R. P. Mielke Amoklauf der Nokis Rex Corda Band Nr. 29 Amoklauf der Nokis Rex Corda und die Männer der »Walter Beckett« k...
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R. P. Mielke Amoklauf der Nokis Rex Corda Band Nr. 29 Amoklauf der Nokis Rex Corda und die Männer der »Walter Beckett« konnten über 470.000 Nokis vom dritten Planeten retten, bevor dieser in Chaos versank. Für den Präsidenten der Erde steht fest, daß nur noch eine verschwindend geringe Zahl von Nokis auf dem dritten Planeten leben kann, wenn es überhaupt noch Überlebende gibt. Jetzt gilt es für die Nokis, den vierten Planeten bewohnbar zu machen. Die Voraussetzungen sind günstig. Die Atmosphäre ist zwar dünn, aber die Nokis können in ihr leben. Auch die Terraner können sich auf dem Planeten ohne Raumanzug bewegen, vorausgesetzt, die Belastung wird nicht zu groß. Mit Hilfe der aus der »Walter Beckett« ausgebauten Transmitter wird Wasser von Noki III auf den Wüstenplaneten gebracht. Terraner und Nokis arbeiten Seite an Seite, um die notwendigsten Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die friedfertigen Flüchtlinge von Noki III überleben können. Rex Corda will die Erschließungsarbeiten möglichst schnell abschließen, weil die eigentliche Entscheidung um das Sonnensystem NokiSom immer noch aussteht. Die Sonne dieses Planetensystems stirbt. Die laktonischen Wissenschaftler an Bord der »Walter Beckett« versuchten, sie zu retten. Eine ungeheure Vermutung bestätigt sich. Es sind durchaus keine natürlichen Ursachen, die die Sonne erlöschen lassen. Welche Macht steht im Hintergrund? Wer will das System vernichten? Diese Frage brennt allen auf den Nägeln. Sie muß schnell gelöst werden. Doch da stellen sich die Nokis den Terranern selbst entgegen. Sie legen alle Eigenschaften, die sie so sympathisch gemacht haben, ab. Sie laufen Amok! Und das Ziel ihrer Vernichtungswut ist die »Walter Beckett«!
*** Die kleinen dunklen Augen des Nokis verwandelten sich in enge Schlitze. Dann stieß er die drei Finger seiner rechten Hand zwischen die Schulterblätter der Krankenschwester. Mit einem spitzen Aufschrei stolperte sie nach vorn. Sie riß die Arme hoch. Gleichzeitig bildete sich ein nasser dunkler Blutfleck auf ihrem orangefarbenen Kittel. Sie fiel langausgestreckt über das Bett, das sie für den kranken Noki hatte herrichten wollen. Ihre Arme zuckten kurz. Langsam rutschte ihr blondes Haar an der linken Seite ihres Kopfes nach vorn. Der Blutfleck wurde immer größer. Fassungslos starrte der Noki auf die drei Finger seiner rechten Hand. Er war gut fünfzig Zentimeter kleiner als die Krankenschwester des TerraFlaggschiffs »Walter Beckett«. Der Körper des Noki vibrierte. Seine Muskeln zuckten in unkontrollierten Reflexen. Der Fiebersturm raste durch seine Glieder. Dann entdeckte er sein eigenes Gesicht in den spiegelnden Scheiben eines Medikamentenschranks. Er sah die phantastische Glut in seinen Augen. Sein Gesicht war verzerrt. »Ich töte!« keuchte der Noki mit kaum unterdrücktem Haß. Er wirbelte herum. Unbeachtet blinkte das rote Licht der Rufanlage immer wieder auf. Der Noki verließ die Medizinische Abteilung. Er eilte zum nächstbesten Waffenschrank. Es kostete ihn große Mühe, eine ReelingGun aus der Halterung zu zerren. Die länglichen Höcker am Lauf der Waffe waren kalt und hart. Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Noki auf die grünen und blauen Muster am Schaft der ReelingGun. Mit dieser Waffe konnte er töten. Er preßte sie gegen seine Brust. Ein Ruck lief durch seinen Körper. Er sprang nach vorn. Der Amoklauf des ersten Noki hatte begonnen. * Stampfend fraß sich der Bulldozer durch das Erdreich des vierten Planeten im System Noki. In der
ehemaligen Wüste war ein neues großes Wasserreservoir geschaffen worden. Das Wasser stammte vom dritten Planeten. Mit Hilfe der Schiffstransmitter der »Walter Beckett« wurde es in die Wüste des nächsten Planeten geschleudert, um dort für Hunderttausende von Nokis neuen Lebensraum zu schaffen. Rex Corda hatte seit mehr als vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Niemand an Bord der »Walter Beckett« und draußen auf der Baustelle konnte von sich behaupten, in den letzten Tagen Freizeit gehabt zu haben. Es gab zu viele Dinge, die gleichzeitig getan werden mußten. Selbst der Unterhaltungsmanager der »Walter Beckett« hockte pausenlos in den fotografischen Labors, um die Holografenaufnahmen von den einzelnen Bauabschnitten auszuwerten. Rex Corda steckte sich die letzte Zigarette einer Packung an. Er knüllte die Packung zusammen und warf sie in den Aufnahmeschlitz eines Müllschluckers. Seine Augen waren rot gerändert. Bläulich schimmernde Bartschatten bedeckten sein Kinn. Selbst zum Rasieren hatten er und seine Männer in den letzten Stunden keine Zeit mehr gefunden. In jeder Minute, die ihnen noch verblieb, konnten sie ein paar hundert Nokis vom dritten Planeten retten. Beobachtungsgeräte registrierten den nicht mehr aufzuhaltenden Zerfall der Kontinente auf Noki III. Vulkanartige Ausbrüche vermischten sich mit dem Toben der Flutwellen und machten das Rettungswerk immer gefährlicher. Dann war der Zeitpunkt erreicht, an dem es nicht mehr weiterging. Die Meldung kam von Oberst Polley: »Es ist soweit, Mister President«, sagte der Chef von zweihundertvierzig TerraOffizieren aller Nationen, die zur Besatzung der »Walter Beckett« gehörten. Rex Corda zuckte zusammen. Seine Lippen bildeten einen messerscharfen Strich. Auf diese Hiobsbotschaft hatte er seit Stunden gewartet. Jetzt gab es für die freundlichen, naiven Geschöpfe auf Noki III keine Rettung mehr. »Wieviel haben wir?« fragte Rex Corda heiser. Percip nahm eine Synopse und übersetzte sie in Klartext: »431.279«, antwortete er leise. Rex Corda nickte. Plötzlich gellte der schrille Pfeifton eines Funknotrufs durch die Zentrale der »Walter Beckett«. Rex Corda schwang herum. Mit dem Ärmel seiner angeschmutzten Kombination wischte er sich den kalten Schweiß von seiner Stirn. Mehrmals mußte er die Augen zusammenkneifen, um das vorübergehende Flimmern wegzuwischen. Der Kommandant der »Walter Beckett« hatte inzwischen auf Empfang geschaltet. Dann erreichte eine alarmierende Meldung die drei Männer. »Hier spricht Bir Osgo«, rief der laktonische Organisationstechniker mit sich überschlagender Stimme. »Was ist los?« bellte ihn Fatlo Bekoval an. »Die Nokis spielen verrückt. Sie haben zwei TerraOffizieren die Waffen entrissen und schießen jetzt wild um sich.« »Aber das ist doch…« »Lassen Sie mich mit ihm sprechen«, sagte Rex Corda hastig. Bekoval trat einen Schritt zur Seite. »Wie konnte es zu diesem Zwischenfall kommen?« fragte Rex Corda hart. »Keine Ahnung, Sir. Die Nokis arbeiteten mit uns zusammen am Staudamm Nummer 12. Dann passierte es plötzlich. Niemand weiß warum.« Rex Corda drehte sich um. »Wo ist John Haick?« fragte er schnell. »In der Astronomischen Zentrale«, gab Percip zurück. »Er soll sofort zu mir kommen!« Mit brennenden Augen starrte Rex Corda auf den Holografen. Das erhitzt wirkende Gesicht des kleinen laktonischen Organisationstechnikers blickte ihn an. Rex Corda konnte es nicht fassen. Die Nokis waren ein friedliches, harmloses Völkchen. »Sie können nicht aggressiv werden!« murmelte Rex Corda. »Und doch ist es so«, gab Bir Osgo zurück. Die in ihm aufkommende Panik ließ seine Stimme zittern. * Der Diskus war mit schwarzen Brandflecken übersät. Taumelnd glitt er durch die Dunkelheit zwischen
den Sternen. Das Bergungskommando kehrte zurück. Der Diskus näherte sich dem vierten Planeten. Deutlich konnte Oberst Polley den großen See erkennen, der mit Hilfe von Transmittern auf der vorher wasserarmen Welt geschaffen worden war. In diesem Augenblick meldete sich die Funkzentrale der »Walter Beckett«. »Hier spricht John Haick, können Sie mich hören, Oberst Polley?« »Selbstverständlich«, sagte Polley schnell. »Wir kommen mit den letzten Überlebenden…« Und dann geschah etwas, was weder Oberst Polley noch seine Offiziere verstanden. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Der Präsident hat Landeverbot für den Diskus angeordnet!« Unendlich langsam klappte der Unterkiefer von Polley nach unten. Seine Augen traten aus den Höhlen. »Was soll das heißen?« keuchte er. »Weitere Anweisungen bekommen Sie später!« Die Verbindung brach ab. * »Nicht schießen!« brüllte Hent Marat. Der laktonische Biochemiker warf sich auf den terranischen Offizier. Er schlug ihm mit einer kräftigen Bewegung die Waffe aus der Hand. Im gleichen Augenblick waren die Nokis über ihm. Sie kamen von drei Seiten gleichzeitig. Verbissen wehrten sich die beiden kräftig wirkenden Männer gegen den Überfall der vom dritten Planeten des Systems geretteten Geschöpfe. Die Nokis benutzten ihre dreifingrigen Hände als Angriffswaffen. Immer wieder stießen sie zu. Hent Marat duckte sich. Sein langes weißes Haar flatterte im Luftstrom eines Turbinenbaggers. Sie standen dicht vor der Ansaugöffnung des Baggers, den der Offizier von Terra bedient hatte. Der große, schwarzglänzende Bagger sah aus wie ein schlafender Mammut. Er stand schräg am Rande eines frisch errichteten Erdwalls. Hent Marat rutschte auf der schrägen Ebene ab. Er glitt auf dem Rücken den Abhang hinunter. Drei Nokis liefen hinter ihm her. Sie packten ihn, noch ehe er den Rand des künstlichen Sees erreichte hatte. Der Überfall der Nokis war für Hent Marat ebenso überraschend gekommen wie für den Offizier der terranischen Raumstreitkräfte. Während Hent Marat mit beiden Armen zwei Nokis gegen seine Brust riß und den dritten mit den Füßen abwehrte, kämpfte Alexander Bangwe dicht vor der Ansaugöffnung des Baggers mit einer Gruppe aus vier weiteren Nokis. Das ebenholzfarbene Gesicht des TerraOffiziers glänzte vor Anstrengung. Die Nokis waren nicht sehr stark. Aber zu dritt konnten sie auch einem Mann wie ihm, der Mitglied von Evariste Kalundes Leibwache gewesen war, gefährlich werden. Hent Marat keuchte den Abhang hinauf. Der dritte Noki hängte sich an seine Beine. Marat schüttelte ihn ab. Die harten Finger der beiden Geschöpfe in seinen Armen stießen immer wieder in seine Rippen. Hent Marat dachte nicht an die blauen Flecken, die dadurch entstanden. Da warf sich der dritte Noki mit einem Aufschrei zwischen die Beine des Laktonen. Hent Marat stolperte. Er taumelte auf die Ansaugöffnung des Baggers zu. Verzweifelt wehrte er sich gegen den saugenden Luftstrom. Knapp zwei Meter vor der großen Ansaugöffnung stemmte er sich mit aller Kraft gegen den Boden. Er mußte die beiden Nokis in seinen Armen loslassen. In diesem Augenblick wurde Alexander Bangwe von den vier Nokis umgerissen. Er kullerte den Abhang hinunter. Drei der Nokis wollten ihm nachrennen. Sie liefen neben dem Bagger auf den Rand des Sees zu. Aber sie achteten nicht darauf, daß die Turbinen noch immer arbeiteten. Hent Marat warf sich nach vorn. Obwohl sie von den Nokis angegriffen worden waren, durfte er nicht zulassen, daß sie sich selbst vernichteten. Er kam zu spät. Drei Nokis verschwanden gleichzeitig in der Ansaugöffnung des Turbinenbaggers. Der laktonische Biochemiker preßte die Zähne zusammen. Alles in ihm verkrampfte sich, als die Turbinen des Baggers laut aufkreischten. Die übrigen Nokis wollten die Flucht ergreifen. Aber damit war Hent Marat nicht einverstanden. Er sprang nach vorn. Mit einem gewaltigen Satz erreichte er den letzten Noki an seinem Federschopf. Er
riß ihn zurück. Mit einer harten Bewegung bog er dem Noki die Arme auf den Rücken. Das Wesen zappelte laut kreischend vor der Brust von Hent Marat. Aber der Laktone ließ nicht locker. Sein Kopf ruckte zur Seite. Alexander Bangwe war in den See gestürzt. Prustend tauchte er wieder auf. Er kletterte den Abhang hoch und kam Hent Marat zur Hilfe. Gemeinsam packten sie den Noki und trugen ihn zu einem Gravogleiter, der nur fünfzig Schritt entfernt stand. »Schalten Sie den Bagger aus!« brüllte Hent Marat, nachdem sie den Noki im Innern des Gleiters festgebunden hatten. Alexander Bangwe rannte zurück. Er kletterte an den Eisensprossen des Baggers nach oben und beugte sich in die Steuerkabine. Mit einer schnellen Handbewegung ließ er die Turbinen auslaufen. Dann sprang er federnd auf den Boden zurück. Er rannte zum Gravogleiter, wo Hent Marat bereits auf ihn wartete. Während Bangwe den gefesselten Noki bewachte, ließ Hent Marat den Gleiter aufsteigen. Dicht über der Oberfläche des künstlichen Sees jagten sie auf die »Walter Beckett« zu. Das große hantelförmige Raumschiff stand auf ausgefahrenen Landebeinen am südöstlichen Ufer des Sees. Überall an den Ufern des Sees arbeiteten mit dröhnenden Motoren die speziell entwickelten Maschinen und Geräte. Tausende von Nokis versuchten unter Anleitung von Laktonen und Terranern, Kanäle, Stauwerke und Dämme zu bauen. Hent Marat konnte sich einfach nicht erklären, warum plötzlich dieses gewaltige Werk von den Nokis selbst sabotiert wurde. Dann erreichten die beiden Besatzungsmitglieder der »Walter Beckett« mit ihren Gefangenen das Raumschiff. * »Wo bleiben Sie denn, Schwester?« rief Doktor McCluskey. Der ehemalige NORADChefarzt steckte ärgerlich seinen Kopf durch die Tür. Er entdeckte den großen dunklen Fleck auf dem orangefarbenen Kittel der Krankenschwester. Sie lag schräg über einem erst halb gemachten Bett. Ihre Arme hingen unnatürlich verkrümmt nach unten. Schnaufend riß McCluskey die Tür auf. Er polterte in den Krankenraum und beugte sich über die Schwester. Unendlich behutsam nahm er ihre Arme und legte sie aufs Bett zurück. Dann rannte er zum Medikamentenschrank, riß ihn auf und holte eines dieser laktonischen Wunderwerke heraus. Der kleine MedoKasten konnte schneller und besser als jeder Arzt von Terra eine Diagnose stellen. McCluskey drückte den MedoKasten gegen die linke Hüfte der Krankenschwester. Haarfeine Nadeln stießen durch den orangefarbenen Stoff ihres Kittels. Die Elektronik im Innern des Medo Kastens begann zu arbeiten. Innerhalb weniger Sekunden wurden aus BasisChemikalien heilende Medikamente gemixt und in den Körper der bewußtlosen Krankenschwester injiziert. Schweratmend stand McCluskey neben dem Bett. Schnell untersuchte er den großen rotbraunen Blutfleck. Dann sah er, daß es hier nicht mehr viel zu retten gab. Mit seinen Fingerkuppen strich er über die Wirbelsäule der Krankenschwester. Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah, gab es keine Rettung mehr für sie. Ein Geräusch an der Tür ließ McCluskey zusammenfahren. Er richtete sich auf und blickte auf den laktonischen Kampfroboter. Er hielt einen zappelnden Noki in seinen Metallarmen. »Was soll denn das heißen?« fauchte McCluskey. »K 12 bringt einen Ausbrecher zurück«, antwortete der Kampfroboter. »Einen Ausbrecher? Was ist das wieder für ein Unsinn?« Der Kampfroboter hielt den Noki mit einem Arm fest und hob mit dem anderen das Handgelenk des Wesens hoch. McCluskey erkannte das orangefarbene Plastikschild. Plötzlich ruckte sein Kopf zur Seite. Er blickte auf die Krankenschwester. Dann sah er wieder auf den Roboter. Ein grauenhafter Verdacht stieg in ihm auf. Er erinnerte sich jetzt daran, daß die Krankenschwester den Noki zur Behandlung aufgenommen hatte. Bei den Arbeiten am künstlichen See hatte sich der Noki eine Grünholzfraktur im linken Unterarm zugezogen. Die Verletzung war nicht weiter tragisch, mußte aber dennoch stationär behandelt werden.
Angebrochene Knochen konnten selbst die MedoKästen der Laktonen nicht sofort heilen. »Wo haben Sie ihn gefunden?« fragte McCluskey heiser. »Er stand im Gang und schoß mit einer ReelingGun auf mich.« »Er schoß?« fragte McCluskey verblüfft. »Das ist ja noch schöner! Seit wann schießen Nokis auf uns?« »Er hat nicht auf ein Lebewesen, sondern auf mich geschossen«, antwortete der Kampfroboter. »Das bleibt sich doch gleich. Die Nokis wissen genau, daß auch die Kampfroboter an ihrer Rettung beteiligt waren. Nicht ein einziger Noki hat bisher etwas gegen uns unternommen. Warum sollten sie auch? Schließlich haben wir sie vor dem sicheren Untergang bewahrt.« McCluskey merkte plötzlich, daß er mit einem Roboter diskutierte. Die Kampfroboter der AA2 Klasse waren so vollkommen, daß auch McCluskey manchmal vergaß, daß sie nur Maschinen waren. Ärgerlich nickte McCluskey dem Kampfroboter zu. »Legen sie ihn dort drüben hin. Ich werde ihm ein barbiturfreies Schlafmittel geben.« Wieder ärgerte sich McCluskey über sich selbst. Er verstand nicht, was ihn dazu veranlaßte, dem Roboter irgend etwas zu erklären. Er hatte es nicht nötig. Trotzdem konnte er sich der Wirkung des zylindrischen Roboters nicht entziehen. Er hatte stets ein unangenehmes Gefühl, wenn sprechende Roboter mit einem entfernt humanoiden Aussehen in seiner Nähe waren. Auch die Tatsache, daß Roboter der AA2Klasse keinen Kopf besaßen, änderte nichts daran. In diesem Augenblick kam ein gequältes Stöhnen aus dem weitgeöffneten Mund der Krankenschwester. McCluskey schwang herum. Er sah ihren flehenden Blick und konnte ihr nicht helfen. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. Er ballte die Fäuste und blickte auf den Noki. »Hast du das getan?« fragte er. Seine Stimme klang belegt. Der Noki stieß ein schrilles Gelächter aus. McCluskey ging auf ihn und den Roboter zu. Dann nahm er mit hartem Griff den Noki und warf ihn auf ein zweites Bett. Mit breiten Plastikschlingen fesselte er ihn auf der nicht bezogenen Liege. »So!« knurrte er. »Jetzt können wir weitersehen.« Da hörte er vom Korridor her polternde Schritte und schrille Wutschreie. Fast augenblicklich wurde die Tür aufgerissen. Ein Laktone und ein terranischer Offizier stampften in die Medizinische Sektion der »Walter Beckett«. Sie schleppten einen gefesselten Noki mit sich, der pausenlos gellende Schreie ausstieß. »Nun mal langsam«, rief McCluskey. »Hier wird nicht gebrüllt!« »Die Burschen sind wahnsinnig geworden«, erklärte Hent Marat. »Wir beide wurden draußen von sieben Nokis überfallen.« »Überfallen?« echote McCluskey fassungslos. Er strich sich über seine Stirn. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf. Alles, was sie bisher über die Nokis erfahren hatten, schien plötzlich nicht mehr zu stimmen… »Haben Sie etwas dagegen, wenn sich unsere Forscher mit diesem Phänomen befassen?« fragte Hent Marat. McCluskey schüttelte automatisch den Kopf. »Dann werde ich veranlassen, daß Fan Kar Kont eine Gruppe zusammenstellt, die die Veränderung an den Nokis untersucht.« »Sollten wir nicht lieber die Führungsgruppe informieren?« fragte Steve McCluskey. »Der Oberbefehlshaber hat jetzt andere Sorgen. Er kann sich nicht auch noch um jeden amoklaufenden Noki kümmern.« »Hoffentlich irren Sie sich da nicht«, meinte McCluskey. »Ich würde doch vorschlagen, daß wir Rex Corda von den Zwischenfällen berichten.« »Das könnte ich machen«, warf Alexander Bangwe ein. McCluskey und Hent Marat blickten auf. Sie sahen den stämmigen Neger an. Dann nickte Hent Marat. »Versuchen Sie, bis zu Corda vorzustoßen und erzählen Sie ihm alles. Nach meiner Meinung sollte er so schnell wie möglich von diesen Dingen erfahren.«
»Die ganze Sache gefällt mir nicht«, murmelte McCluskey. »Glauben Sie denn, daß ich über die plötzlich Veränderung der Nokis begeistert bin?« konterte der Laktone. Der Biochemiker und der TerraArzt blickten sich an. In diesem Augeblick zerriß einer der beiden Nokis mit einem gellenden Aufschrei seine Fesseln. * »Hier spricht Rex Corda. Befehl an alle: Arbeit sofort einstellen! Energiespeicher sämtlicher Maschinen blockieren! Sofort unter Vermeidung von Kampfhandlungen zur ›Walter Beckett‹ zurückkehren! Jeder Noki ist ab sofort als Feind zu betrachten! Ende der Durchsage.« Der Präsident der Erde sah blaß und übermüdet aus. »Gescheitert«, sagte er tonlos. Er wandte sich nicht um. Noch immer starrte er auf die Holografen, die von allen Baustellen auf Noki IV plastische Bildberichte zur »Walter Beckett« schickten. Der Aufstand der Nokis hatte bereits an mehreren Stellen zu Verlusten geführt. »Rufen Sie den Stab zu einer Blitzkonferenz zusammen«, sagte Rex Corda, ohne sich umzudrehen. Die Kerbe auf der Oberlippe des hinter ihm stehenden Lithaloniers Percip schimmerte in tiefem Rot. Der ehemalige Agent im Dienste Laktons hatte inzwischen die Staatsbürgerschaft von Terra erhalten. Der Stellvertreter des Raumschiffkommandanten Bekoval drehte sich um. Es war viel geschehen, seit Percip, Bekoval und GaVenga zum erstenmal auf die Erde gekommen waren. Jetzt gehörten diese drei Männer zum engsten Stab von Rex Corda. Die ehemaligen laktonischen Agenten waren inzwischen zu verläßlichen Mitarbeitern des Präsidenten von Terra geworden. Percip gab die Anordnung des Oberbefehlshabers weiter. Innerhalb weniger Minuten versammelten sich die wichtigsten Männer der »Walter Beckett« in der Zentrale. John Haick, der Waffenleitoffizier Ralf Griffith und Sam McClude kamen zusammen. Anschließend tauchten der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan auf. Die braunen und weißen Streifen seines Gesichtes waren ein unverwechselbares Erkennungszeichen. Auch die junge schwarzhaarige Laktonin Ierra Kretan gehörte zum Stab. »Jetzt fehlen nur noch Oberst Polley, Bir Osgo und Hent Marat«, sagte Percip. Rex Corda nickte. »Hast du das Landeverbot an Oberst Polley übermittelt?« fragte Rex Corda John Haick. Der Chef der Funk und Ortungsabteilung innerhalb der »Walter Beckett« nickte. »Er hat zwar ein ziemlich dummes Gesicht gemacht, aber dann den Befehl angenommen.« »Wenn das da draußen so weitergeht, werden wir Oberst Polley ziemlich bald brauchen. Er soll die Nokis innerhalb des Diskus im Auge behalten.« John Haick ging auf die Funkanlage zu und sprach leise mit Oberst Polley. Der Diskus flog in einer Satellitenbahn um Noki IV. »Nehmen Sie Platz«, sagte Rex Corda abwesend. Percip ließ einen Teil des Bodens der Zentrale zur Seite fahren. Dann tauchte auf einer weiten Bodenplatte ein großer teakfarbener Konferenztisch auf. Zwölf Pneumosessel waren ebenfalls auf der Bodenplatte befestigt. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich die Zentrale der »Walter Beckett« in einen waschechten Konferenzraum. Die Angehörigen des Stabes nahmen Platz. Dann nickte Rex Corda Hent Marat zu. Der weißhaarige Biochemiker räusperte sich. Dann faltete er seine Hände. »Nach dem, was wir bisher wissen, handelt es sich bei der plötzlichen Veränderung der Nokis um eine psychologisch bedingte Abwehrreaktion. Die Nokis mußten ihren sterbenden Planeten verlassen. Sie wehren sich innerlich gegen ihre Rettung. Dabei kommt es zu panikartigen Kurzschlüssen, die nicht vom Bewußtsein gesteuert werden.« »Ich habe das Gefühl, daß die Nokis sehr genau wissen, was sie tun«, warf Bekoval ein. »Das stimmt nicht. Wir müssen sie im Augenblick als unzurechnungsfähig betrachten. Vergessen wir nicht, daß es sich um Entwurzelte handelt. Sie hatten sich bereits mit ihrem Tod abgefunden. Dann kamen wir mit der ›Walter Beckett‹ und schafften sie vom dritten Planeten hierher. Die psychische Belastung dieser Umpflanzung muß zuviel für sie gewesen sein.« »Aber warum erst jetzt?« warf Rex Corda ein. »Anfänglich klappte doch alles. Die Nokis waren begeistert. Sie arbeiteten mit und zeigten sich dankbar.«
»Einer mußte den Anfang machen«, erklärte Hent Marat. »Vergessen wir nicht, daß die Nokis doppelt beansprucht wurden. Sie verloren zunächst ihre Heimat und wurden dann auch noch körperlich ziemlich stark eingespannt. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn es dabei zu einem Zusammenbruch kam.« »Das ist aber noch lange kein Grund, Amok zu laufen«, erklärte Rex Corda kopfschüttelnd. » Natürlich kann man versuchen, das Verhalten der Nokis mit unseren psychologischen Maßstäben zu begründen. Aber ich glaube nicht, daß wir auf diese Art weiterkommen. Nokis sind nicht aggressiv! Das haben wir immer wieder feststellen können. Wir haben Nokis getestet und herausgefunden, daß sie nicht einmal in ihrem Unterbewußtsein aggressive Triebe besitzen!« »Niemand hat mit derartigen Schwierigkeiten rechnen können«, warf Fan Kar Kont ein. Er gehörte ebenso wie Hent Marat und Ierra Kretan zu den Wissenschaftlern, die durch Rex Corda Asyl auf der Erde erhalten hatten. »Wir müssen zu einer Entscheidung kommen«, drängte Rex Corda. »Wenn es uns nicht bald gelingt, eine Lösung zu finden, bringen sich die Nokis gegenseitig um. Und das war nicht die Absicht unserer Rettungsaktion!« »Wir haben nur eine einzige Möglichkeit«, sagte Hent Marat. »Wir müssen die beiden Nokis in der Medizinischen Abteilung auf Herz und Nieren prüfen. Wir müssen sie immer wieder untersuchen. Wozu haben wir denn Mutanten an Bord?« Rex Corda zuckte zusammen. Aber dann sah er, daß Hent Marat seine Bemerkung anders gemeint hatte. »Wir haben einen PsychoDoc. Vielleicht gelingt es ihm, herauszufinden, wie wir die Nokis heilen können.« »Dann fangen Sie am besten gleich damit an, die beiden Nokis zu untersuchen. Informieren Sie mich sofort, wenn neue Einzelheiten bekannt werden!« Rex Corda löste die kurze Konferenz auf. Viel war nicht dabei herausgekommen. Während die Wissenschaftler die Zentrale der »Walter Beckett« verließen, stellte sich John Haick neben Rex Corda. »Enttäuscht?« fragte er. Rex Corda schüttelte den Kopf. Mit einem entschlossenen Ruck drehte er sich um. »Wir dürfen die Nokis jetzt nicht aufgeben! Wir haben sie nicht von ihrer sterbenden Welt geholt, um sie hier umkommen zu lassen.« »Dann sieh mal auf die Holografen, Rex. Glaubst du, daß wir diese Meute wieder beruhigen können?« »Wir müssen es, John! Das Schicksal der Nokis liegt in unserer Hand. Wir sind jetzt für sie verantwortlich!« »Vielleicht wollten sie sich gar nicht retten lassen. Vielleicht haben wir etwas zuviel getan, als wir sie retteten.« In diesem Augenblick tauchte mit schweißglänzendem Gesicht ein Mann in der Zentrale auf. Er hatte den Offiziersstatus, obwohl er nicht offiziell zur terranischen Raumflotte gehörte. Rex Corda drehte sich um. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann zog er die Brauen hoch. »Was – Sie waren ebenfalls draußen?« »Glauben Sie denn, daß ich hier herumsitze, während draußen jede Hand gebraucht wird, die mit zupacken kann.« Rex Corda blickte in das sympathische Gesicht des dunkelhaarigen Mannes. Er war einen halben Kopf kleiner als Rex Corda, aber nur ein oder zwei Jahre älter. »Merkwürdig, daß ausgerechnet Sie jetzt hier auftauchen«, sagte Rex Corda ernst. »Was halten Sie von der Situation da draußen, Pater Bostik?« »Wenn Sie meinen, daß ich für Wunder zuständig bin, muß ich Sie leider enttäuschen«, sagte Mt. Bostik. Es war nicht leicht gewesen, einen geeigneten Geistlichen für die Betreuung der »Walter Beckett«Besatzung zu finden. Schließlich hatten sich alle Beteiligten darauf geeinigt, den Mutanten Bostik zu ernennen. Er war einer der bekanntesten Amateurastronomen von Terra. Mehrere wissenschaftliche Abhandlungen über
neue Methoden der Spektralanalyse befanden sich auch im Mikrofilmarchiv des terranischen Flaggschiffes. Zu den vielseitigen Begabungen von Pater Bostik gehörte auch ein hervorstechendes Wissen auf dem Gebiete der Anthropologie. Äußerlich gesehen war er das krasse Gegenteil eines stillen Privatgelehrten. Aber Rex Corda wußte, daß der Pater mit der sportlich wirkenden Gestalt eine wertvolle Bereicherung für die »Walter Beckett« war. Da stieß John Haick einen scharfen Pfiff aus. »Sie sind wahnsinnig geworden!« keuchte er. Er sprang zu den Holografen und stellte das dreidimensionale Bild auf starke Vergrößerung ein. Jetzt sahen sie überdeutlich das Zerstörungswerk der Nokis. Das Blockieren der Energiespeicher innerhalb der Maschinen war sinnlos gewesen. Die Nokis hatten zu lange mit den terranischen Offizieren zusammen an der Urbarmachung der neuen Welt gearbeitet. Sie kannten die Bedienungsanleitungen. Immer mehr Maschinen, Bagger, Bulldozer und Planierraupen setzten sich in Bewegung. Jetzt bestand kein Zweifel mehr daran, daß die Nokis mit den gepanzerten Fahrzeugen die »Walter Beckett « angreifen wollten. »Aber das können sie doch nicht tun!« keuchte John Haick. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. »Werden Sie schießen lassen?« fragte Pater Bostik ruhig. Rex Corda blickte zur Seite. Die beiden Männer sahen sich in die Augen. »Nein, Pater«, sagte Rex Corda. »Viele Leute auf Terra glauben, daß ich Sie sozusagen als gutes Gewissen mitgenommen habe. Das ist ein Irrtum! Ich weiß selbst genausogut wie Sie, daß jeder Schuß auf einen Noki kaltblütiger Mord wäre.« »Eine verteufelte Situation«, brummte Pater Bostik. * Die beiden Nokis bäumten sich nacheinander auf. Einer von ihnen war auf einem hochlehnigen Stuhl angeschnallt, während der andere noch immer auf der Liege hockte. McCluskey und der PsychoDoc Hofman kümmerten sich um die Nokis, während die zweite Krankenschwester die Geräte bereitlegte. Fan Kar Kont, Hent Marat und Ierra Kretan befanden sich ebenfalls in der Medizinischen Abteilung der »Walter Beckett«. Gemeinsam wollten sie versuchen, das Problem der Nokis zu lösen. Irgend etwas stimmte mit diesen Burschen nicht. Es war nicht allein die Angst und die Panikstimmung, die zu den Amokläufen geführt hatte. Es war mehr… Immer wieder schüttelte Hent Marat den Kopf. »Ich kann es nicht verstehen«, sagte er mit verbissenem Gesicht. »Sie benehmen sich vollkommen normal. Nur wenn einer von uns in ihre Nähe kommt, drehen sie durch. Das ist vom psychologischen Standpunkt aus erklärbar, aber trotzdem glaube ich nicht, daß das Verhalten der Nokis ausschließlich psychologische Ursachen hat.« »Wie meinen Sie das?« Hent Marat hob die Schultern. »Ich bin Biochemiker«, sagte er dann. »Ich habe gelernt, mich um die Nahtstellen zwischen toter Materie und Leben zu kümmern. Die Nokis würden sich in einer echten Panikstimmung vollkommen anders verhalten.« »Danke, mir reicht’s«, brummte der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan. Das mit braunen und weißen Streifen durchzogene Gesicht von Fan Kar Kont zuckte. Es kam sehr selten vor, daß Fan Kar Kont irgendeine Gemütsbewegung zeigte. Offensichtlich nahm ihn der seltsame Amoklauf der Noki Wesen ziemlich stark mit. »Haben Sie die Blutproben untersucht?« fragte McCluskey. Die Krankenschwester nickte. Im Gegensatz zu ihrer schwerverletzten Kollegin war sie brünett und trug das Haar kurzgeschnitten in einer Windstoßfrisur. »Irgendwelche Ergebnisse?« »Nein.«
»Was sagen die Computer?« »Die Auswertung ist noch nicht beendet.« »Dann können wir nur warten.« Schweigend standen die Männer um die beiden Nokis herum. Sie blickten in ihre flackernden Augen und registrierten jedes einzelne Zucken ihrer schmalen, grazilen Körper. Bei beiden Nokis hatten sich die vom Kopf ausgehenden Federbüsche verfärbt. »Sie sehen krank aus«, meinte Hent Marat, »schwer krank sogar.« »Können wir denn nichts tun, um ihnen zu helfen?« fragte die Krankenschwester plötzlich. Sie hatte sich freiwillig für diesen Einsatz gemeldet. Aus einer großen Gruppe von Bewerberinnen war sie ausgesucht worden, weil sie eine umfassende medizinische Ausbildung genossen hatte. »Wir müssen auf die Untersuchungsergebnisse warten.« In diesem Augenblick leuchteten die großen Holografen an der Stirnseite des Raumes auf. Innerhalb der Medizinischen Sektion gab es besondere Verbindungen, die den Chefarzt McCluskey mit den einzelnen Abteilungen verbanden. Über eine dieser Querverbindungen sprach jetzt der Oberbefehlshaber zu ihnen. »Haben Sie etwas herausgefunden?« »Bisher noch nichts«, antwortete Hent Marat. »Wie geht’s den beiden?« »Sie verhalten sich relativ ruhig. Aber etwas in ihnen jagt ihnen ständig neue Fieberschauer über den Körper. Sie sind krank und haben panische Angst.« »Krank?« fragte Rex Corda. Hent Marat nickte. »Es ist eine andere Krankheit als Heimweh oder Trauer – eine echte, körperliche Krankheit meine ich.« »Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür?« »Bisher nur Vermutungen«, antwortete Hent Marat. Gleichzeitig merkte er, daß er während des Gespräches neue Ideen entwickelte. Plötzlich stürzte er auf die Blutproben, die die Krankenschwester den beiden Nokis abgenommen hatte. In fliegender Hast bereitete er das Blut für die Untersuchung unter einem der großen Elektronenmikroskope vor. Er schob die Präparate in einen schmalen Schlitz. Dann wartete er, bis die Elektronik angewärmt war. Er beugte sich über die mit einem Holografen gekoppelte Übertragungsanlage. Fast augenblicklich stieß er ein triumphierendes Geheul aus. Die Männer innerhalb der Medizinischen Sektion drehten sich hastig zu Hent Marat um. »Ich habe sie!« brüllte der weißhaarige Biochemiker. Sein massiger Körper bewegte sich erregt vor dem Elektronenmikroskop hin und her. »Was haben Sie?« fragte Fan Kar Kont verblüfft. Keuchend beugte sich Hent Marat nach vorn. Sein Gesicht hing jetzt dicht über dem Holografen des elektronischen Ultramikroskops. »Ausgeschlossen«, sagte er heiser. »Das gibt es nicht!« »Nun reden Sie schon!« drängte Fan Kar Kont. Aber Hent Marat schüttelte abwehrend den Kopf. Das mußte er zunächst selbst untersuchen… Hent Marat war ein hervorragend ausgebildeter laktonischer Biochemiker. Er wußte, welche Lebensformen möglich waren. Aber das, was er jetzt sah, wollte einfach nicht in seinen Kopf. Er sträubte sich mit aller Macht gegen die phantastische Entdeckung innerhalb des hunderttausendfach vergrößerten NokiBlutstropfens. »Nun reden Sie doch endlich!« sagte Fan Kar Kont ungeduldig. Hent Marat spürte, wie seine Hände feucht wurden. Hastig schaltete er die Zusatzgeräte des Mikroskops ein. Vollkommen automatisch wurde die Probe geteilt und in eine Petrischale mit einem normalen Nährboden gebracht. Mit Hilfe des hoch entwickelten Ultramikroskops war es möglich, biochemische Testreihen bei gleichzeitiger Beobachtung durchzuführen.
