalter umgelegt, würden die wirbelnden Gedanken hörbar einrasten. Mit einem Mal wusste er was zu tun war! Jee? Er erhielt keinen Beweis für seine Vermutung, dass die Adeptin von DUST für seine plötzliche Erkenntnis verantwortlich war. Er ignorierte seinen Verdacht und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die sich mit jeder verstreichenden Sekunde klarer in seinem Bewusstsein manifestierte. Zuerst musste er sicherstellen, dass die Brückenbesatzung keine Verstärkung bekam. »Mossar!«
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Wie aus dem Nichts erschien das neue Schwert und schmiegte sich warm in seine Handfläche. Simons andere Hand fuhr an den Gürtel seiner Kombination. Die Laserpistole lösen und schussbereit zu machen, waren eine fließende Bewegung. Simon schraubte sich aus seiner sitzenden Haltung hoch und wandte sich dann dem Ende des Computerschranks zu, von wo aus er einen freien Blick auf das Panzerschott hatte. Ohne weiteres Zögern packte er seine Waffen fester, sprang aus der Deckung hervor und kam wie ein biblischer Racheengel mit flammendem Schwert über die Brückenbesatzung der TORGUT. Φ Ken Dra schlug die Augen auf. Der Letzte der Drahusem blieb unbeweglich auf seinem Lager liegen und horchte in das Dämmerlicht der Gefängniszelle hinein. Irgendetwas hatte ihn geweckt. Nur spärliches Licht erhellte die Zelle. Ken vernahm die ruhigen Atemzüge der schlafenden Frauen und hörte das leise Schnarchen aus Sergeant Jones' Richtung. Behutsam richtete sich der Schwertträger auf und schwang die Beine aus dem Bett. Noch immer auf dem Lager sitzend sah er sich im Halbdunkel um. Sein Blick fiel auf Lasaria. Die Legionäre hatten die Amazonenkönigin vor wenigen Stunden in die Zelle zurückgebracht, wo sie sofort zusammengebrochen war. Ken mochte sich nicht ausmalen, was man mit ihr angestellt hatte. Glücklicherweise hatten die Soldaten darauf verzichtet, eine der anderen Frauen mitzunehmen. Lasaria war erst einige Zeit später wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht, hatte aber auf keine der Fragen der anderen geantwortet. Sie hatte sich auf eine der Pritschen gelegt und apathisch an die Decke gestarrt. Nun lag sie dort wie ein kleines Kind, die Decke bis zum Kopf hochgezogen. Ihr unruhiger Schlaf wurde ab und zu durch ein leises Schluchzen unterbrochen. Verfluchte Bastarde, dachte Ken Dra und wünschte sich er würde die Scardeener für das büßen lassen können, was sie Lasaria angetan hatten. Der Schwerträger ließ seine Blicke weiter durch den dämmrigen Raum gleiten, wobei er bei jedem seiner schlafenden Kameraden für einen kurzen Moment verharrte. Als er jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen konnte, schob er seine Unruhe auf die überreizten Nerven und wollte sich wieder aufs Bett legen. Doch mitten in der Bewegung erstarrte er. Direkt vor seinem Gesicht war eine faustgroße Kugel aus Licht aufgetaucht, die in den Farben des Regenbogens schimmerte. Der Leuchtball stand sekundenlang vor Ken Dra in der Luft, bevor er sich von ihm weg bewegte und das Lager der Amazonenkönigin ansteuerte. Lasaria warf sich gerade unruhig im Schlaf hin und her und hatte erneut zu weinen begonnen. Eigentlich hätte Ken aufspringen und die anderen warnen müssen. Stattdessen schaute er nur gebannt hinter dem Licht her, das jetzt über der Amazone schwebte und immer stärker zu pulsieren begann. Irgendetwas kam ihm an der Erscheinung bekannt vor. Und dieses Gefühl sagte ihm, dass er dem Licht vertrauen konnte, dass der leuchtende Ball ihnen nichts Böses wollte. Aus den Augenwinkeln bemerkte der Schwertträger eine Bewegung. Kardina, deren Lagerstätte hinter dem Bett der Amazonenkönigin an der Wand stand, war ebenfalls erwacht und starrte entsetzt auf den Lichtball. Als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, sprang sie auf und wollte ihrer Königin gegen den mutmaßlichen Angreifer zur Hilfe eilen. »Nicht!«, zischte Ken Dra ihr zu. Er schnellte hoch und brachte seinen Körper schützend zwischen Lasaria und Kardina. Die Amazone funkelte ihn aus wütenden Augen an. »Das Licht wird Lasaria nichts tun«, versuchte er der wütenden Amazone zu erklären, obwohl er selbst nicht mehr wusste, warum er sich da so sicher war. Zweifel keimte wieder in ihm hoch. Was war, wenn sein Gefühl trog und das Leuchten eine neue Bosheit der
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Scardeener war? Ken kam nicht dazu, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Das Pulsieren der Lichtkugel hatte an Intensität zugenommen. Plötzlich sprangen blaue Energieblitze auf den sich immer heftiger hin und her werfenden Körper Lasarias über und hüllten die Amazonenkönigin in ein unwirkliches Leuchten. Kardina schrie auf, stieß den überraschten Schwertträger zur Seite und wollte sich schützend über Lasaria werfen. Da löste sich ein weiter Blitz aus der Lichtkugel, der die Amazone mitten im Sprung erwischte und von Lasaria wegschleuderte. Der unfreiwillige Flug quer durch die Gefängniszelle endete mit einem relativ weichen Aufprall auf Ken Dras Bett. Die Lichtkugel wand sich wieder der Amazonenkönigin zu. Für einen kurzen Moment hüllte der Energieball die Frau noch einmal in das blaue Leuchten – dann erloschen die Blitze. Lasaria hatte aufgehört, sich wie eine Wilde zu gebärden. Stattdessen holte die immer noch schlafende Amazone tief Luft, schnappte sich die Bettdecke und drehte sich mit einem entspannten Gesichtsausdruck auf die Seite. Kurz darauf waren nur noch ihre regelmäßigen Atemzüge zu hören. »Ich habe ihr geholfen, soweit es mit möglich war. Körperlich ist sie jetzt wieder auf der Höhe. Was aber die seelischen Schäden betrifft ...« Kens Kopf ruckte herum und starrte entgeistert auf die Person, die diese Worte von sich gegeben hatte. Die Lichtkugel war spurlos verschwunden! An ihrer Statt stand nun eine Frau in einer grünen Kutte, die der Schwertträger nur allzu gut kannte. »Jee!«, platzte es aus Ken Dra hervor, während er nach vorne stürzte und die Frau umarmte. Jee A Maru ließ ihren ehemaligen Navigator lächelnd gewähren und legte ebenfalls die Arme um ihn. Schließlich schob Ken die letzte noch lebende Frau seines Volkes sanft von sich und schaute ihr in das vom langen Silberhaar eingerahmte Gesicht. Erst jetzt bemerkte er die Veränderung an Jee. Sie sah zwar immer noch so aus, wie er sie vom Abschied auf Dai Urshar her in Erinnerung hatte, doch sie wirkte reifer. »Ich weiß, dass du jetzt viele Fragen an mich hast«, unterbrach Jee die Stille, die sich nach Ken Dras Freudenausbruch zwischen ihnen eingestellt hatte. »Leider habe ich jetzt nicht die Zeit dir etwas zu erklären. Ihr müsst mir einfach nur vertrauen und das tun, was ich euch sage.« Der Schwertträger schaute ihr lange in die Augen, dann drückte er mit einem leichten Kopfnicken seine Zustimmung aus. Kardina, die sich wieder aufgerappelt und die sanft schlafende Lasaria kurz untersucht hatte, stellte sich jetzt neben Ken. »Sag uns was wir tun sollen.« Ihrem Gesicht war deutlich die Erleichterung über den besseren Gesundheitszustand ihrer Königin anzusehen. Und auch die Dankbarkeit, die sie deswegen Jee A Maru entgegenbrachte. Die ehemalige Schwertträgerin hob die rechte Hand und deutete in Richtung der unter dem Einfluss der starken Schmerzmittel immer noch schlafenden Tanya. Ein Schnarchen aus der gleichen Raumecke verkündete den Gefährten, dass auch Sergeant Jones immer noch den Schlaf der Gerechten schlief. Der abgebrühte Soldat schien zu der Art Leuten zu gehören, die sogar den Untergang der Welt verschliefen und nach dem Aufwachen noch fragten, ob sie was Wichtiges verpasst hätten. »Weckt den Mann dort und holt ihn mit Tanya hierher.« Ohne weitere Fragen setzten Ken und Kardina sich in Bewegung, um Jee A Marus Anweisungen schnellstens Folge zu leisten. Während Kardina die verletzte Tanya vorsichtig auf ihre Arme hob, rüttelte Ken den Sergeanten wach. In knappen Worten schilderte er dem verschlafenen Jones die Situation, damit er niemanden mehr mit unnötigen Fragen aufhielt. Als das komplette Team sich wieder neben Lasarias Bett eingefunden hatte, streckte Jee ihre
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Hände nach den Seiten aus. »Fasst euch bitte alle bei den Händen und schließt dann die Augen.« Obwohl den Freunden diese Anweisungen sehr seltsam vorkamen, taten sie was Jee ihnen gesagt hatte. Nur Sergeant Jones zögerte, die ihm zu gestreckten Hände von Ken Dra und Tanya zu ergreifen. Den fragenden Blick des Schwertträgers quittierte er mit einem genervten Augenrollen. Dann packte auch er zu, nahm die noch kraftlose Hand Tanyas in seine und schloss damit den Kreis. Jee A Maru blickte noch einmal in die Runde und schenkte jedem ein vertrauensvolles Lächeln, bevor sie tief einatmete und die Augenlider senkte. »Schließt bitte alle die Augen«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Und stellt euch vor, ihr seid wieder an Bord der Raumjacht. Stellt euch vor, wie ihr auf Cloudgarden zusteuert.« Zögernd folgten die drei Amazonen und die beiden Männer Jees Worten, wobei Ben Jones aber mit einem Auge blinzelte, bis Ken Dra ihm einen schmerzhaften Stoß in die Rippen versetzte. Da keine weiteren Anweisungen mehr von Jee kamen, hielten die Gefährten ihre Augen geschlossen und warteten ab. Als nach einer längeren Weile noch immer nichts Einschneidendes geschah, hielt es Sergeant Jones nicht mehr aus. Langsam hob er sein rechts Augenlid und blinzelte zu dem Schwerträger hinüber. Ken Dra stand wie in Trance versunken an seinem Platz. Neben ihm verharrte Kardina direkt an der Liege Lasarias. Auch die Königin und Tanya hatten ihre Augen noch fest verschlossen. Jones stutzte. An diesem Bild stimmte etwas nicht. Es dauerte jedoch noch einen Augenblick, bis ihm dämmerte was es war. Die geheimnisvolle Frau – Jee A Maru – war verschwunden. Fluchend riss der Sergeant beide Augen weit auf und schüttelte gleichzeitig die Hände Ken Dras und der Amazone ab. Der Schwertträger öffnete jetzt ebenfalls die Augen, um Jones zurechtzuweisen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er sah was geschehen war. Sie alle befanden sich nicht mehr in der dämmrigen Gefängniszelle an Bord des Schlachtschiffes MAGIRUNA, sondern standen in dem kleinen Aufenthaltsraum von Tanyas Raumjacht. »Das gibt es doch nicht!«, ließ Ben Jones vernehmen und begann seine Kinnzöpfe zu zwirbeln. Kens Kopf flog nach rechts, wo Jee A Maru gestanden und seine Hand gehalten hatte. Doch die alte Freundin war nicht mehr da. An ihrer Stelle lag die Hand Kardinas in seiner. »Wie ... wie damals auf DUST«, sagte die Amazone. Ken nickte. Die Pyramidenwächter hatten sie nach dem Abschied von Jee A Maru ebenfalls auf geheimnisvolle Weise in ihr Schiff teleportiert und direkt zur Erde geschickt. Welche Kräfte auch immer am Werk gewesen waren, offenbar verfügte Jee mittlerweile über ähnliches Potenzial. Jones stürmte aus dem Raum und lief zur Brücke. Es dauerte nicht lange, da tauchte er mit blitzenden Augen wieder auf und deutete hinter sich. »Das ... das müsst ihr euch ansehen«, stammelte er. »Es ist nicht zu glauben. Wir ...« Ken Dra wartete das Ende des Satzes nicht mehr ab. Er drückte sich an dem Sergeant vorbei und rannte auf das Kommandodeck. Obwohl er schon ahnte, was ihn erwartete, war er trotzdem von dem Anblick überwältigt. Durch das Sichtfenster blickte er auf einen riesigen Planeten, dessen Oberfläche von einer dichten Wolkenschicht verhüllt wurde. Der majestätische Anblick trieb dem Schwertträger die Tränen in die Augen, denn es war nicht einmal eine halbe Stunde her, da war er sich noch sicher gewesen, die neue Heimat nie mehr wieder zu sehen. Und jetzt waren sie an Bord der Raumjacht und näherten sich schnell einem Orbit um den Gasriesen Cloudgarden. »Jee!«, flüsterte der Schwerträger laut genug, dass die geräuschlos neben ihn getretene
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Kardina es dennoch hören konnte. »Wo du jetzt auch bist ... danke!