Hent Marat interessierte sich nicht für die Blutplättchen und die weißen und roten Blutkörperchen innerhalb der Probe. Seine dicken fleischigen Finger spielten mit den Mikrometerschrauben der Feineinstellung. Dann hatte er die größtmögliche Vergrößerung erreicht. Mehr konnte er nicht auf dem Holografenschirm sichtbar machen. Die Gebilde waren nicht größer als kristallisierte Viren. Mit einem schnellen Blick überzeugte sich Hent Marat, daß er eine neue Lebensform hatte, die bestenfalls 8 bis 10millionstel Millimeter groß war. Sie existierte an der Grenze zwischen lebloser anorganischer Materie und der Urform des Lebens. Und doch handelte es sich bei Hent Marats Entdeckung um einzellige pflanzliche Lebewesen. Sie glichen stäbchenförmigen Bazillen und besaßen an einem Ende ihres langgestreckten Körpers drei hastig schlagende Korkenziehergeißeln. Mit brennenden Augen starrte Hent Marat auf das überstark vergrößerte Holografenbild der Bazillen im NokiBlut. Noch nie hatte er von derartig kleinen Bakterien gehört. Fasziniert starrte Hent Marat auf die winzigen Gebilde. Eine dünnflüssige Schleimschicht umgab sie. Dann begann der eigentliche Bazillenkörper mit einer Zellmembran aus Hemicellulose. Automatisch stellte das Ultramikroskop eine Analyse an. Das Protoplasma und die Zellensafträume im Innern der Bazillen wurden untersucht. Sekunden später wußte Hent Marat, daß etwas mit der Nukleinsäure im Innern der Bazillen nicht stimmte. Jedes der sechs sichtbaren Stäbchen hatte einen unterschiedlichen Stoffwechsel. Das bedeutete, daß es sich um mutierte Bakterien mit unterschiedlichen Erbanlagen handelte… Hent Marat fühlte, wie kalter Schweiß auf seine Stirn trat. »Mutierte Bakterien!« keuchte er, während ihm ein heißer Schauder über seinen breiten Rücken lief. Im gleichen Augenblick entdeckte er das Leuchten. Durch die überstarke Vergrößerung wurde es hunderttausendfach verstärkt. Hent Marat taumelte zurück. Die Leuchtbakterien explodierten mit grellen Blitzen. Das Gesicht des Biochemikers verzerrte sich. Er riß seinen linken Arm hoch und bedeckte seine Augen. Da wurde er von starken Fäusten an den Schultern gepackt und festgehalten. »Kommen Sie zu sich, Marat!« fauchte Fan Kar Kont scharf. Hent Marat stöhnte gequält auf. Erst jetzt merkte er, daß die anderen Männer innerhalb der Medizinischen Sektion nichts von den mit grellen Lichtblitzen explodierenden Bakterien mitbekommen haben konnten. Für sie war das Verhalten des Biochemikers vollkommen unverständlich. Sie konnten nicht wissen, was innerhalb des winzigen Bluttropfens geschehen war. Das katastrophale Ereignis hatte im mikrokosmischen Bereich stattgefunden, der von humanoiden Lebewesen ohne ultrastarke Elektronenmikroskope nicht beobachtet werden konnte… »Ich habe sie gesehen«, sagte Hent Marat fassungslos. »Mutierte Leuchtbakterien, von denen viele Millionen zusammengenommen immer noch kleiner als ein Staubkorn sind.« Noch während er sprach, zuckte sein großer schwerer Körper plötzlich zusammen. Er starrte in das braun und weiß gestreifte Gesicht von Far Kar Kont. Seine Augen bekamen einen fanatischen Glanz. »Ich nenne sie Bacillus epilepticus«, keuchte er, während seine Mundwinkel zuckten. Dann stieß er ein kurzes, schrilles Lachen aus. »Mutierte Bakterien im Blut der Nokis! Die leuchtenden Wahnsinnsfunken werden uns anstecken! Alle!« * »Wo ist Kim?« Die schwarzhaarige laktonische Mathematikerin blickte verstört auf Rex Corda. »Ich – ich fürchte, er befindet sich nicht in der ›Walter Beckett‹.« Rex Corda schluckte. Alles in ihm krampfte sich zusammen. »Kim draußen? Unter den Amok laufenden Nokis?« Er sprang zu den Holografen. Auch Percip hatte kapiert, was auf dem Spiel stand. Der Bruder des Präsidenten war verschwunden, spurlos und ohne eine Nachricht zu hinterlassen… Ierra Kretan blickte zu Boden. Sie fühlte sich für die Panne verantwortlich. »An alle Stationen! – An alle Stationen! Kim Corda sofort in der Zentrale melden! Das ist ein Befehl, Kim!«
Schnell atmend wartete Rex Corda auf die erlösende Antwort. Sie blieb aus. »Wer hat ihn zuletzt gesehen?« fragte Rex Corda und lief hastig durch die Zentrale. »Vor ungefähr dreißig Minuten befand er sich noch bei Wabash«, erklärte Ierra Kretan. »Aber warum denn? Ich hatte ihm strikt verboten, die ›Walter Beckett‹ zu verlassen. Schließlich kenne ich meinen Bruder. Der bekommt es fertig und setzt einen Turbinenbagger in Betrieb.« »Ich glaube, er wollte nachsehen, ob Wabash schon nach draußen kann.« Corda schlug sich vor die Stirn. Das hatte er völlig vergessen. Jetzt erinnerte er sich wieder, daß er Kim versprochen hatte, bei Gelegenheit Wabash aus der »Walter Beckett« zu lassen. Der intelligente weiße Delphin befand sich seit dem Abflug der »Walter Beckett« in einem speziell für ihn konstruierten Bassin. Durch Kim hatte Rex Corda erfahren, daß Wabash an einer Mitarbeit interessiert war. Der Delphin brauchte nach der langen Zeit innerhalb seines engen Bassins eine größere Wasserfläche, um sich auszutoben. Rex Corda war mit dem Vorschlag von Kim einverstanden gewesen. Wabash sollte in den nächsten Tagen als Taucher innerhalb des künstlich geschaffenen Sees eingesetzt werden… Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Er erreichte die Holografen, mit denen er die Umgebung der »Walter Beckett« beobachten konnte. Gleichzeitig gab er an John Haick die Order, von der Ortungsstation aus nach Kim zu suchen. »Hör zu, John«, sagte Rex Corda hastig. »Wir müssen Kim finden! Vielleicht hat er inzwischen gemerkt, daß die Nokis verrückt spielen. Aber das ist nicht sicher. Was kannst du tun, um jenseits der Hügel nach ihm zu suchen?« »Ich könnte die ›Augen‹ einsetzen.« »Dann tu es«, sagte Rex Corda schnell. »Darum brauchst du mich nicht zu bitten, Rex. Natürlich setzte ich alle Hebel in Bewegung. Wir werden ihn finden, wenn…« Rex Corda schloß sekundenlang die Augen. Er wollte nicht daran denken. Eine eisige Hand krallte sich um seinen Magen. »Ich muß ‘raus«, keuchte er. »Percip, lassen Sie den Start eines Gleiters vorbereiten.« »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mitkomme?« fragte der ehemalige Lithalonier. »Ich fliege allein! Das ist eine Sache, die nur mich etwas angeht. Sehen Sie auf die Holografen. Die Nokis greifen an.« Bekoval trat aus einem Nebenraum in die Zentrale. »Übernehmen Sie das Kommando«, rief Rex Corda ihm zu. Bekoval hob die Brauen. »Percip wird es Ihnen erklären. Ich habe jetzt keine Zeit mehr zu verlieren.« »Wollen Sie nicht doch jemanden mitnehmen, der Ihnen helfen könnte?« fragte die schwarzhaarige Mathematikerin. »Schließlich bin auch ich sehr daran interessiert, daß wir Ihren Bruder wiederfinden.« »Sie?« wunderte sich Rex Corda. Sie nickte. »Ich habe Kim sehr gern«, sagte sie. Dann schlug sie die Augen nieder. »Nicht nur, weil er Ihr Bruder ist…« Rex Corda schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Zweck. Sie werden hier gebraucht. Gehen Sie an die Computer! Wir müssen den Angriff der Nokis abwehren, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Lassen Sie die Wahrscheinlichkeitsfaktoren ausrechnen. Schalten Sie alle verfügbaren Sicherheitsfilter innerhalb der Computer ein.« Er wandte sich an den. Kommandanten der »Walter Beckett«. »Haben Sie das verstanden, Bekoval?« »Verstanden, ja, aber ich bin trotzdem anderer Meinung als Sie. Wir haben die Nokis gerettet, und jetzt wollen sie uns umbringen. Das ist in meinen Augen ein ziemlich undankbares Verhalten.« »Warten wir ab, was die Männer der Forschung in der Medizinischen Sektion herausfinden«, gab Rex Corda zurück. »Ich muß jetzt los.« Die »Walter Beckett« konnte sich auch ohne ihn halten. Während Rex Corda auf einen Antigravschacht zulief, dachte er gleichzeitig an Bekoval und an seinen Bruder. Bekoval war ein
ausgezeichneter Kommandant, aber er konnte seine laktonische Herkunft nicht verleugnen. Für ihn waren die Nokis Primitive. Für den Bruchteil einer Sekunde stockte Rex Corda, als er den Antigravschacht erreichte. Konnte er den Oberbefehl über die »Walter Beckett« unbesorgt an Bekoval übertragen? Was würde dann mit Kim geschehen? Rex Corda schluckte. Er wußte, daß er nicht zwei Dinge gleichzeitig tun konnte. Wenn er sich jetzt entschied, den Angriff der Nokis von der »Walter Beckett« aus abzuwehren, gab er damit gleichzeitig seinen Bruder auf. Entschied er sich dafür, Kim zu suchen, dann war nicht völlig sicher, ob Bekoval den Angriff nicht auf seine Art abwehren würde… »Gehen Sie Kim suchen«, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm. Rex Corda zuckte zusammen. Er blickte in das lächelnde Gesicht von Pater Bostik. »Sie tauchen auch immer im unpassenden Moment auf«, brummte Rex Corda. »Ich habe gehört, daß Sie Kim suchen. Ich komme gerade aus der Astronomischen Abteilung. Vor ungefähr zehn Minuten hat jemand im Raumanzug die ›Walter Beckett‹ verlassen. Könnte das nicht Kim gewesen sein?« »Im Raumanzug?« fragte Rex Corda kopfschüttelnd. »Ideen hat der Junge! Wissen Sie zufällig, in welche Richtung er ging?« »Ja. Ziemlich genau sogar. Er marschierte schnurstracks zum See.« »Danke, Pater«, sagte Rex Corda hastig. »Tun Sie mir einen Gefallen. Achten Sie etwas darauf, daß Bekoval sich nicht über die Nokis ärgert.« Pater Bostik hatte verstanden. Er blickte Rex Corda nach, der in höchster Eile durch den Gravoschacht glitt. Eine feine, kaum wahrnehmbare Erschütterung lief durch die »Walter Beckett«. Mit einer Planierraupe hatten die Nokis eines der stabilen Landebeine gerammt. Das war der Beginn ihres Angriffs. * Der Junge kletterte über scharfkantige Felsen. Er wußte selbst nicht genau, warum er seinen Raumanzug angezogen hatte. Wahrscheinlich lag es an Wabash. Der telepathisch begabte Delphin hatte ihn gewarnt. Auch Wabash wußte, daß Kim die »Walter Beckett« eigentlich nicht verlassen durfte. Kim rappelte sich auf. Dann blickte er zum See hinüber. Irgend etwas stimmte dort drüben nicht! Obwohl er erst vierzehn Jahre alt war, hatte er ein feines Gespür für das Verhalten anderer Lebewesen entwickelt. Er gehörte zu den ersten Terranern, die die Erde mit Hilfe eines Raumschiffes verlassen hatten. Damals – bei der Invasion der Orathonen und Laktonen – waren Kim und Velda von den Laktonen entführt worden. Erst im System Gamma Virginis hatte Rex Corda ihn und die anderen Terraner nach dem Absturz des laktonischen Raumschiffes retten können. Kim regulierte die Sauerstoffzufuhr. Er hatte inzwischen eine Menge gelernt. Er dachte daran, daß jeder andere Junge der Erde ihn jetzt beneiden mußte. Als jüngstes Besatzungsmitglied der »Walter Beckett« hatte Kim ziemlich schnell lernen müssen, wie man mit den wichtigsten Geräten und Ausrüstungsgegenständen während einer Fahrt durch die Tiefen der Milchstraße umging. Kim machte es keinerlei Schwierigkeiten, mit einem Gleiter aufzusteigen oder Roboter vernünftig klingende Befehle zu geben. Er hatte die Betreuung des weißen Delphins übernommen und galt als der beste Dolmetscher für Wabash. Vorsichtig schob er sich über den scharfkantigen Rand des Felsmassivs. Er war jetzt knapp einen Kilometer von der »Walter Beckett« entfernt. Vom Schiff aus konnten sie ihn nicht sehen. Ein kegelförmiges Felsmassiv lag zwischen ihm und dem ehemaligen orathonischen Hantelraumer. Kim blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die glitzernde Wasserfläche unter ihm. Er war inzwischen fast hundert Meter hoch geklettert. Eigentlich hatte er zum künstlichen See gewollt. Daraus wurde nichts, als er die Blauköpfe entdeckte… Er war ihnen gefolgt. Die Blauköpfe sahen aus wie kleine Maulwürfe mit drei Beinpaaren. Ihr Kopf hatte eine stahlblaue Farbe. Er leuchtete im schwachen Licht der erkaltenden Sonne NokiSom. Kim warf sich nach vorn. Wieder verfehlte er den Blaukopf um wenige Zentimeter. Aber er hatte etwas gesehen, was ihn hastiger atmen ließ. Einer der beiden Blauköpfe richtete sich auf einem
winzigen Felsvorsprung auf. Erstaunt blickte Kim ihn an: Der Blaukopf rieb sich die Hände! Kim blinzelte verdutzt und starrte auf das kleine, niedlich wirkende Wesen. Der Blaukopf stand auf seinen vier Beinen, während er seinen Vorderkörper aufgerichtet hatte. Die winzigen rosigen Hände seines vorderen Beinpaares verschränkten sich immer wieder ineinander. Fasziniert beobachtete Kim den Blaukopf. Langsam kroch er über den steinigen Boden. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach vorn. Der Blaukopf war schneller. Er sprang zur Seite, während die linke Hand von Kim auf den Felsboden klatschte. Er spürte es nicht, aber er ärgerte sich trotzdem. »Ihr kleinen Biester«, murmelte er. Kim wußte, daß es auf Noki IV kein eigenes planetarisches Leben gab. Die Männer der »Walter Beckett« hatten die Welt sehr genau untersucht. Und doch lief Kim seit rund zehn Minuten hinter zwei kleinen, maulwurfähnlichen Tieren her, die es eigentlich auf Noki IV nicht geben durfte. Kim war stolz darauf, daß er eine auf Noki IV existierende Lebensform entdeckt hatte. Immer weiter schob er sich auf ein kleines Felsplateau, auf das sich die beiden Blauköpfe zurückgezogen hatten. Dann rannten die beiden niedlichen Tiere plötzlich um eine Ecke. Kim richtete sich auf. Er schob sich weiter nach vorn. Ein etwas größeres Plateau wurde sichtbar. Links von ihm fiel der Fels steil ab. Dann sah er die Pflanze. Verblüfft richtete Kim sich auf. Er überlegte. Dann schüttelte er nachdenklich den Kopf. Pflanzen auf Noki IV? Sie sah aus wie ein auf den Kopf gestelltes Y. Zwei breite, brettartige Pfahlwurzeln vereinigten sich in zwei Meter Höhe zu einer dicken Knolle, aus der ein grüngelb schimmernder Stamm in den trüben Himmel ragte. Die Blauköpfe flitzten zwischen den beiden Luftwurzeln hin und her. Kim schob sich nach vorn. Jetzt konnten ihm die Blauköpfe nicht – mehr entwischen. Es gab nur diesen einen Zugang zu dem hoch über dem See liegenden Felsplateau. Er bückte sich und griff nach dem ersten Blaukopf. Seine Hand rutschte über einen glitschigen, lehmigen Boden. Auch das durfte nicht sein… Kim war viel zu erregt, um die ganze Tragweite seiner Entdeckung zu begreifen. Vorsichtig tastete er sich nach vorn. Dann merkte er, wie er langsam in den weichen, glitschigen Boden einsank. Er atmete hastig, während sein Herz schneller klopfte. Zentimeter für Zentimeter sank sein Körper in den gelben Schlamm ein. Hastig versuchte er, seine Hände um die Luftwurzeln der Pflanze zu schlingen. Es gelang ihm nicht. Immer wieder rutschte er ab. Dann war er bereits bis zu den Hüften direkt unterhalb der Pflanze in den gelben Schlamm eingesunken. Und er sank tiefer. Zentimeter für Zentimeter. Nichts und niemand konnte ihm jetzt helfen. Er war allein auf einem unzugänglichen Felsplateau, das eigentlich nur Steine und felsiges Geröll enthalten durfte. Niemals hatte Kim damit gerechnet, hier eine Art Morast zu finden. Er hatte gleichzeitig drei Dinge entdeckt, die es auf Noki IV eigentlich nicht geben durfte: die Blauköpfe, die Pflanze und den glitschigen Morastboden. Kim war zu aufgeregt wegen dieser Entdeckung, um an das Nächstliegende zu denken. Mit einer einzigen Handbewegung hätte er das Funkgerät seines Raumanzuges einschalten können. Er dachte nicht an diese Möglichkeit. Plötzlich hatte er Angst. Er wußte, daß er allein war. Niemand an Bord der »Walter Beckett« konnte ihn vermissen und ihm Hilfe bringen. Kim war heimlich und ohne Erlaubnis aus dem Raumschiff gelaufen. Er dachte an seinen Bruder. Ohne daß er es wollte, rollten plötzlich Tränen an seiner Nase entlang. Er warf seinen schmächtigen, jungenhaften Körper immer wieder zur Seite. Aber der lehmige Boden war stärker. Der Morast hielt ihn fest. Die beiden Blauköpfe hockten auf der vorderen Luftwurzel der Pflanze. Sie blickten ihn aus kleinen, knopfartigen Augen an. Kim sah deutlich den weißen Pelzkranz rund um die Augen der Blauköpfe, der aussah, als hätten sie eine Brille auf. In diesem Augenblick erkannte Kim, daß er in eine Falle gelaufen war. Die Blauköpfe hatten ihn
absichtlich hierhergelockt. Er schluchzte trocken. Der Morast zog ihn immer weiter nach unten. Dann begann Kim aufgeregt um Hilfe zu schreien. Aber niemand konnte ihn hören. * Rex Corda ließ den kleinen Gleiter aufsteigen. Er raste über die drohend wirkende Menge der Nokis hinweg. Dann spürte er plötzlich, wie der Gleiter mit einem kurzen Ruck zur Seite kippte. Ein blauer Lichtblitz schoß von der Unterseite des Gleiters nach vorn. Rex Corda zuckte zusammen. Die Nokis besaßen Waffen! Damit hatte er nicht gerechnet. Er wußte nicht, wie die Nokis an die Waffen gekommen waren. Hastig beugte er sich vor. Er stellte eine Verbindung mit der »Walter Beckett« her. Sofort meldete sich John Haick. Der Chef der Funk und Ortungsstation sah besorgt aus. »Die Nokis haben Waffen!« preßte Rex Corda zwischen seinen Lippen hervor. »Hoffentlich denkt Bekoval an meine Anordnung: Auf keinen Fall schießen – auch dann nicht, wenn die Nokis die ›Walter Beckett‹ mit Waffen angreifen!« »Ich werde zu ihm gehen«, versprach John Haick. »Hast du schon etwas von Kim gefunden?« »Nichts«, sagte Rex Corda kopfschüttelnd. Da begann der Antrieb des Gleiters zu spucken. Er arbeitete unregelmäßig. Rex Corda griff nach vorn. Er korrigierte die Fluglage. Der Gleiter verlor ständig an Höhe. Es hatte keinen Zweck. Rex Corda mußte zurück. Blitzschnell überlegte er, ob es Zweck hatte, Kim ohne den Gleiter zu suchen. In diesem Augenblick fiel ihm Oberst Polley ein. Hastig stellte er eine Verbindung mit dem Diskus von Polley her. »Ich dachte schon, Sie hätten uns vergessen, Mister President«, knurrte Oberst Polley. Rex Corda machte eine abwehrende Handbewegung. Die Holografenverbindung zeigte deutlich, wie abgespannt Polley und seine Männer sein mußten. Rex Corda hatte den um Noki IV kreisenden Diskus keineswegs vergessen. Aber er wollte kein Risiko eingehen. Noch wußten sie nicht, was auf dem Planeten wirklich geschehen war. Er durfte nicht zulassen, daß weitere Nokis von der Amokseuche angesteckt wurden. »Polley, kommen Sie aus der Satellitenbahn und helfen Sie mir bei der Suche nach Kim. Mein Bruder ist verschwunden.« »Auf diesem Planeten kann ihm eigentlich nichts passieren«, meinte Oberst Polley. »Aber verstehen Sie doch!« keuchte Rex Corda. »Die Nokis hier unten laufen Amok. Kim ist allein draußen…« »Ich komme.« Rex Corda lächelte. Er schaltete den Holografen aus, wollte soeben erneut Verbindung mit der »Walter Beckett« aufnehmen, als der Antrieb des Gleiters endgültig versagte. Der Angriff der Nokis war zu plötzlich gekommen. Durch einen Zufall hatten sie genau die richtige Stelle des Gleiters getroffen. Rex Corda biß die Zähne zusammen. Der Gleiter sackte ab. Mit einer geschickten Handbewegung schaffte es Corda, den Gleiter zu einer einigermaßen gekonnt wirkenden Bruchlandung zu zwingen. Krachend raste die kleine Flugmaschine über den felsigen Boden in der Nähe des Sees. Rex Corda wurde ziemlich hart durchgeschüttelt. Eine lange Funkenbahn bildete sich hinter dem Gleiter. Dann stieß das Fahrzeug gegen einen Felsvorsprung, kippte zur Seite und blieb auf und ab wippend stehen. Rex Corda wischte sich mit dem Ärmel seiner Kombination über die Stirn. Das hätte auch schiefgehen können! Er holte tief Luft. Mehrmals versuchte er, mit der »Walter Beckett« Kontakt zu bekommen. Es klappte nicht. Die Bruchlandung hatte die Verbindung unterbrochen. Jetzt war Rex Corda auf sich allein gestellt. Zwischen ihm und der »Walter Beckett« befanden sich Tausende von wild gestikulierenden Nokis, die immer neue Maschinen und Geräte von den Ufern des Sees herbeischleppten. Mit Höchstgeschwindigkeit rasten große Turbinenbagger, Bulldozer und
Planierraupen gegen die »Walter Beckett« an. Es war ein unsinniger Aufstand. Rex Corda wußte, daß die Nokis mit den Baumaschinen der »Walter Beckett« nicht gefährlich werden konnten. Aber sie besaßen Waffen. Dem mit Becon verstärkten Schiffsrumpf konnten sie auch mit den stärksten Waffen nichts anhaben. Auch die Landebeine waren mit einer BeconSchicht überzogen worden. Wenn es den Nokis gelang, sich auf diese Landebeine zu konzentrieren, konnten sie einen erheblichen Schaden anrichten. Rex Corda wußte nicht, wieviel Geduld Bekoval im Innern der »Walter Beckett« hatte. Es war gut möglich, daß der gebürtige Laktone nach einiger Zeit die Ruhe verlor. Darauf durfte Rex Corda es nicht ankommen lassen! Er wußte, daß die Nokis krank waren. In seinen Augen waren sie nicht für das verantwortlich, was sie jetzt taten. Er mußte so schnell wie möglich zur »Walter Beckett« zurück. Aber vorher war es seine Pflicht, Kim zu finden. Rex Corda steckte einen MagnetSmash in seinen Gürtel und hängte sich eine ReelingGun über die Schulter. Damit konnte er sich ausreichend gegen jeden Angriff schützen. Wenn die Nokis allerdings zu Tausenden über ihn herfielen, konnte ihm selbst die ReelingGun nicht helfen. Aber darauf wollte es Rex Corda nicht ankommen lassen. Zunächst galt es, eine Spur von Kim zu finden. Er sprang aus dem stark demolierten Gleiter. Dann rannte er auf den See zu. Noch hatten die Nokis mehr Interesse an der »Walter Beckett« als an dem abgestürzten Gleiter. Geschickt wich Rex Corda Nokis und Baumaschinen aus. Er mußte Umwege gehen, um nicht mit den aufgebrachten gefiederten Geschöpfen zusammenzustoßen. Die Nokis waren nur einen Meter zwanzig groß, aber in ihrer jetzigen Verfassung konnten sie doch wie eine Horde wildgewordener Berserker über ihn herfallen. Das durfte Rex Corda nicht riskieren. Wenn er sich jetzt um die Nokis kümmerte, war Kim verloren… Er rannte auf den See zu. Links von ihm erhob sich ein dreihundert Meter hohes Felsmassiv. Sie hatten es zweimal überflogen, ehe sie direkt neben dem Massiv die »Walter Beckett« niedergehen ließen. Das Massiv war der Endpunkt einer ringförmigen Felskette, die nach Norden und Süden hin spitz zulief. Zwischen den Ringgebirgen hatten sie den künstlichen See geschaffen. Von hier sollte die Erschließung von Noki IV ausgehen. Die Wissenschaftler an Bord der »Walter Beckett« hatten errechnet, daß die Nokis in der Lage sein mußten, mit etwas Hilfe ihre neue Heimat aufzubauen. Doch dazu war es nicht mehr gekommen. Rex Corda kletterte an den Steilhängen des Felsmassivs nach oben. Dann sah er den Diskus von Oberst Polley. Er schoß durch die Atmosphäre von Noki IV auf die »Walter Beckett« zu. Flimmernde erhitzte Luft bildete einen schillernden Streifen hinter dem Diskus. Als Oberst Polley nahe genug war, erkannte Rex Corda, daß der Diskus ziemlich stark mitgenommen war. Schwarze und braune Flecken an der Außenwand deuteten darauf hin, daß Polley buchstäblich im letzten Augenblick von Noki III geflohen war. Wieder wurde Rex Corda bewußt, warum sie sich auf Noki IV befanden. Mit brennenden Augen starrte er auf die in Massen aufmarschierten Nokis zwischen der »Walter Beckett« und dem künstlichen Stausee. Sein Blick glitt über die bereits fertiggestellten Kanalschleusen und die ersten im Bau befindlichen Staudämme. Sollte das alles umsonst gewesen sein? Rex Corda sah, wie der Diskus direkt über die Nokis hinwegschwebte. Da verkrampfte sich plötzlich sein ganzer Körper. Oberst Polley wollte landen. »Nein!« brüllte Rex Corda aus Leibeskräften. Es war sinnlos. Polley wußte nicht, was auf Noki IV geschehen war. Wahrscheinlich nahm er jetzt an, mit Hilfe der letzten geretteten Nokis die aufgebrachte Menge beruhigen zu können. Er konnte nicht wissen, daß diese Annahme ein gewaltiger Fehler war. Hilflos mußte Rex Corda zusehen, wie das Verhängnis über die letzten Nokis hereinbrach. Oberst Polley war jetzt nur noch zehn Meter hoch. Dann schien er sich plötzlich anders entschlossen zu haben. Der Diskus ruckte an und stieß zur »Walter Beckett« vor. Rex Corda biß auf seine Unterlippe. Er hätte jetzt alles für ein einziges einigermaßen funktionierendes Funkgerät gegeben.