« Φ Mit einem Geräusch gleich dem Brummen tausender wild gewordener Hornissen entlud sich das Schwert in den Händen Simon McLairds. Ein gewaltiger Energiestoß raste quer durch die Brücke der TORGUT auf das schwer gepanzerte Eingangsschott zu und schlug dort mit der Wucht eines Tornados ein. Doch statt zu bersten, absorbierte das Metall die ganze Energie. Das Material glühte hell auf, ehe beide Schotthälften untrennbar miteinander verschmolzen. Die beiden Wachsoldaten hatten keine Chance diesem Inferno zu entkommen. Einer der Legionäre ging sofort in Flammen auf und lief laut schreiend als lebende Fackel in einen anderen Winkel der Brücke, wo er schließlich wild zuckend zusammenbrach. Der zweite Soldat wollte sich zur Seite werfen, geriet dabei aber ins Stolpern. Er kippte und tauchte haltlos mit dem kompletten Oberkörper in das noch zähflüssige Metall des Panzerschotts ein. Simon ließ sich von dem grausigem Szenario nicht länger ablenken, sondern warf sich mit einem lauten Schrei auf den Flugingenieur, der ihm am nächsten war. Ein Schlag mit dem Knauf des Schwertes auf dessen Hinterkopf ließ den Mann besinnungslos über seinen Kontrollen zusammenbrechen. McLaird löste sich von dem Ingenieur und fegte weiterhin wie ein Wirbelwind über die Brücke des Schlachtschiffes. Seinem blitzenden Schwert und den Flammenzungen seiner Laserwaffe fielen innerhalb weniger Sekunden noch zwei weitere Flugingenieure zum Opfer, dann hatten seine Gegner sich von der Überraschung über sein plötzliches Auftauchen erholt und schlugen zurück. Wie der tödliche Atem eines urzeitlichen Drachen fegte eine Energiestrahl auf den Schwertträger zu, der sich nur durch einen gewaltigen Sprung hinter eine der vielen Kommandopulte rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Der Aufprall war so hart, dass er Simon die Luft aus den Lungen presste. Hustend rappelte er sich schnell wieder auf und spähte vorsichtig um die Ecke des Pultes. Halb von einer Trennwand verdeckt konnte er den Captain der TORGUT ausmachen, der eine Laserpistole in Händen hielt. Simon verfluchte sich im Stillen selbst. Er war wie ein gereizter Stier aus seiner Deckung gestürmt, nachdem die Soldaten beim Panzerschott ausgeschaltet waren. Er hatte sich darauf verlassen, dass die Flugingenieure keine Waffen bei sich trugen und dabei vergessen, dass der Captain eines scardeenischen Schlachtschiffes immer eine Handfeuerwaffe mit sich führte. Schon rein aus Prestigegründen. Und dieser kleine Denkfehler hatte ihn beinahe das Leben gekostet. Erneut schlug ein Energiestrahl dicht neben seinen angewinkelten Beinen ein und brachte die Isolierschicht des Bodens zum Kochen. Simon McLaird ließ sich zur Seite kippen, rollte sich ab und schnellte vom Boden hoch. Er versuchte mit wenigen großen Sprüngen eine andere Deckung zu erreichen, doch der Scardeener war schneller. Ehe Simon überhaupt in die Nähe eines anderen Kontrollpultes kam, jagten schon zwei nadelfeine Lichtlanzen in seine Richtung, um ihm mit ihrer tödlichen Energie Löcher in den Pelz zu brennen. In einer verzweifelten Abwehrbewegung riss Simon sein Schwert in die Höhe und versuchte es schützend zwischen sich und dem nahenden Tod zu bringen. Von Ken Dra kannte er die Defensiveigenschaften der Schwerter, deren Kraftfeld in der Lage war, Energiestrahlen abzulenken. McLaird konnte nur hoffen, dass diese neue Klinge ebenfalls so gut ausgestattet war. Besser! Statt die tödlichen Energien aus der Laserwaffe abzulenken, verschluckte das Kraftfeld die Strahlen, bündelte das Licht und warf es mit ungleich größerer Kraft auf den Verursacher zurück. Ein gellender Schrei, gefolgt von einem Gurgeln. Dann verstummte der Captain abrupt.
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Simon schluckte, als er den verkohlten Klumpen am Boden liegen sah, der nicht einmal mehr entfernt menschenähnlich wirkte. Du hättest mich darauf vorbereiten können, Jee! Der Schwertträger blickte sich in der nun leeren Kommandozentrale um – und erkannte seinen tödlichen Fehler! Er hatte im Kampf Sealdric völlig aus den Augen verloren Ein Schlag traf ihn an der linken Hüfte. Brennender Schmerz schoss durch seinen Körper, während ihn die Wucht des Hiebes von den Beinen riss und einige Meter durch den Raum schleuderte. Sein Sturz endete vor einer der stählernen Trennwände. Der Aufprall ließ ihn halb bewusstlos am Boden zurück. Seine Laserpistole entglitt der kraftlosen Hand. Verzweifelt klammerte er sich an den Griff des Schwertes und kämpfte gegen die Ohnmacht an. Simon fühlt etwas warm und klebrig an seiner Hüfte herunter laufen. Blut! Der Bewahrer musste ihn mit der Klinge ziemlich schwer getroffen haben. Als ein Schatten auf sein Gesicht fiel, schüttelte Simon den Kopf, um die drohende Bewusstlosigkeit abzuschütteln. Er blickte hoch. Sealdric hatte sich mit einem triumphierenden Grinsen vor Simon aufgebaut, schien aber vorsichtig genug zu sein, dem verletzten Schwertträger nicht zu nahe zu kommen. »McLaird!«, rief der Bewahrer. »Ich habe keine Ahnung, wie Sie es geschafft haben, von Bord der DIEGOR auf die TORGUT überzusetzen. Die Befragungsmethoden meiner Kollegin Eszrella haben bisher jeden Häftling an den Rand seiner Kräfte gebracht.« Bei der Erwähnung der DIEGOR und der Frau namens Eszrella musste Simon unwillkürlich auflachen. Dabei musste es sich um die Bewahrerin handeln, die sich ihm an Bord des anderen Schlachtschiffs in den Weg gestellt hatte. »Ihre Eszrella wird wohl in nächster Zeit keine Befragungen mehr durchführen können«, presste der Schwertträger unter Schmerzen hervor und konnte beobachten, wie Sealdric verwirrt eine Augenbraue anhob. »Es sei denn, Sie sind in der Lage ihr einen neuen Kehlkopf und nebenbei ein neues Leben zu beschaffen.« Es war Simon mehr als eine Genugtuung, die Bestürzung im Gesicht des Bewahrers zu sehen, die dann schnell in rasende Wut umschlug. Sealdric stieß einen Schrei aus, der dem Wutgebrüll eines waidwunden Tieres gleich kam. Dann riss er sein Schwert in die Höhe und stürmte auf den wehrlosen Schwertträger los. Φ Die zwei Legionäre, die Wache am Eingang zum Gefängnistrakt der MAGIRUNA standen, sahen Helen Dryer mit festen Schritten auf sich zukommen und nahmen sofort Haltung an. Die Bewahrerin nickte den Männern zu und deutete ihnen an, ihr zu folgen. Zusammen traten sie durch das Panzerschott und näherten sich zielstrebig einer bestimmten Zellentür. »Öffnen Sie die Zelle!«, befahl Helen Dryer einem der Soldaten, der sofort nach dem Aktivator für das Zellenschloss griff, den er am Gürtel seiner Kampfmontur trug. »Der Rat wartet bereits auf die Gefangenen.« Schon im Anflug auf das Heimatsystem des Scardeenischen Reiches hatte die Bewahrerin Kontakt mit dem Wissenschaftsrat aufgenommen und von den Ereignissen im System des Amazonenplaneten Mazoni berichtet. In der ihr eigenen Art offenbarte sie erst gegen Ende des Berichtes, dass ihr auch noch Gefangene ins Netz gegangen waren. Als der Rat davon erfuhr, dass einer der Häftlinge ein Schwertträger war und sich auch die Amazonenkönigin nebst ihrer Tochter darunter befanden, war man voll des Lobes für Helen gewesen. Nach dem Gespräch war die Bewahrerin in bester Laune, denn sie sah ihren Stern steil am Himmel des scardeenischen Machtgefüges emporsteigen.
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Soll Sealdric Phantomen hinterher jagen, während ich dem Rat Ergebnisse präsentiere. Mit den Gedanken noch bei ihrem ersten großen Erfolg im Dienste der Scardeener, zuckte sie erschrocken zusammen, als der Soldat, der die Zelle geöffnet hatte, überrascht aufschrie. Sie stieß den Mann beiseite und warf einen raschen Blick in die längliche Zelle mit den sechs Liegeplätzen an den Wänden. Sie war leer! Helens Kinnlade klappte herunter. Voller Unglauben starrte sie in den Raum und konnte nicht fassen, was sie sah. Langsam drehte sie sich zu den Wachsoldaten um. Helen fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Eine Ader an ihrer Stirn begann heftig zu pochen. »Wo sind die Gefangenen?«, hörte sie sich selbst brüllen. Ihre Gedanken kreisten jedoch um die Schmach, die sie einstecken musste, wenn sie dem Rat berichtete, dass die Häftlinge geflohen waren – wie auch immer sie das angestellt haben mochten. Der Rat würde kein Verständnis zeigen. Übelkeit stieg in Helen hoch. Sie dachte an den Ruhm, den sie hatte ernten wollen. Jetzt sah sie ihre Felle davonschwimmen. Sie taumelte in die Zelle, hockte sich auf die nächst beste Pritsche und vergrub ihr Gesicht in die Hände. »Rasarah, es ist mir unbegreiflich ...«, begann einer der Legionäre. »Halten Sie den Mund«, brachte Helen krächzend hervor und würgte den Kloß hinunter, der ihr fast den Atem nahm. »Ich gehe davon aus, dass dies die richtige Zelle ist, oder?« »Ohne Zweifel, Rasarah!« Die leicht verzerrte Stimme aus dem Helmaußenlautsprecher klang fest und sicher. Helen überlegte, was schief gelaufen sein könnte. Es gab nur einen Ausgang aus dem Zellentrakt und der war verriegelt und von Posten gesichert gewesen. Etwas Ungeheuerliches musste geschehen sein. Gefangene verschwanden nicht einfach so. »Sollen wir Alarm auslösen?«, versuchte der Wachsoldat mit aufgesetzten Eifer, die vermeintliche Schlappe für sich und seinen Kamerad zumindest ein wenig auszubügeln. Helen Dryer erhob sich mit einer müde anmutenden Bewegung von dem Lager. Kopfschüttelnd schritt sie an dem Legionär vorbei wieder in den Gang hinaus und wandte sich dem offen stehenden Schott zu. »Nein«, sagte sie, ohne sich zu den Männern umzudrehen, »wenn sie einen Weg aus der Zelle gefunden haben, befinden sie sich schon längst nicht mehr auf dem Schiff.« »Aber das ist unmöglich!«, rief einer der beiden Legionäre ihr hinterher. Helen antwortete nicht, sondern ging einfach weiter, ihren trüben Gedanken nachhängend. Φ Wie in Zeitlupe nahm Simon McLaird die Klinge wahr, die direkt auf ihn zusauste. Der nahe Tod ließ den Adrenalinspiegel in seinem Blut sprunghaft in die Höhe schnellen. Simon riss im letzten Augenblick sein Schwert hoch und brachte die Klinge zwischen sich und der Waffe des Bewahrers. Der Aufprall war mörderisch. Simon hatte das Gefühl, sein Arm würde ihm mit einem Ruck aus dem Schultergelenk gerissen. Doch seine Sehnen und Muskeln hielten stand, während er die Klinge des Gegners durch eine geschickte Drehung des Handgelenks über die Schneide seines Schwertes abgleiten ließ. Das Geräusch von aneinander reibendem Stahl klang wie der letzte Seufzer einer verrosteten Säge. Simon nutzte die Verblüffung des Bewahrers über dessen fehlgeleiteten Angriff aus. Er stieß im Liegen einen Fuß schräg nach oben direkt in den Unterleib Sealdrics. Von der Wucht des Trittes wurde der Bewahrer nach hinten geschleudert und prallte gegen eine der Kontrollkonsolen. Nach Luft ringend ging er in die Knie. Leicht schwankend arbeitete Simon sich hoch. Seine Hüfte stand in Flammen. Er fürchtete den Moment, in dem er einen Blick auf die Wunde werfen konnte. Sealdric presste die Zähne zusammen. Er hinkte, hielt sich mit einer Hand das beste Stück fest, während die andere sich krampfhaft um den Schwertgriff klammerte. Seine Lippen
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zitterten vor unterdrückter Wut und Schmerz, während Speichel aus seinem Mundwinkel tropfte und in einem feinen Rinnsal sein Kinn hinab lief. »Du hast eine Menge von meinen Leuten auf dem Gewissen«, stieß Sealdric hervor. Sein Blick ging dabei in Richtung des verkohlten Etwas, das einmal sein Captain gewesen war. »Ließ sich leider nicht vermeiden, Alter«, gab Simon zurück. »Aber pass bloß auf, dass ich keine Gegenrechnung aufmache. Oder gehen die Millionen von Drahusem nicht auf dein Konto?« »Abschaum«, zischte Sealdric und spie auf den Boden. »Wer sich gegen Scardeen stellt, hat nichts anderes verdient.« Plötzlich spielte ein sardonisches Lächeln um Sealdrics Mundwinkel, das in Simon sämtliche Warnglocken zum Läuten brachte. Als er zum Griff des Gegnerschwertes blickte, war es bereits zu spät! Abgelenkt vom Gerede des Bewahrers hatte Simon nicht mitbekommen, dass der andere die furchtbarste Funktion seiner Waffe aktiviert hatte. Die Kugeln! Geräuschlos lösten sich die beiden Endkugeln von der Griffstange und rasten als leuchtende Todesboten auf den erstarrten Schwertträger zu. Als die Lichtbälle ihn erreichten, brachte Simon sein Schwert in Position und verfolgte so gut es ging jede ihrer Bewegungen. Sobald eine der Leuchtkugeln ihm zu nahe kam, versuchte er die Klinge seines Schwertes dazwischen zu schieben, um einen Kontakt zu vermeiden. Das höhnische Gelächter Sealdrics, der mit vergnügtem Gesicht Simons verzweifelten Aktionen zusah, machte es dem Schwerträger nicht gerade einfacher. Er war gerade damit beschäftigt sich eine der Kugeln mit dem Schwert vom Leibe zu halten, da ging die andere zu einem direkten Angriff über. Obwohl Simon wusste, dass er damit seine Chancen verringerte, duckte er sich weg und schwang seine Waffe instinktiv herum. Die Klinge fuhr durch den Lichtball und zerteilte ihn. Erfahrungsgemäß ließen sich die Todeskugeln nicht zerstören. Irgendeine nanotechnologische Teufelei sorgte bei der Vernichtung eines der Objekte für eine genaue Replizierung. Diesmal jedoch war es anders. Das Glühen der getroffenen Kugel erlosch augenblicklich. Zwei Teile fielen zu Boden und blieben dort reglos liegen. Sealdric war im gleichen Maß überrascht wie Simon McLaird Während der Bewahrer aber wie angewurzelt auf den Boden starrte, hatte sich Simon der neuen Situation bereits angepasst und reagierte dementsprechend. Er schnellte herum und zog sein Schwert in einer eleganten Bewegung nach oben, mitten durch die Flugbahn der zweiten Kugel. Erneut schnitt die scharfe Klinge fast widerstandslos durch das Energiebündel. Auch dieser Lichtball replizierte sich nicht, sondern