Da fiel ihm plötzlich der MagnetSmash ein. Hastig riß er das bleistiftstarke Gerät aus seinem Gürtel. Er warf sich auf den Boden. Er benutzte einen Felsbrocken, um seine Unterarme aufzustützen. Er zielte lange und sorgfältig. Ein MagnetSmash verschoß winzige Nadeln, die die Schutzschirme von Robotern durchschlugen und anschließend harte Energieschocks ausschickten. Rex Corda wußte nicht, ob sein Experiment Erfolg hatte. Er mußte es versuchen. Mit dem höchsten Maß an Konzentration drückte er ab. Eine Serie aus kleinen Nadeln verließ den Lauf des bleistiftstarken MagnetSmashs. Aus einer Entfernung von knapp vierhundert Metern sah er, wie der Diskus plötzlich stoppte. Er konnte nicht wissen, ob eine der Nadeln getroffen hatte. Aber dann mußte Oberst Polley etwas gemerkt haben. Gleichzeitig entdeckte Rex Corda, wie ein zwanzig Zentimeter großes kugelförmiges Gebilde von der »Walter Beckett« her auf ihn zuschwebte. John Haick hatte ihm ein »Auge« geschickt. Da kehrte der Diskus von Oberst Polley plötzlich um. Er raste auf Rex Corda zu. Er verharrte über der Absturzstelle vom Gleiter des Präsidenten. Rex Corda schüttelte den Kopf. Warum zum Teufel kam Polley nicht zu ihm? Warum wurde er nicht abgeholt? In diesem Augenblick sah Corda direkt neben seiner linken Hand das kleine, niedlich wirkende Tier. Verblüfft riß er die Augen auf. Er starrte auf den blau schimmernden Kopf des sechsbeinigen Tieres. Dann stellte er fest, daß an den beiden vorderen Beinen des Tieres gut ausgebildete Hände saßen. Vorsichtig streckte Rex Corda seine Hand aus. Der Blaukopf tippelte heran und kletterte auf Cordas geöffnete Handfläche. Er hob ihn hoch und hielt ihn dicht vor sein Gesicht. Der weiße Pelzkragen um die Knopfaugen des Blaukopfes bewegte sich. Corda vergaß in diesem Augenblick alles um sich herum. Er hatte Leben auf Noki IV entdeckt… Da sprang der Blaukopf von der Handfläche von Rex Corda. Er lief zwei Meter an der Felswand entlang. Dann blieb er stehen und sah sich um. Rex Corda richtete sich auf. Er warf einen kurzen Blick auf den Diskus von Oberst Polley. Die Nokis wüteten noch immer unterhalb der »Walter Beckett«. Ihre Schreie und Wutrufe kamen nur schwach bis zu Corda durch. Der Blaukopf lockte Rex Corda immer weiter von seinem abgestürzten Gleiter weg. Da spürte der Präsident der Erde plötzlich einen bittenden Ruf. Rex Corda war ein Mutant. Er besaß eine ungewöhnliche emphatische Begabung. Er war in der Lage, Gefühle von anderen Lebewesen zu empfangen und selbst auszustrahlen. Nur dadurch spürte er das schwache, kaum wahrnehmbare Rufen des Blaukopfes. Er folgte ihm. Immer tiefer drangen sie in das Felsmassiv ein. Tiefe enge Schluchten mit schmalen Felsgraten und kaum begehbaren Pfaden erstreckten sich vor Rex Corda. Vorsichtig tastete er sich auf einem fußbreiten Steg entlang. Der Blaukopf kam immer wieder zurück. Er führte Rex Corda weiter und weiter von der »Walter Beckett«. Dann rutschte Rex Corda plötzlich aus. Mit einer blitzartigen Bewegung klammerten sich seine Finger um eine vorspringende Felskante. Er blickte an seiner Schulter vorbei zu Boden. Mit verzerrtem Gesicht entdeckte er, daß er bis zu den Knöcheln in einem lehmigen Morast eingesunken war. Der Blaukopf saß am Rande der kreisrunden Moraststelle und rieb sich die Hände. In diesem Augenblick begann das Gestein unter Rex Cordas Fingern zu bröckeln. Es wurde naß und glitschig. Die Stelle, an der eben noch steinharter Fels gewesen war, nahm eine gelbliche Färbung an. Grasartige Pflanzenspitzen wuchsen deutlich sichtbar zwischen Rex Cordas Fingern hervor. * Informationen jagten durch die großen BordComputer der »Walter Beckett«. Ierra Kretan und Fan Kar Kont hatten in allerhöchster Eile ein Programm für die Computer zusammengestellt. Jetzt ging es darum, Abwehrmaßnahmen gegen die drohende Wahnsinnsseuche zu finden. Klickend kamen die ersten Ergebnisse aus den Computern. Fan Kar Kont nickte, als er sie sah. Etwas Ähnliches hatte er sich bereits gedacht. »Gegen jede Gefahr gibt es ein Gegenmittel«, sagte er zufrieden. »Schnell! Wir müssen nach unten und die MedoKästen neu füllen.«
Sie rannten zu den Gravoschächten und ließen sich wieder in die Medizinische Sektion der »Walter Beckett« bringen. Innerhalb weniger Sekunden erreichten sie die Sektion und begannen sofort mit der Vorbereitung von gelatineartigen Nährböden für die Züchtung von kugelförmigen Bakteriophagen. Die Computer hatten errechnet, daß es auch für den Bacillus epilepticus ein Gegenmittel gab. Fan Kar Kont und Ierra Kretan wollten das Twortd’Herellesche Phänomen ausnutzen. Mit Hilfe von kugelförmigen Bakterienfressern beabsichtigten sie, Verdichtungsherde innerhalb der Bazillenkulturen hervorzurufen und den Wahnsinnsbazillus damit zu zerstören. Obwohl die Zeit drängte, arbeiteten die laktonischen Wissenschaftler mit höchster Präzision. Sie durften sich jetzt keine Fehler leisten. Endlich waren die ersten größeren Mengen von Bakterienfressern bereit zur Anwendung. Unter dem Ultramikroskop schickte Fan Kar Kont seine Bakteriophagen gegen den Bacillus epilepticus. Der Erfolg war einfach umwerfend. Die winzigen durch Selbstvermehrung von Eiweißmolekülen hervorgerufenen Bakterienfresser schossen auf die Stäbchenbazillen zu. Sie ballten sie zusammen und vernichteten sie. Immer wieder konnte Fan Kar Kont grelle Lichtblitze auf dem Holografen des Ultramikroskops beobachten. Die Bakterienfresser rotteten den Bacillus epilepticus vollkommen aus. Die erste Injektion erhielt Hent Marat. Nur zwei Minuten später zapfte ihm Fan Kar Kont neues Blut ab. Schnell wurde es dem Ultramikroskop zugeführt. Fan Kar Kont beugte sich über den Holografen. Dann rief er mit einem triumphierenden Lachen: »Geschafft!« Das lähmende Schweigen fiel von den Männern in der Medizinischen Sektion. Sie alle atmeten erleichtert auf. Damit war die erste Gefahr gebannt. Sofort gingen sie daran, auch den Nokis Präparate mit Bakterienfressern einzuimpfen. Lächelnd blickte Hent Marat auf die beiden Nokis. »Es war grauenhaft«, sagte er. »Ich hatte plötzlich das Gefühl, daß in meinem Kopf ein Gewitter tobte. Das waren waschechte Epilepsiesymptome. Dem SCHENNA sei Dank, daß ich ziemlich kräftig gebaut bin!« »Danken Sie lieber unseren Computern. Ohne die Hilfe unserer Elektronengehirne hätten wir niemals so schnell das Gegenmittel gefunden.« Immer wieder blickten die Männer auf die beiden Nokis, die sich in wilden, konvulsivischen Zuckungen in ihren sie fesselnden Schlingen wanden. »Allmählich müßte aber jetzt der Erfolg eintreten«, meinte Fan Kar Kont. Hent Marat nickte. »Kommen Sie«, meinte er, »wir machen einen Zwischenabstrich.« Er entnahm einem der beiden Nokis einen Bluttropfen aus dem Finger der linken Hand und brachte ihn als Präparat unter das Ultramikroskop. Dann beugte er sich erneut über den Holografen. Vorsichtig regulierte er die Feineinstellung. Fast gleichzeitig stieß er einen überraschten Ruf aus. »Es wirkt nicht!« keuchte er. »Aber das ist doch unmöglich! Bei Ihnen hat es doch geklappt!« »Bei mir schon – aber nicht bei den Nokis. Sehen Sie selbst: Kein einziger Bazillus wurde von den Bakteriophagen auch nur angegriffen…« Fan Kar Kont beugte sich ebenfalls über den Holografen. Dann sah er etwas, das Hent Marat nicht sofort bemerkt hatte. Das Blut des Noki zersetzte sich. Die Bakterienfresser griffen nicht den Bacillus epilepticus, sondern die roten Blutkörperchen im NokiBlut an! In diesem Augenblick stieß einer der Nokis einen gellenden Schrei aus. Seine Pupillen weiteten sich, während seine blassen Lippen sich mit einem gequälten Ausdruck öffneten. Nur zwei Sekunden später war der Noki tot. Hent Marat fuhr zusammen. Fan Kar Kont und Ierra Kretan stürzten sich auf den zweiten Noki zu. Auch Doktor McCluskey kümmerte sich um seinen Patienten. Es hatte keinen Zweck mehr. Der zweite Noki starb innerhalb weniger Minuten. »Wir haben sie getötet«, sagte die laktonische Mathematikerin tonlos. Dann kam ein Schluchzen aus ihrer Brust.
»Das konnte niemand ahnen«, sagte Fan Kar Kont leise. »Selbst Elektronengehirne haben mit einer derartigen Möglichkeit nicht gerechnet.« »Dann gibt es also nicht die geringste Chance für die Nokis. Sie werden weiter den Wahnsinnsbazillus mit sich herumschleppen und so lange Amok laufen, bis sie sich gegenseitig vernichtet haben!« »Es ist furchtbar«, flüsterte Ierra Kretan. * »Was, zum Teufel, ist da draußen los?« fluchte John Haick aufgebracht. »Oberst Polley – warum melden Sie sich nicht?« »Wir haben den abgestürzten Gleiter unter uns. Sollen wir landen?« »Lassen Sie doch den verdammten Gleiter! Suchen Sie Rex Corda. Das ist im Augenblick viel wichtiger!« »Nun mal langsam, junger Freund«, gab Oberst Polley gereizt zurück. »Glauben Sie, es macht uns Spaß, hier spazierenzufliegen? Allmählich sind wir mit unseren Kräften am Ende. Aber das verstehen Sie wahrscheinlich nicht.« »Natürlich!« gab John Haick zurück. Er war jetzt ebenfalls gereizt. »Wir wissen, daß Sie eine Menge durchgemacht haben. Aber beide Cordas befinden sich draußen. Zwischen uns und ihnen hocken die wahnsinnigen Nokis! Sehen Sie jetzt ein, daß Sie der einzige sind, der etwas tun kann?« »Gibt es keine weiteren Gleiter an Bord der ›Walter Beckett‹? Wenn wir nicht bald ‘runterkommen, drehen wir hier oben durch.« »Was glauben Sie, was wir tun, wenn wir Rex Corda nicht finden?« »Okay, okay«, murrte Oberst Polley. »Ich bin ja schon auf dem Weg.« Der Diskus mit der verbrannten Außenhülle jagte auf das Felsmassiv zu. Gleichzeitig entdeckte das von John Haick ausgeschickte »Auge« den Präsidenten. Rex Corda kämpfte mit verbissenem Grimm gegen den schlammigen Morast, der sich plötzlich überall rings um ihn herum bildete. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Diskus von Oberst Polley schnell näher kam. Zehn Meter über Rex Corda verharrte der Diskus in der Luft. Eine Luke öffnete sich. Dann kam ein Offizier der terranischen Raumflotte in einem Traktorstrahl nach unten. Rex Corda befand sich jetzt innerhalb eines dichten Pflanzengewirrs. Dutzende von Blauköpfen liefen zwischen den Pflanzen hin und her. Es waren immer mehr geworden. Rex Corda wußte jetzt, daß die Blauköpfe und die Pflanzen miteinander in Verbindung standen. Er hatte Impulse aufgefangen. Sie waren verzerrt, undeutlich und nicht zu entschlüsseln. Aber sie existierten… Rex Corda griff nach der Hand, die sich ihm entgegenstreckte. Er rutschte über den glitschigen Boden. Dann berührten seine Finger die Hand des Offiziers. Er hing an einem Arm in festem Griff seines Retters. Seine Beine rutschten durch den schlammigen Morast unter den Pflanzen. Oberst Polley ließ das Traktorfeld steigen. Zusammen wurden die beiden Männer ins Innere des Diskus geholt. Rex Corda stemmte sich über die Kante der Luke. Dann warf er sich flach auf den Boden. Als er sich aufrichtete, sah er, wie ein Blaukopf aus der rechten Hosentasche seiner Kombination sprang und interessiert schnuppernd durch die Zentralkabine des Diskus lief. »Fangt ihn!« brüllte Rex Corda. Er schüttelte ein paar Pflanzenreste von seiner Kombination. Drei Offiziere der »Walter Beckett« stürzten sich auf den Blaukopf. Sie griffen ihn und reichten ihn Rex Corda. Das kleine zierliche Wesen hob sich auf die hinteren Beine. Dann legte es seine rosigen Hände ineinander. Es sah aus, als würde sich der Blaukopf zufrieden die Hände reiben. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Das war ein Problem, mit dem sie sich später beschäftigen konnten. Jetzt mußte er zunächst Kim finden. Er blickte die Offiziere und Oberst Polley an. »Danke«, sagte er kurz und lächelte. »Wir können noch nicht wieder zurück. Zunächst muß ich Kim finden. Er hat gegen meinen Befehl die ›Walter Beckett‹ verlassen. Wenn ihm das gleiche passiert ist wie mir, sieht es böse aus.«
»Dann müssen wir eben jeden Fußbreit Boden absuchen«, sagte Oberst Polley ruhig. Er blickte auf die Nokis, die sich verängstigt in einer Ecke der Kabine zusammendrängten. Es waren die letzten von Noki III geretteten Wesen. Sie alle hatten das Grauen gesehen. Sie waren dabei gewesen, als ihr Planet in Feuer und Vernichtung unterging. In diesem Augenblick nahm John Haick Verbindung mit dem Diskus auf. »Ich glaube, ich habe ihn!« rief er erregt. »Nur ungefähr dreihundert Meter weiter südlich befindet sich eine kleine Pflanzenoase mitten im Fels.« »Das könnte es sein!« sagte Rex Corda hastig. »Wie hast du ihn entdeckt?« »Die ›Augen‹ haben ihn gefunden. Ich habe sie vom ZentralComputer nach dem Wahrscheinlichkeitssystem steuern lassen. Das spart Zeit, obwohl ein gewisses Risiko nicht zu vermeiden war.« »Okay«, nickte Rex Corda. »Oberst Polley, macht es Ihnen etwas aus, wenn wir uns die Sache einmal ansehen?« »Wo denken Sie hin«, sagte Polley mit einem breiten Grinsen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er sah blaß und übernächtig aus. »In alter Frische, auf zu neuen Taten!« lachte er müde. Rex Corda merkte, daß es für sie alle etwas zu viel gewesen war. Die letzten Tage hatten nur aus Arbeit und Konzentration bestanden. Niemand war zur Ruhe gekommen. Langsam merkten sie alle, daß der Körper sein Recht verlangte. Der Raubbau an Energie und Kraft konnte nicht lange gut gehen. Sie hatten inzwischen einen Punkt erreicht, an dem sie gereizt und unduldsam wurden. In jeder anderen Situation hätte Oberst Polley sich geweigert, jetzt noch weiterzumachen. Die Persönlichkeit von Rex Corda zwang ihn dazu, seine Erschöpfung nicht offen zu zeigen. Der Diskus schoß auf die angegebene Stelle zu. Dann sahen sie das dichte Pflanzengewirr auf einem kleinen Felsplateau. Rex Corda beugte sich nach vorn. Drei »Augen« schwebten über der merkwürdigen Oase innerhalb der kahlen, leblosen Felslandschaft. »Von Kim keine Spur«, sagte Oberst Polley in die Stille hinein. Nur das Dröhnen des Antriebs war zu hören. * John Haick kippte zur Seite. Er ruderte wild mit den Armen. Seine Füße verloren den Halt. Mit einem Fluch klatschte er gegen eine Computerwand. Schmerzhaft bohrten sich Hebel und Knöpfe in seinen Rücken. Ein donnerndes Vibrieren lief durch die beiden Hantelkugeln der »Walter Beckett«. »Unverschämtheit!« knurrte Johh Haick und rappelte sich auf. Er rieb sich seine schmerzenden Gelenke. Mit einer kurzen Kopfbewegung versuchte er die Benommenheit abzuschütteln. Dann fielen ihm die Amok laufenden Nokis ein. Ein Ausdruck fassungslosen Erstaunens glitt über sein Gesicht. Sollte es den Nokis etwa gelungen sein… Mühsam arbeitete sich der achtunddreißigjährige Atomwissenschaftler zu den Kontrollen zurück. Halb auf dem Bauch liegend versuchte er, Verbindung mit den übrigen Sektionen der »Walter Beckett « aufzunehmen. Noch ehe er dazu kam, wimmerten die Alarmsirenen durch das terranische Flaggschiff. Dann gelang es John Haick, die Holografen für die Außenbeobachtung einzuschalten. Sein Puls stockte sekundenlang. Dann hämmerte er um so schneller los. Die schräg gegen den Boden gerichteten Aufnahmekameras für die Zentralholografen der Funkstation übermittelten John Haick ein völlig unmögliches Bild. Der Atomwissenschaftler war für einige Minuten eingedöst, obwohl die elektronischen »Augen« nach wie vor die kahlen, felsigen Gebirge rings um die »Walter Beckett« absuchten. Kim Corda war noch immer nicht gefunden worden. John Haick hatte Rex Corda nicht durch ständige Nachfragen stören wollen. Er war allein in der Funkzentrale. Einen Teil der Besatzung hatte Bekoval in die Ruheräume geschickt. Die Männer hatten eine Stunde Schlaf bitter nötig. Niemand wußte, was ihnen noch bevorstand. Es war sinnlos, eine ständige Bereitschaft aufrechtzuerhalten, wenn jederzeit ein neuer nervenaufreibender Einsatz erforderlich werden konnte.
Das Verhalten der Nokis war für John Haick kein Grund für eine erhöhte Aufmerksamkeit gewesen. Er fühlte sich in der »Walter Beckett« vollkommen sicher. Die Nokis mit ihren primitiven Waffen konnten dem mit Becon verstärkten ehemaligen orathonischen Kriegsschiff nicht das geringste anhaben. Sollten sie doch an den Landebeinen kratzen! Und dann war er eingenickt. Er hatte nur noch mit einem Ohr auf die Geräusche von draußen geachtet. Die Nokis griffen in immer neuen Wellen an. Für John Haick waren derartig läppische Aktionen einfach nicht interessant genug, um ihn wach zu halten. Der Atomwissenschaftler wischte sich mit der Handfläche über die Augen. Er massierte mit Daumen und Zeigefinger seine schmerzende Nasenwurzel. Der einmal angelockte Schlaf ließ sich nur mit unsagbarer Willensanstrengung wieder verscheuchen. Liebend gern hätte John Haick in diesem Augenblick einen Kübel Eiswasser über seinen Kopf gegossen. Aber es gab kein Eiswasser in der Funkzentrale der »Walter Beckett«. John Haick steckte sich eine Zigarette an. Seine Finger zitterten kaum merklich. Neuerdings rauchte er ein schwarzes französisches Kraut, das in dünne Maisblätter eingewickelt war. Die Herstellerfirma in Lyon hatte für John Haick eine große Menge ihrer schwarzen Zigaretten mit den Anfangsbuchstaben des Namens Walter Beckett versehen. John Haick hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Mund. Er drückte die Zigarette aus und mußte husten. Immer wieder vor sich hin keuchend, beugte er sich über den nächsten Holografen. Es war ein Traum – ein unwirklicher, nicht existierender Traum. Er konnte einfach nicht sein! John Haick glaubte seinen eigenen Augen nicht. Das Zittern seiner Finger wurde stärker. Winzige kalte Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Seine Lippen bebten. Er starrte auf den Holografen und konnte einfach nicht begreifen, was unterhalb der »Walter Beckett« geschehen war. Dort, wo sich vor kurzer Zeit noch ein steiniges Felsplateau befunden hatte, war jetzt ein gelber, lehmiger Morast. Baumhohe Pflanzen wickelten sich um die metertief eingesackten Landebeine der »Walter Beckett«. Der Hantelraumer hatte jetzt eine Schlagseite von fast dreißig Grad… Hastig bediente John Haick die Schwenkmotoren für die Aufnahmekameras. Überall das gleiche Bild. Dann sah er den Rand des gelben Morastecks, in dessen Mitte sich die »Walter Beckett« befand. Der Fleck hatte einen Durchmesser von gut einem Kilometer. Er mußte innerhalb der letzten zehn Minuten entstanden sein. »Wie, zum Teufel, konnte das passieren?« brummte John Haick wütend. Er ärgerte sich, daß er nicht aufgepaßt hatte. Er machte sich Vorwürfe. Durch seine Unkonzentriertheit war die »Walter Beckett« in den Morast eingesunken. Er blickte noch einmal auf die Holografen. Jetzt wußte er, was er vermißte: Die Nokis waren verschwunden! Er konnte kein einziges der Amok laufenden Geschöpfe in der Nähe der »Walter Beckett« entdecken. Mehrere hunderttausend Angreifer hatten sich innerhalb weniger Minuten in Nichts aufgelöst. Dafür war dieser gelbe, schlammige Morast entstanden… Konvulsivische Krämpfe preßten den Magen von John Haick zusammen. Er wehrte sich gegen die Übelkeit. Das Gellen der Alarmsirenen machte ihn verrückt. Schwankend taumelte er durch die Funkleitzentrale. Zweimal kurz hintereinander rutschte er auf dem glatten Boden aus und landete flach auf dem Plastikbelag. Seine Stimmung wurde dadurch nicht besser. Dann zerbrach die harte, arrogant klingende Stimme Bekovals die lähmende Stille innerhalb der Funkzentrale: »Kommandant an alle! – Kommandant an alle! Durch unbekannte Faktoren ist die ›Walter Beckett‹ in den Boden von Noki IV eingesunken. Ab sofort AlertPhase, dritte Stufe. Alle Mann auf Station. Kampfbereitschaft ist angeordnet!« »Na endlich!« knurrte John Haick befriedigt. Offensichtlich hatten andere Besatzungsmitglieder der »Walter Beckett« nicht geschlafen. John Haick fühlte plötzlich, wie das mächtige Raumschiff erbebte. Bekoval hatte die Andruckneutralisatoren einschalten lassen. Millimeter für Millimeter senkten sich die beiden großen Hantelkugeln in ihre normale Lage zurück.
Bekoval versuchte, die Landebeine an einer Seite einzuziehen. Dadurch brachte er die »Walter Beckett« aus ihrer ungemütlichen Schräglage. Trotzdem mußte auch Bekoval das Risiko kennen. Die tiefsten Punkte der beiden Hantelkugeln berührten den schlammigen Morast. Sie sanken in ihn ein, da Bekoval die elektronischen Stabilisierungseinrichtungen in diesem Augenblick noch nicht betätigen wollte. Er hatte eine Meldung aus der Medizinischen Sektion empfangen. Er wußte jetzt, daß die Nokis von einem Wahnsinnsbazillus befallen waren. Er wußte außerdem ebensogut wie John Haick, daß jeder Versuch, diesen Bazillus zu beseitigen, für die Nokis tödlich war. Mit brennenden Augen starrte John Haick auf die übrigen Holografen. Farbige dreidimensionale Bilder zogen vorbei. Sie wurden von den suchenden Augen aufgenommen und an das Raumschiff weitergeleitet. Da entdeckte John Haick die weißen Trichter. Sie fielen vom Himmel. Sie sahen aus wie stumpfe Rundzelte. Nacheinander senkten sie sich auf die Oberfläche von Noki IV. Die mit der Spitze nach unten anfliegenden Trichter waren mindestens fünf Meter hoch. Ihre grünstichige, weißliche Farbe gab ihnen ein ekelhaftes Aussehen. John Haick schluckte. Über die elektronische Verbindung des »Auges« beobachtete er den Schwarm. Dann schlug der erste Trichter gegen eine Felswand. Sofort platzte er auseinander. Das weiße Material löste sich vollständig auf. Es drang in den felsigen Boden ein. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich der harte Fels in einen gelben, lehmigen Morast. Mit blutleerem Gesicht starrte John Haick auf das grandiose Schauspiel. Er ahnte jetzt, warum die Nokis verschwunden waren. Immer mehr Trichter sanken zu Boden. Überall bildeten sich neue gelbe Flecken. Sie breiteten sich mit rasender Geschwindigkeit nach allen Seiten hin aus. Dann begriff John Haick. Es hatte lange gedauert. Plötzlich fügte sich das Mosaik in seinem Hirn zusammen. Er hatte das fehlende Steinchen gefunden. Seine Faust knallte gegen den Beschleunigungshebel eines »Auges«. Das kugelförmige, elektronisch gesteuerte Beobachtungsgerät raste senkrecht in den Himmel von Noki IV. Es stieg immer höher. John Haick schaltete das »Auge« auf Rundumsicht. Er hatte sich nicht getäuscht: Tausende von weißen Trichtern drangen in die Atmosphäre von Noki IV ein. Sie kamen aus der Dunkelheit des Raums. John Haick stöhnte gequält auf. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Er hatte erkannt, daß Noki IV dem Untergang geweiht war. Das grandiose Rettungswerk der »Walter Beckett« war umsonst gewesen. John Haick ließ seine Faust gegen den roten Alarmhebel knallen. Von sich aus erhöhte er die von Bekoval angeordnete AlertPhase zum Katastrophenalarm… »Ortungszentrale an alle!« brüllte er in die Mikrophone. »Invasion aus dem Raum!« * Kim weinte. Dunkelheit hüllte ihn ein. Er wollte es nie wieder tun. Heiße Tränen liefen über sein Gesicht. Er wußte jetzt, warum Rex ihm verboten hatte, die »Walter Beckett« zu verlassen. Die Reue kam zu spät. Jedesmal wenn Kim sich bewegte, hörte er das schmatzende Geräusch durch seinen Raumanzug hindurch. Längst war er vollkommen eingesunken. Er konnte nichts mehr sehen. Die dicke, schmierige Masse klebte vor seinem Raumhelm. Alles war dunkel. Trotzdem hatte Kim das Gefühl, immer tiefer einzusinken. Wie tief mochte er sein? Zwei Meter? Oder schon fünf? Er wußte es nicht. Dann fiel ihm sein Funkgerät ein. Nur ein winziger Hebel an seiner Brust setzte es in Betrieb. Er konnte seine Arme nicht bewegen. Immer wieder versuchte er, innerhalb des Raumanzuges etwas Platz zu bekommen. Es war sinnlos. Es hatte einfach keinen Zweck, wenn er sich bewegte. Dadurch preßte ihn der Lehm immer weiter zusammen. Das Blut klopfte in seinen Ohren. Kim wußte nicht, wie lange der Luftvorrat noch reichte. Er glaubte, daß er schon mindestens eine Stunde eingeschlossen war. »Hol mich doch ‘raus, Rex!« schluchzte Kim immer wieder. Er war völlig verzweifelt. Dann rief er nicht mehr nach seinem Bruder. Er hatte plötzlich Angst vor seiner eigenen Stimme. Sie war so laut und klang völlig verloren.
Leise weinte Kim vor sich hin. Er dachte an die Erde und an seine Schwester Velda. Bisher hatte er sich immer gefreut, wenn er mit seinem Bruder mitfliegen durfte. Er war das jüngste Besatzungsmitglied der »Walter Beckett«, und er war lange Zeit stolz darauf gewesen. Jetzt sehnte er sich nach den grünen Hügeln von Atlantic City zurück. Dort hatte ihr Haus gestanden – bis die Orathonen und die Laktonen kamen. Er hatte keine Eltern mehr. Rex war doppelt so alt wie er selbst. Kim erinnerte sich an seine Freunde auf der Erde. Wie lange hatte er sie jetzt nicht gesehen? Plötzlich weinte er nicht mehr. Einen Freund hatte er ganz in seiner Nähe. Aufgeregt dachte er an ihn. * Das Wasser spritzte bis zur Decke des speziell ausgebauten Raumes. Der weiße Delphin Wabash sprang mit wilden Kapriolen in seinem Bassin hin und her. Er tauchte zum Boden hinab, schnellte wieder hoch und glitt elegant ins Wasser zurück. Gackernde Schnarrlaute und schrille Pfiffe erfüllten den Raum mit dem Bassin. Dann drückte Wabash gegen die Kontaktplatten an der Seite seines Bassins. Sofort öffnete sich der Verschluß der breiten Wasserröhre. Wabash drehte sich geschickt um sich selbst. Dann preschte er mit einem schnellen Schwanzschlag in die wassergefüllte Röhre. Sie war für ihn angelegt worden. Sekunden später erreichte er den Endpunkt der Wasserverbindung. Er tauchte innerhalb eines zweiten Bassins auf. Es befand sich an Bord eines zwanzig Meter großen Diskusraumers vom Typ Pon. Dieses kleine Raumschiff war von laktonischen Wissenschaftlern umgebaut worden. Es gehörte Wabash. Die Bedienung war so vereinfacht worden, daß Wabash keine Schwierigkeiten hatte, die Wasserröhre zu verschließen. Er betätigte die Kontaktplatten für das Öffnen der Hangartore. Dann konzentrierte er sich auf die Steuerung des Diskus. Mit einem gewaltigen Satz schoß das kleine flache Raumschiff aus der »Walter Beckett«. Wabash schnellte zur Seite. Trotz der Vereinfachung war es nicht leicht für ihn, den Diskusraumer zu fliegen. Er jagte dicht über einen wuchernden Pflanzenwald hinweg. Dann erreichte er den See. Steil stieg der Diskus nach oben. Wabash ließ ihn zur Seite hin abkippen. Dann raste er auf die Stelle zu, von der die telepathischen Notrufe seines Freundes kamen. Wabash hatte die verzweifelten Impulse von Kim empfangen. Er mußte ihm helfen. Er wußte nicht, wie er es tun sollte, aber Kim brauchte seine Nähe… Über einen wasserdichten Holografen sah Wabash die Oberfläche des Planeten. Er entdeckte den größeren Diskusraumer. Seine Außenhülle war verbrannt und mit schwarzen Flecken übersät. Davon hatte Kim ihm nichts erzählt. Dann sah er einen Mann, den er kannte. Es war Rex Corda! Der Bruder von Kim stampfte zusammen mit einem Begleiter durch ein dichtes Gewirr sattgrüner Pflanzen, die sich auf einem mit gelbem Morast bedeckten Felsplateau angesiedelt hatten. Wabash ließ seinen Diskus absacken. Die Impulse von Kim wurden stärker. In diesem Augenblick blickte Rex Corda nach oben. Er erkannte den Spezialdiskus von Wabash. Wabash triumphierte. Mit seiner hervorragenden mathematischen Begabung erkannte er sofort, welche Hilfe die suchenden Männer zwischen den Pflanzen brauchten. Er tänzelte innerhalb seines Bassins hin und her. Dann hatte er einen Weg gefunden. Er konzentrierte sich auf die telepathischen Impulse von Kim. Er konnte ihn nur sehr schwer orten. Er wußte ungefähr, wo Kim war. Es gab eine fremde geistige Ausstrahlung auf Noki IV, die seine Parasinne fast lahmlegte. Schnell stieß er gegen die einzelnen Bedienungsplatten der Kontrollen. Der Diskus hüpfte in flachen, drei Meter hohen Sprüngen direkt über Rex Corda hin und her. Immer wieder versuchte Wabash, dem Bruder von Kim seine Absicht deutlich zu machen. Er stellte den Diskus in eine leichte Schräglage und tauchte nur wenige Meter über Rex Corda auf die Pflanzen zu. Der Boden des Diskus schleifte über die Spitzen der merkwürdigen, sattgrünen Pflanzen. Mit der Vorderkante seines winzigen Raumschiffs sägte Wabash immer mehr von den Pflanzen ab. Er mußte ein dutzendmal anfliegen. Dann winkte Rex Corda ihm zu. Er hatte begriffen. * Die Herde der gelbgefiederten Nokis lief mit weiten, gehetzten Sprüngen zum nördlichen Ufer des
Sees. Vorbei an Baumaschinen, großen aufgewühlten Baustellen und halb fertiggestellten Kanälen flüchteten die Nokis vor den immer stärker vom Himmel regnenden Trichtern. Die gelben Flecken auf der Oberfläche von Noki IV breiteten sich wie eine Seuche aus. Sobald einer der Nokis mit dem lehmartigen Morast in Berührung kam, wurde auch er vom Bacillus epilepticus überfallen und in eine Panikstimmung versetzt. Aber es gab unter den vierhunderttausend geretteten Nokis immer noch einen guten Teil normaldenkender Wesen. Sie waren es, die die Gefahr erkannten. Eine Gruppe von vierhundert Nokis stürmte zwei Schwimmbagger. Die Intelligentesten von ihnen setzten sich hinter die großen Armaturen und bedienten die Kontrollhebel. Fauchend und schlingernd lösten sich die Schwimmbagger vom Ufer. Neue Trichter fielen vom Himmel. Da entwickelten die Nokis blitzartig ein System, mit dem sie die Trichter von den Schwimmbaggern abwehren konnten. Auf einem Bagger befand sich ein Draco Werfer. Dieses kleine, blockartige Chemiewerk laktonischer Herkunft war in der Lage, ungeheure Mengen eines feinen Plastikgewebes zu produzieren. Ornu, der Führer der ersten Gruppe, probierte so lange an den Kontrollen des DracoWerfers, bis er funktionierte. Eigentlich war der DracoWerfer zu einem anderen Zweck auf den Schwimmbagger gebracht worden. Das Gerät sollte netzartige Plastikschichten zur Befestigung der aufgewühlten Erde am Ufer produzieren. Jetzt benutzte Ornu den DracoWerfer zu Verteidigungszwecken. Hoch schleuderte die Mündungsdüse des kleinen Chemiewerkes das Gespinst in den Himmel. Es senkte sich langsam wie dünnes Spinngewebe auf die beiden Schwimmbagger zurück. Das Netz flimmerte im bleichen Licht der erkaltenden Sonne. Zwei Trichter fielen fast gleichzeitig gegen das Netz. Sie fanden keinen Halt und rutschten ab. Klatschend landeten sie im Wasser. Ornu stieß ein Triumphgeheul aus. Sein gelber Federschopf flatterte. Der Trick hatte Erfolg! Mit Hilfe des Netzes konnten sie sich schützen. Aber sie mußten auf dem Wasser bleiben. Nur hier waren sie stärker als die weißen Trichter. Die Bazillen innerhalb des Trichters konnten das von Noki III stammende Wasser nicht in gelben Morast verwandeln. Die Trichter sanken bis zum Grund des künstlich geschaffenen Stausees. Erst dort platzten sie auf. Aber jetzt fehlte ihnen der Sauerstoff, den sie brauchten, um den Boden umzuwandeln. Obwohl ein Trichter nach dem anderen den Boden des Sees erreichte, erwachten die Bazillen nicht zu neuem Leben. Während des Fluges durch die Kälte des Raumes waren sie mutiert. Die Nokis hatten einen Weg gefunden, um den Wahnsinnsbazillus abzuwehren. Doch sie wußten es noch nicht. * Gelbe, dickflüssige Tropfen glitten über die mit Becon verstärkte Außenhülle des Hantelraumers. Auch auf die »Walter Beckett« waren mehrere Dutzend der Trichter gefallen. Als sie aufplatzten, lief der morastartige, dickflüssige Sud aus Milliarden von Bakterien an den Hantelkugeln nach unten. Dem Becon der Außenhülle machte der Überfall aus dem All nichts aus. Trotzdem wurden die Männer innerhalb der »Walter Beckett« immer unruhiger. Eine Aufnahmekamera nach der anderen fiel aus. Der Sud verklebte die einzelnen Optiken. Antennen, Thermoelemente und Spürköpfe waren überall an den Hantelkugeln angebracht. Sie speisten die zentralen SynopsisComputer mit den Daten aus der Umwelt. Ohne diese Einzelinformationen verwandelte sich die »Walter Beckett« in ein hermetisch abgeschlossenes Gefängnis. John Haick versuchte, die immer mehr zunehmende Isolierung zu durchbrechen. Längst hatten die Wissenschaftler in der medizinischen Station ihre Forschungsergebnisse ausgewertet. Die zentralen SynopsisComputer stellten die ersten umfassenden Synopsen an. Ierra Kretan stand vor den Computern und wartete auf die neuen Ergebnisse. Sie hatten alles ausgewertet, was zur Klärung ihrer Lage beitragen konnte. Selbst die Einzeldaten der über der Oberfläche von Noki IV schwebenden »Augen« waren aufgeschlüsselt und in das Analyseprogramm aufgenommen worden. Sie riß zwölf Synopsen an den Ausgabeschlitzen der Computer ab und rannte dann mit weitausholenden, männlich wirkenden Schritten zu einem KlartextComputer. Nacheinander schob sie die Synopsen in den Aufnahmeschlitz. Aus den zwölf zusammenfassenden Übersichten erarbeitete der
KlartextComputer einen kurzen Lagebericht mit dem Wahrscheinlichkeitsfaktor 1,4: Als Ursache für die Veränderungen auf Noki IV wird der am 5. 4. 1993 vom Biochemiker Hent Marat entdeckte Bacillus epilepticus angenommen. Größe zwischen acht und zehn Millikron. Farbe karmesinrot leuchtend. Stäbchenform mit drei Korkenziehergeißeln. Der vermutlich durch Kälteeinwirkung mutierte Bazillus ruft bei intelligenten Lebewesen epileptische Störungen hervor. Abwehrmöglichkeiten bei humanoiden Rassen: Einsatz von Bakteriophagen. Abwehrmöglichkeiten bei Nokis bisher unbekannt. Ierra Kretan legte die Stirn in Falten, während ihr hübsches Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck annahm. Sie riß die Endsynopsis aus dem KlartextComputer und sprang in einen Gravoschacht. Sie ließ sich zur Kontrollzentrale der »Walter Beckett« hochbringen und meldete sich dann bei Bekoval. »Die Untersuchungsergebnisse der Medizinischen Sektion sind von den SynopsisComputern ausgewertet worden«, sagte sie. Bekoval nahm ihr den schmalen Streifen aus der Hand. Er überflog die Lagebeurteilung des SynopsisComputers. Dann nickte er. »Wenn Rex Corda nicht bald wiederkommt, müssen wir von uns aus geeignete Maßnahmen ergreifen. Ich kann es einfach nicht verantworten, die ›Walter Beckett‹ länger auf Noki IV warten zu lassen. Bis auf die wenigen noch draußen fliegenden ›Augen‹ haben wir keinerlei Verbindung mit der Außenwelt mehr. Sämtliche Aufnahmekameras und Meßgeräte sind inzwischen so verklebt, daß wir sie nicht mehr benutzen können.« Percip, John Haick und Fan Kar Kont befanden sich ebenfalls in der Zentrale. Dann entschlossen sie sich, einen Funkruf an den Diskus von Oberst Polley auszuschicken. John Haick hatte die Überwachung der Funk und Ortungszentrale einem Offizier der »Walter Beckett«Besatzung übertragen. Jetzt nahm er Verbindung mit diesem Offizier auf. Es war Alexander Bangwe. »Versuchen Sie, mit dem Diskus von Oberst Polley Kontakt zu bekommen. Berichten Sie ihm, daß die ›Walter Beckett‹ mehr und mehr von gelbem Schlamm eingeschlossen wird.« »In Ordnung, Sir«, antwortete Bangwe. John Haick schaltete ab und drehte sich wieder zu Percip und Bekoval um. Aber eine Minute später wurde er von Alexander Bangwe angerufen. »Es klappt nicht, Sir! Ich bekomme keine Verbindung mit dem Diskus von Oberst Polley.« »Warum nicht?« fragte John Haick verblüfft. »Die Antennen lassen keine Energie ‘raus.« »Verdammt!« keuchte John Haick. Er sah hastig zu Bekoval. Dann faßte er einen schnellen Entschluß. »Ich ziehe einen Raumanzug an und säubere eine der Antennen. Wir müssen mit Oberst Polley und Rex Corda Verbindung aufnehmen.« »Sie bleiben hier!« entschied Bekoval. »Ich schicke drei Offiziere nach draußen.« »Die machen mir nur meine Antennen kaputt!« protestierte John Haick. »Als Kommandant ordne ich an, daß Sie hierbleiben«, sagte Bekoval hart. Der massige, breitschultrige Laktone baute sich vor John Haick auf. Der terranische Atomwissenschaftler wirkte vor dem ehemaligen Laktonen spindeldürr und zerbrechlich. »Okay, okay!« murmelte John Haick resignierend. Dann gab Bekoval den Befehl zum Ausschleusen von drei Offizieren der TerraRaumflotte. Gleichzeitig wies er Percip an, eine Schleuse öffnen zu lassen. Nur wenige Augenblicke später wußten sie, daß es sinnlos war. Die gelbe Masse reagierte zäher als der stärkste bekannte Klebstoff. * Der Spezialdiskus von Wabash schnitt eine Schneise in die immer dichter wachsenden Pflanzen. Mit der Kante seines Diskus rasierte Wabash die Pflanzen dicht über ihren doppelten Brettwurzeln ab. Mit einem schmatzenden Geräusch glitt der Diskus über den fester gewordenen Lehm. Eine glänzende, rillenartige Vertiefung bildete sich. Wabash stieg wieder auf. Dann justierte er den Diskus nach den telepathischen Hilferufen von Kim.
Während Rex Corda eng an den Fels gepreßt die Bemühungen von Wabash verfolgte, ließ der weiße Delphin sein kleines Spezialraumschiff rotierende Bewegungen durchführen. Corda konnte die Emotionalsphäre Kims nicht erfassen, da starke parapsychische Störungen von den Pflanzen ausgingen. Da war das Zeichen für Rex Corda! Er stürzte auf die Schneise der Pflanzen zu, glitt aus und rutschte mit dem Rücken über den Lehm. Dann begann er zu graben. Er benutzte seine Hände. Er wußte nicht, wie tief Kim in den Morast eingesunken war. Er durfte ihn nicht verletzen. Er bekam Hilfe aus dem Diskus von Oberst Polley. Zu dritt gruben sie sich immer tiefer in den schmatzenden, schmierigen Lehm. Plötzlich waren überall die kleinen Blauköpfe. Sie liefen zwischen den Händen der grabenden Männer hindurch, hängten sich an ihre Raumanzüge und behinderten sie immer mehr bei der Arbeit. Jetzt hatte Rex Corda nicht den geringsten Zweifel mehr, daß es sich um eine absichtlich gesteuerte Störaktion handelte… Er schleuderte drei Blauköpfe mit einer kräftigen Bewegung zur Seite. Quiekend landeten die kleinen maulwurfähnlichen Tiere neben den Pflanzen. Und wieder schienen sie sich zufrieden die Hände zu reiben. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Er versuchte sich auf die Mentalität der Blauköpfe einzustellen. Er benutzte seine emphatische Begabung, um herauszufinden, ob die Blauköpfe intelligent waren. Er konnte keinerlei Gefühle innerhalb der kleinen Wesen feststellen. Da sah er direkt zwischen den Fingern seiner linken Hand eine dunkle Stelle innerhalb des gelben Lehms. Hastig grub er weiter. Nur zwei Minuten später hatte er den Raumhelm von Kim freigelegt. Er blickte in das blasse Gesicht seines Bruders. Er versuchte, ihn anzusprechen. Kim hörte ihn nicht. Er blinzelte mit den Augen und versuchte, sich an die plötzlich eintretende Helligkeit zu gewöhnen. Dann erkannte er Rex. Mit einer Mischung aus Angst und Erleichterung blickte er ihn an. Rex Corda verzog sein Gesicht zu einem glücklichen Grinsen. Seine Helfer hatten inzwischen gemerkt, daß Kim gefunden worden war. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Jungen aus dem Lehm zu graben. Dann hatten sie ihn befreit. Rex Corda schaltete die Funkverbindung an Kims Kombination ein. Zum erstenmal nach langer Zeit konnten die beiden Brüder miteinander Kontakt aufnehmen. »Warte, du Lümmel!« sagte Rex Corda und hob drohend die Hand. Kim duckte sich. Die erwartete Ohrfeige blieb aus. »Habe ich dir nicht verboten, die ›Walter Beckett‹ zu verlassen?« »Es war wegen Wabash«, sagte Kim und schlug die Augen nieder. »Weißt du, daß er dir das Leben gerettet hat?« »Wabash?« »Ja. Ohne ihn hätten wir dich nicht so schnell gefunden.« Kim blickte nach oben. Er kniff die Augen zusammen und entdeckte den Spezialdiskus des weißen Delphins. »Wabash!« brüllte er aus Leibeskräften. Der Delphin hörte ihn nicht, konnte aber auf Grund schwacher telepathischer Impulse feststellen, daß die Rettungsaktion gelungen war. Oberst Polley kam mit seinem geschwärzten Diskus nach unten. Er nahm Kim und die Männer auf. Dann stieg der Diskus, in dem sich überall Nokis zusammendrängten, nach oben. Das kleine Spezialfahrzeug von Wabash folgte ihm. Sie rasten über eine Bergkuppe hinweg. Links von ihnen schimmerte die Wasserfläche des künstlichen Sees; rechts dehnte sich ein großer gelber Fleck aus. Rex Corda beugte sich über die Holografen. Er zog die Brauen zusammen. Er hatte erwartet, die schimmernde »Walter Beckett« zu sehen. Statt dessen sah er nur ein hantelförmiges gelbes Gebilde, auf dem meterhohe, sattgrüne Pflanzen wuchsen. »Wie Mandras!« keuchte Oberst Polley erschreckt. Rex Corda blickte kurz zur Seite. Oberst Polley hatte unbeabsichtigt die richtige Bezeichnung für
die Pflanzen gefunden. Sie hatten tatsächlich eine verteufelte Ähnlichkeit mit Alraunen. Zwei kräftige Luftwurzeln und nach unten gerichtete astartige Auswüchse endeten in einem Höcker, auf dem ein dichtes Büschel tiefroter, fleischiger Blätter saß. »Selbst die Hallenschleusen sind zugekleistert!« knurrte Oberst Polley. Rex Corda kaute auf seiner Unterlippe. »Nehmen Sie Kontakt mit dem Schiff auf«, sagte er ruhig. »Sie sollen die Schleusen öffnen.« Das war leichter gesagt als getan. Immer wieder versuchten es die Begleitoffiziere von Oberst Polley. Sie bekamen keinen Kontakt mehr mit dem terranischen Flaggschiff. Mehrmals umkreisten die Diskusraumer von Oberst Polley und Wabash den Doppelhügel aus gelbem Schlamm. »Sie wachsen verdammt schnell«, sagte Oberst Polley plötzlich. Er deutete auf die Pflanzen, die sich deutlich sichtbar immer weiter ausbreiteten. Ständig prasselten neue weiße Trichter auf die Oberfläche von Noki IV. »Oberst – wir müssen feststellen, woher sie kommen. Das hat verdammte Ähnlichkeit mit einer Invasion. Wir haben diese Welt nicht für die Nokis ausgesucht, um sie gleichzeitig durch eine Invasion in Gefahr zu bringen.« »Sie landen in freiem Fall«, meinte einer der terranischen Raumoffiziere, der inzwischen die Beobachtung übernommen hatte. »Dann schalten Sie die Ortungsgeräte auf höchste Intensität. Finden Sie heraus, aus welcher Gegend des Raumes die Trichter anfliegen.« Sekundenlang war nur das eintönige Geräusch des Antriebs zu hören. Dann meldete sich der Offizier wieder: »Wenn mich nicht alles täuscht, kommen die Trichter aus einer Gegend, in der sich augenblicklich der Planet Noki V befinden muß.« »Noki V?« fragte Rex Corda verblüfft. »Welche Daten haben wir über diese Welt?« »Nur ein paar Einzelheiten, die wir beim Eintauchen in dieses System automatisch aufzeichneten«, gab Oberst Polley zurück. »Lassen Sie den Diskus etwas weiter aufsteigen, damit die Messungen nicht durch die Lufthülle dieses Planeten beeinträchtigt werden.« Oberst Polley nickte stumm. Der Diskus schoß senkrecht nach oben. Die kleine Raumscheibe von Wabash blieb in der Nähe der »Walter Beckett« zurück. Dann erreichten sie die oberen Schichten der Lufthülle von Noki IV. Schnell stellten sie neue Messungen an. Dann wußten sie, daß die Vermutungen des Beobachtungsoffiziers richtig waren. Die Trichter kamen von Noki V… »Wir müssen zur ›Walter Beckett‹ zurück«, sagte Rex Corda und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Der Diskus mit den letzten geretteten Nokis raste wieder auf die Oberfläche von Noki IV zu. »Einen Moment noch!« sagte Rex Corda und hob die Hand. »Fliegen Sie einen Bogen um den Stausee. Ich möchte gern wissen, wo die anderen Nokis geblieben sind. Vielleicht entdecken wir sie.« Oberst Polley hob die Schultern. Er glaubte nicht daran. Sekundenbruchteile später kippte der Diskus nach links ab. Im scharfen Messerflug raste er an der nördlichen Kante des künstlichen Stausees vorbei. Gebirgszüge, felsige, mit gelben Flecken bedeckte Steinwüsten rasten auf den Holografen innerhalb des Diskus vorbei. Die Bilder erweckten den Eindruck eines zu schnell ablaufenden Films. Dann sah Rex Corda plötzlich, daß die gelben Flecken nach Norden hin nicht mehr so dicht nebeneinander lagen. Fünfzig Kilometer nördlich des Sees hörten sie ganz auf… »Fliegen Sie einen Großkreis«, sagte Rex Corda aus einer plötzlichen Eingebung heraus. Er hatte eine phantastische Idee. Der Diskus jagte jetzt in acht Kilometer Höhe in einem weiten Bogen nach Südwesten. Er bewegte sich direkt über den Randgebieten der gelben Flecken. Nur noch vereinzelt tauchten sie in großer
Entfernung vom See auf. Damit war für Rex Corda der Beweis erbracht, daß es zwischen dem See und dem Auftauchen der Trichter einen Zusammenhang gab. »Sie benutzen den von uns geschaffenen See als Zielmarkierung!« preßte er zwischen den Zähnen hervor. »Wir sind es gewesen, die die tödlichen Trichter angelockt haben…« Im diesem Augenblick stieß Oberst Polley ein grimmiges Knurren aus. Rex Corda fuhr zusammen. Mit verkniffenem Gesicht starrte Oberst Polley auf einen der Holografen. Sein Körper schnellte nach vorn. Dann holte er die höchstmögliche Vergrößerung aus dem Bild. »Ein abgestürzter orathonischer Hantelraumer!« keuchte er heiser. * In rhythmischen Abständen blinkten die großen Warnlampen auf. Die beiden zweihundert Meter großen Hantelkugeln erbebten. In der Zentrale der »Walter Beckett« befanden sich außer Kommandant Bekoval nur noch Percip, John Haick und der Kynother GaVenga. Der knabenhafte Semantiker mit seinen bis zum Kinn laufenden Augenbrauen beobachtete die Startvorbereitungen mit einem spöttischen Lächeln. Er wußte, daß es Ärger geben würde. Bekoval handelte mit dem Start der »Walter Beckett« nicht so, wie Rex Corda es von ihm erwartete. Auch der ehemalige Laktone und jetzige terranische Staatsbürger Fatlo Bekoval war sich dieser Tatsache bewußt. Trotzdem hatte er im Augenblick die Verantwortung für fast dreihundert Laktonen und Terraner an Bord der »Walter Beckett«. Er konnte nicht zulassen, daß das große Raumschiff immer mehr vom gelben Bakterienschlamm eingeschlossen wurde. Sie waren blind und konnten nichts mehr von ihrer Umwelt sehen. Bekoval war ein ehemaliger laktonischer Offizier. Er kämpfte nicht gern im dunkeln. Er mußte wissen, womit er es zu tun hatte. Nur deshalb war er bereit, die »Walter Beckett« starten zu lassen. »Antrieb auf 0,3 Prozent!« kommandierte Bekoval. Automatisch wurde sein Befehl weitergegeben. Die großen BordComputer ließen vorprogrammierte Magnetstreifen in ihren Eingeweiden anlaufen. Andruckneutralisatoren heulten auf. Warnsignale gellten vibrierend durch das Schiff. Bekoval legte die Arme auf die Lehnen eines Pneumosessels. Sein massiger untersetzter Körper hing schwer in den Polstern. Dann hörte er einen neuen ungewohnten Ton. Es klang wie ein zwitscherndes Singen und verstärkte sich zu einem unerträglichen Geräusch. Bekoval biß seine rötlichen Zähne zusammen. »0,5!« keuchte er. Ein Ruck ging durch die »Walter Beckett«. Er wurde sofort von den Andruckneutralisatoren aufgefangen. Auf seinen Instrumenten konnte Bekoval feststellen, daß die »Walter Beckett« mit einer Anfangsgeschwindigkeit von sechshundert Metern pro Sekunde senkrecht nach oben schoß. Der rote Pfeil auf der Gravitationsskala bewegte sich leise zitternd nach links. Bekoval warf GaVenga einen triumphierenden Blick zu. Stolz richtete er sich auf. Die »Walter Beckett« war aus dem saugenden Schlamm freigekommen, obwohl noch immer eine dicke Schicht aus Milliarden von Bakterien das Raumschiff einhüllte. Bekoval beabsichtigte, mit der »Walter Beckett« in die Kälte des Raumes vorzustoßen. Er glaubte, daß die Minustemperaturen die »Walter Beckett« desinfizieren würden. Noch ahnte er nicht, daß er sich irrte. * Das Jaulen des Antriebs nahm ab. Die Bedienungsoffiziere hatten den Diskus direkt neben dem Wrack des Hantelraumers aufsetzen lassen. Es gab nur eine einzige Stelle, an der das möglich war: die Randzonen eines gelben Flecks… Rex Corda und die ihn begleitenden Offiziere hatten Raumanzüge angelegt. Oberst Polley hielt sich bereit, um gegebenenfalls sofort eingreifen zu können. Dann sprangen die Männer in den an den Randzonen fester werdenden Schlamm. Sie stampften auf das zerstörte Wrack des Hantelraumers zu. Der Verbindungssteg zwischen den beiden großen Hantelkugeln war zerbrochen. Verbrannte Verstrebungen und total zerschmolzene Verbindungsgänge ragten zwischen den Felswänden einer schmalen Schlucht nach oben.