fegte in seine Einzelteile zerlegt gegen eine der Bordwände. Simon drehte sich wieder Sealdric zu. Der Bewahrer stand immer noch regungslos auf der Stelle und blickte fassungslos auf das, was von der stärksten Waffe seiner Kaste übrig geblieben war. Man sah ihm deutlich an, dass die Gedanken in seinem Kopf rotierten. In seinem Gesicht begannen einige Muskel unkontrolliert zu zucken. Als er sich endlich von dem Anblick der zerstörten Kugeln losriss, sah Simon einen Mann vor sich, der dicht davor stand, die schmale Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn zu überschreiten. Die Augen Sealdrics hatten einen seltsamen Glanz angenommen, der auf eine unheimliche Art und Weise mit den unkontrollierten Muskelzuckungen harmonierte. Anfangs sah es für Simon aus, als würde der Bewahrer in Tränen ausbrechen, dann aber warf er sich ansatzlos herum und hieb mit der freien Hand auf einen Schalter an dem Kontrollpult hinter sich. Anschließend wandte er sich wieder dem Schwertträger zu. Simon blickte dem anderen abwartend entgegen. Ein triumphierendes Grinsen hatte sich in den wahnsinnigen Gesichtsausdruck gelegt. Du hast irgendeine Schweinerei eingefädelt. »Deine Anstrengungen waren vergebens, McLaird«, spottete der Wahnsinnige. Seine Worte
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unterstrich Sealdric, indem er wild mit seinem Schwert in der Luft herumfuchtelte. »In wenigen Sekunden werden die Koordinaten von Cloudgarden und der Erde an die Flotte überspielt. Der Kursrechner der TORGUT wird dann nach der automatischen Abfrage der Einsatzbereitschaft den Sprung der Flotte in den Hyperraum einleiten. Cloudgarden ist Geschichte, McLaird ... tote Geschichte!« Sealdric warf den Kopf in den Nacken und brach in wahnsinniges Gelächter aus. Sein ganzer Körper wurde von dem Lachkrampf erfasst und regelrecht durchgeschüttelt. Die Zeit rannte Simon McLaird davon. David und Goliath. Die Flotte – Goliath, der Gigant. Simon – David, mit einem Schwert als Steinschleuder! Der Navigationscomputer stand kurz vor dem Datentransfer. Simon musste handeln – sofort! Vom schrillen Lachen Sealdrics angestachelt, stürmte der Schwertträger nach vorne, um das letzte Hindernis zwischen dem NavCom und sich zu beseitigen. Während er lief, zog Simon sein Schwert in eine Angriffsposition hoch über den Kopf und überwand den Abstand zwischen sich und Sealdric mit zwei, drei Sätzen. Im Vorbeirennen ließ Simon die Klinge auf den anderen niederfahren, der jedoch im letzten Augenblick seinen Oberkörper verlagerte und mit der eigenen Waffe parierte. Mit voller Wucht schlug Simons Klinge auf das Schwert des Bewahrers ... und zerbrach es! Sealdrics irres Gelächter verstummte als er das schier Unmögliche erkannte. Zuerst die Kugeln, nun die als unzerstörbare geltende Klinge. Nacktes Entsetzen war in seinem Gesicht zu lesen. Dann erst wanderte sein Blick tiefer, dorthin wo Simon McLairds Klinge in Höhe seines Herzens im Körper steckte. Simon riss die das Schwert aus dem Leib des Gegners und sprintete zum Navigationscomputer. Hinter ihm fiel Sealdric zu Boden. Simon ignorierte ihn, überflog rasch die Kontrollen des Rechners und sah auf einem Display die Umgehungskoordinaten, die er bei seinem Verhör an die Scardeener verraten hatte. Es gab keine Widerrufsmöglichkeit, keine Vorrichtung zum Abbruch. Der Countdown hinter den Koordinaten zählte unerbittlich weiter. Sealdric hatte dafür gesorgt, dass der Sprung auf jeden Fall ausgeführt wird. Verflucht, was jetzt? Einer Eingebung zufolge ließ er seine Finger über die Eingabetastatur fliegen. Er vermochte den Countdown nicht zu stoppen, fügte aber im letztmöglichen Augenblick den Koordinaten eine Ziffer zu. Warum er ausgerechnet eine Drei tippte, vermochte er später nicht mehr zu sagen. In diesem Augenblick erschien sie ihm jedoch als einzig richtige Zahl. Der Countdown stoppte bei Null. Automatisch sendete der Hauptrechner die relevanten Daten an all die anderen Schiffe der gewaltigen Armada. »Hoffentlich hat es etwas genutzt«, sagte Simon laut. Vom Schott her klang Lärm auf. Die Legionäre auf der anderen Seite fuhren schweres Gerät auf, um durchzubrechen. Simon wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb, bis die Sprungtriebwerke der Flotte anliefen. Wenn er sich nach dem Hypersprung nicht noch immer in der Höhle des Löwen befinden wollte, dann musste er schleunigst fort. Er rief sich den Lageplan des Schiffes ins Gedächtnis, den Jee A Maru ihm auf telepathischem Wege übermittelt hatte. Es gab einen Nottransporter zur blitzschnellen Evakuierung des Bewahrers. Er musste ihn erreichen, ehe die Armada sprang. Ein letztes Mal fiel Simons Blick auf Sealdric, dessen gebrochene Augen ihn scheinbar anklagend anstarrten. Seltsamerweise empfand er beim Anblick des Toten keinerlei Selbstzweifel, die sonst an ihm genagt hatten. Sealdric hatte nichts anderes verdient. Auch wenn sein Tod das Volk der Drahusem nicht mehr lebendig machte. Das tiefe Brummen, das durch den Schiffskörper ging, trieb Simon zur Eile an. Er
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vermutete, dass die Triebwerke hochfuhren. Anscheinend hatte man die Hilfsbrücke des Schlachtschiffes besetzt, um Sealdrics Befehle auszuführen, nachdem man erkannte, dass die Hauptbrücke nicht reagierte. Es wurde höchste Zeit, fort zu kommen. Φ »Captain! Die Koordinaten wurden gerade übermittelt«, teilte ein Flugingenieur dem kommandierenden Offizier auf der Brücke der DIEGOR mit. Der jugendlich wirkende Captain erschrak bei dem Ausruf. Sein erster Kampfeinsatz im Flottenverband. Und noch dazu fragte er sich seit gut einer Stunde, wie er Rasarah Sealdric den Tod der Bewahrerin Eszrella beibringen konnte. Doch das musste er nun wohl oder übel auf später verschieben. Nach der Schlacht. »Startfreigabe?«, fragte er zurück und zupfte sich nervös an der Uniform. »Ist soeben erteilt worden.« Der Captain nickte und gab seinem Ersten Offizier ein Zeichen. Der Mann gab den Befehl an Maschinenraum und Steuermann weiter. Kurz darauf begann der Deckboden zu vibrieren. Ein Dröhnen klang durch das Schiff und kündete vom Warmlaufen der Haupttriebwerke. »Alles auf Gefechtsstationen!« »Gefechtsstationen!