Bizarr verdrehte Kabelreste und weiße, pulverisierte Asche gaben dem Wrack etwas Unheimliches. »Das hat niemand überlebt«, sagte Rex Corda, während sie auf das Wrack zustampften. Das Suchkommando stand mit Rex Corda über Helmfunk in Verbindung. Die Männer hatten nicht viel zu tun. Die Verstrahlung des Wracks war ungewöhnlich stark. Selbst der Antrieb mußte bei der gewaltigen Detonation während des Absturzes total zerstört worden sein. Rex Corda bereitete sich darauf vor, so schnell wie möglich zur »Walter Bekkett« zurückzukehren. Jetzt war es Zeit, daß sie diesen Planeten verließen. Nachdenklich starrte Rex Corda auf das Wrack. Wie kam es hierher? Was suchte es auf einem entlegenen Planeten, der nicht zum orathonischen Einflußbereich gehörte? Rex Cordas Augen verengten sich, als er über die merkwürdigen Zusammenhänge nachdachte. Es gab nur einen einzigen Orathonen, der ein Interesse daran haben konnte, die Spur der »Zeitlosen« zu verfolgen: Sigam Agelon! Aber wie konnte der orathonische Flottenkommandeur bis hierher vorgedrungen sein? Rex Corda blickte zum Diskus zurück. Die Aufnahmekameras der schwarz schimmernden Scheibe waren auf das Wrack gerichtet. Da kehrten auch schon die Männer des Suchkommandos zurück. Rex Corda drehte sich um und ging zum Diskus zurück. Im gleichen Augenblick blieb er wie vom Schlag getroffen stehen. Er starrte auf den Fels am Rande des gelben Flecks. Das absurde, bizarr wirkende Muster auf dem glatten Stein faszinierte ihn. Langsam ging er auf die Zeichnung zu. Sie bestand aus vielfarbigen geometrischen Figuren, die ineinander verschlungen auf dem Fels erschienen. Rex Corda fühlte sich hypnotisch angezogen. Er näherte sich immer mehr dem Farbmuster. Es sah aus, als sei es mit Säure in das Gestein eingebrannt worden. Dann erfaßte ihn ein grauenhafter Sog. Verzweifelt wehrte er sich gegen den ziehenden Strom, der ihn zu vernichten drohte. Er ballte die Fäuste. Das Blut hämmerte in seinen Schläfen. Er wollte nicht näher gehen – und doch besaß er nicht die Macht, seinen Blick von dem Teufelsmuster zu lösen. Er fühlte, wie sein Körper plötzlich leicht wurde. Er stemmte sich gegen das Fremde, das nach seinem Geist griff. Immer wieder biß er sich auf seine Lippen. Blut rann über sein Kinn. Seine Augenlider flatterten, während sein Körper von wilden, unkontrollierten Zuckungen geschüttelt wurde. Er war nicht mehr er selbst… Fieberschauer rasten über seinen Rücken. Die Farbflecken verdichteten sich. Dann begannen sie mit einer tänzelnden Bewegung. Rex Corda glaubte Stimmen zu hören. Sie näherten sich, wichen zurück, fielen erneut über seinen Geist. Sein Körper krümmte sich zusammen. Er fiel auf die Knie. Ruckartig zuckten seine Arme nach vorn. Seine Hände in den Handschuhen seines Raumanzuges krallten sich um scharfe Felskanten. Mit dem letzten Funken Verstand wehrte er sich gegen die unheimliche Anziehungskraft des funkelnden, schimmernden Musters. Er schrie! Er bäumte sich auf. Er wollte zurück! Er haßte das Muster. Die Farbflächen ekelten ihn an. Und doch liebte er sie! Er verzehrte sich nach ihnen. Er wollte näher bei ihnen sein. Mit einem gequälten Aufschrei erreichte er die Felsplatte. Noch einmal bäumte er sich auf. Zitternd glitten seine Finger über das Muster. Ein gequältes Stöhnen entrang sich seiner Brust. Dann brach sein Widerstand zusammen. * Wabash kämpfte um sein Leben. Der plötzliche Start der »Walter Beckett« riß sein winziges scheibenförmiges Raumfahrzeug zur Seite. Der Sog erfaßte ihn und ließ den Diskus wie ein welkes Blatt zum See hin taumeln. Wabash knallte seinen Stirnhöcker gegen die Kontrollplatten. Nur wenige Meter über der Wasserfläche fing er den Diskus ab. Er raste mit hoher Geschwindigkeit nach Norden. Zu spät entdeckte er das Hindernis. Der Diskus zerfetzte das glitzernde, kaum wahrnehmbare Netz aus DracoFäden über den beiden Schwimmbaggern. Wabash schnellte nach vorn. Seine Stirn knallte gegen eine Kontaktplatte. Sofort hob sich der Diskus fast senkrecht nach oben. Der See unter ihm wurde immer kleiner. Wabash versuchte, den
Holografen auf Vergrößerung zu stellen. Dann sah er, wie ein halbes Dutzend Trichter über die Schwimmbagger herfielen. Sie platzten auf! Weißgelbe Wolken stiegen auf. Wabash senkte den Diskus nach links. Dann sah er die »Walter Beckett«. Das hantelförmige Raumschiff schimmerte gelblich im blassen Licht der erkaltenden Sonne des NokiSystems. Der weiße Delphin betätigte die Kontaktplatte für das Öffnen der Schleuse, hinter der sich der Hangar für seinen Spezialdiskus befand. Verständnislos erkannte er, daß sich auf dem gelblichen Belag der »Walter Beckett« nichts änderte. Die Schleuse öffnete sich nicht! Immer wieder versuchte Wabash, Kontakt mit der »Walter Beckett« zu bekommen. Er gelang ihm nicht. Er blickte mit seinen klugen Augen auf die Anzeigegeräte, die von laktonischen Wissenschaftlern unter Zuhilfenahme des Semantikers GaVenga speziell für ihn geschaffen worden waren. Sie zeigten ihm, daß die Sauerstofftanks im Diskus vor seinem Abflug nicht gefüllt worden waren. Der lebensnotwendige Sauerstoff war nahezu verbraucht. Er mußte so schnell wie möglich in sein Bassin an Bord der »Walter Beckett« zurück, wenn er nicht ersticken wollte. Er versuchte, in engen Schleifen um das hantelförmige Raumschiff herumzufliegen. Sie mußten ihn sehen! Sie mußten ihn sehen! Sie mußten bemerken, daß er sich in Not befand. Er war davon überzeugt. Trotzdem geschah nichts, um ihm zu helfen. Verlassen hing Wabash in der Nähe der »Walter Beckett«. Sie hatten ihn vergessen. * Er zitterte am ganzen Körper. Übelkeit wallte in ihm auf. Bebend wagte er den letzten Versuch. Er riß seinen Geist aus den Klauen der unheimlichen Macht. Seine emphatischen Fähigkeiten halfen ihm. Nur so gelang es, die überstarke hypnotische Ausstrahlung des Musters zu bezwingen. Am ganzen Körper zitternd griff er nach seinem Strahler. Er riß ihn hervor. Dann richtete er die Mündung der Waffe auf den Fels. Voller Genugtuung registrierte er die totale Zerstörung des Musters. Schwarzbraune Rauchwolken quollen aus dem Fels. Das Muster war nicht menschlich. Es lebte nicht. Noch während er den Fels verbrannte, wußte er, daß er damit Symbole und Zeichen einer fremden Intelligenz vernichtete. Die Männer vom Suchkommando erreichten ihn. Verblüfft starrten sie ihren zitternden Oberbefehlshaber an. Rex Corda verzog sein Gesicht zu einen schiefen Lächeln. »Es hatte mich erwischt!« erklärte er. »Nur gut, daß keiner von Ihnen es gesehen hat.« »Was hatte Sie erwischt, Sir?« fragte einer der Offiziere. Rex Corda richtete sich auf. Er blickte dem Mann in die Augen. Er antwortete nicht. Er drehte sich abrupt um und marschierte durch den lehmigen Schlamm zum Diskusraumer zurück. Die Schleusen wurden geöffnet. Dann ließen sich die Männer mit heißen Dampfstrahlen desinfizieren. Sie warteten, bis der gelbliche Schlamm sich in ein feuchtes, schwarzbraunes Pulver verwandelt hatte, das nach kurzem Abklopfen auf den Boden der Schleuse fiel. Rex Corda beachtete alle nur denkbaren Vorsichtsmaßregeln. Er konnte es nicht riskieren; daß die Nokis innerhalb des Diskus ebenfalls verseucht wurden. Sie waren unter Umständen die einzigen, die von den knapp fünfhunderttausend geretteten Nokis am Leben erhalten werden konnten… Oberst Polley und Kim erwarteten ihn bereits. »Nichts«, sagte Rex Corda kurz, »das Wrack ist total zerstört.« »Sind Hinweise gefunden worden, die auf die Herkunft hindeuteten?« »Ein Orathonenschiff«, nickte Rex Corda. »Das ist alles.« Er merkte an dem Blick, mit dem der Oberst ihn ansah, daß auch er seine eigenen Vermutungen hatte. Er brauchte es nicht auszusprechen. Sie alle ahnten, daß Sigam Agelon diesem System einen Besuch abgestattet hatte. Aber warum war der Hantelraumer auf Noki IV gestrandet? Wo waren die anderen Schiffe aus dem
Gefolge von Sigam Agelon? Rex Corda ließ sich in einen Pneumosessel fallen. »Die ›Walter Beckett‹ ist gestartet!« berichtete Oberst Polley. »Gestartet?« lachte Rex Corda trocken. »Das soll wohl ein Witz sein!« »Nein, Sir. Wir haben auf unseren Instrumenten deutlich ausgemacht, daß die ›Walter Beckett‹ mit ziemlich geringem Schub von ihrem Landeplatz abhob.« »Ohne uns?« wunderte sich Rex Corda. »Und ohne den Diskus des Delphins«, nickte Oberst Polley. »Dann los – wir fliegen ihr nach! Ich glaube nicht, daß Bekoval unverantwortlich handelt. Vergessen Sie nicht, daß wir keinerlei Funkverbindung mit dem Hantelraumer haben. Wir werden ihm folgen! Wissen Sie die Richtung?« »Natürlich«, sagte Oberst Polley. »Der Hantelraumer steht etwa zweitausend Kilometer über Noki III. Ich glaube, sie erwarten uns.« Rex Corda nickte. Das war das Zeichen zum Start. Der Diskus jagte senkrecht nach oben. Fünfundvierzig Sekunden später hatten sie den Standpunkt der »Walter Beckett« erreicht. Der gelbschimmernde Hantelraumer stand jetzt nur knapp zweihundert Meter von ihnen. »Versuchen Sie noch einmal, über Funk Kontakt aufzunehmen.« »Zwecklos«, sagte Oberst Polley. »Das haben wir immer wieder versucht.« »Dann müssen wir uns den Eingang in die Schleusen eben freischießen!« sagte Rex Corda hart. Oberst Polley blickte ihn verblüfft an. »Ist das ihr Ernst?« »Mein völliger Ernst. Feuer frei auf Hangarschleuse 12!« Die Offiziere zögerten sekundenlang. Dann sahen sie das kalte Funkeln in den Augen von Rex Corda. Der Präsident meinte es ernst. Hart preßte der Waffenoffizier seine Daumen auf die Feuerknöpfe. Blutrote Energiestrahlen schossen auf die »Walter Beckett« zu. An den Rändern waberten die Lichtfinger in gelbliche Feuerfetzen auseinander. Rex Corda saß vollkommen gerade in seinem Pneumosessel. Er wußte genau, was er tat. Nur um Oberst Polleys Mundwinkel lief ein verräterisches Zucken. Er konnte es noch nicht ganz verstehen: Der Präsident der Erde griff sein eigenes Flaggschiff an… * Krachend sausten die breiten stahlgrauen Abdeckplatten von den Sicherungskästen. Alexander Bangwe saß wie erstarrt vor den Kontrollgeräten der Funk und Ortungszentrale. Seine Geräte spielten verrückt! Überall zischte und blitzte es. Blaue Stichflammen schossen aus den Ritzen zwischen zwei Elektronikeinschüben. Alexander Bangwe ließ sich zurückfallen. Er kauerte sich hinter seinem Pneumosessel zusammen und starrte mit weitaufgerissenen Augen auf den totalen Zusammenbruch. Für Sekundenbruchteile gellte ein schrilles Zwitschern aus den Lautsprechern. Dann schwiegen die Geräte wieder. Knisternd verschmorten armdicke Kontrollkabel. Der widerliche Gestank nach verbranntem Gummi und zu viel Ozon in der Luft trieb Alexander Bangwe zurück. Mit dem Rücken knallte er gegen eine Verbindungstür. Sie wurde aufgerissen, während zwei Offiziere in den Raum stürzten. »Was ist hier los?« brüllte einer der Männer. Bangwe hob die Schultern. Er war vollkommen verstört. »Ich weiß es nicht!« keuchte er. »Es begann urplötzlich und ohne Vorwarnung.« Da entdeckte er den nicht eingeschalteten Hebel der automatischen Feuerlöschanlage. Er stürzte nach vorn und riß den Hebel zur Seite. Sofort wurde innerhalb der Funkzentrale der Einfluß der Antigravitationsautomaten ausgeschaltet. Schwerelosigkeit herrschte innerhalb der großen Halle. Die beiden Offiziere segelten mit verrenkten Gliedern bis zur Decke hinauf. Trotzdem hatte
Alexander Bangwe sein Ziel erreicht, die Flammen des Feuers konnten nicht mehr aufsteigen. Verbrennungsgase löschten die Feuerherde innerhalb von Sekunden. Diese Methode der Feuerbekämpfung war wesentlich wirksamer als jede andere. Alexander Bangwe schaltete die normale Gravitation wieder ein. Die beiden Offiziere knallten auf den Boden zurück. Einer von ihnen hob die Hand und tippte gegen seine Stirn. Es sah aus, als wollte er sich auf Alexander Bangwe stürzen. Der Negeroffizier hob mit einem entschuldigenden Grinsen die Schultern. »Tut mir leid, meine Herren! Feuer ist Feuer. Die entsprechenden Bestimmungen kennen Sie.« »Ja«, nickte einer der beiden Offiziere. »Wir wissen aber auch, welche Strafe darauf steht, wenn jemand ohne Vorwarnung die Gravitation innerhalb einer Sektion der ›Walter Beckett‹ verändert.« »Das ist mir im Augenblick gleich«, meinte Bangwe lächelnd. »Die Feuerbekämpfung hat Vorrang. Und nun möchte ich Sie bitten, meine Arbeitsräume wieder zu verlassen!« Fluchend fügten sich die beiden Offiziere dem mit Nachdruck vorgetragenen Wunsch des Negers. Gegen diese Argumentation konnten sie nichts machen. Alexander Bangwe stürzte sich sofort wieder auf seine Geräte. Er wollte wissen, was passiert war. Ein neuer Energieschock erschütterte die »Walter Beckett«. Sofort fingen die Andruckneutralisatoren die gewaltige Belastung auf. Trotzdem zuckte Alexander Bangwe zusammen. Was, zum Teufel, konnte hier über Noki IV der »Walter Beckett« gefährlich werden? Er wußte es nicht. Er reagierte vollkommen normal. Für eine lange Schrecksekunde dachte er daran, daß die NokiSonne endgültig zusammenbrach. Aber dann schob er diese Idee wieder von sich. Er glaubte an das Auftauchen einer neuen, bisher unbekannten Macht. Nicht im Traum wäre er auf die Idee gekommen, daß der Oberbefehlshaber der »Walter Beckett« das terranische Flaggschiff mit Energiestößen eindeckte. Er wäre jederzeit bereit gewesen, für diese Überzeugung beide Hände ins Feuer zu legen… Bangwe gehörte nicht zu den ängstlichen Typen. Furcht, Angst und Kleinmut waren Vokabeln, die in seinem Wortschatz nicht auftauchten. Aber er wunderte sich. Er fragte sich, warum das Gellen der Alarmsirenen ausblieb. Er wollte wissen, warum niemand in der Zentrale der »Walter Beckett« daran gedacht hatte, die übrigen Besatzungsmitglieder vom Auftauchen der neuen Gefahr zu warnen. Er hielt dieses Versäumnis für einen schwerwiegenden Fehler von Fatlo Bekoval. Der stämmige Neger blies ein paar Staubteilchen von den Schulterstreifen seiner Uniform. Er achtete darauf, stets tadellos gekleidet zu sein. Er zog die Stirn hoch, bis sich eine schmerzhafte Falte zwischen seinen Brauen bildete. Irgend etwas stimmte hier nicht! Er war entschlossen, es herauszufinden. Es stand ihm nicht zu, die Beschlüsse und Aktionen des Führungsstabes zu kritisieren. Trotzdem glaubte er, ein Recht auf Information zu haben. Als diensthabender Offizier in der Funk und Ortungszentrale der »Walter Beckett« durfte er nicht abseits stehen. Er mußte wissen, was gespielt wurde. Ärgerlich ließ er sich vor den Ortungsgeräten in einen Pneumosessel fallen. Er blickte auf die erloschenen Kontrollampen und auf die auf Null zurückgekippten Zeiger. Für ihn gab es nichts Trostloseres als eine Funkstation, die nicht arbeitete. Ohne Ausnahme gab es bei allen Geräten tote, leblose Sektionen. Diese Tatsache schmerzte Alexander Bangwe. Er war es gewöhnt, daß Signallampen aufblinkten, Meßbalken ihre Farbe veränderten und Zeiger vibrierten. All das war durch den unverständlichen Zwischenfall nicht mehr gegeben. Alexander Bangwe entschloß sich, mit der Zentrale Kontakt aufzunehmen. Er beugte sich nach vorn. Dann schaltete er den Bordholografen ein. Für Sekundenbruchteile huschte ein verzerrtes, flackerndes Bild über die vordere Begrenzungsscheibe des Holografen. Dann schälte sich die Gestalt des Kommandanten plastisch und absolut wirklichkeitsgetreu heraus. Alexander Bangwe starrte auf den breiten Rücken von Fatlo Bekoval. Der ehemalige Laktone konnte seine Herkunft nicht verleugnen. Obwohl er jetzt die terranische Staatsbürgerschaft besaß, würde er immer wieder als Laktone erkennbar sein. »Funk und Ortungsstation an Zentrale«, sagte Alexander Bangwe nach einem kurzen Räuspern. »Die Geräte sind zu 80 Prozent ausgefallen. Erbitte Anweisungen.«
Bekoval schwang herum. Er starrte den Neger an. »Dann reparieren Sie gefälligst die schadhaften Sektionen!« »Das kann Stunden dauern«, gab Bangwe zurück. »Ich brauche Hilfe.« Bevokal verzog sein Gesicht. Dann preßte er zwischen seinen rötlich gefärbten Zähnen hervor: »Ich schicke Ihnen John Haick. Außerdem weise ich Ihnen drei Arbeitsroboter der Ba3Klasse an. Sind Sie damit zufrieden?« »Natürlich!« grinste Bangwe. Seine vollen, fleischigen Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Bekoval wußte nicht, was er davon halten sollte. Er hatte andere Probleme. Bangwe stand auf. Dann begann er, einen Einschub nach dem anderen aus den Seitenwänden der Funkstation zu ziehen. Die Anlagen waren nach dem Baukastensystem errichtet worden. Fiel ein schadhaftes Teil aus, konnte es durch ein völlig neues Segment ersetzt werden. Nach und nach zerpflückte Bangwe auf diese Art die Funkstation in ihre Einzelteile. Der Stapel der schadhaften kastenförmigen Bauteile in der Mitte des Raumes wurde immer größer. Nur ein einziges Funkgerät arbeitete noch. Alexander Bangwe überlegte, ob er auch hier die Einschübe auswechseln sollte, als plötzlich das helle Lachen eines Jungen aus den Lautsprechern kam. Bangwe, der sich voll auf das Auswechseln der zerstörten Teile konzentriert hatte, zuckte zusammen. Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Dann starrte er auf die geriffelte Abdeckplatte des Lautsprechers. »Wabash ist drin!« jubelte die Stimme von Kim Corda. Nachdenklich hob Alexander Bangwe die rechte Hand und strich sich über sein schwarzes Kraushaar. Es dauerte eine ganze Weile, bis er kapierte. Dann richtete er sich plötzlich zu seiner vollen Größe von hundertundachtundneunzig Zentimetern auf. Seine Augen strahlten. Sofort stürzte er wieder zum Bordholografen und schaltete ihn ein. »Der Delphin ist zurückgekehrt!« brüllte er Fatlo Bekoval an, der erschreckt einen halben Schritt zurückwich. »Wabash ist im Schiff«, fragte Bekoval verdutzt. »Unmöglich!« »Kim Corda hat es gesagt.« »Ich denke, Ihre Station ist total ausgefallen.« »Ich habe es trotzdem gehört. Es war eindeutig die Stimme von Kim Corda.« Ein kaum wahrnehmbares Schleifgeräusch zitterte durch die unteren Etagen der linken Hantelkugel. Sowohl Bekoval als auch Alexander Bangwe hatten es gehört. Bangwe stürzte zum Holografen. Er unterbrach die Verbindung mit Bekoval und schaltete auf die Hangars um. Dann sah er den Diskus. Langsam schlossen sich die großen Schleusentore. Zischend füllte neue Luft aus gewaltigen Tanks die Schleuse. Farblose heiße Schlieren stiegen von der Unterseite des Diskus über die Ränder der Scheibe nach oben. Die Hitze flimmerte in der Gegend der Antriebsdüsen besonders stark. Bangwe blickte gebannt auf die Außenhülle des Diskus. Er war über und über mit schimmernden Kratzern bedeckt. Er wußte, daß es der Diskus von Oberst Polley war. Er ahnte nicht, daß die Zerstörungen innerhalb der Funk und Ortungsstation durch die Bordwaffen dieses Raumfahrzeugs hervorgerufen worden waren. Bangwe preßte die Lippen zusammen. Er erinnerte sich an die Erklärung Fatlo Bekovals, nach der die Schleusen der »Walter Beckett« nicht mehr geöffnet werden konnten. Trotzdem war der Diskus von Oberst Polley in den geräumigen Bauch einer Hantelkugel eingedrungen! Alexander Bangwe kratzte sich nachdenklich am Kinn. Dann sah er die Nokis. Sie quollen zu Dutzenden durch den engen Ausstieg der Raumscheibe. Bangwe hatte plötzlich eine entsetzliche Version. Er erinnerte sich all dessen, was in den letzten Stunden geschehen war. Er wußte, daß die Nokis Amok liefen. Und jetzt war es diesen Nokis gelungen, mit Hilfe eines Diskusraumers in die » Walter Beckett« einzudringen… Alexander Bangwe reagierte schnell. Seine rosige Handfläche klatschte auf einen versiegelten Hebel. Damit löste er die höchste Alarmstufe innerhalb der »Walter Beckett« aus.
*
Mit steifen mechanischen Bewegungen kletterte der total übermüdete Oberst Polley aus dem Diskus.
Seine von roten Äderchen durchzogenen Augen blickten müde in der vertrauten Halle herum. Er war
zurückgekehrt.
Oberst Polley war zu erschöpft, um zu lächeln. Er spürte aber, daß die »Walter Beckett« auch ihm eine zweite Heimat geworden war. Er richtete sich auf und wartete auf den Präsidenten. Auch Rex Corda hatte tiefe Schatten unter den Augen. Die angespannte Haut seines markanten Gesichtes glänzte leicht. Dann sprang Kim Corda aus dem Diskus von Oberst Polley. Er lief hinter seinem Bruder her. Hastig deutete er auf einen Verbindungsgang, der zu einer kleineren, versteckt angelegten Halle führte. Rex Corda nickte. Kim rannte über die Bodenplatten des Hangars. Mit geschickten Handbewegungen öffnete er die getarnte Metalltür, hinter der sich der kleine Hangar für den Diskus von Wabash befand. Kim schaltete die Deckenstrahler ein. Er stieß einen jubelnden Ruf aus. Wabash war in die »Walter Beckett« zurückgekehrt! Kim lief bis zu der großen Röhre, die den Diskus von Wabash mit seinem Bassin verband. Er preßte seine sommersprossige Nase gegen die durchsichtige Röhre aus Panzerplast. Schäumend schoß ein dicker Wasserstrahl in die Röhre. Sie füllte sich. Schleusen gaben den Weg für Wabash frei. Der weiße Delphin schoß mit einer tänzelnden Bewegung aus seinem Diskus. Während er durch die Röhre jagte, fing Kim einen telepathischen Begrüßungsruf von Wabash auf. Gleichzeitig versuchte der Junge, seinem Freund und Helfer das Gefühl von Dankbarkeit zu übermitteln. So schnell wie möglich lief Kim am Verbindungsrohr entlang zu Wabashs Bassin. Er riß seinen Raumanzug vom Körper und schlüpfte dann in die Badehose. Schnell schnappte er sich ein kleines Tauchgerät und hängte es über seine Schultern. Dann kletterte er über den Rand des Bassins und ließ sich ins Wasser plumpsen. Wabash war sofort bei ihm. Nichts und niemand konnte die beiden jetzt trennen. Sie waren glücklich, daß sie wieder Zusammensein konnten. Kim faßte die Rückenfinne des Delphins. Dann begann eine wilde verspielte Jagd durch das Bassin. Sie tummelten sich noch im Wasser, als Rex Corda erschien. Lächelnd blickte der Präsident auf Kim und den intelligenten Delphin. Er wollte nicht daran denken, was mit Kim ohne die Hilfe von Wabash geschehen wäre… * Die »Walter Beckett« beschleunigte nur kurz. Für den Hantelraumer war die Entfernung zwischen Noki IV und und Noki V kaum mehr als ein Katzensprung. Bekoval brauchte nicht einmal auf ein Prozent der Leistung zu gehen. Dann begann bereits wieder die Abbremsung. »Ein Mond!« sagte Percip zu Bekoval. Der Kommandant nickte: »Von hier kommen also die verdammten Trichter, die die Nokis umbringen.« Rex Corda hatte sich für zwei Stunden zurückgezogen. Für die kurze Dauer des Fluges von Noki IV nach Noki V gönnte er allen Männern, die länger als vierundzwanzig Stunden im Dienst waren, eine Ruhepause. Er selbst war zweiunddreißig Stunden ohne Schlaf gewesen, als er sich in seinen Räumen unter die Dusche stellte und anschließend auf eine Pneumoliege fallen ließ. Trotzdem hatte er lange nicht einschlafen können. Die Sorge um die Nokis hielt ihn wach. Sie mußten unter allen Umständen herausfinden, wie die Invasion durch die Trichter gestoppt werden konnte. Das war ihre vordringlichste Aufgabe, wenn sie die Nokis retten wollten. In einer kurzen Aussprache mit Bekoval billigte der Präsident nachträglich das Vorgehen des Kommandanten. Sie kannten inzwischen ihren Feind. Die Bakterien, die Blauköpfe und die Mandra Pflanzen gehörten zusammen. Trotzdem gab es für Rex Corda ein paar Einzelheiten, die einfach nicht zusammenpassen wollten. Rex Corda wußte, daß es keinen Zweck hatte, wenn er sich jetzt sein Hirn nach einer Lösung zermarterte. Obwohl er vollkommen übermüdet war, mußte er sich zum Einschlafen zwingen. Die »Walter Beckett « näherte sich Noki V. Bekoval, Percip und GaVenga kontrollierten von der Zentrale aus den Anflug, während an der Außenhülle der »Walter Beckett« sechzig Offiziere damit beschäftigt waren, die
gelbliche Bazillenschicht zu verbrennen. Weder die starke Beschleunigung noch die Kälte des Raums hatten die Bazillen töten können. Zusammen mit dem gelben Schlamm hafteten die Wahnsinnsbazillen noch immer an der »Walter Beckett«. Es war eine mühsame, langwierige Aufgabe, die BeconHülle des Hantelraumers zu säubern. Breite Energiefächer strichen nach einem elektronisch ausgearbeiteten Plan über die mit Becon verstärkte Hülle der »Walter Beckett«. Hent Marat hatte das Kommando für die Säuberungsaktion übernommen. Er und alle anderen Offiziere außerhalb der schützenden Hantelkugeln waren mit kleinen Geräten versehen worden. Nur mit Hilfe der scheibenförmigen Synchronizer konnten die arbeitenden Männer plötzlich auftretende Geschwindigkeitsveränderungen der »Walter Beckett« überstehen. Ohne die Synchronizer wären sie bereits bei der geringsten Kurskorrektur durch ihre eigene Trägheit von der Außenhülle des Hantelraumers weggerissen worden. So aber wirkten die Synchronizer als Verbindungsglieder zu den Schwerkraftneutralisatoren im Innern der »Walter Beckett«. Kurz vor dem Eintauchen in die Lufthülle von Noki V konnte Hent Marat die Vollzugsmeldung an Bekoval abgeben. Die Männer kehrten ins Schiff zurück. Bekoval ordnete die Landung auf Noki V an. Der Planet wies nichts auf, was auf eine technische Zivilisation schließen ließ. Da die Funk und Ortungsstation inzwischen wieder hundertprozentig arbeitete, gelang es John Haick, die ersten Analysen noch vor der Landung auf Noki V an die Zentrale durchzugeben: »Noki V ist mit dreitausend Kilometer Äquatordurchmesser etwa halb so groß wie die Erde. Daher auch die auffällige Abplattung an den Polen. Luft atembar, aber ziemlich kalt. Nur 20 Prozent Sauerstoff und mehr als 5 Prozent Edelgase. Rest Stickstoff. Temperaturen auch am Äquator nur wenige Grade über Null.« Bekoval blickte auf die Holografen. Bisher sah er nur ein scheckiges, braun wirkendes Muster, das an verschiedenen Stellen der Äquatorgegend besonders deutlich hervortrat. Nach Norden und Süden hin nahm es ab. Er schaltete die Vergrößerungen ein. Fast augenblicklich wurde das Bild deutlicher. Die scheckigen braunen Flecken erwiesen sich als unterschiedlich dicht bewachsene Regionen zwischen kahlen, hoch aufstrebenden Felsen. Es waren die gleichen rot und grün gefärbten Mandras wie auf Noki IV… »Ein hübscher Dschungel!« kommentierte der zwergenhafte Kynother GaVenga. Bekoval nickte abwesend. Der Vegetationsstreifen in der Äquatorgegend war nur knapp dreihundert Kilometer breit. Er war zerrissen und wurde immer wieder von aufragenden Felsgruppen unterbrochen. Schmale Flüsse glitzerten im Licht der schwachen Sonne. Sie strebten in eckigen Windungen einem Südozean zu, der in der Polgegend vereist war. Das obere Drittel der nördlichen Halbkugel war ein einziger gelber Fleck. Bekoval schüttelte sich. Angewidert verzog er sein Gesicht. »Wenn das da unten ein Meer aus Bakterien ist, verzichte ich auf eine Landung auf der Nordhalbkugel.« »In der Äquatorgegend sieht es besser aus. Dort gib es keine gelben Flecken«, meldete sich John Haick aus der Funkzentrale. Bekoval nickte. Er beobachtete die vorbeiziehenden Bilder innerhalb der Holografen, die so plastisch waren, als würde die »Walter Beckett« in drei Kilometer Höhe über dem Planeten fliegen. Augenblicklich stand der Hantelraumer am Rande der bis in sechshundert Kilometer Höhe reichenden Lufthülle. »Da!« sagte Bekoval plötzlich. »Auf diesem Tafelberg werden wir landen. Das Plateau ist fast einen Kilometer breit und liegt gut achthundert Meter über dem Dschungel.« Jetzt sahen auch Percip und GaVenga den merkwürdigen Berg. Wie ein Kegelstumpf ragte er aus der rotgrünen urwaldähnlichen Pflanzenlandschaft, die nur aus Mandras bestand. Percip bereitete die Landung vor. Bekoval verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und stand mit gespreizten Beinen vor den Kontrollen. Langsam senkte sich der Hantelraumer nach unten. Die Elektronik brachte die »Walter Beckett« exakt bis zum Zentrum des Plateaus. Von hier aus konnten
sie kilometerweit nach allen Seiten sehen. Im Westen und im Osten erhoben sich steile, an den Gipfeln mit weißen Kappen versehene Berge. Nach Norden und Süden hin schlossen ringartige Gebirgswälle das weit ausgedehnte Tal ein. »Ein Kessel von fast zwanzig Kilometer Durchmesser«, meinte Percip mit einem Blick auf die von der Ortungszentrale übermittelten Daten. Die »Walter Beckett« stand jetzt knapp hundert Meter über dem Plateau. Feurige Flammenbalken hüllten den Felskegel ein. Langsam senkte sich der massige Hantelraumer nach unten. Nicht der leiseste Ruck war zu spüren, als das Flaggschiff der terranischen Raumflotte auf der Oberfläche von Noki V aufsetzte. Das ständige Vibrieren setzte aus. Der Antrieb verstummte. Schweigen erfüllte die Zentrale. Der plötzliche gequälte Aufschrei kam aus dem Mund von Percip. Er gellte noch in den Ohren von Bekoval, als Percip bereits nach vorn stürzte. Im gleichen Augenblick tauchte auf einem Holografen das gehetzt wirkende Gesicht von John Haick auf. »Raumschiffwracks!« stieß er heiser hervor. »Hunderte von zertrümmerten Hantelraumern…« »Die Pflanzen!« keuchte Percip. »Dort – die Wracks, völlig überwuchert!« Bekoval starrte auf die Holografen. Der bei der Landung aufgewirbelte Staub senkte sich in Schleiern über die Mandras. Die Pflanzen bewegten sich nicht. Bekoval war der dritte Mann an Bord der »Walter Beckett«, der die Wracks der Hantelraumer entdeckte. Aber er sah noch mehr: Deutlich erkannte er orathonische Markierungssymbole auf einem zerfetzten, pflanzenüberwucherten Wrackteil. »Die Gefiederten waren also auch hier!« flüsterte er mit tonloser Stimme. * Er fiel ins Nichts. Immer tiefer – immer schneller: Unendlichkeit! Spiralen kreisten vor ihm. Farbige, pulsierende Spiralen. Sie drehten sich ineinander, dehnten sich aus und schrumpften wieder zusammen. Es gab keinen Halt, keinen festen Punkt, an den er sich klammern konnte. Er suchte weiter. In diesem Moment brach eine Springflut infernalischer Schmerzen über seinem Geist zusammen. Sein Bewußtsein erwachte. Sofort zuckte es zurück. Die Schmerzen waren tausendfach stärker, wenn er sie bewußt erlebte. An der Grenze zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein taumelte sein Ich verzweifelt hin und her. Etwas stieß ihn nach oben. Schlagartig spürte er seinen Körper. Alle Fasern seines Leibes waren bis zum Zerreißen gespannt. »Gefahr!« brüllte es in ihm. Es war die Stimme eines anderen Wesens. Er brauchte lange, um sie zu erkennen. Zitternd und keuchend wälzte er sich auf seiner Pneumoliege hin und her. Das Fremde versuchte ihn einzulullen. Es griff nach seinem Geist, und Wärme überflutete ihn. »Gefahr!« Diesmal schnellte Rex Corda mit einer taumelnden Bewegung nach vorn. Er schlug die geballten Fäuste gegen seine Schläfen und stand mit zusammengezogenen Schultern schwankend vor seiner Liege. Er hatte den Kopf gesenkt. Sein Gesicht war verzerrt. Keuchend kamen kurze Atemstöße aus seiner Brust. »Gefahr!« signalisierte der telepathisch begabte Delphin Wabash. Gequält stöhnte Rex Corda auf. Er schüttelte sich und versuchte den grauenhaften Schmerz zu überwinden. Er erinnerte sich… Mit einem Ruck kam er zu sich. Sein Gesicht war bleich. Das Blut pochte in seinen Ohren, während er sich mit zitternden Fingern eine Zigarette ansteckte. Die Flamme seines Feuerzeugs verlöschte, als eine neue Woge versuchte, seinen Geist zu überspülen. Diesmal war er darauf vorbereitet. Mit einem gewaltigen Satz sprang er zur Tür. Er raste durch die Korridore der »Walter Beckett«. Keuchend sprang er in einen Gravoschacht. Sekunden später befand er sich bei Wabash. Der Delphin hatte längst erkannt, in welcher Gefahr sie sich alle befanden! Deutlich spürte Rex Corda, wie Wabash aufgeregt versuchte, ihn zu warnen. Dann hatte er kapiert. Er sprang zu einem Holografen. Gestalten in der Zentrale schälten sich aus dem grauen Nebel
innerhalb des Gerätes. Bekoval, Percip und GaVenga sahen ihn an. »Befehl ausgeführt!« meldete Bekoval ruhig. »Die ›Walter Beckett‹ befindet sich auf der Oberfläche von Noki V.« »Noki V?« fragte Rex Corda hastig. Bekoval hob fragend die Brauen. »Wir haben eine große Anzahl orathonischer Raumschiffwracks entdeckt. Sie sind total zerstört…« »Alarmstart!« brüllte Rex Corda. Seine Hände krallten sich um die Seitenkanten des Holografen. »Was ist los, Rex?« fragte die helle Stimme von Kim. Rex Corda schwang herum. Er starrte auf seinen Bruder, der aus dem Bassin von Wabash auftauchte. Kim schob das Mundstück seines Atemgerätes hoch. Wassertropfen glitzerten auf seinem sommersprossigen Gesicht. »Hat dir Wabash nichts gesagt?« fragte Rex Corda hastig. Kim verzog sein Gesicht. Er wußte nicht, wovon Rex Corda sprach. Wabash hatte sich diesmal auf den Geist des Präsidenten konzentriert, ohne Kim zu informieren. Sirenen jaulten auf. Brüllend hob sich der Hantelraumer von der Oberfläche des Planeten Noki V. Feuerbalken schossen aus der »Walter Beckett«. Die Andruckneutralisatoren arbeiteten mit Höchstbelastung. Der Lärm riß einen Teil der Besatzung aus traumlosem Schlaf. Vollkommen steif stand Rex Corda vor dem Holografen. Seine Blicke bohrten sich in das Bild, das von der Zentrale zu ihm übertragen wurde. Noki V wurde mit rasender Geschwindigkeit kleiner. Die » Walter Beckett« verließ die Lufthülle. Sie raste am einzigen Mond des Planeten vorbei. Wie von einem gigantischen Katapult wurde sie in die Dunkelheit des Alls geschleudert. Da explodierten Hunderte von Haftladungen an der Unterseite des Raumschiffes! * Seine nackten Füße steckten in ledernen Sandalen. Er hatte orangefarbene Kordhosen an. Sein locker über den Bauch fallender Kittel war am Hals nicht geschlossen. Mißmutig bewegte er mit seinen fleischigen Fingern winzige Präzisionsgeräte über einer Arbeitsplatte. Elektronische Einrichtungen halfen dem Mikrotechniker bei der Sezierung des Bazillus. Mt. Olaf Harrison gehörte zum Reparaturtrupp der »Walter Beckett«. Er war ein Mutant. Niemand innerhalb des Hantelraumers besaß ähnliche Fähigkeiten wie er. Es waren zwei Dinge, die ihn zu einem der besten Mikrotechniker Terras machten: Seine übersensiblen, durch jede Lichtschwankung gefährdeten Augen und seine ungewöhnlich geschickten Wurstfinger. Mt. Harrison tippte mit der Fingerkuppe seines linken Zeigefingers gegen ein Mikrometerrad. Er selbst hatte das Seziergerät gebaut. Die Schneideanlage bestand aus einem stecknadelgroßen Laser, dessen Strahl für jedes andere menschliche Lebewesen unsichtbar war. Nur Mt. Olaf Harrison konnte ihn sehen. Der Mikrostrahl hatte einen Durchmesser von zweimillionstel Millimetern. Vorsichtig trennte Mt. Olaf Harrison den karmesinrot leuchtenden Bazillus an der Vorderseite auf. Es war ihm gelungen, die winzige Bakterie in den Griff zu bekommen. Fast vierzigmal hatte er es vergeblich versucht. An der von laktonischen Wissenschaftlern erstellten Testliste waren die meisten Positionen bereits abgehakt. Bisher hatte Mt. Harrison noch kein Mittel gefunden, das dem Bacillus epilepticus gefährlich werden konnte. Winzige Spuren Insulin flossen auf das Präparat zu. Sie erreichten die Schnittlinie an der Vorderkante des Bazillus, während Mt. Harrison sich wieder über seine Geräte beugte. Ein Vibrieren lief durch alle Etagen der »Walter Beckett«. Harrison schlug mit der Faust auf den Tisch. Wie, zum Teufel, sollte er arbeiten, wenn es dauernd derartige Zwischenfälle gab? Er zerquetschte einen Fluch zwischen seinen Lippen. Er beugte sich vor. Seine sensiblen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Hastig schob er eine neue Probe in das Insulinpräparat. Er hatte es geschafft! Der Bacillus epilepticus war angreifbar. Das Hormon Insulin verbrannte die Zuckermoleküle innerhalb der tödlichen Bakterie… Mt. Olaf Harrison setzte sich seine Spezialbrille auf. Er schaltete das Licht innerhalb seines kleinen Labors ein. Zufrieden wischte er seine breiten Hände an den Seiten seiner orangefarbenen Kordhose ab. Der Fall interessierte ihn nicht mehr. Die Aufgabe war gelöst.
Er drückte auf einen Knopf. Eine Sprechverbindung zur Forschungsabteilung der »Walter Beckett« kam zustande. Mt. Harrison hatte es abgelehnt, einen Holografen innerhalb seines Labors einbauen zu lassen. Das Licht innerhalb dieser Geräte rief Übelkeit in ihm hervor. »Hier spricht Mt. Harrison«, sagte er mit gequält klingender Stimme. »Das Gegenmittel für den Bacillus epilepticus heißt Insulin…« * Die Filme brachten den Beweis. Aus der Vermutung war eine Gewißheit geworden: Außer den Bewohnern von Noki III gab es noch eine zweite intelligente Rasse innerhalb des NokiSystems! »Die Blauköpfe können es nicht sein«, sagte Fan Kar Kont mehr zu sich selbst. Keiner der anwesenden Männer antwortete ihm. Sie alle hatten eigene Vermutungen. Niemand wußte, wie ihre Gegner aussahen. Aber sie existierten! Daran bestand kein Zweifel mehr. »Wie willst du jetzt vorgehen?« fragte John Haick mit einem Seitenblick auf Rex Corda. Der Präsident der Erde holte tief Luft. Sein athletischer Körper hing in einem Pneumosessel. Immer wieder mußte Rex Corda gegen neue Müdigkeit ankämpfen. John Haick merkte es. Wortlos stand er auf und kam nach wenigen Sekunden zurück. Er schob Rex Corda einen Becher aus unzerbrechlichem Glas hin. »Da – trink!« Rex Corda klammerte seine rechte Hand um den eisgekühlten Drink. Er dankte John Haick mit einem angedeuteten Zucken um die Mundwinkel. Er trank den Whisky mit einem Schluck aus. Der braune, eisgekühlte Stoff rann wie flüssiges Feuer durch seine Kehle. Er schüttelte sich und merkte, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Normalerweise trank er nichts, wenn wichtige Entscheidungen bevorstanden. Trotzdem wußte er, daß ein Whisky in gewissen Situationen Wunder wirken konnte. »Fassen wir noch einmal zusammen«, sagte Rex Corda ernst. »Wir sind den parapsychischen Impulsen gefolgt, die vom StrukturEnergetiker Matson ausgingen. Ehe wir unser Ziel erreichten, haben wir vorsichtshalber den Hyperraum verlassen. Daraufhin fingen wir den Notruf der Nokis auf. Es war unsere Pflicht, soviel Nokis wie möglich von ihrer sterbenden Welt zu retten. Leider ist uns eine erneute Aufheizung von NokiSom nicht gelungen. Wir mußten die Nokis umsiedeln. Wir brachten Wasser auf den vierten Planeten. Wir halfen den Nokis mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Bis zu diesem Punkt waren wir Herren der Situation.« »Und dann tauchte dieser Wahnsinnsbazillus auf«, nickte Fan Kar Kont. Sein braun und weiß gestreiftes Gesicht leuchtete. »Wir haben Noki IV vor der Umsiedlung genau überprüft. Es gab keine Spuren für die Lebensformen, die wir jetzt entdeckt haben.« »Meinen Sie, wir hätten die Bakterien von Noki III nach Noki IV geschleppt?« fragte Rex Corda. Fan Kar Kont schüttelte den Kopf. »Es ist etwas anderes. Wir haben ja nicht nur die Bakterien gefunden, sondern auch die Blauköpfe und eine Art von Vegetation.« »Eben«, stimmte Rex Corda zu. »Drei völlig unterschiedliche Lebensformen, die vor unserer Ankunft nicht existierten. Und eine dieser Lebensformen haben wir hier auf dem fünften Planeten des Systems wiedergefunden.« »Wenn die Pflanzen auf Noki V beheimatet sind, muß es hier auch Wahnsinnsbazillen und Blauköpfe geben«, warf John Haick ein. »Ganz meiner Meinung«, nickte Hent Marat. Der Biochemiker hatte sich mehrere Synopsen von den ZentralComputern anfertigen lassen. Ein Stapel der hellroten, mehrschichtigen Datenplatten lag vor ihm auf dem Tisch. »Es gibt noch ein paar Punkte, die wir berücksichtigen müssen«, sagte Hent Marat. Rex Corda hob die Brauen. Er blickte den Biochemiker an. »Was meinen Sie?« »Ich habe versucht, alle Daten zu erfassen und auswerten zu lassen. Dazu gehören auch die auf Noki IV und Noki V gefundenen Raumschiffwracks und das hypnotisch wirkende Muster, dem Sie fast zum Opfer gefallen wären.«
Rex Corda nickte. »Den wichtigsten Faktor haben wir bisher noch nicht erwähnt«, fuhr Hent Marat fort. »Ich meine das Erkalten der Sonne.« »Haben Sie die SynopsisComputer auch mit diesen Daten gefüttert?« fragte Rex Corda. »Ja. Ich habe versucht, alle erfaßbaren Daten zu einem Programm zusammenzufügen. Die Synopsis Computer wissen, warum die ›Walter Beckett‹ von der Erde startete. Ich teilte ihnen mit, daß wir uns auf der Suche nach den ›Zeitlosen‹ befinden.« »Und? Was kam dabei heraus?« »Es handelt sich um mehrere Komplexe«, sagte Hent Marat zögernd. »Die SynopsisComputer haben einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für eine Symbiose zwischen den Pflanzen, den Blauköpfen und dem Wahnsinnsbazillus errechnet.« »Unglaublich!« keuchte John Haick. »Wir wissen noch nicht, welche Aufgaben diese drei Lebensformen untereinander aufteilen. Für mich steht fest, daß die Blauköpfe, die Pflanzen und die Bazillen als Einheit anzusehen sind.« Rex Corda schüttelte den Kopf. »Sie haben eine Kleinigkeit vergessen, Hent Marat«, sagte er. »Sie wissen, daß ich Emphat bin. Falls eine der drei Lebensformen intelligent ist, hätte ich das gespürt. Nur die Blauköpfe schicken schwache Gefühlsimpulse aus. Sie sind so primitiv, daß wir sie als unwesentlich betrachten können.« »Und Wabash?« fragte John Haick. »Hat er nichts gemerkt?« Rex Corda blickte auf. Das war eine ausgezeichnete Idee. Sie mußten Wabash fragen. Sie mußten herausfinden, ob der weiße Delphin telepathische Impulse aufgefangen hatte. »Eins verstehe ich nicht«, sagte Rex Corda nachdenklich. »Wenn die weißen Trichter tatsächlich von diesem Planeten dort unten kamen – warum suchten sie sich dann ausgerechnet Noki IV aus? Und wie schafften sie es, die Anziehungskraft ihres Heimatplaneten zu überwinden?« Das waren Fragen, auf die keiner der anwesenden Männer eine Antwort geben konnte. Selbst Hent Marat mit seinen Synopsen machte ein hilfloses Gesicht. »Paß auf, John«, sagte Rex Corda nach kurzer Überlegung. »Ich werde zusammen mit dem Waffenleitoffizier Ralf Griffith erneut zu den Trümmern vordringen. Wenn wir den Nokis helfen wollen, müssen wir herausfinden, wie die tödliche Invasion durch die weißen Trichter gestoppt werden kann.« »Du willst wieder allein fliegen?« meinte John Haick kopfschüttelnd. Offensichtlich war er mit diesem Entschluß Rex Cordas nicht einverstanden. »Ich sagte doch, daß ich Griffith mitnehme. Vergiß nicht, daß unser Waffenleitoffizier ein › Veränderter‹ ist«, lächelte Rex Corda. »Die BeconPlatte unter seiner Schädeldecke hat ihn zum einzigen absolut unbesiegbaren Lebewesen innerhalb der Milchstraße gemacht…« »Aber du bist verletzbar!« konterte John Haick hartnäckig. »Was nützt uns Ralf Griffith, wenn dir als Präsident der Erde etwas zustößt?« »Kannst du mir sagen, wie ein nicht emphatisch begabter Mann herausfinden soll, welche der drei Lebensformen auf Noki V intelligent ist?« fragte Rex Corda mit verhaltenem Lächeln. John Haick blickte ihn grimmig an. Gegen dieses Argument war er machtlos. * Der kleine dunkle Punkt kam schnell auf sie zu. Sie hatten damit gerechnet. Es war, ihnen nicht entgangen, daß der fremde Körper auf ihren Angriff nicht reagiert hatte. Sie bereiteten sich auf neue Abwehrmaßnahmen vor. Sie wußten, daß sie selbst sich nicht bewegen konnten. Aber sie hatten Helfer – zwei Arten von Helfern. Sie riefen die Kämpfer. Dann schickten sie starke Impulse zu den Arbeitern. Tausende von Arbeitern sammelten sich unterhalb des Kegelberges. Sie bereiteten sich auf einen neuen Kampf vor. Das Trümmerfeld der letzten Schlacht erinnerte noch deutlich an ihren größten Triumph. Plötzlich begannen die MandraPflanzen mit einer ungewohnt heftigen Diskussion. Normalerweise hatten sie keine Meinungsverschiedenheiten. Jetzt ging es darum, den Vorrang der beiden wichtigsten Aufgaben gegeneinander abzuwägen. Sie wußten, daß sie zum Tode verurteilt waren, wenn es ihnen
nicht gelang, ihre angestammte Heimat zu verlassen. Pausenlos beschäftigten sie zigtausende von Arbeitern damit, lebende Keime zur nächsten Welt zu schicken. Nur dort gab es genug Wärme, um zu überleben. Sie hatten keinen direkten Kontakt untereinander. Sie verständigten sich auf telepathischem Weg. Obwohl sie sich stets als Gemeinschaft betrachteten, gab es verschiedene Zentren. Je dichter die Gruppen der Dirigenten standen, um so nachdrücklicher konnten sie ihre unsichtbaren Impulse und Befehle an Arbeiter und Kämpfer ausschicken. Der kleine schwarze Punkt jagte dicht am kegelförmigen Bergstumpf vorbei, in dessen Nähe der Kampf stattgefunden hatte. Vier Dirigentengruppen im Norden des Tals schlossen sich zu einer Großfamilie zusammen. Gemeinsam dirigierten sie die Arbeiter zu den zerstörten Behausungen der Fremden. Das Trümmerfeld wurde von den kleinen sechsbeinigen Tieren überschwemmt, reglos beobachteten die in der Nähe stehenden Mandras den Aufmarsch. Sie besaßen keine Sinnesorgane. Sie informierten sich ausschließlich an den Gehirnwellen der Arbeiter. Je nach Stärke und Intensität konnten die Dirigenten erkennen, welche Tätigkeiten die Arbeiter im Augenblick durchführten. Der erste Angriff auf die Behausung der neu zu ihrer Welt gekommenen Fremden hatte keinen Erfolg gebracht. Die Behausung war besser geschützt als die der früher auf dem fünften Planeten eingetroffenen Fremden. Das war ein Alarmzeichen. Die Dirigenten nahmen immer neue Gruppen in ihre Großfamilie auf. Gewaltige Anstrengungen wurden gemacht, um die Ursache für das Versagen der Abwehrwaffen zu ergründen. Die Dirigenten wußten, daß sie es mit einer völlig fremden Lebensform zu tun hatten. Es war unsagbar schwer, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu berücksichtigen und entsprechend zu beurteilen. Fieberhaft wurden neue Gedanken und Ideen erwogen. Da jagte die scheibenförmige Behausung erneut über die Großfamilie hinweg. Die Mitglieder der Familie wurden von einem sogartigen Sturm erfaßt und peitschend zur Seite gebeugt. Widerstand kam in ihnen auf. Sie wehrten sich gegen den Angriff der Fremden. Die Scheibe verletzte sie. Feuer und überstarke elektromagnetische Wellen riefen schmerzhafte Reaktionen innerhalb der Großfamilie hervor. Die Familie handelte. Sie schloß sich zu einer einzigen homogenen Gruppe zusammen. Sie verschmolz die Kräfte ihres intelligenten Geistes. Der gezielte telepathische Sturm bestand aus Abwehrgedanken, Widerstand und Haß. Tausende von Mandras konzentrierten sich auf die Scheibe. Den Sturm aus Haßgefühlen und telepathisch ausgeschickten Vernichtungsgedanken konnte kein intelligentes Lebewesen überstehen. Die Mandras wußten es. Sie handelten aus purem Selbsterhaltungstrieb. * Hoch aufgerichtet saß der »Veränderte« Ralf Griffith in seinem Pneumosessel. Er bediente die Kontrollen. Der Diskus raste durch das weite grüne Tal. Er jagte auf den kegelförmigen Berg zu. »Dort vorn!« sagte Rex Corda. »Die Trümmer orathonischer Hantelraumer. Sie wurden Opfer der Mandras.« »Wie, zum Teufel, können fest im Boden stehende Pflanzen eine Armada von mehr als hundert Hantelraumern vernichten?« fragte Ralf Griffith fassungslos. »Genau das werden wir herausfinden!« preßte Rex Corda zwischen seinen Lippen hervor. Konzentriert blickte er nach vorn. Die Holografen übertrugen plastische Bilder der Umgebung. Sie flogen um den felsigen Kegelstumpf herum. Jetzt standen sie direkt über dem gigantischen Trümmerfeld. Es war total überwuchert. »Merkwürdig!« meinte Griffith, während er das grauenhafte Bild in sich aufsaugte. »Man sieht nur die Hantelkugeln. Bisher habe ich noch keinen Verbindungsarm entdeckt. Sieht so aus, als wäre überall der im Verbindungsraum stehende Antrieb explodiert.« Rex Corda blickte den »Veränderten« von der Seite her an. Das war eine Beobachtung, über die er noch nicht nachgedacht hatte. Aber sie stimmte. Rex Corda achtete jetzt bewußt auf die Trümmerteile. Sosehr er sich auch bemühte – die Verbindungsarme der Hantelraumer fehlten…
»Grauenhaft!« meinte Ralf Griffith. Er war ein unbesiegbarer »Veränderter«. Trotzdem hatte sich seine Mentalität nicht gewandelt. Er war ein Mensch der Erde und erkannte fassungslos, daß hier eine Katastrophe größten Ausmaßes stattgefunden hatte. »Wenn Sie so wollen, hat hier die Natur die Technik besiegt«, meinte Rex Corda leise. »Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, welches Teilstück der Natur auf Noki V dafür verantwortlich ist.« »Das ist keine Frage für mich«, meinte Ralf Griffith und zog die Schultern hoch. Er steuerte den Diskus über das Trümmerfeld hinweg. »Wollen Sie meine Meinung hören, Mister President?« »Natürlich.« »Sie sind wahnsinnig geworden. Alle! Wahrscheinlich landeten sie hier und stellten fest, daß die Atmosphäre dieses Planeten für Sauerstoffatmer genießbar ist. Und dann kam der Bazillus.« »Dann sind nach Ihrer Meinung also Tausende von Orathonen fast gleichzeitig wahnsinnig geworden? « »So ungefähr«, nickte Ralf Griffith. Rex Corda erschauderte. Eine eisige Welle lief über seinen Rücken. Die Vorstellung an das, was sich vor der Vernichtung der Hantelraumer auf Noki V abgespielt haben mußte, erfüllte ihn mit Grauen. Die Meinung von Griffith war nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. »Etwas Wahres könnte schon an dieser Theorie sein«, sagte Rex Corda nachdenklich. »Aber warum haben sie dann ihre eigenen Hantelraumer in die Luft gesprengt? So wahnsinnig kann man doch nicht sein!« »Amok!« knurrte Griffith. »Wenn einer erst mal so weit ist, kommt es nicht mehr darauf an. Amokläufer töten, auch wenn sie selbst daran glauben müssen.« »Das gefällt mir nicht«, sagte Rex Corda. »Diese Theorie hat einen Fehler! Vergessen Sie nicht, daß auch auf Noki IV große Mengen von Bazillen auftauchten, noch während wir draußen am Stausee arbeiteten. Warum sind wir nicht wahnsinnig geworden? Die Voraussetzungen waren die gleichen.« Ein Zittern lief durch den Körper von Ralf Griffith. Seine Hände krallten sich um die Kontrollhebel. Der Diskus schoß steil nach unten. Er raste mit ständig zunehmender Beschleunigung auf das Trümmerfeld zu. Ralf Griffith riß die Arme hoch. Ein grauenhafter Schrei entrang sich seiner Brust. Er warf sich zur Seite. Brüllend stürzte er sich auf Rex Corda. Seine breiten Hände knallten auf die Schultern, des Präsidenten. Die Wucht eines einzigen Schlages genügte, um Rex Corda zusammenbrechen zu lassen. Führerlos torkelte der Diskus zwischen den Trümmern der orathonischen Hantelraumer hin und her. Automatisch versuchten elektronisch gesteuerte Stabilisatoren, die normale Fluglage wiederherzustellen. Griffith stürzte zu einem Pneumosessel. Mit einem Ruck riß er ihn aus der Verankerung. Er hob ihn über den Kopf. Sein Gesicht war nur eine verzerrte Fratze. Blanke Mordlust flimmerte in seinen Augen. Rex Corda warf sich zur Seite. Der Pneumosessel sauste haarscharf über seine Hüfte hinweg und knallte gegen die Kabinenwand. Corda zuckte zusammen. Er war wütend und schockiert zugleich. Das hätte er von Ralf Griffith niemals erwartet. Er sprang nach vorn. Der »Veränderte« blickte ihm entgegen. Seine rechte Faust kam wie ein Dampfhammer nach vorn. Corda ließ sich fallen. Mit der rechten Schulter knallte er gegen die Beine von Griffith. Der »Veränderte« stand wie ein Baum. Jetzt wußte Rex Corda, daß er keine Chance gegen den Wahnsinnigen hatte. Mit einem tierischen Aufschrei stürzte sich der »Unbesiegbare« auf den Präsidenten. * Wabash schnellte unter der Oberkante seines Bassins entlang. Mit dem Rücken riß er Kim ins Wasser. Kim fühlte den telepathischen Notruf von Wabash. Er war so stark, daß Kim ihn sofort verstand. Rex war in tödlicher Gefahr! Prustend und schnaufend tauchte Kim auf. Er schwang sich über den Rand des Bassins und ließ sich nach unten fallen. Mit nackten Füßen rannte er auf einen Holografen zu. »Bekoval!« rief er mit heller Jungenstimme. »Rex ist in Gefahr! Wabash hat es gesagt!« Der ehemalige laktonische Offizier reagierte außergewöhnlich schnell. Innerhalb von zwei Sekunden