«, echote der Erste Offizier und nickte einem Brückecontroller zu, der den Befehl über die bordinterne Kommunikation an alle Decks weitergab. Der Captain verschränkte die Hände hinter dem Rücken und trat bis auf zwei Schritt an das Panoramafenster des Kommandoturms heran. Draußen im All setzten sich die ersten Schiffseinheiten in Bewegung. Die größte Armada, die in der scardeenischen Geschichte in einem Pulk zu einem Einsatzort geschickt wurde. Viele der Schiffskapitäne hielten Sealdrics Vorgehen für übertrieben, billigten nicht die Bündelung der halben Streitmacht des Reiches gegen einen relativ unbedeutenden Feind, der Sealdric ein paar Wunden zugefügt hatte. Doch der Bewahrer hatte die Unterstützung des Wissenschaftsrates, mit allen Mitteln die Vernichtung ihrer Gegner herbeizuführen. Eine kurze Schlacht, dachte der Captain. Wir werden mit Feuer und Schwert über das Rebellenpack kommen. Ehe sie wissen, was sie getroffen hat, werden sie schon Vergangenheit sein. Mittlerweile beschleunigte die gewaltige Armada wie ein einziger Schwarm. Die vorderen Schiffe erreichten Sprunggeschwindigkeit – darunter auch das Flaggschiff, die TORGUT. »Erste Schiffseinheiten in Hyperraum eingetaucht!«, meldete die Ortungsstation. »Ein Dutzend ... fünfzig ...« Danach lohnte sich das Zählen nicht mehr, denn die Schlachtraumer und Zerstörer verschwanden schneller im übergeordneten Kontinuum, als die Sensoren es weitermelden konnten. »Sprunggeschwindigkeit!«, rief der Steuermann aus. »Hyperaggregate aktivieren!« Die Stimme des Ersten Offiziers war der letzte Laut, den die Besatzung der DIEGOR zu hören bekam. Das tiefe Brummen des Antriebs erstarb als das Flottenmeer vor den Sichtschirmen und Panoramafenstern verschwand und dem Farbflimmern des Hyperraums Platz machte. Der Flug war zeitlos. Die Endkoordinaten fest einprogrammiert, so dass das Austauchen nahezu übergangslos eingeleitet wurde. Ein erneutes Farbflimmern, als die DIEGOR aus dem Hyperraum fiel. Dann kam das Licht! Grelles, tödliches Licht. Φ
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»... und in dem kleinen Hangar fand ich Sealdrics Rettungsboot, das mit einem Hyperantrieb ausgestattet war. Mein lieber Mann, das war wie Geburtstag, Weihnachten und der Lotteriejackpot zusammen – ich bin in letzter Sekunde gestartet, ehe die TORGUT in den Hyperraum sprang. Den Rest der Geschichte kennt ihr ja.« Simon McLaird schloss seinen Bericht über die Ereignisse an Bord des scardeenischen Schlachtschiffes ab. Prüfend blickte er in die Runde der Führungsoffiziere der Allianz von Cloudgarden, die sich im großen Konferenzraum auf der DEVIL'S EYE zur Lagebesprechung eingefunden hatte. Zuvor hatte Ken Dra die Geschehnisse auf Mazoni zum Besten gegeben und von der Begegnung mit Jee A Maru erzählt. Die beiden verwundeten Amazonen befanden sich in der Lazarettstation und schienen auf dem Weg der Besserung zu sein. Sherilyn Stone hatte von Hal Quires Flucht berichtet. Sein Vater Mel war zu der Besprechung erst gar nicht erschienen. Der Schwund der Nullsphäre nagte zu sehr an ihm – die Eskapaden seines Sohnes trugen ihr Übriges dazu bei, dass es ihm wieder schlechter ging. »Harris?«, fragte Stone in Richtung des Lieutenants. Der Mann erhob sich aus seinem Schalensessel und nickte Simon langsam zu. »Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber freuen werden, McLaird, aber mit Ihrer Kurskorrektur haben Sie ganze Arbeit geleistet.« Simon runzelte die Stirn und blickte den anderen überrascht an. »Wie meinen Sie das, Lieutenant?« »Kurz bevor Sie mit dem Rettungsboot in unserem Orbit auftauchten, orteten unsere Sensoren heftige Eruptionen in der Sonne Cloudgardens. Einzeldaten waren nicht messbar, nur dass ein gigantischer Pulk plötzlich in der Nähe des Kerns materialisierte und dann im Atomfeuer verging.« Simon hing an den Lippen des anderen. Doch er weigerte sich, die Worte Harris' aufzunehmen, er wollte sie nicht verstehen und wartete, dass ein Nachsatz alles auflöste. Doch der Nachsatz kam nicht. Als Harris nicht weiter redete, sah Simon zu Sherilyn. »Die gesamte Armada«, sagte Stone betont langsam, »ist im Herzen des Sterns aus dem Hyperraum getreten. Sie ist auf einen Schlag vernichtet worden.« Simon knickte in den Knien ein und kippte um. Er schlug der Länge nach zu Boden, würgte und übergab sich. Sein Körper begann wie in einem epileptischen Anfall zu zittern, Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er spürte, wie sein Herz raste, wie ihm das Blut durch die Adern schoss und der Puls bis zum Zerreißpunkt hämmerte. Simon merkte nicht, wie die anderen sich um ihn scharten, ihm hoch halfen und auf eine eilige hereingebrachte Trage legten, um ihn zur Lazarettstation zu führen. 70.000 Schlachtschiffe ... Zerstörer ... all die Menschen ... In seinen Gedanken bildeten sich abstruse Zahlen der Opfersumme, doch er war nicht in der Lage, sie für sich zu vergegenwärtigen, sie sich bewusst zu machen. Er hatte lediglich Cloudgarden und die Erde retten wollen – aber zu welchem Preis hatte er das Leben seiner Freunde eingetauscht. Wie viele Menschen hatte er heute in den Tod geschickt? Menschen, die nur Befehle von wahnsinnigen Herrschern befolgten. Menschen, die in ihren Herzen womöglich nicht einmal böse waren, sondern sich nur der Macht anderer unterordneten. Später, als er wieder zu sich kam, beugte sich Sherilyn Stone über ihn und küsste sanft seine Stirn. »Hey, Cowboy, alles wieder in Ordnung?« Simon schüttelte den Kopf. »Nein. Du sprichst mit einem Massenmörder!« »Unsinn!« »Es ist so«, beharrte er und schloss die Augen, um die Tränen vor ihr zu verbergen. Sherilyn hockte sich auf die Bettkante und strich ihm durch das Haar. Wieder einmal fühlte
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er, dass sie ihn zwar mochte, aber ihn nicht wirklich liebte. Er fragte sich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, sich auszusprechen, auch um sich von dem Abschlachten der Scardeener abzulenken. »Simon ... ich ...« Er fühlte einen Stich im Herzen bei ihren Worten. Hatte sie seine Gedanken gelesen? Oder er ihre? Er wusste was jetzt kam. »Ist okay«, sagte er lahm. Sherilyn runzelte die Stirn. »Was? Was ist okay?« »Du liebst mich nicht.« Ihre Gesichtszüge entgleisten. Sie atmete tief durch und rückte von ihm ab. »Es tut mir leid, Simon.« Er streckte seine Hand nach ihr aus, berührte ihre Wange. »Ist schon gut.« »Wann ... wann hast du es gemerkt?«, fragte Sherilyn. »Nach der Weihe zum Schwertträger. Irgendetwas hat mich danach klarer sehen lassen.« Sie schwiegen eine Weile, sahen sich nur an. Bis der Moment peinlich, ja nahezu erdrückend wurde. Nach einigen endlos erscheinenden Minuten erhob sich Sherilyn vom Bett und wandte sich wortlos zum Gehen. In der Tür verhielt sie und drehte sich zu ihm um. »Wir bleiben ... Freunde, ja?