brach in der Zentrale die Hölle los. Die »Walter Beckett« raste zur Oberfläche von Noki V. Es war der beste Blitzstart, den Bekoval innerhalb der letzten Monate durchgeführt hatte. Sie stürzten! Andruckneutralisatoren kreischten auf. Böse flackerten die Kontrollampen. Bremsdüsen wurden erst im allerletzten Moment eingeschaltet. Mit Überschallgeschwindigkeit tauchte die »Walter Beckett« in die Lufthülle von Noki V ein. Donnernd füllten die zurückströmenden Luftschichten das hinter dem Hantelraumer entstehende Vakuum. Die Ortungsgeräte erfaßten den Diskus. Er schwebte knapp fünfzig Meter über den Wracks der zerstörten Hantelraumer. Bekoval versuchte, noch während des Sturzes Verbindung mit Rex Corda aufzunehmen. Der Diskus schwieg. Die Holografen arbeiteten nicht mehr. »DracoWerfer!« brüllte Bekoval. Die Verteidigungsmaschinerie an Bord des terranischen Flaggschiffes begann zu arbeiten. Mit Lichtgeschwindigkeit jagten Tausende von Impulsen durch die Elektronenrechner. SynopsisComputer übernahmen die Aufgabe von denkenden Auswertern. Ortung, Kurskorrektur und Stabilisation der » Walter Beckett« gingen ineinander über. Feuerleitsysteme reagierten auf kurze Stromstöße der SynopsisComputer. Das flimmernde Gespinst aus den Düsen der DracoWerfer schnellte zur Oberfläche von Noki V. In regelmäßigen Abständen waren Kondensatoren in das Gespinst eingewebt. DracoNetze dienten zum Ableiten von Energie bei Raumkämpfen. Jetzt waren sie das einzige Mittel, um den Diskus einzufangen… Da kippte die Raumscheibe zur Seite, ab. Sie raste auf eine halb zerstörte Hantelkugel zu. Hochaufragende Mandras wichen vor dem Diskus aus. Die Pflanzen beugten sich zur Seite und schufen eine Schneise. Das fleischige Gesicht von Bekoval innerhalb der Zentrale der »Walter Beckett« verlor in Sekundenbruchteilen den letzten Rest von Farbe. Der Diskus taumelte schlingernd in den MandraWald. Die Pflanzen peitschten über ihm zusammen. Bekoval keuchte, während sein Gaumen trocken wurde. Der MandraWald hatte den Diskus von Rex Corda verschlungen! * Die langen unfrisierten Haare des Mikroingenieurs reichten bis zum Kragen seines Kittels. Mt. Olaf Harrison schnappte seine Brille mit den blau gefärbten Gläsern und den ledernen Seitenklappen. Er stülpte sie auf. Er stellte sich auf einen Fuß und rieb mit dem anderen an seinem Schienbein. Er freute sich wie ein Sechsjähriger über seine Entdeckung. Er hatte herausgefunden, womit der Amoklauf der Nokis beendet werden konnte… Viel verstand er nicht von diesen Dingen. Er war ein Mutant mit dem Gemüt eines Kindes, aber von hoher Intelligenz. Er wußte, daß die ihm gestellte Aufgabe von unerhörter Wichtigkeit war. Hastig sammelte er die Belege ein, die er für seine Versuche gebraucht hatte, und lief zu einem Gravoschacht. Er ließ sich in die Zentrale bringen. Schon am Eingang stieß er einen kurzen Pfiff aus. Niemand kümmerte sich um ihn. Mt. Olaf Harrison wurde ärgerlich. »Ich bin wieder da!« rief er, während sein massiger Körper unter der Tür stand. Auch jetzt kümmerte sich niemand um den Mikroingenieur, der zum Reparaturtrupp der »Walter Beckett« gehörte. Fieberhaft arbeiteten die Männer in der Zentrale daran, den verschwundenen Diskus von Rex Corda zu bergen. Doch das konnte Mt. Olaf Harrison nicht wissen. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, daß sie sich inzwischen nicht mehr auf Noki IV befanden. Seine empfindlichen Augen hinter den blaugefärbten Brillengläsern nahmen das Bild auf dem Holografen in sich auf. Er stellte fest, daß sie dicht über einem Wald schwebten. Wenn Mt. Olaf Harrison kein Mutant gewesen wäre, hätte er diese Tatsache erkennen müssen. Er tat es nicht. Noch einmal versuchte er, die Aufmerksamkeit der konzentriert in der Zentrale arbeitenden
Männer auf sich zu lenken. Wieder ohne Erfolg! Beleidigt zog der Mutant ab. Er nahm den nächstbesten Gravoschacht und ließ sich nach unten bringen. Da hatte er plötzlich eine Idee. Er dachte daran, daß er seine Entdeckung auch vorbeugend anwenden konnte. Dazu brauchte er nur eine größere Menge Insulin. Er wußte, wo er es bekam. In der Medizinischen Sektion gab es große Mengen von BasisMedikamenten. Dort konnte er sich eine ausreichende Menge Insulin beschaffen. Mit patschenden Schritten bewegte er sich durch die Gänge. Vielleicht war es gut, wenn er auch für die Besatzung der »Walter Beckett« Schutzimpfungen vorbereitete. Dafür brauchte er einen Mitarbeiter. Er überlegte gerade, wen er um Hilfe bitten konnte, als plötzlich ein Mann vor ihm auftauchte. Er war dunkel gekleidet und überragte Harrison um Kopfeslänge. »Hallo, Mt. Harrison – schon was herausgefunden?« »Nein, Mt. Pater Bostik«, meinte der Mikroingenieur. Er wußte, daß auch der Pater ein Mutant war. In gewisser Weise glichen sich ihre Mutationen. Mikroingenieur Harrison hatte hochsensible Augen und äußerst gelenkige Finger. Mt. Pater Bostik hingegen besaß die Fähigkeit, mit seinen mutierten Augen das Licht in Spektrallinien zu zerlegen. Kein Besatzungsmitglied der »Walter Beckett« kannte die Art von Pater Bostiks Mutation. Niemand wußte, warum er seine beiden Bücher über neue Methoden der Spektralanalyse geschrieben hatte. Er selbst schwieg meistens über seine besondere Begabung. Er wußte noch nicht, welche Möglichkeiten er als Mutant besaß. »Haben Sie schon gehört, was Rex Corda passiert ist?« fragte Pater Bostik. Mt. Harrison schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht wissen. Ihn interessierten jetzt nur noch seine Forschungsergebnisse. »Insulin!« plapperte er. »Ich brauche große Mengen von Insulin!« »Sind Sie zuckerkrank?« lächelte der Pater. Harrison sah ihn verständnislos an. »Die Nokis sind krank«, behauptete Mt. Harrison. »Aber ich habe entdeckt, wie man den Wahnsinnsbazillus vernichten kann. Es ist ganz einfach. Geringe Mengen Insulin, und schon werden die Nokis wieder normal!« Er lachte leise vor sich hin. Mit seinen dicken Wurstfingern strich er durch sein unordentliches Haar. »Wollen Sie mir helfen, Pater? Wir werden die Nokis impfen. Alle!« »Über vierhunderttausend Nokis wollen Sie impfen? Dafür brauchen Sie Tage!« »Nicht ich, Pater. Nicht ich!« »Wer soll es denn tun?« »Es gibt doch Bedienungsroboter. Die arbeiten schneller und zuverlässiger als wir. Wir brauchen sie nur mit Hochdruckspritzen auszurüsten und dann hinauszuschicken. Ich garantiere Ihnen, daß die Seuche innerhalb weniger Tage besiegt ist.« »Hört sich gut an«, nickte Pater Bostik. »Haben Sie schon in der Zentrale Bescheid gesagt?« »Ich war da«, antwortete Mt. Harrison ausweichend. Pater Bostik nickte. Er glaubte jetzt, daß Harrison die Schiffsführung von seinem Vorhaben in Kenntnis gesetzt hatte. Er wußte nicht, daß er sich irrte. »Sagen Sie mal, Mt. Harrison, wenn nun ein gesunder Noki Insulin erhält – ist das nicht gefährlich?« »Keine Spur!« behauptete Mt. Harrison. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken.« Pater Bostik wunderte sich, daß der Mikroingenieur plötzlich so überzeugt sprach. Er hatte ihn als zurückgezogenen, verspielten Mutanten in Erinnerung. Er wußte nicht, daß die Begeisterung Mt. Harrison zu einem äußerlich vollkommen normal reagierenden Menschen gemacht hatte. Er konnte nicht ahnen, daß die Begeisterung von Mt. Harrison schwerwiegende Folgen haben sollte… * Der telepathische Sturm aus Haß und Mordlust brach über Rex Corda zusammen. Krachend landete der Diskus im Gewirr der stark federnden Pflanzen. Nur durch diese Tatsache gelang es dem Präsidenten,
sich aus der Umklammerung des »Veränderten« zu lösen. Ralf Griffith wurde zur Seite geschleudert. Mit der linken Schulter knallte er gegen eine Kontrollkonsole. Taumelnd richtete er sich wieder auf. Er preßte seine geballten Fäuste gegen die Schläfen, während tiefe Falten sein Gesicht zerfurchten. In seinen Augen glühte eine wahnsinnige Angst. Rex Corda bewegte sich nicht. Er starrte den »Veränderten« an. Er konnte nicht verstehen, was in Griffith gefahren war. Bisher hatte der »Veränderte« sich vollkommen loyal verhalten. Er war einer der zuverlässigsten Männer in Rex Cordas Umgebung. Was zum Teufel hatte Griffith verändert? Corda spürte den tosenden Wirbel in seinem Geist. Telepathisch ausgesendete Schreie überfluteten sein Bewußtsein. Sie waren fremdartig und grausam. Er verstand sie nicht. Kalte Schweißperlen traten auf seine Stirn. Wellenartig schwoll der Gedankensturm an. Für immer längere Zeiträume verlor Rex Corda die Kontrolle über seinen Geist. Er durfte es nicht zulassen! Er mußte sich wehren! Alles in ihm konzentrierte sich auf zwei Dinge gleichzeitig, auf Ralf Griffith und auf den telepathischen Sturm. Es war eine unerhörte psychische Belastung, der sich Rex Corda ausgesetzt sah. Nie zuvor hatte er gleichzeitig gegen zwei derartig starke Gewalten ankämpfen müssen. Griffith wollte ihn töten. Er war wahnsinnig! Aber auch das andere, das Fremde, forderte seine Vernichtung. Plötzlich kapierte Rex Corda. Er begriff, daß das merkwürdige Verhalten von Griffith durch den telepathischen Sturm verursacht worden war. Er konzentrierte sich nur noch auf den »Veränderten«. Er schirmte sich ab. Er projizierte Gefühle in Griffith. »Sie sind stark, Ralf – viel stärker, als Sie denken! Sie können es aushalten. Sie sind ein » Veränderter«. Sie sind unbesiegbar! Schütteln Sie das Fremde ab! Haben Sie Vertrauen zu sich. Hören Sie doch, Griffith…« Der ehemalige CIAMann wurde von einem trockenen Weinkrampf geschüttelt. Ein Schluchzen entrang sich seiner Brust. Er war körperlich unverletzbar. Er war der einzige vollkommene »Veränderte « innerhalb der Galaxis. Aber er war machtlos gegen den telepathischen Sturm. »Ralf! Komm zu dir, Junge!« rief Corda mit bebenden Lippen. Gleichzeitig konzentrierte er sich darauf, beruhigende Gefühle auf Griffith zu übertragen. Seine emphatische Fähigkeit stand wieder einmal vor einer Bewährungsprobe. Es war die stärkste Belastung seit Monaten. Corda durfte sich nicht völlig auf seine Rolle konzentrieren. Mit einem Teil seines Bewußtseins mußte er einen Schutzwall gegen den telepathischen Sturm in seinem Hirn errichten. Das kostete Kraft – übermenschliche Kraft, die Körper und Geist auslaugte. Die glitzernden Schweißperlen auf Cordas Stirn wurden dicker. Ein kalter Schauder lief über seinen Rücken. Seine Knie zitterten kaum merklich, als er den letzten verzweifelten Versuch wagte. Wenn es ihm nicht gelang, den »Veränderten« zu beruhigen, würde Griffith ihn auf fremden Befehl hin umbringen. Er kämpfte um das Leben von Griffith und damit gleichzeitig um sein eigenes. »Erkenne dich selbst, Ralf! Erinnere dich! Wirf des Fremde ‘raus! Es will dich zwingen, gegen deinen eigenen Willen zu handeln. Du darfst es nicht zulassen, Ralf! Komm! Schau mich an! Sieh mir in die Augen. Ja – sieh mir tief in die Augen! Hier findest du Kraft. Ich bin es: Rex Corda. Präsident von Terra! Komm her, Ralf! Komm ganz langsam zu mir. Hier ist meine Hand.« Der »Veränderte« keuchte. Die Blicke der beiden Terraner saugten sich ineinander. Mit einem trockenen Schluchzen stolperte Griffith nach vorn. Seine Bewegungen waren eckig. Er gab sich Mühe. Er kämpfte. Zwei unsichtbare Gewalten tobten in seinem Inneren. Beide versuchten sie, die andere Macht auszuschalten. Jetzt kam es nur darauf an, wer stärker war: Rex Corda oder der telepathische Sturm auf der Oberfläche von Noki V. Nur noch zwei Meter! Griffith stockte. »Komm. Ralf! Du hast es gleich geschafft. Nimm meine Hand!« Rex Corda zitterte am ganzen Körper. Er wußte, daß er es nicht mehr lange aushielt. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an den Gedanken, Griffith zu helfen. Er durfte ihn nicht aufgeben! Wenn er das tat, hatten sie beide verloren.
Da brauste ein Donnern über den abgestürzten Diskus hinweg. Corda riß sich zusammen. Trotzdem spürte er, wie der telepathische Sturm für Sekundenbruchteile an Intensität abnahm. Das war seine Chance! Er sprang nach vorn. Die Hände der beiden Männer schlangen sich ineinander. Corda drückte zu. Gleichzeitig stieß er einen Schmerzensschrei aus. Auch Ralf Griffith hatte zugedrückt. Mit der Kraft eines »Veränderten« preßte er Rex Cordas Hand zusammen. Noch immer stand ein irres Leuchten in seinen Augen. Rex Corda bog sich vor Schmerzen nach vorn. Sein Gesicht verzerrte sich. Trotzdem ließ er seinen Blick nicht eine Sekunde von den Augen des »Veränderten«. Schräg von unten starrte er ihn an. »Okay, Ralf!« stieß er keuchend hervor. »Jetzt bist du bei mir. Wir haben gewonnen! Zusammen schaffen wir es.« »Ich kann nicht mehr!« brüllte Ralf Griffith. »Es macht mich verrückt!« * »Ich habe sie!« rief John Haick zur Zentrale hoch. Er befand sich in der Funk und Ortungsstation. Er und seine Leute hatten den Diskus des Präsidenten im Pflanzendschungel ausgemacht. »Strahler!« ordnete Bekoval an. Flammenbalken schossen nach unten. Sie brannten schwelende Glutherde in den Dschungel. Unter Asche und Rauch tauchte der Diskus auf. »Netz auswerfen!« befahl Bekoval. Die DracoWerfer schleuderten ihre feingesponnenen Netze aus und legten sie über den Diskus. Mehr konnte Bekoval im Augenblick nicht unternehmen. »Vier Diskusraumer ausschleusen!« ordnete er an. »Brennt eine Schneise rund um den Diskus des Präsidenten! Wir geben Feuerschutz.« Einsatzkommandos aus terranischen Offizieren hasteten zu den Diskusraumern. In Sekundenschnelle wurden die flachen Scheiben ausgeschleust. Sie verteilten sich über dem Netz und brannten eine ringförmige Schneise um den Diskus von Corda und Griffith. In diesem Augenblick flackerte in der Zentrale ein neuer Holograf auf. »Nicht schießen, Bekoval!« rief Kim Corda. »Wabash hat gesagt, daß sie intelligent sind…« Wie versteinert starrten die Männer in der Zentrale auf das sommersprossige Gesicht des Jungen. Percip schnellte nach vorn. Die Kerbe auf seiner Oberlippe nahm eine weinrote Farbe an. Bekoval schnaufte verächtlich. »Sie sind intelligent?« echote der Biochemiker Hent Marat verständnislos. »Ist Wabash ganz sicher?« »Er hat es mir gesagt! Wabash irrt sich nie. Er hat Impulse aufgefangen. Sie versuchen, mit ihm zu sprechen.« »Bei allen Raumteufeln!« keuchte der Kommandant der »Walter Beckett« verblüfft. Der zwergenhafte Kynother GaVenga lachte ironisch. Er zupfte an seinen bis zum Kinn reichenden Augenbrauen und stellte sich neben Bekoval. Mit seinem massigen Kopf deutete er auf einen anderen Holografen. »Wie viele von ihnen haben wir umgebracht?« fragte er anklagend. »Wie viele intelligente Wesen haben wir vernichtet, als wir den Diskus von Corda und Griffith durch Strahler freilegen ließen? War es zehnfacher Mord, Bekoval? Oder sogar hundertfacher?« »Schweig!« zischte der ehemalige laktonische Offizier und jetzige Kommandant der »Walter Beckett«. »Es sind Pflanzen! Pflanzen können nicht intelligent sein! Außerdem sind sie nicht in der Lage, sich zu bewegen.« »Na und?« konterte GaVenga. »Gehört es zu den Merkmalen intelligenten Lebens, daß man sich bewegen kann? Oder meinen Sie, daß Wabash telepathische Impulse von den Blauköpfen aufgefangen hat? Oder sogar von den Bakterien?« Bekoval antwortete nicht. Er sah ein, daß er einen Fehler gemacht hatte. Aber es war ein Mißverständnis, bei dem er keine Schuld trug. Niemand konnte ahnen, daß es auf Noki V intelligente Pflanzen gab. Niemand – auch Rex Corda nicht.
Bekovals Gesicht sah aus wie aus einem Marmorblock gehauen. Seine massige Gestalt stand wie ein Fels vor den Holografen in der Zentrale. Seine Brust dehnte sich. Dann sagte er entschlossen: »Fertig machen zur Landung!« Sofort war er gezwungen, seinen Befehl zurückzunehmen. »Kommando zurück!« Der schwarz glänzende Diskus von Rex Corda stieg auf. Schlingernd taumelte er auf die »Walter Beckett« zu. »Schleusen öffnen!« Der Diskus verschwand aus dem Aufnahmebereich der Kameras. Bekoval schaltete um. Der Diskus wurde in eine Halle geschleust. »Alle anderen Diskusraumer zurück zur ›Walter Beckett‹!« ordnete Bekoval an. Innerhalb von dreißig Sekunden kehrte das Einsatzkommando in die Hantelkugeln des terranischen Flaggschiffs zurück. Knapp zehn Sekunden später tauchte der total verschwitzte Oberkommandierende in der Zentrale auf. Percip lief auf ihn zu. Er wollte ihn stützen. Rex Corda winkte ab. Er ließ sich in einen Pneumosessel fallen. Sekundenlang sagte keiner der in der Zentrale anwesenden Männer auch nur ein Wort. Sie warteten, bis Rex Corda sich aufrichtete. Eine verhaltene Erregung schwang in seiner Stimme mit: »Sie sind intelligent, Bekoval«, sagte er und preßte die Lippen zusammen. Zwei tiefe Falten hatten sich über der Nasenwurzel in seine Stirn gegraben. Sie wirkten wie ein doppeltes Ausrufungszeichen. »Ich habe schießen lassen«, gab Bekoval zu. Rex Corda nickte. »Ich weiß«, sagte er leise. »Wahrscheinlich hätte ich ebenso gehandelt. Leider müssen wir uns jetzt damit abfinden, daß wir eine große Anzahl intelligenter Lebewesen getötet haben. Das wird die Verhandlungen ziemlich stark beeinflussen.« »Verhandlungen?« fragte Bekoval. »Mit wem?« »Mit den Mandras. Sie sind die beherrschende Lebensform auf dieser Welt. Sie haben auch die Hantelraumer angegriffen und vernichtet.« »Aber sie können sich nicht bewegen!« »Das ist nicht nötig. Sie leben in Symbiose mit zwei anderen Lebensformen, mit den Blauköpfen und mit den Bazillen.« »Unglaublich!« murmelte Percip. »Wir waren nicht darauf vorbereitet«, gab Rex Corda zu. »Leider machen auch wir immer wieder den Fehler, daß wir bei der Beurteilung fremder Lebensformen von uns ausgehen. Die humanoide Rasse hat die fatale Eigenschaft, sich selbst als die Krone der Schöpfung zu sehen. Wir sind nicht daran gewöhnt, daß die für Terra und Lakton zutreffende Entwicklung der Lebensformen kein Maßstab sein darf.« »Wann haben Sie es bemerkt?« wollte Bekoval wissen. »Als Sie schießen ließen. Vorher konnte ich sie nicht verstehen. Griffith und ich fühlten eine Art telepathischen Sturm, der unseren Geist vernebelte und Entschlüsse im Keim erstickte. Griffith fiel über mich her. Ich selbst konnte mich etwas länger wehren. Auch wenn es jetzt wie Ironie klingt, Bekoval, ich muß mich bei Ihnen bedanken. Ohne Ihre Fehleinschätzung der Situation wären sowohl Griffith als auch ich auf die Stufe primitiver Tiere zurückgesunken. Die Tötung der Mandras hat uns das Leben gerettet.« * Der neue Erkundungsflug war besser vorbereitet worden. Rex Corda, Ralf Griffith, Kim Corda und Wabash flogen im Spezialdiskus des weißen Delphins bis zu den Randgebirgen des Tals. Von dort kamen die stärksten Impulse. Rex Corda hatte absichtlich Kim und Wabash mitgenommen, um die geistigen Impulse der Pflanzen sofort und ohne neue Mißverständnisse enträtseln zu können. Die Mandras schwiegen! Sosehr Corda sich auch bemühte, einen neuen Kontakt herzustellen – es gelang ihm nicht. Auch Wabash antwortete auf die fragenden Gedanken von Rex Corda immer nur
negativ. Irgend etwas hatte die Mandras veranlaßt, den Kontakt mit den Fremden in ihrer Welt abzubrechen. Der Diskus flog mit hundert Stundenkilometern über die Hügelkette hinweg auf das Impulszentrum zu. Es waren die gleichen Impulse, die Rex Corda und Ralf Griffith fast zum Verhängnis geworden wären. Aber sie waren schwächer und nicht mehr feindselig. Die »Walter Beckett« folgte ihnen in einer Höhe von vier Kilometern. Der große Hantelraumer warf einen schwachen Schatten über die Felsplateaus und die Wipfel der MandraWälder. Das schwache Licht von NokiSom reichte nicht aus, um die diffuse Dämmerung ganz aufzuhellen. Je weiter der Diskus nach Norden flog, um so spärlicher wurde der Pflanzenwuchs. Weite zerklüftete Täler und durch Erosion zerfressene Gebirgsmassive taten sich auf. Corda flog einen Halbkreis. Am Horizont entdeckte er den Schlamm, in dem sich mit großer Wahrscheinlichkeit Kulturen der dritten Lebensform auf Noki V befanden. Er war nicht besonders erpicht darauf, den Bazillenschlamm näher zu untersuchen. Die Gefahr einer Infizierung war zu groß. Noch wußte Rex Corda nicht, daß Mt. Olaf Harrison ein Gegenmittel gegen den Bacillus epilepticus entdeckt hatte. »Was ist denn das?« rief Kim Corda plötzlich. Er deutete auf den Suchholografen. Er war auf Rundumsicht eingestellt. Hinter einer Felsnase begann ein flaches, in NordSüdrichtung verlaufendes Tal. Der Diskus stand jetzt nur fünf Kilometer nördlich des großen Hantelraumerfriedhofs. Offenbar hantelte es sich bei diesem Tal um einen nördlichen Ausläufer des großen Beckens. Dann sah auch Rex Corda die merkwürdige Formation. Ein dunkler keilförmiger Fleck bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von fast zehn Kilometern pro Stunde nach Norden. Corda ging tiefer. Das glitzernde, zylinderförmige Etwas in der Mitte des Flecks leuchtete schwach im Licht der sterbenden Sonne. Corda drückte den Diskus nach vorn. Nur hundert Meter über dem Fleck ließ er ihn in der Luft verharren. Er verkleinerte den Aufnahmebereich der Holografen. Er stellte die Vergrößerung ein. Dann riß er verblüfft die Augen auf. »Wir gehen noch tiefer!« sagte er. Der Diskus sackte ab. Fünfzig Meter über dem schwarzen Fleck erkannte Rex Corda, daß er eines der größten Wunder auf Noki V entdeckt hatte. »Blauköpfe!« jauchzte Kim. Er hatte noch nicht verstanden, worum es hier ging. Tausende der kleinen maulwurfähnlichen Tiere hatten sich wie Lemminge zusammengerottet und strebten unaufhaltsam nach Norden. Aber das war es nicht, was Rex Corda mit tiefer Bewunderung erfüllte. »Sie transportieren den Gravitationsmotor aus einem Hantelraumer!« flüsterte er voller Hochachtung. Nur schwer konnte er sich von dem faszinierenden Bild losreißen. Es war unfaßbar! Die Blauköpfe schleppten den massigen Motor nach Norden. Sie benutzten aus Stein geformte Rollen, verteilte Rohrverbindungen und primitive Flaschenzüge. Das Bild war so absurd, daß Rex Corda urplötzlich an den Bau ägyptischer Pyramiden dachte. Irgendwie glich sich das Bild, auch wenn es letzten Endes vollkommen anders war. Wie Sklaven stemmten sich Tausende von Blauköpfen in haarfeine Seilschlingen und zogen den Gravitationsmotor mit gleichbleibender Geschwindigkeit aus dem Becken, in dem die Hantelraumer der Orathonen vernichtet worden waren. »Ich möchte wissen, was sie damit anfangen wollen«, meinte Kim. »Das möchte ich auch wissen!« nickte Rex Corda. »Von hier aus ist es eine gerade Linie bis zum Tafelberg. Wenn wir diese Linie nach Norden hin weiter verfolgen, müßten wir eigentlich zum Ziel der Blauköpfe kommen.« Er beschleunigte den Diskus. An den Seiten des Tales glitten zerklüftete Felswände vorbei. Deutlich sichtbar erkannte Rex Corda eine Spur auf der Talsohle. Das war nicht der erste Transport eines Gravitationsmotors… »Der Ursprung der Trichter liegt direkt vor dir«, meldete sich plötzlich John Haick aus der über ihnen stehenden »Walter Beckett«. Rex Corda blickte zur Seite. Er sah in das ernste Gesicht seines Freundes. Es schimmerte blaß
innerhalb des Holografen. John Haick war ebenso übernächtig wie er selbst. »Meinst du die weißen Trichter?« fragte Rex Corda. »Genau. Zwei Kilometer nördlich von dir steigen sie auf. Eine ganze Menge von ihnen fliegt pausenlos an der ›Walter Beckett‹ vorbei.« Rex Corda ließ die Aufnahmekameras für die Bordholografen in die angegebene Richtung einschwenken. Sofort konnte er sich selbst davon überzeugen, daß die Meldung von John Haick stimmte. Wie eine weiße Rauchwolke stieg ein nicht abreißender Strom weißer Trichter senkrecht in den dämmerigen Himmel. Sie bewegten sich schnell. Für den Diskus war es nur ein kurzer Sprung bis zum Aufstiegsort der Trichter. Plötzlich fiel es Rex Corda wie Schuppen von den Augen. Der Kreis hatte sich geschlossen. Jetzt ärgerte er sich darüber, daß er nicht eher darauf gekommen war. Selbst die SynopsisComputer hatten einen derartig vollkommenen Kreislauf nicht errechnen können. Und doch war er so einfach… Der weiße Delphin innerhalb seines Bassins schoß aufgeregt hin und her. Die Mandras sprachen wieder! Noch merkte Rex Corda nichts davon. Er hatte das Geheimnis von Noki V entschlüsselt! Er kannte den Ursprung der Invasion von Noki IV. »Das sieht ja toll aus!« sagte Kim und beugte sich vor. »Wieso können die Trichter eigentlich nach oben fliegen? Sie haben doch gar keinen Motor!« »Doch, Kim«, antwortete Rex Corda mit einem leichten Lächeln. »Sie haben einen Motor. Er bleibt zurück, während die Trichter in den Raum geschleudert werden. Sie fliegen bis zum Planeten, den wir für die Nokis ausgesucht hatten. Dort platzen sie und schütten ihre Wahnsinnsbakterien auf der neuen Heimat der Nokis aus.« »Aber wie können sie fliegen? Ich weiß es immer noch nicht.« »Gravitationsmotoren«, erklärte Rex Corda seinem Bruder. »Sieh mal, Kim. Diese Zylinder dort drüben stammen alle aus den Wracks an der Stelle, an der wir zuerst landen wollten. Die Mandras sind telepathisch begabt. Sie haben den Blauköpfen den Befehl gegeben, die Gravitationsmotoren hierherzubringen. Mit Hilfe dieser Motoren können sie selbst auswandern.« »Auswandern?« echote Kim. »Das verstehe ich nicht.« »Sieh dir mal an, was dort unten gemacht wird. Siehst du die kleinen Pflanzen?« Der Diskus ging tiefer. Jetzt konnte Kim erkennen, was sein Bruder meinte. Hunderte von absolut geometrischen Feldern erinnerten an Blumenbeete. Kleine, aus der Höhe kaum sichtbare Mandras steckten in dichten Reihen innerhalb dieser Felder. »So ziehen sie ihre Jungen groß«, lächelte Rex Corda. »Das hier ist ihr Kindergarten.« »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?« protestierte Kim. Rex Corda hatte die Verbindung zu John Haick nicht ausgeschaltet. Der junge Atomwissenschaftler konnte die Unterhaltung der beiden Brüder mit anhören. Jetzt schaltete er sich selbst ein. »Es stimmt, Kim«, meinte er von Bord der »Walter Beckett«. »Selbst von hier kann ich deutlich erkennen, daß es sich bei den Feldern um junge MandraPflanzen handelt. Wenn ihr nach links seht, werdet ihr feststellen, daß dort die Trichter hergestellt werden.« »Tatsächlich!« stieß Kim hervor. »Dort drüben werden die Trichter gebaut. Aber was haben die Blauköpfe denn überall zu suchen?« »Sie helfen bei der Evakuierung dieses Planeten. Was wir auf Noki IV als Invasion gesehen haben, ist nichts anderes als ein verzweifelter Versuch, diese Welt zu verlassen. Die Mandras benutzen die orathonischen Gravitationsmotoren, um ihre Rettungsbehälter in den Raum zu schleudern. Noki V hat sich durch die erkaltende Sonne in eine sterbende Welt verwandelt. Die Mandras planten keine Invasion – sie wollen dasselbe wie die Nokis: überleben!« Fragende Impulse tasteten nach Rex Corda. Er wußte nicht, daß die Mandras während der ganzen Zeit seine Gedanken und Gefühle belauscht hatten. Er war geprüft worden. Rex Corda öffnete seinen Geist. Er versuchte, alle Barrieren seines Unterbewußtseins abzubauen. Er
konzentrierte sich auf die Mandras. Er war bereit, mit ihnen auf telepathischem Wege zu sprechen. Er wußte, daß sie ihn mit einem neuen Gedankensturm sofort vernichten konnten. Er kannte das Risiko. Trotzdem war er bereit, den ersten Schritt zur Verständigung zu tun. Er fühlte die besorgte Warnung von Wabash. Der Delphin war nicht einverstanden mit dem, was Rex Corda tat. Und doch mußte ein Anfang gemacht werden. Rex Corda tat den ersten Schritt. Sein Geist war geöffnet für jede Art von Kontakten. Auch für tödliche. * Die erste Spritze gab sich Mt. Olaf Harrison selbst. Bereits nach wenigen Minuten begann er zu zittern. Er wußte nicht, woran es lag. Er hatte keine Ahnung, daß eine starke Insulindosis einen gesunden Menschen töten konnte. Sein Blutzuckerspiegel sank auf dreißig Milligramm pro hundert Kubikzentimeter. Mit fahrigen Bewegungen bereitete Mt. Olaf Harrison weitere Injektionen an Besatzungsmitgliedern der »Walter Beckett« vor. Er hatte nicht einmal in der Medizinischen Sektion seine Absicht bekannt gemacht. Der Mutant zitterte. Er zuckte zusammen und sah sich ängstlich um. Feine Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Seine Pupillen waren unnatürlich vergrößert – typische Symptome einer Hypoglykämie. Mt. Harrison schnappte einen Rollwagen, auf dem sich mehr als hundert Hochdruckspritzen aus Plastik befanden. Er ahnte nicht, daß er auf dem besten Wege war, hundert Besatzungsmitglieder der »Walter Beckett« zu töten. Er handelte mit bester Absicht. Er wollte die Besatzung mit Hilfe seiner Entdeckung immun gegen den Bacillus epilepticus machen. Sein kindlich arbeitender Verstand war nur auf seinem speziellen Fachgebiet in der Lage, normal zu denken. Für alles andere besaß Mt. Olaf Harrison einfach keinen Sinn. Er bewegte sich direkt auf die Quartiere der Besatzung zu. Er erreichte die Aufenthaltsräume. Dann verkündete er mit krähender Stimme seine Absicht. »Alle mal herhören!« rief er und strich sich mit seinen dicken Wurstfingern durch die zerwühlten Haare. »Bitte nacheinander zum Impfen antreten. Jedes Besatzungsmitglied der ›Walter Beckett‹ erhält eine Insulinspritze.« »Insulin?« fragte einer der Offiziere und schob sich nach vorn. Es war der Neger Alexander Bangwe. »Hören Sie mal zu, Mt. Harrison. Wir sind doch nicht zuckerkrank! Oder halten Sie uns alle für Diabetiker?« Die übrigen Offiziere lachten. Sie umringten den kleinen, ungewöhnlich dicken Mikroingenieur. Dann fragte ein anderer Offizier: »Warum geben Sie denn die Injektion und nicht eine der netten Krankenschwestern aus der Medizinischen Abteilung?« »Wahrscheinlich Personalmangel«, lachte Alexander Bangwe. »Also gut, Mt. Harrison, welchen Arm sollen wir frei machen?« »Ich injiziere am linken Unterarm«, erklärte der Mutant feierlich. Er baute sich hinter seinem Rollwagen auf und nahm die erste Hochdruckspritze zwischen seine fleischigen Wurstfinger. Geschickt hantierte er mit der Spritze. Dann begann er mit der Impfaktion. Ein Offizier nach dem anderen krempelte seinen linken Ärmel hoch. Mit Druckluft wurde das Insulin durch die Hautporen geschossen. Harrison hatte bereits vierzig Offiziere geimpft, als plötzlich von der Zentrale der »Walter Beckett« ein Einsatzbefehl kam. »Diskusbesatzungen sofort zu den Booten! Transport von Wissenschaftlern zum Trümmerfeld! Der Oberbefehlshaber hat Kontakt mit den Mandras aufgenommen. Sie sind intelligent! Ende der Durchsage.« Die Offiziere der Besatzung blickten sich an. »Intelligente Pflanzen!« murmelte Alexander Bangwe abwesend. Er hatte plötzlich ein unangenehmes Gefühl im Magen. Er fürchtete sich vor dem Flug mit einem Diskus. Er wußte nicht, woran es lag.
Ärgerlich nahm er ein Taschentuch und wischte sich den urplötzlich auftretenden Schweiß von seiner Stirn. Er sah in die Gesichter der anderen Offiziere. Er nickte ihnen zu. Sie liefen los. Keiner der geimpften Männer war zuckerkrank. Das Insulin in ihrem Körper wirkte nicht sofort. Aber es zersetzte bereits den Blutzucker in den Adern der zu den Diskusraumern laufenden Männer. * Der Diskus mit Rex Corda, Griffith, Kim und Wabash schoß auf das Trümmerfeld zu. Es hatte geklappt! Die Mandras waren nicht nur intelligent, sondern auch einsichtig. Sie erkannten, daß auch sie Fehler gemacht hatten. Rex Corda lächelte vor sich hin. Es war nicht einfach gewesen, den Pflanzen zu erklären, daß sie nicht die einzigen Lebewesen innerhalb des NokiSystems waren, deren Existenz durch die erkaltende Sonne bedroht war. Corda hatte ihnen die Situation der Nokis erklärt. Der Diskus erreichte das Trümmerfeld. In der Nähe des kegelförmigen Berges landete er auf einem schräg abfallenden, unbewachsenen Platz. Rex Corda hatte versprochen, den Pflanzen zu helfen, wenn es nicht zu neuen feindlichen Aktionen kam. Die Mandras verhielten sich ruhig. Kurz nach der Landung Rex Cordas löste sich aus den beiden Hantelkugeln der »Walter Beckett« ein halbes Dutzend Diskusraumer. Sie fielen schräg auf das Trümmerfeld zu. Innerhalb weniger Sekunden standen sieben Diskusraumer im Schatten des kegelförmigen Berges. Eine neue Dämmerung zog auf. Der Tag auf Noki V war kurz. Glitzernder Reif bedeckte den Berghang. Der kleine bleiche Mond stieg am Himmel auf. In diesem Augenblick hatte Rex Corda eine phantastische Idee… Er kletterte in seinen Raumanzug. Die Außenthermometer stellten Temperaturen von minus dreißig Grad fest. Das war zu kalt für Mandras und Blauköpfe. Es mußte etwas geschehen. Rex Corda dachte an den mißlungenen Versuch, die Sonne NokiSom wieder aufzuheizen. Er wußte, daß ein zweiter derartiger Versuch sinnlos war. Aber es gab eine Möglichkeit! Corda war kein Physiker. Er mußte mit den laktonischen Wissenschaftlern sprechen. Sie allein waren in der Lage, ihm zu sagen, ob seine Idee verwirklicht werden konnte. Es kam jetzt auf jede Minute an. Nicht allein die Mandras und Blauköpfe, sondern auch die Amok laufenden Geschöpfe auf Noki IV befanden sich in höchster Gefahr. Jede weitere Verzögerung konnte verheerende Folgen haben. Als der letzte Diskus gelandet war, ließ Rex Corda über eine Konferenzschaltung eine Simultanverbindung zwischen den einzelnen Scheiben herstellen. Fan Kar Kont, Hent Marat, Ierra Kretan und Bir Osgo nahmen an der Konferenz teil. Die zur Besatzung der Diskusraumer gehörenden TerraOffiziere hielten sich zurück. In der Erregung übersah Rex Corda die ersten Symptome der Insulinvergiftung. Er glaubte, daß die Offiziere nur durch die Anstrengungen der letzten Tage so erschöpft aussahen. »Ich will es kurz machen«, leitete Rex Corda die Konferenz ein. »Die Mandras können auf diesem Planeten nicht mehr existieren. Wir haben hier den gleichen Fall wie auf Noki III. Mandras und Blauköpfe gehen elendig zugrunde, wenn es uns nicht gelingt, einen Ausweg zu finden.« »Denken Sie an eine erneute Umsiedlungsaktion?« fragte Fan Kar Kont, während Schatten über sein braun und weiß gestreiftes Gesicht huschten. »Nein«, sagte Rex Corda. »Das wäre eine Aufgabe, die wir einfach nicht bewältigen können. Trotzdem muß es einen Weg geben, um die Mandras zu retten. Sie haben das gleiche Recht auf unsere Hilfe wie die Nokis.« »So wie ich Sie kenne, haben Sie doch bereits eine Idee«, meinte Hent Marat und schüttelte sein langes weißes Haar zurück. Rex Corda lächelte. »Dieser Planet hat im Gegensatz zu Noki IV einen Mond«, sagte er bedeutungsvoll. »Wir haben ihn noch nicht untersucht. Deshalb schlage ich vor, daß wir versuchen, einen Fusionsprozeß auf dem Mond anlaufen zu lassen.« »Sie wollen aus dem Mond von Noki V eine Miniatursonne machen?« fragte Bir Osgo. Er war der kleinste der laktonischen Wissenschaftler. Meistens hielt er sich im Hintergrund. Jetzt blickte er Corda verwundert an.
»Richtig, Bir Osgo! Was uns bei der Sonne mißlungen ist, könnte beim Mond dieses Planeten gelingen. Was halten Sie davon?« »Wir werden es versuchen«, meinte Fan Kar Kont, der ehemalige Chefwissenschaftler von Teckan. » Wir können aber nicht für einen Erfolg garantieren.« Erleichtert lehnte sich Rex Corda zurück. Sofort gab er das Zwischenergebnis der Konferenz an die Mandras weiter. Sie versprachen ihm, sofort die weitere Aussendung der Trichter einzustellen. Zufrieden über diesen Erfolg wandte sich Rex Corda wieder an die Wissenschaftler. »Können Sie sofort beginnen?« »Wenn Sie wollen, fliegen wir gleich zum Mond. Wir müssen ihn untersuchen. Gewisse Voraussetzungen sind für die Einleitung eines Fusionsprozesses nun einmal unerläßlich.« »Setzen Sie alle Mittel ein«, bat Rex Corda. »Wenn das Experiment gelingt, müssen wir uns um die Nokis kümmern. Es liegt jetzt an Ihnen, was aus den intelligenten Bewohnern dieses Systems wird.« »Wir werden tun, was wir können«, versprach Fan Kar Kont. Rex Corda unterbrach die Konferenz und startete seinen Diskus. Er schoß senkrecht zur über ihnen schwebenden »Walter Beckett« hinauf.
*
»Holen Sie McCluskey!« keuchte John Haick. »Aber schnell!«
Die brünette Krankenschwester blickte den Chef der Funk und Ortungszentrale verwundert an. So hatte der junge terranische Atomwissenschaftler noch nie mit ihr gesprochen. Ganz im Gegenteil… Trotzdem beeilte sie sich. McCluskey kam schneller, als John Haick es erwartet hatte. »Warum die Eile?« fragte er und hob die Brauen. »Unser Freund Mt. Olaf Harrison hat sich wie ein Idiot benommen!« keuchte John Haick. »Er hat mir gerade freudestrahlend erzählt, daß er ein Gegenmittel gegen den Bacillus epilepticus gefunden hat.« »Wunderbar!« strahlte McCluskey. »Hören Sie erst mal die Pointe, Doc. Unser übereifriger Mikroingenieur hat nämlich entdeckt, daß die Bakterien mit Insulin zerstört, werden können. Daraufhin hat er sich einen Vorrat besorgt und in Hochdruckspritzen gefüllt. Er gibt an, bereits fünfzig Offiziere der Besatzung geimpft zu haben.« »Mit Insulin?« keuchte McCluskey erschüttert. »Ja. Jeweils mit zweihundertzwanzig Einheiten.« »Um Gottes willen!« rief McCluskey aus. »Wer sind die Männer? Ich muß sie sofort behandeln.« »Dann ist Insulin für einen gesunden Körper also gefährlich?« meinte John Haick. »Gefährlich?« echote Doc McCluskey. »Tödlich! Wenn wir nichts dagegen unternehmen!« »Das habe ich mir gedacht!« sagte John Haick leise. »Ich werde sofort die Zentrale verständigen. Bereiten Sie hier alles vor, um die Männer sofort in Behandlung zu nehmen.« »Sie können sie ausrufen lassen. Dann gewinnen wir Zeit. Wann ist die Injektion vorgenommen worden?« »Vor dem Start der Diskusraumer«, sagte John Haick mit belegter Stimme. »Die geimpften Offiziere befinden sich in den Diskusraumern?« »Ein Teil von ihnen«, nickte John Haick. »Den Rest können wir impfen.« »Und die anderen? Wann kehren sie zurück?« »In etwa neunzig Minuten. Sie fliegen zusammen mit laktonischen Wissenschaftlern zum Mond dieses Planeten, um dort einen Fusionsprozeß in Gang zu bringen.« »Ausgeschlossen!« wehrte McCluskey ab. »Sie müssen sofort zurückkehren!« »Es geht nicht«, sagte John Haick und senkte den Kopf. »Die Männer können frühestens in dreißig Minuten vom Mond zurück sein.« »Dann sind sie tot!« sagte McCluskey mit schneidender Stimme. * Die Ereignisse brachen über Rex Corda zusammen. Er konnte nicht überall sein. Er mußte sich entscheiden, welches Problem vorzuziehen war. John Haick hatte ihn benachrichtigt, in welcher Gefahr sich ein Teil der Mannschaft der »Walter Beckett« befand. Sofort erteilte Rex Corda Doc McCluskey
alle Vollmachten für die Rettung der Vergifteten. Aber damit nicht genug. Er versuchte krampfhaft, über die Funk und Ortungszentrale mit den Diskusraumern Kontakt aufzunehmen. Irgend etwas klappte nicht. Die kleine unscheinbare Panne konnte über das Leben von mehreren Dutzend terranischer Offiziere entscheiden. Rex Corda wußte es. »Du mußt es immer wieder versuchen, John!« sagte er eindringlich. Dann schwang er plötzlich auf dem Absatz herum. Er stampfte auf Bekoval zu. »Sofortstart der ›Walter Beckett‹ zum Mond!« ordnete er an. Bekoval nickte kurz. Der Hantelraumer beschleunigte mit einer ungewöhnlichen Rate. Gleichzeitig waren andere Dinge innerhalb der »Walter Beckett« zu erledigen. Unter der Führung von Oberst Polley ließ Rex Corda ein Sonderkommando zusammenstellen. Polley nahm den Befehl widerspruchslos hin. Rex Corda hatte angeordnet, daß alle verfügbaren Bedienungsroboter der Ba3 Klasse kleine bauliche Veränderungen erhielten. Er stellte vier verfügbare Diskusraumer bereit. Oberst Polley war die Organisation des Rettungseinsatzes für die Nokis übertragen worden. Die Entdeckung von Mt. Harrison hatte nicht nur negative Folgen. Immerhin wußten sie jetzt, daß der Bacillus epilepticus verletzbar war. Sie konnten ihn ausrotten. In den medizinischen Depots der »Walter Beckett« befanden sich ausreichende Mengen von Insulin. Trotzdem waren die auf der »Walter Beckett« zurückgebliebenen laktonischen Wissenschaftler pausenlos damit beschäftigt, Ersatzstoffe zu finden. Sie brauchten ungeheure Mengen, wenn sie die auf Noki IV vorhandenen Bazillen ausrotten wollten… Zwölf Minuten nach der Alarmmeldung von John Haick standen die Ba3Roboter bereit. Sie sollten die Impfungen durchführen. Jeder der Roboter bekam einen Tank auf den Rücken, in dem sich Insulin befand. Über eine Schlauchverbindung, die an eine Hochdruckspritze gekoppelt war, konnten die Roboter auf diese Weise Tausenden von Nokis das Leben retten. »Diskusraumer startklar«, meldete Oberst Polley. »Sind die Synopsen fertig?« Percip brachte einen Stapel der kirschroten Platten an. »Jeder Diskus bekommt eine Synopse mit auf den Weg. Die Ba3Roboter wurden bereits informiert «, sagte Percip. »Übernehmen Sie das«, nickte Rex Corda. »Ich muß mich um die Männer auf dem Mond kümmern.« Während die »Walter Beckett« auf den kleinen Mond von Noki V zuschoß, verließen die Diskusraumer die Hantelkugeln. Sie blieben hinter der »Walter Beckett« zurück. Dann nahmen sie Kurs auf Noki IV. Nur in der Funk und Ortungszentrale waren zwei Funkerinnen damit beschäftigt, den Kurs der Rettungsschiffe zu überwachen. Rex Corda hatte in diesem Moment andere Sorgen. Die »Walter Beckett« stürzte auf den Mond zu. In diesem Augenblick sah er das rötlich glühende Auge in der Dämmerungszone des Mondes. Er konnte sich nicht darüber freuen. Er dachte an die insulinvergifteten Offiziere. Der Fusionsprozeß auf dem Mond von Noki V lief an. Die Wissenschaftler Laktons hatten Erfolg gehabt. Mit bleichem Gesicht saß Rex Corda vor einem Holografen. »Das Opfer ist zu groß!« murmelte er leise. Die ganze Last der Verantwortung ruhte auf seinen Schultern. Sekundenlang schloß er die Augen. * Dutzende von Ba3Robotern quollen aus den Luken der Diskusraumer. Sie waren rund um den künstlich geschaffenen Stausee auf Noki IV gelandet. Sofort wurden sie von Amok laufenden Nokis angegriffen. Die Roboter begannen mit ihrem rettenden Einsatz. Die einzigen Waffen, die ihnen zur Verfügung standen, waren die Behälter mit Insulin. Ein Noki nach dem anderen wurde geimpft. Sie kamen zu Hunderten. Sie benutzten Bulldozer und große Baumaschinen, um die Ba3Roboter niederzuwalzen. Nur durch die ausgeklügelte Positronik gelang es den Bedienungsrobotern immer wieder, den auf sie einstürmenden Nokis auszuweichen. Wo immer sie Kontakt mit den gefiederten
Geschöpfen hatten, injizierten sie eine genau dosierte Insulinmenge in den Körper der Nokis. Bereits in der ersten Stunde wurden sechsunddreißigtausend Nokis geimpft. * Die »Walter Beckett« landete auf dem kleinen Mond von Noki V. Mit einer Rettungsmannschaft aus fast hundert Offizieren in Raumanzügen stürmte Oberst Polley auf die Diskusraumer zu. Sie standen im Halbkreis um einen glühenden Feuerstrudel, der von den Laktonen entzündet worden war. Das Atomfeuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Die Kettenreaktion war nicht mehr aufzuhalten. Während die laktonischen Wissenschaftler vollkommen fasziniert den von ihnen in Gang gesetzten Fusionsprozeß beobachteten, brachen immer mehr insulinvergiftete Offiziere in der Nähe der Diskusraumer zusammen. Mit verkrampften Gliedern fielen sie auf den porösen Boden des kleinen Mondes. Dann waren die Retter zur Stelle. Jeweils zwei Offiziere schnappten sich einen ihrer Kameraden und rannten so schnell wie möglich zur »Walter Beckett« zurück. Der Mond hatte nur eine geringe Gravitation. In großen, weiten Sprüngen hetzten sie zum Hantelraumer. Von der Zentrale aus beobachtete Rex Corda das in allerletzter Sekunde eingeleitete Rettungswerk. Er hatte Nokis und Mandras helfen wollen und dabei seine eigenen Leute aufs Spiel gesetzt! Das war nicht seine Absicht gewesen. In der Medizinischen Sektion war bereits alles vorbereitet. Doc McCluskey hatte ganze Arbeit geleistet. In Sekundenschnelle wurden die vom Insulinschock gelähmten Offiziere in die Behandlungsräume gebracht. Doc McCluskey und seine Helfer nahmen sich keine Zeit, die im Hypoglykämiezustand befindlichen Offiziere aus ihren Raumanzügen zu schälen. Mit harten Bewegungen rissen sie die Raumhelme auf. Dann injizierte McCluskey die Gegenmittel direkt in die Halsschlagadern. Trotzdem kam die schnelle Hilfe bei zwölf Offizieren beinahe zu spät. In wilden Zuckungen wälzten sie sich auf ihren Liegen hin und her, während Schaum vor ihren Mund trat. Die unnatürlich geweiteten Pupillen starrten angstvoll auf die Männer in der Medizinischen Sektion. Furcht und Schrecken sprachen aus den gehetzt wirkenden Gesichtern der Offiziere. Sie alle verstanden nicht, was mit ihnen geschehen war. Niemand konnte es ihnen jetzt erklären. Sie waren nicht aufnahmefähig genug, um die Wahrheit zu begreifen. Als Rex Corda eine Holografenverbindung mit der Medizinischen Sektion der »Walter Beckett« herstellte, bot sich seinen Augen ein grauenhaftes Bild. Überall in der überfüllten Sektion lagen krampfhaft zuckende Männer, die gellende Schreie ausstießen. Röchelnde und stöhnende Gestalten wurden von gesunden Offizieren gewaltsam auf die Liegen zurückgepreßt. Es kostete unsagbare Anstrengungen, die Tobenden zu bändigen. Das war beinahe schlimmer als der Amoklauf der Nokis. Immerhin handelte es sich bei den insulinvergifteten Offizieren von Terra um gesunde, starke Männer und nicht um kleine zierliche Nokis. Die gesamte Medizinische Sektion glich einem einzigen Irrenhaus. Apathisch fielen die am längsten Vergifteten auf ihre Liegen zurück. Jetzt war der Zeitpunkt eingetreten, der die Entscheidung bringen mußte. Rex Corda kaute auf seiner Unterlippe, während er mit brennenden Augen auf den Holografen starrte. Wütend darüber, daß er selbst nicht helfend eingreifen konnte, sprang er von seinem Pneumosessel auf. Unruhig lief er in der Zentrale auf und ab. Dann sah er, daß das Atomfeuer sich immer weiter ausbreitete. »Befehl an die Diskusraumer. Sofort zur ›Walter Beckett‹ zurückkehren!« sagte Rex Corda hastig. Percip gab den Befehl über John Haick an die laktonischen Wissenschaftler weiter. Sie konnten sich nur schwer von dem faszinierenden Bild losreißen. Da sprachen auch die Strahlenmeßgeräte innerhalb der Zentrale an. »Sie sollen endlich zurückkommen!« rief Rex Corda wütend. »Unsere Medizinische Station ist überfüllt. Sie kann jetzt nicht auch noch verstrahlte Wissenschaftler aufnehmen!«
Endlich schienen die Wissenschaftler kapiert zu haben. Sie liefen zu den Diskusraumern zurück und starteten. Es war allerhöchste Zeit! Der Fusionsprozeß griff immer weiter um sich. Weite Teile des Mondes bestanden jetzt aus einer glühenden, wabernden Lohe. Die Schleusen hatten sich noch nicht ganz hinter dem letzten Diskus geschlossen, als Rex Corda auch schon den Befehl zum Start gab. Funk und Ortungsgeräte arbeiteten nur noch mit schweren Störungen. Die Kettenreaktion auf der Oberfläche des Mondes von Noki V griff immer weiter um sich. Der von den Laktonen gelegte Funke entflammte einen atomaren Glutofen. Mit heulenden Triebwerken stieg die »Walter Beckett« auf. Kaum fünf Minuten später stand der ganze Mond in Flammen. Rotglühende Magmamassen wälzten sich über seine Oberfläche. Da flammte der atomare Glutofen mit einer derartigen Plötzlichkeit auf, daß Rex Corda geblendet die Augen schloß. Eine neue weißglühende Sonne war über Noki V entstanden… Wirbelstürme jagten über die Oberfläche des Planeten. Die ersten Wissenschaftler tauchten in der Zentrale auf. Rex Corda deutete auf die Oberfläche von Noki V. »Kann man nichts dagegen tun?« fragte er Fan Kar Kont. Die braunen und weißen Streifen auf dem Gesicht des ehemaligen Chefwissenschaftlers von Teckan zuckten. »Energiefilter«, sagte er ruhig. »Was für Dinger?« »Wir könnten ein Netz mit Hilfe unserer DracoWerfer legen. Damit filtern wir einen Teil der schädlichen Strahlung aus. Wir würden gleichzeitig die atmosphärischen Störungen von Noki V vermindern.« »Dann tun Sie es!« sagte Rex Corda mit belegter Stimme. »Tun Sie alles, was den Mandras helfen kann, die Geburt einer neuen Sonne heil zu überstehen.« »In Ordnung«, erwiderte Fan Kar Kont und nickte seinen Begleitern zu. Die Wissenschaftler verließen die Zentrale. Es gab noch viel zu tun, bis das Leben auf Noki V wieder neu erblühen konnte. Zunächst mußte Rex Corda sich um die Nokis kümmern. »Lassen Sie einige DracoWerfer ausschleusen. Schieben Sie die Blöcke mit Traktorstrahlen in die richtigen Positionen.« Fan Kar Kont war nicht mehr im Raum. Trotzdem verstand er die Anordnung von Rex Corda. Sie war über das Verständigungsnetz innerhalb der »Walter Beckett« weitergeleitet worden. Rex Corda warf einen kurzen Blick auf den Holografen, der ihm einen Bericht aus der Medizinischen Sektion gab. »Wie steht’s?« fragte er den Doc. McCluskey nickte. »Wenn wir Glück haben, bekommen wir alle durch.« Rex Corda atmete erleichtert auf. »Jetzt sind nur noch die Nokis ein Problem«, sagte er zum Lithalonier Percip, der neben ihn getreten war. »Was halten Sie davon, wenn wir nach Noki IV zurückfliegen und uns die Arbeit unserer Ba3 Roboter einmal ansehen?« »Wir müssen erst die DracoWerfer ausschleusen lassen«, sagte Rex Corda kopfschüttelnd. »Wir sind soweit!« meldete sich in diesem Augenblick Fan Kar Kont. »Okay!« Vier DracoWerfer verließen die Schleusen der »Walter Beckett«. Eine Zeitlang flogen sie durch ihr eigenes Beharrungsvermögen dicht neben dem Hantelraumer her. Dann wurden sie von Fan Kar Kont in die berechneten Positionen geschickt. »Damit wäre der Fall Noki V vorläufig erledigt«, meldete sich Fan Kar Kont. Rex Corda nickte.
»Kurs auf Noki IV!« sagte er zu Bekoval. * Die »Walter Beckett« landete in der Nähe des Pentagramms. Die merkwürdige fünfeckige Kuppelformation war John Haick bereits kurz nach der ersten Landung auf Noki IV aufgefallen. Über die SynopsisComputer ließ sich Rex Corda einen Lagebericht von der neuen Welt der Nokis geben. Die Aussichten waren günstig. Rex Corda ließ einen Teil der Baumaschinen für neue Aufgaben abstellen. Er wußte inzwischen, daß die Nokis und die Mandras niemals friedlich nebeneinander leben konnten. Der Dreiersymbiose aus Mandras, Blauköpfen und Bazillen hatten die Nokis nichts entgegenzusetzen. Obwohl sich die beiden beherrschenden intelligenten Lebensformen nicht mehr feindlich gegenüberstanden, würde es nie zu freundschaftlichen Aktionen zwischen ihnen kommen. Diskusraumer mit Sprühdüsen stiegen von der »Walter Beckett« auf. Unsagbar viel war in den letzten Tagen geleistet worden. Neue Aufgaben standen bevor. Aber erst wenn Noki IV von den letzten Resten der MandraKeimlinge und dem Bacillus epilepticus gesäubert war, konnte Rex Corda sich wieder auf das eigentliche Ziel seiner langen Reise konzentrieren. Es war merkwürdig ruhig an Bord der »Walter Beckett«. Die Stille innerhalb der Zentrale ließ seine Ohren dröhnen. Er dachte an Sigam Agelon, an den EnergieMutanten Matson und an die verschwundene Raumfestung »Schalmirane«… Plötzlich erkannte er, daß es einen sehr einfachen Grund für das Erkalten der NokiSonne geben mußte. Es war nur ein Schritt bis zu der Erkenntnis, daß die »Zeitlosen« in der Raumstation » Schalmirane« etwas mit den Katastrophen im NokiSystem zu tun hatten. Die Flucht der »Zeitlosen« hinterließ überall Spuren. Die erkaltende Sonne und das merkwürdige Pentagramm auf der Oberfläche von Noki IV gehörten dazu. Rex Corda war bereit, dem Ruf des EnergieMutanten Matson zu folgen. ENDE