« Simon lachte bitter auf. Es hörte sich unwirklich an, aber er wusste, was sie meinte und vor allen Dingen wie sie es meinte. »Ja, das werden wir. Aber ...« Sherilyn legte den Kopf schief, als er zögerte. Er sah sie lange an, hob dann die Schultern und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schon gut.« »Du kannst es mir ruhig sagen«, forderte Sherilyn. »Ach es ist nur ... ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Am liebsten würde ich alle Zelte hinter mir abbrechen, zur Erde zurückkehren und einfach vergessen, was hier geschehen ist. Versteh doch, all die Menschen, die ich getötet habe – ich will mir die Zahl der Toten der Scardeen-Flotte nicht einmal ansatzweise vorstellen. Ich bin ein Massenmörder ... ich weiß noch nicht, wie ich damit fertig werde.« Sherilyn kehrte nun doch wieder zu seinem Lager zurück, blieb direkt vor ihm stehen und streckte eine Hand aus, um Simon durch die Haare zu fahren. »Du bist kein Mörder! Wir befinden uns im Krieg, hast du das vergessen? Du hast uns alle gerettet. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte die Flotte Cloudgarden ohne zu zögern vernichtet – und danach die Erde. Du bist ein Held, Simon McLaird, kein Mörder!« Simon schluckte. Er konnte mit ihren Worten nicht viel anfangen. Er dachte nur an all die Toten. Nichts würde mehr so sein, wie es einmal war. Er konnte das nicht so einfach wegstecken. Er würde lange Zeit benötigen, um sich davon zu erholen, falls er es überhaupt schaffte. Tief seufzend blickte er Sherilyn direkt in die Augen. »Lass uns nicht darüber reden«, bat er. »Lass uns jetzt um andere Dinge kümmern. Was ist mit Hal Quire? Das klang ja nicht so gut, was ich vorhin im Besprechungsraum hörte.« Sherilyn zuckte die Achseln. »Ich weiß auch nicht. Erst retten wir den Burschen und dann haut er ab. Ich hab mit Mel gesprochen. Du kannst dir sicherlich denken, was er von uns verlangt.« Simon verdrehte die Augen. Er richtete sich halb auf. Seine Beine waren immer noch wackelig, aber die Übelkeit hatte nachgelassen. Je weniger er an 70.000 Schlachtschiffe dachte, desto besser ging es ihm. »Wir sollen Hal finden?« »Wir wissen bereits, wo er sich befindet. Er ist zur Erde zurückgekehrt. Was mir aber Sorgen macht, ist die Brutalität, die er bei seiner Flucht an den Tag gelegt hat. Doc Quire will ihn wohl zur Rechenschaft ziehen.«
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Unwillkürlich fühlte sich Simon an Sean Harris erinnert. Genau wie Hal Quire hatte der Lieutenant vor über einem Jahr einen der Natasha-Aspekte angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Harris hatte seine Tat tief bereut und war mittlerweile mit jener Natasha eng befreundet. Aber Hal hatte ein Abbild seiner Mutter getötet! »Wir werden ihn wohl oder übel zurückholen müssen«, sagte Sherilyn wuschelte noch einmal durch Simons Haar. »Er könnte Gott weiß was auf der Erde anrichten. Aber erhol dich erst einmal ... ich sehe später nach dir oder ...« »Oder?«, fragte Simon als Sherilyn nicht weiter sprach. »Oder ich schicke dir ... jemand anderen vorbei, okay?« Sie ging. Er wusste, was sie hatte sagen wollen. Der Name Kardinas tauchte in seinen Gedanken auf. Glaubte Sherilyn, die Amazone würde ihn trösten können, wenn sie selbst ihn verließ? Sie macht es sich verdammt einfach. Simon schob die unangenehmen Gedanken beiseite. Er wollte nicht an Sherilyn denken. Nicht an die Opfer der Scardeener, auch wenn er dadurch den Untergang Cloudgardens und das Ende der menschlichen Zivilisation auf der Erde verhindert hatte; auch nicht unter dem Aspekt, dass er der Allianz von Cloudgarden und Shadow Command einen immensen strategischen Vorteil verschafft hatte. Er wollte auch nicht an Hal Quire denken, sondern einfach seine Ruhe haben. Einfach nur Ruhe ... Simon spürte seine Lider schwer werden und schlief nahezu übergangslos ein. Die Albträume, die ihn heimsuchten, waren die schrecklichsten, die er je durchlebt hatte.
ENDE
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DUST erscheint bei story2go Verlag Thomas Knip, Pestalozzistr. 57A, 10627 Berlin. © Copyright 2009 der eBook-Ausgabe bei story2go. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Verlag gestattet. Cover: Thomas Knip Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
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Glossar Amazonen Gruppe von weiblichen Assassinen auf der Welt Mazoni Angel Eigenname des Natasha-Aspekts NAT 6-Omega. Arico Verstorberner Captain des scardeenischen Zerstörers KATTHARG. Aspekte menschliche Klone von Natasha Quire. Bewahrer Angehöriger eines scardeenischen Ordens, vergleichbar dem irdischen Rittertum. Bisam Scardeenischer Captain an Bord der TORGUT. Bluebook geheimes Projekt der U.S. Air Force für UFO-Sichtungen. Candy Bedienung in Tom's Inn in Golden, Colorado. Chalendur Stern im Agares-Sektor. Irdische Bezeichnung Scheratan, fünfzig Lichtjahre von der Erde entfernt. CIA Central Intelligence Agency. Amerikanischer Geheimdienst, 1947 von Präsident Truman gegründet und nur dem jeweilige US-Präsidenten gegenüber verantwortlich. Cloud City Die Ewige Stadt auf der Eisoberfläche Cloudgardens. Cloudgarden Eiswelt außerhalb der galaktischen Ekliptik. Sitz der Allianz von Cloudgarden. Cord, Pamela stellvertretende Leiterin des United States Secret Service. Dai Urshar Senekar Tarmalis sagenumwobener Planet der Drahusem. Von Simon McLaird nur DUST abgekürzt. Deighan, Pete Stellvertretender Direktor des FBI
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DEVIL'S EYE das Stadtschiff auf dem McLaird und Stone wohnen. Dondronium Wahrheitsdroge. Drahusem ausgerottetes Volk des Planeten Prissaria. Die letzten Drahusem sind Ken Dra und Jee A Maru. Dryer, Helen Ehemalige CIA-Agentin. Jetzt Bewahrerin der Scardeener. DUST McLaird Abkürzung des Planeten Dai Urshar Senekar Tarmalis EXECUTOR Zerstörer unter Prinzessin Tanyas Kommando. Der Name stammt von McLaird als eine Hommage an den gleichnamigen Supersternzerstörer Darth Vaders. Fassiet Stern im äußeren Spiralarm der Milchstraße. FBI Federal Bureau of Intelligence. Amerikanische Bundespolizei. Foster, Henry Freund Simon McLairds, von Shadow Command getötet. FREEDOM früheres scardeenisches Schlachtschiff namens SENSOR. Von Shadow Command gekapert und umbenannt. Garijos-Spacelines drittgrößte Raumfluggesellschaft im Scardeenischen Reich. Garik, Tina Corporal von Shadow Command. General Anführer Shadow Commands. Ghost Card Kreditkarte aus hohen Regierungskreisen der USA. Gernah Asteroid in der Nähe von Prissaria. Hier befand sich die Weihestätte der Schwertträger.
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Goreer verstorbener Captain des scardeenischen Schlachtschiffes KLASTAM Gossett, Paul ehemaliger CIA- und Shadow Command-Agent. Geriet in die Fänge von Marshal Ian. Gussara Wüstenplanet in den Randzonen. Habrice Captain eines Postschiffs. Hannigan, Eileen Lieutenant bei Shadow Command. Harris, Sean First Lieutenant bei Shadow Command. Henderson Admiral im Pentagon. Hogas-Bakterien Killerbakterien. Löschten alles Leben auf Prissaria aus. HUNTRESS Schiff der Zerstörer-Klasse. Steht unter Major Stones Kommando. Hurley, Jeremiah E-Mail-Freund McLairds, der zu Marshal Ians Volk gehört. Sein richtiger Name ist Jem. Hyperraum übergeordnetes Kontinuum, das den zeitlosen Flug zwischen zwei Punkten im All ermöglicht. Ian Marshal einer außerirdischen Macht. Jee A Maru letzte weibliche Angehörige der Drahusem. Schwertträgerin und nun Adeptin der Pyramidenwächter. Joey ein Kumpel McLairds und Nashs. Jones, Ben Sergeant bei Shadow Command. Wegen seiner Kinnbartzöpfe auch Kinnteufel genannt. Kardina junge Amazone, die Shadow Command unterstützt. Findet in Mel Quire ihren Vater wieder.
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Ken Dra letzter männlicher Angehöriger des Drahusem-Volkes. Schwertträger. Korana IV Scardeenische Welt, berüchtigt für ihren Sklavenmarkt. Kor'sen LaMal Erster Vorsitzender des Ur-Wissenschaftsrates auf Scardeen. Begründer der Technokratie im Scardeenischen Reich Kossik Planet im Randsektor des Scardeenischen Reiches. Lasaria gegenwärtige Königin der Amazon auf Mazoni. Liz Deputy Marshal von Marshal Ian. Ebenfalls eine Außerirdische. Lodge, Harvey Wirt eines Pubs in Cloud City. LORD OF LIGHT ein Stadtschiff. Lucas, Mitch Corporal bei Shadow Command. Starb im Einsatz auf Mazoni. Lukron Captain des scardeenischen Schlachtschiffes VOHLAGRIN MAGIRUNA Helen Dryers Schlachtschiff Mazoni ein Waldplanet. Heimatwelt der Amazonen. McLaird, Simon Thomas Held wider Willen. Gerät unabsichtlich in den galaktischen Konflikt zwischen Scardeen und den Drahusem. Mossar Verbales Kommando zum Aktivieren des Schwerts der Schwertträger Mossar-re Verbaler Befehl, um das Schwert eines Schwertträgers zu deaktivieren. Nash, Calvin Freund von Simon McLaird. Wurde von NSA-Agenten getötet.
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Nash, Harriet Ehefrau von Calvin Nash. Von der NSA ermordet. Nasuut Industrieplanet der Scardeener. Natasha 1 Erster Aspekt, der aus der Nullsphäre geboren wurde. Stellvertreterin Mel Quires. Natasha 3 Aspekt der wissenschaftlichen Abteilung. Natasha 12 Sekretärin Mel Quires. Natasha 2-B Brückenoffizierin an Bord der DEVIL'S EYE Natasha 6-Omega von Sean Harris fast getötet, mittlerweile sind sie gute Freunde. Wird von Harris liebevoll Angel genannt. Nullsphäre Zeitlose, mehrere Lichtjahre durchmessende Blase auf Cloudgarden. NSA National Security Agency innerstaatlicher Geheimdienst der Vereinigten Staaten mit Hauptsitz in Fort Meade, Virginia. OBANJUN Linienschiff der Garijos-Spacelines O'Roarke, Craig Stellvertretender CIA-Direktor O'Ryan, Linda Corporal bei Shadow Command Phi 21. Buchstabe des griechischen Alphabets und das Symbol der Organisation Shadow Command. Prissaria Vierter Planet des Zerum-Systems, frühere Heimat des ausgerotteten Volkes der Drahusem. Preston Lieutenant an Bord der DEVIL'S EYE.
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PYRAMID Zerstörer der Allianz von Cloudgarden. Pyramiden Die geheimnisvollen Bauwerke finden sich nicht nur auf der Erde wieder. Quire, Hal Sohn von Mel und Natasha Quire. Quire, Mel Wissenschaftler, der Cloudgarden entdeckte. Quire, Natasha Ehefrau Mel Quires, verstarb in der Nullzeit. Rasarah Scardeenische Bezeichnung für Bewahrer. Ri'ta Alte religiöse Lehre der Drahusem. Rem Ko Schwertträger. Wird bei der Verseuchung Prissarias durch die Hogas-Bakterien getötet. SABER ein Stadtschiff. Wohn- und Regierungssitz Mel Quires. Scardeen Zentralwelt des Scardeenischen Reiches. Schlachtschiffe zwei Kilometer lange Raumgiganten der Scardeener in eiförmiger Bauweise. Schwertträger Das Gegenstück der scardeenischen Bewahrer. Ein Ritter Prissarias. Sealdric Bewahrer und Ratsmitglied des scardeenischen Wissenschaftsrates. SENSOR früheres Flaggschiff Sealdrics. Shadow Command Geheime Organisation, die außerirdischer Technologie hinterher jagt. Die eigentlichen Drahtzieher sind unbekannt. Shadestar der militärische Raumhafen auf Cloudgarden. 146
SOLARIA McLairds Raumjacht. Solarion-Torpedos Raumgeschosse mit enormer Sprengkraft. STARRIDER ein Zerstörer Shadow Commands Stadtschiffe kreiselförmige Riesenraumer mit sieben Kilometern Durchmesser und einer Höhe von drei Kilometern. Auf Cloudgarden existieren 104 dieser Stadtschiffe an vorbestimmten Gravitronpunkten, um die Atmosphäre des Planeten im Gleichgewicht zu halten. Stone, Sherilyn Major von Shadow Command. Tanya Amazonenprinzessin. Formelle Tochter Königin Lasarias. Tennard, Luis Sergeant bei Shadow Command. Stirbt auf Maisuht bei der Befreiung von Hal Quire. TIGER ein Stadtschiff. Hier ist Ken Dra als Kommandant tätig. Thorne, Harry Executive Operations Agent bei der NSA. TORGUT das Schlachtschiff Sealdrics. Übersetzungsring fängt Gedankenmuster auf und übersetzt sie für den Träger in verständliche Sprache. USSS United States Secret Service. Von Abraham Lincoln ins Leben gerufener Geheimdienst, der sich heute um den Schutz des Präsidenten, der Kongressabgeordneten und Falschgeldverbrechen kümmert. Wright Patterson Stützpunkt der U.S. Air Force zu dem angeblich die Überreste eines in der Mojave-Wüste abgestürzten UFOs gebracht wurden. Wyman, Karen Second Lieutenant bei Shadow Command.
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